Soziale We ttb ewe rbsf ä hig ke it - here

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Soziale We ttb ewe rbsf ä hig ke it - here
Soziale Wettbewerbsfähigkeit
Der Entwurf einer gebietsbezogenen
Entwicklungsstrategie unter Berücksichtigung
der Erfahrungen aus LEADER
Band 2
L I A I S O N E N T R E AC T I O N S
DE DÉVELOPPEMENT
D E L’É C O N O M I E R U R A L E
L I N K S B E T W E E N AC T I O N S
FOR THE DEVELOPMENT
OF THE RURAL ECONOMY
C OMMISSION EUROPÉENNE
D IRECTION G ÉNÉRALE
DE L’A GRICULTURE
E UROPEAN COMMISSION
DIRECTORATE-G ENERAL
AGRICULTURE
Soziale Wettbewerbsfähigkeit
Der Entwurf einer gebietsbezogenen
Entwicklungsstrategie unter Berücksichtigung
der Erfahrungen aus LEADER
Band 2
“ I N N O VAT I O N
IM LÄNDLICHEN
RAUM”
H E F T NR. 6 – BA N D 2
E UROPÄISCHE B EOBACHTUNGSSTELLE LEADER
JUNI 2000
Die Autoren dieses Heftes sind Gilda Farrell (stellver tretende Leiterin der Europäischen Beobachtungsstelle
LEADER) und Samuel Thirion (INDE, Portugal), die bei
ihrer Arbeit von Martine François (GRET/Groupe de
Recherche et d’Echanges Technologiques, Frankreich)
unterstützt wurden.
Als Grundlage dienten die Überlegungen der “Arbeits gruppe Innovation” der Europäischen Beobachtungsstelle
LEADER. Dieser Arbeitsgruppe unter der Leitung von
Gilda Farrell gehören Evelyne Durieux (Europäische
Beobachtungsstelle LEADER), Martine François (GRET,
Frankreich), Robert Luckesch (ÖAR, Österreich), Elena
Saraceno (CRES, Italien), Paul Soto (Iniciativas Econó micas, Spanien) und Samuel Thirion (INDE, Portugal) an.
An der Fertigstellung des Dokuments waren außerdem
Yves Champetier und Jean-Luc Janot (Europäische
Beobachtungsstelle LEADER) beteiligt. Produktions leitung: Christine Charlier (Europäische Beobachtungs stelle LEADER).
2
Inhalt
Der territoriale, gebietsbezogene Ansatz in der ländlichen Entwicklung
5
Teil 1
7
Soziale Wettbewerbsfähigkeit als Bestandteil des gebietsbezogenen Entwicklungsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.1 Die soziale Wettbewerbsfähigkeit hat viele Facetten
.........................................................
1.2 Die (Re-)Konstruktion der sozialen Wettbewerbsfähigkeit des ländlichen Raums
1.3 Lehren und Erfahrungen aus LEADER
9
............................
10
........................................................................
12
1.4 Auslotung der Handlungsspielräume zur Förderung der sozialen Wettbewerbsfähigkeit
......................
Teil 2
15
17
Analyse der sozialen Wettbewerbsfähigkeit eines Gebiets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.1 Humanressourcen
...........................................................................................
19
2.2 Kultur und Identität des Gebiets
............................................................................
21
2.3 “Governance” und Institutionen
............................................................................
22
2.4 Implizites/explizites Know-how und Fachkenntnisse
........................................................
Teil 3
27
Stärkung der sozialen Wettbewerbsfähigkeit
...................................................................
3.1 Schaffung einer gemeinschaftlich getragenen Dynamik zur Stärkung der sozialen Wettbewerbsfähigkeit
3.2 Einige methodische Empfehlungen
29
....
29
..........................................................................
30
3.3 Strategien zur Stärkung der sozialen Wettbewerbsfähigkeit – einige Beispiele
Fazit
24
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
39
3
4
Der territoriale, gebietsbezogene
Ansatz in der ländlichen Entwicklung
Die von der Gemeinschaftsinitiative LEADER erprobten
gebietsübergreifender Zusammenarbeit in der Lage ist,
und neu abgesteckten Wege der ländlichen Entwicklung
für alle Maßnahmen eine umweltspezifische, wirtschaft-
haben ohne Frage neue Lösungsansätze für die in vie-
liche, soziale und kulturelle Nachhaltigkeit zu garantie-
len ländlichen Gebieten Europas zu beobachtende Krise
ren. Mit anderen Worten, die territoriale Wettbewerbs-
hervorgebracht. Durch sie wurden erste Antworten auf
fähigkeit kann nur dann erzielt werden, wenn:
die so erforderliche Wiederbelebung und Diversifizie-
> bei den Bemühungen um Kohärenz alle Ressourcen des
rung des ländlichen Raums gefunden.
Gebiets berücksichtigt werden;
Heute stellt sich die Frage, wie die von LEADER vorge-
> die Aktionsträger und Institutionen beteiligt sind;
zeichneten Wege und Ansätze konsolidiert werden kön-
> die verschiedenen Wirtschaftsbereiche in eine Dynamik
nen, um dem ländlichen Raum zu einer wirklichen “territorialen Wettbewerbsfähigkeit”zu verhelfen.
Zum Zeitpunkt des Übergangs von LEADER II zu
LEADER+ ist diese Frage von zentraler Bedeutung, denn
die neue Phase der Gemeinschaftsinitiative LEADER, die
der Innovation eingebunden sind;
> eine Zusammenarbeit mit anderen Gebieten, eine
Verknüpfung mit den regionalen, nationalen und euro päischen Politiken erfolgt und der globale Kontext
berücksichtigt wird.
im Vergleich zum Vorgängerprogramm ein klares “Plus”
Die Erarbeitung eines “gebietsbezogenen Entwick-
erbringen soll, bietet die Chance für den erforderlichen
lungsprogramms” ist somit ein Prozeß, der den lokalen
Sprung zu einer höheren Qualitätsstufe, wobei LEADER
Aktionsträgern und Institutionen die Gelegenheit gibt,
sich von der Rolle des Pioniers zum Impulsgeber wan-
sich vier zentrale Fähigkeiten anzueignen: die Fähig-
deln soll. Zu diesem Zweck werden alle LEADER-Gebiete
keit, ihre Umwelt aufzuwerten, die Fähigkeit, mit ande-
ihr eigenes “gebietsbezogenes Entwicklungsprojekt”
ren Partnern zusammenzuarbeiten, die Fähigkeit, sek-
erarbeiten, dessen Ziel darin besteht, eine “territoriale
torübergreifend zu arbeiten, um vor Ort einen möglichst
Wettbewerbsfähigkeit” zu erlangen.
hohen Mehrwert zu erhalten, und schließlich die Fähig-
Was bedeutet
“territoriale Wettbewerbsfähigkeit”?
einen gegenseitigen Austausch zu treten.
keit, mit anderen Gebieten und der übrigen Welt in
Diese vier Fähigkeiten entsprechen dem, was wir als die
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird mit “Wettbewerbs-
“vier Dimensionen der territorialen Wettbewerbsfähig-
fähigkeit” die Fähigkeit bezeichnet, der “Konkurrenz des
keit” bezeichnen, die sich in jedem Gebiet jeweils zu
Marktes standzuhalten”. Der Ausdruck “territoriale Wett-
einer ganz spezifischen Kombination zusammenfügen:
bewerbsfähigkeit” hat daher zunächst eine rein ökono-
> “soziale Wettbewerbsfähigkeit” – d. h. die Fähig-
mische Bedeutung. Aber kann ein Gebiet, das landwirt-
keit der Aktionsträger, auf der Grundlage eines
schaftliche Grunderzeugnisse zwar sehr günstig, jedoch
gemeinsamen Projektansatzes zusammenzuarbeiten,
auf Kosten der sozialen Umgebung und ohne Beachtung
wobei ihnen eine Abstimmung zwischen den ver-
der Umwelt produziert, im Ernst als wettbewerbsfähig
schiedenen institutionellen Ebenen zugute kommt;
bezeichnet werden? Allein diese Frage zeigt bereits, daß
> “umweltbezogene Wettbewerbsfähigkeit” – d. h.
eine breitere, umfassendere Definition von Wettbe-
die Fähigkeit der Aktionsträger, ihre Umweltressour-
werbsfähigkeit erforderlich ist, die im Begriff der “terri-
cen als Besonderheit ihres Gebiets zur Geltung zu
torialen Wettbewerbsfähigkeit” ihren Niederschlag fin-
bringen und gleichzeitig das natürliche und kulturelle
det: Ein Gebiet ist nur dann wettbewerbsfähig, wenn es
Erbe zu pflegen;
der Konkurrenz der Mitbewerber standhalten kann und
gleichzeitig dank entsprechender Vernetzung und
5
> “wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit” – d. h. die
In jedem Band wird der gewählte Aspekt der “territo-
Fähigkeit der Aktionsträger, vor Ort ein Höchstmaß an
rialen Wettbewerbsfähigkeit” nach folgendem Schema
Wertschöpfung zu erzielen und zu erhalten, indem sie
behandelt:
sektorübergreifende Verbindungen stärken und durch
> Analyse der Rahmenbedingungen;
eine möglichst optimale Verknüpfung ihrer Ressourcen
> die Lehren aus LEADER und die Erfahrungen der loka-
den besonderen Charakter der lokalen Erzeugnisse und
Dienstleistungen zum Tragen bringen;
> Positionierung im globalen Kontext – d. h. die
Fähigkeit der Aktionsträger, im Verhältnis zu anderen
> Erläuterung geeigneter Instrumente und Methoden;
> Darstellung möglicher Strategien.
Die Schwerpunktthemen der einzelnen Bände werden
Gebieten und zur Außenwelt allgemein ihre Position
anhand von zahlreichen Aktionen und Vorhaben erläu-
so zu bestimmen, daß sie die Entfaltung ihres
tert. Eine detailliertere Darstellung der praktischen Bei-
gebietsbezogenen Entwicklungsprogramms verbes-
spiele befindet sich im Merkblatt-Sammelordner “Inno-
sern und dessen Lebensfähigkeit im Kontext der
vative Aktionen der ländlichen Entwicklung”, den die
zunehmenden Globalisierung sichern können.
Europäische Beobachtungsstelle LEADER seit 1997 in
In zahlreichen Gebieten wurden die hier skizzierten Pro-
sieben Sprachen veröffentlicht und der auf der Web-Site
zesse bereits eingeleitet. Jetzt besteht die Herausfor-
“Rural Europe” (http://www.rural-europe.aeidl.be) auf-
derung darin, sie langfristig und dauerhaft in der jewei-
gerufen werden kann. Dort sind vielfältige Informatio-
ligen Entwicklungsstrategie zu verankern.
nen über die der Entwicklung des ländlichen Raums
Mit fünf Bänden zum Thema Wettbewerbsfähigkeit, für
gewidmeten Gemeinschaftsinitiative LEADER sowie die
die die Erfahrungen aus LEADER I (1991-1994) und
meisten Veröffentlichungen der Europäischen Beob-
LEADER II (1994-1999) herangezogen werden, will die
achtungsstelle LEADER zu finden.
Europäische Beobachtungsstelle LEADER die Überlegungen und Bemühungen aller jener Aktionsträger unterstützen, die bei der Suche nach geeigneten Strategien
zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ihrer ländlichen
Gebiete auf Abstimmung und Zusammenarbeit bauen.
In Band 1 steht die Analyse der Ausgangslage als Voraussetzung für die Erarbeitung einer territorialen Entwicklungsstrategie im Mittelpunkt. Band 2 ist der
“sozialen Wettbewerbsfähigkeit” und Band 3 der
“Umwelt als Faktor der Wettbewerbsfähigkeit” gewidmet. Band 4 befaßt sich mit der “wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit” und Band 5 mit Fragen der “Wettbewerbsfähigkeit im globalen Kontext”.
6
len Aktionsgruppen (LAG);
S o z ia l e We t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
Teil 1
Soziale We t t b ewe r b s f ä h i g ke i t
als Bestandteil
des gebietsbezogenen
Entwicklungsansatzes
S o z i a l e We t t b e w e r b s f ä h ig k e i t a l s B e s t a n d t e i l d e s g e b ie t s b e z o ge n e n E n t w ic k l u ng s a ns a t z e s
7
8
S o z ia l e We t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
Soziale We t t b ewe r b s f ä h i g ke i t
als Bestandteil des g e b i e t sbezogenen Entwicklungsansatzes
Die soziale Wettbewerbsfähigkeit oder – um der
heute weitgehend verschwunden. In manchen Fällen
Sprachgebung vieler Autoren zu folgen – das “soziale
blieben sie – wenn auch in veränderter Form – erhal-
Kapital” eines Gebiets ist die Fähigkeit der ver-
ten und prägen weiterhin das lokale Gefüge (z. B. in
schiedenen Aktionsträger und Institutionen, auf der
den industriellen Entwicklungszentren (Clusters) in
Ebene des Gebiets gemeinsam und effektiv zu han-
Nord- und Mittelitalien). In ländlichen Gebieten mit
deln. Sie ist Ausdruck einer Geisteshaltung, einer
starker Abwanderung (besonders der jungen Menschen)
“Kultur”, die sowohl auf gegenseitigem Vertrauen als
sind das soziale Gefüge und die Beziehungen zwischen
auch dem Willen und der Fähigkeit beruht, indivi-
den verschiedenen Generationen, die einst den gesell-
duelle und gemeinsame Interessen zu erkennen, zu
schaftlichen Zusammenhalt sicherten, geschädigt.
formulieren und miteinander in Einklang zu bringen.
Aber der Wandel in der ländlichen Welt hat auch neue
Für den gebietsbezogenen, territorialen Ansatz ist die
Formen des abgestimmten und gemeinsamen Handelns
soziale Wettbewerbsfähigkeit eine wichtige Kompo-
hervorgebracht, die vor allem durch folgende Faktoren
nente, die nicht nur die Organisation der lokalen Akti-
begünstigt wurden:
onsträger, sondern auch die Beziehungen zwischen den
> Angesichts der Veränderungen in der Landwirtschaft
Menschen, zwischen Aktionsträgern und Institutionen
sahen sich die Landwirte veranlaßt, zu kooperieren,
und zwischen den Institutionen umfaßt.
um bestimmte Probleme gemeinsam zu bewältigen
Bezogen auf die soziale Wettbewerbsfähigkeit erweist
(z. B. Vermarktung ihrer Erzeugnisse, Düngemittel-
sich die geographische Nähe der im lokalen Umfeld täti-
beschaffung oder Kredite). In vielen ländlichen
gen Aktionsträger und Institutionen als Vorteil für die
Gebieten ist die Landwirtschaft deshalb stark durch
“kollektive Intelligenz”, die sich um ein gebietsbezo-
die Zusammenarbeit im Rahmen von Gewerkschaften,
genes Entwicklungsprogramm herausbildet. Durch die
Genossenschaften und Vereinen geprägt, in denen
soziale Wettbewerbsfähigkeit wird ein Gebiet im Ver-
gemeinsam gehandelt wird.
hältnis zur Außenwelt wettbewerbsfähiger und gleich-
> Die Stärkung bzw. in manchen Fällen auch die erst vor
zeitig in ihrer internen Solidarität gestärkt.
relativ kurzer Zeit erfolgte Einrichtung von demokra-
Ein Blick auf den Kontext
mähliche Verbreitung von Praktiken der lokalen Kon-
tisch gewählten lokalen Behörden ermöglicht eine allzertierung und dezentralisierten Entscheidungsfindung.
1.1 Die soziale Wettbewerbsfähigkeit
hat viele Facetten
> Die Stärkung bzw. Schaffung neuer Entscheidungsinstanzen, die auf einer Ebene oberhalb des Dorfes oder
der Kommune angesiedelt ist (z. B. die “commun-
Je nach ländlichem Gebiet ist ein abgestimmtes und ef-
autés de communes” in Frankreich, die “comarcas” in
fektives Handeln zwischen den lokalen Aktionsträgern und
Spanien, die “counties” im Vereinigten Königreich),
Institutionen in unterschiedlichem Maße etabliert. Wäh-
aber auch die Zusammenlegung von Kommunen (z. B.
rend in einigen Gebieten diese Fähigkeit in vollem Umfang
in Schweden und Belgien) bilden eine gute Grund-
entwickelt ist, erschweren in anderen Gebieten Konflikte
lage, die für den ländlichen Raum typische “Kirch-
und gegenseitiges Mißtrauen das gemeinsame Handeln.
turmpolitik” schrittweise zu überwinden und diese
Diese Unterschiede sind in erster Linie ein Erbe der Ver-
durch ein breiteres Verständnis bezüglich der Rolle
gangenheit. Die verschiedenen Formen der Zusammen-
der lokalen Behörden im Rahmen der gebietsbezoge-
arbeit, die in traditionellen Gesellschaften für einen
nen Entwicklung zu ersetzen.
gewissen sozialen Zusammenhalt gesorgt haben, sind
S o z i a l e We t t b e w e r b s f ä h ig k e i t a l s B e s t a n d t e i l d e s g e b ie t s b e z o ge n e n E nt w ic k l u ng s a ns a t z e s
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> Der Zuzug neuer Bevölkerungsgruppen bringt im
> Gebiete, in denen aufgrund von historischen Kon-
sozialen und öffentlichen Leben häufig Neuerungen
flikten und noch nicht verheilten moralischen Wun-
mit sich und ist oft Anstoß für eine Diversifizierung
der Produktion und Dienstleistungen.
Dieser knappe Überblick veranschaulicht die Vielzahl der
Faktoren, die die Zusammensetzung des sozialen Gefüges in den ländlichen Regionen Europas bestimmen,
und läßt erkennen, wie spezifische Kombinationen von
den eine tiefe Zerrissenheit herrscht.
> Gebiete, die benachteiligt sind, weil es keine unternehmerische Kultur gibt.
> “Extrovertierte” ländliche Gebiete in Großstadtnähe
ohne eigenes lokales Gesellschaftsleben.
> Andererseits gibt es Gebiete, die neue Formen der
Faktoren zu sehr unterschiedlichen, ja sogar entgegen-
lokalen sozio-institutionellen Konzertierung ent-
gesetzten Resultaten führen können. Sie sind somit die
wickelt haben und sich zunehmend neue Möglichkei-
Quelle einer außerordentlichen Vielfalt.
Welche Gemeinsamkeiten bestehen zum Beispiel zwi-
ten erschließen, eigenständig und nach Maßgabe
ihrer eigenen Interessen zu handeln.
schen den abgelegenen Gebirgsregionen auf der Iberi-
All diese Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, daß die
schen Halbinsel, deren demokratische Erneuerung erst
lokalen Aktionsgruppe von LEADER (LAG) die Situation
vor einer Generation begann und die seit den fünfziger
ihres Gebiets einer sehr genauen Analyse unterziehen,
Jahren durch eine kontinuierliche Landflucht geschwächt
um die jeweiligen Handlungsspielräume zu ermitteln,
sind, den im nördlichen Teil des Pariser Beckens gelege-
die zur (Re-)Konstruktion bzw. Stärkung der sozialen
nen ländlichen Gebieten, die durch intensive Landwirt-
Wettbewerbsfähigkeit genutzt werden können.
schaft mit geringem Arbeitskräftebedarf geprägt sind,
den stadtnahen ländlichen Gebieten, die häufig nur noch
als “Schlafdörfer” ohne eigenes lokales Leben fungieren,
und schließlich den Gebieten, die – wie etwa Nordirland – von wirtschaftlichen und religiösen Konflikten
zerrüttet sind? In all diesen Gebieten muß die Frage der
sozialen Wettbewerbsfähigkeit zwangsläufig auf ganz
spezifische Weise angegangen werden.
Die Situation der mehr oder weniger destrukturierten,
extrovertierten, zerrütteten oder unter einem unzureichenden Vertrauenskapital leidenden ländlichen Gebiete
wäre als solche nicht unbedingt Anlaß zu Besorgnis, wenn
Je weiter die Suche nach dem Erbe der Vergangenheit in
die Marktwirtschaft aus sich heraus in der Lage wäre,
der Zeit zurückgeht, desto mehr Aspekte können für die
durch eine individuelle Integration der Produzenten in
so unterschiedlichen Entwicklungen aufgedeckt werden.
den Markt für die nötige wirtschaftliche Entwicklung zu
So zeigt ein Vergleich der Regionen, die seit Jahrhun-
sorgen. Viele ländliche Gebiete haben auf diese Weise
derten von großem Landbesitz und ländlicher Lohnarbeit
funktioniert, und einige funktionieren auch weiterhin so.
geprägt sind (z. B. im Süden der Iberischen Halbinsel,
in Ostdeutschland oder auch in Schottland) mit Regionen, in denen vorwiegend kleine Familienbetriebe tätig
sind und in denen Alleineigentum vorwiegt, daß sich
gesellschaftliche Verhaltensweisen und gemeinsame
Werte insbesondere im Hinblick auf Eigeninitiative, Risikobereitschaft (unternehmerische Kultur) und das Verhältnis zum Raum grundlegend unterscheiden.
Trotz dieser extremen Vielfalt ist es möglich, die länd-
Doch die Verhältnisse ändern sich.
> Für die Unternehmen wird es im Zuge der Globalisierung und eines sich verschärfenden Wettbewerbs
immer schwieriger, sich einen Zugang zu lukrativen
Märkten zu erschließen. Vor allem in der Landwirtschaft sind die kleineren Erzeuger auf kooperatives
Handeln angewiesen, um Zugang zu geeigneten Märkten (insbesondere für Qualitätsprodukte und regionale Märkte) zu finden und somit die Lebensfähigkeit
lichen Gebiete einigen großen Kategorien zuzuordnen:
ihrer Betriebe zu sichern bzw. wiederzugewinnen.
> Gebiete, die heute an einer gewissen sozialen
> In den meisten Fällen können Standortnachteile, die
“Destrukturierung” leiden: Aufgrund ihrer Randlage
sich im ländlichen Raum aus dünner Besiedlung und
gehen die Entwicklungen der modernen Gesellschaft
räumlich weit gestreuten Dienstleistungen und
an ihnen vorbei, während gleichzeitig ihre traditio-
Unternehmen ergeben, nur durch sektorale oder sek-
nellen Organisationsformen an Bedeutung verlieren.
torübergreifende Zusammenschlüsse (Kooperationen
> Gebiete, in denen es an Vertrauen in die öffentlichen
Institutionen und in die Vereinigungen fehlt.
1 0
1.2 Die (Re-)Konstruktion
der sozialen Wettbewerbsfähigkeit
des ländlichen Raums
S o z ia l e W e t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
zwischen landwirtschaftlichen Erzeugern, ortsansässigen Verarbeitungs- und Handwerksbetrieben,
Hotels, Restaurants, Reiseveranstaltern usw.) ausge-
BEISPIEL
glichen werden. Für die Belebung der Wirtschaft ist
In den Coteaux du Lyonnais (Rhône-Alpes, Frankreich)
die Zusammenarbeit zwischen dem privaten und
betreiben vier Landwirte seit sechzehn Jahren gemein -
öffentlichen Sektor sowie ein abgestimmtes Vorgehen
samen einen Bauernhof samt Landgasthaus. Zusam -
der Verwaltungen (die bislang meist nur für
menarbeit ist für die vier Partner, die sich sehr gut ver -
bestimmte sektorale Politiken waren) unverzichtbar.
stehen, eine Selbstverständlichkeit. Als 1994 rund 95%
Diese Entwicklung zeigt die Grenzen lokaler Entwick-
der Obsternte durch Hagelschlag schwer beschädigt und
lungsansätze auf und verdeutlicht, wie wichtig es heute
unverkäuflich wird, muß gehandelt werden. Einer der vier
ist, daß ländliche Gebiete zusammenarbeiten. So erfol-
Partner besitzt eine Obstverarbeitungsanlage, die jährlich
gen beispielsweise Werbung und Vermarktung des länd-
mehrere Monate lang nicht genutzt wird. Er schlägt ein
lichen Tourismus oft über die Entwicklung von Produkten,
Informations- und Fortbildungsprogramm vor, in dem
an denen mehrere Gebiete mitwirken. Dem Netzwerk
Stadtbewohner lernen können, wie sie aus beschädigten
“Turismo de Aldeia” (dörflicher Tourismus) gehören z.B.
Äpfeln Apfeltorten herstellen können. Neben der Verar -
vier portugiesische Gebiete an, und das Netzwerk “Para-
beitung des Obstes besteht eines der Hauptziele darin,
lelo 40” (40. Breitengrad) zählt mittlerweile zwanzig
wieder Kontakt zu Stadtbewohnern zu knüpfen und alte
spanische und portugiesische Gebiete und wirbt im Inter-
Traditionen neu zu beleben. Zu diesem Zweck gründen 19
net für 800 in diesen Gebieten ansässige Unternehmen.
Landwirte eine wirtschaftliche Interessengemeinschaft1,
aus der das Projekt “Ein Sonntag auf dem Land” her -
1.2.1 Die (Re-)Konstruktion der sozialen
Wettbewerbsfähigkeit: Was ist zu tun?
Aufeinander abgestimmtes, konzertiertes Handeln ist
vorgeht. Das Projekt stellt eine neue Einnahmequelle mit
hoher Wertschöpfung dar und stärkt die Wettbewerbs fähigkeit der beteiligten Landwirte.
nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich:
> Soziale Wettbewerbsfähigkeit als wichtige Voraus-
Die Akteure müssen davon überzeugt sein, daß es auf
setzung für die Erarbeitung eines gebietsbezoge-
lange Sicht im Interesse aller Beteiligten ist, gemein-
nen Entwicklungsprogramms:
sam statt im Alleingang zu handeln. Das Gebiet muß in
Dies erfordert eine breite Abstimmung zwischen Akti-
ihrer Lebensplanung einen zentralen Platz einnehmen,
onsträgern und Institutionen. Wenn gebietsbezogene
sie sollten sich als fester Bestandteil des Gebiets fühlen
Entwicklungspläne unter Ausschluß wichtiger Kategorien
und ihre Zukunft dort planen. Die mit der Entwicklung
von Aktionsträgern (z. B. junge Menschen, Frauen,
des Gebiets befaßten Institutionen und insbesondere
Arbeitslose, benachteiligte Gruppen oder bestimmte eth-
die zuständigen Verwaltungen müssen den konzertier-
nische Minderheiten) zustande kommen, gefährden sie
ten Ansatz unterstützen und mittragen.
langfristig ihre Legitimität und Lebensfähigkeit. Ein
Soziale Wettbewerbsfähigkeit wird somit durch die
gebietsbezogenes Entwicklungsprogramm, das eine
Kombination einer Vielzahl unterschiedlicher Strategien
staatliche Einrichtung ausschließt, die für die Entwick-
erreicht: Beteiligung, Zusammenarbeit, Abstimmung,
lung des ländlichen Raums (in bezug auf Raumordnung,
Konfliktmanagement sowie institutionelle und soziale
Infrastrukturen, Bildungseinrichtungen usw.) eine wich-
Anpassung an die sich verändernden Bedingungen.
tige Rolle einnimmt, wäre nur teilweise integriert und
Der zusätzliche Nutzen, der durch eine gesteigerte
soziale Wettbewerbsfähigkeit erzielt werden kann, ist
müßte dies mit Einbußen im Hinblick auf Wirkungskraft
und konkrete Resultate bezahlen.
nur schwer zu messen. Die positiven Wirkungen auf die
An der Konzertierung müssen jedoch nicht von Anfang
Entwicklung des Gebiets stehen jedoch außer Zweifel.
an alle potentiell Betroffenen beteiligt sein. In den
meisten Fällen wird ein gebietsbezogenes Entwick-
1.2.2 Soziale Wettbewerbsfähigkeit
schafft Wertzuwachs
> Soziale Wettbewerbsfähigkeit als wesentlicher
lungsprojekt zunächst in kleinerem Kreis aufgebaut und
dann schrittweise auf andere Aktionsträger und Institutionen ausgeweitet.
Bestandteil der wirtschaftlichen Wettbewerbs-
Im Rahmen von LEADER gibt es zahlreiche Beispiele für
fähigkeit: Die Fähigkeit, gemeinsam auf effiziente
einen derartigen Prozeß der schrittweisen Annäherung.
Weise zu handeln, trägt maßgeblich zur Entwicklung
Im Zuge der Konzertierung zwischen Mitgliedern loka-
rentabler Wirtschaftsaktivitäten bei.
ler Aktionsgruppen, die sich zunächst auf die Durch-
S o z i a l e W e t t b e w e r b s f ä h ig k e i t a l s B e s t a n d t e i l d e s g e b ie t s b e z o ge n e n E nt w ic k l u ng s a ns a t z e s
1 1
führung bestimmter sektoraler Projekte (Tourismus,
In den klassischen Ansätzen werden niedrige Bevölke-
Handwerk, lokale Erzeugnisse usw.) beschränkt hat, ist
rungsdichte, große Entfernungen zu den Städten und
zunehmend deutlich geworden, daß diese Form der
die Anfälligkeit des sozialen Gefüges – Faktoren, die für
Zusammenarbeit auch auf andere Sektoren, Gruppen
viele ländliche Gebiete typisch sind – als unüberwind-
und Politikbereiche ausgeweitet werden muß.
liche Hindernisse für den Erhalt wirtschaftlicher Akti-
> Soziale Wettbewerbsfähigkeit als wichtiger Legi-
vitäten im ländlichen Raum betrachtet. Angesichts die-
timationsfaktor für das Gebiet, seine Aktionsträ-
ser Probleme empfehlen sie die Schließung von
ger und seine Vertreter gegenüber übergeordneten
dispersen Dienstleistungseinrichtungen oder die Zusam-
Entscheidungsinstanzen. Die soziale Wettbewerbs-
menlegung zu größeren Dienstleistungseinrichtungen
fähigkeit hilft nicht nur, die erforderlichen Finanz-
in dichter besiedelten Zentren, was allerdings zu einer
mittel und Beihilfen zu erschließen, sondern sie ver-
weiteren Schwächung des ländlichen Raums führt.
leiht den lokalen Aktionsträgern und Institutionen
Dieses Phänomen wirft eine Reihe von Fragen auf:
die nötige Stärke, die Autonomie auszuhandeln und
> Ist die geringe Bevölkerungsdichte wirklich ein Hin-
zu nutzen, die sie für die Verwirklichung eines auf die
dernis für die Entwicklung eines ländlichen Gebiets?
lokalen Bedingungen zugeschnittenen Entwicklungs-
> Ermöglicht der Einsatz der fortgeschrittenen Kom-
plans benötigen (Stichwort “empowerment”).
munikationstechnologien, die dem Begriff der “Nähe”
insofern einen neuen Inhalt geben, als die geogra-
BEISPIEL
phische Nähe durch die virtuelle Nähe der Netzwerke
Die industriellen Entwicklungszentren (Cluster) in Italien
ersetzt wird, eine Überwindung der Schwierigkeiten,
sind ein gutes Beispiel für soziale Wettbewerbsfähigkeit.
die sich aus der Dispersion der Bevölkerung ergeben?
In der Region Cadore (Venetien) sind die sozialen Bezie -
Wenn ja, unter welchen Bedingungen?
hungen zwischen lokalen Aktionsträgern, Unternehmen
> Eröffnet die gesellschaftliche Nachfrage nach dünn
und Institutionen seit mehr als hundert Jahren durch die
besiedelten Gebieten neue Entwicklungsperspektiven
Brillenfabrikation geprägt. Mittlerweile gibt es in dieser
für diese Regionen?
kleinen Gebirgsregion über 600 lokale Unternehmen, die
Mit Hilfe des LEADER-Ansatzes konnten bereits erste
eng miteinander zusammenarbeiten, sich jeweils auf ver -
Antworten auf diese Fragen gefunden werden, die mit-
schiedene Stufen des Produktionsprozesses spezialisiert
tel- und langfristig auch für die neuen Politiken der
haben und insgesamt 60% des Weltmarkts kontrollieren.
ländlichen Entwicklung von Interesse sein könnten.
Die soziale Wettbewerbsfähigkeit beinhaltet somit ein
komplexes Geflecht von Beziehungen zwischen Perso-
BEISPIEL
nen und Institutionen, das auf individuellen und
Die LEADER-Gruppe Maestrazgo (Aragonien, Spanien), in
gemeinsamen Interessen beruht und für die Entwick-
deren Einzugsbereich nur 5,17 Einw./km_ leben und des -
lung eines Gebiets eine entscheidende Rolle spielt.
sen größte Gemeinde gerade einmal 3.000 Einwohner
zählt, versucht mit aller Kraft, neue Dienstleistungen und
1.3 Lehren und Erfahrungen
aus LEADER
Aktivitäten, die dank der modernen Informationstech nologien möglich werden, für ihr Gebiet zu nutzen. So
informiert das elektronische Informationsblatt “Buenos
Ein abgestimmtes Vorgehen und ein schrittweiser Auf-
dias Maestrazgo”, das fünfmal pro Woche erscheint und
bau der sozialen Wettbewerbsfähigkeit der ländlichen
über das Internet bezogen werden kann, die lokalen Akti -
Gebiete gehören zu den tragenden Elementen der
onsträger und externen Partner über Aktivitäten, die in
Gemeinschaftsinitiative LEADER. Diesbezüglich konnten
ihrem Gebiet durchgeführt werden. Das Intranet, das die
im Laufe der Durchführung der Initiative bereits meh-
Dorfschulen miteinander verbindet, und ein Telearbeits -
rere Lehren gezogen werden.
zentrum sind weitere Beispiele für eine Strategie, die
Erste Lehre: Die Erarbeitung eines gebietsbezogenen
darauf abzielt, die demographische und geographische
Entwicklungsprogramms bietet die Chance, Lösungen
Benachteiligung des Gebiets zu überwinden.
zu finden, mit denen die Nachteile einer dünnen
Besiedlung im ländlichen Raum aufgewogen werden
können.
1 2
S o z ia l e We t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
Zweite Lehre: Durch gezielte Bemühungen um einen
> Stärkere Einbindung der Aktionsträger in ihr
engeren Kontakt mit den Bürgern und eine stärkere Ein-
Gebiet, insbesondere im Hinblick auf all das, was die
bindung der Basis in die Entscheidungen hat LEADER
Menschen an ihr direktes Umfeld bindet: z. B. Land-
die soziale und wirtschaftliche Eingliederung im
schaft, kulturelles und architektonisches Erbe und
ländlichen Raum sowie die Aufnahme neuer Bevölkerungsgruppen gefördert.
gemeinsame Werte.
> Engere Verbindungen zwischen den verschiedenen
Teams von Regionalentwicklern, die vor Ort tätig sind,
Gruppen von Aktionsträgern, insbesondere:
können direkt Kontakt mit der lokalen Bevölkerung auf-
- zwischen öffentlichen und privaten Aktionsträ-
nehmen und die Informationen und Unterstützung, die
gern, die sich um Aktionen bemühen, deren Erfolg
sie für die Entwicklung ihrer Aktivitäten braucht, bereit-
vom Grad der Konzertierung abhängt;
stellen. Auf diese Weise konnten auch “kleine” Projekt-
- zwischen Aktionsträgern derselben Kategorie
träger begleitet werden, die unter anderen Umständen
(Landwirte, Hotelbesitzer, Gastwirte, Frauen, junge
eventuell nie die erforderliche Hilfe gefunden hätten.
Menschen usw.), die gemeinsame Aktionen durchführen wollen;
- zwischen unterschiedlichen Gruppen von Akti-
BEISPIEL
Zahlreiche LEADER-Gruppen wie z. B. die von Santa Maria
onsträgern (Landwirte und Gastwirte, Handwerker
de Leuca (Kalabrien, Italien) haben sich über ein profes -
und Künstler), die die Entstehung neuer gruppen-
sionelles LEADER-Team gezielt um ein aktives Verhältnis zu
übergreifender Interessen fördern, Kenntnisse auf-
kleinen Projektträgern bemüht. So helfen sie ihnen bei der
frischen, neue Produkte und Dienstleistungen ent-
Erarbeitung ihrer Zuschußanträge, anstatt sich bloß auf
wickeln oder andere kooperativ handelnde
die Auswahl der eingereichten Anträge zu beschränken. In
Santa Maria de Leuca haben sich auf diese Weise vertrau -
Aktionsträger aktivieren wollen;
- zwischen den Generationen (Weitergabe von Res-
ensvolle Beziehungen entwickelt, obwohl das Umfeld eher
sourcen und Know-how), um die jungen Menschen
durch ein gewisses Mißtrauen gegenüber öffentlichen Ein -
zum Verbleib in ihrer Heimat zu bewegen,
richtungen und Vereinen gekennzeichnet ist.
Betriebsnachfolgeprobleme zu vermeiden, und zu
verhindern, daß die für das Gebiet typischen, an
Personen gebundenen Kenntnisse verloren gehen;
BEISPIEL
In Pinhal Maior (zentrales Portugal) hat die LEADERGruppe auch lese- und schreibunkundige Projektträger
- Verbindungen, die solidarisches Handeln und
gegenseitige Hilfe gewährleisten.
finanziell unterstützen können, indem sie in verschiedenen
Dörfern fachkundige Gruppen einsetzte, die diesen Pro -
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jektträgern bei der Erstellung ihrer Zuschußanträge halfen.
In Branda de Aveleira (Portugal) haben die LEADER-Gruppe
Die lokale Präsenz eines fachkundigen Teams ermöglicht
darüber hinaus eine organisierte Ansprache und Ansiedlung neuer Bevölkerungsgruppen oder Unternehmen:
und die Gemeindeverwaltung den in den Bergen tätigen
Schäfern vorgeschlagen, gemeinsam ein Projekt zur Wie derherstellung ihrer Wirtschaftsgebäude und zur Wiederbe lebung der mit der Schäferei verbundenen Traditionen
durchzuführen. Aus diesem Vorhaben sind neue touristische
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Im Rahmen des Projekts “Relance”, das von der LEADERGruppe Espace Cévennes (Languedoc-Roussillon, Frank reich) entwickelt wurde, werden Unternehmen und land wirtschaftliche Betriebe ermittelt, deren Stillegung
Aktivitäten hervorgegangen. Darüber hinaus hat die lokale
Bevölkerung den alten Brauch wieder aufgenommen, einen
Teil des Sommers in diesen “Brandas” zu verbringen, und
hat dadurch auch die traditionellen Feste neu entdeckt.
bevorsteht, um ihre Inhaber für eine Übergabe ihres
Vierte Lehre: LEADER hat gezeigt, daß viele grundle-
Betriebs an Städter zu gewinnen, die sich auf dem Land
gende Veränderungen auf lokaler Ebene der
niederlassen möchten.
visionären Kraft einzelner Personen zu verdanken
Dritte Lehre: LEADER hat das Zugehörigkeitsgefühl zu
einer bestimmten Region gestärkt.
In diesem Sinne ist in folgenden Bereichen eine gewisse
sind. Traditionsbewußte und zugleich zukunftsorientierte Bewohner übernehmen im Prozeß der lokalen
Entwicklung eine zentrale Rolle. Sie sind Katalysator
und Inspirationsquelle zugleich.
Konsolidierung erzielt worden:
S o z i a l e We t t b e w e r b s f ä h ig k e i t a l s B e s t a n d t e i l d e s g e b ie t s b e z o ge n e n E n t w ic k l u ng s a ns a t z e s
1 3
Indem LEADER den direkten Kontakt zu den Bürgern
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gesucht hat, war die Initiative in der Lage, den Kreis der
Die LEADER-Gruppe LEADER Offaly (Irland) hat in Zusam -
Menschen und kooperativ handelnden Akteure, die neue
menarbeit mit der Universität Galway (UGC) die Verant -
Chancen sehen und ergreifen können, erheblich zu erwei-
wortlichen der lokalen Gemeinschaften ersucht, eine Aus -
tern. Da die Initiative “ihre Netze weit auswirft”, hat sie
bildung für Gemeinwesenentwicklung (“community
neuen Persönlichkeiten zum Durchbruch verholfen, die
development”) anzubieten. Diese Ausbildung, die im ersten
neue Wege gehen und sich nicht von der Routine der
Jahr 25 und 1999 insgesamt 16 Teilnehmer zählte, hat sich
Institutionen oder sozialen Gruppen, die bereits am Ent-
sehr positiv auf die Mobilisierung und soziale Wettbewerbs -
wicklungsprozeß beteiligt sind, einengen lassen wollen.
fähigkeit der Gemeinden in der Grafschaft Offaly ausgewirkt.
Die Einwohner haben sich aktiv an der Ausarbeitung der Pro -
BEISPIEL
jekte beteiligt, die die Kursteilnehmer im Rahmen ihrer Aus -
Im LEADER-Gebiet Zeulenroda (Thüringen, Deutschland)
bildung entwickeln mußten. Um den Erfahrungsaustausch
hat ein junger Tischler ein altes Gebäude renoviert und
weiter fortsetzen zu können, haben sich Kursteilnehmer und
in ihm eine Kunstgalerie und ein Kulturzentrum einge -
Einwohner zu Netzwerken zusammengeschlossen.
richtet, die sich sehr schnell zu einem Treffpunkt für Stu -
Sechste Lehre: LEADER hat gezeigt, wie wichtig es ist,
denten, Künstler und Handwerker entwickelten. Diese
breite lokale Partnerschaften zu gründen und Verbin-
gründeten dann den Verein “ARTigiani”, dem es zu ver -
dungen zwischen der lokalen Aktionsgruppe und anderen
danken ist, daß das kleine Zickra mit seinen 120 Ein -
lokalen Einrichtungen und Aktionsträgern zu schaffen.
wohnern heute ein Schauplatz kultureller Aktivitäten ist
und eine Fortbildungseinrichtung beherbergt, wo sich
Interessierte mit dem Einsatz traditioneller Materialien
im Baugewerbe vertraut machen können.
Fünfte Lehre: LEADER hat demonstriert, daß aktive
hat, bestand darin, die kollektiven und individuellen
Aktionsträger über den Inhalt der Gemeinschaftsinitiative zu informieren, um ihnen auf diese Weise die
Aneignung des gebietsbezogenen Ansatzes zu erleich-
Betreuungsarbeit (“Animation”im Sinne von Infor-
tern. Der erste Beitrag von LEADER zur Stärkung der
mation und Koordination zur Mobilisierung für den
sozialen Wettbewerbsfähigkeit bestand somit in der Bil-
Entwicklungsprozeß) erforderlich ist, um Menschen,
dung lokaler Partnerschaften.
Institutionen und Ideen einander näherzubringen.
In einigen Fällen spiegeln sich in der Zusammensetzung
Alle bisher angeführten Resultate der Leader-Initiative
der lokalen Partnerschaft die ohnehin bereits organi-
wären ohne eine angemessene Regionalentwicklungs-
sierten Interessen wider. Die weniger organisierten Grup-
arbeit in diesem Sinne nicht möglich gewesen. Sie hat
pen oder sozialen Aktionsträger wurden nicht berück-
in dünnbesiedelten Gebieten nicht nur die Begegnung
sichtigt. In anderen Fällen jedoch zielt die durch die LAG
von Menschen und Organisationen ermöglicht, sondern
geleistete Animationsarbeit (Information, Koordination
auch den Anstoß zur Bildung neuer Zusammenschlüsse
und Mobilisierung) klar darauf ab, weitere soziale Grup-
von Aktionsträgern gegeben.
pen anzusprechen, von denen angenommen wird, daß sie
In manchen Fällen wurde die Informations- und Koor-
sich später der Partnerschaft anschließen können.
dinationsarbeit durch die Gründung bzw. Wiederbele-
Oft haben die von LEADER gegründeten Partnerschaften
bung von Einrichtungen ergänzt, die sich besonders für
zum Zwecke einer besseren Konzertierung Beziehungen
die Zusammenführung unterschiedlicher sozialer Grup-
mit bestimmten lokalen Einrichtungen oder Akti-
pen eigneten. In Gebieten, wo es gemeinsam nutzbare
onsträgern aufgenommen, ohne daß diese unbedingt
Mehrzweckgebäude gab, haben diese in vielen Fällen
die Form einer offiziellen Partnerschaft angenommen
eine wichtige Rolle für den Austausch gespielt.
hätten. Auf diese Weise wurden Diskussionsräume
In anderen Fällen war die Fortbildung das wichtigste
geschaffen, die in Form von Beratungsgremien, Strate-
Instrument der Animationsarbeit, indem sie den länd-
giekommissionen oder Diskussionsforen den Erwerb
lichen Gemeinden und ihren Verantwortlichen den
einer sozialen Wettbewerbsfähigkeit entscheidend vor-
Zugang zu neuen Fachkenntnissen und zu Foren des
anbringen.
Meinungs- und Gedankenaustausches erschloß.
1 4
Eine der ersten Aufgaben, denen sich LEADER gewidmet
S o z ia l e We t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
Die LEADER-Gruppe Cavan-Monaghan (Irland) und
a) Der Erwerb sozialer Wettbewerbsfähigkeit
braucht Zeit...
BEISPIEL
andere irische LAG haben die soziale Struktur des Gebie -
In Gebieten, die z. B. durch einen schwachen sozialen
tes und die Integration neuer Gruppen in die LEADER-
Organisationsgrad (wenig Vereine, wenig Zusammen-
Partnerschaft in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen
schlüsse etc.) oder durch mangelndes Vertrauen
gestellt. Es wurde ein Strategieausschuß gegründet, dem
gekennzeichnet sind, bestehen nur geringe Handlungs-
die verschiedenen mit der Entwicklung des Gebiets befaß -
spielräume. Die LEADER-Gruppen sehen sich hier
ten Organisationen angehören und der es ermöglichte,
gezwungen, ihre Strategien entsprechend zu begrenzen,
ein integriertes gebietsbezogenes Entwicklungsprojekt/-
und müssen vor allem auch auf Zeit spielen.
programm zu erarbeiten.
So können kurzfristige Aktionen eingeleitet werden,
Siebente Lehre: LEADER hat bewiesen, daß die Kon-
von denen eine Hebelwirkung zu erwarten ist (Unter-
zertierung auf allen Ebenen die Antriebskraft für
stützung individueller Projektträger, Modellprojekte
den Erwerb der sozialen Wettbewerbsfähigkeit dar-
usw.) Solche Aktionen ermöglichen es, später ehrgeizi-
stellt.
gere Projekte zu starten, die sich dann auf eine
LEADER hat die gebietsbezogene Entwicklung in den
gestärkte lokale Organisation stützen können.
demokratischen Konzertierungsprozessen verankert.
Bei der Organisation der verschiedenen Aktionen ist
BEISPIEL
neues Know-how entstanden.
In Las Palmas (Kanarische Inseln, Spanien) beruhte die
Strategie der lokalen Aktionsgruppe im Rahmen von
BEISPIEL
LEADER I auf der Unterstützung von individuellen Pro -
Die LAG Margem Esquerda Do Guadiana (Alentejo, Por -
jektträgern (insbesondere für die Instandsetzung von leer -
tugal) ist ein eingetragener Verein für lokale Entwick -
stehenden Häusern für den ländlichen Tourismus sowie für
lung, dem mehr als hundert Bewohner des Gebiets
bestimmte Handwerker), um zunächst einmal neues Ver -
angehören. Langfristig sieht die LAG ihre Rolle als “per -
trauen in die Entwicklungsfähigkeit des durch Landflucht
manentes Forum der lokalen Entwicklung”. Neben der
gezeichneten Hinterlands der Insel zu schaffen. Im Rah -
lokalen Bevölkerung gehören dem Verein Vertreter der
men von LEADER II hat die LAG dann Organisationen
Stadt- und Gemeindeverwaltungen und der wichtigsten
unterstützt, die aus diesen individuellen Projekten her -
öffentlichen und privaten Einrichtungen des Gebiets an.
vorgegangen sind (z. B. den Verein der Touristikunterneh -
Diese neue und für die Region sehr innovative Praxis der
mer und gemeinsame Verkaufsstände von Handwerkern),
Konzertierung wurde mittlerweile auch von den Kommu -
die eine Verankerung in zukunftsträchtigen Märkten
nen übernommen. Sie haben “lokale Aktionsschwer -
ermöglichten (Werbung, Reservierungszentrale usw.).
punkte” gebildet, die auf kleinsträumlicher Ebene als
Konzertierungsinstanzen fungieren.
1.4 Auslotung der Handlungsspielräume zur Förderung
der sozialen Wettbewerbsfähigkeit
In bezug auf die Schaffung oder Stärkung der sozialen
Wettbewerbsfähigkeit sind die Handlungsspielräume je
nach Gebiet sehr unterschiedlich. In Gebieten, in denen
es einen gewissen sozialen Zusammenhalt und bereits
eingespielte Verfahren der Abstimmung im Rahmen der
b) … darf aber nicht auf die lange Bank
geschoben werden
In welchem Maße läßt sich die für den Aufbau einer
sozialen Wettbewerbsfähigkeit erforderliche Zeit mit der
Dringlichkeit vereinbaren, diese möglichst schnell zu
erzielen? In der Tat gibt es Fälle, in denen das Fehlen
einer sozialen Wettbewerbsfähigkeit ein maßgebliches
Hindernis für alle wirtschaftlichen Entwicklungsprozesse darstellt und somit zu einem dringenden entwicklungspolitischen Anliegen wird.
Verwaltung gibt, ist es für die LEADER-Gruppen im all-
Dies gilt besonders für Gebiete, die durch schwerwie-
gemeinen leichter, aktiv zu werden.
gende Konflikte gekennzeichnet sind. Die Handlungsspielräume sind sehr eng, die Risiken sehr hoch. Deshalb müssen die kurz- und mittelfristigen Ziele zu
Beginn relativ niedrig ansetzen und die Strategie sehr
vorsichtig formuliert sein.
S o z i a l e We t t b e w e r b s f ä h ig k e i t a l s B e s t a n d t e i l d e s g e b ie t s b e z o ge n e n E n t w ic k l u ng s a ns a t z e s
1 5
BEISPIEL
In Gebieten schließlich, die durch eine hohe Macht-
So bestand in Fermanagh (Nordirland, Vereinigtes Köni -
konzentration gekennzeichnet sind, hängen die für
greich) die Aufgabe der LEADER-Gruppe zunächst darin, Ver -
LEADER nutzbaren Handlungsspielräume von den Grup-
söhnungsarbeit zu leisten, die zum großen Teil über den
pen ab, die diese Macht ausüben. Dies gilt häufig für
Aufbau der lokalen Partnerschaft erfolgte. Diese Arbeit
LEADER-Gruppen, in denen die lokalen Behörden
stellte den End- und Höhepunkt eines Verhandlungspro -
und/oder die öffentlichen Verwaltungen überrepräsen-
zesses dar, bei dem es darum ging, sicherzustellen, daß in
tiert und die Bürger und ihre Vereinigungen nur
der Partnerschaft alle gesellschaftlichen, wirtschaftlichen
schwach vertreten sind. Diese Gruppen konzentrieren
und politischen Kräfte nach einem von allen akzeptierten
sich zumeist auf die Konsolidierung der wirtschaftlichen
Schlüssel vertreten waren. Diese Phase war eine Grundvor -
Entwicklung, ohne die Spielregeln in bezug auf die Mit-
aussetzung dafür, daß später einige von allen getragene
wirkung ändern zu wollen. In diesen Fällen wird LEADER
Entwicklungsmaßnahmen ins Auge gefaßt werden konnten.
allzu häufig nur als zusätzliche Finanzquelle betrachtet.
Gleiches gilt für einige schwach entwickelte ländliche
Die Entwicklung sozialer Wettbewerbsfähigkeit hat kei-
Gebiete, in denen es keine kooperativen Zusammen-
nen hohen Stellenwert, da sie zumindest kurzfristig
schlüsse gibt. Hier ist die Schaffung von Kooperationen
nicht erforderlich ist. Im Interesse einer langfristigen
(Vereine, Genossenschaften etc.) von vorrangiger
wirtschaftlichen Entwicklung darf sie jedoch nicht ver-
Bedeutung. Wenn auf Strategien zurückgegriffen wird,
nachlässigt werden.
die wirtschaftliche Entwicklung und Einführung koope-
Die Dichotomie zwischen erforderlicher Zeit und Dring-
rativen Handelns miteinander verbinden, kann dies rela-
lichkeit des Aufbaus sozialer Wettbewerbsfähigkeit
tiv kurzfristig erreicht werden.
bestimmt somit maßgeblich die bestehenden Handlungsspielräume und möglichen Strategien.
BEISPIEL
In der Region Serranía de Ronda (Andalusien, Spanien) hat
c) Fazit: Handlungsspielräume und Strategien
die LAG ihre Strategie für LEADER I teilweise auf die Schaf -
Die Handlungsspielräume haben einen erheblichen Ein-
fung gemeinschaftlicher Organisationsformen ausgerichtet.
fluß darauf, welche Strategien überhaupt eingesetzt wer-
Sie gründete einen Verein, dem rund einhundert Personen
den können. Um diese Spielräume realistisch erfassen zu
beitraten. Danach wurden sektorale Gruppen (Landwirt -
können, ist eine eingehende Kenntnis des jeweiligen
schaft, Handwerk, Handel usw.) gebildet, aus denen spä -
Gebiets erforderlich. Wir wollen deshalb versuchen zu
ter berufsständische Vereine wurden, die im Vorstand des
ermitteln, welche Elemente des gebietseigenen Kapitals
erstgenannten Vereins vertreten sind. Indem die LAG die
berücksichtigt werden müssen, bevor Strategien festge-
Beteiligung an diesem kollektiven Vorgehen als Kriterium
legt werden können, mit denen eine soziale Wettbe-
für die Projektauswahl festlegte, konnte sie die wirtschaft -
werbsfähigkeit des ländlichen Raums erzielt werden kann.
liche Entwicklung mit dem kurzfristigen Aufbau der uner läßlichen sozialen Wettbewerbsfähigkeit verbinden.
Dort, wo die soziale Wettbewerbsfähigkeit bereits ein
gewisses Niveau erreicht hat, stellt sie kurzfristig kein
Problem dar, so daß LEADER dort vor allem ihre dauerhafte Konsolidierung fördern kann. Dies gilt insbesondere für die meisten ländlichen Gebiete, in denen Erzeugergemeinschaften oder Bürgervereinigungen existieren,
die im Rahmen von LEADER in Kontakt gebracht werden
können, um deren Wahrnehmung des Gebiets zu vertiefen. In manchen Fällen führt dies zu einer zweite Phase
der LEADER-Förderung. Nachdem zum Beispiel in der Ser ranía de Ronda die Erzeugergemeinschaften konsolidiert
waren, regte die LEADER-Gruppe die Gründung von Verei nigungen der “zweiten Generation”, d. h. von Zusam menschlüssen, Vereinen und Genossenschaften usw. an.
1 6
S o z i a l e W e t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
Teil 2
A n a l yse der sozialen
We t t b ewe r b s f ä h i g ke i t
e i n e s Gebiets
A n a l y s e d e r s o z ia l e n We t t b e w e r b s f ä h ig k e i t e i n e s G e b ie t s
1 7
1 8
S o z ia l e We t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
A n a l yse der sozialen We t tb ewe r b s f ä h i g keit eines Gebiets
Um die soziale Wettbewerbsfähigkeit eines Gebiets
2.1
Humanressourcen
analysieren zu können, müssen vier der acht Komponenten des “gebietseigenen Kapitals”, die in Band 1
Die statistische Analyse ist ein hilfreiches Instrument,
(“Territoriale Wettbewerbsfähigkeit”) dargestellt wor-
um einen ersten “Situationsbericht” zu erstellen, der
den sind, ganz besonders berücksichtigt werden.
über die Zusammensetzung der Bevölkerung, ihre räum-
Hierbei handelt es sich um folgende Aspekte:
> Humanressourcen: Unter diesen Begriff fallen
liche Verteilung in dem jeweiligen Gebiet und die jüngsten Entwicklungstrends informiert.
sowohl Einzelpersonen als auch gemeinschaftlich
Dieser Situationsbericht könnte durch eine Studie zu den
(kollektiv) handelnde Einrichtungen und ihre Bezie-
Sozialbeziehungen ergänzt werden, die z. B. die koope-
hungen sowie Projektträger.
rativen Organisationsformen auflistet (Vereine, Genos-
> Kultur und Identität des Gebiets: Insbesondere die
senschaften, Lobbygruppen usw.) und die Beziehungen
Verbindungen, die sich aus der Tatsache ergeben, daß
zwischen den sozialen Gruppen und diesen Organisatio-
die Aktionsträger eines Gebiets bestimmte Werte teilen.
nen analysiert. Für viele ländliche Gebiete ist es zudem
> “Governance”[1]: Insbesondere interessenbezogene
aufschlußreich zu untersuchen, wie die Beziehungen
Beziehungen, Sympathie und Feindseligkeit, Struk-
zwischen den Generationen gestaltet sind (z. B. Moda-
turen der Machtausübung, Spannungen und Konflikte
litäten und/oder Schwierigkeiten bei der Betriebsüber-
zwischen Aktionsträgern und die Fähigkeit zu Zusam-
gabe oder der Weitergabe von Wissen und Know-how).
menarbeit und konzertiertem Handeln sowohl zwi-
Über diese unverzichtbare Bestandsaufnahme hinaus
schen öffentlichen und privaten Aktionsträgern als
haben sich die LEADER-Gruppen bemüht, im Rahmen
auch zwischen öffentlichen Institutionen.
ihrer zahlreichen Sitzungen, Informationsveranstaltun-
> Implizites/explizites Know-how und Fachkennt-
gen und Bedarfsanalysen die Schlüsselakteure ihres
nisse: Dies betrifft die gewonnenen Kenntnisse im
Gebiets ausfindig zu machen, und zu diesem Zweck in
Bereich des sozialen und demokratischen Managements,
einigen Fällen sogar spezielle systematische Arbeiten
aber auch die Fähigkeit, diese produktiv zu nutzen
durchgeführt. Die Erfahrungen von LEADER bestätigen,
und in diesen Bereichen neue Kenntnisse zu erwerben.
daß die Dynamik eines Vereins, einer kommunalen
Diese vier Komponenten des gebietsbezogenen Kapitals
Dienststelle, eines Projekts oder eines Unternehmens vor
entwickeln sich von Gebiet zu Gebiet unterschiedlich.
allem auf dem Willen und Engagement einiger weniger
Um für jede von ihnen eine “Gewinn- und Verlustrech-
Personen beruht. In der Regel stützen sich die LEADER-
nung”aufstellen zu können, empfiehlt es sich, gemäß
Gruppen dann auf die “Hebelkraft” dieser Akteure.
der in Band 1 vorgeschlagenen Methode ihre Entwicklung über die Zeit zu berücksichtigen.
Der vorliegende Band enthält Vorschläge zur Analyse
der gegenwärtigen Situation und wichtige Anhaltspunkte, wie die verschiedenen Aspekte und Ergebnisse
der Analyse zueinander in Beziehung gestellt, die verschiedenen Interaktionen untersucht und gegebenenfalls bestimmte Ungleichgewichte herausgestellt werden können.
[1] Das Konzept der “Governance” hat sich im Kontext der
Globalisierung herauskristallisiert. Es bezeichnet alle Formen des
demokratischen Managements, unabhängig davon, auf welcher Ebene
es angesiedelt ist. Angesichts der Schwächung des Staats und der
Dezentralisierung entstehen neue Formen der “Governance”, die die von
den Staaten und den demokratisch gewählten Gebietskörperschaften
geschaffenen Formen der Verwaltung ergänzen. Insbesondere handelt
es sich hierbei um alle Formen der Meinungsäußerung und der
demokratischen Partizipation der Zivilgesellschaft (einschließlich
der Herausbildung neuer kollektiver Aktionsträger).
A n a l y s e d e r s o z ia l e n We t t b e w e r b s f ä h ig k e i t e i n e s G e b ie t s
1 9
BEISPIEL
BEISPIEL
Im Rahmen von LEADER I führte die LAG Tarn des Mon -
Im Gebiet Alto Cavado (nördliches Portugal) wurde eine
tagnes (Midi-Pyrénées, Frankreich) 1994 über einen Zeit -
alte Frau, die lange Zeit am Rande der Gesellschaft gelebt
raum von drei Monaten eine Art “Projektlese” durch.
hatte, am Ende ihres Lebens die treibende Kraft einer
Hierzu organisierte sie systematisch in verschiedenen Tei -
Genossenschaft für die handwerkliche Leinenherstellung.
len ihres Gebiets lokale Informations- und Koordinati -
Sie war die einzige, die noch über das nötige Fachwissen
onsveranstaltungen (Animation der lokalen Entwicklung),
verfügte.
um Ideen und Initiativen lokaler Unternehmer und ande rer potentieller Projektträger in Erfahrung zu bringen.
Die dynamischen oder innovativen Personen sind nicht
unbedingt jene, die sich schon eines besonderen gesellschaftlichen Ansehens erfreuen. Jeder kann Schlüsselakteur werden, wenn sich sein spezielles Know-how
und Wissen oder in einigen Fällen seine Vermittlerqualitäten im Rahmen des Entwicklungsprozesses als wichtige Ressource erweisen.
ERMITTLUNG DER LOKALEN INNOVATIONSTRÄGER
> Potentielle Innovatoren verstehen es, lokale
und globale Sichtweisen sowie
und/oder wirtschaftliche Beziehungen
Geschichtsbewußtsein und Zukunftsvision
(wieder) hergestellt werden müssen und wie
miteinander in Einklang zu bringen.
Menschen, die eine gewisse Zeit in der Stadt
andere Aktionsträger für eine Idee mobilisiert werden können.
gewohnt haben und sich dann entscheiden,
Im Bruche-Tal (Elsaß, Frankreich) haben zwei
wieder auf’s Land zu ziehen, sind häufig besser
Frauen die Buchhandlung “Bouquin, Bouquine”
als die Alteingesessenen in der Lage, den potenti-
eröffnet und gleichzeitig den Verein
ellen Wert lokaltypischer Erzeugnisse für die
“Livr’envol” gegründet, in dem Lehrer, Mütter
städtischen Märkte zu beurteilen und Änderungen
und Kunden Aufführungen und Veranstaltungen
vorzuschlagen, wie mit den lokalen Produkten
rund um das Buch organisieren.
neue Märkte erschlossen werden können.
> Der Anstoß für ihre innovativen Ideen, die sich
> Ihre Kreativität schöpft aus einem Reservoir
2 0
> Sie wissen häufig sehr genau, wo soziale
im Laufe der Zeit herauskristallisieren,
von stillem Know-how, das ihnen ein schnelles
konkrete Gestalt annehmen und allmählich
Verständnis komplexer Situationen ermöglicht.
zu einem Projekt heranreifen (Schaffung des
Mit dem Ziel, ein Beratungsnetz für in
eigenen Arbeitsplatzes, Zugang zu lokalen Ent-
Schwierigkeiten geratene Landwirte zu organi-
scheidungszentren usw.), kommt von außen.
sieren, stellte der Verein CILDEA (Oberes
In Havelange (Wallonien, Belgien) traf sich
Loire-Tal, Auvergne, Frankreich) einen pensio-
regelmäßig eine Gruppe von jungen Leuten
nierten Lehrer ein, der bereits in einem
aus der Gemeinde, um über ihre Zukunft zu
ländlichen Familienzentrum gearbeitet hatte und
diskutieren. Als einer von ihnen beschließt,
somit die ortsansässigen Landwirte und ihre
den elterlichen Hof zu übernehmen, konnte
Mentalität ebensogut kannte wie die
er seinen Plan verwirklichen, die Erzeugnisse
Informationsnetze und die lokalen Behörden.
des Hofs selbst zu verarbeiten und direkt
Aufgrund seiner guten Kenntnis dieses komplexen
zu verkaufen. Seine Nachbarn haben sich
sozialen Milieus konnte er schnell und effizient
diesen Aktivitäten angeschlossen und die land-
die benötigten Berater (“tuteurs”) für die in
wirtschaftliche Genossenschaft “Fermière de
Schwierigkeiten geratenen Landwirte finden.
Méan” gegründet.
S o z ia l e We t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
2.2
Kultur und Identität des Gebiets
BEISPIEL
In der Region Alentejo (Portugal), die jahrhundertelang
Den Verantwortlichen der meisten lokalen Aktionsgrup-
von Großgrundbesitzern beherrscht war und deren Bevöl -
pen ist sehr schnell klar geworden, daß ein Entwick-
kerung noch bis vor einer Generation zu 80% aus Land -
lungsprojekt ohne ein gründliches Verständnis der
arbeitern ohne klare rechtliche Absicherung bestand, sind
gemeinsamen Identität und Werte nicht zum Erfolg
die gemeinsamen Werte von dieser sozio-ökonomischen
geführt werden kann. Da sie wissen, warum die Men-
Vorgeschichte geprägt: geringe Bindung an das Land, im
schen sich mit ihrer Region verbunden fühlen, und sie
Grunde völliges Fehlen einer lokalen Unternehmerkultur,
die besonderen kulturellen Merkmale ihres Gebiets ken-
eine stark ausgeprägte Solidarität und Gastlichkeit sowie
nen, konnten sie mögliche Reaktionen auf diese oder
ein umfassendes Netz von Zusammenschlüssen, die stark
jene Strategie antizipieren und ihr Vorgehen entspre-
durch die Arbeiterbewegung geprägt sind.
chend anpassen. Auch wenn die Zukunft eines Gebiets
nicht unbedingt nur von den Bindungen und Kulturen
abhängen, die sich im Lauf der Geschichte entwickelt
haben, können die LAG diese doch als Hebel für ihre
Strategien der Koordination, Mobilisierung und Innovation (d.h. für die kontinuierliche Regionalentwicklungsarbeit vor Ort / Animation) nutzen. In der Geschichte
des ländlichen Raums haben die Beziehungen zwischen
den Generationen die Gestaltung des ländlichen Raums
maßgeblich bestimmt. Know-how, Verbundenheit und
Zugehörigkeit wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Als es jedoch nichts mehr gab, was die jungen Menschen in der Region halten konnte, führte dies
zu einer Schwächung des lokalen Zusammenhalts und
dem Verlust zahlreicher wirtschaftlicher Aktivitäten.
Ähnliche Verhältnisse sind auch in anderen Regionen
anzutreffen, in denen großer Grundbesitz dominiert,
oder noch allgemeiner in Gebieten, in denen die Zukunft
eines Gebiets lange Zeit von einem Großbetrieb oder von
einer Gruppe von Unternehmen abhing, die viele Personen beschäftigten, sich jedoch heute in einer wirtschaftlichen Krise befinden (Bergbau, Textilindustrie
usw.). In einem solchen Umfeld war gemeinschaftliches
Handeln meistens nur im Rahmen von Gewerkschaften
oder Genossenschaften möglich. Die Erfahrungen der
LEADER-Gruppen zeigen, daß sich in Phasen der Krise
oder Umstrukturierung die soziale Wettbewerbsfähigkeit
vor allem über neue Strukturen der Zusammenarbeit
entwickelt, deren Ziel es ist, die individuelle Übernahme
von Risiken gesellschaftlich abzufedern und die Menschen in ihrem Wunsch und in ihren Fähigkeiten zu
BEISPIEL
Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs haben in Frank reich die Bretonen zu einem starken Identitätsgefühl
zurückgefunden, so daß sich die Bevölkerung ermutigt
fühlte, nach Mitteln und Wegen zu suchen, “allen Kindern
des Landes eine Zukunft im Lande” zu garantieren. Durch
ihre starke soziale Wettbewerbsfähigkeit ist es der Bre tagne besser als allen anderen Regionen Frankreichs
gelungen, die Menschen in der Region zu halten. Der
nächste Schritt besteht jetzt darin, einige negative Aus wirkungen dieser beschleunigten Entwicklung (insbeson dere in bezug auf die Umweltbelastung) zu korrigieren.
bestärken, eigene Unternehmen zu gründen.
Im Gegensatz dazu sind bestimmte Kulturen ein besonders fruchtbarer Nährboden für die Entwicklung von
Unternehmertum und unternehmerischer Initiative. So
gibt es in den Gebieten der industriellen Entwicklungszentren Nord- und Mittelitaliens viele Innovatoren
und potentielle Unternehmensgründer, da der lokale
Kontext die Menschen ermutigt, nicht vor der Übernahme individueller Risiken zurückzuscheuen. Es gibt
ausreichende Mechanismen der kollektiven Unterstützung, die das Risiko sowohl in wirtschaftlicher als auch
sozialer Hinsicht erträglich erscheinen lassen. Leiter
Die räumliche Verbundenheit, d. h. die Bindung der
eines kleinen Unternehmens zu sein, hat gesellschaft-
Bevölkerung an ihr Umfeld im weiteren Sinne (Erde,
lich ein hohes Ansehen. Die Arbeitgeber finden es völ-
Landschaft, Bebauung usw.), ist ebenfalls ein wesent-
lig normal, wenn ihre Angestellten sich eines Tages
licher Bestandteil der lokalen Identität.
selbständig machen. Ein mögliches Scheitern ist
gesellschaftlich toleriert und wird durch die Solidarität
der Familie sowie die Möglichkeit, jederzeit in ein
abhängiges Beschäftigungsverhältnis zurückkehren zu
können, aufgefangen.
A n a l y s e d e r s o z i a l e n We t t b e w e r b s f ä h ig k e i t e i ne s G e b ie t s
2 1
2.3
“Governance” und Institutionen
Die Erfahrungen von LEADER haben gezeigt, daß die
Organisation der lokalen Behörden, die Modalitäten der
gegenseitigen Hilfe und Konzertierung, die Beziehungen zwischen Institutionen und sozialen Gruppen und
die Fähigkeit zum Konfliktmanagement zentrale Elemente der sozialen Wettbewerbsfähigkeit sind.
b) Sympathie und Feindseligkeit
Subjektive Gegebenheiten, die nicht unbedingt auf
gemeinsame oder divergierende Interessen zurückgehen
müssen, können ebenfalls Ablehnung bzw. Zustimmung
auslösen. Hierzu zählt insbesondere alles, was in den
Bereich Kultur und Religion fällt oder schlicht und einfach an negative Erfahrungen in der Vergangenheit
erinnert. Aussöhnung ist ein langfristiges Ziel. Die
Lange Zeit wollten die ländlichen Gebiete am Status quo
LEADER-Gruppen haben gelernt, bei der Analyse und der
festhalten und wehrten sich gegen Neuerungen, selbst
strategischen Planung die sozialen Gegensätze zu
wenn diese Haltung langfristig zum Niedergang des
berücksichtigen, insbesondere indem sie versuchen zu
Gebietes führen mußte. Allmählich setzen sich neue
gewährleisten, daß Gruppen, die konträre Meinungen
Formen der “Governance” durch.
oder Interessen vertreten, in gleicher Weise profitieren.
Gleichwohl gibt es noch so manches Hindernis zu überwinden, insbesondere dann, wenn:
c) Machtverhältnisse
> zwischen den wichtigsten Aktionsträgern Konflikte
Die Machtverhältnisse und Formen der Machtausübung
bestehen oder ein Klima des Mißtrauens herrscht;
in ländlichen Gebieten sind sehr unterschiedlich gela-
> zentrale Aktionsträger ihre Ansichten nicht offen zum
Ausdruck bringen;
> Formen der stillschweigenden Ausgrenzung bestimmte
Gruppen daran hindern, sich an der Reflexion und den
Maßnahmen zu beteiligen.
gert und gestaltet.
In manchen Gebieten teilt sich eine begrenzte Anzahl von
Aktionsträgern, die zum Teil enge Beziehungen pflegen,
die Ausübung der Macht: Politiker, Chefs der wichtigsten
Industriebetriebe oder Landwirtschaftsorganisationen,
Bei der Analyse der sozialen Wettbewerbsfähigkeit eines
Leiter der Wirtschaftskammern, Vertreter der Verwaltungen
Gebiets müssen deshalb unbedingt alle Faktoren
usw. Diese Aktionsträger entscheiden gemäß ihren Vor-
berücksichtigt werden, d. h. interessenbezogene Bezie-
stellungen über die zukünftige Entwicklung des Gebietes
hungen, Sympathie und Feindseligkeit, Machtverhält-
über den Einsatz der wichtigsten Ressourcen. Sie sind es,
nisse, konfliktträchtige Beziehungen, die “Governance”
die z.B. darüber bestimmen, ob sektorale Maßnahmen im
im eigentlichen Sinne sowie die Institutionen.
Sinne eines gebietsbezogenen Ansatzes aufeinander
abgestimmt und integriert werden. In diesem Kontext
a) Interessenbezogene Beziehungen
sollte angemerkt werden, daß sie die vorgeschlagenen
Sie entscheiden über die Annahme oder Ablehnung
Neuerungen unter Umständen als Bedrohung ihrer indivi-
eines Projekts.
duellen oder kollektiven Macht betrachten könnten.
Einige ländliche (und sogar städtische) Gemeinden ver-
BEISPIEL
lieren aufgrund einer monolithischen Machtposition in
Mehrere touristisch engagierte LEADER-Gebiete haben
Politik oder Wirtschaft jegliche Innovationsfähigkeit. In
thematische “Routen” bzw. “Rundwege” angelegt, um
wiederum anderen Gebieten gibt es nur allein agierende
für ein Produkt oder ein besonderes Merkmal des Gebiets
Aktionsträger, die keine Kooperationserfahrungen
zu werben. Hierfür wurden organisatorische Modelle ent -
haben. Dies gilt für einige abgelegene Gebiete, in
wickelt, die die Einbeziehung einer Höchstzahl von Per -
denen die Teilnahme an den Wahlen der Gemeindever-
sonen oder Organisationen ermöglichten; denjenigen, die
treter die einzige verbliebene Ausdrucksform eines kol-
nicht direkt gefördert wurden, konnten oft Kompensa -
lektiven Willens ist, mit der jedoch keine wirtschaftli-
tionen angeboten werden (z.B in Form gemeinsamer Ver -
che Gestaltungsfähigkeit verbunden ist.
kaufsstände, alternativer Rundwege usw.)
Im Gegensatz dazu konnten in anderen Gebieten zahlreiche formelle und informelle Organisationsformen (im
politischen und wirtschaftlichen Bereich sowie im Vereinswesen) etabliert werden, durch die es möglich ist,
für unterschiedliche Aktionstypen spezifische Gruppen
zu mobilisieren (industrielle Entwicklungsschwerpunkte,
verschiedene kooperativ handelnde Aktionsträger).
2 2
S o z ia l e We t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
Die Projekte und strategischen Maßnahmen können ihrer-
e) Die “Governance” eines Gebiets
seits die Machtverhältnisse ändern, indem sie zum Beispiel
Als “Governance” eines Gebiets wird die Fähigkeit der
bislang unbekannte Formen der Autonomie einführen.
lokalen Aktionsträger bezeichnet, ein demokratisches
Die Machtverhältnisse sind nicht unbedingt institutio-
regionales Management im Sinne der repräsentativen
nalisiert. Aber in der Regel kennen alle Mitglieder der
oder partizipativen Demokratie zu gewährleisten,
lokalen Partnerschaft mehr oder weniger die Machtver-
wobei allen Bewohnern eine Mitwirkung an der Ent-
teilung in ihrem Gebiet (ob institutionalisiert oder
scheidungsfindung und ihren Gremien ermöglicht wird.
nicht). Für die Arbeit im Rahmen einer LEADER-
Sie beruht auf einer strategischen Vision des sozialen
Partnerschaft könnte es sich durchaus als sinnvoll
Zusammenhalts und auf Konzertierung, insbesondere
erweisen, diese Kenntnisse zu bündeln, um eine
zwischen öffentlichem und privatem Sektor, zwischen
anspruchsvolle und realistische Einschätzung der Spiel-
lokalen und regionalen Institutionen, zwischen den
räume, die zur Durchführung des Programms genutzt
sektoralen Verwaltungen sowie zwischen den Akti-
werden können, zu erarbeiten.
onsträgern der lokalen Entwicklung.
Die Organisation von Diskussionsforen mit alteingeses-
“Governance” ist somit die Grundlage der sozialen Wett-
senen und neuen Bewohnern wäre ein weiterer frucht-
bewerbsfähigkeit.
barer Ansatz des gegenseitigen Austausches. Die Alt-
> Da sie es ermöglicht, Konflikte zu überwinden, und
eingesessenen kennen die Aktionsträger, die Geschichte
es den Aktionsträgern erleichtert, sich einander
ihres Gebiets und somit auch die lokalen Machtstruk-
anzunähern, ergibt sich eine große Handlungsflexi-
turen und wissen, was “geht” und “was nicht geht”. Die
bilität. An die Stelle starrer Bindungen und rituali-
Zugezogenen dagegen können noch “naive” Fragen stel-
sierter Interaktionen treten die Suche nach pragma-
len, die vielleicht dazu führen könnten, daß ganz neue
tischen Lösungen und Bemühungen um eine
Aktionsfelder aufgedeckt werden.
gemeinsame Verantwortungsübernahme seitens der
Politiker, der lokalen Verwaltungen der privaten Akti-
d) Konfliktträchtige Beziehungen
onsträger und der Vereine. Im Rahmen der “Gover-
Hierbei handelt es sich um Beziehungen, die von Inter-
nance” können verschiedene Formen der Vermittlung
essen, Feindschaften oder Machtkämpfen bestimmt sind
zwischen den Institutionen und der Bevölkerung
und in denen die Parteien in offenem Gegensatz zuein-
geschaffen oder neu belebt werden, die den lokalen
ander stehen. Die Probleme sind zumeist latent vor-
Aktionsträgern als Forum dienen, ihre Wünsche zu
handen und kommen immer dann zum Ausbruch, wenn
formulieren und Lösungen zu finden.
sich bestimmte Aktionsträger oder gesellschaftliche
> Durch sie kommen die Fähigkeiten der Aktionsträger
Gruppen benachteiligt fühlen und ihnen keine ange-
in ihrer ganzen Vielfalt zum Ausdruck. Diese Vielfalt
messene Kompensation angeboten wird.
wird wiederum im Rahmen eines abgestimmten Han-
Konflikte kommen vor allem dann zum Vorschein, wenn die
delns aufgewertet.
Auftragslage der Unternehmen oder deren Rentabilität
> Sie eröffnet neue Wege, die eine Integration aller in
rückläufig ist. Frühere Erfahrungen und Fehlschläge sind
einem Gebiet vorhandenen menschlichen Fähigkei-
zum Teil der Grund dafür, daß Strukturen oder gesell-
ten, Fertigkeiten und Fachkenntnisse ermöglichen,
schaftliche Gruppen bestimmte Initiativen ablehnen.
insbesondere auch jene von benachteiligten Gruppen.
Diese Ablehnung wird unterschiedlich ausgedrückt: einerseits ganz offen und direkt im Rahmen von Lenkungsausschüssen und Aufsichtsratssitzungen, andererseits in Form
einer Verweigerung der Mitwirkung, oder sie wird außerhalb der eingerichteten Konzertierungsgremien geäußert.
In der lokalen Partnerschaft selbst können Konflikte
auftreten, wenn es um die Unterstützung von Projekten geht, die die Interessen einer bestimmten Gruppe
der Mitgliedschaft betreffen. Zum Beispiel stoßen Beihilfen für den biologischen Landbau zum Teil auf den
Widerstand der konventionellen Landwirte.
A n a l y s e d e r s o z i a l e n We t t b e w e r b s f ä h ig k e i t e i ne s G e b ie t s
2 3
“GOVERNANCE” – EIN LANGFRISTIGES ZIEL
f) Institutionen
Dank des Konzeptes der “Governance” entdecken
Die Institutionen sind also ein wichtiges Element der
die lokalen Behörden für sich eine neue Rolle,
sozialen Wettbewerbsfähigkeit. Sie können Prozesse
die ihre herkömmliche ergänzt. Sie fungieren als
erleichtern oder blockieren. In manchen Gebieten gibt es
“Katalysator” für die Beteiligung der lokalen
eine Vielzahl von Institutionen, deren Funktionen und
Akteure. In dieser Rolle sind sie in der Lage,
Zuständigkeiten sich gelegentlich überschneiden, was zu
alternative Wege der Entscheidungsfindung zu
Mißverständnissen, Widerständen oder sogar Konflikten
akzeptieren, ohne daß dadurch ihre gesetzlich
führen kann, insbesondere dann, wenn sie ihre Maßnah-
verankerte Verantwortung in Frage gestellt wird.
men beschließen, ohne sich untereinander abzusprechen.
Indem sie gemeinsam mit anderen gesellschaftli-
In anderen Gebieten dagegen gibt es so wenige Institu-
chen Akteuren Verantwortung und bestimmte
tionen, daß wesentliche Funktionen oder Dienste gar
Aufgabenbereiche übernehmen, versuchen, bei
nicht mehr garantiert werden können. In jedem Fall ste-
einer Mehrheit der Bevölkerung Interesse für die
hen die Institutionen im Brennpunkt der interessenbe-
Verwirklichung spezifischer Initiativen zu wecken,
zogenen Beziehungen, der Machtverhältnisse, der Kon-
und offene Diskussion und Auseinandersetzung
flikte und der oben erläuterten “Governance”.
nicht scheuen, beweisen die lokalen Verwaltungen
Reife und Intelligenz. Sie sichern sich in diesem
Prozeß die Zustimmung der Bevölkerung zu den
2.4 Implizites/explizites Know-how
und Fachkenntnisse
Beschlüssen sowie ihre Legitimität.
Auf diese Weise wird die repräsentative
Demokratie im Kontakt mit der partizipativen
Demokratie bereichert. Beide Demokratieformen
sind für die Verwirklichung von Innovationen, die
sich aus den Erfordernissen des lokalen
Kontextes ergeben, unerläßlich. Die Akteure
beteiligen sich aktiv an der Erarbeitung von
Vorschlägen, Ideen und Projekten.
Mehr noch als das Know-how und die im Gebiet vorhandenen Fachkenntnisse selbst ist die Fähigkeit der
lokalen Aktionsträger, diese zu mobilisieren und zu nutzen, ein wichtiger Faktor der sozialen Wettbewerbsfähigkeit. In der Tat ist das Know-how oft verstreut,
nicht bekannt oder sogar geringgeschätzt. Es ist häufig sehr spezialisiert und die verschiedenen Elemente
sind nicht miteinander verbunden, weil sie von verschiedenen Personen oder Institutionen gewahrt werden, die sich sehr schwer damit tun, ihre Fachkennt-
BEISPIEL
nisse zum Wohle neuer Ideen und Projekte zu bündeln.
In Collombey-les-Belles (Lothringen, Frankreich), einem länd -
Wie aber kann der Übergang geschafft werden, zer-
lichen Gebiet in der Nähe von Nancy (250.000 Einw.) und
streutes und nicht verbundenes Know-how zusammen-
zwei weiteren größeren Städten, ist bereits lange vor LEADER
zubringen und als kollektives Know-how, das auf diese
eine lokale Partnerschaft entstanden. Es handelt sich um
Weise zu einem wichtigen Element der Wettbewerbs-
eine interkommunale Struktur, der 41 Gemeinden angehören
fähigkeit wird, zu nutzen? Diese Frage, bei der es im
und in deren Rahmen 33 thematische Arbeitskreise gebildet
Grunde darum geht, ob die Aktionsträger eines
wurden, in denen Bürger und gewählte Vertreter mitwirken.
bestimmten Gebiets in der Lage sind, gemeinsam und
Darüber hinaus wurde ein Lenkungsausschuß (“Comité de
effizient zu handeln, ist für die soziale Wettbewerbs-
Synthèse”) gegründet, dem die Vorsitzenden dieser Ar -
fähigkeit von ausschlaggebender Bedeutung.
beitskreise angehören. In der regionalen Vollversammlung
arbeiten Vertreter der Gemeinderäte und Mitglieder der Ar beitskreise zusammen, die im Zuge ihres Vorschlagsrechts
> Wie kann in Vergessenheit geratenes oder vom Aus-
großen Einfluß auf die Entscheidungen der gewählten Ver -
sterben bedrohtes Know-how, das sich unter Umstän-
treter ausüben können. Diese Partizipationsstrukturen waren
den für innovative und zukunftsweisende Vorhaben
entscheidende Faktoren für die Mobilisierung der Aktionsträger
nutzen ließe, ausfindig gemacht werden?
im Rahmen der lokalen/ regionalen Entwicklung: Insgesamt
500 Personen, d. h. jeder fünfte Haushalt, sind an ihnen
beteiligt. Die ersten Initiativen waren demgegenüber nur auf
ein sehr geringes Echo gestoßen.
2 4
In diesem Zusammenhang stellen sich mehrere Fragen:
S o z i a l e W e t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
BEISPIEL
Die auf Know-how und Fachkenntnissen beruhende
In Robertsfors (Västerbotten, Schweden) haben sich sieb -
Dimension des gebietseigenen Kapitals erschöpft sich
zehn Landfrauen zusammengeschlossen, um ihre Kennt -
somit nicht in einer bloßen Auflistung technischen
nisse traditioneller Gerichte und ihre kulinarische Inno -
Know-hows, sondern umfaßt ebenfalls die Fähigkeit der
vationskraft für den Betrieb einer Gemeinschaftsküche zu
Aktionsträger des Gebiets, dieses Know-how anzuer-
nutzen, die Fertiggerichte produziert und verkauft.
kennen, den Bedarf an neuem Wissen und Forschung zu
> Wie kann dieses Know-how aufgewertet und für aktuelle Erfordernisse genutzt werden?
kennen, zu wissen, wo das erforderliche Know-how zu
finden ist und wie der Transfer von Wissen und Knowhow gewährleistet werden kann. Diese verschiedenen
BEISPIEL
Aspekte können zusammenfassend als “soziales Know-
Die Wiederbelebung und Anpassung überlieferten Know-
how” bezeichnet werden – eine wichtige Grundlage für
hows war in vielen Fällen ein Schlüsselelement der Strate -
“Governance” und soziale Wettbewerbsfähigkeit.
gien der LEADER-Gruppen. So haben beispielsweise vier
LEADER-Gruppen (Valle Elvo du Piémont und Anglona
SOZIALER DIALOG FÜR DIE AUS- UND FORTBILDUNG
Monte Acuto in Sardinien sowie ADRI Valladolid und Mon -
Der “soziale Dialog für die Aus- und Fortbildung”
tanas del Teleno in Kastilien-León) ein transnationales
ist eine wichtige Form des sozialen Know-hows,
Kooperationsprojekt aufgebaut, um Verarbeitungstechniken
die in jedem Betrieb, Dorf oder Gebiet praktiziert
für die Wolle einer bestimmten Schafrasse zu reaktivieren
werden kann. Hierfür müssen die jeweils betrof-
und zu modernisieren, deren Wolle nicht sehr fein ist und
fenen Partner (in einer Gemeinde z. B. die
deswegen nicht mehr genutzt wurde. Dank der Moderni -
Bewohner, die Kommunalpolitiker und die
sierung der traditionellen Wasch-, Spinn- und Färbetechni -
Vereine) an einen Tisch gebracht werden, um den
ken für diese Wolle kann sie jetzt wieder für bestimmte Pro -
jeweiligen Ausbildungsbedarf gemeinsam zu
dukte wie Decken und Isoliermaterialien genutzt werden.
ermitteln. Diese Praxis ist ein Gegenmodell zu
Darüber hinaus konnte das Interesse junger Menschen an
den Ausbildungsangeboten, die an höherer Stelle
einem ehemals marginalen Erwerbszweig geweckt werden.
beschlossen werden, die häufig nicht der tatsäch-
> Wie können die Aktionsträger gefunden werden, die
lichen Bedarfslage entsprechen und keinen
über das nötige Know-how verfügen, und wie kann eine
Aufwertung ihres Know-how gewährleistet werden?
innovativen Gehalt haben. Der soziale Dialog für
die Aus- und Fortbildung kann hingegen konkret
Häufig sind es alte Menschen, die über vom Aussterben
dazu beitragen, gemeinsame und auf Konsens
bedrohtes Know-how verfügen und keine Möglichkeit
beruhende Projekte zu entwickeln und ein geeig-
hatten, ihre Kenntnisse weiterzugeben. Wenn diese Men-
netes Bildungsangebot sicherzustellen.
schen in die Ausbildung der jungen Menschen eingebunden werden, dann dient dies nicht nur der Wiedergewinnung verlorenen Know-hows, sondern verleiht ihnen
ebenfalls eine neue gesellschaftliche Anerkennung.
> Wie kann festgestellt werden, welche zusätzlichen
Fachkenntnisse ein Gebiet braucht? Wie und wo können diese gefunden und mobilisiert werden?
> Wie kann der Ausbildungsbedarf bestimmt werden,
der einen Beitrag zur Neubelebung des Gebiets leisten könnte? Wie sollten die entsprechenden Ausbildungen gestaltet sein? Welche Humanressourcen sind
auf lokaler Ebene vorhanden, die für diese Ausbildung
hilfreich wären?
> Wie kann im Interesse des sozialen Zusammenhalts
dafür gesorgt werden, daß auch die Kenntnisse benachteiligter Bevölkerungsgruppen berücksichtigt werden?
A n a l y s e d e r s o z ia l e n W e t t b e w e r b s f ä h ig k e i t e i ne s G e b ie t s
2 5
Teil 3
Stärkung der sozialen
We t t b ewe r b s f ä h i g keit
S t ä r k u ng d e r s o z ia l e n We t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
2 7
2 8
S o z i a l e We t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
Stärkung der sozialen
We t t b ewe r b s f ä h i g ke i t
Wie sieht eine Strategie zur Stärkung der sozialen
Die LEADER-Gruppe kann somit folgendes anregen und
Wettbewerbsfähigkeit aus, die der Situation und den
fördern:
Herausforderungen des Gebiets gerecht wird? Dieser
> Einen Wettstreit zwischen individuellen Erwartungen
Frage wollen wir uns in diesem Kapitel widmen.
und gemeinsamen Interessen, damit die Meinungsvielfalt
Die meisten ökonomischen Entwicklungskonzepte räu-
zum Ausdruck kommt, und zwar auch in Konfliktfällen;
men der sozialen Dimension nicht den ihr als Schlüs-
> die Zusammenarbeit zwischen Aktionsträgern, indem
selelement der Wettbewerbsfähigkeit gebührenden
die gemeinsamen Interessen herausgestellt und auf
Platz ein. Allzu häufig werden soziale Fragen als
allen Ebenen die Fähigkeiten zu gemeinsamem Han-
“getrennter” Bereich angesehen, in dem spezifische
deln gestärkt werden;
Maßnahmen zu ergreifen sind, oder der in die Zustän-
> die Beteiligung aller Parteien, die von einem
digkeit von Sozialarbeitern und/oder der sozialen und
bestimmten Problem und der erforderlichen Lösung
kulturellen Koordinationsarbeit fällt.
Im Gegensatz dazu zielt der Ansatz des “Projektgebiets”
(territorialer Ansatz) darauf, die Stärkung der sozialen
Wettbewerbsfähigkeit auf die Gebietsebene zu verlagern
und als integrierte Aufgabe zu betrachten. Die LEADERGebiete haben entsprechende Anstrengungen unternommen und sich insbesondere um eine stärkere Verknüpfung zwischen ökonomischer Strategie und
Entwicklung neuen sozialen Know-hows bemüht (z. B.
in bezug auf die Bürgerbeteiligung).
3.1 Schaffung einer gemeinschaftlich
getragenen Dynamik zur Stärkung
der sozialen Wettbewerbsfähigkeit
betroffen sind, indem die Vielfalt positiv bewertet und
respektiert wird, auch wenn zu diesem Zweck eine
“positive Diskriminierung” zugunsten der schwächsten oder marginalisierten Gruppen nötig sein sollte;
> die Subsidiarität, in dem den von der Aktion direkt
Betroffenen ein Höchstmaß an Verantwortung übertragen wird.
3.1.2 Die richtigen Methoden
der Mobilisierung finden
a) Schaffung einer “Win/win”-Situation,
wann immer möglich
Viele Schlüsselakteure werden sich nur dann für Veränderungen einsetzen, wenn sie sich selbst einen Vorteil
davon versprechen. Indem versucht wird, Lösungen nach
3.1.1 Jede Entwicklungsmaßnahme
als Instrument für die Animation nutzen
dem “Win/win”-Prinzip auszuhandeln, können zuvor völ-
Für die LEADER-Gruppen ist dieses Prinzip fester
werden. Hierfür können zwei verschiedene Wege der
lig blockierte Situationen wieder ins Rollen gebracht
Bestandteil einer jeden Strategie zur Stärkung der sozia-
Konzertierung beschritten werden. Entweder kann ver-
len Wettbewerbsfähigkeit: Jede Maßnahme – wie die
sucht werden, den größten gemeinsamen Nenner oder
Stärken-Schwächenanalyse des Gebiets, die Aus- und
einen Interessenschwerpunkt, dem alle zustimmen kön-
Fortbildung, Berufsberatung, die Projektauswahl oder
nen, zu finden. Wenn klar ist, daß nicht alle Akti-
Vergabe einer finanziellen Beihilfe – kann ebenfalls als
onsträger “gewinnen” können, empfiehlt es sich, für die
Instrument der Mobilisierung, der Förderung des sozia-
“Verlierer” entsprechende Kompensationen vorzusehen.
len Zusammenhalts und des Aufbaus von Kooperationsformen genutzt werden. Sowohl der Inhalt der einzelnen
Maßnahmen als auch die Durchführungsmodalitäten
können so gestaltet werden, daß sie zur “Animation”im
Sinne der kontinuierlichen, aktiven Betreuung und Anregung des Entwicklungsprozesses beitragen.
S t ä r k u ng d e r s o z ia l e n We t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
2 9
b) Das Konzept des geteilten/verminderten
Risikos akzeptanzfähig machen
3.1.3 Mechanismen der Konzertierung
entwickeln und etablieren
Initiativen und insbesondere innovative Initiativen
Der Konzertierung kommt eine maßgebliche Rolle zu,
sind immer mit gewissen Risiken verbunden, die nicht
wenn es darum geht...
allein nur im finanziellen Bereich angesiedelt sind. In
> “Altlasten” zu überwinden, d. h. Vorkommnisse,
einem ländlichen Kontext, wo jeder jeden kennt, kann
“von denen man nicht spricht”, historisch bedingte
ein Scheitern eines bestimmten Vorhabens zu Anse-
Feindschaften zwischen Familien, politischen Par-
hensverlust führen, ein Gelingen eventuell Neid her-
teien und sozialen Schichten, die jeden neuen Ansatz
vorrufen. Das Risiko der Ausgrenzung ist auf dem Lande
des Wandels im Keim ersticken.
deshalb erheblich größer als in der Stadt, wo Anonym-
> die geeignete soziale Größenordnung zu erreichen,
ität einen gewissen Schutz bietet.
indem Verbindungen und Netzwerke geschaffen wer-
Obwohl das Ausmaß des Risikos natürlich vom Umfang
den, die es ermöglichen, Risiken zu managen, die Indi-
der geplanten Maßnahme abhängt, sollte dennoch fest-
vidualkosten des Zugangs zu Märkten und Dienstlei-
gehalten werden, daß in ländlichen Gebieten, und ins-
stungen zu verringern und die für die jeweilige Aktion
besondere in abgelegenen ländlichen Regionen, jede
am besten geeignete soziale Konstellation zu finden.
Aktivität ein erhebliches Risiko darstellt und die Mittel
Konzertierung auf lokaler Ebene muß nicht unbedingt
der Aktionsträger (vor allem die finanziellen Ressour-
heißen, daß sich alle Akteure einig sind. Es geht viel-
cen) häufig nicht ausreichen, um dieses Risiko aufzu-
mehr darum, eine “lokale Kultur des Vertrauens” zu
fangen. Dieses Dilemma muß durch entsprechende
schaffen und zu konsolidieren, die es ermöglicht:
Finanzierungsmechanismen für die Vergabe öffentlicher
> individuelle Kreativität für die Entwicklung eines
Mittel gelöst werden.
gemeinsamen Entwicklungsplans zu nutzen;
Indem Akteure zusammengeführt und diese mit den
> den innovativsten Akteuren neue Chancen zu eröff-
Institutionen in Kontakt gebracht werden, die für ihr
nen, ohne den anderen den Zugang zu den vorhan-
Vorhaben die richtigen Ansprechpartner sind, kann eine
gewisse Minderung des Risikos und zugleich eine konkrete Form der Unterstützung erzielt werden. Diese Risikominderung erfolgt zu einem gewissen Teil auch über
Kofinanzierungen, zu deren Organisation LEADER einen
konstruktiven Beitrag leisten kann.
denen Ressourcen zu versperren;
> sich bietende Chancen schnell wahrzunehmen, um sie
gemeinsam zu nutzen;
> unterschiedliche Interessen und Know-how miteinander zu verbinden;
> die Spannungsverhältnisse zwischen Zusammenarbeit
und Wettbewerb, öffentlichem und privatem Sektor,
c) Appell an das Verantwortungsbewußtsein
der Akteure
Aufgrund ihrer gesellschaftlichen und institutionellen
Position tragen die lokalen Aktionsträger immer eine
gewisse – wenn auch nur selten ausdrücklich formulierte – Verantwortung für die Ressourcen und die Entwicklung ihres Gebiets. Eine kollektive Aufwertung einiger dieser Verantwortungsbereiche könnte in einigen
Fällen helfen, die lokalen Akteure für eine bestimmte
Aktion zu gewinnen.
individuellem und kollektivem Handeln, Einzel- und
Gemeinwirtschaft, sektoraler Politik und integriertem
Ansatz, ländlicher und städtischer Welt zu managen.
3.2
Einige methodische Empfehlungen
3.2.1 Die Wahl einer allgemeinen Entwicklungsleitlinie: Definition der Ziele aus dem
Blickwinkel der sozialen Wettbewerbsfähigkeit
Um eine allgemeine Orientierung für den Entwicklungsprozess festlegen zu können, ist es erforderlich, daß
Ein Appell an das Verantwortungsbewußtsein von
zunächst die Elemente ermittelt werden, die auf sozia-
Grund- oder Immobilienbesitzern, deren Flächen nicht
ler, kultureller oder institutioneller Ebene die Entwick-
mehr bewirtschaftet oder deren Gebäude verlassen sind,
lung des Gebiets behindern. Des weiteren muß dann
könnte sie bspw. sensibilisieren und dazu veranlassen,
durch geeignete Analysen herausgearbeitet wird, welche
diese Ressourcen wieder mit neuem Leben zu erfüllen.
wirtschaftlichen Chancen bestehen und genutzt werden
können und welche organisatorischen Voraussetzungen
zu diesem Zweck vor Ort geschaffen werden müssen.
3 0
S o z ia l e W e t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
BEISPIEL
Die LEADER-Gruppe Serranía de Ronda (Andalusien, Spa nien) war sich darüber im klaren, daß ihr Gebiet aufgrund
der natürlichen Schönheit (malerisches Bergland, wunder -
> Sie hat Partnerschaften vorgeschlagen, die kurzfristig
einen effektiven und greifbaren Mehrwert erbrachten
(z. B. durch die Erschließung neuer Märkte);
> Sie hat Projekte erst dann gestartet, wenn gute Erfolg -
schöne Landschaften, historisches Erbe), der Nähe zur Küste
schancen gesichert waren (z. B. durch vorbereitende Aus -
(Badetourismus) und der zentral gelegenen Stadt Ronda,
bildungsmaßnahmen, die zunächst für individuelle Pro -
die bereits von vielen großen Schriftstellern gepriesen wurde
jekte konzipiert waren und in denen aber schrittweise die
und viele Besucher anzieht, potentiell ein bedeutendes Ziel -
Notwendigkeit kooperativer Vorgehensweisen deutlich wird).
gebiet für den ländlichen Tourismus darstellt. Angesichts
fehlender lokaler Strukturen für die Konzertierung und Zu sammenarbeit der Aktionsträger war es kurzfristig nicht mög -
3.2.3 Die Wahl des Ausgangspunkts:
Mit den richtigen Akteuren starten
lich, die bisher unerschlossenen Chancen wahrzunehmen.
Nachdem die allgemeinen Ziele und die kurz-, mittel-
Die Überwindung der Probleme stand während der gesam -
und langfristigen Prioritäten festgelegt sind, müssen
ten Dauer von LEADER I (1991 bis 1995) im Mittelpunkt
geeignete Aktionsträger gefunden werden, mit denen
der Bemühungen der Gruppe (siehe auch weiter oben).
das Vorhaben erfolgreich gestartet und das mit dem
Vorhaben verbundene Risiko soweit wie möglich redu-
3.2.2 Prioritäten setzen
ziert werden kann. In Frage kommen:
Die Stärkung der sozialen Wettbewerbsfähigkeit eines Ge-
> Aktionsträger, die über einen besonders großen
biets ist ein langwieriger Prozeß, da sie Beziehungen zwi-
“Bezugsrahmen”im Sinne von Motivation, Erfah-
schen Akteuren, soziale und kulturelle Fragen sowie Pro-
rungsschatz und Anregungen verfügen (jun ge Men-
bleme der Ausgrenzung berührt. Einige Ziele sind schwerer
schen, Zugezogene, zurückgekehrte Auswanderer
zu erreichen als andere, weil sie mehr Zeit erfordern oder
usw.), oder Aktionsträger, die als Schnittstelle zwi-
von der Verwirklichung anderer Bedingungen abhängen.
schen dem Gebiet und der Außenwelt wirken können
Darüber hinaus sind die Handlungsspielräume in vielen Fäl-
(Auswanderer, Touristen, Bewohner mit Zweitwohn-
len sehr eng. Es kommt durchaus vor, daß bestimmte The-
sitz, Politiker, die aus der Region stammen);
men ein Tabu geworden sind. Um das Problem zu lösen,
müssen in solchen Fällen Seitenwege eingeschlagen werden. In manchen ländlichen Gebieten begegnen die Menschen aus historischen Gründen allem, was nach “kollektiv/ kooperativ” klingt, mit großem Mißtrauen. Unter derartigen Bedingungen ist eine unvorbereitete Durchführung
> Aktionsträger, die als Vermittler zwischen gegensätzlichen Interessen tätig werden können;
> Aktionsträger, die Initiative zeigen und bereit sind,
finanzielle oder soziale Risiken einzugehen;
> Gruppen, die bereits Erfahrungen im Bereich der
Zusammenarbeit gesammelt haben;
kooperativer Maßnahmen zum Scheitern verurteilt. Die
> Aktionsträger, die schon an anderen innovativen Pro-
Durchführung einer gemeinsamen Weiterbildungsmaß-
jekten beteiligt sind oder sich anderweitig für den
nahme für Träger von Einzelprojekten könnte sich als wirk-
Wandel engagieren.
sames Mittel erweisen, um die Beteiligten allmählich für
das Konzept gemeinsamen Handelns zu gewinnen.
Um besonders fest eingefahrene Situationen zu überwinden, empfiehlt es sich, zunächst nach dem Nutzen
des Status quo für die Aktionsträger zu fragen. Erst dann
BEISPIEL
können konkrete Alternativen ins Auge gefaßt werden.
Im Vinschgau/Val Venosta (Südtirol, Italien) ist die wirt -
Manchmal hilft die Einbeziehung neuer Akteure, eine
schaftliche Entwicklung zwar schon relativ weit fortge -
Situation, die in die Sackgasse geraten zu sein scheint,
schritten, wird jedoch immer noch durch traditionsbe -
zu lösen. Aus vielerlei Gründen sind es immer dieselben
dingte Schwächen der Zusammenarbeit zwischen den
Personen und Gruppen, die ihre Meinung äußern, ihre
Aktionsträgern erschwert. Um die Situation zu entspan -
Ideen vorbringen und ihre Wünsche artikulieren. Neue
nen, hat die LEADER-Gruppe bei ihrer Arbeit folgende
Teilnehmer können daher zu einer Erweiterung des
methodische Prinzipien angelegt:
Ideenpools und einer Verbesserung des Informations-
> Sie hat zunächst informelle Partnerschaften unter -
flusses beitragen.
stützt, die von den lokalen Aktionsträgern besser
akzeptiert werden und die zu gegebener Zeit formali siert werden können;
S t ä r k u n g d e r s o z ia l e n W e t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
3 1
3.2.4 Die Durchführung der Strategie: Auf
der richtigen Ebene und im richtigen Maßstab
3.2.5 Beteiligung der lokalen Aktionsträger
an der Begleitung und Bewertung
Angesichts der niedrigen Bevölkerungsdichte und/oder
Begleitung und Bewertung sind wesentliche Bestand-
der geringen Betriebsgröße ist es für viele ländliche Ge-
teile der Strategie für den Erwerb sozialer Wettbe-
biete besonders wichtig, daß in bezug auf Fachkennt-
werbsfähigkeit, da diese ein hohes Maß an Unsicherheit
nisse, Finanzmittel und die Anpassung des Angebots an
enthält. Die direkte oder indirekte Beobachtung des
die externe Nachfrage eine gewisse kritische Masse ge-
Verlaufs einzelner Projekte und des gesamten lokalen
währleistet ist. Jede Aktionsart erfordert eine bestimmte
Entwicklungsprogramms kann entscheidend dazu bei-
kritische Masse, d. h. eine gewisse Größe (Umfang, Um-
tragen, daß man sich nicht in Sackgassen verrennt und
satz, Zahl der beteiligten Personen) und einen zu sei-
irreparable Irrtümer begeht. Jeder Aktionsträger, der
ner Verwirklichung erforderlichen Organisationsgrad. Um
sich an der Reflexion und am Gedankenaustausch betei-
zum Beispiel die Anerkennung einer Ursprungsbezeich-
ligt, kann einen ausschlaggebenden Beitrag zur Beglei-
nung für ein lokales Produkt zu erhalten, werden alle
tung und Bewertung leisten. Gestärkt und gefördert
Erzeuger des jeweiligen Gebiets auf der Grundlage einer
wird eine derartige Beteiligung durch Foren des Mei-
Konvention (“Pflichtenheftes”) zusammengebracht.
nungs- und Gedankenaustausches. Folgenden Aspekten
Wenn man dagegen das Bewußtsein für die Notwendigkeit
wird besondere Bedeutung beigemessen:
des Kampfes gegen Umweltschäden vertiefen will, muß
Ermutigung zur gemeinsamen Reflexion
über die Maßnahmen
man die Landwirte, Viehzüchter, Fischer, örtlichen Behörden usw. des Gebiets für dieses Vorhaben gewinnen.
Aktionen, die das Engagement aller voraussetzen, bil-
Maßnahmen, die eine gemeinsame Organisation von
den einen idealen Rahmen der Begegnung und der Dis-
Aktionsträgern und eine gedankliche Auseinanderset-
kussion (z. B. die Einrichtung eines Treffpunkts, die
zung miteinander voraussetzen, lösen Konzertierungs-
Wiederbelebung der “Dorfkneipe” oder eines traditio-
prozesse aus oder führen zu neuen Konstellationen in
nellen Festes). Studienreisen, Fortbildungen und ähn-
bezug auf Akteure und Ressourcen. Die Erneuerung eines
liche Veranstaltungen können sich in diesem Sinne
Dorfes, die Entwicklung eines Qualitätslabels oder der
ebenfalls als äußerst fruchtbar erweisen.
Bau eines multifunktionalen Dienstleistungszentrums
können im Rahmen spezifischer Strategien zur Stärkung
der sozialen Wettbewerbsfähigkeit eingesetzt werden.
Im Rahmen derartiger Maßnahmen wird die Fähigkeit
zur Zusammenarbeit erworben. Es werden Kontakte
geknüpft, es entstehen formelle und informelle Netzwerke, in denen z. B. Informationen und Kenntnisse
weitergegeben, Verantwortung und Know-how geteilt
und neue Marktzugänge ermöglicht werden.
Nutzung des von den lokalen Aktionsträgern
entwickelten sozialen Know-hows
Die erworbenen sozialen Fähigkeiten können zu wertvollen Ressourcen werden, insbesondere dann, wenn es
darum geht, aus alten Fehlern und Irrtümern zu lernen.
3.3 Strategien zur Stärkung
der sozialen Wettbewerbsfähigkeit
– einige Beispiele
Die Erreichung des “richtigen Maßstabs”bzw. einer sinnvollen Zahl und Zusammenstellung von Aktionsträgern
Die bisherige Analyse hat gezeigt, daß die Strategien
setzt somit folgendes voraus:
zur Stärkung der sozialen Wettbewerbsfähigkeit in
> Eine Diversifizierung der Beziehungen zwischen den
Gebiet abhängen.
arbeiter, Umweltschützer, öffentliche und private Ein-
Verfügt ein Gebiet bereits über ein hohes Maß an sozia-
richtungen).
ler Wettbewerbsfähigkeit (ein Netz von lokalen Organi-
> Eine höhere Qualität der Austauschs, die sich in all-
sationen und eingespielten Verbindungen zur Außenwelt,
gemein geltenden Vereinbarungen niederschlägt
ein relativ starker sozialer Zusammenhalt, Vertrauen in die
(Qualitätscharta, Austauschverträge usw.).
Institutionen usw.), dann sind die Handlungsspielräume
> Eine Verknüpfung der internen und externen Netz-
größer. Die Stärkung der sozialen Wettbewerbsfähigkeit
werke, damit “Wissensbanken” entstehen und die für
ist dann nicht eine Voraussetzung der gebietsbezogenen
sektorale oder sektorübergreifende Innovationen
Strategie, sondern eine Komponente dieser Strategie.
erforderliche kritische Masse erreicht werden kann.
3 2
erster Linie von der spezifischen Situation in einem
Akteuren (z. B. wirtschaftliche Aktionsträger, Sozial-
S o z ia l e We t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
Hindernisse für ein kooperatives Vorgehen der Akti-
3.3.1 Beispiele für Strategien
in Gebieten des Typs 1
onsträger gibt, die Handlungsspielräume erheblich klei-
(Entmutigte lokale Aktionsträger, die nicht mehr
ner. Der Erwerb bzw. die Stärkung der sozialen Wettbe-
an die Zukunft des Gebiets glauben)
Im Gegensatz dazu sind in Gebieten, in denen es große
werbsfähigkeit wird zu einem bestimmenden Faktor der
gesamten gebietsbezogenen Strategie.
Der erste Schritt zur sozialen Wettbewerbsfähigkeit
besteht in diesen Gebieten in der Entwicklung eines
Im folgenden werden wir an einigen Beispielen zeigen,
kollektiven Bewußtseins für das Potential des Gebiets
welche Strategien in solchen Situationen möglich sind.
und in der Wiedererlangung des Vertrauens in die
Zur Veranschaulichung differenzieren wir nach fünf typi-
Zukunft. Es folgende einige Strategien, die in diese
schen Situationen, in denen die mangelnde soziale
Richtung weisen.
Wettbewerbsfähigkeit den gesamten Prozeß der
gebietsbezogenen Entwicklung bestimmt. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß es sich
hierbei nicht um eine Typologie mit Anspruch auf Voll-
a) Wiederherstellung des Vertrauens
in die Zukunft durch die Organisation
von Projekten mit Modellcharakter
ständigkeit handelt, sondern lediglich um eine Zusammenstellung verschiedener Beispiele.
BEISPIEL
> Typ 1: Gebiete, die durch Mutlosigkeit und fehlenden
In der Sierra de Bejar-Francia (Estremadura, Spanien),
Zukunftsglauben gekennzeichnet sind, d. h. Gebiete,
einem im wirtschaftlichen Niedergang befindlichen
die unter starker Landflucht, Abwanderung von jun-
Gebiet, hat die LEADER-Gruppe entschieden, mehrere
gen Menschen und Projektträgern, Rückgang der tra-
größere Projekte zu starten, die konkret zeigen sollten,
ditionellen wirtschaftlichen Aktivitäten und Abbau
was für die Wiederbelebung eines Gebiets alles getan wer -
der Dienstleistungen leiden und in denen keine
den kann. Diese Projekte haben das Interesse der Bewoh -
Anzeichen für einen Neuanfang zu erkennen sind.
ner geweckt und neue Projektideen hervorgebracht.
> Typ 2: Gebiete, die an fehlender sozialer Organisation
leiden (wenig Kooperation, wenig Vereine, etc), d. h.
Gebiete, in denen die traditionellen Organisations-
b) Wiederherstellung des Vertrauens
durch Animation der lokalen Entwicklung
formen erloschen sind und die großen Trends der
modernen Gesellschaft (Intensivierung der Landwirt-
BEISPIEL
schaft, neuer Aufschwung des Vereinslebens usw.)
In der Serra do Caldeirão (Algarve/Alentejo, Portugal),
keinen Niederschlag gefunden haben.
einem Gebiet, das unter starker Landflucht gelitten hat
> Typ 3: Gebiete, die aufgrund früherer Probleme oder
und keine Zukunftsperspektiven zu haben schien, hat die
wegen Rivalitäten zwischen Sektoren von Mißtrauen
LEADER-Gruppe das Vertrauen der Bewohner in ihre
zwischen den Aktionsträgern gekennzeichnet sind.
Zukunft dadurch wiederhergestellt, daß sie ein Aktions -
Das Mißtrauen kann auch dadurch verursacht sein,
programm “für die Basis” entwickelte, das von jungen
daß die von Organisationen oder Märkten ausgeübte
Moderatoren durchgeführt wurde, die in den Dörfern
Kontrolle sich für einen Teil der Aktionsträger nega-
rekrutiert und speziell ausgebildet wurden. Die Veran -
tiv ausgewirkt hat.
staltungen bestanden hauptsächlich darin, daß für ein
> Typ 4: Gebiete, in denen es aufgrund einer fehlen-
Bündel von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
den unternehmerischen Kultur nicht genügend Pro-
Aktivitäten geworben wurde, die sich in erster Linie auf
jektträger gibt. Hierbei handelt es sich oft um
die Aufwertung der lokalen Traditionen bezogen. Das
Gebiete mit einem besonders hohen Anteil von
Volksfest, das alljährlich von der LEADER-Gruppe organi -
abhängig Beschäftigten (Gebiete mit großen Indu-
siert wird und auf dem sich lokale Produzenten treffen,
strie- oder Landwirtschaftsbetrieben).
ist eine ideale Gelegenheit für kulturelle Darbietungen,
> Typ 5: “Extrovertierte” Gebiete, die über potentiell
die die Bewohner stärker an ihr Gebiet binden sollen.
mobilisierbare lokale Aktionsträger verfügen, die
jedoch kein Interesse für ihr Gebiet zeigen. Es handelt sich zumeist um ländliche Gebiete in der Nähe
einer großen Stadt, deren Humanressourcen von der
Stadt aufgesogen wird.
S t ä r k u ng d e r s o z ia l e n We t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
3 3
c) Wiederherstellung des Vertrauens
durch den Einsatz externer Personen
e) Wiederherstellung des Vertrauens
durch eine stärkere Bindung an das Gebiet
Es ist zum Teil schwierig, zur Wiederherstellung des Ver-
Den Akzent auf die Bindung an das Gebiet und das
trauens vor Ort junge Projektträger zu rekrutieren und
lokale Erbe zu setzen, ist ein anderes Mittel, um Ver-
auszubilden. In diesen Fällen lohnt sich der Einsatz
trauen wiederherzustellen und die Bevölkerung zu ver-
externer Personen, insbesondere dann, wenn es darum
anlassen, vor Ort neue Aktivitäten zu schaffen.
geht, Aktivitäten zur Ermittlung lokaler Potentiale
durchzuführen und lokale Aktionsträger (einschließlich
BEISPIEL
der kommunalen Behörden) zur Erwägung alternativer
Die Hochebene von Lassithi (Kreta, Griechenland) ist ein
Aktionspfade und Vorgehensweisen zu bewegen.
durch Landflucht und die Aufgabe landwirtschaftlicher
Aktivitäten gezeichnetes Gebiet. Darüber hinaus wurde im
BEISPIEL
Laufe der Zeit auch der Betrieb der ca. 14.000 traditio -
Im Burgenland (Österreich), einem Ziel 1-Gebiet, in dem
nellen Windmühlen, die einst das zur Bewässerung der Fel -
Projektträger eher selten sind, haben sich die vier betrof -
der nötige Wasser gepumpt haben, aufgegeben. Die
fenen LEADER-Gruppen gemeinsam bemüht, dauerhafte
LEADER-Gruppe hat es geschafft, die Bevölkerung zur
Beziehungen mit der Universität Wien aufzunehmen.
Renovierung dieser Windmühlen – ein Symbol dieses
Heute kommen regelmäßig Studenten ins Burgenland, um
Gebiets – zu mobilisieren. Diese Aktion, die zunächst in
unter der Betreuung von Hochschullehrern ein Praktikum
kleinem Rahmen stattfand (300 Windmühlen), hat das
zu absolvieren. Die von den Praktikantinnen und Prakti -
Interesse der Bewohner an ihrem Gebiet neu geweckt und
kanten durchgeführten Arbeiten zur Inventarisierung der
auf diese Weise ermöglicht, weitere Aktivitäten zu starten.
lokalen Ressourcen für die Entwicklung haben das Inter und Projekte hervorgerufen. Diese mündeten ihrerseits in
3.3.2 Beispiele für Strategien
in Gebieten des Typs 2
Maßnahmen, die für eine positive Beurteilung der Ent -
(geringer Organisationsgrad)
esse der Bewohner für ihr Gebiet neu geweckt und Ideen
wicklungschancen von entscheidender Bedeutung sind.
d) Wiederherstellung des Vertrauens durch
Bekräftigung der identitätsbildenden Werte
Die Stärkung gewisser prägender Merkmale der lokalen
Identität kann ein wirksamer Hebel sein, um die soziale
Kohäsion und das Vertrauen in die Zukunft eines Gebiets
wiederherzustellen.
BEISPIEL
Im LEADER-Gebiet South Gwynned (Wales, Vereinigtes
Königreich), das sich durch ein starkes Gefühl der
Zugehörigkeit zur keltischen Kultur und den allgemeinen
Wunsch auszeichnet, sich vom Nachbarn England zu unter scheiden, hat die LEADER-Gruppe Aktionen gefördert, die
dazu bestimmt waren, wirtschaftliche Entwicklungserfor dernisse mit einem neuen Aufschwung der walisischen Kul tur und Sprache in Einklang zu bringen. Indem sich die LAG
eindeutig zur Förderung der Zweisprachigkeit als Grundlage
ihrer Strategie bekannte, hat sie sich die Zustimmung der
Bevölkerung sichern können und insbesondere im Bereich
des Kulturtourismus (Literatur, Musik, Kulturlandschaften,
architektonisches Erbe, historische Stätten usw.) neue Ent wicklungsperspektiven eröffnet.
3 4
S o z ia l e We t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
a) Die lokale Partnerschaft als Faktor
für die “soziale Strukturierung”
In Gebieten, in denen es keine lokalen Organisationen
gibt, auf die zur Initiierung eines Prozesses der lokalen
Entwicklung zurückgegriffen werden kann (berufsständische Vertretungen, soziale, kulturelle und andere Vereine),
könnte sich der Aufbau der lokalen Partnerschaft als
besonders geeignetes Mittel erweisen, um das Fundament
für eine stärkere, organisierte Zusammenarbeit von Aktionsträgern zu legen. Einige LEADER-Gruppen haben aus
diesem Grund ein möglichst breites Spektrum von Personen in ihre Partnerschaft einbezogen. Diese Aktionsträger haben sich dann innerhalb der Vereinigung erneut in
Gruppen organisiert, aus denen später Organisationen mit
spezifischen Zielvorgaben hervorgegangen sind.
BEISPIEL
Im LEADER-Gebiet Serranía-Rincon de Ademuz (Autonome
Gemeinschaft Valencia, Spanien), einer abgelegenen
Gebirgsregion, hat die LAG für ihre Arbeit die Rechtsform
eines offenen Vereins gewählt, dem mehr als 160 Mitglie der aus den verschiedensten Bereichen (Wirtschaft, Sozia les, Kultur) angehören. Es wurden vier Beratungsausschüsse
zu folgenden Themen gebildet: Kultur/Umwelt/Tourismus,
Ausbildung, KMU/Handwerk/Dienstleistungen und Aufwer tung lokaler Erzeugnisse. Diese Gremien verstehen sich als
Arbeitsgruppen und Diskussionsforen zugleich. Sie erarbei ten Projekte, die später im Lenkungsausschuß des Vereins
diskutiert werden. Darüber hinaus sind aus ihnen weitere
Vereine hervorgegangen.
a) Aktivitäten zur Schaffung eines
Mechanismus der Zusammenarbeit zwischen
Sektoren, die miteinander im Konflikt stehen
oder zwischen Sektoren, die über keine
Tradition der Zusammenarbeit verfügen
BEISPIEL
Im LEADER-Gebiet Garfagnana (Toskana, Italien) standen
b) Fortbildungen anbieten,
die kooperatives Handeln fördern
die Kleinbauern in einem Dauerkonflikt mit den Vered lungsbetrieben und Händlern, auf die sie zum Verkauf
In vielen Gebieten, in denen die Aktionsträger es nicht
ihrer Erzeugnisse angewiesen waren, denen sie aber vor -
gewohnt sind, mit anderen zusammenzuarbeiten,
warfen, ihnen zu niedrige Preise aufzuerlegen. Um diesen
haben die LEADER-Gruppen die Fortbildung genutzt, um
Konflikt zu lösen, hat die LEADER-Gruppe eine Aktion zur
diese trotz bestehender Schwierigkeit zu Zusammen-
Aufwertung lokaler Erzeugnisse (Honig, Eßkastanien usw.)
schlüssen und Kooperation zu ermutigen.
gestartet, die zunächst nur Modellcharakter hatte, dann
aber schrittweise zu einer breitangelegten Werbeaktion für
BEISPIEL
das Gebiet ausgebaut wurde. Im Zuge verschiedener regio -
Im Sousa-Tal (nördliches Portugal) stießen die Versuche
naler Animationsmaßnahmen und eines umfassenden
der LEADER-Gruppe, gemeinsame Aktionen einzuleiten,
Aktionsprogramms beschlossen die ortsansässigen Land -
auf große Schwierigkeiten, da die lokalen Aktionsträger
wirte, einem bereits existierenden lokalen Verein für Ver -
allen Formen des Zusammenschlusses ausgesprochen
edler und Händler beizutreten, was später zur Gründung
skeptisch gegenüberstanden. Die Gruppe entwickelte des -
des “Consorzio Garfagnana Produce” führte. Dies ist eines
halb ein spezielles Fortbildungsprojekt zur Arbeit in Ver -
der wenigen Beispiele dafür, wie lokale Aktionsträger, die
einen und das Vereinswesen, das für eine kleine Gruppe
lange unterschiedliche Interessen vertraten, in einer
von Teilnehmern bestimmt war. Diese übernahmen spä -
gemeinsamen Organisation zusammenarbeiten.
ter eine Katalysatorrolle und informierten die Menschen
in ihrem Umfeld über die Vorteile der Durchführung
gemeinsamer Projekte im Rahmen von Vereinen.
3.3.4 Beispiele für Strategien
in Gebieten des Typs 4
(ein Mangel an Projektträgern aufgrund
3.3.3 Beispiele für Strategien
in Gebieten des Typs 3
(Mißtrauen zwischen den Aktionsträgern)
unzureichender unternehmerischer Kultur)
a) Alles unterstützen, “was sich regt und bewegt”
Wenn Projektträger rar sind, können alle neuen Initia-
In Gebieten, in denen – insbesondere zwischen verschie-
tiven unterstützt werden, die dazu beitragen, den Glau-
denen Sektoren – Mißtrauen herrscht, ist es häufig sehr
ben an die Zukunftsfähigkeit des Gebiets zu stärken.
schwierig, direkt Verhandlungen mit den betroffenen Akti-
Viele LEADER-Gruppen verfahren auf diese Weise. In
onsträgern aufzunehmen oder Kooperationsprojekte zu
mehreren Fällen hat sich die Unterstützung für Gruppen
planen. Es muß deshalb ein Einstieg gefunden werden, bei
von Jugendlichen auch dort, wo sie mit einem erhöh-
dem direkte Konfrontationen vermieden werden und all-
ten Risiko verbunden war, als wirksames Mittel erwie-
mählich gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden kann.
sen, ein Potential zu aktivieren, das ansonsten nicht die
Wo konkret angesetzt werden kann, hängt von den jewei-
Möglichkeit gehabt hätte, sich mit einem konkreten
ligen Umständen und Ursachen des Mißtrauens ab. Initia-
Vorhaben einzubringen.
tiven, die außerhalb des Gebiets entwickelt und ausgebaut werden, können den Anstoß geben, trotz des
bestehenden Mißtrauens zusammenzuarbeiten.
b) Unternehmen und Betriebe
– von der Idee bis zur Ausführung
In vielen Fällen sahen sich die LAG unter ähnlichen
Bedingungen gezwungen, selbst Projekte durchzuführen
oder Unternehmen zu gründen, die in Folge zu einem
Bezugspunkt für neue Initiativen wurden.
S t ä r k u ng d e r s o z ia l e n We t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
3 5
BEISPIEL
Investitionen aus den nahen Entwicklungszentren
Angesichts fehlender Projektträger beschloß die LEADER-
fixiert sind, besteht die Gefahr, daß diese Gebiete ihre
Gruppe Kultur-Landschaft Haldensleben in Sachsen-
Eigenständigkeit verlieren und zu bloßen Verlängerun-
Anhalt (Deutschland), ihre gesamten Kräfte auf ein
gen des städtischen Ballungsgebiets werden.
Renovierungsprojekt zu konzentrieren, das sie selbst ex
In diesen Fällen werden sich die Entwicklungsmaßnah-
nihilo gestartet hat. Ein Schloß und ein ehemaliger Indu -
men zunächst darauf konzentrieren, das Interesse wie-
striepark von besonderer historischer Bedeutung wurden
der auf das lokale Leben und die gebietseigenen Ent-
zu einem Zentrum für wirtschaftliche und kulturelle Ent -
wicklungschancen zu lenken. Dies erfordert den Einsatz
wicklung umgebaut, dessen Wirkungskreis sich auf die
von Strategien, die ein besonders hohes Mobilisie-
gesamte Region erstreckt. Das unausgesprochene Ziel des
rungspotential haben.
Projekts besteht in der Hoffnung, daß es sich zu einem
Bezugspunkt für potentielle Projektträger entwickeln und
auf diese Weise andere Initiativen anregen wird.
c) Den Unternehmergeist bei Kindern fördern
a) Durch partizipatorische Partnerschaften,
die sich auf konkrete Interessenlagen
beziehen, die Aufmerksamkeit wieder
auf das Gebiet lenken
Wenn auf lokaler Ebene der für die Schaffung neuer
Der Rückgriff auf lokale Vereinbarungen, die sich auf
Aktivitäten erforderliche Unternehmergeist fehlt, sollte
konkrete Interessen und Anliegen beziehen, für die
bei der jüngeren Bevölkerung angesetzt werden, um
kurzfristig Lösungen gefunden werden können, ist eine
über sie Bewegung und Veränderungen herbeizuführen.
Chance, die Aufmerksamkeit der Aktionsträger wieder
BEISPIEL
sieren und in Projekte mit einer gemeinschaftlichen
Diese Überzeugung vertrat auch die LEADER-Gruppe der Graf -
Dimension zu investieren.
auf das Gebiet zu lenken, Ideen und Mittel zu mobili-
schaft Tipperary (Irland). Sie hatte festgestellt, daß Pri marschulkinder (5 bis 13 Jahre) erfinderischer und unter -
BEISPIEL
nehmungslustiger sind als Jugendliche. Daher beschloß die
In dem LEADER-Gebiet Mugello-Val di Sieve (Toskana,
Gruppe, in zehn Primarschulen ein Existenzgründungsprojekt
Italien) hat die in der Nähe von Florenz gelegene
durchzuführen. Rund 600 Kinder nahmen an diesem Projekt
Gemeinde Firenzuola eine Aktion zur Aufwertung und
teil. Es kostete nicht mehr als 15.600 EUR und hat zur Grün -
Nutzung des “heiteren Steins” gestartet. Hierbei handelt
dung einer Vielzahl schulischer Kleinstunternehmen mit
es sich um einen relativ jungen, mergelhaltigen Sand -
unterschiedlichsten Aktivitäten geführt: von der Produktion
stein aus dem Miozän, dessen Ablagerungen etwa 15 Mil -
eines Videos über die regionale Kultur und das Handwerk
lionen Jahre alt sind. Durch die Zusammenarbeit aller
über die Herstellung von Weihnachtskarten bis hin zu einer
lokalen Aktionsträger (Gemeinde, lokale Unternehmer -
Gärtnerei mit Blumen- und Gemüseverkauf, Altpapierver -
verbände und einzelne Unternehmen) war es möglich,
wertung und der Organisation eines Frühstücksdienstes.
neue Produkte zu entwickeln, für die dieser Stein benutzt
wird. Eines der größten Errungenschaften dieses Projekts
3.3.5 Beispiele für Strategien
in Gebieten des Typs 5
(“extrovertierte” Gebiete)
erkannt haben und somit eine Diversifizierung der Pro -
“Extrovertierte” Gebiete befinden sich unter dem Ein-
duktion, ein beeindruckendes Beschäftigungswachstum
fluß eines besonders attraktiven Entwicklungszentrums,
und eine breitangelegte Werbekampagne für das Gebiet
das außerhalb des Gebiets liegt und das Interesse der
ermöglicht haben. Diese lokale Vereinbarung in Verbin -
lokalen Aktionsträger absorbiert, weil es Arbeitsplätze,
dung mit einem konkreten Anliegen hat große Wirkung
Dienstleistungen und vielfältige Aktivitäten bietet. Im
gezeigt: Sieben mittlere und vier kleine Betriebe mit ins -
wesentlichen handelt es sich hierbei um Gebiete, die in
gesamt 174 Beschäftigten schlossen sich zu neuen Orga -
der Nähe von Ballungsräumen liegen.
nisationsformen zusammen, die in bezug auf Arbeits -
Da die “extrovertierten” Gebiete sich leicht in sogenannte “Schlafdörfer” verwandeln und die lokalen Verantwortungsträger (z. B. Politiker) vor allem auf die
3 6
besteht jedoch darin, daß die lokalen Unternehmer das
Potential dieses von ihnen verarbeiteten Rohmaterials
S o z ia l e We t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
plätze und Subunternehmen ein ebenso großes
Unternehmensvolumen schufen. Im Jahr 1999 gab es
zwei Verbände. Der erste Verband namens COPSER sichert
die Unternehmensdienstleistungen, ist für den Vertrieb
der für den Abbau erforderlichen Sprengstoffe, der Aus -
BEISPIEL
rüstungen und Werkzeuge zuständig und führt die Ver -
Der LAG Marsica (Abruzzen, Italien) war völlig klar, daß
handlungen mit den Institutionen und Unternehmen. Der
die Entwicklungsprobleme der Region nicht wirtschaftli -
zweite Verband mit Namen COGIVAS ist auf Restaurie -
cher, sondern gesellschaftlicher Natur waren (z. B. man -
rungsarbeiten in historischen Ortszentren spezialisiert.
gelnde Selbstachtung der örtlichen Bevölkerung sowie
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Abhängigkeit von
b) Nutzung der Nähe eines städtischen
Marktes zur Schaffung eines Wirtschaftspols
der Metropole Rom und den angrenzenden Stadtzentren).
Die extrovertierten Gebiete können von der Nähe eines
wertung des lokalen Kulturerbes dienten und die ande -
städtischen Marktes profitieren, indem sie einen Wirt-
rerseits ein Mindestangebot an Sozialdiensten (von
schaftspol schaffen, der in der Lage ist, die lokalen
Gesundheitsdiensten bis hin zu kulturellen Angeboten)
Aktionsträger zu mobilisieren.
garantieren können. Dies war der Leitgedanke für mehrere
Es galt, Aktionen zu entwickeln, die einerseits der Auf -
Aktionen, die eng miteinander verknüpft waren und zu
BEISPIEL
denen auch das Projekt “Mikrorezeptivität – Touristische
Die Ile-Crémieux (Rhône-Alpes, Frankreich) läuft Gefahr,
Aufnahmebereitschaft” zählt, das aus einer präzisen Ana -
sich aufgrund ihrer Nähe zum Ballungsraum Lyon (2 Mio.
lyse der Besucherströme an den Wochenenden hervorge -
Einwohner) in ein “Schlafgebiet” zu verwandeln. Eine
gangen ist. Die Region Marsica zeichnet sich durch einen
lokale Gruppe, die von den Gemeinden unterstützt wird,
intensiven Zustrom von Wochenendausflügern, die
entschließt sich, eine archäologische Ausgrabungsstätte
zumeist aus Rom und Neapel anreisen und in der Marsica
zu nutzen und in Verbindung mit diesem Vorhaben auch
ihren Zweitwohnsitz haben, aus. Diese leisten zwar einen
andere Aktivitäten durchzuführen (Einrichtung eines
wichtigen Beitrag zu den Steuereinnahmen der Kommu -
Museums, ein Entdeckungswanderweg, Studienbesuche
nen (z. B. Abgaben für Eigentum und Müllabfuhr), finden
und -aufenthalte, Management des Kulturerbes usw.). Der
jedoch keine adäquaten Dienstleistungen vor. Dabei könn -
auf diese Weise entstandene Pol kann dank der Nähe zum
ten sie noch wesentlich mehr zum Wohl des Gebiets bei -
großen Markt Lyon leichter rentabel gemacht werden.
tragen. Aus diesem Grund beschloß die LAG eine Strate gie zur Diversifizierung des touristischen Angebots, die auf
die Besitzer von Zweitwohnungen ausgerichtet ist und
deren Ziel darin besteht, ihre durchschnittliche Aufent haltsdauer pro Jahr von 64 Tagen auf 90 Tage zu verlän gern und ihren Konsum vor Ort zu erhöhen.
S t ä r k u ng d e r s o z i a l e n We t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
3 7
3 8
S o z i a l e W e t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
Fa z i t
Fazit
3 9
4 0
S o z ia l e We t t b e w e r b s f ä h ig ke i t
Fa z i t
Die “soziale Wettbewerbsfähigkeit”, die auch die Vorstellungen des sozialen Zusammenhalts und der sozialen Eingliederung einschließt, ist ein Konzept, das sich
auf die Fähigkeiten der lokalen Aktionsträger zur Initiierung und Gestaltung von Veränderungsprozessen und
zur angemessenen Reaktion auf die sich dem ländlichen
Raum stellenden Herausforderungen bezieht. Es umfaßt
die Fähigkeit der Aktionsträger, im Zuge konkreter Strategien und Aktionen neue Beziehungen zwischen Personen, Sektoren und Institutionen aufzubauen.
Gemeinsames Handeln ist keine Utopie, sondern eine
Notwendigkeit für den ländlichen Raum. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Probleme wie Landflucht, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, Umstrukturierung, geringes politisches Interesse, lokale Konflikte etc. lösen sich
nicht von allein.
Die soziale Wettbewerbsfähigkeit erschließt neue Räume
der Konzertierung und fördert das Entstehen von kooperativ handelnden Aktionsträgern, die neue Interessen
zum Ausdruck bringen. Sie ermöglicht die Freisetzung
von Energie, ohne die keine Entwicklungsstrategie auskommt, vor allem nicht in Zeiten tiefgreifenden Wandels.
Sie verleiht den Bürgern die Kraft, Antworten auf die
großen Herausforderungen, denen sich die ländliche
Welt heute stellen muß, zu finden.
Fazit
4 1
Leader II est une Initiative communautaire lancée
par la Commission européenne et coordonnée par
la Direction générale de l’Agriculture (Unité VI-F.II.3).
Le contenu de ce dossier ne reflète pas nécessairement les opinions de l’Union européenne.
Leader II is a Community Initiative launched by the
European Commission and coordinated by its
Directorate-General for Agriculture (Unit VI-F.II.3).
The contents of this dossier do not necessarily
reflect the views of the European Union Institutions.
Information
Observatoire européen LEADER
LEADER European Observatory
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B-1040 Bruxelles
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