Konfrontative Verfahren zur Konfliktbewältigung und Gewaltprävention
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Konfrontative Verfahren zur Konfliktbewältigung und Gewaltprävention
Konfrontative Verfahren zur Konfliktbewältigung und Gewaltprävention Referenten: – Jasmin Dilly – Micha Marrek – Anja Hermann Überblick Einleitung (I.) Anti-Aggressivitäts-Training (ATT) (II.) Coolnesstraining (III.) Resümee (I.) Anti-AggressivitätsTraining (AAT) 1.Ursprung des AATs 2. Ansatzpunkt des AATs 3. Was ist das AAT? 4. Inhalte der Sitzungen – 4.1. Erster Teil – 4.2. Zweiter Teil 1. Ursprung des AATs hat seinen Ursprung in Justizvollzugsanstalt in Hameln heute findet es in vielen verschiedenen pädagogischen Bereichen Anklang z.B. offene Kinderund Jugendarbeit, Betreutes Wohnen, Bewährungshilfe, Strafvollzug, etc. 2. Ansatzpunkt des AATs Abtrainieren des abweichenden Verhaltens Aufbau prosozialen Verhaltens Verfahren der Desensibilisierung 3. Was ist das AAT? (1) Zielgruppe: Heranwachsende zwischen 1425 Jahren, die sich gern und häufig prügeln und Spaß an der Gewalt haben Training umfasst 60 Stunden bei einer Gruppengröße von fünf Personen Dauer: 4 bis 6 Monate wöchentliche Sitzungen von jeweils 3-5 Stunden 3. Was ist das AAT? (2) Ausgangspunkt des AAT: akzeptierende, verstehende Haltung kann bei gewalttätigen Mehrfachtätern nicht mehr wirken ---> Formung eines Gegenkonzeptes AAT nutzt konfrontierende Gespräche, die das Verhalten spiegeln und Grenzen spürbar machen ---> Ermöglichung des Zugangs eigener Emotionen 4. Inhalte der Sitzungen (1) feststehendes Curriculum bestehend aus 2.Teilen: 1.Teil: dient zur Analyse der Aggressionsund Rechtfertigungsmuster und dem Befördern von Gefühlen zentraler Aspekt "Heißer Stuhl„ erster Fortschritt wenn Jugendlicher während Provokationen ruhig bleibt Auseinandersetzung mit dem Opferleid 4. Inhalte der Sitzungen (2) 2.Teil: dient der Erprobung alternativer Verhaltensweisen in Konfliktsituationen Verfassung eines Briefes an das Opfer (ohne Abschicken) + Absage an die Gewalt jeder Teilnehmer erhält Zertifikat nach erfolgreicher Teilnahme (II.) Coolness-Training Gliederung 1. Grundannahmen 2. Grobziele 3. Methodik 4. Beispiel 5. Organisationale Rahmenbedingungen 6. Lernzieltaxonomie 7. Voraussetzungen für das Gelingen eines Coolnesstrainings 1. Grundannahmen (1) Weiterentwicklung des AAT`s zwecks Übertragbarkeit auf Schule und Jugendarbeit. Unterschiedliche Motivation der Teilnehmer des AAT`s und des CT`s: – AAT: Teilnahme i.d.R. aufgrund einer richterlichen Auflage, als Alternative zur Haftstrafe, – CT: i.d.R. freiwillig. Grundannahmen (2) Zielgruppe des Coolnesstrainings ist daher im Vergleich zum AATs größer: - gewaltbereite Jugendliche (die aber noch nicht unbedingt gewalttätig geworden sein müssen), - potentielle und tatsächliche Opfer, - scheinbar unbeteiligte Zuschauer. Grundannahmen (3) Begründung für die Ausweitung der Zielgruppe: – Die Überzeugung mit Gewalt Probleme lösen zu können, wird durch die Reaktion der Opfer bestärkt. – Opfer und Unbeteiligte reagieren auf die Gewaltanwendung Jugendlicher verängstig oder zumindest beeindruckt. – -->Die Täter erfahren so eine Bestätigung ihres Verhaltens durch das Gefühl Macht über andere ausüben zu können. 2. Grobziele Täter: Konfrontation mit ihrer Gewaltbereitschaft und Reduktion ihrer Aggressivität. Opfer: Reflektion ihres Verhaltens und ihrer Körpersprache, um aus ihrer „Operrolle“ auszubrechen. Unbeteiligte und involvierte Pädagogen: Einübung des couragierten Einschreitens. 3. Methodik Es stehen insbesondere öffentliche Räume im Mittelpunkt, z.B.: Schulhof, Straße, Bus, etc. Durch Rollenspiele sollen kritische Situationen analysiert und neu betrachtet werden. 4. Beispiel Provokation im Schulbus: - im vorderen Teil des Busses sitzt eine pöbelnde Gang. - Jeder der den Bus betritt wird beschimpft. - Mitschüler sollen im Rollenspiel erproben, an der Gruppe „vorbeizukommen“, ohne auf Provokationen einzusteigen. 5. Organisationale Rahmenbedingungen Training umfasst i.d.R. 10 bis 12 Termine á 3 Schulstunden. Trainingsort ist schwerpunktmäßig die Schule. 6. Lernzieltaxonomie (nach Gall) (1) (1.) Bewusste Wahrnehmung von aggressiven Gefühlen, (2.) Wahrnehmung von Nähe mit allen Sinnen (Haut, Geruch, etc.), (3.) Wahrnehmung der eigenen Gefühle in Konflikten, (4.) Erkennen der eigenen Stärken und Schwächen, Lernzieltaxonomie (nach Gall) (2) (5.) Akzeptanz begrenzter eigener Kommunikation und verschiedener subjektiver Wahrheiten, (6.) Interesse an gemeinsamen Zielen wecken, (7.) Aushalten leichter Konfrontationen, (8.) Erkennen von Rollenverhalten, Rollenzuweisungen und Rollenerwartungen, Lernzieltaxonomie (nach Gall) (3) (9.) Aushalten von stärkeren Provokationen, Erhöhung der Frustrationstoleranz, (10.) Reduzierung der Feindlichkeitswahrnehmung, (11.) Sinnvolles Verhalten in Bedrohungssituationen, (12.) Entspannungsverfahren, (13.) Erkennen von widersprüchlichen gesellschaftlichen Anforderungen. 7. Voraussetzungen für das Gelingen eines Coolnesstrainings Offenheit der Schule für die Methode, Bereitschaft der Lehrer sich an dem Programm zu beteiligen, Grundmotivation der Schulklasse, sich mit dem Themenspektrum auseinanderzusetzen. (III.) Resümee Gliederung 1. AAT und CT – Evaluationen zur Wirksamkeit der Methoden 2. Kritiker und ihre Gegenargumente 1. AAT und CT- Evaluationen zur Wirksamkeit der Methoden 1.) – Zur Wirksamkeit von AAT´s gibt es mehrere Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen: 1. AAT und CT- Evaluationen zur Wirksamkeit der Methoden a) Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) – Führt seit 1999 jährliche Evaluationen zur Umsetzungsentwicklung bei Institutionen durch, welche nach ISSStandard arbeiten 1. AAT und CT- Evaluationen zur Wirksamkeit der Methoden Ergebnisse aus 2001 im Vergleich zu 2000 – Zuwachs an durchgeführten Trainings von 91%; beim AAT sogar 125% – Mehrzahl der trainierten männlich 73% – Nicht-deutscher Herkunft 34% – Größte Gruppe: Hauptschüler, vor den Sonderschülern und Arbeitslosen 1. AAT und CT- Evaluationen zur Wirksamkeit der Methoden – Unterrepräsentiert: Gymnasiasten, Realschüler, Berufstätige – Anteil der Klienten, welche das Training wegen eines Strafbestandes der körperlichen Gewaltanwendung angeordnet bekommen haben: 63% – 24% absolvierten das Training wegen unsozialen Verhaltens in einer Institution 1. AAT und CT- Evaluationen zur Wirksamkeit der Methoden b) Studien zur Rückfallquote vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsens im Hamelner Jugendstrafvollzug von 1987- 1997 - 63% der behandelten Gewalttäter werden nicht mehr einschlägig rückfällig - Geringere Intensität der Straftat bei Rückfälligen 1. AAT und CT- Evaluationen zur Wirksamkeit der Methoden – Im Vergleich zu AAT- Untrainierten keine signifikanten Unterschiede ÆZurückzuführen auf die gute Arbeit im Bereich Resozialisation 1. AAT und CT- Evaluationen zur Wirksamkeit der Methoden c) Testpsychologische FAF-pre-postUntersuchung (Fragebogen zur Erfassung von Aggressivitätsfaktoren) – Nach AAT`s : deutschlandweite Reduzierung der Aggressionsneigung – Trainer geben eine hohe Akzeptanz der Methode an: Reduktion von Konflikten vor Ort 1. AAT und CT- Evaluationen zur Wirksamkeit der Methoden d) Befragung von Lehrern vor Ort von Gall – Zunehmende Gruppenkohäsion – Entspanntere Klassenatmosphäre – Streitschlichtung durch Schüler selbst – Schüler selbst bemerken Zugewinn an Selbstsicherheit und Selbstachtung 1. AAT und CT- Evaluationen zur Wirksamkeit der Methoden e) Fragebogenverfahren bei Absolventen der Jahre 1989 bis 2003 der Universität Ulm, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Zusätzlicher Einbezug von Bezugspersonen und Einblick in das Erziehungs- und Bundeszentralregister 1. AAT und CT- Evaluationen zur Wirksamkeit der Methoden Kontrollgruppe: Jugendliche mit anderen richterlichen Auflagen, z.B. soziale Trainingskurse (STK) – AAT-Absolventen werden von Bezugspersonen als weniger aggressiv und gewalttätig erlebt, als STK-Trainierte 1. AAT und CT- Evaluationen zur Wirksamkeit der Methoden Æ Begründung: – beim AAT stärkere konfrontierende Vorgehensweise („Heiße-Stuhl-Phase) – Möglichkeiten für „externe Auslöser für aggressives Verhalten sozial angepasstes Verhalten zu üben“ – Ergebnisse des Bundeszentralregisters: Senkung der Delikthäufigkeit und -intensität; gänzliche Straffreiheit konnte nicht erreicht werden 1. AAT und CT- Evaluationen zur Wirksamkeit der Methoden Allgemeines Fazit: Dem AAT kann kein Breitbandergebnis zugesprochen werden. Dennoch gibt es Effekte, welche die einzelnen Verhaltenskomponenten von Jugendlichen langfristig verändern können. 2.Kritiker und ihre Gegenargumente Trotz nachgewiesener Effektivität unterschiedliche Meinungen 2 Meinungsstränge: a) Erlösung aus der pädagogischen Stagnation b) Kritik am tribunalhaften Charakter des „Heißen Stuhls“ in Verbindung mit sehr konfrontativen Gesprächsführungen 2.Kritiker und ihre Gegenargumente ÆBefürchtung: kontraproduktive Wirkung ; Stil wird als autoritär und repressiv bezeichnet 2.Kritiker und ihre Gegenargumente 1) Winkler: – Affekte sollen nur kontrolliert werden, die Herkunft dieser wird nicht berücksichtigt – Soziale Arbeit soll nur medienwirksam zu einer Technik gemacht werden, um auf dem Markt Erfolg zu haben 2.Kritiker und ihre Gegenargumente 2) Scherr: – Hintergründe und Ursachen werden nicht berücksichtigt – Gewalt wird aus dem Kontext herausgelöst uns als Ausdruck individueller Aggressionsneigung dargestellt 2.Kritiker und ihre Gegenargumente 3) Kunstreich: – Übermacht des Trainers führt zu alleinigen Definitionsmacht, was abweichend ist oder der Norm entspricht Æ Trainer entscheidet welches Verhalten gefördert und welches begrenzt werden muss 2.Kritiker und ihre Gegenargumente 4) Rzepka: – Würde des Menschen wird verletzt – AAT als staatlich verhängte Zwangsmaßnahme ist verfassungswidrig, da der Staat niemanden zur inneren Umkehr zwingen darf – Ergebnisse sind nicht signifikant und belegen somit keine Wirksamkeit der Methode 2.Kritiker und ihre Gegenargumente – Kritik am rein defizitorientierten Ansatz des Trainers Æ Verantwortung für das Verhalten wird nur den Jugendlichen zugesprochen und gesellschaftliche Zusammenhänge und Verhältnisse werden nicht berücksichtigt 2.Kritiker und ihre Gegenargumente 5) Rau: – Zu einseitiger Fokus der AAT´s auf gewalttätigen und aggressiven Persönlichkeitsanteil – Wichtig bei psychologischen Störungen der Persönlichkeitsentwicklung: begleitende psychologisch-therapeutische Maßnahmen; „ganzheitliche Bearbeitung der Problematik unter Einbezug lebensweltlicher Zusammenhänge“ Literatur Schröder, Achim; Merkle, Angela (2007): Leitfaden Konfliktbewältigung und Gewaltprävention. Pädagogische Konzepte für Schule und Jugendhilfe, Schwalbach. Gall, Rainer (2004): Coolness-Training für Schulen, In: Weidner, Jens; Kilb, Rainer; Kreft, Dieter (Hrsg.): Gewalt im Griff. Neue Formen des Anti-Aggressivitäts-Trainings, Weinheim, S. 157 – 178.