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SCENE MADE VOL . I PUNK & HARDCORE by Danny B Helm IMPRESSUM Danny B Helm: Scene Made Vol. I – Punk & Hardcore Berlin, 2013 Alle Rechte am Werk liegen beim Autor: Danny B Helm Layout: PHRENETICA Photography & Design Isabell Kur tze • www.phrenetica.com Verlag und Druck: Spirit of the Streets / Bandworm Records e.K. Schwiesaustr. 11 39124 Magdeburg www.bandworm.de Tel. 0391 -28 92 25 17 Fax 0391-28 92 25 99 17 Erstauflage Best.Nr. BW 100 INHALTSVERZEICHNIS I INHALTSVERZEICHNIS II Vorwort SCENE MADE - Vol. I .............................................................. 06 HARDCORE Einleitung Hardcore..................................................................... 153 Einleitung PUNK .......................................................................... 07 '80er Deutscher W. (OHL) ....................................................................... Sir Hannes Smith (Idiots Records/Honigdieb) .............................................. Alex Schwers (ex-Hass/Slime) ............................................................. Wolfgang „Fox“ Funkauser ................................................................. Eugen Balanskat (Die Skeptiker/Rotorfon)................................................. Enrico Ollenhauer ........................................................................ Andreas Löhr (Fliehende Stürme) .......................................................... Karl Nagel (ex-APPD/Kein Hass Da) ........................................................ Kerry Martinez (U.S.Bombs)............................................................... Heiko W. (ehem. „Sondermüll“ Fanzine) .................................................... 08 09 20 21 30 31 44 45 54 55 '90er Einhorn (Atemnot) ........................................................................ Amelie Wieland (Luckenpaint) ............................................................. Rio (No Exit)............................................................................ Vivianne................................................................................. Liane Schweiger (Zusamm-Rottung)......................................................... Alexander Beulich (Get A Life-Shop) ...................................................... Goethe (Zaunpfahl) ....................................................................... Gunnar (Dritte Wahl)..................................................................... 66 67 74 75 82 83 94 95 2000er Adam „Ado“ Dera (Betontod).............................................................. Hummel (Scheinwelten.Photography) ....................................................... Debby Earle (Tungsten Tips) ............................................................. Thomäs (Resist To Exist Open Air) ....................................................... Vojta Kalina (Pipes And Pints) .......................................................... Sybille Lengauer........................................................................ Torben Höffgen (Kärbholz)............................................................... MMB Friedhelm (Die Arbeitslosen Bauarbeiter)............................................ '80er Parris Mayhew (Original Cro-Mags) ....................................................... 154 Gary Meskil (Pro Pain/ ex-Crumbsuckers)................................................. 155 '90er Schrod (Protection Of Hate) ............................................................. 162 Micha Buchal (Anticops)................................................................. 163 2000er Maik Weichert (Heaven Shall Burn) ....................................................... Felix Heiduk (ex-Final Prayer) .......................................................... Relentless (Vengince) ................................................................... Richard (Drugs Of Faith) ................................................................ Manthos Stergiou (Tardive Dyskinesia) ................................................... Maria Heldt............................................................................. Hendrik Fedor „Hazy“ Vangerow (Grober Knüppel).......................................... Eric Haudan............................................................................. Michel Hinz (Warstreet/The Bone Idles).................................................. Angie „T-Cat“........................................................................... Juan Camilo Rojas (Linea De Fuego) ...................................................... 174 175 186 187 194 195 200 201 210 211 218 Hardcore Hall of Fame ................................................................... 223 Credits ................................................................................. 224 106 107 114 115 124 125 136 137 Punk Hall of Fame ....................................................................... 151 VORWORT PUNK‘S NOT DEAD! - Ich widme dieses Buch Seira (R.i.F.), Zedy, meinem Dad (R.i.F.) und meiner Mutter Alles begann mit der Frage eines ehemaligen Kumpels, der mich irgendwann Ende 2.009 / Anfang 2.010 fragte, warum ich nicht ein Szenebuch schriebe - und es später über sein Label rausbrächte?! Diese Frage war der sprichwör tliche Funke auf trockenem Heu. Es gab keine Millisekunde eines Zweifels und ich machte mich Anfang 2.010 daran ein noch nicht dagewesenes Konzept zu erschaffen, zu recherchieren und in Folge dessen mit den ersten Interviews für dieses Buch zu beginnen. Im Vorfeld dieses Buches hatte ich bereits 24 Jahre Schreiberei (diverse eigene Versbände, Songs, eigene Bücher) auf der Habenseite. Des Weiteren hatte ich bereits knapp ein halbes Jahrzehnt für das Fatal Underground (und auch kurze Zeit für das Online Magazin „Eternity Magazin“; Links zu beiden siehe unten) geschrieben und interviewt. Soviel zu den Referenzen als Basis. Durch meine freie Mitarbeit beim Fatal Underground Zine hatte ich auch schon einen passenden Buchtitel parat: SCENE MADE (eine Rubrik, die ich erfunden hatte). Das klang kurz, knackig und traf den Kern- und nicht zuletzt hätte keine andere Headline das Konzept dieses Gesamtwerkes so perfekt treffen können. Es war von Anfang an mein Ansinnen die jeweilige Szene für sich selbst sprechen zu lassen. Durch die sehr individuellen Interviews mit den Musikern und Szeneleuten in diesem Buch, die alle ihren Beitrag zu einer oder mehreren subkulturellen Szenen beigetragen haben und somit eine Ar t eigene Welt in dieser, unseren Welt geschaffen haben. Eine Welt, die von sozialem Auf begehren, Musik- und von viel Leidenschaft lebt. Eine Welt, die der Mainstream nie komplett ausbeuten und vereinnahmen konnte. Dabei schwingt bei jedem Interviewpar tner auch ein biographischer Wind mit, der auch den jeweiligen Menschen im Erleben seines Lebens und seiner Zeit zeigt. Aus all´ diesen Interviews ergibt sich der Hauch einer Ahnung wie die jeweilige subkulturelle Szene läuft, wie deren Räder ineinandergreifen und letztlich rollen. Dennoch möchte ich kein Bild vorgeben, denn denken sollt Ihr Leser selbst. Dieses Buch ist in seiner Gesamtheit sicherlich ziemlich unkonventionell, zum Beispiel was die grammatikalische Schreibweise(n) betrifft. Ich möchte durchaus ein Bewußtsein schaffen, daß es eine Generation (u.a. meine Generation) gibt, die nach der „alten“ Rechtschreibung erzogen- und (aus-)gebildet wurde und sich irgendwann nach der Schulzeit plötzlich mit dem Plan der Gelehr ten einer Rechtschreibreform konfrontier t sah. Deshalb habe ich ganz bewusst den Konsens beider mir geläufigen Rechtschreibformen gewählt, quasi eine alternative Mischform, zumal in diesem Buch auch alle RechtschreibGenerationen vorkommen. Dieses Buch ist in erster Linie für WIRKLICH Interessierte gedacht, nicht für Mamas Besserwisser oder Rechtschreib-Reinkultur-Puristen. Was natürlich ebenso unkonventionell/unüblich in einem Buch ist, wenn man Werbeflächen diverser Metiers mit einbindet. Es war am Ende der rettende Strohhalm, um dieses Buch überhaupt Realität werden zu lassen. Ich selbst hatte einfach nicht die finanziellen Mittel einen professionellen Grafiker (bzw. in diesem Falle Grafikerin!) bezahlen zu können. Qualität hat nun einmal ihren Preis. Nichts desto trotz habe ich versucht darauf zu achten, dass ich die Werbeflächen mit Firmen bestücke, die auf die eine- oder andere Weise auch Teil der Subkultur waren bzw. noch immer sind. Anders, als andere Szenebuchautoren, gebe ich ganz bewußt nicht den Geschichtslehrer mit erhobenem Finger und monologiere nicht, wie tausend Andere, darüber wann- und wo die Szene ihren Ursprung nahm etc.. Ich begründe dies´ damit, daß dies´ bereits genug Leute vor mir getan haben und sich in Zeiten des World Wide Web Jede/-r sein/ ihr eigenes Bild machen kann. Ich entschied mich eher dafür meine Erfahrungen mit der jeweiligen subkulturellen Szene mit einfließen zu lassen, nicht(!), um mich selbst auf einen Sockel zu heben, sondern einfach, um die Authentizität dieses Buches zu untermauern und um zu zeigen, daß ich keiner dieser pseudo-wissenschaftlichen, sozialpädagogischen Studenten- oder Professoren bin. Ganz im Gegenteil, jede einzelne der Szenen hat einen festen Platz in meinem Leben, da ich mich weder auf eine bestimmte Szene limitiere, noch meine musikalische Offenheit bei einer bestimmten Szene aufhör t. Gut und richtig ist alles, was gefällt. Ich achtete darauf, daß ich wenigstens den Großteil der Interviewpar tner (sowohl die Musiker, wie auch die Szeneleute) mindestens einmal persönlich traf, um möglichst viele Sympathieträger im Buch zu haben (was sicherlich subjektiv ist). Das heißt, daß ich fern von am Reißbrett konstruierten PR-Strategien agier te. Ich stand stets in direktem Kontakt zu den Interviewpar tnern und kann sagen, daß jede/-r Einzelne in diesem Gesamtwerk ein Mensch ist, mit dem man es einige Zeit aushalten könnte. Ich konnte bei keinem Einzigen etwas Gespieltes oder Aufgesetztes entdecken und DAS zählte für mich, nebst derer Schöpfungen in- oder mit der Szene. Natürlich gab es auch unliebsame, ärgerliche (manchmal sogar zeitlich zurückwerfende) Momente. Ob das ein -6- „Manager“ war, der pro Foto seines Schützlings 100,- ¤ bis 200,- ¤ (!!!) aufrief oder auch Musiker, die zuerst Feuer und Flamme waren und dann nach mühevoller Recherche absagten. Am Schlimmsten empfand ich es aber, wenn sich Interviewpartner nach Einsicht der Fragen einfach nicht mehr meldeten (was größtenteils Szeneleute betraf). Noch schlimmer allerdings war allerdings, der, der „eigentlich“ nicht einmal der Rede wer t wäre, wenn er mich nicht nur ca. ein halbes Jahr, sondern letztlich auch jede Menge Nerven gekostet hätte, nachdem er hinschmiss und klar wurde, daß ich einem Blender aufgesessen war. Scheiße passier t... Deshalb Danke ich an dieser Stelle noch einmal ALLEN Interviewpar tnern, die mir Ver trauen und Geduld geschenkt haben und den Mut hatten ihre Geschichte zu erzählen!!! Ein Dank geht auch an all‘ meine Freunde, die mir soviel Liebe und Verständnis entgegenbrachten, wenn ich aufgrund des Buches oft keine Zeit für sie hatte. Genauso Danke ich vor allem Hazy (dafür, daß er den Kontakt zu Mark Lorenz von Bandworm Records e.K. vermittelt hat!!! TAUSEND DANK!!!), Friedhelm (für den Tip bezüglich Katrin!), Mark Lorenz und dem gesamten Bandworm Records e.K. /Spirit Of The Streets Team, sowie all´ meinen fleißigen Helfern Katrin Böckenheuer, Rachel (for your great suppor t!), Steffi Kröger- und nicht zuletzt Anja Heppe, Gordon (anfangs) und Isi (PHRENETICA) für die gigantische visuelle Umsetzung! Und last but not least DANKE ich EUCH, schließlich habt Ihr Euch dieses Buch gekauft und belohnt damit das Tun all´ derer, die an diesem Buch bei der Umsetzung mitgewirkt haben! IHR seid es, die die in diesem Buch beschriebenen Szenekreise- und deren Musiken am Leben haltet, deshalb unterstützt kleine Labels oder kauft die jeweiligen Werke direkt bei Euren Lieblingsbands, damit dieser Kreislauf auch weiterhin so facettenreich pulsier t! In diesem Sinne, Vielen Dank und nun viel Freude beim Lesen! Danny B Helm Berlin, 2.013 eternitymagazin.de fatal-underground.de schafe-schuesse.de facebook.com/pages/SCENE-MADE/124543380962839 Viele Leute sagen der Punk sei längst tot, szeneintern wie auch extern. Gerade die szeneinternen Leute, die möglicherweise keinen Iro mehr tragen, weil sie vielleicht einfach älter geworden sind, widersprechen sich jedoch damit oft selbst, denn waren es nicht oft auch dieselben Leute, die Textzeilen wie „Für immer Punk, ein Leben lang, für immer Punk…“ mitgesungen haben?! Ich persönlich glaube, dass der Punk noch lange nicht tot ist, sondern sich just weiterentwickelt hat. Punk hat letztlich viele Musikstile beeinflusst und selbst die Style-Trends profitieren immer wieder von dem, was einst in der Punk Szene gelebt wurde, von der Gesellschaft aber an den Rand gedrängt oder sogar geprügelt wurde. Da mutet es natürlich paradox an, dass die Sytlingideen heutzutage schwer angesagt sind. Doch das soll hier nur als Nebengedanke im Raum stehen. Ich für meinen Teil kann nur sagen, daß ich das „Punk Feeling“, das dich schon vom Rest deiner Umgebung unterschied, als ich selbst noch nicht einmal wusste, was Punk eigentlich ist, immer in mir trug. Meine „Rettung“ aus dieser Unwissenheit muß so ca. in der Drehe 1.987/88 gewesen sein?! Ich war, wie so oft, bei meinem damals besten Kumpel zu Hause, dessen älterer Bruder damals Punk war. Ich lebte in jenen Tagen in einem Grenzgebiet in Thüringen - sprich in der DDR und war zwischen 11- und 12 Jahre alt. Mein bester Kumpel stibitzte öfter mal eine Kassette seines älteren Bruders, auf der oft in nicht gerade bester Tonqualität Punk Bands wie OHL, Die Firma, Sex Pistols, Angelic Upstarts, U.K. Subs, Die Skeptiker und viele andere, an die ich mich leider nicht mehr exakt erinnere, zu hören waren. Der Bruder meines Kumpels wurde quasi unser „(Musik-)Dealer“ des Vertrauens und so kamen wir in den Genuß von einigen Alben, wie zum Beispiel von OHL (die Aufnahmen, die man heutzutage größtenteils auf dem Doppelalbum „Im Westen nichts Neues“ hören kann), das U.K. Subs Album „Japan Today“ (von 1.987), vereinzelte Songs von Die Firma, Die Skeptikter, Sex Pistols „Never Mind the Bollocks“ Album (Original 1.977 erschienen) und so um die Wendezeit herum Nina Hagens selbstbetiteltes ‘89er Album. Dabei habe ich sicher noch einige vergessen. Das, was uns damals bannte, war diese „Andersartigkeit“, der spürbare - ja hörbare, Geruch der Rebellion, also genau DAS, was wir brauchten in dieser, unseren pubertären Zeit. Die sogenannten „schwarzen Schafe“ in unseren Familien und der Schule etc. waren wir längst, da wir Beide einfach von Beginn an „anders“ waren. Da es zu DDR Zeiten aber nicht gerade „easy“ war sich mit 11/ 12 Jahren zum Punk zu bekennen, nutzten wir kleine Lücken und quetschten uns (bildlich gesprochen) mit voller Euphorie in diese Systemlücken hinein. Und so zogen wir beim Faschings(=Karnevals-)Umzug in unserer Kleinstadt mit ausgestrecktem Mittelfinger im Troß des Umzuges mit. Unsere Haare hatte der ältere Bruder meines Kumpels stilecht mit Kernseife, Zuckerwasser und Haarspray auf Punk getrimmt. Das Haar stand felsenfest und das ganz ohne Haargel oder Drei-Wetter-Taft. Ein anderer Kumpel, der anfangs mitmachen wollte, bekam (sprichwörtlich) kalte Füße, aus Angst davor, daß er eine Standpauke von seinen Eltern zu hören bekäme, aber sicher auch aus Angst um den Ruf seiner Familie und nicht zuletzt vor den Behörden des DDR-Staates. Für uns trennte sich damals ein wenig die Spreu vom Weizen. Wir glaubten WIRKLICH die Welt verändern zu können. Und dieser damalige Umzug war unser „Weg der Freiheit“, unsere „Demo der ausgestreckten Mittelfinger“ - direkt und unverblümt zeigten wir unsere Mittelfinger -7- mit breitem Grinsen dem Spießbürger tum unserer Kleinstadt, schließlich bedeutete Fasching/Karneval die Freiheit der „Verkleidung“. Nun ja, diese eine kleine Episode aus meinem Leben war nur ein Erlebnis von vielen. Ärger hatten wir vor- sowie nach dem Fall der Mauer genug, aber das Punk Feeling im Herzen blieb immer, bis Heute. Die Wende kam, unsere Wege nahmen ihre eigenen Läufe. Ich persönlich verlor` das Interesse an für mich allmählich zauberverlierenden Bands wie Die Ärzte, hatte aber Spaß an aberwitzigen Songs der Abstürzenden Brieftauben, erfreute mich an so manchem „Schlachtrufe BRD“ Sampler, Daily Terror, Slime, Normahl, OHL und hatte parallel begonnen die Böhsen Onkelz (so ab ca. 1.988), diverse Metal- und Hardcore Bands (seit ca. 1.987) zu hören. Mitte der ‘90er hatte ich sogar eine Zeit lang eine eigene Punk/ Hardcore Band am Start. All` das brachte Höhen und Tiefen mit sich, bis Heute. Am Ende bleibt die Tatsache den eigenen Weg aufrecht gegangen zu sein. Punk war was gefällt, fern von der leider zunehmenden Politisierung. Punk war für mich immer gegen alles, was (an-)stinkt, egal, ob das rechts, links, oben, unten oder was weiß ich war. In diesem Sinne viel Spaß in der Welt des Punk. PUNK-t. Danny B Helm. DEUTSCHER W. SIR HANNES SMITH (IDIOTS RECORDS) „Halte die Augen auf, um die Realität zu sehen“ „Das Leben im Jetzt und Hier.“ (OHL / DER FLUCH) OHL (ausgesprochen: Oberste HeeresLeitung) sind eine der dienstältesten Punkbands aus Deutschland (und polarisieren nach wie vor, allein durch ihre Doppelschläge gegen extremistische Formen). Egal ob jene Formen aus dem extrem linken - oder rechtem Lager kommen, oder ob sie fanatisch- religiöse Ansichten haben. OHL erlauben sich seit 1.980, also seit 33(!) Jahren - die Dinge im wahrsten Sinne des Wortes zu hinterfragen. Oft trafen sie thematisch den Nerv der Zeit und legten den in Salz getränkten Finger auf die Wunde(n). Bis Heute gelten OHL als umstritten und werden in Punkkreisen gerne mal als „CDU Punk“ betitelt, nicht zuletzt, weil man sich (THE IDIOTS / HONIGDIEB) in keine politische Schublade drängen läßt, sondern einfach Musik machen möchte. Und was auch immer man über OHL so alles spekulieren könnte, Fakt ist, daß der Gründer „Deutscher W.“ (* das W steht in seinem Fall für Widerstand) sich in 33 Jahren an KEINE Seite verkauft hat und sich NICHT instrumentalisieren ließ, wie es manch´ andere Band tat. Und auch mit den Gothic Rock-/ Horror Punk Klängen von DER FLUCH und PROJEKT MENSCH hat er schon so manches Konzert oder auch so manche Clubtanzfläche gefüllt. Hier nun mein ganz offener Versuch, mittels ebenso offener Fragen den Menschen hinter dem „Deutschen W.“ näherzubringen. Willkommen im SCENE MADE Vol. I Buch, Deutscher W. Bevor es losgeht: Gratulation zu mittlerweile 32 Jahren musikalischen Schaffens und Erfolges! Laß uns zuerst einmal 32 Jahre zurückgehen, ins Jahr 1.980. Wie genau kam es zur OHL Gründung? War das ‘ne spontane Aktion oder wußtest du recht früh, daß du mehr, als nur „Punk`s Not Dead“ oder „No Future“ zu sagen hättest? Die erste Musik, mit der ich in Kontakt kam, waren The Yardbirds und The Kinks, die mir ein Freund meines Vaters mal vorgespielt hat - ich muß wohl so 13 gewesen sein. Das fand ich zwar ganz gut und besser, als das, was damals so im Radio lief, aber irgendwie war mir das auch zu „alt“. Dann bin ich an The Sweet rangekommen und Stücke wie „Ballroom Blitz“ oder „Hellraiser“ waren die erste Musik, die ich wirklich klasse fand. Aber die Initialzündung waren dann The Adver ts und deren, aus heutiger Sicht zwar extrem schlechtem, aber für mich damals sensationellen Film „Brennende Langeweile“. Das lief 1978 spät abends im ZDF und das war‘s dann, ich war 14 und von da an war klar welchen Weg ich einschlagen würde. Es gab da zwar auch schon Sex Pistols, The Clash, Ramones etc., aber merkwürdigerweise fand ich die irgendwie schon zu „bekannt“. Mich haben immer mehr die anderen Bands interessier t, die nicht so gehypt wurden. Wire, Ar t Attacks, Chelsea und The Pack (heute immer noch unerreicht) und über John Peels Radiosendung „Rock Today“ habe ich dann immer mehr faszinierende Bands kennen gelernt. 1979 habe ich dann angefangen selber Musik zu machen und im Januar 1980, ich bin gerade 16 geworden, OHL gegründet. Damals war „Punk`s Not Dead“ kein Thema und „No Future“ war eh nie mein Ding. (*The Yard- birds: von 1.962 - 1.968 und 1.992 reaktivier t, waren so bekannte Leute wie Eric Clapton, Jeff Beck -Jeff Beckl Group- und Jimmy Page - Led Zeppelin aktiv; *The Kinks: eine der erfolgreichsten britischen Bands der ‘60er Jahre) Beschreibe doch bitte mal das „Herz aus Beton“ von Leverkusen 1.980. Gab es in Leverkusen und Umgebung eine Punk Szene oder bist du an den Wochenenden zum Beispiel nach Frankfurt a. M. gefahren, wo es 1.980 bereits eine spürbare Punk Szene gab, oder woanders hin...? Wir waren zwar die Ersten in Leverkusen, aber kurz nach uns gründeten sich Stosstrupp, mit denen wir uns dann auch einen Proberaum teilten. Die Jungs waren im Schnitt 2, 3 Jahre älter, als wir, aber Leute mit ähnlichem Musikgeschmack waren in Leverkusen halt sehr rar. Nach Frankfur t zog es uns nie, eher nach Düsseldorf und Köln, wo ich fast jeden Samstag im Rock-O-Rama war, und dor t kam ich dann auch mit den Kölner Cotzbrocken in Kontakt, die dann kurz nach uns ihr erstes Album auf Rock-O-Rama veröffentlichten. (* Rock-ORama einst als Label für Punk Musik gegründet, driftete später leider zu sehr in den Rechts-Rock ab, wodurch man jegliche Sympathien in der Punk Szene zerstör te und verspielte) -8- Die Krupps, aktiv) Welche Punkbands gab es 1.980 neben OHL in Deutschland, an die du dich gern erinnerst? Ich fand den „deutschen Punk“ von Slime und Konsor ten einfach nur scheiße. Das war szenetauglicher, langweiliger Mainstream. Da fand ich die wahren Pioniere wie Mittagspause hunder tmal geiler oder auch die ersten Alben von SYPH oder Male, waren echt klasse. (*bei Male zum Beispiel war Jürgen Engler, danach Laut einigen Internetquellen gab es wohl eine OHL Kassette, die ihr damals selbst vertrieben habt. Gab es damals schon eine sogenannte Tapetrading-Szene, wie es sie zum Beispiel auch in Metal Szenekreisen gab? Wenn ja, wie wichtig nahmt ihr diese Tapetrader? Nach dem wir im Keller meines Bassers ein paar Stücke mit einem Kassettenrecorder aufgenommen- und vervielfältigt hatten, boten wir die Kassetten im Rock-O-Rama zum Verkauf an. Als wir eine Woche später wieder dort aufliefen, waren alle 20 Tapes verkauft und wir hatten unseren ersten Plattenvertrag. Ansonsten hatten wir mit Tapetrading nix am Hut. Bereits ‘81 habt ihr 2 EPs - sowie die erste OHL LP „Heimatfront“ beim später umstrittenen Label RockO-Rama rausgebracht. Wie hast du dich damals mit deinem ersten Plattenvertrag in der Tasche gefühlt? Das war natürlich klasse, aber mit 16 reflektier t man ja nicht so und ist sich auch nicht bewußt, daß man da irgendwie was Besonderes geschaffen hat. Allerdings halte ich die „Heimatfront“ für nicht sonderlich Hannes, auch vielen als „Sir Hannes“ oder „der Honigdieb“ von Bands wie THE IDIOTS, PHANTOMS OF FUTURE oder aktuell HONIGDIEB bekannt, hat sich über die Jahrzehnte ein Denkmal in der Punk, sowie in der Hardcore- und Metal Szene Europas hart erspielt/ erarbeitet. In diesem Buch wollte ich Hannes aber ganz bewußt eher im Bereich der Szene-Supporter interviewen, einfach, weil Hannes nicht nur mit seinen Bands, sondern auch mit seinem Dortmunder Laden „Idiots Hallo Hannes, zuerst einmal ein herzliches Willkommen im Buch SCENE MADE - Vol. I. Bevor wir intensiver auf deinen Weg mit- und innerhalb der Szene zu sprechen kommen, möchte ich ganz am Anfang deines Weges beginnen. Erzähle doch bitte zuerst einmal wo- und unter welchen Gegebenheiten du aufgewachsen bist?! …in meinen ersten Kindheitsjahren wuchs ich westlich von der Dortmunder Innenstadt in einer 1 Zimmerwohnung (Toilette im Hausflur, eine Etage tiefer) zusammen mit meinen Eltern auf. Das 10- Familien Haus stand direkt an der sehr stark befahrenen Hauptstraße, (Rheinischestraße - dort wo ich seit 1992 auch den IDIOTS RECORDS Laden betreibe nur mehr in der Stadtmitte) Dort wurde auch mein damals 5jähriger Freund bei dem Überqueren einer grünen Ampel totgefahren wurde. Es war eine für Kinder sehr harte Gegend und wenn man eine Straße zu weit ging, gab es Prügel oder Steinschlachten. Als 3jähriger wurde ich von anderen Kids mit meinem Fahrrad mit Stützrädern mit voller Wucht vor eine Steinmauer (Hoesch- Gelände) geschoben. Die Fahrradspeichen steckten in meinem Oberschenkel. Im Kindergarten wurden uns schon Boxhandschuhe angezogen und da ich mich oft für Schwächere stark machte, war Nasenbluten und blauen Augen keine Seltenheit. Meine Eltern führten einen kleinen Tante Emma „EDEKA“ Markt und hatten eigentlich nie Zeit für mich. Ich wuchs mehr bei Nachbarn auf und war dadurch sehr früh auf mich selbst gestellt. Ich nehme an, daß deine Kindheit von völlig anderen Werten und Idealen geprägt war, als das heutzutage der Fall ist?! Klar da gab es noch Helden und Idole. Das ging schon mit den Comics „Supermann“ oder „Spiderman“ los. Ganz wichtig, daß es noch super anspruchsvolles Kinderprogramm im Fernsehen gab und so Meilensteine wie: „Pippi Langstrumpf“ von Astrid Lindgren (1968-70 von Astrid Lindgren) und dann kamen noch die ganzen tsche- Records“ den Kreislauf zwischen Szeneleuten, Musikern und der wichtigen Basis in den Plattenläden, die nicht so unpersönlich (wie es in vielen Supermärkten zum Beispiel praktiziert wird) dem Kunden gegenüber agieren. Natürlich werde ich, schon allein aus Respekt vor seinem Schaffen, seine Musik nicht völlig unberührt lassen, zumal das Gesamtwerk seines Weges mehr als nur respektabel ist. Darum entlasse ich Euch Leser nun direkt in das Interview mit Hannes. chischen Kinderfilme wie „Pan Tau“ (1969-78 kamen 33 Episoden von den Autoren Ota Hofmann und Jindrich Polak), „Drei Nüsse für Aschenbrödel“ (1973 von Vaclav Parlicek) dazu. Es war eine andere Zeit mit nur 3 Fernsehprogrammen, wo am nächsten Tag in der Schule oder beim Brötchenkaufen über einen Spielfilm oder ein Medienereignis heiß diskutiert und philosophiert wurde. Die frivole- und anarchische Luft der spät 60er schwappte in die ‘70er Jahre über und der Mensch war offen, interessiert und herzlicher. (Nicht wie heutzutage: seelisch mit Hunderten von Verblödungs- Fernsehprogrammen vereinsamt und von der Menschheit abgeschottet) Da war Amoklauf noch ein Fremdwort! Die Leute wurden nicht mit so vielem oberflächlichem Müll suggeriert und von ihren eigentlichen Wünschen und Lebens Ideologien abgelenkt. Welche Bands / Songs fallen dir ein, wenn du an deine Kindheit denkst? Zur Zeit meiner Grundschuljahre hörte ich Pink Floyd, Genesis, Yes, The Who, Beatles, Zappa, Uriah Heep („Look at your self“), Led Zeppelin, Black Sabbath, Hawkwind („Silver Machine“) und über T-Rex kam ich dann später zu Iggy Pop and The Stooges („Raw Power“, „Search and Destroy“, „No Fun“). Mit welcher subkulturellen Szene kamst du zuerst in Berührung? Und kannst du in gleichem Atemzug ein wenig die damalige Szeneatmosphäre beschreiben? Ganz klar die Hippie/ Freak Bewegung der End-60er und Anfang der ‘70er. Wir trugen verwaschene Flicken- Jeans mit ultraweiten Schlag und dazu schwarze abgetragene Samtjacken, Parker oder Kampfjacken (damals auch eine Parker Art). Schon ab dem 4. Schuljahr nutzten wir die Pausen um auf einen nahegelegenen Friedhof selbstgedrehte Tüten zu rauchen. Oft ließen wir die Schule auch ganz ausfallen und hörten stundenlang völlig bekifft abgedrehte Scheiben und verloren uns in unsere eigene Welt. Wir waren -9- gegen Atomkraft, Diskriminierung jeglicher Art, Unterdrückung, Spießertum und versuchten unsere Ideen und Lüste auszuleben. Es war, als wenn man fliegen kann… daraus entstand dann auch später der Punk. Es waren die gleichen Werte nur radikaler und lauter. Keine Lust mehr zum Diskutieren. Jetzt wurde aggressiver gehandelt und mit seinem Aussehen noch mehr schockiert und provoziert. Soweit ich in Erfahrung bringen konnte, hattest du als circa 13jähriger deine allererste Band KELLERGEISTER am Start. Eine Art Schülerband. Wie wichtig war diese Band für alle nachkommenden Bands, bei denen du später am Mikro standest? 1975 traf ich mich mit meinem Schulkumpel „Rabe“ öfters in meiner sturmfreien Bude (meine Alten waren ja immer arbeiten…) und wir machten richtig krach. Ich schlug mit hölzernen Kochlöffeln, mit denen mich sonst meine Mutter verdrosch, auf Kochtöpfen und Mülleimern herum und benutze die Kochpottdeckel als Becken meines selbst kreierten Schlagzeugs. Dazu schrammelte „Rabe“ auf der Kinder- Gitarre und zusammen sangen wir „Kellergeister, Kellergeister- Rütgers Club - wir sind alle - alle verrückt.“ Kellergeister nannten uns einerseits unsere Eltern und andererseits war es damals eins von den oft gewählten Getränken, da es billig war. In etwa in der Zeit schickten deine Eltern dich zum Psychologen. Quasi eine fast schon witzige, gedankliche Brücke zu THE IDIOTS? gelungen. Ich hätte das ganze Album lieber im Sound der „Live EP“. Allerdings bin ich mit den Nachfolgern „1000 Kreuze“ und ganz besonders der „Verbrannte Erde“ sehr zufrieden. Das war ein echter Meilenstein. Da ihr ja auf den OHL Coverartworks stets Bilder aus dem 1.- und 2. Weltkrieg verwendet liegt die Frage nahe, ob du sehr früh ein geschichtlich interessierter Mensch warst? Was war denn der Auslöser für das Interesse? Hast du damals ganz bewußt dieses polarisierende Image für OHL kreiert? Oder anders gefragt: war es damals noch relativ einfach mittels Polarisieren Aufmerksamkeit zu erregen, weil es ja „schockierend“ war, daß du ganz offen (punk-gemäß eben) und frei rausgelassen hast, was du dachtest? Ich glaube, daß jeder Mensch ein geschichtlich-, politischund sozial interessier ter Mensch sein sollte! Was das OHL Ar tworks etc. angeht, paßt unsere aggressive Musik und die progressiven Texte perfekt zu unseren Covern. „Heimatfront“ zeigt einen 16jährigen Soldaten, der das Elend des Krieges wiederspiegelt. Das „1000 Kreuze“ Cover stammt aus dem Abspann des Anti-Kriegsfilms „Im Westen nichts Neues“ und auf den anderen Covern Also bei OHL ist nichts künstlich kreier t. Wir waren von Anfang an echt und authentisch und so sind wir auch Heute noch. Was unser Image angeht, bekommt man dies´ ja meistens von Außenstehenden. Aber es stimmt, daß ich es gerne sehe, nicht jedermanns Freund zu sein. Jeder der Provokation nur um der Provokation Willen einsetzt, ist langweilig und inhaltslos. Wir sind nicht provokant - wir sind die Wahrheit. Wo war denn dein allererster Auftritt überhaupt und unter welchen Bedingungen hast du damals mit welchen Gefühlen auf der Bühne gestanden? sind z.B. U.S.- Soldaten zu sehen, die am D-Day Hitlerdeutschland von den Nazis befreit haben usw. Das sogenannte „Türkenlied“ wurde ja viel und oft heiß diskutiert, deshalb möchte ich an dieser Stelle gar nicht so sehr die Diskussion weiter führen. Ich möchte eher anmerken, daß es in DDR-Punkkreisen durchaus beliebt war, zumal es schon gefährlich war das Lied innerhalb der DDR auch nur zu hören. Ich selbst erlebte das einst, da in unmittelbarer Nähe der ABV seinen Sitz hatte und ich wohl etwas zu laut bei offenem Küchenfenster die gefühlt tausendmal kopierte OHL Kassette hör- Als ich dann 1976 anfing die pinkfarbenen Hosenanzüge meiner Mutter zu tragen, meine Schuhe mit silberner Ofenfarbe anzumalen und mir Sicherheitsnadeln durch meine Backe, Ohren und Brust zog, schickten mich meine Eltern zum Psychiater. Erinnerst du dich noch an deinen allerersten Auftritt? Sofern ja, erzähl` doch bitte mal wo und unter welchen Rahmenbedingungen das war?! Früher hatten wir eigentlich bei jeder Probe kleine Auftritte, da die Punks unsere Freunde waren und die Proberäume gleichzeitig als Treffpunkte dienten. Die ersten Live Erfahrungen machte ich eigentlich bei Konzerten von irgendwelchen Hippie- oder Blues Bands. Irgendwann habe ich dem Sänger das Mikro geklaut und dann dort rülpsender Weise hinein gegrölt bis alles in ein Chaos oder Konzertabbruch endete. Den ersten offiziellen Auftritt spielten wir 1980 im „Che Coolala“ in Dortmund. Es kostete 3,33 DM („E.D.E.K.A. Ein Deutscher Esel kauft alles“- Sonderpreis) und war mit über 300 Leuten ausverkauft. Beschreibe doch bitte mal ein damals typisches Punk Outfit. Wir hatten die Haare mit Seife, Penaten Creme und Haarspray aufgestellt. Sicherheitsnadeln durch die Ohren, Backen gesteckt, die dann mit Ketten verbunden. Dazu zogen wir unsere mit Autolack selbstbesprühten, selbstgemachten T-Shirts und Jacken an. Der eine trug ein Hundehalsband, manch´ Einer hatte einen Müllsack an…. Ich trug die Jacken und Mäntel verkehrtherum und mit nur einem Ärmel. Da war jeder ein Individuum in der Anfangszeit. „No Future“ Feeling aber sehr kreativ, alles war möglich - umso bekloppter umso cooler! Soweit ich weiß waren eure Shows schon ziemlich exzessiv vom Flaschen auf dem Kopf kaputthauen, Schweineköpfe ins Publikum werfen und blutbesudeltem „Edeka- Arbeitskittel“ gab es einige für damalige Zeiten krasse Aktionen in der Show. Ich vermute mal, daß sich das ziemlich schnell herumsprach und auch Empörung mit sich brachte? Oh ja, wir waren sicher eine der extremsten deutschen Punk Bands und das nicht nur auf der Bühne! Dagegen wirkten Bands wie z.B. Slime oder Upright Citizen eher wie Studentenbands. Ich schlug mir Flaschen auf den Kopf, war komplett mit Rasierklingen am ganzen Körper aufgeschlitzt, trug Buttons in meiner Brust und warf Schweineköpfe ins Publikum. Aber trotz des ganzen Destruktiven versprühten wir eine Menge Spaß und Lebensfreude mit einer gewissen Lebensironie. Hunderte von Dosen Hansa Bier flogen ins Publikum und es waren wirklich großartige Schaum- und Pogo Partys. Durch unsere exzessive Show wurden wir schnell überregional bekannt Ja, das war kurz nach meinem 16. Gebur tstag und von Bühne kann keine Rede sein. Ein Schuppen in Leverkusen, ich habe den Namen vergessen. Irgendein Jugendzentrum. Aber cool war´s trotzdem. Ich glaube den Gig hat mein Gitarrist damals klar gemacht - ohne Kohle und mehr Hippies und Rocker, denn Gleichgesinnte im Publikum, tja so war das damals.Unser Set, war fast identisch mit der „Heimatfront“ - bzw. der „Klänge des Widerstands“. Wie hab ich mich gefühlt? Ist schon lange her..., aber nervös war ich nicht. Ich hatte schon immer ein starkes Selbstbewußtsein. War es damals schwer für dich mit den Reaktionen umzugehen oder gab es vom befreundeten Umfeld zum Beispiel eher Schulterklopfen, das die anklagenden Reaktionen erträglicher machte? „Damals“ gab es keine Kritik - das war die Zeit, in der Punk bedeutete alles zu dürfen und alles zu sagen was man wollte. Meine Eltern fanden es kreativ, meine Freunde cool und auf der Schule waren wir Helden. Und was die heutige Kritik an OHL und meiner Person angeht, zeigt mir das doch immer wieder, daß wir, wie es ein Magazin nannte „Deutschlands einzig wahre Punkband“ sind. Diese ganzen langweiligen, realitätsfernenund szenetauglichen Parolen liegen doch Bild- ZeitungsNiveau zugrunde und haben nichts mit Punk zu tun. - 10 - und spielten immer öfters als Headliner auf Festivals in Berlin, Hamburg, München, Stuttgart und auch im Ausland wuchs der Bekanntheitsgrad. Das lag sicher auch an den vielen positiven Kritiken in der weltweiten Fanzine Szene. (Sogar Jello Biafra, * Dead Kennedys orderte die erste Idiots EP, da wir öfters in den Top 5 des amerikanischen Maximum Rock`N`Roll Magazins waren.) Nicht nur unsere Show bewegte die Leute. Nein, auch unsere Musik brannte sich ins Herz, weil sie sehr rotzig und authentisch klang. „E.D.E.K.A.“ war einer der früheren Idiots Songs. „E.D.E.K.A.“ meine Übersetzung: „Ein Deutscher Esel kauft alles!“. Der Esel ist Heute auch mein Bandlogo bei Honigdieb. Empörung und Entsetzen waren für uns der Alltag. Es waren auch oft andere Punk Bands, die von uns schockiert waren, wenn wir zum Beispiel im Backstage auf den Salat urinierten und eine spezielle Salatsoße kreierten…(dabei werden doch Eigenurintherapien zur Stärkung des Immunsystems empfohlen…). Das war ein geiler Punk Schuppen, direkt in der Fußgängerzone der Dortmunder Innenstadt. Es gehörte wie das „Che“ in Dortmund zu den Kultläden in Dortmund, wie z.B. in Düsseldorf der „Ratinger Hof“ oder in Duisburg das „Eschhaus“. In der Anfangszeit gab es noch den „Keller“, das „Painthaus“ und den „Musikkeller“ in Dortmund, wo Freaks und später die ersten Punks sich amüsierten. Wir trafen uns aber auch in einer abgewrackten 5,- DM Puffkneipe, wo wir uns Sonntags trafen und Plattenspieler und unsere Scheiben selber mitbrachten und Punk Partys feierten. Dort waren dann auch die anderen Dortmunder Punk Bands wie „The Clox“, „Modern Heroes“ (fr üher „The Neat“ und Andere). Das war schon ein cooler Schuppen, vorne in der Kneipe, wo Bilder mit Einschüssen an den Wänden hingen, ließen sich irgendwelche Freier für 5,- DM einen blasen und hinten im Hinterraum wurde gepogt. Ich erinnere mich noch, daß der Kellner ein Glasauge hatte und daß er sehr skurril war. Wie reagierten denn zum Beispiel deine Eltern auf derlei Aktionen bzw. auf deinen Style, das Szeneumfeld und die Musik? Ich nehme stark an, daß es damals auch ernstere Konflikte zu Hause gab? Würdest du sagen, daß THE IDIOTS die erste deutsche Punkband waren? Meine Mutter zerschlug über 200 Kochlöffel auf mir, wobei ich sie dabei noch anfeuerte. Dann gab es Fernsehverbot und Hausarrest, was ich aber mit dem verlassen meines Elternhaus schnell verabschiedete. Da war ich 13 Jahre alt. Meine Eltern versuchten mir schon im 5. Schuljahr den Umgang mit ein paar befreundeten Hippie- Freaks vergeblich zu verbieten. Wer waren denn deine musikalischen Helden in deiner Jugend? Anfang der ‘70er: Frank Zappa, Pink Floyd, ab Mitte der ‘70er: Iggy Pop, Sex Pistols, T-Rex, The Slade, The Damned, The Stranglers, The Clash. 1978 begann dein Weg mit THE IDIOTS. Wie kam es damals zur Gründung von THE IDIOTS? „The Idiots“ nannte ich nach der Iggy Pop Scheibe „The Idiot“, die er mit David Bowie machte. Ich hatte schnell bei meinen Schlagzeugexperimenten bei meiner ersten Band „Kellergeister“ gemerkt: „Hey Hannes du mußt an die Front! Du mußt singen!“. Schlagzeug war geil, aber für mich zu passiv. Ich suchte bei meinen Freunden unter den Punks nach Mit- Musikern und in vielen Städten stand der Name „The Idiots“ schon an den Hauswänden und Brücken gesprüht, bevor wir überhaupt einen Ton gespielt hatten. Bereits 1.979 habt ihr im Dortmunder Club „Tatort“ gespielt. War das eine Art Stammclub, in dem ihr regelmäßig rumhingt oder gab es da andere Clubs/ Räumlichkeiten? - 11 - Nein, wir gehören sicher zu den ersten deutschsprachigen Punk Bands und haben den Begriff „Deutsch Punk“ entscheidend mitgeprägt. Das „Haus der deutschen Geschichte“ in Bonn hatte deswegen unsere Frühwerke und Kleidungsstücke bei der Ausstellung „50 Jahre Musik in Deutschland“ neben den Beatles und Elvis ausgestellt. 1981 wart ihr auf dem Sampler „HÄRTCORE“ mit dem Song „S04 und der BVB“ vertreten, mit dem ihr eine ziemliche Pionierstellung eingenommen habt. Heutzutage sind Songs über Fußballspiele längst salonfähig. Wie wichtig war dieser Sampler aus heutiger Sicht für deine weitere Karriere mit THE IDIOTS? Der Samplerbeitrag war unsere erste Studioerfahrung. Wir hatten glaube ich 1 Stunde Zeit und nahmen den Song live auf. Das war wirklich Punk Rock pur. Einmal rausgekotzt und festgehalten. Der Sampler steigerte auch unseren Bekanntheitsgrad, aber die kurz später unzähligen weltweiten Kassetten- Samplerbeiträge machten viel mehr aus. Es gab eine wahnsinnig, große weltweite Punk- Kassetten Tape Bewegung. Mit der ersten THE IDIOTS 5-Track EP „S04 und der BVB“ (erschien 1.982) begann der Reigen eurer Veröffentlichungen. Diese EP wurde in Punkkreisen Kult. Wie fühlte es sich für dich damals an die erste eigene Platte in den Händen zu halten? Ich bekam die EP`s damals aus Berlin, da ich vom damaligen befreundeten „Deutsche Trinker Jugend“ Manager Ralf Rexin Unterstützung zwecks Pressung - Presswerk bekam. Ich packte sie aus und es war ein echt cooles Gefühl die erste eigene Single in der Hand zu haben und das wurde dann gleich richtig begossen. te. Er hatte offenbar die Text zeile „Kinderträume in der Mauerstadt ...“ gehört und kam deshalb direkt vorbei, mit der Aufforderung ihm die Kassette zu übergeben. Ich gab ihm letztendlich eine Phudys Kassette und er kam nie wieder. Hast du in Zeiten der beiden deutschen Staaten je Reaktionen aus der DDR mitbekommen? (* ABV = AbschnittsBeVollmächtigte; eine Ar t „PseudoSheriff“) Das Stück spielen wir heutzutage noch immer live und ist eine Reminiszenz an Mittagspause. Später dann noch von Fehlfarben und DAF gecovert. Das Stückt zeigt doch eher Solidarität mit einer Minderheit und spricht sich gegen soziale Ghettobildung aus. Aber um das zu verstehen, muß man natürlich sein Hirn einschalten. Wir haben ja sehr oft in Berlin gespielt und sind dann meistens mit dem Zug durch die Zone gefahren und wurden halt immer ordentlich von den Bewachern des Arbeiter- und Bauernstaates gefilzt. Die wußten anscheinend nicht, daß sie Staatsfeinde vor sich hatten?! Faschismus gehört bekämpft, egal ob er von links, rechts, oben oder unten kommt. Wir lassen uns seit 32 Jahren vor keinen Karren spannen, egal, ob rot oder braun und genau weil wir eben auf keiner Seite stehen, können wir auch alles kritisieren und bekämpfen und sind weder auf dem linken noch auf dem rechten Auge blind! Und was bitte ist der Unterschied zwischen Faschismus, Unrechtssystem usw.? Ich schreibe keine Bücher oder halte Vorlesungen über diese Themen, ich verpacke meine politische Meinung in 3 Strophen und brauche keine Worthülsen und Schachtelsätze, um die Wahrheit zu sehen und zu sagen. Doch kommen wir zurück zu dir. Magst du außer Musik auch andere, kreative Ausdrucksformen, wie zum Beispiel Malerei oder ähnliches? Mit OHL, DER FLUCH und PROJEKT MENSCH bin ich vollkommen ausgelastet. Hattest du eigentlich je Bedenken, daß OHL zu sehr / zu oft mißverstanden würden? Einst warst du Redakteur bei RTL Ikone Hans Meiser. Würdest dich als einen diskussionsfreudigen Menschen bezeichnen? Ich mag es anzuecken und sehe es als Bestätigung, wenn sich die Blinden und Tauben aufregen. Bedenken hätte ich nur, wenn meine Freundin einen meiner Texte nicht verstehen würde…kam aber bisher noch nicht vor. Du sagtest in einem Interview du wärest „radikalliberal“. Was genau verstehst du unter „RadikalLiberalismus“? Würdest du die bekannten OHL Schlagworte „Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit“ damit verbinden? In wie fern tun wir das? Nur weil wir beides verurteilen?! Es gibt klare, in ihrer finalen Aussage, Parallelen im realen Kommunismus und im realen Nationalsozialismus. Aber um ehrlich zu sein interessiert es mich nicht, wer was über uns denkt. In den ‘80ern hast du auch DER FLUCH gegründet, die eher im Gothic Rock/ Horror Punk zu Hause sind. Manchmal gab es sogar ähnlich stilistische Songs unter OHL. War bzw. ist DER FLUCH eine Art Gegenpol deiner Kreativität zu OHL? Mit ähnlich meinst du bestimmt die einzige unpolitische OHL „Jenseits von Gut und Böse“?! Es stimmt, daß DER FLUCH schon recht wichtig für mich ist. Die Musik- und insbesondere die Texte gehen halt in eine ganz andere Richtung und bilden wirklich einen guten Gegenpol zu OHL. Ich bezeichne das Ganze ja als „B-Movie Music“. Absolut - allerdings lieber von Angesicht zu Angesicht. Das hat allerdings weniger mit meinem Beruf, als vielmehr mit mir als Mensch zu tun. Ich bin offen, klar und ehrlich, und stehe zu allem was ich tue. Martin Büsser warf OHL einst vor ihr würdet durch die Gleichstellung von Faschismus und Kommunismus die Einmaligkeit der Naziverbrechen zu relativieren versuchen. Kann man deiner Meinung nach Faschismus und Kommunismus überhaupt gleichsetzen? Ich meine hieße eine gedankliche Gleichstellung nicht, daß das Regime unter Hitler dem Regime unter Ulbricht _ bzw. später Honecker gleichgesetzt würde? (ich persönlich halte beide Diktaturen für NICHT gleichstellbar- und halte BEIDE Diktaturen, also sowohl Hitlers Reich, sowie die DDR für UNmenschliche, menschenverachtende Systeme) Par tei etc. von Vordenkern bestimmen läßt, oder weil er/ sie die Realität nicht sehen kann- oder will. Das hat mal jemand über mich geschrieben und ich fand das sehr kreativ und treffend. „Radikal“ darin, die Wahrheit zu sagen, auch wenn sie weh tut. „Liberal“, weil ich mich nicht als Extremisten, sondern als Realisten sehe. Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit sind nicht nur die Eckpfeiler bei OHL, sondern auch in meinem privaten Leben und ich glaube, daß sich das gut mit „Radikal“ und „Liberal“ verbinden läßt. Würdest du zustimmen, wenn man die OHL Philosophie wie folgt umschreiben würde: „Halt die Augen auf, um nicht beschissen und verarscht zu werden!“? Ich würde es eher in „ Halte die Augen auf, um die Realität zu sehen“ abändern. Wer sich verarschen läßt, trägt meistens selbst die Verantwor tung dafür. Entweder, weil er/ sie sich in irgendeiner Szene / Kultur / - 12 - Wie schwer war es für dich 1.986/87 OHL zum Vorteil deines Studiums in Trier aufzulösen? Wie man ja schon an unserem vier ten, eher persönlichem Album „Jenseits von Gut und Böse“ merkte, langweilte mich diese ganze Punkszene. Offiziell habe ich OHL nie aufgelöst, aber es war wie eine Ruhephase in der man Kraft sammelt, um danach noch stärker und konsequenter seinen Weg mit OHL zu gehen. Also, war das kein bewußter Entschluß, sondern einfach nur das, was ich wollte. In wie fern tangierte dich die Indizierung des „Heimatfront“ Albums 1.987? Das war ja dann 6 Jahre nach der Veröffentlichung noch mal eine ganz nette PR. Ansonsten, war das ja ein Sturm im Wasserglas und hat dann doch in der Punkszene eher dafür gesorgt, daß man uns jetzt noch mehr liebte. 1.983 fanden in Hannover die ersten Chaostage statt. Punks waren in damaligen Zeiten ja nicht gerade beliebt im Kern der konservativen Gesellschaft. Wie hast du deine Wut damals kanalisiert, abgesehen von THE IDIOTS? Und vor allem auf wen- oder was hattest du damals Wut? Ganz klar auf die verlogene Gesellschaft, die alles glaubt und frißt was ihr vorgeworfen wird. Da flogen dann schon öfters mal Steine oder Flaschen, wenn wir unseren Unmut ausdrückten. Es gab auch Situationen, wo wir Freunde wieder aus dem Polizeigewahrsam befreiten und die Polizisten mit Hundertschaften die Flucht ergriffen. Geht in etwa auf diese Zeit auch die Gründung von „Idiots Records“ zurück? Zumal das Schweine-Logo in diversen Figuren/Varianten ja bereits existierte?! Oder würdest du sagen, daß der Idiots Mailorder von 1.982 quasi die Mutter von Idiots Records ist? 1.985 hast du mit Dörfel von der Band Rimshout ein Punkfestival „Punks für Aktion Sorgenkind“ für die „Aktion Sorgenkind“, die vom ZDF gestützt wurde, organisiert. Bei eurem Festival spielten Bands wie: Ausbruch, Daily Terror, Rimshout, sowie natürlich du mit THE IDIOTS. Auszüge dieses Festivals wurden damals sogar im ZDF ausgestrahlt. Wo habt ihr das Festival durchgezogen und welche Reaktionen gab es damals darauf? Das Konzert war ja auch wieder so eine Art Satire. Es fand im Dortmunder FZW statt. Es gab viel Medieninter- Klar der Idiots Mailorder war die Mutter von Idiots Records. Mir war sehr schnell und früh bewußt geworden, daß ich nur meine eigene Musik machen kann ohne jegliche Kompromisse und dafür benötigte ich ein zweites Standbein. Deswegen machte ich auch meine Kaufmannslehre bei Edeka, weil ich schon mit 15 Jahren wußte, daß ich einen Plattenladen eröffnen werde. Das Schweine Logo war ja von Anfang an bei den Idiots unser Symbol. Bisher noch nicht. Vielleicht kommt das ja jetzt nach deiner Veröffentlichung?! Wie hast du die deutsch-deutsche Wiedervereinigung 1.989 erlebt und wahrgenommen? Wie würdest du die damalige Punk Szene in Deutschland bzw. in Dortmund und Umgebung beschreiben? Dieses Konzert kam zu Stande, da ich viel Post von The Idiots Fans aus Südafrika bekam, die mir ihre unterdrückte Lebenssituation schilderten. Wir sollten auch mit den Idiots in Südafrika auftreten. Dieses Angebot verneinten wir aber, wegen des damaligen Menschen verächtlichen Regimes dort. Mit den Idiots haben wir in den ‘80ern durch unsere musikalische Entwicklung mit Metal-Crossover HardcoreAttitüden stark das Zusammenwachsen von Metal und Punk gefördert. Idiots Records war ein Punk und Metal Shop. Dort trafen sich auch viele Bands. Es gab einen regen Austausch. Die Punk- und Metal Szene inserierten sich gegenseitig. Metalbands fingen an sozialkritische Texte zu schreiben (weg von den Monster und Schlößer Klischees) und Punkbands bauten Gitarrensolie in ihre Songs ein. Wer meine musikalische Geschichte ein wenig durchleuchtet, wird schnell merken, daß ich schon immer kreativ in Bewegung war. So bauten wir, ich z.B. bei dem Idiots Klassiker „Mädchen mit den roten Haaren“, in unserer LP Fassung (1984) schon einen Rap Teil ein. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine deutschsprachigen Rap Bands. Irgendwie war ich musikalisch der Zeit immer etwas voraus. In den ‘80ern war ich sicherlich einer der Köpfe, die den Begriff „Crossover“ entscheidend mitgeprägt haben. Ich wollte neben den Idiots musikalisches Neuland ergründen, um meine psychodelischen Emotionen und Phantasien auszuleben. Der Film war authentisch und gleichzeitig sicher auch Satire, da er genau das Klischee der Gesellschaft widergespiegelt, aus welchen minimalisierten Blickwinkel sie Punk sahen- oder sehen wollten. Soweit du selbst in Interviews eingeräumt hast, hast du damals begonnen täglich so um die 15 Flaschen Bier und 1 bis 1½ Flaschen Fernet Branca zu trinken. Mit anderen Worten du wurdest mit der Zeit Alkoholiker. Was trieb dich damals zur Flasche? Hautfarbe oft blutig prügelte und schikanierte; genauso wie es in Amerika viele bekannt gewordene Fälle gab, bei denen Polizisten Afro- Amerikaner schwer misshandelten) Parallel zu THE IDIOTS hast du 1.986 die Crossover/ Indie-Rock Band PHANTOMS OF FUTURE, die zuerst „Hoeschcombo“ hieß, gegründet. Wolltest du damals bewußt musikalisches Neuland ergründen oder warst du mit THE IDIOTS einfach nicht mehr ausgelastet genug? 1.984 erschien eure erste LP „They Call Us the Idiots“, der 1.985 die 2- Track EP „Schweine ins Weltall/ Emmy oh Emmy“ folgte. In etwa in dieser Zeit hast du mit THE IDIOTS einen etwas freakigen Low Budget Kurzfilm gedreht, den ich bei YouTube.com entdeckte. Aus heutiger Sicht könnte man den Film fast schon als eine Satire ansehen?! Nun es war die „No Future“ Zeit und die hatte etwas sehr selbstzerstörerisches in sich. Alkohol unterstützte dieses Gefühl. Irgendwann hatte er mich dann besessen und er gehörte zum täglichen Geschehen. Später löste ich mich dann von allen Drogen, da es nicht zu meiner Lebensideologie paßt von irgendetwas besessen zu werden. Zumindest mein Körper gehört mir! Hat die Kauf hof-Kette eigentlich je versucht gegen OHL zu klagen? Unsere Punk- und Oi Szene war gut organisiert. Wir hatten sogar eine eigene Fußballmannschaft: „Dynamo Doppelkorn“. Wir waren mit vielen anderen Punks und Skins befreundet und es herrschte ein reger Austausch. esse und der Normalbürger fing an zu grübeln… Wenig später hast du dich als Organisator / Initiator auch an weitere Genre- übergreifende Veranstaltungen wie dem „Thrash Against Apartheid“ gewagt, bei dem neben den Emils und THE IDIOTS auch die Metalbands Darkness und Violent Force spielten. Das Ganze fand in der berühmt berüchtigten Bochumer Zeche statt. Wie kamst du als Punk denn generell mit den damaligen Metalheads klar? Und was konntet ihr mit dieser Veranstaltung bewegen? (* „Apartheid“ bedeutet so viel wie „Rassentrennung“ und wurde seit den ‘40er Jahren zum Beispiel in Europa, Amerika und auch Afrika betrieben. Besonders in den ‘80er Jahren gab es immer wieder blutige Auseinandersetzungen, besonders in Afrika, wo man Afrikaner schwarzer - 13 - Erst 1.987 erschien die nächste THE IDIOTS LP „Cries of the Insane“, die mit Songs wie „Selbstmord“, „Tage ohne Alkohol“, „Nuclear War“ und „Edeka“ verschiedene Themen im Gepäck hat. Wie wichtig waren dir die Songinhalte bei THE IDIOTS damals? Meine textlichen Aussagen waren- und sind mir der wichtigste Bestandteil eines Songs! Was empfandest du, wenn zum Beispiel „Mille“ Petrozza von Kreator mit einem THE IDIOTS Shirt Konzerte geben sahst? Oder waren dir solcherlei Ehrerbietungen relativ egal? Ich fand es cool, da ich auch seine Band klasse fand. Aber es gab einige bekannte Musiker, die The Idiots als ihre Idole sahen. Circa 1.987/88 hast du deinen Laden „Idiots Records“ in Dortmund eröffnet, der auch als Treffpunkt für Musiker und Musikliebhaber eine Anlaufstelle wurde. Wie schwer oder gegebenenfalls einfach war es damals einen eigenen Laden zu realisieren? Ich war gegen die “Wiedervereinigung“. Um es kurz zu sagen, waren das weder meine Brüder - noch meine Schwestern. Aber ich fand es toll, daß ein faschistisches Unrechtssystem, von innen heraus gestürzt wurde. Allerdings waren die Helden von einst, dann wie zu erwar ten wieder die großen Verlierer und alte Seilschaften und Konformisten haben profitier t. Ich hätte es gut gefunden, wenn das System sich erneuer t hätte und der Staat als solcher eigenständig geblieben wäre – natürlich auch mit Unterstützung der BRD. Kannst du eigentlich irgendein Instrument spielen? Wenn ja, welches? Das kann man wirklich nicht als „Instrument spielen bezeichnen“. Ich weiß wie die Stücke klingen müssen und habe zum Glück einen Gitarristen, der mich versteht. Mein damaliger Basser Dr. Saubermann, wollte mir nach der „Heimatfront“ mal Gitarre beibringen. Hätte ich damals geahnt wie lange OHL existier t, hätte ich sein Angebot vielleicht angenommen. Oft warst du auch als Gastsänger bei anderen Bands zu Gast, zuletzt meines Wissens nach bei der Punk Band ATEMNOT. Trotzdem heißt es, daß du wenige Freundschaften zu anderen Bands pflegst. Bist du von daher eher ein mißtrauischer Mensch oder fehlt dir einfach nur die Zeit Freundschaften zu pflegen? (* Deutscher W. war auf dem Atemnot Album „Unvergessen“; 2.010 erschiene; beim Song „Kopf krieg“ am Mikro zu Gast) Das hat weniger mit Zeit oder Mistrauen zu tun, eher damit, daß mich nicht sonderlich viel mit anderen Bands verbindet. Auch Heute gibt`s vielleicht nur `ne Handvoll Bands zu denen wir ein freundschaftliches Verhältnis haben und auch das beruht dann meistens darauf, daß wir mit den Jungs gut klar kommen und nicht unbedingt auf deren musikalischen Ergüssen. The Other sind richtige Freunde von mir, mit denen ich auch live manchmal ein Stück singe. Was hast du in den 6 Jahren musikalischer Pause nebst Studium so gemacht? Hat dir die Musik nie gefehlt? In der Zeit nicht wirklich, aber wer weiß, was passier t wäre, wenn mein Basser Egon Krenz damals nicht mit seinem Bandprojekt Volkswiderstand sechs OHL Stücke auf dem gleichnamigen Album gecover t hätte und wir dadurch in Kontakt kamen...?! Wir hatten ein sehr langes Telefonat, in dem er mich fragte, ob ich nicht Lust hätte OHL wieder ins Leben zu rufen? Er hätte Musiker für die es eine Ehre wäre, mit mir Musik zu machen. Damals spielte er zusammen mit meinem Drummer bei den Emils, wo es aber musikalische Differenzen gab. Es gab dann ein Emils Konzer t bei dem die Jungs 3 OHL Stücke mit mir als Sänger spielten. Ja und so ging´s dann in die zweite OHL Phase, die jetzt schon wesentlich länger und erfolgreicher andauer t, als die `80er OHL Jahre. 1.993 hast du OHL, sowie DER FLUCH, wiederbelebt. Was war der Auslöser weiterzumachen? Die Nachfrage von Seitens der Fans? Anfragen bzgl. OHL und DER FLUCH gab es immer mal wieder und auch Labels boten mir an, bei ihnen zu produzieren. Aber letztendlich war es einfach die Lust wieder Musik zu machen. Gehen dir nach nun schon 32 Jahren Karriere die Fragen nach dem Standpunkt von dir bzw. OHL nicht langsam gewaltig auf die Nerven? Wenn nicht, wie hält man das Dauerfeuer aus, das größtenteils aus den Lagern der Extremisten und den Medien kommt? Wer sich ernsthaft, ehrlich und offen mit uns beschäftigen will, dem beantwor te ich gerne alle Fragen und bin auch bereit schon 1000 mal Gesagtes zu wiederholen. Kleine Wichtigtuer bekommen von mir allerdings auch „passende“ Antwor ten und die machen mir manchmal noch viel mehr Spaß. Und was heißt Dauerfeuer?! Wir haben einen starken und stabilen Zuspruch und die paar Deppen, die uns versuchen in irgendwelche Schubladen zu stecken, die sind doch das Salz in der Suppe und erst recht motivierend mit OHL auch noch weitere 32 Jahre verbrannte Erde zu hinterlassen. Sicher gab es doch auch ab- und an Versuche bestimmter linker oder rechter Organisationen dich, deine Texte bzw. OHL allgemein für deren Zwecke/ Ziele zu instrumentalisieren? Konntest du diese Versuche bislang immer vereiteln? Ich denke schon. Wir stehen doch wie keine andere Band für offene und klare Wor te. Bist du heutzutage noch fähig optimistisch zu sein, wenn du den alltäglichen Wahnsinn via TV frei Haus bekommst? - 14 - Klar, allerdings gibt es neben dem ganzen politischen und religiösen Dreck, ja auch noch das soziale Problem der „Verdummung“. Mir graut davor, wenn die ganzen unterentwickelten Intelligenzen in 2020 ihre Dummheit an die nächste Generation weiter gegeben haben. Auf welche Songs, an denen du mitgewirkt hast, bist du nach 32 Jahren musikalischem Schaffens besonders stolz? Stolz ist das falsche Wor t. Ich habe meine Favoriten. Bei OHL wären das z.B.: „Der Preis der Freiheit“ und bei DER FLUCH finde ich das aktuelle Album „Im Dorf der Verdammten“ wirklich sehr stark. Aber bei etwa 250 Stücken kann ich da nicht wirklich drauf antwor ten. Glaubst du, daß es heutzutage einfacher ist indiziert zu werden? Ich denke da an Namen wie zum Beispiel Rammstein oder auch Bushido, Sido... Nein, ich glaube es ist schwieriger, da die „Reizschwelle“ einfach höher liegt. Gibt es Musikstile, mit denen man dich eher los wird? Die ganze Black Music Scheiße wie Soul, R‘n‘B oder Hip Hop. Nenne doch bitte mal je 3 Alben pro Dekade, die du in deiner privaten Sammlung NICHT missen möchtest. Mit den ‘80ern beginnend bis Heute. Das kann ich so nicht sagen. Ich kann dir mal ‘ne Top Five erstellen. 1. Adver ts „Crossing the Red Sea“ 2. Stiff Little Fingers „Inflammabel Material“ 3. Joy Division „Unknown Pelasure“ 4. Misfits „Walk among Us“ 5. Chelsea „Chelsea“ Was glaubst du wäre aus dir geworden, wenn du keine Musikkarriere gemacht hättest? Ich bin ja mehr, als nur der Sänger einer Band und OHL/ DER FLUCH sind ja auch keine Fulltime Jobs. Aber ohne meine Musik, kann ich mir mein Leben ehrlich gesagt nicht vorstellen…vielleicht wäre ich Familienvater geworden? Am Anfang ab Feb. ‘87 hatte ich einen 15 Stunden Tag. Ich veranstaltete noch Konzerte, spielte selbst in 2 Bands (Idiots und Phantoms) und hatte dadurch 4 Proben in der Woche und gab zwischen 80- 100 Auftritte im Jahr. Zudem war ich für Konzert- Promotion, Plakatierungensowie für das Austeilen von Flyern täglich unterwegs. Gab es damals, wie auch Heute, bestimmte Magazine, mit denen du dich auf dem Laufenden gehalten hast? Ich verkaufte und las´ auch das „Maximum Rock`n`Roll“, den „Falschmelder“, „Trust“, „Scumfuck“ und das „Rock Hard“ und noch einige andere Fanzines. Mit der LP „Station of Life“ endete 1.989 der Weg von THE IDIOTS. Was war der Grund, daß THE IDIOTS aufhörten? Und wie gingst du mit dem Ende von THE IDIOTS um? Es gab für mich viele Gründe die Idiots zu beerdigen, aber das zu erläutern würde ausarten und für viele Extraseiten sorgen. Aber ganz klar ohne den Gründer, Kopf Sir Hannes gibt es keine Idiots. (Ohne Motor fährt kein Auto) Ein thematisch anderes Ende vollzog sich mit dem Fall der Mauer 1.989. Wie hast du die Wiedervereinigung Deutschlands erlebt und was veränderte der Mauerfall in deinem Leben? …ich habe mich einerseits für die Menschen gefreut, die endlich ein Gefühl von Freiheit entdeckten, auch wenn es für sie nur kurzeitig war. Anderseits hatte ich kein gutes Gefühl, da genau der Ausverkauf und das Überrollen der Menschen dort passiert ist, was ich kommen gesehen habe. An was denkst du spontan zurück, wenn du an die 80er Jahre zurück denkst? Sex and Drugs and Rock `n` Roll! Direkt nach der letzten THE IDIOTS Platte erschien 1.990 (also 4 Jahre nach der Gründung) die PHANTOMS OF FUTURE Debüt CD „Cruel Times“. Rein musikalisch schienst du gern den Entwicklungen etwas voraus zu sein?! Gerade 1.990 war ein sehr facettenreiches Jahr, was den Musik(er)markt und angesagte Musikstile in Deutschland betrifft?! 1987 veröffentlichten wir schon ein 8- Track Demo Tape von dem auch Songs auf unserem Debüt Album „Cruel Times“ zu hören sind. Wir gehör ten sicher zu den ersten Bands die mystischen Wave angehauchten Psychodelic Rock mit Punk, Pop und anderen Stielen mixten. Von der Show her hatten wir Elemente wie viele Bands wie Marilyn Manson oder Rammstein sie viele Jahre später benutzten. Ich sang z.B. in Feuerkäfigen, als böser Clown geschminkt, sprang wie ein Löwe durch brennende Reifen ins Publikum, sang mit brennenden Händen und trat als Nosferatu in dem Kult Stummfilm „Nosferatu“ mit „Max“ Schreck auf, der auf Riesenleinwand zu unserem Auftritt lief. Wir spielten praktisch in dem Film unseren Gig. Was die Phantoms ausmachte, war daß wirklich jeder Auftritt anders war, weil ich ein sehr spontaner Mensch bin und jeweils die Kulisse, die Konzer thalle und das Publikum in die Show mit einbaue. (Ok das war bei den Idiots, Phantoms und ist auch beim Honigdieb so) Leider wird bei 99% aller Bands alles bis ins Detail genau geplant und runtergespielt. Kunst bedeutet für mich unberechenbar zu sein! In etwa 1.992 müßte es gewesen sein, daß du das „Café Banane“ aufgemacht hast. Um was ging es dir konzeptionell beim Café Banane? Das war im Mai 1992. Es diente als kulturelle Kombination zu Idiots Records. Da viele Kunden von weiter her kommen, mittlerweile aus der ganzen Welt, wollte ich den Leuten ermöglichen sich nach dem Plattenkaufen noch gemütlich einen Kaffee oder Bier zu trinken und über Musik zu philosophieren. Viele Musiker fanden für ihre Bands die fehlenden Musiker und für sozial- schwache Menschen gab es den einen oder anderen Rat. Dort entstanden viele Freundschaften, es wurden Fahrgemeinschaften zu Konzerten organisiert, es fanden viele Autogrammstunden von sehr vielen internationalen Bands statt. Es gab regelmäßig einen Indie- und einen Metal Abend. Ich verkaufte dort ganz bewußt keine harten Getränke. Nach 13 Jahren gab ich das Café aus Zeitgründen ab. Laß´ uns nun einen kleinen Zeitsprung machen. Nachdem weiteren EPs (*„Loco Poco“ EP ‘91; „This Flight Tonight“ EP ‘94) - sowie das erste Full Length Album (*„Chapter III - The Trance“ 1.992) von PHANTOMS OF FUTURE erschienen waren, erschien Mitte der 90er die recht erfolgreiche EP „Call of the Wild“ (*1.995). Zum Song „Crackin` Up“ habt ihr sogar einen Videoclip gedreht. Stilistisch gab es satten ‚90er Crossover mit Metal Nähe und leichten Hardcore Elementen. Würdest du sagen, daß du musikalisch immer auf der Suche nach neuen Stilen warst? Nein auf der Suche nicht. Das liegt an meiner kreativen Ader. Ich bin ein sehr offener Mensch, der immer in Bewegung ist und reich an Phantasie, Musik und Poesie (das behaupten meine engen Freunde von mir). Zu meinem Ideenreichtum dienten sicherlich auch meine vielen Reisen und meine große Freude an der Literatur. Die „Eule“ stand symbolisch eng mit PHANTOMS - 15 - OF FUTURE in Verbindung. War die Eule just ein Bandlogo oder stand hinter eine tiefere Verbindung hinter dieser Eule? Die Eule war unser Bandlogo. Sie ist, wie wir, nachtaktiv, schlau und unberechenbar. An was denkst du spontan, wenn Du an die ‘90er Jahre denkst? Oh Gott, das war die schreckliche musiklose Techno- Zeit. Zum Glück entstanden in den 90ern noch Bands wie: Temple of the Dog, Pearl Jam, Soundgarden, Mother Love Bone, die den Musikstil „Grunge“ erfanden. Bis 2.000 habt ihr noch 3 weitere Alben (*„Chimera“ 1.996; „Tie Me Up“ 1.998; „Inside Outside“ 2.000) herausgebracht. Was amtliche Zeugnisse für kreativen In- und Output sind. Was führte letztlich nach über 800 (!) gespielten Konzerten zum Ende der PHANTOMS OF FUTURE? Ich bin ein Mensch, der immer in Bewegung ist und für meine Kunst und für meine Lebensideologie immer neue Ausdrucksmöglichkeiten benötigt. Bei den Phantoms stimmte für mich in den letzten Jahren des Bestehens nicht mehr die Chemie innerhalb der Band. Dazu kam, daß ich gemerkt habe, daß viele Leute die englischen Texte nicht verstehen, und es für mich eine neue Herausforderung war wieder in Deutsch zu singen. Dann wollte ich lebensbejahende Musik verkörpern, die den Leuten Spaß und Energie vermittelt, aber gleichzeitig mit einem Augenzwinkern zum Nachdenken anregt. Die Phantoms waren sehr mystisch angelegt mit einem Sex & Drugs & Rock‘n‘Roll- Touch, das paßte nicht mehr zu meinem Lebensgefühl und daher brauchte ich eine neue Plattform für meinen Ausdruck. Viele Dinge änderten sich mit den Anschlägen auf die World Trade Center Twin Towers in New York, im September 2.001. Wie hast du dieses geschichtlich tief einschneidende Ereignis erlebt? Und haben die Anschläge auch etwas in dir bewegt oder gar verändert? Ich war mit meiner Sonne, meiner Frau bei Ikea und dann sahen wir auf einem Bildschirm das Einstürzen der Towers. Mir kam es erst unreal vor, wie ein Godzilla Film. Als wir dann sahen, daß Menschen aus den Fenstern sprangen waren wir schon richtig geschockt. Ich habe mich später sehr viel mit diesem Anschlag beschäftigt und muß sagen, daß die eigentliche Wahrheit, die wie immer vertuscht wird, so eklig und menschenverachtend ist, daß ich gewisse Dinge Heute lieber gar nicht mehr wissen will, da ich sonst...! Leider ist alles sehr korrupt und verlogen und wer zu viel weiß, bekommt seinen Preis…das war im Mittelalter schon so und ist immer noch so. Brot und Spiele! Ich möchte die Werke von PHANTOMS OF FUTURE Was war bisher der größte Moment in deinem Leben? Da gibt es zum Glück mehr, als nur einen. Allerdings haben die Wenigsten mit der Musik zu tun. Würdest du sagen, daß du mit OHL auch versucht hast die geschichtliche, deutsche Vergangenheit zu verarbeiten? Ich denke da unter anderem zum Beispiel an das Album „Das 7. Zeichen“. Meinst du das Stück „Helden für immer“ und das darin thematisier te Hitlerattentat? Wir haben ja diverse Stücke über das 3. Reich geschrieben, allerdings mußte ich die Vergangenheit nie verarbeiten, das waren / sind einfach Themen, die mich interessieren. Gab es je Überlegungen eine Art autobiographisches Buch oder eine DVD über den wirklichen Lauf der Dinge um dich- und OHL / DER FLUCH zu veröffentlichen oder ist es okay so wie die Würfel liegen? Du kannst ja mal Eine schreiben. Ich bin recht zufrieden mit unserer Position und damit, daß wir schon zu unserer aktiven Zeit eine Spur hinterlassen haben. Zumal OHL noch nie so aktiv war wie zur Zeit, kannst du da noch einiges erwar ten. Letzte Frage: Wo siehst du dich in 5 Jahren? Nach 32 Jahren, sind 5 Jahre ja nur ein kleiner Zeitsprung. Ich denke mit OHL werden wir dann ein oder zwei weitere Alben veröffentlicht haben, mit DER FLUCH zum 7. oder 8. Mal auf dem WGT in Leipzig gespielt haben und vielleicht auch mehr als nur ein PROJEKT MENSCH Album auf dem Markt sein wird. Privat werde ich dann wohl weiterhin mein Geld im TV Business machen und eine faszinierende und schöne Frau an meiner Seite haben. www.o-h-l.com www.facebook.com/ohl1980 www.myspace.com/derfluch1981 www.facebook.com/pages/DERFLUCH/153505188062630 DISCOGRAPHY D E U T S C H E R W. DISCOGRAPHY - DEUTSCHER W. +++ OHL +++ 1980 1981 1981 1981 1982 1982 1983 1983 1983 1986 1993 1994 1994 1996 1996 1997 1998 2002 2003 2005 2005 2006 2009 2013 Klänge des Widerstands (Demokassette, 2004 auf LP wiederveröffentlicht) Oberste Heeresleitung (EP) Live (EP; enthält Studioaufnahmen, keine Livestücke) Heimatfront (indiziert) Die Deutschen kommen (Samplerbeitrag, indiziert) 1000 Kreuze Oktoberrevolution Verbrannte Erde The Kids Are United (Split-EP mit The Skeptix) Jenseits von gut und böse Die Auferstehung (enthält Neuaufnahmen alter Stücke und neue Songs) Alptraummelodie 2 (Samplerbeitrag) Das 7. Zeichen Die Stunde der Wahrheit Spionage/ Die kleine Stadt (Single) Im Westen nichts neues (2CD, enthält nahezu alle Studioaufnahmen der 1980er Jahre) Blitzkrieg Wir sind die Türken von Morgen (enthält einen Großteil des Albums Heimatfront, die zwei ersten Singles + ein unveröffentlichtes Bonusstück) Zurück zur Front Live in Wien 2004 (PicLP) Heimkehr (Live) Feindkontakt Krieg der Kulturen Freier Wille Was ist denn Durchbruch? Von den Bands, die den sogenannten kommerziellen Durchbruch geschafft haben, bekomme ich meistens nur Durchfall. Wer sich ernsthaft mit Musik beschäftigt, kennt- und kannte die Phantoms! Wir waren in den DAC (Deutsche Alternative Charts) in den Top 5 vor Nirvana und Metallica. Unser Song „Sun“ wurde in fast jeder Rock Disco in Europa gespielt und sorgte für volle Tanzflächen. Wir hatten Sondersendungen bei Viva und waren in den Top100, spielten viele Festivals als Headliner vor über 15000 Zuschauern und konnten 10 Jahre sehr gut von unserer Musik leben und das ohne irgendwelche Kompromisse. Außerdem tourten wir mit unseren Kindheitsidolen wie Iggy Pop, Sex Pistols, The Stranglers und vielen anderen… Wir machten Weihnachten 2001 unsere beiden Abschiedskonzerte und im Januar 2012 spielten wir schon den ersten Honigdieb Auftritt. Ich hatte parallel zu den Phantoms schon lange an den Songs und an dem Konzept vom Honigdieb gearbeitet. Soweit ich einigen Interviews entnehmen konnte, hast du ziemlich viele Auditions abgehalten, bevor das HONIGDIEB Line Up stand. Somit hast du offenbar bewußt nichts dem Zufall überlassen. Wie wichtig ist neben dem musikalischen Können der Sympathiefaktor zwischen dir und deinen Bandkollegen? +++ DER FLUCH +++ Mit Leuten, die mir unsympathisch sind, kann ich nicht musizieren. Es gibt Zeiten, da verbringt man mehr Zeit mit seinen Mitmusikern, als mit seiner Familie. Daher hat man schon eine sehr enge Beziehung zu seinen Bandkollegen. 1982 1982 1994 1996 1998 2000 2002 2007 2008 In einem Interview sagtest du, daß du mit HONIGDIEB bewußt Schlager parodierst und dir quasi einen Spaß daraus machst, wenn ihr zum Beispiel in China auf Tour seid und du Sätze wie: „Wer ficken will, muß freundlich sein...“ oder auch: „Wann machen wir mal wieder Telefonsex“ singst und dazu 3000 Chinesen mitklatschen wie in der alten ZDF Hitparade. Würdest du sagen, daß das deine Art von „Punk im neuen Jahrtausend“ ist? Der Fluch Die Gesandten des Grauens (Single) Für immer Im Feuer der Liebe Verlorene Seelen Sünde Die Nacht des Jägers Geschichten aus der Gruft Im Dorf der Verdammten +++ PROJEKT MENSCH +++ www.Projekt-Mensch.org www.facebook.com/pages/PROJEKTMENSCH/164501300273355 keineswegs schmälern (zumal ihr mit PHANTOMS OF FUTURE für meine Begriffe ziemlich unterbewertet wurdet und euch der große Durchbruch verwehrt blieb), jedoch möchte ich jetzt mal auf deine aktuelle Band HONIGDIEB zu sprechen kommen. Veröffentlichungsmäßig dauerte es 3 Jahre bis man via HONIGDIEB wieder von dir hörte. Wann begannst du mit HONIGDIEB? Und was hast du in den 3 Jahren sonst noch gemacht? Hast du dir quasi eine kreative Auszeit gegönnt? 2011 Seelenfeuer Fotos: © Privatarchiv Deutscher W./ Bandarchiv OHL - 16 - Klar! Die stupiden 3 Akkorde Songs mit Scheiß Staat, Scheiß Bullen sind schon lange überholt und langweiligen mich. Dafür ist es für mich auch wichtig Leute mit meiner Message zu erreichen, die sonst keinen Zugang dazu finden würden. Bereits die zweite Veröffentlichung - die 2003er EP „Madame“ und der dazugehörige Videoclip bringen die Ausrichtung von HONIGDIEB ziemlich gut auf den Punkt. Wie entstehen Songs wie dieser zum Beispiel? Jeder Song entspringt durch gewisse Lebensereignisse und Einflüsse. Ich erlebe etwas und in meinem Kopf entwickeln sich dazu Melodien, Bilder und Texte, die ich dann aufschreibe und auf ein Diktiergerät festhalte. Später arbeite ich täglich an den Ideen, forme sie bis sie zu einem Song ausreifen. Zum Abschluß treffe ich mich dann meistens in Köln mit dem Honigdieb Gitarrist Stefan und wir arrangieren den Song so weit, daß wir ihn mit der ganzen Band nach meinen Vorstellungen auf den Punkt bringen. Als recht „unüblich“ könnte man eure dritte Veröffentlichung „Einzig, aber nicht artig“ (*2.004) bezeichnen, zumal ihr zur CD eine DVD dazu gepackt habt, was ziemlich früh für eine neue Band ist. Oder habt ihr euch einfach nur der Zeit angepaßt, in der quasi jede zweite Band eine DVD herausbringt?! Unsere Honigdieb Freunde wollten gern ein paar Honigdieb „China Live Impressionen“ sehen und für die Leute, die uns noch gar nicht live erlebt haben sollte es als Appetizer dienen. Mit dem Titeltrack vom im Moment aktuellen Album (* Stand Februar 2.011) „Seelentropfen“ (*erschienen 2.007) erscheinen mir die Songtexte um Nuancen tiefsinniger geworden zu sein. Würdest du sagen, daß du in Anbetracht der ziemlich extremen, überreizten Zeiten dementsprechend „natürlich“ mit mehr Nachdenklichkeit reagierst? Nein, wer die drei Honigdieb Alben kennt, weiß daß es von der ersten bis zu dritten Platte viele tiefsinnige Nuancen gibt. Z.B. vom ersten Album „Tag ohne Schatten“: „… losgelöst von den Ketten, losgelöst von der Zeit, des Robotordaseins, der Alltagsmanege – Es ist ein Tag ohne Schatten –der erste Tag ohne Sklaverei – ab heute beginne ich zu leben…Ich werde frei wie ein Vogel sein…“ Oder „Sei wie Du bist“, „…denn nur so wie Du bist da bist Du gut…lebe Deine Wünsche und lebe im Jetzt, folge Deinem Herzen komm hab`den Mut“. Das geht weiter bei den Songs „Kannst Du was – bist Du was“ oder Clown oder König“. Beim zweiten Album „Einzig, aber nicht artig“ geht meine ironische - gesellschaftliche Kritik weiter: z.B. der Song „Überholspur“: „…Scheiße am Stock ist auch eine Blume, der Jahrmarkt des Grauens steht direkt vor Deiner Tür…“ Du nutzt HONIGDIEB auch bewußt, um Organisationen wie Greenpeace oder auch World Society For The Protection Of Animals zu unterstützen. Wie glaubst du kann der Einzelne heutzutage in Sachen Tier- und Umweltschutz aktiv etwas tun? Ich denke - 17 - da zum Beispiel an Mülltrennung, Heizung mal einen Grad weniger aufdrehen oder auch Boykott von Plastikeinkaufstüten... oder bringt das alles nichts, sondern suggeriert nur ein falsches Bewußtsein? Nun ich bin seit über 20 Jahren Vegetarier, benutze in meinem Laden von Beginn an nur Öko Plastiktüten, die verbrennbar ohne Giftaussetzung sind, und lebe den Kunden vor unsere Stoffbeutel zu benutzen. Im Privaten lebe ich in einem Holzständerfachwerkhaus, welches sich in Europa als einziges Haus ein Gesundheitshaus nennen darf, da es den niedrigsten Energieverbrauch hat. Mit meinem Wasser- und Stromverbrauch gehe ich auch sehr sensibel um, da ich mir immer vor Augen halten muß, wie viele Menschen nichts zu trinken haben oder jeden Tag kilometerweit laufen müssen, um etwas Wasser zu bekommen. Natürlich beziehe ich meinen Strom und Gas für meinen Laden und auch privat von Ökoanbietern. Ich liebe die Tiere mehr als die Menschen, da sie rein, ehrlich und treu sind! („Ich geh´ so gern als Nackedei – niemals Habich ein Pelz dabei…“ Textauszug Honigdieb) Wir haben mit dem Honigdieb auch schon ein BenefitsKonzert für ein Tierheim gespielt. Gibt es im Moment bereits Planungen für ein weiteres HONIGDIEB Album? Sofern ja, kannst du schon etwas darüber sagen? Ja, die Texte und Songs für das 4. Honigdieb Album sind komponiert und müssen mit meiner Band noch arrangiert werden. Im Laufe des Jahres, spätestens im Januar 2012 werden wir das neue Album im Studio aufnehmen. Musikalisch, setzen wir die Honigdieb Tradition fort. Musik ohne Grenzen – völlig anarchisch. Alles ist möglich! Alles ist erlaubt! Textlich bin ich immer noch der Eulenspiegel in der Computerzeit. Frech, frivol, lyrisch, sowie ironisch und charmant. Das Album wird „A.N.G.E.L.A.“ heißen. (kleiner Spaß – Titel ist noch in Arbeit) („Du bist ein Arschgedeih – Arschgedicht. Du trägst Deine verlogenen Hämorriden im Gesicht. Du bist die A.N.G.E.L.A. – Angela aus dem wilden Osten klar…Angela - Atomkraft ist für alle da! Atomkraft hin – Atomkraft her – Fische mit drei Köpfen schmecken umso mehr“) Welche gravierenden Veränderungen durch technische Neuerungen hast du als Ladenbesitzer und Platten bzw. CD Verkäufer wahrgenommen. Stören dich zum Beispiel Formatneuerungen wie MP3, MP4, Blue Ray etc. oder versuchst du diesbezüglich selbst mit der Zeit zu gehen? Ich freue mich riesig darüber, daß bei mir im Laden die Nachfrage nach Vinyl sich verdrei- oder vervierfacht hat. Schallplatten sind für mich auch noch echte SammlerKultur-Güter. Sie klingen für mich auch viel authentischer und nicht so steril. Ich selbst besitze auch weit über 1000 Stück. Wenn man im Studio analog auf 24 Spur aufnimmt, klingt es natürlich und auch viel wärmer, als die glatten Digital- Produktionen. Ich habe mich bei meinen eigenen Aufnahmen ob Idiots, Phantoms oder auch Honigdieb nie wegen den enorm höheren Studiokosten gesträubt. Mit MP3 und dem ganzen Rotz kann ich nichts anfangen und ich ignoriere das. Hast du manchmal auch Wege von Kollegen, wie zum Beispiel von Karl Nagel mitverfolgt? Ich frage, weil ich gewisse Wegparallelen zwischen euren Wegen sehe... Wir hatten in den ‘80ern mehr Kontakt und auch gemeinsame Konzerte. (Idiots und geteilte Köpfe) Er war- und ist ein sehr kreativer Mensch und gehört zu den Leuten, die wirklich immer in Bewegung sind. Es gibt viele, denen wurde statt einer Frikadelle eine Kulturmedaille verliehen… Karl Nagel ist Kultur! Gibt es auch Musik(en), die du gar nicht ertragen kannst? Techno, Schlager. Für mich muß Musik mit Instrumenten handwerklich gemacht sein, wobei man die Instrumente auch mit dem Mund bzw. mit der Stimme imitieren– kreieren kann. Musik muß für mich Gefühle und Emotionen erzeugen. Bist du in irgendeiner Form religiös? Ich versuche im Einklang mit dem göttlichen Universum zu leben. Ich glaube an Gott, gehöre aber zu keiner religiösen Einrichtung oder Institution. Ich bin mit 14 Jahren aus der Kirche ausgetreten. „...Mein Hund ist Gott, der Kaktus ist Gott und der Esel im Galopp – Lebe Deine Wünsche und lebe im Jetzt. Liebe Deine Schmerzen und folge Deinem Herzen. Ich bin Gott! Er, sie es ist Gott!“ (Textauszug vom Honigdieb - „ICHGOTT“) ‘90er: ‘00er: - Phantoms of Future „Cruel Times“, - Phantoms of Future „Loco Poco“, - Pearl Jam „Ten“. - Bolt Thrower „Those Once Loyal“, - Honigdieb „Sei wie Du bist“, - I „Between Two Worlds“. Abschlußfrage: Wo siehst du dich in 5 Jahren? Ich lebe im Jetzt! Nenne doch bitte mal je 3 Alben pro Dekade (aus den ‘80ern, ‘90ern und der ersten Dekade der 2000er), die du NIEMALS missen möchtest. Tausend Dank Hannes für deine Unterstützung und deinen ausführlichen Beitrag zu diesem Buch! Viel Erfolg weiterhin! ‘80er: www.idiots.de www.honigdieb.de - Slayer „Reign in Blood“, - The Idiots „Cries of the Insane“, - Dead Kennydys „Fresh Fruit for Rotting Vegetables“. Foto „Hannes früher“: Privatarchiv Sir Hannes Smith © Foto „Hannes_1“ (aktuell): Benito Barajas © Foto live (Coverfoto): Privatarchiv Sir Hannes Smith © DISCOGRAPHY SIR HANNES SMITH DISCOGRAPHY - SIR HANNES SMITH +++ THE IDIOTS +++ Wie definierst- und lebst du für dich den Begriff Punk? Punk ist für mich ein Lebensgefühl, ein Herzschrittmacher, der für Individualität, Kreativität und Selbstverwirklichung schlägt. Ein Gegenpol gegen jede Art von Schubladendenken, Engstirnigkeit, Korruption, Unterdrückung, Respektlosigkeit. Genauso gehört für mich dazu, anders zu sein und Andersartiges zu respektieren, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen und über sich selber lachen zu können. Nicht käuflich zu sein und keine Werbeverträge mit Alkoholfirmen abzuschließen, wie es z.B. eine Möchtegern- Punk Band mit Kirmeshosen seit Jahren macht und dabei ihre teilweise 9- 14jährigen Fans zum Alkohol animiert und dabei völlig ihre Verantwortung vergißt. Das ist genauso wie vor jedem Fußball Länderspiel „Keine Macht den Drogen!“ –das Spiel wird gesponsert von Krombacher…da wird den Kids schon von klein auf eingeimpft zum Fußball gehört Alkohol. Das finde ich von unserem Staat sehr kriminell und verlogen und von Bands, die selber schon arge Probleme damit hatten genauso unglaublich makaber. Ich hatte auch in meiner musikalischen Laufbahn Angebote von Brauereien und Zigarettenfirmen, habe sie aber sofort ablehnt. Nun klar, ich habe in meinem Leben auch wirklich sehr exzessiv gelebt, mir wurde öfters der Magen ausgepumpt und ich wurde wiederbelebt, (etliche frühere Punk- und Skin Freunde sind schon im Nirwana) aber man muß ja nicht unbedingt anderen vermitteln ohne Alkohol und Drogen ginge es nicht. Sich selbst treu bleiben und im Jetzt zu Leben! 1982 1984 1985 1987 1989 2012 S04 und der BVB (5 Track EP) They call us the Idiots (LP) Schweine ins Weltall/ Emmy oh Emmy (EP) Cries of the Insane (LP) Station of Life (LP) Heavy Metal Psycho Punk +++ PHANTOMS OF FUTURE +++ 1987 1990 1991 1992 1994 1995 1996 1998 2000 Demo Cruel Times Loco Poco Chapter III - The Trance This Flight Tonight (Live CD) Call Of The Wild (EP) Chimera Tie Me Up Inside Outside +++ HONIGDIEB +++ 2003 Sei wie Du bist 2003 Madame (EP) 2004 Einzig, aber nicht artig (CD + DVD) 2007 Seelentropfen 2012 Mein Hut hat keine Ecken (* Das Album „Mein Hut hat keine Ecken“ sollte laut Hannes selbst ursprünglich „A.N.G.E.L.A.“ heissen) - 19 - ALEX SCHWERS (HASS/SLIME) WOLFGANG „FOX“ FUNKHAUSER „Draußen Staat und Bullen, „Wenn es nicht aneckt, hat es kaum Bedeutung.“ Es gibt Musiker über die man nicht gerade viel in Erfahrung bringt, bei denen aber ihr Weg- und die damit einhergehenden Kollaborationen quasi selbstredend sprechen. Alex Schwers ist einer jener „Musikverrückten“. Es scheint, als gäbe es für ihn keine Grenzen, was das musikalische Wirkungsfeld betrifft, dennoch blieb er sich selbst stets treu und zog sein Ding mit dem nötigen Quänt- chen Humor durch. Nicht ganz nebenher ist er mittlerweile Drummer bei SLIME und zudem auch Veranstalter des „Ruhrpott Rodeo“ und des „Punk im Pott“ Festivals. Nahezu logisch also, daß ich mehr als gespannt war, was ALEX SCHWERS im Rundumblick auf Vergangenheit, Gegenwart_ und Zukunft so zu erzählen hätte...?! Hallo Alex, willkommen im Buch SCENE MADE - Vol. I. Laß´ uns mit der obligatorischen Einstiegsfrage beginnen: Wo und wie bist du aufgewachsen? Wie kamst du zu deinem ersten Instrument? Hast du dir das mühsam erspart oder geschenkt bekommen? Hallo Danny, ich bin im Ruhrgebiet aufgewachsen, genauer gesagt in Gladbeck, als jüngstes von 3 Kindern einer Beamtenfamilie in einem Eckreihenhaus mit Gar ten. Gab es in deiner Kindheit irgendeine Art musikalischer Vorprägung - bzw. ein wegweisendes, musikalisches „Erlebnis“? Bezogen auf Letzteres: wenn ja welche Band(s)-/welche(r) Song(s) war das? Klar, in meiner Kindheit gab es ständig musikalische aha Erlebnisse. Der erste Song auf den ich abgefahren bin war „Matador“ von Garland Jeffreys, da muß ich so 5 gewesen sein. Meine Oma hatte die Single und ich bin über Tische und Bänke gesprungen. Später stand ich dann mal auf Marius Müller Westernhagen, das war so zu der Zeit als „Das Herz eines Boxers“ rauskam, da war ich glaub ich 10. Da war ich dann auch mal mit meiner Mutter beim Konzer t und fand das total steil. Kurz danach war ich Fan von Grandmaster Flash und der Rocksteady Crew und bin ein Jahr lang als Break Dancender Roboter durch die Welt gelaufen. Irgendwann hab´ ich dann Led Zeppelin entdeckt, obwohl das ja zu der Zeit schon ein alter Schinken war. Mit Punkrock kam ich so mit 14 Jahren zum ersten Mal in Berührung. Das waren dann am Anfang die Sex Pistols und Black Flag. Gab es innerhalb deines familiären Umfeldes künstlerische Einflüsse? Nö, meine Mutter hat ihr Leben lang beim Spülen Simon & Garfunkel und Demis Roussos gehört, das wars auch schon. drinnen Freiheit und Selbstverwirklichung.“ Soweit ich mitbekam spielst du ja nicht nur Schlagzeug, sondern kannst offenbar auch Bassgitarre spielen?! Was war denn dein erstes Instrument, das du gespielt- und gelernt hast? Wenn möglich nenne doch bitte auch das Model mit dem du anfingst... Mein erstes Instrument war Trompete. Model weiß ich nicht mehr. Da hab´ ich auch als Kind schon im Orchester auf Schützenfesten usw. gespielt. Der Schlagzeuger in dem Orchester war damals ein ziemliches Tier. Der war auch schon einige Jahre älter. Da hab ich dann oft nur so getan als würde ich mitspielen und hab´ zu ihm rüber geschielt. Ich glaube das war mein erster Kontakt zum Schlagzeug, irgendwann war klar, daß ich das machen muß. Ich hab´ dann noch ein paar Jahre Klavierstunden genommen, weil ich mal Musik studieren wollte, daraus is aber nix geworden. Gitarre und Bass hab´ ich erst so mit 20 angefangen. - 20 - Mein erstes Schlagzeug hab´ ich mir von dem Geld, das ich zur Kommunion bekommen habe, gekauft. Das ist eine ganz lustige Geschichte. Meine Mutter ist katholisch und mein Vater evangelisch und ich bin als Kind evangelisch getauft worden. Da ja die evangelische Konfirmation ein paar Jahre später ist, als die katholische Kommunion, mußte ich irgendwie katholisch werden. Also hab ich meinen Eltern erzählt, daß ich ja sooo total an die katholische Scheiße glaube und durfte schließlich den Glauben wechseln. In einer atemberaubenden, kirchlichen Zeremonie wurde ich schließlich katholisch und konnte direkt an der Kommunion teilnehmen. Das Geld, was ich dann bekommen habe, reichte auch für ein nettes Drumset aus. Ein paar Jahre später bin ich dann übrigens komplett aus der Kirche ausgetreten. Gab es musikalische Vorbilder / Idole in deiner Kindheit / Pubertät, die dich vielleicht sogar bei der musikalischen Entwicklung beeinflusst haben? Klar, unzählige. Als Schlagzeuger hat mich John Bonham von Led Zeppelin sehr geprägt, Chuck Biscuits (D.O.A.; Black Flag; Danzig und andere), Phil Rudd (AC/DC) und Buddy Rich (unter anderem: Louis Armstrong; Miles Davis; Bird and Diz) haben auch ihre Spuren hinterlassen. Generell als Musiker haben mich auf jeden Fall Joe Jackson, Udo Lindenberg, Jello Biafra (Dead Kennedys), Bon Scott (AC/DC) und tausende mehr beeinflusst (bei Joe Jackson meinte Alex einen englischen Blues Musiker, nicht Michael Jacksons gleichnamigen Vater). Fox lernte ich durch Zufall oder um es genauer zu formulieren durch die Berliner Band „Zerfall“ kennen. Zerfall ist eine Band, die eng verbunden mit den „Blauen Möwen“ (* auch aus Berlin) irgendwann zwischen 1.983 und 1.985 in der Punk Szene Ost- Berlins für Furore sorgten. Fox, damals selbst Punk, besuchte Ost- Berlin in jenen Tagen sehr oft, lernte ZERFALL und deren Umfeld kennen und dadurch entstand eine tiefe Freundschaft zur Band und deren Umfeld. Diese Freundschaft ging so weit, daß Fox selbst ziemlich viel riskierte und damals existierende Aufnahmen von Zerfall einige Male in die BRD schmuggelte. Nur um die Tragweite dieses Risikos auch nur ansatzweise bewußt zu machen: Zerfall hatten damals bereits Songs wie „Besatzer raus!“ (* „Besatzer raus!“ richtete sich gegen die Besatzungsmächte, vor allem gegen die damals in der ehemaligen DDR- ansäßige Sowjetarmee), „Bullenherden“ und andere im Set. Wären diese Songs den Organen der DDR- Staatsmacht in die Hände gefallen, hätte dies´ mit nahezu 1000%iger Sicherheit längeren Gefängnisaufenthalt für die gesamte Band Zerfall und möglicherweise sogar für deren Umfeld bedeutet. Das allein ist schon Grund genug, um Fox innerhalb dieses Buches zu interviewen. Hallo Fox, Willkommen im Buch SCENE MADE - Vol. I. Umreiße den Lesern doch bitte mal wo und unter welchen Gegebenheiten du aufgewachsen bist? wandter eines türkischen Arbeitskollegen in Berlin mit einem Namensschild zu mir und meinte: „Wenn du Türke wärst, würdest du Orhan heißen!“. Noch Heute antwor te ich auf die Frage nach meinem Namen durch Türken: „Ich heiße Orhan.“ Die Russen nennen mich Makari, was soll´s... (* grinst) Mit 15 fing ich auch einen Schülerjob bei McDonalds an. Dort traf sich die einschlägige Szene von Wiesbaden. Da ging´s ab.... Später ging ich dann auch in verschiedene Diskotheken. Da waren auch G.I.´s (*so nannte man amerikanische Soldaten im Volksmund). Ich fing mit illegalem Zigarettenhandel an, da die Amis diese steuerfrei kauften- und verkauften. Dafür bekamen meine Eltern einen „blauen Brief“ von der Schule. Die ersten Drogenkontakte hatte ich natürlich auch schon hinter mir. Ich stamme aus Wiesbaden/ Hessen. Dort wuchs ich als einziger, männlicher Spross einer Arbeiterfamilie auf. Es waren die ‘60er und ‘70er Jahre, die mich in jeder Beziehung geprägt haben. Nachkriegszeit, kalter Krieg, Antikommunismus und eine anfangs noch spießige Zeit kollidierten mit meiner Neugier. Welche Rolle spielte die Musik in deiner Kindheit? Und an welche Bands/Songs erinnerst du dich, wenn du an deine Kindheit zurückdenkst? Nun, das fing an mit einem Schlagerfutzi namens „Wolfgang“, wie meine Eltern mich nannten, und dem „Lied vom Trödler Abraham“. Irgendwann hörte ich The Beatles und dann ging es in den Glam Rock. The Sweet, Slade, T-Rex usw. Musik war mir immer wichtig. Ich sang als Kind auch mit dem Mikrophon aufs Tonband zur ZDF Hitparade... Später war ich Mitglied im Realschulorchester und spielte Pauke. Kommen wir gleich mal direkt zum sicher interessantesten Teil: deiner Jugend. Mit welcher subkulturellen Szene kamst du als erstes in Berührung? Und kannst du die Atmosphäre der damaligen Szene beschreiben? Nun. Ein paar Hängengebliebene rutschten in der Schule in meine Schulklasse. Die waren ein Jahr älter und hatten eine Rockergang namens „Gods Of Thunder“, benannt nach dem bekannten Kiss Stück, gegründet. Da war ich dabei. Später hieß meine Gang „Red Angels Wiesbaden“. Also Rocker eben. Wir waren jung, puber tär und antibürgerlich, gepaar t mit einer gewissen kriminellen Energie. Zu der Zeit erhielt ich auch meinen Spitznamen beim Flippern verpaßt. Erst „Fuchs“, als dann einer aus der Punk Szene so mit Familiennamen hieß und auch so genannt wurde, nannte mich meine Freundin Saskia nur noch „Fox“, was bis Heute an mir hängen blieb. Aber was sind schon Namen?! Als ich das erste Mal 1984 in die Türkei reiste, kam ein Ver- - 21 - Wo hingst du damals (szenemäßig) regelmäßig so ab? Wo ging man damals hin etc.? Wir trafen uns auf der Straße, z. B. am Anarchistenbrunnen Mauritiusplatz (in Wiesbaden). Als dann der Punk so ca. 1976 kam, gab es die Diskothek „Lu“. Das war der Treff-Punk-t. Die Chefin war eine Farbige namens Edith. Echt geil der Laden. Ein Transvestit namens Mike coverte manchmal auch Zarah Leander. Circa 1.982 kamst du nach Berlin, um genau zu sein nach West-Berlin, Kreuzberg. Was war der Stein des Anstoßes von Wiesbaden nach Berlin umzuziehen? Mit welcher Szene kamst du denn zuerst in Berührung? Der ganze 70er Glam Rock hat mich ziemlich gekickt. Punkmäßig waren es mehr die Ami- Bands als die Englischen. Wie hast du die Wendezeit 1.989/90 erlebt? Und hattest du damals Interesse an den Menschen und deren Musik des vorherigen Gegenübers? Ich war ja damals grade 16 und hatte meine erste Freundin. Was da wirklich passier t ist, ist mir erst 2 Jahre später klar geworden, als ich mit Hass die ersten Konzer te im der ehemaligen DDR gemacht habe. So wie die ersten Konzer te da abgelaufen sind, hab´ ich mir Punk 1977 immer vorgestellt. Wann und wo hattest du deinen ersten Bühnenauftritt? Beschreibe doch mal bitte die Rahmenbedingungen deines ersten Gigs... Meinen allerersten Auftritt hatte ich als Trompeter, so im Alter von 8 Jahren. Da hab´ ich damals auch zusammen mit der Trompeter - Legende Walter Scholz gespielt, der fand das wohl gut mit Kindern auf die Bühne zu gehen?! Zu der Zeit hab´ ich auch oft zusammen mit meinem Trompeten-Lehrer bei Veranstaltungen von Kriegsgeschädigten gespielt. Da saß dann der Frührentner mit Granatensplittern im Gehirn neben der Omi ohne Arme und haben zusammen zu „So ein Tag“ geschunkelt. Meinen ersten Auftritt als Schlagzeuger hatte ich mit 14 auf einem Schulfest. Meine erste Band hieß „Peeping Tom“ und wollte so sein wie Dead Kennedys. Ich war ja bei Hass mit fast 15 Jahren Altersunterschied der Jüngste. Da kam es schon zu witzigen Situationen. Zum Beispiel hat Hecktor, der Gitarrist, unserem damaligen Mischer zeitweise verboten in meiner Gegenwar t zu kiffen. Ich war damals eher unzuverlässig und hab´ auch öfters mal `ne Probe platzen lassen. Fürs Kiffen und Alkohol war ich immer sehr begeisterungsfähig. Ich glaube die waren einfach froh, daß die `nen guten Schlagzeuger hatten und haben da bestimmt teilweise schon Vatergefühle entwickelt!? Im Laufe der Jahre wurden daraus echte Freundschaften, die bis heute anhalten. Warst du vor deinem Einstieg bei HASS mit deren Musik aufgewachsen oder kamst du über sogenannte „Connections“ in die Band? Die erste Hass Platte war die erste deutsche Punk Platte, die ich überhaupt kannte. Der große Bruder von `nem damaligen Freund hatte die in seinem Plattenschrank und wir haben die abgekultet. In die Band kam ich dann über eine gemeinsame Bekannte. Das ging alles ratzfatz, ich glaube wir haben 3 Wochen nach meinem Einstieg die erste Tour gemacht. Aufgrund der recht respektablen Liste der Bands und Musiker bei denen du bislang gespielt hast, gehe ich mal davon aus, daß du öfters parallele Engagements hattest, um dich finanziell über Wasser zu halten, ist das soweit richtig? Klar, ich hab´ immer in mehreren Bands gespielt, aber dabei ging es meistens nicht ums Geld, sondern in erster Linie um den Spaß. Daß da auch öfters mal was übrig geblieben ist, war ein positiver Nebeneffekt. Wie reagierten deine Eltern darauf, daß du mit der Musik dein Geld verdienen wolltest? 1.994 kam das HASS Album „Liebe ist tot“ raus. Wie wichtig war das Album für dich? Die konnten sich da gar nichts drunter vorstellen, haben das aber immer unterstützt. Ich hab´ ja auch früher mal `ne Schreinerlehre gemacht und war sogar mal 1 Jahr lang Bestatter, aber letztendlich lief alles aufs Musikmachen und Festivals Organisieren hinaus. Mittlerweile kommen meine Eltern auch auf ein Bier beim Ruhrpott Rodeo vorbei und finden das ziemlich geil. Meine Mutter hat ein Jahr sogar an der Kasse gesessen. Für „Liebe ist Tot“ gab es damals riesige Papp-WerbeAufsteller bei Karstadt und WOM (* Musikfachhandelskette; vergleichbar mit Saturn, Media Markt heutzutage) usw. - das war schon seltsam. Ich hatte aber davor auch schon Platten mit anderen Bands gemacht, von daher isses nur eines von vielen Babys. „Liebe ist Tot“ ist eine gute Hass Platte, aber sicher nicht die Beste. 1.992 kamst du zu HASS, die im April ‘92 ihr viertes Album „Allesfresser“ herausbrachten. Wurdest du von Anfang an als vollwertiges Mitglied akzeptiert oder mußtest du dir eine gewissen Respekt erst erspielen? HASS hatten ja in Punkkreisen immer einen Status, der zwischen Underground und Kult war / ist. Quasi auf einer hauchdünnen Linie. Wie hast du HASS von innen her, also direkt aus dem Herzen der Band damals wahrgenommen? - 22 - Hass waren damals relativ abgeschnitten vom Rest der deutschen Punkszene. Das war ein kleiner Mikrokosmos von 4 völlig unterschiedlichen Leuten, die ihr Ding gemacht haben. Ob das in irgendeine Szene paßt oder erfolgreich wird war egal. Was war / ist dir persönlich bei Punkmusik wichtiger die Aussage oder der Spaßfaktor? Ursprünglich ging es ja beim Punk um die Aussage, das ist schon die Motivation hinter der ganzen Sache. Allerdings langweilt mich mittlerweile das ewige Durchkneten der gleichen Themen auch ganz schön an. Wenn eine Band wirklich was zu sagen hat und das auch originell und neu verpacken kann ist es geil. Falls nicht, sollte sie besser nicht versuchen wer weiß wie bedeutungsschwangere Texte zu machen, sondern das Ganze eher lustig angehen, sonst wird es schnell peinlich. 1.996 folgte das HASS Album „Anarchistenschwein“. Was vom Titel her etwas konträr zur Punkszene wirkt. Hast du persönlich auch mal verbale Prügel aus der Punkszene bezogen oder konntest du dich stets voll und ganz auf die Musik konzentrieren? Auf „Anarchistenschwein“ sind einige sehr gute Songs, leider ist der Sound der Platte damals total in die Hose gegangen. Klar gab es immer mal wieder auch schlechte Kritiken und Leute denen irgendwas nicht paßt, aber wer will schon everybodys Darling sein?! Die Musik - und der eigene Geschmack gehen immer vor. Wie wichtig waren denn Freundschaften zu anderen Bands in deiner bisherigen Lauf bahn? Sind sie zweitrangig oder sind da auch echte Freundschaften fürs Leben entstanden? Eigentlich ist es doch das wofür man das alles macht. Was nutzen dir die tollsten Konzer terlebnisse, wenn du sie mit niemandem teilen kannst? Mittlerweile sind da dicke Freundschaften über ganz Deutschland ver teilt entstanden. Aber auch entferntere Bekanntschaften zu Leuten, die man in regelmäßigen Abständen bei Konzer ten usw. trifft sind Motivation das weiter zu machen. An was denkst du spontan, wenn du an die 90iger zurückdenkst? An 10 Jahre vor 10 Jahren. Ich nannte damals Wiesbaden „Fiesbaden“. Es war spießig und es war auch nicht viel los. Ich wollte weg, z.B. nach Frankfur t/a.M., ins Hüttendorf an der Star tbahn West usw. 1982 fuhr ich dann im Sommer nach Berlin. Dor t traf ich Micki aus der Görlitzer Straße. Und schon hatte ich eine Bleibe in einem besetzten Haus. Det war geil! Vorne wohnten die Langhaarigen, die Ton Steine Scherben hör ten, hinten die Punks usw.… land und entsprechende Möglichkeiten, aber es war auch beklemmend in so ´ner Mauerstadt. Wer waren damals deine musikalischen Helden? Erst U.K. Subs, Exploited, Slime, dann auch VKJ (* = Vorkriegsjugend), Anti Nowhere League, One Way System, Cockney Rejects und Discharge. Hattest du damals auch ernstere Konf likte mit deinen Eltern, weil du dich offen zur Punk Szene bekanntest? Nachdem du 1.983 nach Berlin- Kreuzberg umgezogen warst, bist du 1.984 nach Ost- Berlin gefahren und lerntest die ersten DDR Punks kennen. Erinnerst du dich noch an deine erste Begegnung mit den Ost- Punks damals? Mein Vater hatte es nicht leicht mit mir und ich nicht mit ihm. Er war so ein „Was denken die Nachbarn?“Typ und machte sich nicht ganz unberechtigt Sorgen, daß ich auf die schiefe Bahn kommen könnte. Er intervenier te auch gegen meine Klamotten. Klar, Punk Rocker war nicht sein Gusto.... Ich war mit einem Freund im Osten. Wir tranken reichlich Bier in der Kneipe „Zur Sonne“ und gingen dann Richtung S- Bahn. Da standen in der Lichtenberger Weitlingstraße ein Haufen Punks. Ich sah die und wußte: die sind nicht von uns drüben. Dann quatschten wir mit denen und tauschten Adressen aus. Was hast du damals beruf lich gemacht? Ab 1.984 bist du dann regelmäßig nach Ost- Berlin gefahren. Konntest du zwischen deinen Besuchen in Ost- Berlin auch Kontakt zu deinen Freunden in Ost- Berlin halten? Sofern ja, wie hieltet ihr Kontakt? Da mein Schulabschluß nicht gerade rühmlich war, war es mit einer Lehrstelle nicht so einfach. Aber im Hotel- und Gaststättengewerbe machte ich erst mal „Karriere“ - ´ne Kellner Lehre. Soweit ich weiß, war eines deiner ersten PunkKonzerte, die du besucht hast, U.K. Subs 1.982 im legendären SO36 (in Berlin). Erinnerst du dich noch an die damalige Atmosphäre in der Berliner Punk Szene und an das Konzert selbst? Mein erstes Berliner Konzi waren die U.K. Subs im SO 36. Ich habe die Eintrittskar te noch und zeigte sie Jahrzehnte später mal Charlie Harper (U.K. Subs Frontmann). Ich stand damals mit großen Augen vor der Bühne und irgendwann pogte ich eben mit der Meute und sang mit in das Mikro des Sängers Charlie Harper, das er uns entgegen hielt. (PS: Charlie I love you!) In Berlin war ich dann Stammgast am Heini (* Humboldthain-Volkspark in Berlin-Wedding), am Kotti (* Kottbusser Tor; Berlin-Kreuzberg) und in der TEK (* Berlin-Kreuzberg). Da spielte auch DIE Berliner Punkband „Vorkriegsjugend“. Herrlich. Die Stimmung war gut, wenn auch manchmal aggressiv. Da wollten die Spandauer Skins Kreuzberg stürmen und wir saßen mit Knüppeln am Kotti, um sie köstlich zu erwar ten und unsern Kiez zu ver teidigen. Das ging ja gar nicht. Und die Mauer sorgte zwar für viel Sonder- Wir hatten Brief kontakt, selten ging es auch per Telefon. Die Leitungen waren oft überlastet oder manipulier t. Kannst du in etwa sagen ab wann ungefähr die DDRStaatssicherheit (* kurz: Stasi) auf dich aufmerksam wurde? Hast du das damals bewußt wahrgenommen? Das muß so 1985 gewesen sein. Ich wurde plötzlich jedes Mal gefilzt. Ich durfte in ein Hinterzimmer am Grenzübergang mitkommen und dann alle Taschen leeren und einen Haufen Fragen beantwor ten. Mir war schon einigermaßen klar, was da lief. Beschreibe doch bitte mal wie man sich das vorstellen kann, wenn du in die ehe- - 23 - malige DDR „eingereist“- und wieder in die ehemalige BRD „ausgereist“ bist? Mußtest du dich, wie viele Menschen, demütigenden Fragen oder gar Untersuchungen stellen? Die haben z.B. im Por temonnaie alle Zettel mit Adressen angeschaut und nach sonstigen Hinweisen gesucht. Und Dinge durchleuchtet mit so einem Röntgenapparat. Meinen Labellostift, eine originalverpackte Zigarettenpackung und was noch verdächtig sein konnte. Und immer wieder Gespräche. Um Standpunkte auszukundschaften und Kontakte zu entlarven. Eine quasi „neutrale Zone“ waren ja die Kirchen innerhalb der DDR, in denen oft auch Punkkonzerte stattfinden konnten. Hast du zum Beispiel das ZERFALL Konzert in der Galiläakirche in Berlin- Friedrichshain 1.984 selbst auch miterlebt? Zerfall habe ich im Osten nie live erlebt. Aber ich erinnere mich an Konzer te in Kirchen. Das war wie in zwei verschiedenen Welten. Draußen Staat und Bullen, drinnen Freiheit und Selbstverwirklichung. Kannst du in etwa sagen, was es mit den legendären Ost- Berliner „Blauen Möwen“ auf sich hatte? War das eine Band oder nur eine Clique? Im Februar 2.000 erschien dann das letzte HASS Album „Endstation“. In einem Interview sagtest du, daß eine Reunion von HASS allein schon aufgrund des Alters unmöglich sei. Wie hast du die Auf lösung von HASS erlebt? Hast du heute noch Kontakt zu deinen ehemaligen Bandkollegen? Wir haben ja 2007 noch eine Abschiedstour gemacht, obwohl die Band zu dem Zeitpunkt schon seit 6 Jahren auf Eis lag. Das hat ein paar Konzer te gedauer t bis wir wieder drin waren, aber am Ende wars `ne runde Sache. Ich war dann aber auch irgendwie froh als das Kapitel Hass endgültig geschlossen wurde. Irgendwie war die letzten Jahre klar, daß es nicht weiter geht. Mit Hecktor hab´ ich heute noch sehr viel zu tun, er wickelt den Vorverkauf für meine Festivals ab und macht die Internetseiten. Und mit Tommi gehe ich ab- und zu mal ein Bier trinken. Chris hab´ ich seit der Abschiedstour nicht mehr gesehen. Laut meinen Recherchen hast du ja in den ‘90ern unter anderem auch in der Band des 2.000 verstorbenen Schlagersängers IBO gespielt. Wie hast du die Schlagerwelt, insbesondere IBO als Mensch, erlebt? Ibo war ja auch aus Gladbeck und ich hab´ damals ziemlich viele Abende bei ihm verbracht. Er war ein netter Kerl aus `ner anderen Welt, halt ein Schlagerstar. Ich hab seit jeher ein lockeres Verhältnis zum Schlager. Mich interessier t nicht wirklich was da so abgeht, aber ich hab´ das immer als netten Trommeljob gesehen und spiele auch heute noch manchmal mit irgendwelchen Schlagerfuzzis. Gerade innerhalb der Schlagerbranche gab es doch mit Sicherheit viel Scheinheiligkeit nach außen, während „Backstage“ oft echte Tragödien abliefen. Haben dich Engagements mit vermeintlich „etablierten Großverdienern“ und die damit einhergehenden Deals quasi ernüchtert oder gehärtet, was das Business im Allgemeinen betrifft? Eigentlich hat mich das eher belustigt. Ich war ja mit Ibo auch beim 50. Gebur tstag von Jürgen Drews und so. Da passieren dann schon manchmal sehr bizarre Geschichten. Zum Beispiel hab´ ich mal im Backstage auf `nem Schlagerfestival jemanden kennen gelernt und ihm erzählt, daß ich glaube Andrea Berg hat `ne Geschlechtsumwandlung gemacht und hieß früher Andy Borg. Während ich mich über meinen eigenen Witz schlapp lachte, erzählte er mir daß er der Manager von Andrea Berg ist. Im Großen - und Ganzen sind die Meisten hinter den Kulissen ganz in Ordnung und haben auch einen ganz guten Humor bei der Sache. Bis auf ein paar Ausnahmen natürlich, denen wirklich keiner mehr helfen kann. Ernüchternd ist manchmal das Publikum. Ich kann mich noch sehr gut an Ibo‘s Beerdigung erinnern, wo so ca. 6000 Leute waren, die einfach kreuz- und quer über alle Gräber gerannt sind und alles kaputt getreten haben. Irgendwann haben sie dann Wolfgang Petry entdeckt, der in seinem Mantel da rumstand und wollten während der Beerdigungszeremonie Autogramme von dem haben. Ansonsten gibt´s innerhalb der Schlagerbranche genauso viele Scheinheiligkeiten und Dummschwätzer wie in der Punkszene auch. Der Verhaltenscodex ist nur ein anderer. In deiner Vita tauchen ja jede Menge Namen auf, bei denen du gespielt hast. Gib´ den Lesern doch bitte mal eine jeweilige Jahreszahl und ein paar kurze Erinnerungen an die jeweilige Band/Musiker an die Hand, um deinen Weg etwas besser nachvollziehen zu können. Fühltest du dich als damaliger Bürger der BRD trotz der Filzungen etc. sicher oder konnte man auch (gerade wenn man zu den sogenannten „DDR Staatsfeinden“ (* so bezeichneten DDR Organe Punks und ihr Umfeld ja gern), die in der DDR lebten) auch Gefahr laufen auch als BRD Bürger vorübergehend festgehalten zu werden? Also Ausweiskontrollen kamen vor. Auch Festnahmen ohne Grund auf der Straße. Aber ich hatte immer das Gefühl, die peilen mehr auf die Leute aus ihrem eigenen Staat. Wenn ich meinen West- Pass zeigte, war das wie ein Freifahr tschein. Denn wir hauten Abends ja eh zwangsweise wieder in den Westen ab. Wann hast du das erste Mal Musik, also Kassetten oder gar Schallplatten, in die DDR bzw. auch in die BRD geschmuggelt? viel größeres Reper toire an Schikanen zur Verfügung hatte. Es reichte schon aus anders auszusehen, um aus der Berliner Innenstadt depor tier t oder ver trieben zu werden. Das Interesse der West- Punks war zwar vorhanden, aber wenige setzten das auch in die Tat um. Vielleicht waren die alle zu sehr mit sich selbst beschäftigt? Laut off izieller Bandbiographie lösten sich deine Freunde von ZERFALL aufgrund des Drucks von Seitens der Stasi, in Form von Verhören und Haftaufenthalten, auf. Würdest du sagen, daß das tieferen Eindruck bei den Punks in Ost-Berlin hinterließ? Als Plansch, der Drummer von Zerfall, zur Fahne (Armee) mußte, war die Band eben erst mal personell stark eingeschränkt. Einer von Dreien, das sind glaube ich 33 %!!! Hast du auch andere DDR Punkbands persönlich kennengelernt? Ich bin Schlagzeuger seiner Tourband und großer Fan. Auf der letzten Tour hab´ ich mir den linken Fuß gebrochen und hab damit noch 3 Wochen lang weiter gespielt, damit das Ganze nicht abgeblasen werden muß. Selten ging`s mir so schlecht. Das war 1985. Ich brachte denen immer meine Lieblingsstücke mit und nahm dann auch was mit. Und vom Zwangsumtauschgeld kaufte ich Essen, Alkohol usw. vom Zentrum-Kauf haus am Alexanderplatz ganz legal und Musikkassetten transpor tier te ich illegal in der Hose. Schön war mit denen z.B. „Live in Pankow“ von der italienischen Band CCCP zu hören. (*CCCP war übrigens das damalige Kürzel für die Sowjetunion, dieses Kürzel sah man zum Beispiel oft beim Spor t auf der Kleidung sowjet-russischer Spor tler) GUNTER GABRIEL, der ja bekanntlich ein großer JOHNNY CASH Fan war / ist: Was faszinierte dich damals so an der DDR Punkszene? Ja, Gunter halt. Ich hab´ mal ein Festival für ihn mitorganisier t und er hat als Gast in `nem Song von mir mitgemacht. Super Typ und ganz anders, als der Großteil der Schlagerszene und wahrscheinlich auch mehr Punk, als ein Großteil der Punkszene. Sie waren echt. Das war wirklich Widerstand. Punk sein in der DDR war was anderes als bei uns im Westen, wo jeder Lallo einen auf Punk machen konnte. Und sie kannten sich auch mit unseren Bands bestens aus und hatten einen tieferen politischen Hintergrund. EISENPIMMEL 1.985 warst du unter anderem auch in der berühmten Hamburger Hafenstraße zu Besuch. Was unterschied denn die Punks in der ehemaligen BRD von den Punks der ehemaligen DDR? Und hatten Punks aus der ehemaligen BRD auch Interesse daran etwas über die Szene in der damaligen DDR zu erfahren? Das war die Zeit als gerade die ganzen Leninstatuen von Kränen abgebaut wurden. Da kam mir der Name „Fallen Idol“ in den Sinn, der dann unser Bandname wurde. Wir hatten nicht viele Auftritte. Einer war im Jugendzentrum in Bad Cannstatt (*ältester Stadtbezirk Stuttgar ts). Gleich neben einem Altenheim, was ich gut fand. So gegen die jeweilige Isolation. Da trat damals immerhin auch die Metal Band Pungent Stench auf. Wir hatten nebenan auch symbolisch die Stadtbücherei besetzt, um deren Schließung zu verhindern. (* Pungent Stench kommen aus Österreich und spielen Death Metal; sie waren quasi eine Ar t österreichisches Pendent zu Cannibal Corpse oder Carcass - rein vom Image her) Wie schon eben gesagt. Die Punks in der DDR hatten es wesentlich schwerer, weil der Staat ein Sehr kurz bevor die Mauer f iel, kam es zu einer echten Tragödie. Dein Freund Schulle (R.I.F.), der JEFF DAHL GROUP Ich hab´ Tom Tonk (Sänger bei Eisenpimmel) vor ein paar Jahren wohl ziemlich genervt, weil ich unbedingt Eisenpimmel beim Punk im Pott Festival haben wollte. Eigentlich gab es Eisenpimmel ja gar nicht als richtige Band. Irgendwann hat er dann gesagt: „O.K. ich mach´ das, aber dann spiel du halt Schlagzeug“. Seit ca. 5 Jahren treten wir gelegentlich auf und haben letztes Jahr `ne Platte gemacht, die sehr geil ist. Eisenpimmel sind ein großer Spaß. - 24 - Die „Blauen Möwen“ kannte ich damals nur von dem Lied. Das war so eine Clique. Nein, damals leider nicht. Später dann aber. Vor nicht allzu langer Zeit z.B. die Zusamm-Rottung Bassistin Liane Schweiger. 1.987 bist du dann von Berlin ins schwäbische Ländle - bzw. ins schwäbische Städtle Stuttgart gezogen. Dort f ingst du selbst an Musik zu machen. Kurze Zeit warst du bei der Band OGMANIX und später bei FALLEN IDOL, dein Beginn an der Bass Gitarre. Erinnerst du dich noch an deinen ersten Auftritt? Wenn ja wo war er und wie waren die Rahmenbedingungen? - 25 - einer der Ost Berliner Punks war, nahm sich das Leben. Wie hast du diesen Schicksalsschlag damals aufgenommen und verkraftet? Und mischte sich auch Wut in deine Trauer, zumal Schulle ja, soweit ich aus Erzählungen weiß, regelmäßig von den DDR Staatsorganen schikaniert wurde?! Schulle war ohne Zweifel mein bester Freund im Osten. Ich wohnte zu der Zeit in Stuttgar t und f inde es schade, daß ich in der Zeit nicht öfter bei ihm sein konnte. Auf die Staaten (BRD und DDR) war ich sowieso wütend. 2 Monate vorher war auch noch mein bester Freund Hank aus West-Berlin an Alk und Heroin gestorben. Da fühlte ich mich schon komisch. (* die Kombination von Alkohol und Heroin endet fast immer tödlich) 1.989 f iel die Mauer und der „kalte Krieg“ war endlich zu Ende. Wie hast du die Zeit des Mauerfalls aus deiner Sicht erlebt und was hat dieses historische Ereignis in deinem Leben verändert? Das war, abgesehen von Schulle`s Tod, eine großar tige Zeit. Fast niemand hatte an den Fall der Mauer geglaubt. Aber ich Sturkopf sagte immer: „Ich glaube daran, und wenn es erst meine Enkel erleben.“ Seit 1994 lebe ich ja auch im ehemaligen Osten. An was denkst du spontan zurück, wenn du an die ‘80er Jahre zurückdenkst? In den ‘80ern konnte man sich in West- Berlin gut ausleben. Es war eine brodelnde, kapitalistische - aber auch kulturelle Insel, mitten im angeblichen Kommunismus. In der Nähe der Mauer gab es auch viele Freizonen. Im sogenannten schwäbischem Ländle wurde es dir offenbar schnell über?! 1.994 gingst du nach Berlin zurück. Was zog dich zurück? Ich merkte, daß ich mich in Stuttgar t niemals heimisch fühlen würde. Es war eher ein Exil. Berlin war für mich der Inbegriff meiner persönlichen Freiheit und meiner Selbstverwirklichung. In den ‘90er Jahren schossen extrem viele Punkbands aus dem Boden, die diverse „Schlachtrufe“-Sampler füllten. Daneben gab es großen Nachholbedar f in Ostdeutschland, was Bands wie zum Beispiel: OHL, Normahl, Slime, EA80, Nina Hagen etc. anging. Wie hast du die RASTA KNAST, bei denen du z.B. Bass gespielt hast .. . Ich hab´ mal ein ¾ Jahr als Bassist ausgeholfen, weil die `nen Arsch voll Konzer te gebucht hatten und das sonst hätten absagen müssen. Es war aber klar, daß das nicht von Dauer ist. Bass spielen ist irgendwie nicht so mein Ding. Ich glaub´ das war so 2006 rum. DIE MIMMIS Bei den Mimmis spiele ich seit 2 Jahren Schlagzeug. Fabsi hat mich gefragt und eigentlich war nur geplant, daß ich zur Aushilfe spiele bis ein neuer Drummer gefunden ist. Allerdings hatten wir dann so viel Spaß, daß gar kein Drummer mehr gesucht wurde. LILI, eine eher frauendominierte Band. Spielte es irgendeine Rolle, zum Beispiel auf Tour, wenn du mit LILI unterwegs warst? Bei Lili hab´ ich nur mal kurz ausgeholfen, wie in vielen anderen Bands die ich mittlerweile wieder vergessen habe. Woher weiß man das mit Lili eigentlich??? Das war keine so glückliche Konstellation, obwohl ich die eigentlich ganz gerne mag. CHEFDENKER Bei Chefdenker spiele ich seit ein paar Jahren immer, wenn der eigentliche Schlagzeuger nicht kann. Unglaublich, ich liebe sie. Es gibt nur wenige Künstler in der deutschen Punk Szene, Chefdenker gehören dazu. KNOCHENFABRIK, die es ja mittlerweile nicht mehr (oder immer mal wieder?) gibt... Hab´ ich nur mal für 1 Konzer t ausgeholfen. MOFAGANG Bei der Mofagang hab´ ich Gitarre gespielt und gesungen. Die Songs waren von mir, leider gibt es keine ganze Platte, sondern nur diverse Sampler Beiträge. Die Band hat sich 2005 aufgelöst. Es hat dazwischen unzählige andere Bands von Jazzrock bis Hardcore gegeben mit denen ich Platten aufgenommen hab´ oder auf Tour war, die mir jetzt spontan nicht einfallen würden. Nenne doch in diesem Zusammenhang mal 3 Songs deiner bisherigen Karriere, an denen du mitgewirkt hast und auf die du besonders stolz bist. Punk Szene im Allgemeinen innerhalb der ‘90er Jahre wahrgenommen? Och nö, ich nenne dir lieber 3 Songs, die ich gerne geschrieben hätte. Also das wären: AC/DC „Touch too Much“, Knochenfabrik „Filmriss“, ABBA „Dancing Queen“. In den ‘90ern kamen ja viele Bands wieder zusammen und machten Konzer te. Manche sah ich bei der Gelegenheit zum ersten Mal. Aber auch viel „Post Punk“. Den Begriff mochte ich nicht. Punk Rock is here to stay, it will never die! Beneidest du manchmal Bands, wie zum Beispiel die TOTEN HOSEN, daß sie mit Punk Rock ihr nicht geringes, festes Einkommen haben? Konntest du, als du Mitte der ‘90er zurück in Berlin warst, alte Freundschaften wieder aufleben lassen? Und wie war das Wiedersehen in dieser fast noch „neuen“ Freiheit? Ich meine hat sich der Kontakt zu ehemaligen Freunden der ehemaligen Ost Punks eher intensiviert oder eher dadurch relativiert, daß man sich fortan immer dann treffen konnte, wann man wollte? Sagen wir mal so: Ich hätte nichts dagegen. Da du ja wie eben schon erwähnt so einige Leute und deren Kreise kennengelernt hast, liegt doch die Frage nahe, warum du noch kein eigenes Buch veröffentlicht hast?! An Story-Mangel kann das ja sicher nicht liegen...?! Genug Storys gibt`s da bestimmt, aber ein Buch zu schreiben reizt mich irgendwie nicht. Ich arbeite schon länger an einer Platte mit komplett eigenen Songs, wo ich auch die meisten Instrumente, abgesehen von ein paar Gästen, selbst einspiele. Ich denke mal 2012 kommt das auch endlich raus?! Nicht ganz nebenbei bist du unter anderem auch Veranstalter der Festivals „Ruhrpott Rodeo“ und „Punk im Pott“. Seit wann veranstaltest du diese beiden Festivals? Punk im Pott gibt es seit 1999 und das Ruhrpott Rodeo seit 2007. Was sagst du als Veranstalter dazu, daß es seit Jahren immer mehr Trittbrettfahrer gibt, die mittels immer mehr Festivals das schnelle Geld machen wollen? Das funktionier t ja so nicht. Wenn man ein Festival in der Größenordnung vom Ruhrpott Rodeo veranstaltet, hat man zwar die Chance Geld zu verdienen, man kann sich aber genauso auch total damit auf die Schnauze legen und bis ans Lebensende verschulden. Wer keinen langen Atem beweist und nicht wirklich in der Sache drin steckt, wird über kurz - oder lang scheitern. Das schnelle Geld kann man wer weiß wo machen, aber nicht mit Punkrock. Seit 2.009 bist du bei SLIME hinterm Schlagzeug. Ist mit deinem Einstieg bei SLIME ein Traum von dir in Erfüllung gegangen oder ist SLIME quasi just eine weitere Station deiner Karriere? Slime sind was Besonderes. Mittlerweile haben wir ja die ersten Konzer te gespielt und das geht schon ab. Ich habe meine Musikerlauf bahn nie als Karriere betrachtet, es hat sich alles einfach irgendwie ergeben. Ich war noch nie bei `nem Casting oder so `nem Quatsch. Können SLIME Fans hoffen, daß es neue SLIME Alben mit dir geben wird? (*diese Frage stellte ich Alex noch vor Bekanntwerden, daß es ein neues SLIME Album geben wird, d.h. davon wußten zu diesem Zeitpunkt allenfalls die Bandmitglieder selbst.) Darüber reden wir im Moment nicht, im Vordergrund steht erst mal die Tour. Wenn es als Band zusammenwächst wird eine Platte an mir nicht scheitern. Welche Phase von SLIME gefällt dir persönlich besser eher die ‘80er Sachen oder eher ‘90er Alben wie zum Beispiel „Schweineherbst“? Hattest du nie Angst vor zu viel Streß und einem damit einhergehendem „Burn Out“? Die beste Slime Platte ist „Alle gegen Alle“. Die hab´ ich auch früher rauf- und runtergehör t. Ehrlich gesagt hab´ ich gar keinen Streß. Ich mache das, was ich mache, ganz gerne und stehe selten vor 11:00 Uhr auf. Im Zuge meiner Recherchen stolperte ich über den recht witzigen Videoclip „Herr Schwers - Another Stein on the Bullenschwein“, der die „1. Mai- - 26 - Beides. Manche hatten damals gerne West-Freunde, um an West- Waren ranzukommen usw., Andere hatten wirklich Interesse und wollten echte Freundschaft. Die Technik ist natürlich toll. Was es da heutzutage für Möglichkeiten gibt. Aber das ist mir alles zu sehr auf Konsum aufgebaut. Immer das Neueste haben zu müssen ist ätzend! Am 30. Mai 2.008 kam es zum ReunionÜberraschungskonzert der Band Zer fall in Berlin- Kreuzberg. Du warst zu dieser Zeit als Bassist bei Zer fall aktiv und hast das Jubiläumskonzert zu 25 Jahre Zer fall und der „Blauen Möwen“ mitgespielt. Wie hast du dieses Event erlebt? Das war ein tolles Ereignis. Es fand ja im „Lido“ in der Cuvrystraße (* in Berlin-Kreuzberg) statt. In der Straße wohnte ich auch von 1983- 1987. Und es war der 40. Gebur tstag von Kalle, dem Sänger von Zer fall. Wir waren nur vier Mal im Proberaum und legten dann das Konzer t hin. Absolut nicht professionell, aber mit Spaß und Elan bei der Sache. An was denkst du spontan zurück, wenn du an die `90er Jahre zurückdenkst? Politisch denke ich da besonders an Michail Gorbatschow zurück. Ich erinnere mich daran als er „geputscht“ wurde, daß ich ein Bild von ihm auf meinem Balkon auf hing - als Solibekundung. Musikalisch denke ich an R.E.M., die damals mit einem neuen, frischen Rocksound überzeugten. Später erschien eine Limited Edition des selbstbetitelten Zer fall Albums, dem eine Bonus DVD von jenem Jubiläumskonzert beilag. Im Vor feld der Veröffentlichung wurden auch Inter views mit Musikern von Zer fall, sowie mit Freunden wie dir- und denen, die zum Bandumfeld angehör(t) en, geführt und dabei wurde mitgef ilmt. Der „eigentliche“ Plan war eine Art Inter view-Extramenü auf die DVD mit draufzupacken. Woran scheiterte es? Leider ist da etwas ganz schief gelaufen. Ich hatte das von Anfang an (Remastern der alten geschmuggelten Kassettenaufnahmen) bis hin zu den Filmaufnahmen im Lido und den Interviews mit Kalle zusammen organisier t und abgesprochen. Nach dem Konzer t hat Kalle dann plötzlich alles im Alleingang gemacht. Das hat mich enttäuscht, weil jetzt auch das Ergebnis ein ganz Anderes ist. Nach Veröffentlichung dieses Albums gab es auch einige Idioten, die den Song „Besatzer raus!“ als rechtes Liedgut zu diffamieren/ zu denunzieren versuchten. Du selbst kennst die Zerfall Leute seit Jahrzehnten, wie reagierst du auf solche völlig haltlosen Behauptungen? Es gibt immer einige verwirr te Leute. „Besatzer Raus“ ist ein Lied aus der damaligen DDR Zeit. Und der Tex t hatte damals wirklich seine Berechtigung im geteilten Berlin. Aber Zerfall „Faschismus“ vorzuwerfen ist absurd. Als TSS ihre CD mit 18 Liedern einfach „18“ nannten, hieß es ja auch, das stünde als Abkürzung für Adolf Hitler, nur weil einige geistig verwirr te Idioten so was benutzen... so ein Käse! Laß´ uns nun etwas zwei größere Zeitsprünge machen. Das neue Jahrtausend brachte viel Neues mit sich. Vor allem weltweite Veränderungen. Wie hast du als Zeitzeuge die Terroranschläge 2.001 in New York wahrgenommen? Was haben sie in dir bewegt? Gibt es auch Musik(en), die du gar nicht magst? Ich habe Respekt vor jedem Künstler. Aber Jazz und Soul mag ich weniger. Nun, das war doch imposant und der alte Feind hat mal eins auf die Mütze bekommen. Aber mir tut es für jedes unschuldige Opfer leid. Und die genaue Täterschaft, ja der ganze Fall ist bis heute nicht wirklich aufgeklär t. Bereits seit 2.004/ 2.005 bist du dein eigener Chef. Du und Klaus Schacherer gründeten eine Gbr. „Sprossenmanufaktur“ Berlin. Wie ist das für dich dein eigener Chef zu sein? Vom Punk zum Chef? Andere Veränderungen hingegen war der Vormarsch der rasanten, technischen Neuerungen. Heutzutage sind Dinge wie Internet, Handy, Computer- und daraus folgende Digitalformate, MP3, 3D etc. kaum noch aus dem Alltag wegzudenken. Kannst du dich für diese Entwicklungen begeistern? Ich kann etwas Sinnvolles machen, was auch mit gesunder Ernährung zu tun hat. Und kann selbstkritisch mal sehen, ob ich ein besserer „Chef“ sein kann, als die, die ich früher selbst hatte. Außerdem habe ich keine - 27 - Randale“ Thematik eher im modernen Satire Stil augenzwinkernd behandelt. Mit dabei sind allerlei bekannte Szenemusiker wie: Wölfi (KASSIERER), Claus (KNOCHENFABRIK), Schlaff ke (SCHLIESSMUSKEL; ZWACKELMANN), Costa Cannabis (SONDASCHULE) und auch GUNTER GABRIEL. Wie kamst du auf die Idee? Ich meine rein musikalisch schwingt da ja unter anderem zum Beispiel PINK FLOYD mit... Aus den ‘00ern: - Alice Cooper „Dir ty Diamond“, - Chefdenker „Eine von hunder t Mikrowellen“, - The Aggrolites „Dir ty Reggae“. Zum Abschluß die Frage: Wo siehst du dich in fünf Jahren? Lust von irgendeinem Amt abhängig zu sein. Lieber autonom selbstständig. Hier! Hattest du je ernsthaft die Überlegung ein bürgerliches, businessfreies Leben zu beginnen, so mit eigener Familie (falls letztgenanntes nicht sogar schon vorhanden?!) etc.? Vielen Dank für deinen Beitrag und den Einblick in dein Leben in diesem Buch Alex! Viel Erfolg weiterhin! Beschreibe den Lesern doch bitte mal in kurzen Worten was genau Sprossen sind und wozu man sie nutzen kann?! Ich hab´ schon länger den Tex t von Slime´s Bullenschweine im Kopf gehabt, wenn im Radio „Another Brick in the Wall“ von Pink Floyd lief. Und als Slime mich gefragt haben, ob ich bei ihnen spielen will, hab´ ich das halt aus Gag mal aufgenommen. Das Video zu drehen war dann nochmal eine total spaßige Sache. Wir haben tagelang Crash Szenen mit ferngesteuer ten Autos und wilden Explosionen gedreht. Sehen kann man das bei http://www.myspace. com/herrschwers. Ich habe 2 Kinder und deswegen trotzdem kein bürgerliches Leben. Im Gegenteil, für mich bringen Kinder eine schöne Unruhe ins Leben, man dreht sich nicht mehr so um sich selbst. Allerdings hab´ ich auch das Glück, daß ich nicht jeden Tag 8- oder mehr Stunden irgendwo arbeiten muß. Da sind meine Kinder mehr oder weniger die einzige Konstante, der Rest ist wie ein großes Hobby. www.myspace.com/herrschwers www.slime.de www.myspace.com/slime79 Wie wichtig ist dir persönlich eine gewisse Form der Rebellion heutzutage? Glaubst du, daß der Großteil Deutschlands eines Tages wieder aus der Lethargie erwacht? Tut was euch glücklich macht und spielt Gitarre, statt Schlagzeug, dann braucht ihr nicht so viel zu schleppen. Rebellion ist wichtig. Wenn es nicht aneckt, hat es kaum Bedeutung. Ich meine damit nicht nur Rebellion im politischen Sinne, sondern einfach das Betreten neuer und eigener Wege und das Riskieren von Kritik. Leider ist unsere Gesellschaft mittlerweile so vollgestopft mit allem nur Denkbaren, daß sie irgendwie satt wirkt. Das wird sich wohl erst wieder ändern, wenn zu wenig zu essen da ist?! Nenne doch bitte mal je 3 Alben pro Dekade, aus den ‘80er, ‘90ern und den 2000ern, die dir viel bedeuten. Da würde ich gerne die 70er dazu nehmen. Also aus den ‘70ern sind das: - Led Zeppelin „Presence“, - Joe Jackson „I´m the Man“, - AC/DC „Powerage“. Aus den ‘80ern: - Hanoi Rocks „All Those Wasted Years“, - Slime „Alle gegen Alle“, - Circle Jerks „Group Sex“. Aus den ‘90ern: - Turbonegro „Apocalypse Dudes“, - Jeff Dahl „Wicked“, - Butthole Surfers „Independent Worm Saloon“. Foto „1983“: Privatarchiv Alex Schwers © Foto „Slime beim Wacken Open Air“: Mirja Nicolussi © Foto „Por trait“: Ralph Nitz © Was würdest deinen Kindern mit auf den Weg geben, wenn sie Musiker werden wöllten? DISCOGRAPHY ALEX SCHWERS DISCOGRAPHY - ALEX SCHWERS +++ HASS +++ Singles und EPs 1995 Leise rieselt der Schnee (EP) 1996 Für die besten Fans der Liga (MCD) Alben 1992 Allesfresser 1994 Liebe ist tot 1996 Anarchistenschwein 1997 Die ersten Tage 78–80 (Juni 1997) 2000 Endstation Sprossen sind jüngste Pflänzchen, welche aus Saatgut wachsen. Und die Pflanze hat nie wieder einen so hohen Gehalt an Vitaminen und Inhaltsstoffen, als im Keimstadium. Man kann sie im Salat, in der Pfanne, im Smoothie oder in vielen anderen Variationen zu sich nehmen. Auch Johanna Zeul (* Liedermacherin) oder etwa die Bollock Brothers (britische New Wave Band) erfreuten sich bei Gigs schon an unserem Sprossen-Catering. Zum Thema „Essen“ im Allgemeinen: kann man sich heutzutage überhaupt noch gesund ernähren? Die großen Nahrungsmittelkonzerne verkaufen uns teils höchst ungesunde Dinge, um ihres Profits willen. Manche haben auch starkes Interesse an „Genfood“, um damit reichlich den Reibach zu machen. Aber es gibt doch leckere Bioprodukte aus der Region. Die sind auf jeden Fall vorzuziehen. Thema „Umweltschutz“. Wie lebst du deinen Beitrag, um der Müll- und Wegwerfgesellschaft entgegenzuwirken bzw. die Umweltverschmutzung zu entlasten? Also bereits mit 13 Jahren gründete ich einen Umweltschutz Club in Wiesbaden. Wir machten z.B. Waldsäuberungen. Nebenbei war ich noch im NaBu (damals hieß er noch „Deutscher Bund für Vogelschutz“) und im Tierschutzverein aktiv. Heute hänge ich noch Nistkästen für Vögel auf und pflege sie. Im Sommer 2.011 besuchte ich Slumkinder in Indien und unterstütze ihre Lehrer, damit die Kinder lernen können. Mülltrennung und ökologisches Verhalten zu Hause ist selbstverständlich. Außerdem lebe ich vegetarisch. Nenne doch bitte je 3 Alben pro Dekade: ‘80er, ‘90er und erste Dekade der 2000er, die du NIEMALS missen möchtest. ‘80er: - Discharge „Hear Nothing, See Nothing, Say Nothing“, - Voivod „Dimension Hatröss“, - U.K. Subs „Diminished Responsibility“, - Anti Nowhere League „Anti Nowhere League“(EP), - Sodom „In the Sign of Evil“ (EP) ‘90er: - Black Sabbath „Reunion“ (* Livealbum), - Nirvana „Nevermind“, - Slime „Schweineherbst“ +++ SLIME +++ Alben 2012 Sich fügen heißt Lügen Videos HERR SCHWERS „Another Stein on the Bullenschwein“ - 28 - - 29 - ‘00er: - Die Elenden „Bacilly“, - Kiss „Kiss Symphony: Alive IV“, - She-Male Trouble „Burner“ (EP) Abschlußfrage: Wo siehst du dich in 5 Jahren? Das ist Zukunftsmusik. VIELEN DANK Fox, daß du dieses Buch unterstützt hast und einen Einblick in dein Leben gewährt hast! Viel Erfolg weiterhin! DISCOGRAPHY WOLFGANG „FOX“ FUNKHAUSER 2009 ZERFALL (Bonus DVD; Fox wirkte auf BONUS DVD als Live-Bassist mit) www.sprossenmanufaktur.de Fotos: © Privatarchiv Wolfgang „Fox“ Funkhauser