Schattenblick Druckausgabe
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Neueste tagesaktuelle Berichte ... Interviews ... Kommentare ... Meinungen .... Textbeiträge ... Dokumente ... MA-Verlag POLITIK / REDAKTION Elektronische Zeitung Schattenblick Freitag, 16. September 2016 Mikroinitiative Gewerkschaftsbasen - Nadelstiche ... Libyen-Untersuchung belastet 144. Jour Fixe mit Eisenbahngewerkschaftern aus Japan David Cameron schwer Hifter und das HoR bringen Liby ens Ölreserven unter ihre Kontrolle Vortrag und Diskussion des Forums der Gewerkschaftslinken Hamburg am 7. September 2016 im Curiohaus 12. September David Cameron mit sofortiger Wirkung sein Mandat als Abgeordneter der britischen Conservative Party im Londoner Unterhaus niedergelegt. In einer knappen Presseerklärung begründete der Ex-ToryChef den Schritt ... (Seite 7) Teil 1: Rote Gewerkschaften gegen Privatisierung, Militarisierung und Atomenergie (SB) Völlig überraschend hat am POLITIK / KOMMENTAR Europas bittere Medizin Kannibalisierend aus der Krise (SB) Die Europäische Union als Entwurf der führenden Nationalstaaten und deren wichtigsten Kapitalfraktionen ist an ihre Grenzen gestoßen. Angesichts der globalen Verwertungskrise, die in stagnierenden Wachstumsraten ihren äußeren Ausdruck findet, sieht sich die für alternativlos erklärte Herrschaftsform und ... (S. 9) POLITIK / KOMMENTAR Die Beckenbauer-Saga - neuer Skandal oder längst Teil der Show? (SB) - Einmal in der Welt, lädt die schöne Metapher vom Sommermärchen zur Fortsetzung des märchenhaften Geschehens . .. (S. 11) ge Betroffene dem Trend durch den Aufbau internationaler Solidarität. Längst haben Staat und Kapital einen Rollback der Arbeitsbedingungen eingeleitet, der in die Frühphase der Industrialisierung zurückzuführen scheint, indem sie die in jahrzehntelangen (SB) 15. September 2016 - In ei- Arbeitskämpfen erstrittenen Erner Zeit, in der die Lohnempfän- rungenschaften nach und nach ger ihre Arbeitskraft im Rahmen schleifen. globalisierter Produktionsverhältnisse zu Markte tragen und von Ein kämpferisches, offenherziges einem Ende der Welt bis zum an- und auch lebensfrohes Beispiel deren gegeneinander in Konkur- für die Vernetzung der Arbeiterrenz treten, widersetzen sich eini- schaft über Staatsgrenzen hinweg Jour Fixe mit japanischen Ge werkschaftern: (von links) Dieter Wegner, Nobua Manabe (beim Dolmetschen), Ikuo Kimura, Shi nichi Thujikawa, Kenichi Aizawa und Masami Kuraoka. Foto: © 2016 by Schattenblick Elektronische Zeitung Schattenblick lieferte vor kurzem der Besuch einer Delegation der japanischen Eisenbahnergewerkschaften Doro-Chiba, Doro-Mito und DoroFukushima in Deutschland. Nachdem die Gäste zunächst in Berlin Station gemacht hatten, besuchten fünf der sechs Gewerkschaftsmitglieder am 7. September Hamburg, wo das Forum der Gewerkschaftslinken zum 144. Jour Fixe ins Curiohaus an der Rothenbaumchaussee geladen hatte. Die Moderation des Abends übernahm Dieter Wegner von der Vorbereitungsgruppe Jour Fixe, Verantwortlicher der Website der im Oktober 2005 gegründeten Gruppe der linken Gewerkschafter. [1] Das Vortrags- und Diskussionstreffen eröffnete Joachim Holstein, Sprecher des Wirtschaftsausschusses und Betriebsratsmitglied der DB European Railservice GmbH (DB ERS GmbH), einer 100prozentigen Tochter der DB Fernverkehr AG, mit einer rund 30minütigen Schilderung des gegenwärtigen Stands des Widerstands gegen die Abschaffung der Autoreise- und Nachtzüge in Deutschland. Anschließend stellten sich die japanischen Delegationsmitglieder vor und berichteten über ihre Tätigkeit als zwar kleine, aber schlagkräftige Gewerkschaft, die nicht nur für bessere Arbeitsbedingungen und faire Löhne, sondern auch gegen die zivile Nutzung der Atomenergie und die Militarisierung Japans kämpft und den vorherrschenden Kräften schon manchen Nadelstich zu versetzen wußte. Die Deutsche Bahn profit- statt serviceorientiert "Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, ins Seite 2 besondere den Verkehrsbedürf nissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbah nen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt." (Grundgesetz, Art. 87e, Absatz 4) Von diesem gesellschaftlichen Auftrag hat sich die Deutsche Bahn mehr und mehr entfernt. Sie war 1994 aus den west- und ostdeutschen Staatsbahnen Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn entstanden und ist heute eine Aktiengesellschaft, deren Wertpapiere sich zu 100 Prozent in der Hand des Staates befinden und nicht gehandelt werden. Noch nicht, muß man sagen, denn es hat schon mehrere Anläufe gegeben, dieses privatrechtliche Unternehmen aus dem Besitz der öffentlichen Hand an die Börse zu bringen. Die Deutsche Bahn wird wie ein marktwirtschaftliches Unternehmen geführt, was bedeutet, daß weniger rentable Angebote wie zum Beispiel gering frequentierte Strecken, die zwar für einige Nutzer von immenser Wichtigkeit sein können, nicht aber für die renditeorientierte Konzernzentrale, gestrichen werden. Deshalb sollen in Kürze sowohl die Autoreisezüge als auch die Nachtzüge dem Rotstift zum Opfer fallen. www.schattenblick.de Durch die unermüdlichen Proteste unter anderem der fünf- bis sechsköpfigen Gruppe, zu der auch Joachim Holstein gehört, wurde die Transformation der Deutschen Bahn zwar nicht verhindert, aber man hat in Kooperation mit anderen Gruppen zumindest so viel Lärm gemacht, daß ein 2008 aus dem Programm genommener Nachtzug von Hamburg nach Paris zwei Jahre darauf wieder auf die Schiene gebracht wurde. "Wir wollen nach Paris und nicht an die Börse", erklärten damals die Protestierenden, die damit den Unterschied in der grundsätzlichen Ausrichtung zwischen einer Bahn als Dienstleistungsunternehmen und einer Bahn als Aktiengesellschaft in einen griffigen Slogan faßten. Allerdings wurde Ende 2014 der Zug nach Paris erneut gestrichen. Joachim Holstein mit eindeutiger Botschaft Foto: © 2016 by Schattenblick Nachdem die Deutsche Bahn die Auto- und Nachtzüge an den Tochterkonzern DB Autozug übergeben hatte, zählte diese Beförderungsmöglichkeit nicht mehr zum Kernbereich des Unternehmens. Im Gegensatz beispielsweise "zum Paketversand in Asien, zu der Belieferung der Fr, 16. September 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick Olympioniken in Rio und dem Marketing für eine Eisenbahn in Abu Dhabi", sandte Holstein eine ironische Spitze in Richtung Bahnmanagement und konstatierte: "Aber Personen von Hamburg nach München zu bringen oder von Köln nach Berlin, das steht nicht mehr so sehr im Fokus des Bahnvorstandes." Bei einer Bundestagsanhörung habe er als Sachverständiger die Abgeordneten ersteinmal darüber aufgeklärt, daß sie vom Bahnvorstand falsch informiert worden waren. Dieser habe behauptet, der Nachtverkehr sei ein Nischengeschäft und werde nur von einem Prozent bzw. 1,4 Mio. Fernverkehrsreisenden genutzt. Tatsächlich werde der Nachtzug jedoch von 3,6 Mio. Personen in Anspruch genommen. Die niedrigere Zahl leite sich daraus ab, daß nur Schlaf- und Liegewagengäste mit Reservierung gezählt worden waren, nicht aber die Reisenden im Sitzwagen. Dennoch: Bis Ende 2016 stellt die Deutsche Bahn alle noch verbliebenen Nachtzugstrecken ein, und nur ein Teil davon wird von der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB), die bereits heute bestimmte Strecken befährt, übernommen. Schon Ende Oktober soll der letzte Autoreisezugverkehr eingestellt werden. Mit dem von ihnen erfundenen Konzept des LunaLiners werben Holstein und seine Mitstreiter und Mitstreiterinnen aus mehr als zwei Dutzend Organisationen und Verbänden sowie "lunapark", der "Zeitschrift zur Kritik an der globalen Ökonomie", für eine neue Nachtzugkooperation der europäischen Bahnen. Fr, 16. September 2016 Man könne mit Protesten etwas erreichen, betonte der Referent. Nicht nur der Zug nach Paris wurde wieder auf den Fahrplan genommen. Zum dicht gepackten Vortrag Holsteins sei hier ergänzt: Nach massiven Protesten hat die Bahn 2001 ihren Plan, alle Speisewagen abzuschaffen, fallengelassen. Ein Jahr darauf wurde die BahnCard50 abgeschafft. Es hagelte Proteste, und Mitte 2003 wurde sie wieder eingeführt. 2008 wurde der geplante Börsengang der Bahn aufgegeben, nachdem massive Proteste aufgeflammt waren, und so weiter. Eigentlich sollte man erwarten, daß die Bahn klimafreundlicher ist als das Flugzeug. Doch als seine Kollegen aus der Schweiz einmal eine Anfrage an ihre Regierung gerichtet hatten, wie es mit der Klimabilanz sei, wenn jemand mit dem Zug von der Schweiz nach Dänemark fahre oder dafür das Flugzeug nähme, hätten sie die überraschende Antwort erhalten, daß es günstiger für die Klimabilanz ist, den Flieger zu nehmen. Die Erklärung lieferte Holstein gleich mit: "Laut KyotoProtokoll werden Flugzeugabgase nicht auf den Schadstoffausstoß des Landes angerechnet. Also ist ein Flieger bilanzneutral, während der Zug, der in der Schweiz überwiegend per Elektrizität aus Wasserkraft angetrieben wird, plötzlich die Bilanz verhagelt." Holstein führte es nicht näher aus, doch wird an diesem Beispiel deutlich, daß die grüne Ökonomie - hier in Form des selbst von Umweltgruppen unterstützten Emissionshandels - nichts anderes als eine weitere Spielart privatwirtschaftlicher Kapitalakkumulation ist und sich ihre naturzerstörenwww.schattenblick.de den Folgen prinzipiell nicht von anderen Varianten der herrschenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung unterscheiden. "Es gibt auch in Japan ein rech tes Umfeld oder chauvinistische Kräfte. Diese Leute sind viele, sie sind zahlenmäßig größer als wir. Aber DoroMito und DoroChiba kämpfen mit den Studierenden von Zengakuren zusammen. Das hat eine enorme Kampfkraft." (Nobua Manabe, 7. September 2016, Hamburg) Foto: © 2016 by Schattenblick Doro-Chiba - klein, streitbar, stechsicher Die japanische Delegation setzte sich aus Mitgliedern kämpferischer Gewerkschaften zusammen, die keinem Dachverband für Betriebsgewerkschaften wie dem 1989 gegründeten Rengo - mit ca. 7 Mio. Mitgliedern der größte von drei gewerkschaftlichen Dachverbänden [2] - angeschlossen sind. Ikuo Kimura ist Generalsekretär von Doro-Mito, der Schwesterorganisation von DoroChiba. Als er Mitte der achtziger Seite 3 Elektronische Zeitung Schattenblick Jahre gegen die Aufteilung und Privatisierung der japanischen Staatsbahn gekämpft hat, wurde er versetzt und durfte nicht mehr als Lokführer arbeiten, sondern wurde als Kioskverkäufer beschäftigt. Dagegen hat er gerichtlich erfolgreich gestritten und mußte wieder in seinem eigentlichen Beruf beschäftigt werden. Shinichi Tsujikawa - Spitzname "Shin" - arbeitet seit 40 Jahren bei der Bahn. Er war der erste Vorsitzende von Doro-Mito und mußte 25 Jahre lang in einem Kiosk arbeiten. Auch er ist vor Gericht gezogen. Vor fünf Jahren hat er erstritten, daß er wieder Wartungsarbeiten an den Zügen verrichten darf. Vor 20 Monaten ist Kenichi Aizawa der Gewerkschaft Doro-Mito beigetreten. Noch vor zwei Jahren war er Mitglied einer sogenannten "gelben", unternehmensfreundlichen Gewerkschaft. Weil diese aber überhaupt nicht gekämpft hat, ist er nun bei DoroMito. Masami Kuraoka arbeitet in einem Kiosk auf dem Bahnhof der Stadt Koriyama in der Präfektur Fukushima. Sie war Mitglied der radikalen Studierendenvereinigung Zengakuren und hat die Gewerkschaft Doro-Fukushima gegründet. Diese setzt sich nicht nur für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein, sondern macht sich wie die Schwestergewerkschaften ebenfalls gegen Atomkraftwerke und Verstrahlung stark. So kämpfen die Gewerkschaften auch gegen das Vorhaben der Regierung, nördlich des havarierten Atomkraftwerks Fukushima Daiichi eine Bahnstrecke durch das stark radioaktiv Seite 4 verseuchte Gebiet in Betrieb zu nehmen. Das lehnen die Delegationsmitglieder unter Verweis auf das hohe Verstrahlungsrisiko, dem zunächst die Arbeiter an der Bahntrasse, dann das Eisenbahnpersonal und schließlich auch die Fahrgäste ausgesetzt sein würden, entschieden ab. Nobua Manabe ist Mitglied von Doro-Chiba und gehört dort der deutschsprachigen Abteilung an. Er war schon mehrmals in Deutschland, um die Kontakte zu pflegen und die internationale Solidarität weiter zu festigen. Er hat an diesem Abend das Dolmetschen übernommen. mit Ausnahme der regierungsnahen Organisation Greater Japan Industrial Patriotic Association (Sangyo-Houkokukai), um deren Mitglieder in den Kriegsdienst zu nötigen. Nach 1945 bestimmten die Alliierten die weitere gewerkschaftliche Entwicklung des Landes. Die USA förderten zwar die Bildung von Gewerkschaften, doch war ihnen die linke Ausrichtung des Verbands Sanbetsu ein Dorn im Auge. So wurde ein für den 1. Februar 1947 geplanter Generalstreik verboten. 1951 kam es zur sogenannten "roten Säuberung", die sich gegen unliebsame, linke Kräfte richtete. In den Jahren darauf wurde die Bildung von gemäßigteren DemokratisierungsAusschüssen (Minshuka Domei) als Gegengewicht zum sozialistisch ausgerichteten Gewerkschaftsverband Sohyo gefördert. Einige der Delegationsmitglieder aus Japan haben am eigenen Leib erlebt, was es bedeutet, für seine linke, klassenkämpferische Einstellung einzustehen und dafür Repressionen hinnehmen zu müs"Die Betreibergesellschaft JR sen. Eine fundamental unterdenkt, wenn DoroMito existiert, schiedliche Ansicht über Gekönnte diese Organisation größer werkschaftsarbeit war in den werden. Davor haben sie und die 1970er Jahren Anlaß zur Spaltung Regierung Angst." des gewerkschaftlichen Dachver(Shinichi Thujikawa, 7. Septem bands Doro. Die Gewerkschaft ber 2016, Hamburg) Doro-Chiba, die ihren Sitz in der Foto: © 2016 by Schattenblick Präfektur Chiba östlich der Hauptstadt Tokio hat, ist 1979 aus der landesweiten LokführergeRote Gewerkschaften in Japan - werkschaft Doro hervorgegangen. Dorn im Auge der Herrschenden Die zumeist jungen Mitglieder Die ersten Gewerkschaften wur- von Doro-Chiba haben sich über den in Japan ab 1884 gegründet. die bloßen Arbeitsbelange hinaus Begonnen hatte es mit dem Zu- bei politischen Streitthemen wie sammenschluß der Typographen dem amerikanisch-japanischen der Firma Shueisya. Während des Sicherheitspakt Ampo und dem Zweiten Weltkriegs wurden sämt- Flughafenprojekt Narita, das mit liche Gewerkschaften aufgelöst, Landenteignungen der Bauern www.schattenblick.de Fr, 16. September 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick einhergegangen war, eindeutig auf der Seite des Protests und Widerstands positioniert. Zum Bruch mit dem Doro-Dachverband war es nicht zuletzt gekommen, weil die Gewerkschafter aus Chiba den Kampf der SanrizukaInitiative gegen den Flughafen Narita unterstützten, indem sie beispielsweise Tankzüge auf dem Weg zum neuen Flughafen blockierten. Die Bezeichnung "kämpferisch" für Doro-Chiba ist durchaus so zu verstehen, daß ihre Mitglieder handgreiflich werden mußten, da der Doro-Dachverband Schlägertrupps und Rollkommandos gegen die Abtrünnigen entsandt hatte. Die versuchte Zerschlagung Doro-Chibas war jedoch gescheitert. 1974/75, als sich die Krise der Weltwirtschaft zuspitzte, erlebte Japans Wirtschaft drastische Einbußen. Das Wachstum lag bei nahezu Null Prozent, gleichzeitig verzeichnete das Land eine hohe Inflationsrate. Die dem Kapitalismus immanente Krisenhaftigkeit wurde nun von Politik und Wirtschaft zum Vorwand genommen, um den Arbeitsdruck zu erhöhen und Sachzwänge zu konstruieren. So wurde behauptet, nur in der Privatisierung der Nationalen Japanischen Eisenbahn sei die Antwort auf die defizitäre Lage zu sehen. 1987 wurde die Japanese National Railway in sieben Teile zerschlagen und privatisiert. Noch heute tragen die sieben Gesellschaften JR (Japan Railways) in ihrem Namenszug. Doro-Chiba kämpft gegen die Privatisierung, organisiert Streiks, tritt gegen den Personalabbau ein und widersetzt sich Rationalisierungsmaßnahmen. Hier hat auch Doro-Mito ihre Wurzeln. Fr, 16. September 2016 Beschäftigten, sondern auf dem Konzept des 'Betriebs als Gemeinschaft', das nicht kulturgegeben ist, sondern durchgesetzt wurde", schreibt Michael Ehrke in einem Bericht für die Friedrich-Ebert-Stiftung. [3] Was es bedeuten kann, kein Klasseninteresse zu vertreten, erläuterten die japanischen Gäste in Hamburg: Der große Gewerkschafts"DoroMito kämpft, deshalb bin dachverband Rengo mit seinen sieben Millionen Mitgliedern ich ihr beigetreten." (Kenichi Aizawa, 7. September führe überhaupt keine Streiks durch, er sei noch unternehmens2016, Hamburg) freundlicher als der DGB in Foto: © 2016 by Schattenblick Deutschland. Außerdem spreche Mito ist die Hauptstadt der Prä- er sich für Atomenergie aus. fektur Ibaraki. Die Privatisierung der Bahn Ende der achtziger Jah- Eben weil Rengo keine Streiks re konnte nicht verhindert wer- ausrufe, errege es mediale Aufden, doch schon rollte eine neue merksamkeit, wenn die kleineren Front gegen die Arbeiterinnen Gewerkschaften dies an ihrer statt und Arbeiter heran, die Prekari- täten, berichteten die Delegatisierung. Sie richtet sich gegen das onsmitglieder. Mit einer Mitgliesozialpartnerschaftliche System derzahl von 400 bei Doro-Chiba der für Japan charakteristischen und 40 bei Doro-Mito könne man lebenslangen Anstellung in einem zwar keinen Betrieb stillegen, Betrieb. Leiharbeit, Zeitarbeit aber so ein Streik sei eine Botund andere atypische Beschäfti- schaft, die gehört werde und auch gungsformen, die zumeist prekär Sympathien bei Nicht-Mitglieentlohnt werden, nehmen schon dern wecke. Wenn die Lokführer seit Jahrzehnten zu; inzwischen von Doro-Mito in den Streik tresind 40 Prozent der japanischen ten, muß die EisenbahngesellArbeiter in solch einem Arbeits- schaft Ersatzpersonal finden. Jeverhältnis tätig. Doro-Chiba und doch lehnten es immer mehr junDoro-Mito haben sich die Aufga- ge Leute, die in einer gelben Gebe gestellt, auch die prekär Be- werkschaft organisiert sind, ab, schäftigten zu organisieren, gera- sich als Streikbrecher zu betätide weil sich diese in einer schwa- gen. chen Position gegenüber dem Arbeitgeber befinden und allzu häufig Konkurrenz statt Zusammen- "1047" oder Kompromiß und halt ihr Verhältnis zueinander be- kompromittiert haben die gleistimmt. chen Wurzeln "Die Organisationsform der japanischen Arbeitnehmer (Betriebsgewerkschaft) basiert nicht auf einem überbetrieblich definierten 'Klasseninteresse' aller abhängig www.schattenblick.de Die Zahl "1047" steht für einen Arbeitskampf, der in die Zeit der Bahnprivatisierung zurückreicht und bis heute nicht abschließend ausgefochten ist. 1987 wurden Seite 5 Elektronische Zeitung Schattenblick "Mitte der achtziger Jahre wurde die japanische Staatsbahn abge schafft und privatisiert. Dagegen haben DoroMito und DoroChi ba gekämpft." (Ikuo Kimura, 7. September 2016, Hamburg) Foto: © 2016 by Schattenblick mehr als 7000 Arbeiter der Staatsbahn nicht übernommen. Sicherlich auch bedingt durch die japanische Tradition, daß die Beschäftigten ihr Leben lang für eine Firma arbeiten, sobald sie eingestellt werden, wurden die Bahnarbeiter nicht entlassen, sondern einer "Settlement Corporation" (Abwicklungsgesellschaft) zugewiesen. Davon betroffen waren nicht zufällig vor allem Mitglieder der kämpferischen Gewerkschaften. Nach drei Jahren waren noch 1047 von ursprünglich 7628 Bahnarbeitern nicht "freiwillig" abgewickelt worden. Daraufhin wurde ihnen gekündigt. [4] Im März 1990 trat Doro-Chiba für 84 Stunden in einen Solidaritätsstreik mit dieser Gruppe. Diese hat gegen ihre Entlassung geklagt und im Laufe der Jahre schon mehrmals vor Gericht Erfolge errungen, dennoch wurden die 1047 nicht eingestellt. Am 9. April 2010 stimmten die kompromißbereiten Gewerkschaften des Dachverbands Doro dem Angebot zu, daß den 1047 Bahnarbeitern eine (dürftige) Abfindung gezahlt wird. Im Juni 2011, gut drei MoSeite 6 nate nach dem schweren TohokuErdbeben vor der Ostküste Japans, das einen verheerenden Tsunami auslöste, der mehr als 20.000 Menschenleben forderte, und zu einer dreifachen Kernschmelze im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi führte, wurde der Kampf der 1047 vom Klägerverband und einem Koordinationskomitee für beendet erklärt. terer Länder vereinbart werden soll. TPP diene den Großmächten bzw. imperialistischen Ländern wie USA und Japan dazu, den Arbeitsmarkt zu kontrollieren und Zugriff auf natürliche Ressourcen zu erlangen, erklärte Manabe. Diesen Zielen würde alles geopfert, von der Arbeit über die landwirtschaftliche Produktion bis zur medizinischen Betreuung. Deshalb sei man strikt gegen TPP. Doro-Chiba protestierte dagegen. Denkatsu - Solidarität über natioFür die kämpferischen Gewerk- nale Grenzen hinaus schaften sind Erdbeben und Tsunami keine Naturkatastrophen, "Bauen wir Gewerkschaften auf, sondern "ein Verbrechen der japa- die gegen das Kapital kämpfen" nischen Regierung", so Nobua und "man muß den Kampf im GeManabe. Damit spielte er auf ei- samtinteresse der Arbeiterklasse ne generell durch Vernachlässi- fortsetzen", erklärten die Besugung gekennzeichnete Sicher- cher, für die Begriffe wie Klasheitskultur des profitorientierten senfrage, Arbeiterklasse und Wirtschaftens an. Ohne Atom- Klassenkampf keine theoretienergie wären jetzt nicht weite schen Konstrukte darstellen. Daß Landstriche Japans verstrahlt, und solche Termini von den herrohne das Einsparen grundlegen- schenden Kräften diskreditiert der Sicherheitsmaßnahmen beim werden, hat seinen "guten" Akw Fukushima Daiichi hätte die Grund, denn damit werden ihre Verstrahlung möglicherweise keineswegs unumstößlichen Prinicht das heutige Ausmaß er- vilegien sowie die von ihnen bereicht. Ebenso wie vieles dafür vorzugte gesellschaftliche Eigenspricht, daß das schwere Zugun- tumsordnung fundamental in Fraglück von Amagasaki bei Osaka ge gestellt. Der Klassenkampf am 20. April 2005, bei dem 107 ließe sich sehr wohl auch heute Menschen gestorben sind (und noch wie vor über 160 Jahren, als nicht, wie mitunter berichtet wur- der Begriff durch die Veröffentlide, 106 Personen, da der Lokfüh- chung des "Kommunistischen rer nicht mitgezählt wurde - ein Manifests" größere Verbreitung Umstand, der bei den Mitgliedern fand, in die Konsequenz der mit der japanischen Delegation heute ihm verbundenen Intention übernoch den Zorn weckt), eine Folge führen. des Arbeitsdrucks aufgrund des eng getakteten Zeitplans der Das gewerkschaftliche Rot steht Bahngesellschaft JR West war. sicherlich nicht für die nahezu bedingungslose Wahrung des soziIn jüngerer Zeit wenden sich die alpartnerschaftlichen Friedens kleinen Gewerkschaften auch ge- zwischen Arbeitnehmern und Argen das geplante Freihandelsab- beitgebern, wie sie von branchenkommen TPP (Transpazifische übergreifenden Dachverbänden Partnerschaft), das zwischen den wie Rengo in Japan und DGB in USA, Japan und einer Reihe wei- Deutschland praktiziert wird, www.schattenblick.de Fr, 16. September 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick sondern für kleine, kämpferische Organisationen wie Doro-Chiba, Doro-Mito und Doro-Fukushima in Japan und beispielsweise GDL (Gewerkschaft der Lokführer) und FAU (Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union) in Deutschland. Somit böte sich fast natürlicherseits eine Zusammenarbeit zwischen diesen "Mikroinitiativen" an, so daß die "internationale Solidarität" (Denkatsu), die von den japanischen Delegierten sehr betont wurde, niemals zum Lippenbekenntnis vergärt, sondern selbstverständliche Begleiterscheinung gelebter gewerkschaftlicher Praxis bleibt. Seit 2011, dem Beginn der radioaktiven Permanentkontamination von Teilen Japans und des Pazifischen Ozeans, haben die Proteste der drei kleinen japanischen Gewerkschaften gegen die Atomenergie an Entschiedenheit noch zugenommen. Davon handelt der zweite Teil der Berichterstattung zum 144. Jour Fixe der Gewerkschaftslinken in Hamburg. Anmerkungen: [1] http://www.jourfixe.hamburger-netzwerk.de/index.html "Eine Rückkehr in die verstrahlten Gebiete kommt überhaupt nicht in Frage. Ich habe durch die Kämpfe von DoroMito Mut gefaßt. Deshalb habe ich gemeinsam mit anderen DoroFukushima gegründet." (Masami Kuraoka, 7. September 2016, Hamburg) Foto: © 2016 by Schattenblick [2] 1989 markiert einen Umbruch in der japanischen Gewerkschaftsentwicklung. In jenem Jahr wurde nicht nur Rengo gegründet, sondern auch der Dachverband Zenroren (2012: 870.000 Mitglieder), der der Kommunistischen Partei Japans (KPJ) nahesteht, und Zenrokyo (2012: 130.000 Mitglieder), der von drei ehemaligen Sohyo-Funktionären gebildet wurde. Sohyo hatte sich 1989 aufgelöst. [3] http://www.fes.de/pdf-files/stabsabteilung/00041.pdf [4] http://www.sozonline.de/2012/02/eine-kurzegeschichte-von-doro chiba/ http://www.schattenblick.de/ infopool/politik/report/ prbe0243.html POLITIK / REDAKTION / NAHOST Libyen-Untersuchung belastet David Cameron schwer Hifter und das HoR bringen Libyens Ölreserven unter ihre Kontrolle (SB) Völlig überraschend hat am 12. September David Cameron mit sofortiger Wirkung sein Mandat als Abgeordneter der britischen Conservative Party im Londoner Unterhaus niedergelegt. In einer knappen Presseerklärung begründete der Ex-Tory-Chef den Schritt mit dem Wunsch, seiner Nachfolgerin als Premierministerin Therese May den nötigen FreiFr, 16. September 2016 raum für die Bewältigung des Brexit-Fiaskos, sprich der Folgen des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union, das er durch die Abhaltung einer umstrittenen Volksbefragung am 23. Juni angerichtet hatte, zu verschaffen. Doch es gibt einen naheliegenderen Grund, warum Cameron mit nur 49 Jahren die politische Bühne fluchtartig verläßt. www.schattenblick.de Am 13. September hat ein Sonderausschuß des britischen Parlaments das Ergebnis seiner Untersuchung über die Hintergründe und Auswirkungen des LibyenKriegs 2011 vorgelegt. Der Bericht ist für Cameron, dem die Autoren einen beträchtlichen Teil der Verantwortung für das Chaos in dem nordafrikanischen Land anlasten, absolut niederschmetternd. Seite 7 Elektronische Zeitung Schattenblick Im Februar 2011 war es in der Islamisten-Hochburg Benghazi zu Protesten gegen das "Regime" Muammar Gaddhafis gekommen. Während der selbsternannte Revolutionsführer in den Teilnehmern der Proteste sunnitische Umstürzler sah, drängten Cameron, Nicola Sarkozy, seinerzeit Präsident Frankreichs, und Hillary Clinton, damals Außenministerin der Regierung von US-Präsident Barack Obama, auf eine gemeinsame Militäraktion, um ein angeblich drohendes Blutbad unter der Zivilbevölkerung zu verhindern. Daraus wurde recht schnell eine großangelegte, monatelange Operation, in deren Verlauf westliche Kampfjets und Spezialstreitkräfte am Boden den libyschen Rebellen zum "Regimewechsel" in Tripolis sowie zur Ermordung Gaddhafis verhalfen. Dazu heißt es im Bericht: ... eine begrenzte Intervention zum Schutz von Zivilisten verwan delte sich in eine opportunistische Strategie des Regimewechsels mit militärischen Mitteln. (...) Uns liegen keine Beweise vor, daß die Regierung des Vereinigten Kö nigreichs eine angemessene Ana lyse der Art des Aufstands in Liby en durchgeführt hat. ... Sie konnte die tatsächliche Bedrohung, die vom GaddhafiRegime ausging, nicht verifizieren; sie hat Aspekte der Rhetorik Muammar Gaddhafis für bare Münze genommen; und sie hat es versäumt, die Rolle militant extremistischer Islamisten beim Aufstand zu identifizieren. Die Strategie Großbritanniens basier te auf Fehlannahmen und einer un vollständigen Interpretation der vorliegenden Informationen. Seite 8 (...) Die Möglichkeit, daß militante Extremistengruppen versuchen würden, Profit aus dem Aufstand zu schlagen, hätte nicht nicht erst im Rückblick zu erkennen gewe sen sein dürfen. Libysche Verbin dungen zu transnationalen, mili tanten Extremistengruppen waren vor 2011 bekannt, denn viele Li byer hatten mit Al Kaida am Auf stand im Irak und in Afghanistan teilgenommen. überrascht wenig. Denn wie der konservative Kommentator Peter Oborne am 14. September in der Onlinezeitung Middle East Eye treffend angemerkt hat: "Sehr wenige politische Sterne, nicht einmal derjenige Tony Blairs, sind so tief und so schnell gefallen, wie der von David Cameron." Währenddessen schlagen sich die einfachen Libyer mit den Folgen des von Cameron, Sarkozy und Clinton angerichteten Chaos herum. Derzeit versuchen MilizioIm Bericht wird das Ergebnis der näre aus Misurata, die Luftunterdamaligen NATO-Einmischung stützung der USA sowie Hilfe von in Libyen mit drastischen Worten britischen und amerikanischen beschrieben: Militärberatern am Boden erhalten und die im Auftrag der von ... politischer und wirtschaftlicher den Vereinten Nationen anerKollaps, Bürgerkrieg unter den kannten neuen Regierung der Nazahlreichen Milizen und Stäm tionalen Einheit (Government of men, eine humanitäre Krise mit National Agreement - GNA) opezahlreichen Flüchtlingen, weit rieren, die letzten IS-Kämpfer aus verbreitete Menschenrechtsver der Stadt Sirte zu vertreiben. Die letzungen, die Verbreitung der Rückeroberung Sirtes, die urWaffen des GaddhafiRegimes in sprünglich in wenigen Tagen beder Region und das Aufkommen endet sein sollte, dauert bereits des Islamischen Staats (IS) in mehr als drei Monate und hat Nordafrika. Hunderte von Menschen das Leben gekostet. Gleichzeitig versu(...) chen vor der Küste die Besatzungen zahlreicher NATO-Schiffe, Durch seine Entscheidungen im des nicht abreißenden FlüchtNationalen Sicherheitsrat trägt lingsstroms Herr zu werden. ExPremierminister David Came ron die Hauptverantworung für das Versagen, keine kohärente Li byenStrategie entwickelt zu ha ben. Cameron, der sich unter Verweis auf den "Druck des Terminkalenders" als Premierminister geweigert hatte, während der achtmonatigen Libyen-Anhörungen des House of Commons Foreign Affairs Committee (FAC) vor diesem aufzutreten, schweigt nun zum Untersuchungsbericht. Dies www.schattenblick.de Ende August hat sich das 2014 vom Volk gewählte, aus Angst vor Islamisten im selben Jahr von Tripolis ins östliche Tobruk geflohene Repräsentantenhaus (House of Representatives) geweigert, die mit Hilfe der "internationalen Gemeinschaft" erfolgte Einsetzung der GNA anzuerkennen. Statt dessen hat in den letzten fünf Tagen die libysche Nationalarmee, die für das HoR kämpft und vom einstigen Vertrauten Gaddhafis und mutFr, 16. September 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick maßlichen CIA-Verbindungsmann General Khalifa Hifter geführt wird, in einer Blitzaktion die vier wichtigsten Ölverladehäfen Libyens am Mittelmeer - Brega, Ras Lanuf, Sidra and Zuwaytina - unter ihre Kontrolle gebracht. Berichten zufolge sind Hifters Männer dabei auf keinen nennenswerten Widerstand seitens der Petroleum Facilities Guard (PFG), die den Ölexport die letzten drei Jahre lang blockiert hatte, gestoßen. Über den jüngsten Erfolg Hifters und des HoR ist der UN-Sondergesandte für Libyen, Martin Kobler, der sich Ende August mit dem umstrittenen PFG-Chef Ibrahim Jodran traf, um ihn zur Kooperation mit der GNA zu bewegen, nicht besonders glücklich. Laut Resolution 2259 des UN-Sicherheitsrats darf nur die GNA libysches Öl auf den Weltmarkt bringen, so Kobler. Daß sich die Verantwortlichen in Tobruk, die nicht nur von Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten, sondern auch von Frankreich und Italien Unterstützung erfahren, von den Ermahnung des deutschen Diplomaten beeindrucken lassen, darf bezweifelt werden. Einige Beobachter sehen in dem Vorstoß sogar den ersten gravierenden Schritt zur politischen Trennung Libyens in einen östlichen Teil mit Tripolis und einen westlichen Nachfolgerstaat mit Tobruk als Hauptstadt. http://www.schattenblick.de/ infopool/politik/redakt/ nhst1478.html Fr, 16. September 2016 POLITIK / KOMMENTAR / HEGEMONIE Europas bittere Medizin - Kannibalisierend aus der Krise Die Europäische Union als Entwurf der führenden Nationalstaaten und deren wichtigsten Kapitalfraktionen ist an ihre Grenzen gestoßen. Angesichts der globalen Verwertungskrise, die in stagnierenden Wachstumsraten ihren äußeren Ausdruck findet, sieht sich die für alternativlos erklärte Herrschaftsform und Wirtschaftsweise mit dem Verlust ihrer Bindekraft und Zugriffsgewalt konfrontiert. Das Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien charakterisiert in einer Studie mit dem Titel "Perspektiven für die Verteidigung Europas 2020" das Szenario folgendermaßen: (SB) 15. September 2016 Da der Anteil der armen, frustrierten Weltbevölkerung weiterhin sehr hoch sein wird, werden sich die Spannungen zwischen dieser Welt und der Welt der Reichen weiter verschärfen - mit entsprechenden Konsequenzen. [...] Durch die Technologie schrumpft die Welt zu einem globalen Dorf, das sich allerdings am Rande einer Revolution befindet. Während wir es mit einer immer stärker integrierten Oberschicht zu tun haben, sind wir gleichzeitig mit wachsenden explosiven Spannungen in den ärmsten Unterschichten konfrontiert. [1] Da die Eliten, die über die militärischen, ökonomischen und politischen Machtmittel zur Durchsetzung ihrer Interessen gebieten, ein Rühren an der Eigentumsfrage mehr denn je ausschließen, sieht ihre Doktrin zur Bewältiwww.schattenblick.de gung der multiplen Krise zwangsläufig eine aggressive Flurbereinigung zu Lasten entufernder Opfer und zugunsten eines Konzentrationsprozesses vor, der kannibalisierend die Stärksten noch stärken machen soll. So schlägt die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini vor, den grassierenden Streit durch eine gemeinsame Militärpolitik zu überwinden, die der Integration neuen Schwung verleihen könne. Die EU habe ihren Ausbau stets mit bestimmten Schwerpunkten verknüpft: Auf den Binnenmarkt sei die gemeinsame Währung und schließlich mit dem SchengenAbkommen die Freizügigkeit gefolgt. Nun sei der Moment gekommen, in dem man "die Grundlagen für eine gemeinsame Verteidigung" schaffen könne. [2] Daß die EU ihre inneren Konflikte und äußeren Konkurrenzkämpfe bewältigen könne und müsse, indem sie militärisch zur Weltmacht aufsteigt, ist auch das Leitmotiv der Rede zum "State of the Union" des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Wenngleich man stolz auf den weltpolitischen Einfluß sein könne, lasse sich die erreichte Machtposition nur ausbauen, indem man auf gemeinsame europäische Streitkräfte hinarbeite. Zudem dürfe sich ein Kontrollverlust wie bei der Migrationswelle im vergangenen Jahr nicht wiederholen, wofür es die vereinbarte gemeinsame Grenzsicherung, die Aufstockung von Frontex und die Seite 9 Elektronische Zeitung Schattenblick lückenlose Registrierung jedes Einreisenden wie auch die Stärkung von Europol umzusetzen gelte. [3] Bundeskanzlerin Angela Merkel, in deren Regierungszeit der deutsche Vormachtanspruch in Europa und darüber hinaus unabweislich in Stellung gebracht worden ist, hat in allen Krisen der letzten Jahre den Ton angegeben. Und nicht nur das. Deutschland ist stets als Krisengewinner gestärkt aus der Bredouille hervorgegangen und hat seine vordem gleichrangigen Partner niederkonkurriert und in den zweiten Rang verwiesen, von der abgehängten und ausgeplünderten Peripherie ganz zu schweigen. Nun soll der insbesondere durch die Schaffung des riesigen Niedriglohnsektors erzwungene Produktivitätsvorsprung über die wirtschaftliche Dominanz hinaus auch militärisch konsolidiert werden, wozu die Krise des Brexit die Gelegenheit bietet. Großbritannien hatte ebenso wie die USA von der NATO getrennte europäische Militärbündnisse stets abgelehnt. Kaum war der langjährige britische Widerstand eliminiert, als die Bundeskanzlerin und Frankreichs Präsident Francois Hollande auch schon langgehegte Pläne aus der Schublade zogen. Ein von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihrem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian vorgelegtes Konzept sieht vor, die Streitkräfte der verbliebenen EU-Staaten enger miteinander zu vernetzen. Es sei "höchste Zeit, unsere Solidarität und die Europäischen Verteidigungsfähigkeiten zu stärken, um unsere Grenzen und die Bürger der EU effektiver zu schützen Seite 10 [...]. Unter der Prämisse der Entscheidung des Vereinigten Königreichs, die Europäische Union zu verlassen, ist es nun unser Ziel, mit den verbleibenden 27 Mitgliedsstaaten weiter voranzuschreiten." Die Militäroperationen der EU sollen vom Eurocorps geplant werden, einer gemeinsamen Einheit von Truppen aus mehreren Mitgliedsländern, deren Hauptquartier in Straßburg angesiedelt ist. wicklungen wiederzugewinnen, die sie überwältigen, verwirren und manchmal erschrecken." Heute glaubten nicht nur in Großbritannien viele Menschen, daß die Mitgliedschaft in der Europäischen Union nicht mit Stabilität und Sicherheit vereinbar sei. [4] Daß zugleich immer mehr Menschen in Europa der Auffassung sind, daß die EU ihnen Arbeitslosigkeit, sinkende Sozialstandards und Armut beschere, streifte Tusk nur am Rande, indem er nebulös formulierte, daß die Bürger von der Europäischen Union erwarteten, ihre wirtschaftlichen und sozialen Interessen besser zu schützen. Da das Projekt des europäischen Zusammenschlusses nie dafür vorgesehen war, die Lebensverhältnisse anders als selektiv und befristet zu verbessern, sie vielmehr unter eine beispiellose rechtliche und administrative Kontrolle zwingen soll, ließ der Ratspräsident wohlweislich unerwähnt. Wie weitreichend die angestrebte strategische Autonomie der EU konzipiert ist, unterstreicht die erklärte Absicht, die Rüstungsindustrien zu vereinheitlichen und sich auf die vier zentralen Bereiche Luftbetankung, Satellitenkommunikation, Cybersicherheit und Drohnen zu konzentrieren. In diesem Vorhaben kommt nicht nur das Interesse zum Ausdruck, sich von US-amerikanischen Rüstungsgütern unabhängiger zu machen, sondern auch die Voraussetzungen für eine eigenständige weiträumige Kriegführung zu schaffen. Was auf dem Gipfel in Bratislava beraten wird, haben Merkel und EU-Ratspräsident Donald Tusk Hollande untereinander abgesteckt in seiner Einladung zum stimmt und vordefiniert, wobei Gipfeltreffen die Staatschefs in der französische Präsident eher Bratislava den Rahmen ab, indem ein Werkzeug der Kanzlerin als er eine schwere Krise der EU dia- ein Partner aufAugenhöhe ist. Im gnostiziert, in der das Überleben August hatten die Innenminister der Demokratie in Europa bedroht beider Länder ein Projekt zur Versei. Die Geschichte habe gezeigt, besserung der inneren Sicherheit daß eine solche Situation zu einer vorgestellt, jetzt sollen die divermassiven Abkehr von Freiheit sen Krisen samt den Ängsten der und den anderen grundlegenden Bürger und der um sich greifende Werten führen könne, auf denen Europaskepsis mittels einer engedie EU gegründet worden sei. Als ren militärischen ZusammenarKernproblem identifiziert auch er beit der EU-Staaten aus dem Feld die Sicherheitslage, wenn er er- geschlagen werden. Die EU will klärt: "Die Menschen in Europa zeigen, daß sie nicht nur ihre wollen wissen, ob die politischen Grenzen schützen und kontrollieEliten in der Lage sind, die Kon- ren, sondern auch Rußland in die trolle über die Ereignisse und Ent- Schranken weisen sowie in Afriwww.schattenblick.de Fr, 16. September 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick ka und dem Nahen und Mittleren Osten ihren Einfluß geltend machen kann. [5] Die Botschaft an die Bundesbürgerinnen und -bürger, daß deutsche Stärke nach außen bis hin zur Kriegsführung der beste Garant eines Lebensstandards sei, der nicht so rasant sinkt wie der in den europäischen Nachbarländern, geschweige denn in anderen Weltregionen, hat ihren Preis. Zum einen in Gestalt einer Kollaboration an ökonomischer Ausbeutung und militärischer Heimsuchung anderswo, nicht zuletzt aber auch einer repressiven Verengung hierzulande, welche die Fesseln einer verrechtlichten, administrativ durchdrungenen und unter Bringschuld gestellten Existenz immer enger zieht. Anmerkungen: [1] https://www.wsws.org/de/articles/2016/09/14/mili-s14.html [2] https://www.jungewelt.de/2016/09-15/037.php [3] http://www.dw.com/de/juncker-jahr-der-entscheidung-füreuropa/a-19549947 [4] https://www.wsws.org/de/articles/2016/09/15/tusk-s15.html [5] http://www.dw.com/de/merkel-und-hollande-wollen-einigkeit-demonstrieren/a-19553554 http://www.schattenblick.de/ infopool/politik/kommen/ hege1801.html Fr, 16. September 2016 POLITIK / KOMMENTAR / KULTUR Die Beckenbauer-Saga neuer Skandal oder längst Teil der Show? (SB) 15. September 2016 - Einmal in der Welt, lädt die schöne Metapher vom Sommermärchen zur Fortsetzung des märchenhaften Geschehens um die Austragung der Fußball-WM der Männer 2006 in der Bundesrepublik ein. So scheint sich die Geschichte des allein für die Ehre, Deutschland zu dienen, um die Welt jettenden Franz Beckenbauer doch noch als Ente aus jenem sumpfigen Tümpel zu erweisen, der die Helden gebiert, die die Nation nun einmal braucht. Sicherlich wurden auch vor zehn Jahren Zweifel daran geäußert, daß der Zuschlag für die Fußball-WM auf ganz und gar transparente und korrekte Weise zustandegekommen sei. Auch hatte das vielzitierte Bild Beckenbauers, der mit seinem Koffer für die notwendige Reibungsarmut in den erforderlichen Entscheidungsprozessen sorgte, einen lausbübischen Charme eigener Art. Daher muß auch die mittlerweile von seinen Anwälten dementierte Behauptung [1], der Sportfunktionär habe 5,5 Millionen Euro für ein ehrenamtliches Engagement erhalten, nicht bedeuten, daß die dem "Kaiser" verdienstvoll angerechnete Erfüllung dieser nationalen Pflicht aus rein pekuniären Motiven erfolgte. Wer angesichts des nun aufgeschlagenen und möglicherweise finalen Kapitels der Beckenbauer-Saga meint, mit seiner im Ehrenamt unentgeltlich im Glauben an die gute Sache verrichteten Arwww.schattenblick.de beit an der Fußballfront hinters Licht geführt worden zu sein, will nicht wahrhaben, daß sich der symbolpolitische Ertrag des Sommermärchens nicht im luftleeren Raum selbstloser Werte, sondern in der harten Währung blanker Zahlung rechnet. Die angeblich als Katalysator eines Imagewandels, der ein ganz normales, nicht mehr im Schatten einer unseligen Vergangenheit stehendes Deutschland zum Ergebnis hatte, fungierende WM hat durchaus bewirkt, das Land in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Die damit beschworene Normalität muß sich allerdings nicht mit einem vermeintlich "positiven Patriotismus" [2] begnügen, sondern kann nationalen Erfolg auch im harten Kalkül neoliberaler Standortpolitik reklamieren. Was in der nun angebrochenen Götterdämmerung, die den Kaiser gar ins Verlies jenes Staates führen könnte, für den er sich selbstlos aufgerieben haben soll, beklagt wird, ist mithin der gleichen Moral geschuldet, auf deren Flügeln Beckenbauer einst in den Himmel eines neuen, von der "Sauberkeit" [3] des Sportes reingewaschenen Nationalmythos gehoben wurde. Wie der GrünenSportpolitiker Özcan Mutlu von einer "'Neverending Story', die mit 'Lügen, Vertuschung und Verschleierung' zusammengefasst werden" [4] könne, zu sprechen unterstellt, politische wie geSeite 11 Elektronische Zeitung Schattenblick schäftliche Erfolge ließen sich anders als mit Ellbogenmentalität und Winkeladvokatentum erzielen. So ist das Beckenbauer angelastete Bereicherungsinteresse im privatwirtschaftlich organisierten Kapitalismus nicht nur legal und integer, es ist darüberhinaus erwünscht und vorbildhaft. Das beim Verkauf seiner Arbeitskraft zu Höchstleistungen anstachelnde Konkurrenzprinzip ist dem vom Lohnabhängigen zum Selbstunternehmer aufgestiegenen Individualbürger Lebenselixier und Bekenntnis in einem. Wie sonst sollte sich der Mensch in der immer komplexeren, von Krisen aller Art erschütterten Welt zurechtfinden, wenn er das sozialdarwinistische Prinzip nicht als allgegenwärtige Maßgabe seines Überlebenserfolges verinnerlicht hätte? ment jedes modernen Unterhaltungsmediums, also auch der als hochpreisige Ware gehandelten Sportevents. Zwar wird bislang noch gerne zwischen dem Geschehen auf dem grünen Rasen und dem Gedeale in den VIPLounges unterschieden, doch wird allen Beteiligten immer mehr bewußt, daß sich die Aufteilung in rein sportlichen Ehrgeiz und die Vermarktung des dabei entfachten Wettkampfes auf die Dauer nicht aufrechterhalten lassen wird. Politisch viel geschickter und unterhaltungstechnisch effizienter wäre es demnach, quasi als Moral höherer Ordnung den eminenten Wert individueller Bereicherung wie die Heiligkeit der Mittel, die sie nährt, anzuerkennen. Damit ließe sich auch die Beckenbauer-Saga wie die Glosse um den gestrauchelten Wurstfabrikanten Uli Hoeneß auf produktive Weise für die Neutralisierung und Befriedung sozialer Widersprüche nutzbar und quasi zweitverwertbar machen, anstatt am Rande des vermeintlich eigentlichen Sportgeschehens ein unwürdiges Dasein zu fristen. Oder ist dies längst der Fall, und die Inszenierung ist so überzeugend, daß es niemand merkt? [3] KULTUR/0991: Dem "sauberen" Sport unterworfen ... (SB) http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/sele0991.html [4] http://www.deutschlandfunk.de/millionenzahlung-an-beckenbauer-beschaemend-fuerden.694.de.html?dram:article_id=365877 http://www.schattenblick.de/ infopool/politik/kommen/ sele0997.html SCHACH - SPHINX Verdunkeln der Motive Jeder Zug im Schachspiel wartet auf Antwort und jeder Plan stößt auf Widerstand. Ein vermaleEin Sommermärchen zu produdeiter Teufelskreis. Auf der einen zieren ist harte Arbeit und für den Seite hofft man, den anderen in eben Standort Deutschland allemal die bereitgestellten Lücken und Millionen wert. Sich dies auf dem Fährnisse hineinlocken zu können, und muß andererseits stets ein Auge Wege bezahlter Produktwerbung dafür haben, nicht selbst das Opfer vergelten zu lassen mag im Nacheiner Gedankenlosigkeit zu werden. hinein schnöde erscheinen, doch Um nicht unversehends einem besbesteht der Skandal eigentlich nur seren Fallensteller in dieser Kunst im fatalen Ausgang der Inszenieauf dem Leim zu gehen, greift man rung. Dabei ist aller Welt klar, daß zu einer Täuschung. Die eigene Abder Spitzensport im allgemeinen sicht wird verschleiert. Man geht und der Profifußball im besondenicht direkt auf den anderen los, sonren von ausgetüftelten Business- Anmerkungen: dern sucht verborgene Umwege, die Plänen und hochbezahlten Manadas Gegenüber nicht so leicht ausgern bestimmt ist. Um die dünne [1] http://www.faz.net/aktumachen kann. Auf das Verdunkeln Luft, die sportive Funktionsträger ell/sport/fussball/franz-becken- der Motive legen wir daher den meidieser Preisklasse atmen, erträgli- bauers-sommermaerchen-deal- sten Wert. Es ist wie bei einem Bocher zu machen, bedarf es weni- 14435693.html?printPagedArtic- xer. Er weiß genau, daß sein Gesicht das Ziel der Faustschläge ist und daß ger des Blutdopings als monetä- le=true#pageIndex_2 auch er nichts anderes vorhat. Nur rer Anreize, auch das ist nicht einer zunächst die schützenden Armal ein offenes, sondern gar kein [2] HERRSCHAFT/1717: Win- muß me umgehen und gleichzeitig VorGeheimnis. terskälte im Land des "Sommer- kehrungen treffen, damit er im märchens" (SB) Schlagabtausch nicht mehr einsteckt Und wie Klappern in der Werbe- http://www.schattenblick.de/info- als er austeilt. Also entwirft er Finbranche zum Handwerk gehört, pool/politik/komten, legt sich den anderen gleichsam so ist der Skandal ein vitales Ele- men/herr1717.html zurecht für seine eigene StoßrichSeite 12 www.schattenblick.de (SB) Fr, 16. September 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick tung, und wenn dann an der dünnsten POLITIK / AUSLAND / LATEINAMERIKA Stelle der Raum- und Masseüberwindung ein Vorgehen zwingend wird, greift er an. Auch das Boxen kennt ein Matt und wie beim poonal Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen Schachspiel ist das K.o. oft bloß die Kolumbien Folge günstiger Verkettungen. Im heutigen Rätsel der Sphinx war das Kinn von Meister Marshall grad in Indigene Gemeinschaften demonstrieren für den Frieden Schlagnähe, so daß sein Kontrahent Sterk die Gelegenheit beim Schopfe packte und den amerikanischen Mei- (La María, 7. September 2016, ihrer sog. Planes de Vida (ein ster "matt schlug". Also, Wanderer, wradio/servindi) - Im südkolum- selbst aufgestellter Entwickbianischen Bundesstaat Cauca lungsplan für eine Dorfgemeinauch Boxen will gelernt sein! Sterk - Marshall Pistyan 1912 Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels: Individuell verkehrt und unachtsam war 1...Le7-d8 allemal, denn nach 2.Sd4-b5! c6xb5 3.Lf1xb5+ Lc8-d7 4.Lb5xd7+ Ke8xd7 5.Dd2-e2 sah sich Zsuzsa Polgar plötzlich einer würgenden Schlinge ausgesetzt, aus der es kein Entkommen gab: 5...Df6xf4 6.Th1-f1 Df4-g5 7.Tf1-f5 Dg5-h4 8.De2-b5+ Kd7-c8 9.Tf5xf7 Ld8-e7 - der reuige Sünder kehrt zu spät zurück - 10.Sc3-d5 und Schwarz gab auf. http://www.schattenblick.de/ infopool/schach/schach/ sph05959.html Fr, 16. September 2016 fand am Mittwoch, 7. September, ein gemeinsames Treffen indigener Vertreter*innen mit Delegierten der Regierung und der FARC statt, die das indigene Reservat La María Piendamó besucht hatten. Zu dem Treffen hatten die indigenen Behörden ihre 123 Cabildos (indigene Gemeinschaften) und sozialen Organisationen aufgerufen. La María Piendamó ist der Ort, wo die indigenen Gemeinschaften bereits im Mai 2016 für den Agrarstreik mobilisierten. Unter dem Slogan "Völker wandern und knüpfen einen Frieden mit Würde" (Pueblos Caminando y Teijiendo una Paz Digna) haben die Gemeinschaften bereits im Vorfeld der Veranstaltung zu einem großen Friedensmarsch aufgerufen. Dieser setzte sich vom Montag, 5. September bis Dienstag, 6. September von Santander de Quilichao und Corinto bis nach La María in Bewegung. Laut dem CRIC, dem Regionalen Indigenen Rat im Cauca (Consejo Regional Indígena del Cauca), besteht das Ziel der Aktionen darin, die kollektiven Rechte zu sichern, die den verschiedenen Ethnien zustehen. Dazu zählen: das Recht auf ihr Territorium, Autonomie, Identität und Kultur sowie der Respekt für und die Stärkung www.schattenblick.de schaft) im Rahmen des Inkrafttretens, der Verifizierung und der Abstimmung über das Friedensabkommen. Diskussionsbedarf über Friedensabkommen Laut der indigenen Aktivistin Aida Quilcué sollen die Inhalte der Vereinbarungen von Havanna, vor allem das Kapitel zu den ethnischen Gemeinschaften, bei den Indigenen im Cauca verbreitet werden, ebenso bei den Mitgliedern der Organisationen der Ethnischen Kommission für den Frieden. Außerdem wollten sie mit den Delegierten der Regierung und FARC über die Punkte sprechen, die von den indigenen Gemeinschaften als kritisch erachtet werden. Seit dem Beginn der Verhandlungen 2012 wurde bereits der Vorschlag in Havanna eingebracht, über die Besorgnisse der indigenen Gruppen zu reden und dass dieses Treffen in La María stattfinden solle. "Wir haben vier Jahre darauf gewartet", so Aida Quilcué. Bei dem zentralen Treffen mit über 5.000 Teilnehmer*innen trafen sich Vertreter*innen der indigenen Gemeinschaften, Repräsentant*innen der Regierung, der Seite 13 Elektronische Zeitung Schattenblick FARC und der Vereinten Nationen, um kritische Themen zu erörtern wie Territorium, Entwicklungsprogramme mit territorialem Fokus und Planes de Vida, Opfer, Rückkehr und Wiedereingliederung von Kindern, Minenbeseitigung, Gebrauch illegaler Pflanzen, Normalisierung von Dorfgebieten, die als Transitzone dienen, spezielle indigene Rechtsprechung und spezielle Rechtsprechung für den Frieden. Der UN-Hochkomissar für den Frieden, Sergio Jaramillo, nahm ebenso an dem Treffen teil wie Marcos León Calarcá von der Führungsebene der FARC sowie die Vizeministerin des Inneren, Carmen Inés Vásquez. URL des Artikels: https://www.npla.de/poonal/indigene-gemeinschaften-demonstrieren-fuer-den-frieden/ Der Text ist lizenziert unter Creative Commons NamensnennungWeitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international. https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/ Quelle: * BÜRGER / FAKTEN / INTERNATIONAL poonal Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen Chile Wir dokumentieren: Gedenken an die Verschwundenen in der Colonia Dignidad vom Forschungs und Dokumentationszentrum ChileLateinamerikat (Parral, 11. September 2016, fd cl) Am Vorabend des 43. Jahres- tages des chilenischen Militärputsches vom 11. September 1973 haben mehrere Dutzend Angehörige von Verschwundenen gestern die ehemalige Colonia Dignidad besucht. In einem entlegenen Waldstück innerhalb der Deutschensiedlung gedachten sie ihrer ermordeten Familienmitglieder. An jener Stelle hatte ein chilenischer Ermittlungsrichter im Jahr 2006 Massengräber gefunden, wo dutzende politische Gefangene nach ihrer Hinrichtung verscharrt worden waren. Die Leichen der dort begrabenen Personen waren jedoch einige Jahre nach ihrer Ermordung von Mitgliedern der Colonia Dignidad wieder ausgegraben und verbrannt worden, so dass die Opfer bis heute nicht identifiziert werden konnten. Ehemalige Mitglieder der Colonia Dignidad hatten dem Richter von den Erschießungen berichtet, ohne jedoch Namen von Tätern und Opfern zu nennen. poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen Herausgeber: Nachrichtenpool Lateinamerika e.V. Köpenicker Straße 187/188, 10997 Berlin Vor der gestrigen Gedenk-ZereTelefon: 030/789 913 61 monie hatten die Angehörigen E-Mail: [email protected] den Ermittlungsrichter Mario Internet: http://www.npla.de Carroza um Erlaubnis gebeten, die Ausgrabungsstätten zu besuhttp://www.schattenblick.de/ chen. Carroza hatte vor einem infopool/politik/ausland/ Jahr neue Ausgrabungen angeordpala1624.html net, die nach einer Unterbrechung Seite 14 www.schattenblick.de nun demnächst fortgesetzt werden sollen. Angehörige fordern Ende des Tourismus in der Deutschensiedlung Myrna Troncoso, Sprecherin der Angehörigenverbände der Region, forderte in ihrer Rede die chilenische und deutsche Regierung auf, konkrete Schritte zu unternehmen, um dem Tourismus in der Siedlung ein Ende zu setzen. "Es ist unerträglich, dass an einem der wichtigsten Mord- und Folterstätten der Diktatur heute Feste gefeiert werden. Wir kommen seit Jahrzehnten hierher zur Colonia Dignidad und fragen 'Wo sind sie?' und möchten, dass hier eine Erinnerungs- und Bildungsstätte entsteht, die ein würdevolles Gedenken ermöglicht und wo die hier begangenen Verbrechen sichtbar gemacht werden", so Troncoso. Das Waldstück, in dem sich die Gräber befanden, gehört zu den acht Orten innerhalb des mehrere tausend Hektar umfassenden Colonia-Grundstücks, die kürzlich von der chilenischen Regierung unter Denkmalschutz gestellt wurden. Allerdings hat Anna Schnellenkamp, Tourismuschefin der Siedlung, in der vergangenen Fr, 16. September 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick Woche Berufung gegen das Regierungsdekret eingelegt. Die Firmenchefs der Nachfolgeunternehmen der Colonia Dignidad möchten den Tourismus ausbauen und einen Teil des nun unter Denkmalschutz stehenden Landes als Parzellen unter den Bewohner*innen aufteilen. rika und die Karibik des Auswärtigen Amts, Dieter Lamlé, wird in der kommenden Woche erneut nach Chile reisen, um Gespräche mit Opfervertreter*innen und Repräsentant*innen der chilenischen Regierung zu führen. Erstmals wird Lamlé dabei mit Myrna Troncoso auch eine Vertreterin der Angehörigen der VerschwunUnterdessen setzen die von den denen treffen. verschiedenen in der Colonia Dignidad begangenen Verbrechen betroffenen Opferkollektive nach URL des Artikels: der selbstkritischen Rede von https://www.npla.de/poonal/wirBundesaußenminister Steinmeier dokumentieren-gedenken-an-dievom vergangenen April Hoffnung verschwundenen-in-der-coloniaauf konkrete Unterstützungsmaß- dignidad/ nahmen durch die deutsche und chilenische Regierung. Der Re- Der Text ist lizenziert unter Creagionalbeauftragte für Lateiname- tive Commons Namensnennung- Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international. https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/ * Quelle: poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen Herausgeber: Nachrichtenpool Lateinamerika e.V. Köpenicker Straße 187/188, 10997 Berlin Telefon: 030/789 913 61 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.npla.de http://www.schattenblick.de/ infopool/buerger/fakten/ bfai0221.html BÜRGER / FAKTEN / ARTIKEL Internationale Presseagentur Pressenza Büro Berlin Ein Jahr Sharehaus Refugio: es fängt erst richtig an! vom Johanna Heuveling, 15. September 2016 Berlin 15.09.2016. Das Share haus Refugio [1], eine Hausge meinschaft von Flüchtlingen und Einheimischen in Berlin Neukölln, feiert am 18. Septem ber sein einjähriges Bestehen und wir haben uns mit Hélène Vilalta über die Erfahrungen dieses ersten Jahres unterhalten. Mit Hélène ein Interview zu führen ist nicht leicht. Wir sitzen im Rooftop Café, schlürfen den Cold Brew Coffee, der hier aus einem Social-Entrepreneurship hervorgegangen ist, und immer wenn Hélène gerade in Redefluss Fr, 16. September 2016 kommt, entdeckt sie wieder eine bekannte Nase, die sie herzlich begrüsst: Laurids, der gerade sein FSJ abschliesst, Alma, die heute gekommen ist, um für die kleine somalische Familie, die gerade Nachwuchs bekommen hat, zu kochen, Alex, der vom Hermannplatz zurückkommt, wo er jeden Samstag seine syrische Suppe an Obdachlose verteilt ("um den Deutschen etwas zurückzugeben"), Ali, der sich auf dem Dach etwas grillen möchte, ... Es ist lebendig hier, gleichzeitig entspannend - sitzliegend neben den kleinen Kräuterbeeten www.schattenblick.de und einfach auch sehr hübsch und freundlich. Hélène beschreibt mir das Haus: Das Erdgeschoss als "Tor zum Aussen" mit Café als Veranstaltungs- und Kommunikationsort, die erste Etage mit Seminarräumen, die zweite mit Künstlerateliers, dritte bis fünfte werden bewohnt von einer Mischung von "Ankommern" aus Syrien, Afghanistan, Somalia und Albanien und Einheimischen, wobei auch diese häufig Wurzeln in anderen Ländern der Erde haben. So lebe zum Beispiel auch eine EnglänSeite 15 Elektronische Zeitung Schattenblick derin seit einem Jahr hier, die sich dann verliebte in einen Afghanen. "Hier gibt es alles wie in einer normalen WG oder Familie. Ganz viel passiert andauernd." Durch das Tun lernt man wie Die Idee des Sharehauses stammt von Sven Lager, mit dem wir ein Interview [2] im letzten Jahr, kurz nach Gründung, geführt hatten. Unterschiedlichste Nationalitäten, Religionen und Kulturen leben zusammen und jeder trägt zur Gemeinschaft bei, was er gut kann oder ihm Spaß macht. Der eine putzt, der andere ist eher handwerklich begabt, der nächste übernimmt Schichten im Café oder hilft beim Sprachcafé. "Wie wagemutig!", hatte sich Hélène gedacht, als sie vor einem Jahr das erste Mal das Sharehaus betrat. "Lauter Leute, die sich nicht kennen!" Heute sagt sie: "Durch das Tun erst lernt man, wie man etwas machen muss. Es ist großartig, wie es alles klappt und ineinander fliesst." sie auf der Intensivstation gelegen. Die Ehrenamtliche Sabine habe zwei Tage am Stück die Geburt begleitet und das ganze Haus hat gemeinsam gebetet und gebangt um sie. Jetzt ist die Mutter wieder zuhause und der kleine Ahmed ist ein gesundes, rundes Baby und der Liebling aller. Das besondere, wie Hélène es beschreibt, was man hier lerne: "Jeder ist gleichwertig. Wenn wir Zoff haben, dann ist das ganz menschlicher Streit wie in jeder Familie: du bringst den Müll nie raus, du trennst ihn nicht richtig." Nie werde der Streit auf die Nationalität bezogen: "Das ist, weil Du Syrer bist!" oder "typisch deutsch!" "Schau, hier ist der Alex, der geht seit einem Jahr raus und hilft Obdachlosen", erklärt Hélène, "und dann gibt es einen anderen, der sitzt den ganzen Tag herum und vernachlässigt sogar seine Familie. Das hat nichts mit Nationalität zu tun." "Wir können in Liebe und in Frieden miteinander sein", erklärt Hélène das, was sie in diesem Jahr im Sharehaus gelernt hat. Wir können in Liebe und in Austausch über Werte, Frieden miteinander sein von Kleidern, Kochen, ... Es sei alles andere als immer einfach. Es passiere viel: Dinge entstehen, Menschen verlieben sich, es gibt Trennungen, manche Schicksale sind traumatisch und müssten psychologisch aufgefangen werden, es wird gestritten, und es passiere ganz viel gleichzeitig. "Wir lachen zusammen, wir weinen, wir ärgern uns, wir machen alles zusammen." Vor drei Wochen habe die junge Somalierin eine sehr schwierige Geburt gehabt. Mehrere Tage habe Seite 16 Viele freiwillige Helfer ermöglichen dieses Projekt. Hélène arbeitet vor allem im Café. Aber zusätzlich ist sie an vielen anderen Aktivitäten beteiligt. Wie zum Beispiel einem Glaubenskurs, der in Kooperation mit dem Kreuzbergprojekt (Freie Kirche) durchgeführt wird. Als sie merkten, dass es einige Bewohner gibt, die sich für das Christentum interessieren, sogar daran denken zu konvertieren, fingen sie mit dem sechswöchigen Kurs an. Er fand www.schattenblick.de so viel Anklang, dass sie ihn fortzusetzen gedenken. Es ist dazu wichtig zu wissen, dass die Idee des Sharehauses auf christlichen Wurzeln ruht. Sven Lager, der bereits in Südafrika ein Sharehaus gegründet hatte, nehme seine Zuversicht und seine großartige emotionale Zuwendung zu jedem aus seinem christlichen Glauben. "Es ist das unterste Gerüst des ganzen", sagt Hélène. Das Sharehaus ist auch ein Stadtkloster, in dem es ein Pilgerzimmer gibt. Keineswegs geht es aber um Missionierung. Die Religion oder Nichtreligion eines jeden wird hundertprozentig respektiert. Ein anderes Projekt, das aus einer Bilanzierung des ersten Jahres hervorgegangen ist, ist ein regelmäßiges Community Treffen für alle - Bewohner, Praktikanten und Freiwillige. Inhalt sei unter anderem die Diskussion über Werte und dabei gemeinsame Werte zu definieren. Das sei unglaublich spannend, so Hélène. So sagte ein Syrer zum Beispiel, Pünktlichkeit sei für ihn nicht so wichtig. Ob jemand pünktlich komme oder eine Stunde später, würde ihm nichts ausmachen. Eine Helferin dagegen meinte, das mache sie unglaublich wütend, denn für sie habe Pünktlichkeit mit Respekt zu tun und sie fühle sich dann nicht respektiert. Aber es gibt auch ganz praktische Projekte: Nähwerkstatt, Kochen mit Tanz ("Es wird hier viel gekocht!"), Sprachkurse, Kleidertausch und vieles mehr. Oft brächten die Praktikanten und Ehrenamtlichen neue Ideen und frischen Wind herein. Fr, 16. September 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick Frustrationen und daraus lernen Auf Frustrationen angesprochen bemerkt Hélène diplomatisch, dass es wichtig sei, wenn man sich als Freiwilliger beteiligen wolle an einem Projekt wie dem Sharehaus Refugio, eine gewisse Zuverlässigkeit zu zeigen. "Komisches Helfen" nennt sie Aktivismus aus unklaren Motivationen, der meist nicht lange anhält. Sie rät Leuten, die gerne mitmachen wollen, sich darüber Gedanken zu machen: "Was mache ich gerne? Was möchte ich einbringen?" Schön sei aufder anderen Seite zu sehen, wie sowohl Bewohner als auch Helfer sich während ihrer Tätigkeit oft emanzipierten, mit der Zeit eigene Ideen entwickelten. Manchmal treiben sie diese Ideen auch weg vom Sharehaus. "Das ist zwar schade fürs Projekt, aber ich freue mich natürlich für die Leute." So mancher bleibt aber auch, wie Hélène. "Für mich sind die christlichen Werte der Nächstenliebe wichtig: Indem ich dem anderen diene, diene ich Gott. Jeden in seinem Wesen zu respektieren, ihn nicht zu beurteilen oder verurteilen. Was ich hier verstanden habe: Je der Mensch ist ein Mensch." Hélène Vilalta [In den Interviews frage ich meine Interviewpartner nach den Werten, die ihnen besonders wichtig sind, Anm. der Autorin] Über die Autorin Johanna Heuveling lebt in Berlin und arbeitet als Biologin an der Humboldt Universität. Aktiv ist sie in Welt ohne Kriege e.V. und Pressenza Berlin. Journalistisch interessiert sie besonders Flüchtlingspolitik, Waffenhandel, Afrika, ausserdem Kunst und Spannendes aus den Wissenschaften. Ihr Interesse ist die Überwindung der Gewalt durch gewaltlose Me"Das erste Jahr ist jetzt rum und ei- thoden: Versöhnung und die gentlich geht es jetzt erst richtig Überwindung der Angst, welche los. Der Organismus formt sich und die Wurzel der Gewalt ist. gewinnt an Struktur." Ein wichtiger Schritt sei nun die Definition von Werten für das Haus und mehr Anmerkungen: Struktur reinzubringen. Nachgedacht werde auch bereits über die [1] https://sharehaus.net/ Gründung weiterer Sharehäuser. [2] http://www.pressenza.com/de/2015/12/ueber-denUnd was ihr sonst noch fehle? sinn-der-gemeinschaft/ "Wir sind hier jetzt viele Muslime, Christen und Atheisten. Es fehlen Der Text steht unter der Lizenz noch Juden und Buddhisten zum Creative Commons 4.0 Beispiel", sagt Hélène lachend. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Wir wünschen dem Sharehaus Refugio viele weitere spannende * Erkenntnisse und Projekte im Quelle: zweiten Jahr und erstmal eine gu- Internationale Presseagentur te Party, die übrigens am Sonntag, Pressenza - Büro Berlin 18. September um 13 Uhr startet. Fr, 16. September 2016 www.schattenblick.de SPORT / BOXEN Starke Worte, schwache Gegner Billy Joe Saunders dreht die alte Leier (SB) Der britische WBO-Welt- meister im Mittelgewicht, Billy Joe Saunders, gibt vor nicht zu merken, daß ihm kaum noch jemand Glauben schenkt. Er gewann im Dezember 2015 den Titel durch einen Punktsieg über den Iren Andy Lee und hat ihn seither nicht ein einziges Mal verteidigt. An höchst attraktiven Gelegenheiten fehlte es nicht. Anfang des Jahres bot ihm Golowkins Team dem Vernehmen nach 2,2 Millionen Pfund für einen Kampf zur Vereinigung ihrer Titel. Nach diversen Windungen und Wendungen lehnte der Brite ab, indem er eine offenbar absurde Gagenforderung stellte. Ein nicht minder reizvolles Angebot, im Vorprogramm des Kampfs zwischen Saul "Canelo" Alvarez und Liam Smith aufzutreten, um dann im Dezember auf den populären Mexikaner selbst zu treffen, schlug Saunders aus: Keiner der Kandidaten, die ihm die Golden Boy Promotions anboten, fanden seine Gnade. Da der Brite ein ums andere Mal behauptet, er wolle gegen die besten Gegner antreten und fordere Golowkin heraus, aber jedesmal einen Rückzieher macht, sobald es ernst zu werden droht, nimmt ihm seine fadenscheinigen Ausflüchte niemand mehr ab. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß - nach diesem Motto möchte er Weltmeister bleiben und viel Geld verdienen, doch zuSeite 17 Elektronische Zeitung Schattenblick gleich gefährlichen Gegnern wie Golowkin oder "Canelo" aus dem Weg gehen. Wenngleich natürlich nicht ganz auszuschließen ist, daß er selber glaubt, was er so daherredet, fällt doch schwer anzunehmen, daß er tatsächlich an einer derartigen Selbstüberschätzung leiden könnte, wie sie in seinen Worten zum Ausdruck kommt. Sein Promoter Frank Warren bereitet derzeit den nächsten Auftritt des 27jährigen WBO-Weltmeisters vor, der endlich am 29. Oktober in Manchester über die Bühne gehen soll. Saunders tritt nach aktuellem Stand der Planungen im Vorprogramm der Revanche zwischen Tyson Fury und Wladimir Klitschko entweder gegen den Russen Artur Akawow oder Rob Brant aus den USA an. Brant ist in 21 Kämpfen ungeschlagen und taucht in der WBO-Rangliste an Nummer sieben auf. Akawow hat 16 Auftritte gewonnen, einen verloren und wird auf Platz elf geführt. Gemessen an der Bilanz des Champions, der sich gegen 23 Kontrahenten durchgesetzt hat, mögen diese Kandidaten auf den ersten Blick angemessen erscheinen. Berücksichtigt man jedoch, daß Saunders zuvor Golowkin und Alvarez sowie Gabriel Rosado und Willie Monroe einen Korb gegeben hat, unterstreicht sein Rückgriff auf namenlose Herausforderer, woher der Wind weht. [1] Dessen ungeachtet behauptet Saunders derzeit wieder einmal, er sei jederzeit bereit, gegen Golowkin zu kämpfen, egal ob "in England, Amerika oder auf einem irgendeinem Feld". Nichts könne das verhindern, da er keine überzogenen Forderungen stelle und keinen Gegner fürchte. Er müsse Seite 18 nur am 29. Oktober den Rost abschütteln und sei bereit, sich schon eine Woche später mit dem Kasachen zu messen, setzt der Brite seine absurden Behauptungen fort. Was er beim Kampf zwischen Golowkin und Kell Brook gesehen habe, bestärke ihn in der Überzeugung, daß der gefürchtete Kasache überbewertet werde. Obgleich Brook aus dem Weltergewicht komme, habe er zum Zeitpunkt des Abbruchs nach Punkten geführt und furios gekämpft. Sein Landsmann habe sich hervorragend geschlagen, wofür er ihm höchsten Respekt zolle. Golowkin hingegen habe zwar alles Erforderliche getan, aber dabei Schwächen erkennen lassen, die sich gegen ihn wenden ließen. Die meisten Gegner des Kasachen hätten schon verloren, bevor sie mit ihm in den Ring stiegen, was für ihn selbst definitiv nicht gelte, so Saunders. Golowkin schlage kräftig zu und habe ein gutes Kinn, doch sei er auch nur ein Mensch und mit Sicherheit nicht unbesiegbar. Daß sich der Brite in solchen Allgemeinplätzen ergeht und gar nicht erst den Versuch unternimmt, angebliche Mängel Golowkins konkret zu benennen, entlarvt sein Gerede als bloßen Versuch, sich wichtig zu machen und ins Gespräch zu bringen. Frank Warren führt derzeit wieder einmal Verhandlungen mit Golowkins Promoter Tom Loeffler und möchte den Kampf nach England holen. Beim letzten Mal habe das Geld nicht gestimmt, doch da der Kasache nun beim britischen Publikum gut eingeführt sei, sollte die angemessene Größenordnung kein Problem mehr sein, hängt Warren die finanzielwww.schattenblick.de le Latte schon im Vorfeld sehr hoch. Da der Verband WBA eine Titelverteidigung Gennadi Golowkins gegen den regulären Weltmeister Daniel Jacobs angeordnet hat, ist Saunders aber ohnehin erst im nächsten Jahr ein Thema. [2] Gabriel Rosado trägt Saunders verständlicherweise immer noch nach, daß ihn der Brite als möglichen Herausforderer abgelehnt hat. Der 30jährige trifft nun im Vorprogramm "Canelos" aufWillie Monroe und macht sich Hoffnungen, im Falle eines Sieges eine Chance gegen Alvarez zu bekommen. Saunders sei in seinen Augen ein Weltmeister, der nicht gegen die Besten antreten, sondern nur hohe Börsen einstreichen wolle. Wäre er ein wahrer Champion, käme er wie einst Joe Calzaghe und Ricky Hatton in die USA, um seinen Titel auch dort zu verteidigen. Der Brite ziehe es jedoch vor, den Gürtel als Geisel zu nehmen und dem Geld nachzujagen. [3] Viele Kommentatoren sind inzwischen der Überzeugung, daß Billy Joe Saunders nie im Leben gegen Golowkin antreten wird, solange er den WBO-Titel innehat. Auch ein Kampf gegen den Sieger des Duells zwischen Rosado und Monroe dürfte für den Briten kein Thema sein, da ihn dies seinen Titel kosten könnte. Vermutlich wird er sich weiterhin relativ schwache Herausforderer aussuchen, an denen es in der WBORangliste nicht mangelt, und hoffen, das Interesse "Canelos" zu wecken. Das einzige, was Saunders in den Augen namhafter Rivalen auszeichnet, ist sein Gürtel, ohne den er weder in boxerischer noch finanzieller Hinsicht für die Fr, 16. September 2016 Elektronische Zeitung Schattenblick führenden Akteure im Mittelgewicht von Interesse wäre. Die Aussicht, in heimische Gefilde zurückzukehren und beispielsweise Chris Eubank jun. eine Revanche zu geben, die sich in England recht gut vermarkten ließe, dürfte für ihn jeglichen Reiz verloren haben. Als Weltmeister kann er zumindest vorhalten, eine höhere Ebene erklommen zu haben und am Tisch der führenden Mittelgewichtler zu sitzen, auch wenn er beim Essen immer fehlt. Anmerkungen: [1] http://www.espn.com/blog/dan-rafael/post/_/id/16720/notes-saunders-to-defend-on-fury-klitschko-ii-card THEATER / VERANSTALTUNGEN / PERFORMANCE Der 13. Harburger Kulturtag, Samstag, den 8. Oktober Das Programm im Kulturcafé Komm du: 14 Uhr: Tanzperformance Jazz und Showdance der Ballettschule Zimmermann 17 Uhr: Tanzperformance "Française" der Tanzschule Hädrich zum Mitmachen 12.0020.00 Uhr: Ausstellung "Lebenslinien Fluchtlinien". Schwarz/weißBilder von Menschen und Situationen der Künstlerin Regina Elvers Platzreservierungen per Telefon: 040 / 57 22 89 52 oder EMail: [email protected] Eintritt: 3, Euro für alle Veranstaltungen im Rahmen des Harburger Kulturtags [2] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/17536913/money-not-issue-fight-gennady-golovkin-field-says-billy-joe-saunders [3] http://www.boxingnews24.com/2016/09/rosado-slams-billyjoe-saunders/#more-217261 http://www.schattenblick.de/ infopool/sport/boxen/ sbxm2048.html Liste der neuesten und tagesaktuellen Nachrichten ... Kommentare ... Interviews ... Reportagen ... Textbeiträge ... Dokumente ... Tips und Veranstaltungen ... http://www.schattenblick.de/ infopool/infopool.html Fr, 16. September 2016 www.schattenblick.de Seite 19 Elektronische Zeitung Schattenblick ______I n h a l t________________________________Ausgabe 1949 / Freitag, den 16. September 2016____ POLITIK - REPORT POLITIK - REDAKTION POLITIK - KOMMENTAR POLITIK - KOMMENTAR SCHACH-SPHINX POLITIK - AUSLAND BÜRGER - FAKTEN BÜRGER - FAKTEN SPORT - BOXEN DIENSTE - WETTER Mikroinitiative Gewerkschaftsbasen - Nadelstiche ... Libyen-Untersuchung belastet David Cameron schwer Europas bittere Medizin - Kannibalisierend aus der Krise Die Beckenbauer-Saga - neuer Skandal oder längst Teil der Show? Verdunkeln der Motive Kolumbien - Indigene Gemeinschaften demonstrieren für den Frieden (poonal) Chile - Gedenken an die Verschwundenen in der Colonia Dignidad (poonal) Ein Jahr Sharehaus Refugio - Es fängt erst richtig an! (Pressenza) Starke Worte, schwache Gegner Und morgen, den 16. September 2016 Seite Seite Seite Seite Seite Seite Seite Seite Seite Seite 1 7 9 11 12 13 14 15 17 20 DIENSTE / WETTER / AUSSICHTEN Und morgen, den 16. September 2016 +++ Vorhersage für den 16.09.2016 bis zum 17.09.2016 +++ © 2016 by Schattenblick IMPRESSUM Merklich kühlt es runter, der Himmel lädt auf, Jean-Luc macht das munter wie 'n Schnäppchen beim Kauf. Elektronische Zeitung Schattenblick Diensteanbieter: MA-Verlag Helmut Barthel, e.K. Verantwortlicher Ansprechpartner: Helmut Barthel, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth Elektronische Postadresse: [email protected] Telefonnummer: 04837/90 26 98 Registergericht: Amtsgericht Pinneberg / HRA 1221 ME Journalistisch-redaktionelle Verantwortung (V.i.S.d.P.): Helmut Barthel, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth Inhaltlich Verantwortlicher gemäß § 10 Absatz 3 MDStV: Helmut Barthel, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth ISSN 2190-6963 Urheberschutz und Nutzung: Der Urheber räumt Ihnen ganz konkret das Nutzungsrecht ein, sich eine private Kopie für persönliche Zwecke anzufertigen. 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