Exposé - ORGA.UNI
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I< < Arbeitsmarktpolitik in Frankreich Juli 2002 Exposé Arbeitsmarktpolitik in Frankreich Juli 2002 Exposé Arbeitsmarktpolitik in Frankreich con_sens Consulting für Steuerung und soziale Entwicklung GmbH con_sens · Rothenbaumchaussee 11 · D-20148 Hamburg Telefon 0 40 · 4 10 32 81 · Telefax 0 40 · 41 35 01 11 [email protected] · www.consens-info.de Seite 1 von 13 Arbeitsmarktpolitik in Frankreich Juli 2002 INHALT In Kürze 1. Das System der Arbeitsmarktpolitik 4 1.1. Beschäftigungspolitik: der politische Gestaltungsprozess 1.2 Mehrschichtiges Leistungssystem 1.3 Programme zur Integration in den Arbeitsmarkt 2. 4 5 7 Besondere Aspekte der Arbeitsmarktpolitik 9 2.1 Die 35-Stunden-Woche 9 2.2 Nouveaux Services Emplois Jeunes (NESJ): 350.000 Stellen im öffentlichen Dienst für junge Menschen 10 2.3. TRACE: Unterstützung für junge Menschen in besonderen Schwierigkeiten Referenzen 11 13 Seite 2 von 13 Arbeitsmarktpolitik in Frankreich Juli 2002 In Kürze Frankreich hat auf Grund eines starken Wirtschafts- und Beschäftigungswachstums in den Jahren 1998 bis 2001 einen deutlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit erlebt - nach einem leichten Anstieg im abgelaufenen Jahr liegt die Quote mit 9,1 % im europäischen Vergleich auf gutem mittleren Niveau. Die besonderen Herausforderungen des französischen Arbeitsmarkt liegen in der großen Zahl gering qualifizierter jugendlicher Arbeitsloser und in den großen Unterschieden zwischen den Regionen. Das Ministerium für Arbeit und Solidarität ist für das gesamte Spektrum der Arbeitsmarktpolitik verantwortlich: Beschäftigungsfragen, soziale Sicherheit, Berufsbildung, Sozialleistungen etc. – mit Ausnahme des Bereichs der Landwirtschaft. Die zentralstaatliche Steuerung gibt der Arbeitsmarktpolitik immer noch das Gepräge, obwohl mit der Schaffung von 23 regionalen Direktionen mit Zuständigkeit für Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen (DRTEFP) Anfang der 90er Jahre eine Dezentralisierung vorgenommen wurde. Ein Hauptproblem ist die Koordinierung verschiedener Institutionen und Programme (Sozialversicherungen, Staatliche Berufsbildungsagenturen für Erwachsene, Nationale Programme wie TRACE) auf örtlicher Ebene. Die Sozialpartner spielen bei der Gestaltung der Arbeitsmarktpolitik durch ihre Beteiligung bei allen staatlichen Institutionen eine erhebliche Rolle. Die Hauptsäulen der französischen Sozialversicherung ( je eine Kasse für Alter / Hinterbliebene, Krankheit / Mutterschaft / Behinderung, Familie, Wohnungswesen, Sozialhilfe, sowie Arbeitslosigkeit) haben eigene Verwaltungsstrukturen bis auf die örtliche Ebene. Ca. 80 % der Einnahmen stammen aus Beiträgen, 20 % aus Steuermitteln; ergänzende Sozialhilfe wird von örtlichen Arbeitsämtern (ASSEDIC) mit ausgezahlt. Daneben gibt es seit ein pauschaliertes Leistungssystem (Revenue minimum d‘ insertion RMI) für Nichtangehörige der Sozialversicherung; RMI wird von den lokalen Familienkassen ausgezahlt. Etwa die Hälfte aller RMI-Bezieher sind als Arbeitslose registriert. Die Arbeitsmarktpolitik ist durch im europäischen Vergleich hohe Ausgaben für aktive Maßnahmen gekennzeichnet. Die Umsetzung erfolgt mit Ausnahme von Zeitarbeitsagenturen primär durch staatliche Instanzen. Wege zu einer Aktivierung der Arbeitslosen drücken sich in Instrumenten wie dem seit Juli 2001 bestehenden Beschäftigungsinitiative-Plan (vergleichbar einem Eingliederungsvertrag) mit definierten Rechten und Pflichten des Arbeitslosen aus. Eine wichtige Rolle in der französischen Arbeitsmarktpolitik spielt die seit dem 1.1. 2000 eingeführte 35-Stunden-Woche, die den Staat 0,41 % des BIP gekostet hat und ca. 240.000 neue Stellen geschaffen haben soll. Ferner hat das Programm NSEJ (Beschäftigungsprogramm mit 350.000 Stellen für Jugendliche im öffentlichen Dienst; bis zu 5 Jahre mit 80 % subventionierte Vollzeitbeschäftigung) erhebliche Aufmerksamkeit erzeugt. Das Ziel der 350.000 Stellen soll 2002 erreicht werden, die Gefahr besteht darin, dass ein erheblicher Teil der Jugendlichen dauerhaft auf die subventionierte Beschäftigung angewiesen sein wird. Ferner ist das 1998 gestartete Programm TRACE für schwer integrierbare jugendliche Arbeitslose zu beachten; für je 30 arbeitslose Jugendliche gibt es einen „Förderer“, der berufliche und soziale Hilfen koordiniert. Lokale Steuerungsausschüsse mit Vertretern sozialer Organisationen, lokaler Politiker usw. begleiten die Maßnahmen des TRACE-Programms und sollen die örtliche Vernetzung sichern helfen. Ziel ist der Integration von 50 % der Teilnehmer in reguläre Beschäftigung, erreicht wurde bisher die Quote von ca. 33 %, zusätzlich wurden jedoch ca. 21 in Ausbildungsprogramme vermittelt. Insgesamt ist die französische Arbeitsmarktpolitik durch staatliche Strukturen, große Programme und zentrale Steuerung geprägt, mit zunehmender Ausrichtung auf Anreize und Erreichung besonderer Zielgruppen (z. B. Jugendliche). Seite 3 von 13 Arbeitsmarktpolitik in Frankreich Juli 2002 1. Das System der Arbeitsmarktpolitik 1.1. Beschäftigungspolitik: der politische Gestaltungsprozess Während des überwiegenden Teils der 90-er Jahre des 20. Jahrhunderts litt Frankreich unter wirtschaftlicher Stagnation und einer schleppenden Entwicklung des Arbeitsmarkts. Von 1998 bis 2001 fand jedoch ein starkes Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum statt. Die Arbeitslosigkeit (ILO - Definition) sank von 12,3% im Jahre 1997 auf 8,7% im Jahre 2001. Diese positive Entwicklung wurde stimuliert durch moderate Lohnerhöhungen, Arbeitsmarktreformen und ehrgeizige Beschäftigungsprogramme. Auf Grund der weniger günstigen internationalen wirtschaftlichen Situation ist die Arbeitslosigkeit von 8,6% im Mai 2001 auf 9,1% im Mai 2002 gestiegen. Gemäß des kürzlich veröffentlichten OECDBeschäftigungsberichts wird die Arbeitslosigkeit in Frankreich im Jahre 2003 wieder auf 9,0% fallen. Die größten Herausforderungen für die Arbeitsmarktpolitik in Frankreich sind: Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unter den gering qualifizierten Jugendlichen, Abbau der Unterschiede bei den regionalen Arbeitsmärkten (je nach Region schwankt die Arbeitslosigkeit zwischen 5 und 13%) und die Steigerung der Beteiligung am Arbeitsmarkt. Wie in den übrigen europäischen Ländern sind der Abbau der Arbeitslosigkeit und die Steigerung der Beteiligung am Arbeitsmarkt besonders im Hinblick auf die sich verändernde Altersstruktur der Bevölkerung von Bedeutung. Vorausberechnungen des französischen Nationalen Instituts für Statistik und Wirtschaftsforschung (INSEE) zufolge wird die Bevölkerung Frankreichs (ohne die ÜberseeTerritorien) von 58,7 Millionen im Jahre 2000 auf 63,4 Millionen im Jahre 2025 ansteigen. Trotz dieses Bevölkerungszuwachses wird der Anteil der arbeitenden Bevölkerung stabil bleiben, während die Zahl der älteren Mitbürger ab 65 Jahren von 9,4 Millionen im Jahre 2000 auf 14,5 Millionen im Jahre 2025 steigen wird. Typisch für das französische Sozialleistungs- und Arbeitsmarkt-Integrationssystem ist seine komplexe Struktur. Auf lokaler und regionaler Ebene sind zahlreiche Organisationen an der Bereitstellung von Leistungen, Schulungsmaßnahmen, Vermittlungs- und speziellen Integrationsdienstleistungen beteiligt. Leistungen für Menschen im arbeitsfähigen Alter werden von einer Reihe verschiedener nationaler Organisationen bereit gestellt. Das Ministerium für Arbeit und Solidarität ist für das gesamte Spektrum der Arbeitsmarktpolitik verantwortlich: Beschäftigungsfragen, soziale Sicherheit, Berufsbildung, Sozialleistungen etc. Die einzige Ausnahme hiervon bildet das separat organisierte Sozialversicherungssystem für die Beschäftigten in der Landwirtschaft, das in den Zuständigkeitsbereich des Landwirtschaftsministeriums fällt. Bis vor kurzem war der politische Gestaltungsprozess in Frankreich gekennzeichnet durch einen zentralstaatlichen Ansatz mit geringem Freiraum für Politikgestaltung auf regionaler und lokaler Ebene. In den letzten Jahrzehnten jedoch hat die regionale Ebene an Bedeutung gewonnen. Anfang der 90-er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde die Zuständigkeit für Trainingsprogramme von der Zentralregierung auf die regionale Ebene verlegt. Die 23 directions régionales du travail, de l'emploi et de la formation professionnelle (DRTEFP) spielen eine wichtige Rolle bei der Koordinierung der Beschäftigungsdienstleistungen und der Integration der Programme innerhalb der jeweiligen Regionen. Da die Zentralregierung immer noch in erster Linie verantwortlich ist für Beschäftigungs- und Integrationsfragen und weil die Struktur der Sozialversicherungssysteme fragmentiert und kompliziert ist, ist die Koordination auf lokaler Ebene ziemlich problematisch geworden. Besonders während der letzten Jahre sind diese Seite 4 von 13 Arbeitsmarktpolitik in Frankreich Juli 2002 Koordinationsprobleme immer deutlicher zu Tage getreten. Neue, ambitionierte Integrationsprogramme wie TRACE (siehe 2.3) richten sich an die Zielgruppe der schwer zu vermittelnden Jugendlichen, für die in vielen Fällen ein integrierter Ansatz (bestehend aus Beschäftigungsdienstleistungen, intensiver persönlicher Betreuung und Ausbildungsprogrammen) erforderlich ist. Auch setzt der neue Schwerpunkt des Leistungsund Beschäftigungssystems, der auf einem stärker aktivierenden Ansatz liegt, eine enge Zusammenarbeit voraus zwischen den Leistungsträgern und allen beteiligten Organisationen, wie z.B. der staatlichen Arbeitsverwaltung, der staatlichen ErwachsenenBerufsbildungsagentur (AFPA) und anderen sozialen Einrichtungen. Eine der größten Herausforderungen für die Arbeitsmarktpolitik in Frankreich liegt in der Stärkung der Position der lokalen Behörden sowie der Einräumung von mehr Spielraum für die Entwicklung von speziellen regionalen und lokalen Integrationsprogrammen. Seit 1996 muss die Regierung dem französischen Parlament einen jährlichen Bericht über die finanzielle Situation der Sozialversicherungssysteme vorlegen. Auf der Grundlage dieses Berichts und weiterer Angaben seitens unabhängiger Aufsichtsräte der einzelnen staatlichen Leistungsträger entscheidet das Parlament jedes Jahr über die finanziellen Bedingungen und die Verwendungszwecke der zu tätigenden Ausgaben. Die staatlichen Leistungsträger müssen außerdem mit der Regierung mehrere Jahre gültige Vereinbarungen über die Qualität und die Kosten der Verwaltung und andere Zielsetzungen aushandeln. Den Sozialpartnern kommt in Frankreich eine wichtige Rolle zu, und sie sind auf verschiedenen Ebenen am politischen Gestaltungsprozess beteiligt. Sie beteiligen sich nicht nur an der Formulierung der jährlichen Ausgabe des nationalen Handlungsplans für Beschäftigung, sondern nehmen außerdem sowohl Teil an den Ausschüssen der ANPE (staatliche Arbeitsverwaltung) und der AFPA (der staatlichen Berufsbildungsinstitution für Erwachsene) als auch an den Ausschüssen der wichtigsten Sozialversicherungsinstitutionen. Die meisten Sozialversicherungssysteme werden ganz oder teilweise durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge finanziert. 1.2 Mehrschichtiges Leistungssystem Es gibt ein breites Leistungsspektrum für die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Soziale Sicherheit bieten in erster Linie vier nationale Institutionen, die das so genannte 'general regime' bilden. Zu diesen nationalen Organisationen gehören: 1. CNAV (Caisse Nationale d'Assurance Vieillesse) – Alter und Witwenschaft; 2. CNAM (Caisse Nationale d'Assurance Maladie) – Krankheit, Mutterschaft, berufsbedingte Arbeitsunfähigkeit, Behinderungen im Allgemeinen; 3. CNAF (Caisse Nationale des Allocations Familiales) - Familie (Kinder), Wohnungswesen, Sozialhilfe; 4. UNEDIC - Arbeitslosigkeit. Die genannten vier staatlichen Leistungsträger agieren mittels eigener, separater Dienststellen auf lokaler Ebene und sind für die Mehrzahl der Beschäftigten zuständig. Für die Beschäftigten in der Landwirtschaft, die Selbstständigen und eine Reihe von Gewerben existieren unabhängige Systeme. Über 80% aller Leistungen werden durch Beiträge von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Selbstständigen finanziert. Etwa 20% der Leistungen werden aus Steuermitteln finanziert. Innerhalb des Sozialsystems gibt es keine strikte Trennung zwischen Sozialversicherung und Sozialhilfe. Die lokalen Dienststellen von UNEDIC – genannt ASSEDIC – stellen sowohl Leistungen der Arbeitslosenkasse bereit (beitragsfinanziert) als auch ergänzende Sozialhilfe (hauptsächlich finanziert durch Steuermittel). Der gesamte Bereich der Sozialversicherungen ist komplex und setzt sich aus zahlreichen verschiedenen Unterstützungsformen zusammen, die an bestimmte Seite 5 von 13 Arbeitsmarktpolitik in Frankreich Juli 2002 Lebenssituationen gebunden sind. Erst 1989 wurde ein universelles modernes Sozialleistungssystem (RMI) eingeführt, das Pauschalleistungen für Arbeitslose und Behinderte bereit stellt, die nicht unter dem Schutz des Sozialversicherungssystems stehen. Im Falle von Arbeitslosigkeit können die Beschäftigten eine Versicherungsleistung erhalten (seit Juli 2001 genannt: Allocation d'Aide au Retour à l'Emploi), wenn sie innerhalb der letzten 18 Monate mindestens vier Monate berufstätig waren. Die Leistungen sind einkommensabhängig (maximal 57,4% des Brutto-Arbeitseinkommens), und der Leistungsbezug kann 4 bis 60 Monate dauern, abhängig vom Alter und der nachgewiesenen beruflichen Tätigkeit. Die Arbeitslosenversicherung stellt außerdem spezielle Leistungen für ältere Beschäftigte und für Ausbildungszeiten zur Verfügung. Die für die Arbeitslosenkasse zuständigen Organisationen (UNEDIC auf nationaler und ASSEDIC auf lokaler Ebene) stellen nicht nur Leistungen auf der Basis des Versicherungssystems zur Verfügung, sondern bieten auch Arbeitslosenunterstützung für Menschen, die noch keine Erwerbstätigkeit nachweisen können sowie für Menschen über 50, die ihre Bezugsberechtigung aus der Arbeitslosigkeitsversicherung ausgeschöpft haben. Diese Unterstützungssysteme setzen nachgewiesene Bedürftigkeit voraus. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Gesamtzahl der beschäftigungslosen Arbeitsuchenden - , unterteilt nach dem jeweiligen Leistungsbezug - die bei der staatlichen Arbeitsverwaltung (ANPE) registriert sind. Die Tabelle zeigt, dass nur ungefähr die Hälfte der Arbeitsuchenden Leistungen bezieht (wobei allgemeine Formen von Sozialleistungen nicht enthalten sind!), was auf strengere Regeln der Anspruchsberechtigung hinweist. Es ist festzuhalten, dass die Zahlen in Tabelle 1 sich auf alle registrierten beschäftigungslosen Arbeitsuchenden beziehen, einschließlich derer, die nicht unmittelbar für eine Erwerbstätigkeit zur Verfügung stehen, die eine Teilzeitbeschäftigung suchen oder die nicht verpflichtet sind, aktiv eine Beschäftigung zu suchen, jedoch Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehen. Die Zahl der beschäftigungslosen Arbeitsuchenden gemäß dieser weiter gefassten Definition ist etwa 1,5 Mal so hoch wie die offizielle Zahl der Arbeitslosen gemäß der ILO-Definition. Tabelle 1 Beschäftigungslose Arbeitsuchend, unterteilt nach Leistungsbezug Registrierte Arbeitsuchende (x 1.000 Personen, Stand: 30. Juni) Ohne ArbeitslosenLeistungsbezug Mit Leistungsbezug - Versicherung - Unterstützung (kein Anspruch) - Unterstützung (Anspruch erschöpft) Gesamt % Arbeitsuchende ohne Leistungsbezug Quelle: UNEDIC. 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 1.618 1.713 1.899 1.959 1.978 1.780 1.540 2.133 2.193 2.202 2.156 2.190 2.031 2.018 1.646 1.681 1.691 1.656 1.681 1.555 1.580 19 14 14 19 22 30 33 468 498 497 481 486 446 405 3.751 3.906 4.102 4.115 4.168 3.810 3.558 56,9 56,1 53,7 52,4 52,5 53,3 56,7 Aus der Sicht der Arbeitsmarktpolitik ist die Zahl von 3,56 Millionen Arbeitslosen im Juni 2001 genauer als die offizielle Zahl von 2,27 Millionen (ILO-Definition) im selben Monat, da die weiter gefasste Zahl die zahlreichen schwer zu vermittelnden Arbeitslosen einbezieht, welche die ILO-Definition nicht einbezieht, die jedoch Anspruch auf Arbeitsmarktmaßnahmen haben. Die Nützlichkeit eines breiteren Ansatzes zeigt sich auch bei einem näheren Blick auf den Leistungsbezug für Arbeitslose. Neben den Arbeitslosigkeitsleistungen von ASSEDIC Seite 6 von 13 Arbeitsmarktpolitik in Frankreich Juli 2002 können Menschen ohne ausreichenden Lebensunterhalt bei einem weiteren Leistungsträger, der CAF(Caisse des allocations familiales) – der lokalen Zweigstelle von CNAF – Sozialleistungen beantragen. Dieser Leistungsträger stellt eine Reihe von familienorientierten Leistungen zur Verfügung (Mutterschaftsleistungen, Leistungen für Kinder, Wohnungsbeihilfen, Leistungen für allein erziehende Eltern, Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit) sowie Sozialleistungen für Menschen unter 25 Jahren und für Ältere. Die allgemeine, von CAF geleistete Sozialleistung nennt sich RMI (Revenu Minimum d'Insertion), ist eine pauschale Leistung und vom Nachweis der Bedürftigkeit abhängig. Im Jahre 2000 betrug die Gesamtzahl der Bezieher von RMI-Leistungen 1.097.000 Menschen. Nur etwa die Hälfte der Bezieher von RMI-Leistungen sind als Arbeitslose registriert; sie machen damit etwa ein Drittel der registrierten Arbeitslosen ohne Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenkasse aus. Die Anzahl der Bezieher von Leistungen für allein erziehende Eltern lag im selben Jahr bei 170.000. Zählt man zu diesen Zahlen die Empfänger von Leistungen für Arbeitslose hinzu (2.031.000), so betrug die Gesamtzahl der Empfänger von Leistungen auf Grund von Arbeitslosigkeit im Jahre 2000 etwa 3,3 Millionen. Es existieren verschiedene Systeme und Institutionen zur Abdeckung der Risiken von Krankheit und Arbeitsunfähigkeit. Für Beschäftigte gibt es ein großzügiges System für Verletzungen durch Arbeitsunfälle. Darüber hinaus sind Beschäftigte und Selbstständige gegen nicht berufsbedingte Invalidität versichert. Menschen ohne Anspruch auf Leistungen aus einem dieser Systeme kann die CAF (Caisse des allocations familiales) eine Art Arbeitsunfähigkeits-Unterstützung gewähren. 1.3 Programme zur Integration in den Arbeitsmarkt Frankreichs Investitionen in Vermittlungsdienstleistungen, Trainingsprogramme, Schaffung von Arbeitsplätzen und andere Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt bewegen sich auf relativ hohem Niveau. Die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktmaßnahmen sind mit denen in Deutschland und Schweden vergleichbar. Der Anteil der Teilnehmer an derlei Maßnahmen übersteigt sogar das Niveau Schwedens. Tabelle 2 gibt die OECD-Daten über Investitionen in aktive Arbeitsmaßnahmen in Frankreich, Deutschland, dem Vereinigten Königreich und Schweden wieder. Tabelle 2 Investitionen in aktive Arbeitsmarktmaßnahmen Zahlen für 2000 Frank- Deutschla Verein. Schwe reich nd Königden reich* Öffentl. Ausgaben in % des BIP für: - Staatliche Arbeitsvermittlung und 0,18 –verwaltung 0,25 - Arbeitsmarkttraining 0,42 - Maßnahmen für Jugendliche 0,37 - Subventionierte Beschäftigung 0,09 - Maßnahmen für Behinderte 1,31 Total Teilnahmequote in % der Erwerbsfähigen: - Arbeitsmarkttraining 2,41 - Maßnahmen für Jugendliche 2,82 - Subventionierte Beschäftigung 3,11 - Maßnahmen für Behinderte 0,45 Total 8,78 * Zahlen für 1999/2000. Quelle: OECD (2002), Employment Outlook, Paris. 0,23 0,34 0,08 0,32 0,27 1,24 0,13 0,05 0,15 0,01 0,02 0,36 0,25 0,31 0,02 0,27 0,52 1,37 1,49 1,02 1,24 0,30 4,04 0,51 1,02 0,18 1,74 2,84 0,62 2,97 0,90 7,33 Seite 7 von 13 Arbeitsmarktpolitik in Frankreich Juli 2002 Frankreichs staatliche Arbeitsverwaltung (ANPE) spielt eine wichtige Rolle bei den aktiven Maßnahmen. ANPE stellt seine Dienstleistungen über 734 lokalen Dienststellen und 973 weiterer Service Points in ganz Frankreich zur Verfügung. In den letzten Jahren wurde dabei die Betreuung von arbeitsuchenden Beschäftigungslosen intensiviert. Seit Juli 2001 müssen Arbeitsuchende, die bei einer Zweigstelle von ASSEDIC Leistungen auf Grund von Arbeitslosigkeit beantragen, einen Beschäftigungsinitiative-Plan unterzeichnen, der ihre Rechte und Pflichten festlegt und einen betont aktivitätsfördernden Ansatz hat. ANPE bietet nicht nur Unterstützung bei der Arbeitsuche, sondern kann Arbeitslose auf das gesamte Spektrum der aktiven Maßnahmen - wie Trainingsprogramme und verschiedene Arten von subventionierter Arbeit - verweisen. Um die Intensivierung der Integrationsdienstleistungen umsetzen zu können, wurde das ANPE-Personal aufgestockt, was teilweise von UNEDIC, der staatlichen Arbeitslosenkasse, finanziert wird. Der höhere finanzielle Beitrag der Leistungsträger in Bezug auf Integrationsdienstleistungen könnte zum Ruf nach einem verstärkten Wettbewerb der Vermittlungs- und Integrationsdienstleister führen. Bis jetzt jedoch sind spezielle Vermittlungsdienstleistungen für Arbeitslose das Monopol von ANPE. Die Privatisierung wurde beschränkt auf Zeitarbeitsagenturen, die eine wichtige Rolle spielen bei der Personalbeschaffung, nicht jedoch im Bereich der Integration in den Arbeitsmarkt. Die meisten Ausbildungsaktivitäten werden von einer hierauf spezialisierten staatlichen Organisation namens AFPA durchgeführt. AFPA agiert mittels 400 lokaler Stellen und bietet Berufsausbildung, Integrationsdienstleistungen, Betreuung, Beratung und Information bei beruflichen Fragen. AFPA bietet vollständige Ausbildungsprogramme für jährlich etwa 100.000 Arbeitsuchende. Sowohl ANPE als auch AFPA stehen unter der Leitung einer dreigliedrigen Kommission sowie unter der Aufsicht des Ministeriums für Arbeit und Solidarität. ANPE, AFPA und lokale Jugendorganisationen sind verantwortlich für die Organisation verschiedener Arbeits-Trainings-Programme – einschließlich des beruflichen Ausbildungssystems – und verbinden subventionierte Arbeit mit beruflicher Ausbildung. Im April 2002 nahmen 374.000 junge Menschen am Berufsausbildungssystem und 265.000 (vorwiegend junge) Menschen an anderen Arbeits-Trainings-Programmen teil. Seit Anfang der 90-er Jahre wurden mehrere Arbeitsbeschaffungs-Programme entwickelt, die sich an verschiedene Zielgruppen schwer zu vermittelnder Arbeitsuchender richten. Die wichtigsten sind die Programme von CES, CEC und CIE, die von der staatlichen Arbeitsverwaltung durchgeführt werden. CES (contrat emploi solidarité) bietet für einen Zeitraum von 3-12 Monaten Teilzeitstellen (10-20 Stunden pro Woche) im öffentlichen Sektor und im Non-Profit-Sektor an. CEC (contrat emploi consolidé) bietet umfangreichere Stellen (30 Stunden pro Woche) für längere Zeiträume an (12-60 Monate), als Anschlussmaßnahme nach einer CES-Stelle. Das gesamte CES-CEC –System wird als weniger erfolgreich betrachtet, teilweise, weil es dazu tendiert, die Teilnehmer zu stigmatisieren und daher ihre Chancen auf Integration in ein reguläres Arbeitsverhältnis mindert. Eine Studie Mitte der 90er Jahre ergab, dass 18 Monate nach der Aufnahme in das Programm nur etwa 25% der CES-Teilnehmer in regulären Arbeitsverhältnissen beschäftigt waren. Die Anzahl der Teilnehmer sank von 167.000 im April 2001 auf 143.000 im April 2002. Die Anzahl der Teilnehmer am CEC-Programm, dem Anschlussprogramm, stieg geringfügig von 130.000 im April 2001 auf 138.000 im April 2002. CIE ist ein subventioniertes Programm zur Arbeitsbeschaffung in der Wirtschaft für Langzeitarbeitlose und Behinderte, das subventionierte Stellen für 12-24 Monate anbietet, die mit persönlicher Betreuung und Trainingsmaßnahmen kombiniert werden können. Im April 2001 nahmen 242.000 Personen an diesem Programm teil. Dieses Programm gilt auf Grund seiner unmittelbaren Verbindung mit einer regulären Beschäftigung als erfolgreicher als CES- und CEC-Programme. Zwei bedeutende neue Programme, die von der ehemaligen sozialistischen Regierung eingeführt wurden, sind Nouveaux Services Emplois Jeunes, ein ambitioniertes Seite 8 von 13 Arbeitsmarktpolitik in Frankreich Juli 2002 Arbeitsbeschaffungsprogramm für junge Menschen (siehe 2.2) und TRACE, ein intensives Integrationsprogramme für besonders schwer zu vermittelnde junge Menschen (siehe 2.3). Während sich Frankreichs aktive Arbeitsmarktpolitik hauptsächlich auf Trainingsmaßnahmen und subventionierte Stellen konzentriert, wurden einige neue finanzielle und steuerliche Maßnahmen eingeführt, um die Integration in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Im Jahre 2001 wurde ein Steuerfreibetrag für Menschen in gering entlohnten Stellen (bis zu 140% des Mindestlohns) eingeführt. Der Steuerfreibetrag wird von 2,2% (2001) auf 6,6% (2003) des zu versteuernden Einkommens angehoben werden. Dies wird zu einem höheren Haushaltseinkommen für etwa 15 Millionen Menschen führen und damit die Gefahren der Armutsfalle deutlich reduzieren. Eine weitere neue Maßnahme besteht in der Möglichkeit, Sozialleistungen (RMI) mit Arbeitseinkommen zu verbinden. Während der ersten sechs Monate in einem neuen Beschäftigungsverhältnis kann der Leistungsempfänger die Leistungen aus dem RMI in vollem Umfang behalten, während der folgenden sechs Monate teilweise. Um die regionale Mobilität zu steigern, bietet die Arbeitslosenkasse (ASSEDIC) finanzielle Unterstützung für Arbeitslose, die wegen eines Arbeitsplatzes in eine andere Region umziehen. Die unter der Jospin-Regierung eingeführte Arbeitsmarktmaßnahme, die die meiste Aufmerksamkeit erregte, ist die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit (siehe 2.1). 2. Besondere Aspekte der Arbeitsmarktpolitik 2.1 Die 35-Stunden-Woche Seit die französische Regierung im Jahre 1997 die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden auf 35 Stunden ankündigte, wurde eine Reihe von Maßnahmen getroffen, um eine Reduzierung der Arbeitszeit zu erreichen. Am wichtigsten war dabei eine gesetzliche Verpflichtung zur Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit in der Privatwirtschaft, die am 1. Januar 2000 in Kraft trat – sie gilt für alle Unternehmen mit 20 oder mehr Mitarbeitern. Mit Wirkung vom Januar 2002 wurde diese Verpflichtung auf kleinere Unternehmen und den öffentlichen Dienst ausgeweitet. Die 35-Stunden-Woche verursacht der französischen Regierung hohe Kosten. Um die kürzere Wochenarbeitszeit ohne Einkommenseinbußen (besonders für Arbeiter mit niedrigen Löhnen) zu ermöglichen, müssen die Arbeitgeber entschädigt werden. Dies geschieht in erster Linie durch eine Reduzierung der seitens der Arbeitgeber zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge. Die Regierung deckt die beträchtlichen Beitragsverluste durch erhöhte Steigerung ihrer Zahlungen an einen staatlichen Sozialversicherungsfonds, wodurch sämtliche Einnahmeverluste seitens der Leistungsträger in Folge der von der Regierung getroffenen Maßnahmen ausgeglichen werden. Die Gesamtkosten der 35-Stunden-Woche – die für das Jahr 2000 auf 0,41% des BIP geschätzt werden – werden jedoch teilweise kompensiert durch niedrigere Kosten bei den Leistungen für Arbeitslose und durch zusätzliches Steueraufkommen und Sozialbeiträge aus den zusätzlichen Arbeitsplätzen, die in Folge der 35-Stunden-Woche geschaffen werden. Die Regierung schätzt, dass die Einführung der 35-Stunden-Woche bis Ende 2000 ungefähr 240.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen hat. Sollte sich diese Schätzung als richtig erweisen, hätte die 35Stunden-Woche zu etwa 20% des Gesamtanstiegs der Beschäftigten in Höhe von 1,2 Millionen im Zeitraum von 1998 bis 2000 beigetragen. Der Gesamteffekt auf die Beschäftigung wird sicher noch weiter steigen, da die 35-StundenWoche auf den öffentlichen Dienst und den Non-Profit-Sektor sowie auf die kleineren Arbeitgeber zukommt. Man schätzt, dass die öffentlichen Krankenhäuser etwa 45.000 Seite 9 von 13 Arbeitsmarktpolitik in Frankreich Juli 2002 zusätzliche Stellen schaffen werden. Und obwohl der öffentliche Dienst dazu tendiert, die kürzere Wochenarbeitszeit einzuführen, ohne die Anzahl der Mitarbeiter zu erhöhen, geht man davon aus, dass auch in diesem Bereich zahlreiche zusätzliche Stellen entstehen werden. Die Auswirkungen der 35-Stunden-Woche auf die Kleinunternehmen – bei denen 4,5 Millionen Arbeitnehmer beschäftigt sind – werden wahrscheinlich allmählicher stattfinden. Da sich eine Verkürzung der Arbeitszeit bei kleineren Unternehmen weniger einfach einführen lässt, gewährt die Regierung hier eine gewisse Flexibilität, indem sie einigen Branchen mehr Zeit lässt, die 35-Stunden-Woche einzuführen und eine vorübergehende Lockerung der Überstundenregelung zulässt. Obwohl die 35-Stunden-Woche weniger verfügbare Arbeitszeit bedeutet, hat sie in vielen Bereichen zu einer erhöhten Flexibilität bei der Arbeitszeit geführt, dahin gehend, dass die Beschäftigten bei Bedarf mehr - bzw. wenn es nicht erforderlich ist - weniger Arbeitsstunden leisten. Einer Studie der Regierung zufolge gibt die Mehrzahl der Beschäftigten an, dass die Arbeitszeitverkürzung ihre Lebensumstände verbessert hat, aber gleichzeitig gaben die Befragten an, dass der Druck während der Arbeit gestiegen ist. Es bleibt abzuwarten, ob der positive Beschäftigungseffekt durch die 35-Stunden-Woche (den die Regierung teuer erkauft hat) auch längerfristig anhält. Im Jahre 2025 wird es in Frankreich fünf Millionen Rentner mehr geben, basierend auf der Arbeitsleistung einer stagnierenden Bevölkerung im Erwerbsalter. 2.2 Nouveaux Services Emplois Jeunes (NESJ): 350.000 Stellen im öffentlichen Dienst für junge Menschen Im Jahre 1997 führte die französische Regierung als Reaktion auf eine erschreckend hohe Jugendarbeitslosenquote (welche im Jahre 1997 fast 30% betrug) ein sehr ambitioniertes Programm zur Ausweitung der Beschäftigung junger Menschen ein. Das Programm hat zwei Hauptfunktionen: 1. Verbesserung der Beschäftigungssituation junger Menschen und 2. Einrichtung sinnvoller sozialer oder kultureller Dienstleistungen, die der öffentliche Dienst oder der Markt nicht abdecken. Ziel des Programms ist es, 350.000 neue Stellen in Bereichen wie Kultur, Bildung, Tourismus, öffentlicher Sicherheit und Umweltschutz zu schaffen. Die Stellen stehen jungen Arbeitsuchenden zwischen 18 und 25 (einschließlich Schulabgängern) sowie Arbeitslosen im Alter von 26 bis 29 zur Verfügung, die keinen Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung haben. Insbesondere zielt das Programm darauf ab, etwa 20% der neu geschaffenen Stellen für Jugendliche aus sozialen Brennpunkten zur Verfügung zu stellen. Organisationen, die Stellen einrichten, die für dieses neue Programm zugelassen sind, erhalten für jede Stelle eine jährliche Zuwendung von 80% des Mindestlohns. Die Sozialversicherungsbeiträge werden dabei ebenfalls vom Programm getragen. Die jungen Menschen, die eingestellt werden, erhalten mindestens den Mindestlohn. Dies bedeutet, dass teilnehmende Organisationen für die geleistete Arbeit mindestens 20% des Mindestlohns aus eigenen oder sonstigen Ressourcen aufbringen müssen. Im Gegensatz zu anderen Arbeitsbeschaffungsprogrammen, wie etwa CES, bietet Nouveaux Services Emplois Jeunes Vollzeitbeschäftigung für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren. Das Spektrum der angebotenen Stellen reicht vom Lehrerassistenten bis zum Sicherheitspersonal und vom Beschäftigten im kulturellen Bereich bis zum Busfahrer. Das Programm ermöglicht auch spezielle Unterstützung für neue Initiativen, und zwar durch Finanzierung fachlicher Unterstützung (z.B. Marktforschung). Die staatliche Arbeitsverwaltung hat dafür zu sorgen, dass das Programm nur auf neue Aktivitäten Seite 10 von 13 Arbeitsmarktpolitik in Frankreich Juli 2002 angewendet wird, damit keine bestehenden Stellen durch kostengünstigere NSEJ-Stellen ersetzt werden. Im April 2001 nahmen 204.000 junge Menschen am NSEJ-Programm teil, und man nimmt an, dass die Gesamtzahl von 350.000 Teilnehmern im Jahre 2002 erreicht werden wird. Obwohl die Verträge über fünf Jahre laufen, dauert die durchschnittliche Beteiligung zwei Jahre; etwa 25-30% der Teilnehmer scheiden jedes Jahr aus dem Programm aus. Trotz dieser Abgänge gibt es zahlreiche junge Menschen, die den vollen Fünf-Jahres-Zeitraum ausschöpfen werden, ohne in der Lage zu sein, den Schritt in eine reguläre Beschäftigung zu schaffen. Die ehemalige Regierung beschloss im Jahre 2001, die Verträge um weitere fünf Jahre zu verlängern, doch in dieser zweiten Phase wird stärker in Ausbildung und Unterstützung investiert, um den Übergang in reguläre Beschäftigung zu fördern. Das gesamte Programm kostet im Zeitraum von 2002 bis 2006 schätzungsweise € 16 Milliarden. Das NSEJ-Programm ist von großer Attraktivität, da es rasch die Arbeitsmarktprobleme zahlreicher junger Menschen ‘löst’. Die Jugendarbeitslosigkeit sank in den vier Jahren von 1997 bis 2001 auf etwa 10%. Doch das Programm hat zwei wesentliche negative Auswirkungen. Erstens wurde durch NSEJ der öffentliche Sektor auf schwer kontrollierbare Weise ausgedehnt. Da innerhalb eines sehr knapp bemessenen Zeitraums eine große Anzahl neuer Stellen geschaffen werden musste und die Regierung über 80% der Arbeitskosten übernahm, kann man nicht davon ausgehen, dass alle neu geschaffenen Stellen besonders sinnvoll sind und eine langfristige Finanzierung durch die öffentliche Hand rechtfertigen. Es ist zu erwarten, dass zahlreiche öffentliche Organisationen von diesen ‘billigen’ Mitarbeitern abhängig geworden sind und die Regierung unter Druck setzen werden, die Programme auf unbegrenzte Zeit zu verlängern. Zweitens, und das ist von noch größerer Bedeutung, besteht eine reale Gefahr, dass diese Art von Stellen die jungen Menschen vom regulären Arbeitsmarkt fernhalten wird. Bei guten Aussichten für den französischen Arbeitsmarkt könnte es besser sein, das Programm zurück zu fahren, die Zugangsberechtigung auf schwer zu vermittelnde junge Menschen zu begrenzen, die Teilnahmedauer auf ein oder zwei Jahre zu beschränken und die jungen Menschen aktiv zu unterstützen, diese Stellen als Sprungbrett in ein reguläres Arbeitsverhältnis zu nutzen. Auf diese Art könnte ein eingeschränkteres Programm von ebenso vielen jungen Menschen wie das bisherige in Anspruch genommen werden. 2.3. TRACE: Unterstützung für junge Menschen in besonderen Schwierigkeiten Das TRACE-Programm wurde 1998 eingeführt und richtet sich an beschäftigungslose junge Menschen, die nicht mittels anderer - allgemeiner gehaltener - Arbeitsmarktprogramme für junge Menschen erreicht werden können. Sein Hauptmerkmal ist die Einführung von intensiver persönlicher Betreuung durch so genannte „Förderer“. Ein weiteres Merkmal besteht in der Bildung von örtlichen Steuerungsausschüssen, an denen die wichtigsten örtlichen Institutionen beteiligt sind. Die „Förderer“ arbeiten mit relativ kleinen Gruppen von etwa 30 jungen Menschen, damit diese schwer zu versorgenden Jugendlichen die intensive Aufmerksamkeit und individuelle Unterstützung erhalten, die sie benötigen. Die Förderer unterstützen die jungen Klienten nicht nur dabei, die passende Ausbildung oder (subventionierte) Beschäftigung zu finden; wenn nötig, verweisen sie auch auf spezielle Sozialisationsprogramme oder helfen bei der Lösung von gesundheitlichen oder Wohnungsproblemen. Viele Förderer sind Mitarbeiter von speziellen lokalen Sozialdiensten, die junge Menschen der Altersgruppe von 16 bis 25 beraten und unterstützen (lokale Jugend-Betreuungs-Netzwerke). Um das TRACEProgramm durchzuführen, wurden innerhalb der lokalen Jugend-Betreuungs-Netzwerke 860 zusätzliche Stellen eingerichtet. Aber etwa 40% der Teilnehmer werden von anderen Organisationen betreut. Diese Organisationen erhalten eine feste Gebühr von € 1.830 pro Seite 11 von 13 Arbeitsmarktpolitik in Frankreich Juli 2002 Teilnehmer Diese Gebühr deckt nur die persönliche Betreuung. Die Kosten für Ausbildung und subventionierte Beschäftigung werden aus anderen Fonds finanziert. Die reguläre Dauer dieser Programme beträgt 18 Monate, kann aber für die Teilnehmer aus den schwierigsten Randgruppen auf 24 Monate ausgedehnt werden. Ein wichtiger Aspekt von TRACE liegt in der Schaffung lokaler Steuerungsausschüsse, an denen die größeren sozialen Organisationen ebenso teilnehmen wie Lokalpolitiker. Auf diese Art können die vereinten lokalen Ressourcen für das Programm mobilisiert werden. Ein Problem des Programms war die schwache und unsichere finanzielle Situation der Teilnehmer. Zahlreiche junge Menschen erhalten nur während der Ausbildung oder der subventionierten Arbeitsprogramme Beihilfen oder Lohn. In Zeiträumen außerhalb dieser Aktivitäten hat nur ein kleiner Teil der Teilnehmer Zugang zu Leistungen aus der Arbeitslosenkasse oder Sozialunterstützung (Sozialunterstützung (RMI) ist den meisten Menschen unter 26 Jahren nicht zugänglich). Die Teilnehmer können sich in den Zeiten, wenn sie keine Ausbildungsvergütung und kein anders geartetes Einkommen erhalten, um gelegentliche Unterstützung durch spezielle Jugendhilfsprogramme bewerben. Seit 2002 haben die Teilnehmer auch Zugang zu Beschäftigungsbeihilfen in Höhe von € 300 pro Monat. Diese Beihilfen werden für maximal drei Monate innerhalb eines halben Jahres gewährt. Die Zahl der Teilnehmer wird von 70.000 Ende 2001 auf etwa 120.000 Ende 2002 steigen. Ziel des Programms ist es, 50% der Teilnehmer in dauerhafte Beschäftigung zu bringen. Ende des Jahres 2000 waren 33% der Teilnehmer in einer Beschäftigung und 21% in einem Ausbildungsprogramm. Da etwa ein Drittel der Beschäftigten an subventionierten Beschäftigungsprogrammen teilnehmen, liegt auf der Hand, dass die Schaffung von intensiveren Verbindungen zu den Arbeitgebern eine der großen Herausforderung für das TRACE-Programm bleibt. Seite 12 von 13 Arbeitsmarktpolitik in Frankreich Juli 2002 Referenzen Barbier, Jean-Claude, und Bruno Théret (2001), 'Welfare-to-Work or Work-to-Welfare: the French Case'. Neil Gilbert and Rebecca A. Van Voorhis, Activating the Unemployed, New Brunswick. Europäische Union (2000), The New Services - Jobs for Young People Programme: the French Review. Brussels. Europäische Union (2001), Discussion Paper from France on TRACE: Access Routes to Employment for Young People in Danger of Exclusion. Brussels. Französische Regierung (2001), National Action Plan for Employment 2001 and Overview of 2000, Paris. OECD (2001), Economic Surveys - France, Paris. OECD (2002), Employment Outlook, Paris Zoyem, Jean Paul (1999), The Social Minima: Eight Assistance Benefits in the French System of Social Protection. Paris: INSEE. Internetquellen: Nationales Institut für Statistik und Wirtschaftsforschung: www.insee.fr. Französische Dokumentations-Site (verschiedene Regierungsberichte): www.ladocumentationfrancaise.fr. Ministerium für Arbeit und Solidarität (verschiedene Dokumente und Beschreibung von Systemen): www.emploi-solidarite.gouv.fr. Staatliche Arbeitsverwaltung: www.anpe.fr. Sozial- und Familienunterstützungsstelle: www.caf.fr. Arbeitslosenkasse: www.unedic.fr. Jugend-Beschäftigungsprogramm (NSEJ): www.nsej.travail.gouv.fr. Seite 13 von 13