Schattenblick Druckausgabe

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Schattenblick Druckausgabe
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MA-Verlag
POLITIK / REDAKTION
Elektronische Zeitung Schattenblick
Freitag, 16. September 2016
Mikroinitiative Gewerkschaftsbasen - Nadelstiche ...
Libyen-Untersuchung belastet 144. Jour Fixe mit Eisenbahngewerkschaftern aus Japan
David Cameron schwer
Hifter und das HoR bringen Liby­
ens Ölreserven unter ihre Kontrolle
Vortrag und Diskussion des Forums der Gewerkschaftslinken
Hamburg am 7. September 2016 im Curiohaus
12. September David Cameron
mit sofortiger Wirkung sein Mandat als Abgeordneter der britischen Conservative Party im
Londoner Unterhaus niedergelegt. In einer knappen Presseerklärung begründete der Ex-ToryChef den Schritt ... (Seite 7)
Teil 1: Rote Gewerkschaften gegen Privatisierung,
Militarisierung und Atomenergie
(SB) ­ Völlig überraschend hat am
POLITIK / KOMMENTAR
Europas bittere Medizin Kannibalisierend aus der Krise
(SB) ­ Die Europäische Union als
Entwurf der führenden Nationalstaaten und deren wichtigsten Kapitalfraktionen ist an ihre Grenzen
gestoßen. Angesichts der globalen
Verwertungskrise, die in stagnierenden Wachstumsraten ihren äußeren Ausdruck findet, sieht sich
die für alternativlos erklärte Herrschaftsform und ... (S. 9)
POLITIK / KOMMENTAR
Die Beckenbauer-Saga - neuer
Skandal oder längst Teil der
Show?
(SB) - Einmal in der Welt, lädt die
schöne Metapher vom Sommermärchen zur Fortsetzung des märchenhaften Geschehens . .. (S. 11)
ge Betroffene dem Trend durch
den Aufbau internationaler Solidarität. Längst haben Staat und
Kapital einen Rollback der Arbeitsbedingungen eingeleitet, der
in die Frühphase der Industrialisierung zurückzuführen scheint,
indem sie die in jahrzehntelangen
(SB) 15. September 2016 - In ei- Arbeitskämpfen erstrittenen Erner Zeit, in der die Lohnempfän- rungenschaften nach und nach
ger ihre Arbeitskraft im Rahmen schleifen.
globalisierter Produktionsverhältnisse zu Markte tragen und von Ein kämpferisches, offenherziges
einem Ende der Welt bis zum an- und auch lebensfrohes Beispiel
deren gegeneinander in Konkur- für die Vernetzung der Arbeiterrenz treten, widersetzen sich eini- schaft über Staatsgrenzen hinweg
Jour Fixe mit japanischen Ge­
werkschaftern: (von links) Dieter
Wegner, Nobua Manabe (beim
Dolmetschen), Ikuo Kimura, Shi­
nichi Thujikawa, Kenichi Aizawa
und Masami Kuraoka.
Foto: © 2016 by Schattenblick
Elektronische Zeitung Schattenblick
lieferte vor kurzem der Besuch einer Delegation der japanischen
Eisenbahnergewerkschaften Doro-Chiba, Doro-Mito und DoroFukushima in Deutschland. Nachdem die Gäste zunächst in Berlin
Station gemacht hatten, besuchten
fünf der sechs Gewerkschaftsmitglieder am 7. September Hamburg, wo das Forum der Gewerkschaftslinken zum 144. Jour Fixe
ins Curiohaus an der Rothenbaumchaussee geladen hatte. Die
Moderation des Abends übernahm
Dieter Wegner von der Vorbereitungsgruppe Jour Fixe, Verantwortlicher der Website der im Oktober 2005 gegründeten Gruppe
der linken Gewerkschafter. [1]
Das Vortrags- und Diskussionstreffen eröffnete Joachim Holstein, Sprecher des Wirtschaftsausschusses und Betriebsratsmitglied der DB European Railservice GmbH (DB ERS GmbH), einer 100prozentigen Tochter der
DB Fernverkehr AG, mit einer
rund 30minütigen Schilderung
des gegenwärtigen Stands des
Widerstands gegen die Abschaffung der Autoreise- und Nachtzüge in Deutschland. Anschließend
stellten sich die japanischen Delegationsmitglieder vor und berichteten über ihre Tätigkeit als
zwar kleine, aber schlagkräftige
Gewerkschaft, die nicht nur für
bessere Arbeitsbedingungen und
faire Löhne, sondern auch gegen
die zivile Nutzung der Atomenergie und die Militarisierung Japans
kämpft und den vorherrschenden
Kräften schon manchen Nadelstich zu versetzen wußte.
Die Deutsche Bahn profit- statt serviceorientiert
"Der Bund gewährleistet, daß
dem Wohl der Allgemeinheit, ins­
Seite 2
besondere den Verkehrsbedürf­
nissen, beim Ausbau und Erhalt
des Schienennetzes der Eisenbah­
nen des Bundes sowie bei deren
Verkehrsangeboten auf diesem
Schienennetz, soweit diese nicht
den Schienenpersonennahverkehr
betreffen, Rechnung getragen
wird. Das Nähere wird durch
Bundesgesetz geregelt."
(Grundgesetz, Art. 87e, Absatz 4)
Von diesem gesellschaftlichen
Auftrag hat sich die Deutsche
Bahn mehr und mehr entfernt. Sie
war 1994 aus den west- und ostdeutschen Staatsbahnen Deutsche
Bundesbahn und Deutsche
Reichsbahn entstanden und ist
heute eine Aktiengesellschaft, deren Wertpapiere sich zu 100 Prozent in der Hand des Staates befinden und nicht gehandelt werden. Noch nicht, muß man sagen,
denn es hat
schon mehrere Anläufe
gegeben,
dieses privatrechtliche
Unternehmen
aus dem Besitz der öffentlichen
Hand an die
Börse zu
bringen. Die
Deutsche
Bahn wird wie ein marktwirtschaftliches Unternehmen geführt, was bedeutet, daß weniger
rentable Angebote wie zum Beispiel gering frequentierte
Strecken, die zwar für einige Nutzer von immenser Wichtigkeit
sein können, nicht aber für die
renditeorientierte Konzernzentrale, gestrichen werden. Deshalb
sollen in Kürze sowohl die Autoreisezüge als auch die Nachtzüge
dem Rotstift zum Opfer fallen.
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Durch die unermüdlichen Proteste unter anderem der fünf- bis
sechsköpfigen Gruppe, zu der
auch Joachim Holstein gehört,
wurde die Transformation der
Deutschen Bahn zwar nicht verhindert, aber man hat in Kooperation mit anderen Gruppen zumindest so viel Lärm gemacht, daß
ein 2008 aus dem Programm genommener Nachtzug von Hamburg nach Paris zwei Jahre darauf
wieder auf die Schiene gebracht
wurde. "Wir wollen nach Paris
und nicht an die Börse", erklärten
damals die Protestierenden, die
damit den Unterschied in der
grundsätzlichen Ausrichtung zwischen einer Bahn als Dienstleistungsunternehmen und einer
Bahn als Aktiengesellschaft in
einen griffigen Slogan faßten. Allerdings wurde Ende 2014 der
Zug nach Paris erneut gestrichen.
Joachim Holstein mit eindeutiger
Botschaft
Foto: © 2016 by Schattenblick
Nachdem die Deutsche Bahn die
Auto- und Nachtzüge an den
Tochterkonzern DB Autozug
übergeben hatte, zählte diese Beförderungsmöglichkeit nicht
mehr zum Kernbereich des Unternehmens. Im Gegensatz beispielsweise "zum Paketversand in
Asien, zu der Belieferung der
Fr, 16. September 2016
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Olympioniken in Rio und dem
Marketing für eine Eisenbahn in
Abu Dhabi", sandte Holstein eine
ironische Spitze in Richtung
Bahnmanagement und konstatierte: "Aber Personen von Hamburg
nach München zu bringen oder
von Köln nach Berlin, das steht
nicht mehr so sehr im Fokus des
Bahnvorstandes."
Bei einer Bundestagsanhörung
habe er als Sachverständiger die
Abgeordneten ersteinmal darüber
aufgeklärt, daß sie vom Bahnvorstand falsch informiert worden
waren. Dieser habe behauptet, der
Nachtverkehr sei ein Nischengeschäft und werde nur von einem
Prozent bzw. 1,4 Mio. Fernverkehrsreisenden genutzt. Tatsächlich werde der Nachtzug jedoch
von 3,6 Mio. Personen in Anspruch genommen. Die niedrigere Zahl leite sich daraus ab, daß
nur Schlaf- und Liegewagengäste
mit Reservierung gezählt worden
waren, nicht aber die Reisenden
im Sitzwagen.
Dennoch: Bis Ende 2016 stellt
die Deutsche Bahn alle noch
verbliebenen Nachtzugstrecken
ein, und nur ein Teil davon wird
von der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB), die bereits heute bestimmte Strecken befährt,
übernommen. Schon Ende Oktober soll der letzte Autoreisezugverkehr eingestellt werden.
Mit dem von ihnen erfundenen
Konzept des LunaLiners werben Holstein und seine Mitstreiter und Mitstreiterinnen aus
mehr als zwei Dutzend Organisationen und Verbänden sowie
"lunapark", der "Zeitschrift zur
Kritik an der globalen Ökonomie", für eine neue Nachtzugkooperation der europäischen
Bahnen.
Fr, 16. September 2016
Man könne mit Protesten etwas
erreichen, betonte der Referent.
Nicht nur der Zug nach Paris wurde wieder auf den Fahrplan genommen. Zum dicht gepackten
Vortrag Holsteins sei hier ergänzt:
Nach massiven Protesten hat die
Bahn 2001 ihren Plan, alle Speisewagen abzuschaffen, fallengelassen. Ein Jahr darauf wurde die
BahnCard50 abgeschafft. Es hagelte Proteste, und Mitte 2003
wurde sie wieder eingeführt. 2008
wurde der geplante Börsengang
der Bahn aufgegeben, nachdem
massive Proteste aufgeflammt
waren, und so weiter.
Eigentlich sollte man erwarten,
daß die Bahn klimafreundlicher
ist als das Flugzeug. Doch als seine Kollegen aus der Schweiz einmal eine Anfrage an ihre Regierung gerichtet hatten, wie es mit
der Klimabilanz sei, wenn jemand
mit dem Zug von der Schweiz
nach Dänemark fahre oder dafür
das Flugzeug nähme, hätten sie
die überraschende Antwort erhalten, daß es günstiger für die Klimabilanz ist, den Flieger zu nehmen. Die Erklärung lieferte Holstein gleich mit: "Laut KyotoProtokoll werden Flugzeugabgase
nicht auf den Schadstoffausstoß
des Landes angerechnet. Also ist
ein Flieger bilanzneutral, während der Zug, der in der Schweiz
überwiegend per Elektrizität aus
Wasserkraft angetrieben wird,
plötzlich die Bilanz verhagelt."
Holstein führte es nicht näher aus,
doch wird an diesem Beispiel
deutlich, daß die grüne Ökonomie
- hier in Form des selbst von Umweltgruppen unterstützten Emissionshandels - nichts anderes als
eine weitere Spielart privatwirtschaftlicher Kapitalakkumulation
ist und sich ihre naturzerstörenwww.schattenblick.de
den Folgen prinzipiell nicht von
anderen Varianten der herrschenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung unterscheiden.
"Es gibt auch in Japan ein rech­
tes Umfeld oder chauvinistische
Kräfte. Diese Leute sind viele, sie
sind zahlenmäßig größer als wir.
Aber Doro­Mito und Doro­Chiba
kämpfen mit den Studierenden
von Zengakuren zusammen. Das
hat eine enorme Kampfkraft."
(Nobua Manabe, 7. September
2016, Hamburg)
Foto: © 2016 by Schattenblick
Doro-Chiba - klein, streitbar,
stechsicher
Die japanische Delegation setzte
sich aus Mitgliedern kämpferischer Gewerkschaften zusammen, die keinem Dachverband für
Betriebsgewerkschaften wie dem
1989 gegründeten Rengo - mit ca.
7 Mio. Mitgliedern der größte von
drei gewerkschaftlichen Dachverbänden [2] - angeschlossen
sind. Ikuo Kimura ist Generalsekretär von Doro-Mito, der
Schwesterorganisation von DoroChiba. Als er Mitte der achtziger
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Jahre gegen die Aufteilung und
Privatisierung der japanischen
Staatsbahn gekämpft hat, wurde
er versetzt und durfte nicht mehr
als Lokführer arbeiten, sondern
wurde als Kioskverkäufer beschäftigt. Dagegen hat er gerichtlich erfolgreich gestritten und
mußte wieder in seinem eigentlichen Beruf beschäftigt werden.
Shinichi Tsujikawa - Spitzname
"Shin" - arbeitet seit 40 Jahren bei
der Bahn. Er war der erste Vorsitzende von Doro-Mito und mußte
25 Jahre lang in einem Kiosk arbeiten. Auch er ist vor Gericht gezogen. Vor fünf Jahren hat er erstritten, daß er wieder Wartungsarbeiten an den Zügen verrichten
darf.
Vor 20 Monaten ist Kenichi Aizawa der Gewerkschaft Doro-Mito
beigetreten. Noch vor zwei Jahren
war er Mitglied einer sogenannten "gelben", unternehmensfreundlichen Gewerkschaft. Weil
diese aber überhaupt nicht gekämpft hat, ist er nun bei DoroMito.
Masami Kuraoka arbeitet in einem Kiosk auf dem Bahnhof der
Stadt Koriyama in der Präfektur
Fukushima. Sie war Mitglied der
radikalen Studierendenvereinigung Zengakuren und hat die Gewerkschaft Doro-Fukushima gegründet. Diese setzt sich nicht nur
für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein, sondern
macht sich wie die Schwestergewerkschaften ebenfalls gegen
Atomkraftwerke und Verstrahlung stark. So kämpfen die Gewerkschaften auch gegen das Vorhaben der Regierung, nördlich
des havarierten Atomkraftwerks
Fukushima Daiichi eine Bahnstrecke durch das stark radioaktiv
Seite 4
verseuchte Gebiet in Betrieb zu
nehmen. Das lehnen die Delegationsmitglieder unter Verweis auf
das hohe Verstrahlungsrisiko,
dem zunächst die Arbeiter an der
Bahntrasse, dann das Eisenbahnpersonal und schließlich auch die
Fahrgäste ausgesetzt sein würden,
entschieden ab.
Nobua Manabe ist Mitglied von
Doro-Chiba und gehört dort der
deutschsprachigen Abteilung an.
Er war schon mehrmals in
Deutschland, um die Kontakte zu
pflegen und die internationale Solidarität weiter zu festigen. Er hat
an diesem Abend das Dolmetschen übernommen.
mit Ausnahme der regierungsnahen Organisation Greater Japan
Industrial Patriotic Association
(Sangyo-Houkokukai), um deren
Mitglieder in den Kriegsdienst zu
nötigen. Nach 1945 bestimmten
die Alliierten die weitere gewerkschaftliche Entwicklung des Landes. Die USA förderten zwar die
Bildung von Gewerkschaften,
doch war ihnen die linke Ausrichtung des Verbands Sanbetsu ein
Dorn im Auge. So wurde ein für
den 1. Februar 1947 geplanter Generalstreik verboten. 1951 kam es
zur sogenannten "roten Säuberung", die sich gegen unliebsame,
linke Kräfte richtete. In den Jahren darauf wurde die Bildung von
gemäßigteren DemokratisierungsAusschüssen (Minshuka Domei)
als Gegengewicht zum sozialistisch ausgerichteten Gewerkschaftsverband Sohyo gefördert.
Einige der Delegationsmitglieder
aus Japan haben am eigenen Leib
erlebt, was es bedeutet, für seine
linke, klassenkämpferische Einstellung einzustehen und dafür
Repressionen hinnehmen zu müs"Die Betreibergesellschaft JR sen. Eine fundamental unterdenkt, wenn Doro­Mito existiert, schiedliche Ansicht über Gekönnte diese Organisation größer werkschaftsarbeit war in den
werden. Davor haben sie und die 1970er Jahren Anlaß zur Spaltung
Regierung Angst."
des gewerkschaftlichen Dachver(Shinichi Thujikawa, 7. Septem­ bands Doro. Die Gewerkschaft
ber 2016, Hamburg)
Doro-Chiba, die ihren Sitz in der
Foto: © 2016 by Schattenblick
Präfektur Chiba östlich der
Hauptstadt Tokio hat, ist 1979 aus
der landesweiten LokführergeRote Gewerkschaften in Japan - werkschaft Doro hervorgegangen.
Dorn im Auge der Herrschenden
Die zumeist jungen Mitglieder
Die ersten Gewerkschaften wur- von Doro-Chiba haben sich über
den in Japan ab 1884 gegründet. die bloßen Arbeitsbelange hinaus
Begonnen hatte es mit dem Zu- bei politischen Streitthemen wie
sammenschluß der Typographen dem amerikanisch-japanischen
der Firma Shueisya. Während des Sicherheitspakt Ampo und dem
Zweiten Weltkriegs wurden sämt- Flughafenprojekt Narita, das mit
liche Gewerkschaften aufgelöst, Landenteignungen der Bauern
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Fr, 16. September 2016
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einhergegangen war, eindeutig
auf der Seite des Protests und Widerstands positioniert. Zum
Bruch mit dem Doro-Dachverband war es nicht zuletzt gekommen, weil die Gewerkschafter aus
Chiba den Kampf der SanrizukaInitiative gegen den Flughafen
Narita unterstützten, indem sie
beispielsweise Tankzüge auf dem
Weg zum neuen Flughafen
blockierten. Die Bezeichnung
"kämpferisch" für Doro-Chiba ist
durchaus so zu verstehen, daß ihre Mitglieder handgreiflich werden mußten, da der Doro-Dachverband Schlägertrupps und Rollkommandos gegen die Abtrünnigen entsandt hatte. Die versuchte
Zerschlagung Doro-Chibas war
jedoch gescheitert.
1974/75, als sich die Krise der
Weltwirtschaft zuspitzte, erlebte
Japans Wirtschaft drastische Einbußen. Das Wachstum lag bei nahezu Null Prozent, gleichzeitig
verzeichnete das Land eine hohe
Inflationsrate. Die dem Kapitalismus immanente Krisenhaftigkeit
wurde nun von Politik und Wirtschaft zum Vorwand genommen,
um den Arbeitsdruck zu erhöhen
und Sachzwänge zu konstruieren.
So wurde behauptet, nur in der
Privatisierung der Nationalen Japanischen Eisenbahn sei die Antwort auf die defizitäre Lage zu sehen. 1987 wurde die Japanese National Railway in sieben Teile zerschlagen und privatisiert. Noch
heute tragen die sieben Gesellschaften JR (Japan Railways) in
ihrem Namenszug.
Doro-Chiba kämpft gegen die
Privatisierung,
organisiert
Streiks, tritt gegen den Personalabbau ein und widersetzt sich Rationalisierungsmaßnahmen. Hier
hat auch Doro-Mito ihre Wurzeln.
Fr, 16. September 2016
Beschäftigten, sondern auf dem
Konzept des 'Betriebs als Gemeinschaft', das nicht kulturgegeben ist, sondern durchgesetzt
wurde", schreibt Michael Ehrke
in einem Bericht für die Friedrich-Ebert-Stiftung. [3] Was es
bedeuten kann, kein Klasseninteresse zu vertreten, erläuterten
die japanischen Gäste in Hamburg: Der große Gewerkschafts"Doro­Mito kämpft, deshalb bin dachverband Rengo mit seinen
sieben Millionen Mitgliedern
ich ihr beigetreten."
(Kenichi Aizawa, 7. September führe überhaupt keine Streiks
durch, er sei noch unternehmens2016, Hamburg)
freundlicher als der DGB in
Foto: © 2016 by Schattenblick
Deutschland. Außerdem spreche
Mito ist die Hauptstadt der Prä- er sich für Atomenergie aus.
fektur Ibaraki. Die Privatisierung
der Bahn Ende der achtziger Jah- Eben weil Rengo keine Streiks
re konnte nicht verhindert wer- ausrufe, errege es mediale Aufden, doch schon rollte eine neue merksamkeit, wenn die kleineren
Front gegen die Arbeiterinnen Gewerkschaften dies an ihrer statt
und Arbeiter heran, die Prekari- täten, berichteten die Delegatisierung. Sie richtet sich gegen das onsmitglieder. Mit einer Mitgliesozialpartnerschaftliche System derzahl von 400 bei Doro-Chiba
der für Japan charakteristischen und 40 bei Doro-Mito könne man
lebenslangen Anstellung in einem zwar keinen Betrieb stillegen,
Betrieb. Leiharbeit, Zeitarbeit aber so ein Streik sei eine Botund andere atypische Beschäfti- schaft, die gehört werde und auch
gungsformen, die zumeist prekär Sympathien bei Nicht-Mitglieentlohnt werden, nehmen schon dern wecke. Wenn die Lokführer
seit Jahrzehnten zu; inzwischen von Doro-Mito in den Streik tresind 40 Prozent der japanischen ten, muß die EisenbahngesellArbeiter in solch einem Arbeits- schaft Ersatzpersonal finden. Jeverhältnis tätig. Doro-Chiba und doch lehnten es immer mehr junDoro-Mito haben sich die Aufga- ge Leute, die in einer gelben Gebe gestellt, auch die prekär Be- werkschaft organisiert sind, ab,
schäftigten zu organisieren, gera- sich als Streikbrecher zu betätide weil sich diese in einer schwa- gen.
chen Position gegenüber dem Arbeitgeber befinden und allzu häufig Konkurrenz statt Zusammen- "1047" oder Kompromiß und
halt ihr Verhältnis zueinander be- kompromittiert haben die gleistimmt.
chen Wurzeln
"Die Organisationsform der japanischen Arbeitnehmer (Betriebsgewerkschaft) basiert nicht auf einem überbetrieblich definierten
'Klasseninteresse' aller abhängig
www.schattenblick.de
Die Zahl "1047" steht für einen
Arbeitskampf, der in die Zeit der
Bahnprivatisierung zurückreicht
und bis heute nicht abschließend
ausgefochten ist. 1987 wurden
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"Mitte der achtziger Jahre wurde
die japanische Staatsbahn abge­
schafft und privatisiert. Dagegen
haben Doro­Mito und Doro­Chi­
ba gekämpft."
(Ikuo Kimura, 7. September 2016,
Hamburg)
Foto: © 2016 by Schattenblick
mehr als 7000 Arbeiter der Staatsbahn nicht übernommen. Sicherlich auch bedingt durch die japanische Tradition, daß die Beschäftigten ihr Leben lang für eine Firma arbeiten, sobald sie eingestellt
werden, wurden die Bahnarbeiter
nicht entlassen, sondern einer
"Settlement Corporation" (Abwicklungsgesellschaft) zugewiesen. Davon betroffen waren nicht
zufällig vor allem Mitglieder der
kämpferischen Gewerkschaften.
Nach drei Jahren waren noch
1047 von ursprünglich 7628
Bahnarbeitern nicht "freiwillig"
abgewickelt worden. Daraufhin
wurde ihnen gekündigt. [4]
Im März 1990 trat Doro-Chiba für
84 Stunden in einen Solidaritätsstreik mit dieser Gruppe. Diese
hat gegen ihre Entlassung geklagt
und im Laufe der Jahre schon
mehrmals vor Gericht Erfolge errungen, dennoch wurden die 1047
nicht eingestellt. Am 9. April
2010 stimmten die kompromißbereiten Gewerkschaften des Dachverbands Doro dem Angebot zu,
daß den 1047 Bahnarbeitern eine
(dürftige) Abfindung gezahlt
wird. Im Juni 2011, gut drei MoSeite 6
nate nach dem schweren TohokuErdbeben vor der Ostküste Japans, das einen verheerenden Tsunami auslöste, der mehr als
20.000 Menschenleben forderte,
und zu einer dreifachen Kernschmelze im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi führte, wurde
der Kampf der 1047 vom Klägerverband und einem Koordinationskomitee für beendet erklärt.
terer Länder vereinbart werden
soll. TPP diene den Großmächten
bzw. imperialistischen Ländern
wie USA und Japan dazu, den Arbeitsmarkt zu kontrollieren und
Zugriff auf natürliche Ressourcen
zu erlangen, erklärte Manabe.
Diesen Zielen würde alles geopfert, von der Arbeit über die landwirtschaftliche Produktion bis zur
medizinischen Betreuung. Deshalb sei man strikt gegen TPP.
Doro-Chiba protestierte dagegen. Denkatsu - Solidarität über natioFür die kämpferischen Gewerk- nale Grenzen hinaus
schaften sind Erdbeben und Tsunami keine Naturkatastrophen, "Bauen wir Gewerkschaften auf,
sondern "ein Verbrechen der japa- die gegen das Kapital kämpfen"
nischen Regierung", so Nobua und "man muß den Kampf im GeManabe. Damit spielte er auf ei- samtinteresse der Arbeiterklasse
ne generell durch Vernachlässi- fortsetzen", erklärten die Besugung gekennzeichnete Sicher- cher, für die Begriffe wie Klasheitskultur des profitorientierten senfrage, Arbeiterklasse und
Wirtschaftens an. Ohne Atom- Klassenkampf keine theoretienergie wären jetzt nicht weite schen Konstrukte darstellen. Daß
Landstriche Japans verstrahlt, und solche Termini von den herrohne das Einsparen grundlegen- schenden Kräften diskreditiert
der Sicherheitsmaßnahmen beim werden, hat seinen "guten"
Akw Fukushima Daiichi hätte die Grund, denn damit werden ihre
Verstrahlung möglicherweise keineswegs unumstößlichen Prinicht das heutige Ausmaß er- vilegien sowie die von ihnen bereicht. Ebenso wie vieles dafür vorzugte gesellschaftliche Eigenspricht, daß das schwere Zugun- tumsordnung fundamental in Fraglück von Amagasaki bei Osaka ge gestellt. Der Klassenkampf
am 20. April 2005, bei dem 107 ließe sich sehr wohl auch heute
Menschen gestorben sind (und noch wie vor über 160 Jahren, als
nicht, wie mitunter berichtet wur- der Begriff durch die Veröffentlide, 106 Personen, da der Lokfüh- chung des "Kommunistischen
rer nicht mitgezählt wurde - ein Manifests" größere Verbreitung
Umstand, der bei den Mitgliedern fand, in die Konsequenz der mit
der japanischen Delegation heute ihm verbundenen Intention übernoch den Zorn weckt), eine Folge führen.
des Arbeitsdrucks aufgrund des
eng getakteten Zeitplans der Das gewerkschaftliche Rot steht
Bahngesellschaft JR West war.
sicherlich nicht für die nahezu bedingungslose Wahrung des soziIn jüngerer Zeit wenden sich die alpartnerschaftlichen Friedens
kleinen Gewerkschaften auch ge- zwischen Arbeitnehmern und Argen das geplante Freihandelsab- beitgebern, wie sie von branchenkommen TPP (Transpazifische übergreifenden Dachverbänden
Partnerschaft), das zwischen den wie Rengo in Japan und DGB in
USA, Japan und einer Reihe wei- Deutschland praktiziert wird,
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Fr, 16. September 2016
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sondern für kleine, kämpferische
Organisationen wie Doro-Chiba,
Doro-Mito und Doro-Fukushima
in Japan und beispielsweise GDL
(Gewerkschaft der Lokführer) und
FAU (Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union) in Deutschland.
Somit böte sich fast natürlicherseits eine Zusammenarbeit zwischen diesen "Mikroinitiativen"
an, so daß die "internationale Solidarität" (Denkatsu), die von den japanischen Delegierten sehr betont
wurde, niemals zum Lippenbekenntnis vergärt, sondern selbstverständliche Begleiterscheinung
gelebter gewerkschaftlicher Praxis
bleibt. Seit 2011, dem Beginn der
radioaktiven Permanentkontamination von Teilen Japans und des
Pazifischen Ozeans, haben die
Proteste der drei kleinen japanischen Gewerkschaften gegen die
Atomenergie an Entschiedenheit
noch zugenommen. Davon handelt
der zweite Teil der Berichterstattung zum 144. Jour Fixe der Gewerkschaftslinken in Hamburg.
Anmerkungen:
[1] http://www.jourfixe.hamburger-netzwerk.de/index.html
"Eine Rückkehr in die
verstrahlten Gebiete kommt
überhaupt nicht in Frage.
Ich habe durch die Kämpfe
von Doro­Mito Mut gefaßt.
Deshalb habe ich gemeinsam mit
anderen Doro­Fukushima
gegründet."
(Masami Kuraoka,
7. September 2016, Hamburg)
Foto: © 2016 by Schattenblick
[2] 1989 markiert einen Umbruch
in der japanischen Gewerkschaftsentwicklung. In jenem Jahr wurde nicht nur Rengo gegründet,
sondern auch der Dachverband
Zenroren (2012: 870.000 Mitglieder), der der Kommunistischen
Partei Japans (KPJ) nahesteht,
und Zenrokyo (2012: 130.000
Mitglieder), der von drei ehemaligen Sohyo-Funktionären gebildet wurde. Sohyo hatte sich 1989
aufgelöst.
[3] http://www.fes.de/pdf-files/stabsabteilung/00041.pdf
[4] http://www.sozonline.de/2012/02/eine-kurzegeschichte-von-doro chiba/
http://www.schattenblick.de/
infopool/politik/report/
prbe0243.html
POLITIK / REDAKTION / NAHOST
Libyen-Untersuchung belastet David Cameron schwer
Hifter und das HoR bringen Libyens Ölreserven unter ihre Kontrolle
(SB) ­ Völlig überraschend hat am
12. September David Cameron
mit sofortiger Wirkung sein Mandat als Abgeordneter der britischen Conservative Party im Londoner Unterhaus niedergelegt. In
einer knappen Presseerklärung
begründete der Ex-Tory-Chef den
Schritt mit dem Wunsch, seiner
Nachfolgerin als Premierministerin Therese May den nötigen FreiFr, 16. September 2016
raum für die Bewältigung des Brexit-Fiaskos, sprich der Folgen
des Austritts Großbritanniens aus
der Europäischen Union, das er
durch die Abhaltung einer umstrittenen Volksbefragung am 23.
Juni angerichtet hatte, zu verschaffen. Doch es gibt einen naheliegenderen Grund, warum Cameron mit nur 49 Jahren die politische Bühne fluchtartig verläßt.
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Am 13. September hat ein Sonderausschuß des britischen Parlaments das Ergebnis seiner Untersuchung über die Hintergründe
und Auswirkungen des LibyenKriegs 2011 vorgelegt. Der Bericht ist für Cameron, dem die Autoren einen beträchtlichen Teil der
Verantwortung für das Chaos in
dem nordafrikanischen Land anlasten, absolut niederschmetternd.
Seite 7
Elektronische Zeitung Schattenblick
Im Februar 2011 war es in der Islamisten-Hochburg Benghazi zu
Protesten gegen das "Regime"
Muammar Gaddhafis gekommen.
Während der selbsternannte Revolutionsführer in den Teilnehmern der Proteste sunnitische
Umstürzler sah, drängten Cameron, Nicola Sarkozy, seinerzeit
Präsident Frankreichs, und Hillary Clinton, damals Außenministerin der Regierung von US-Präsident Barack Obama, auf eine gemeinsame Militäraktion, um ein
angeblich drohendes Blutbad unter der Zivilbevölkerung zu verhindern. Daraus wurde recht
schnell eine großangelegte, monatelange Operation, in deren
Verlauf westliche Kampfjets und
Spezialstreitkräfte am Boden den
libyschen Rebellen zum "Regimewechsel" in Tripolis sowie zur
Ermordung Gaddhafis verhalfen.
Dazu heißt es im Bericht:
... eine begrenzte Intervention
zum Schutz von Zivilisten verwan­
delte sich in eine opportunistische
Strategie des Regimewechsels mit
militärischen Mitteln.
(...)
Uns liegen keine Beweise vor, daß
die Regierung des Vereinigten Kö­
nigreichs eine angemessene Ana­
lyse der Art des Aufstands in Liby­
en durchgeführt hat. ... Sie konnte
die tatsächliche Bedrohung, die
vom Gaddhafi­Regime ausging,
nicht verifizieren; sie hat Aspekte
der Rhetorik Muammar Gaddhafis
für bare Münze genommen; und sie
hat es versäumt, die Rolle militant­
extremistischer Islamisten beim
Aufstand zu identifizieren. Die
Strategie Großbritanniens basier­
te auf Fehlannahmen und einer un­
vollständigen Interpretation der
vorliegenden Informationen.
Seite 8
(...)
Die Möglichkeit, daß militante
Extremistengruppen versuchen
würden, Profit aus dem Aufstand
zu schlagen, hätte nicht nicht erst
im Rückblick zu erkennen gewe­
sen sein dürfen. Libysche Verbin­
dungen zu transnationalen, mili­
tanten Extremistengruppen waren
vor 2011 bekannt, denn viele Li­
byer hatten mit Al Kaida am Auf­
stand im Irak und in Afghanistan
teilgenommen.
überrascht wenig. Denn wie der
konservative Kommentator Peter
Oborne am 14. September in der
Onlinezeitung Middle East Eye
treffend angemerkt hat: "Sehr wenige politische Sterne, nicht einmal derjenige Tony Blairs, sind so
tief und so schnell gefallen, wie
der von David Cameron."
Währenddessen schlagen sich die
einfachen Libyer mit den Folgen
des von Cameron, Sarkozy und
Clinton angerichteten Chaos herum. Derzeit versuchen MilizioIm Bericht wird das Ergebnis der näre aus Misurata, die Luftunterdamaligen NATO-Einmischung stützung der USA sowie Hilfe von
in Libyen mit drastischen Worten britischen und amerikanischen
beschrieben:
Militärberatern am Boden erhalten und die im Auftrag der von
... politischer und wirtschaftlicher den Vereinten Nationen anerKollaps, Bürgerkrieg unter den kannten neuen Regierung der Nazahlreichen Milizen und Stäm­ tionalen Einheit (Government of
men, eine humanitäre Krise mit National Agreement - GNA) opezahlreichen Flüchtlingen, weit rieren, die letzten IS-Kämpfer aus
verbreitete Menschenrechtsver­ der Stadt Sirte zu vertreiben. Die
letzungen, die Verbreitung der Rückeroberung Sirtes, die urWaffen des Gaddhafi­Regimes in sprünglich in wenigen Tagen beder Region und das Aufkommen endet sein sollte, dauert bereits
des Islamischen Staats (IS) in mehr als drei Monate und hat
Nordafrika.
Hunderte von Menschen das Leben gekostet. Gleichzeitig versu(...)
chen vor der Küste die Besatzungen zahlreicher NATO-Schiffe,
Durch seine Entscheidungen im des nicht abreißenden FlüchtNationalen Sicherheitsrat trägt lingsstroms Herr zu werden.
Ex­Premierminister David Came­
ron die Hauptverantworung für
das Versagen, keine kohärente Li­
byen­Strategie entwickelt zu ha­
ben.
Cameron, der sich unter Verweis
auf den "Druck des Terminkalenders" als Premierminister geweigert hatte, während der achtmonatigen Libyen-Anhörungen des
House of Commons Foreign Affairs Committee (FAC) vor diesem aufzutreten, schweigt nun
zum Untersuchungsbericht. Dies
www.schattenblick.de
Ende August hat sich das 2014
vom Volk gewählte, aus Angst
vor Islamisten im selben Jahr
von Tripolis ins östliche Tobruk
geflohene Repräsentantenhaus
(House of Representatives) geweigert, die mit Hilfe der "internationalen Gemeinschaft" erfolgte Einsetzung der GNA anzuerkennen. Statt dessen hat in
den letzten fünf Tagen die libysche Nationalarmee, die für das
HoR kämpft und vom einstigen
Vertrauten Gaddhafis und mutFr, 16. September 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
maßlichen CIA-Verbindungsmann General Khalifa Hifter geführt wird, in einer Blitzaktion die
vier wichtigsten Ölverladehäfen
Libyens am Mittelmeer - Brega,
Ras Lanuf, Sidra and Zuwaytina
- unter ihre Kontrolle gebracht.
Berichten zufolge sind Hifters
Männer dabei auf keinen nennenswerten Widerstand seitens
der Petroleum Facilities Guard
(PFG), die den Ölexport die letzten drei Jahre lang blockiert hatte, gestoßen.
Über den jüngsten Erfolg Hifters
und des HoR ist der UN-Sondergesandte für Libyen, Martin Kobler, der sich Ende August mit
dem umstrittenen PFG-Chef
Ibrahim Jodran traf, um ihn zur
Kooperation mit der GNA zu bewegen, nicht besonders glücklich. Laut Resolution 2259 des
UN-Sicherheitsrats darf nur die
GNA libysches Öl auf den Weltmarkt bringen, so Kobler. Daß
sich die Verantwortlichen in Tobruk, die nicht nur von Ägypten
und den Vereinigten Arabischen
Emiraten, sondern auch von
Frankreich und Italien Unterstützung erfahren, von den Ermahnung des deutschen Diplomaten beeindrucken lassen, darf
bezweifelt werden. Einige Beobachter sehen in dem Vorstoß
sogar den ersten gravierenden
Schritt zur politischen Trennung
Libyens in einen östlichen Teil
mit Tripolis und einen westlichen
Nachfolgerstaat mit Tobruk als
Hauptstadt.
http://www.schattenblick.de/
infopool/politik/redakt/
nhst1478.html
Fr, 16. September 2016
POLITIK / KOMMENTAR / HEGEMONIE
Europas bittere Medizin - Kannibalisierend aus der Krise
Die
Europäische Union als Entwurf
der führenden Nationalstaaten
und deren wichtigsten Kapitalfraktionen ist an ihre Grenzen gestoßen. Angesichts der globalen
Verwertungskrise, die in stagnierenden Wachstumsraten ihren äußeren Ausdruck findet, sieht sich
die für alternativlos erklärte Herrschaftsform und Wirtschaftsweise mit dem Verlust ihrer Bindekraft und Zugriffsgewalt konfrontiert. Das Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien charakterisiert in einer Studie
mit dem Titel "Perspektiven für
die Verteidigung Europas 2020"
das Szenario folgendermaßen:
(SB) 15. September 2016 ­
Da der Anteil der armen, frustrierten Weltbevölkerung weiterhin
sehr hoch sein wird, werden sich
die Spannungen zwischen dieser
Welt und der Welt der Reichen
weiter verschärfen - mit entsprechenden Konsequenzen. [...]
Durch die Technologie schrumpft
die Welt zu einem globalen Dorf,
das sich allerdings am Rande einer Revolution befindet. Während
wir es mit einer immer stärker integrierten Oberschicht zu tun haben, sind wir gleichzeitig mit
wachsenden explosiven Spannungen in den ärmsten Unterschichten konfrontiert. [1]
Da die Eliten, die über die militärischen, ökonomischen und politischen Machtmittel zur Durchsetzung ihrer Interessen gebieten,
ein Rühren an der Eigentumsfrage mehr denn je ausschließen,
sieht ihre Doktrin zur Bewältiwww.schattenblick.de
gung der multiplen Krise zwangsläufig eine aggressive Flurbereinigung zu Lasten entufernder Opfer und zugunsten eines Konzentrationsprozesses vor, der kannibalisierend die Stärksten noch
stärken machen soll.
So schlägt die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini vor,
den grassierenden Streit durch eine gemeinsame Militärpolitik zu
überwinden, die der Integration
neuen Schwung verleihen könne.
Die EU habe ihren Ausbau stets
mit bestimmten Schwerpunkten
verknüpft: Auf den Binnenmarkt
sei die gemeinsame Währung und
schließlich mit dem SchengenAbkommen die Freizügigkeit gefolgt. Nun sei der Moment gekommen, in dem man "die
Grundlagen für eine gemeinsame
Verteidigung" schaffen könne. [2]
Daß die EU ihre inneren Konflikte und äußeren Konkurrenzkämpfe bewältigen könne und müsse,
indem sie militärisch zur Weltmacht aufsteigt, ist auch das Leitmotiv der Rede zum "State of the
Union" des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker.
Wenngleich man stolz auf den
weltpolitischen Einfluß sein könne, lasse sich die erreichte Machtposition nur ausbauen, indem
man auf gemeinsame europäische
Streitkräfte hinarbeite. Zudem
dürfe sich ein Kontrollverlust wie
bei der Migrationswelle im vergangenen Jahr nicht wiederholen,
wofür es die vereinbarte gemeinsame Grenzsicherung, die Aufstockung von Frontex und die
Seite 9
Elektronische Zeitung Schattenblick
lückenlose Registrierung jedes
Einreisenden wie auch die Stärkung von Europol umzusetzen
gelte. [3]
Bundeskanzlerin Angela Merkel,
in deren Regierungszeit der deutsche Vormachtanspruch in Europa und darüber hinaus unabweislich in Stellung gebracht worden
ist, hat in allen Krisen der letzten
Jahre den Ton angegeben. Und
nicht nur das. Deutschland ist
stets als Krisengewinner gestärkt
aus der Bredouille hervorgegangen und hat seine vordem gleichrangigen Partner niederkonkurriert und in den zweiten Rang verwiesen, von der abgehängten und
ausgeplünderten Peripherie ganz
zu schweigen. Nun soll der insbesondere durch die Schaffung des
riesigen Niedriglohnsektors erzwungene Produktivitätsvorsprung über die wirtschaftliche
Dominanz hinaus auch militärisch konsolidiert werden, wozu
die Krise des Brexit die Gelegenheit bietet. Großbritannien hatte
ebenso wie die USA von der NATO getrennte europäische Militärbündnisse stets abgelehnt.
Kaum war der langjährige britische Widerstand eliminiert, als
die Bundeskanzlerin und Frankreichs Präsident Francois Hollande auch schon langgehegte Pläne
aus der Schublade zogen.
Ein von Verteidigungsministerin
Ursula von der Leyen und ihrem
französischen Amtskollegen
Jean-Yves Le Drian vorgelegtes
Konzept sieht vor, die Streitkräfte der verbliebenen EU-Staaten
enger miteinander zu vernetzen.
Es sei "höchste Zeit, unsere Solidarität und die Europäischen Verteidigungsfähigkeiten zu stärken,
um unsere Grenzen und die Bürger der EU effektiver zu schützen
Seite 10
[...]. Unter der Prämisse der Entscheidung des Vereinigten Königreichs, die Europäische Union zu
verlassen, ist es nun unser Ziel,
mit den verbleibenden 27 Mitgliedsstaaten weiter voranzuschreiten." Die Militäroperationen der EU sollen vom Eurocorps
geplant werden, einer gemeinsamen Einheit von Truppen aus
mehreren Mitgliedsländern, deren
Hauptquartier in Straßburg angesiedelt ist.
wicklungen wiederzugewinnen,
die sie überwältigen, verwirren
und manchmal erschrecken."
Heute glaubten nicht nur in Großbritannien viele Menschen, daß
die Mitgliedschaft in der Europäischen Union nicht mit Stabilität
und Sicherheit vereinbar sei. [4]
Daß zugleich immer mehr Menschen in Europa der Auffassung
sind, daß die EU ihnen Arbeitslosigkeit, sinkende Sozialstandards
und Armut beschere, streifte Tusk
nur am Rande, indem er nebulös
formulierte, daß die Bürger von
der Europäischen Union erwarteten, ihre wirtschaftlichen und sozialen Interessen besser zu schützen. Da das Projekt des europäischen Zusammenschlusses nie
dafür vorgesehen war, die Lebensverhältnisse anders als selektiv und befristet zu verbessern, sie
vielmehr unter eine beispiellose
rechtliche und administrative
Kontrolle zwingen soll, ließ der
Ratspräsident wohlweislich unerwähnt.
Wie weitreichend die angestrebte
strategische Autonomie der EU
konzipiert ist, unterstreicht die erklärte Absicht, die Rüstungsindustrien zu vereinheitlichen und sich
auf die vier zentralen Bereiche
Luftbetankung, Satellitenkommunikation, Cybersicherheit und
Drohnen zu konzentrieren. In diesem Vorhaben kommt nicht nur
das Interesse zum Ausdruck, sich
von US-amerikanischen Rüstungsgütern unabhängiger zu
machen, sondern auch die Voraussetzungen für eine eigenständige weiträumige Kriegführung
zu schaffen.
Was auf dem Gipfel in Bratislava
beraten wird, haben Merkel und
EU-Ratspräsident Donald Tusk Hollande untereinander abgesteckt in seiner Einladung zum stimmt und vordefiniert, wobei
Gipfeltreffen die Staatschefs in der französische Präsident eher
Bratislava den Rahmen ab, indem ein Werkzeug der Kanzlerin als
er eine schwere Krise der EU dia- ein Partner aufAugenhöhe ist. Im
gnostiziert, in der das Überleben August hatten die Innenminister
der Demokratie in Europa bedroht beider Länder ein Projekt zur Versei. Die Geschichte habe gezeigt, besserung der inneren Sicherheit
daß eine solche Situation zu einer vorgestellt, jetzt sollen die divermassiven Abkehr von Freiheit sen Krisen samt den Ängsten der
und den anderen grundlegenden Bürger und der um sich greifende
Werten führen könne, auf denen Europaskepsis mittels einer engedie EU gegründet worden sei. Als ren militärischen ZusammenarKernproblem identifiziert auch er beit der EU-Staaten aus dem Feld
die Sicherheitslage, wenn er er- geschlagen werden. Die EU will
klärt: "Die Menschen in Europa zeigen, daß sie nicht nur ihre
wollen wissen, ob die politischen Grenzen schützen und kontrollieEliten in der Lage sind, die Kon- ren, sondern auch Rußland in die
trolle über die Ereignisse und Ent- Schranken weisen sowie in Afriwww.schattenblick.de
Fr, 16. September 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
ka und dem Nahen und Mittleren
Osten ihren Einfluß geltend machen kann. [5]
Die Botschaft an die Bundesbürgerinnen und -bürger, daß deutsche Stärke nach außen bis hin
zur Kriegsführung der beste Garant eines Lebensstandards sei,
der nicht so rasant sinkt wie der
in den europäischen Nachbarländern, geschweige denn in anderen
Weltregionen, hat ihren Preis.
Zum einen in Gestalt einer Kollaboration an ökonomischer Ausbeutung und militärischer Heimsuchung anderswo, nicht zuletzt
aber auch einer repressiven Verengung hierzulande, welche die
Fesseln einer verrechtlichten, administrativ durchdrungenen und
unter Bringschuld gestellten Existenz immer enger zieht.
Anmerkungen:
[1] https://www.wsws.org/de/articles/2016/09/14/mili-s14.html
[2] https://www.jungewelt.de/2016/09-15/037.php
[3] http://www.dw.com/de/juncker-jahr-der-entscheidung-füreuropa/a-19549947
[4] https://www.wsws.org/de/articles/2016/09/15/tusk-s15.html
[5] http://www.dw.com/de/merkel-und-hollande-wollen-einigkeit-demonstrieren/a-19553554
http://www.schattenblick.de/
infopool/politik/kommen/
hege1801.html
Fr, 16. September 2016
POLITIK / KOMMENTAR / KULTUR
Die Beckenbauer-Saga neuer Skandal oder längst Teil der Show?
(SB) 15. September 2016 - Einmal
in der Welt, lädt die schöne Metapher vom Sommermärchen zur
Fortsetzung des märchenhaften
Geschehens um die Austragung
der Fußball-WM der Männer
2006 in der Bundesrepublik ein.
So scheint sich die Geschichte des
allein für die Ehre, Deutschland
zu dienen, um die Welt jettenden
Franz Beckenbauer doch noch als
Ente aus jenem sumpfigen Tümpel zu erweisen, der die Helden
gebiert, die die Nation nun einmal
braucht. Sicherlich wurden auch
vor zehn Jahren Zweifel daran geäußert, daß der Zuschlag für die
Fußball-WM auf ganz und gar
transparente und korrekte Weise
zustandegekommen sei. Auch
hatte das vielzitierte Bild Beckenbauers, der mit seinem Koffer für
die notwendige Reibungsarmut in
den erforderlichen Entscheidungsprozessen sorgte, einen
lausbübischen Charme eigener
Art. Daher muß auch die mittlerweile von seinen Anwälten dementierte Behauptung [1], der
Sportfunktionär habe 5,5 Millionen Euro für ein ehrenamtliches
Engagement erhalten, nicht bedeuten, daß die dem "Kaiser" verdienstvoll angerechnete Erfüllung
dieser nationalen Pflicht aus rein
pekuniären Motiven erfolgte.
Wer angesichts des nun aufgeschlagenen und möglicherweise
finalen Kapitels der Beckenbauer-Saga meint, mit seiner im Ehrenamt unentgeltlich im Glauben
an die gute Sache verrichteten Arwww.schattenblick.de
beit an der Fußballfront hinters
Licht geführt worden zu sein, will
nicht wahrhaben, daß sich der
symbolpolitische Ertrag des
Sommermärchens nicht im luftleeren Raum selbstloser Werte,
sondern in der harten Währung
blanker Zahlung rechnet. Die angeblich als Katalysator eines
Imagewandels, der ein ganz normales, nicht mehr im Schatten einer unseligen Vergangenheit stehendes Deutschland zum Ergebnis hatte, fungierende WM hat
durchaus bewirkt, das Land in einem anderen Licht erscheinen zu
lassen. Die damit beschworene
Normalität muß sich allerdings
nicht mit einem vermeintlich "positiven Patriotismus" [2] begnügen, sondern kann nationalen Erfolg auch im harten Kalkül neoliberaler Standortpolitik reklamieren.
Was in der nun angebrochenen
Götterdämmerung, die den Kaiser
gar ins Verlies jenes Staates führen könnte, für den er sich selbstlos aufgerieben haben soll, beklagt wird, ist mithin der gleichen
Moral geschuldet, auf deren Flügeln Beckenbauer einst in den
Himmel eines neuen, von der
"Sauberkeit" [3] des Sportes reingewaschenen Nationalmythos gehoben wurde. Wie der GrünenSportpolitiker Özcan Mutlu von
einer "'Neverending Story', die
mit 'Lügen, Vertuschung und Verschleierung' zusammengefasst
werden" [4] könne, zu sprechen
unterstellt, politische wie geSeite 11
Elektronische Zeitung Schattenblick
schäftliche Erfolge ließen sich anders als mit Ellbogenmentalität
und Winkeladvokatentum erzielen. So ist das Beckenbauer angelastete Bereicherungsinteresse im
privatwirtschaftlich organisierten
Kapitalismus nicht nur legal und
integer, es ist darüberhinaus erwünscht und vorbildhaft. Das
beim Verkauf seiner Arbeitskraft
zu Höchstleistungen anstachelnde Konkurrenzprinzip ist dem
vom Lohnabhängigen zum
Selbstunternehmer aufgestiegenen Individualbürger Lebenselixier und Bekenntnis in einem.
Wie sonst sollte sich der Mensch
in der immer komplexeren, von
Krisen aller Art erschütterten
Welt zurechtfinden, wenn er das
sozialdarwinistische Prinzip nicht
als allgegenwärtige Maßgabe seines Überlebenserfolges verinnerlicht hätte?
ment jedes modernen Unterhaltungsmediums, also auch der als
hochpreisige Ware gehandelten
Sportevents. Zwar wird bislang
noch gerne zwischen dem Geschehen auf dem grünen Rasen
und dem Gedeale in den VIPLounges unterschieden, doch
wird allen Beteiligten immer
mehr bewußt, daß sich die Aufteilung in rein sportlichen Ehrgeiz
und die Vermarktung des dabei
entfachten Wettkampfes auf die
Dauer nicht aufrechterhalten lassen wird. Politisch viel geschickter und unterhaltungstechnisch effizienter wäre es demnach, quasi
als Moral höherer Ordnung den
eminenten Wert individueller Bereicherung wie die Heiligkeit der
Mittel, die sie nährt, anzuerkennen. Damit ließe sich auch die
Beckenbauer-Saga wie die Glosse um den gestrauchelten Wurstfabrikanten Uli Hoeneß auf produktive Weise für die Neutralisierung und Befriedung sozialer Widersprüche nutzbar und quasi
zweitverwertbar machen, anstatt
am Rande des vermeintlich eigentlichen Sportgeschehens ein
unwürdiges Dasein zu fristen.
Oder ist dies längst der Fall, und
die Inszenierung ist so überzeugend, daß es niemand merkt?
[3] KULTUR/0991: Dem "sauberen" Sport unterworfen ... (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/sele0991.html
[4] http://www.deutschlandfunk.de/millionenzahlung-an-beckenbauer-beschaemend-fuerden.694.de.html?dram:article_id=365877
http://www.schattenblick.de/
infopool/politik/kommen/
sele0997.html
SCHACH - SPHINX
Verdunkeln der Motive
Jeder Zug im Schachspiel
wartet auf Antwort und jeder Plan
stößt auf Widerstand. Ein vermaleEin Sommermärchen zu produdeiter Teufelskreis. Auf der einen
zieren ist harte Arbeit und für den
Seite hofft man, den anderen in eben
Standort Deutschland allemal
die bereitgestellten Lücken und
Millionen wert. Sich dies auf dem
Fährnisse hineinlocken zu können,
und muß andererseits stets ein Auge
Wege bezahlter Produktwerbung
dafür haben, nicht selbst das Opfer
vergelten zu lassen mag im Nacheiner Gedankenlosigkeit zu werden.
hinein schnöde erscheinen, doch
Um nicht unversehends einem besbesteht der Skandal eigentlich nur
seren Fallensteller in dieser Kunst
im fatalen Ausgang der Inszenieauf dem Leim zu gehen, greift man
rung. Dabei ist aller Welt klar, daß
zu einer Täuschung. Die eigene Abder Spitzensport im allgemeinen
sicht wird verschleiert. Man geht
und der Profifußball im besondenicht direkt auf den anderen los, sonren von ausgetüftelten Business- Anmerkungen:
dern sucht verborgene Umwege, die
Plänen und hochbezahlten Manadas Gegenüber nicht so leicht ausgern bestimmt ist. Um die dünne [1] http://www.faz.net/aktumachen kann. Auf das Verdunkeln
Luft, die sportive Funktionsträger ell/sport/fussball/franz-becken- der Motive legen wir daher den meidieser Preisklasse atmen, erträgli- bauers-sommermaerchen-deal- sten Wert. Es ist wie bei einem Bocher zu machen, bedarf es weni- 14435693.html?printPagedArtic- xer. Er weiß genau, daß sein Gesicht
das Ziel der Faustschläge ist und daß
ger des Blutdopings als monetä- le=true#pageIndex_2
auch er nichts anderes vorhat. Nur
rer Anreize, auch das ist nicht einer zunächst die schützenden Armal ein offenes, sondern gar kein [2] HERRSCHAFT/1717: Win- muß
me
umgehen
und gleichzeitig VorGeheimnis.
terskälte im Land des "Sommer- kehrungen treffen,
damit er im
märchens" (SB)
Schlagabtausch nicht mehr einsteckt
Und wie Klappern in der Werbe- http://www.schattenblick.de/info- als er austeilt. Also entwirft er Finbranche zum Handwerk gehört, pool/politik/komten, legt sich den anderen gleichsam
so ist der Skandal ein vitales Ele- men/herr1717.html
zurecht für seine eigene StoßrichSeite 12
www.schattenblick.de
(SB) ­
Fr, 16. September 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
tung, und wenn dann an der dünnsten
POLITIK / AUSLAND / LATEINAMERIKA
Stelle der Raum- und Masseüberwindung ein Vorgehen zwingend
wird, greift er an. Auch das Boxen
kennt ein Matt und wie beim poonal ­ Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen
Schachspiel ist das K.o. oft bloß die
Kolumbien
Folge günstiger Verkettungen. Im
heutigen Rätsel der Sphinx war das
Kinn von Meister Marshall grad in Indigene Gemeinschaften demonstrieren für den Frieden
Schlagnähe, so daß sein Kontrahent
Sterk die Gelegenheit beim Schopfe
packte und den amerikanischen Mei- (La María, 7. September 2016, ihrer sog. Planes de Vida (ein
ster "matt schlug". Also, Wanderer, wradio/servindi) - Im südkolum- selbst aufgestellter Entwickbianischen Bundesstaat Cauca lungsplan für eine Dorfgemeinauch Boxen will gelernt sein!
Sterk - Marshall
Pistyan 1912
Auflösung des letzten
Sphinx-Rätsels:
Individuell verkehrt und unachtsam
war 1...Le7-d8 allemal, denn nach
2.Sd4-b5! c6xb5 3.Lf1xb5+ Lc8-d7
4.Lb5xd7+ Ke8xd7 5.Dd2-e2 sah
sich Zsuzsa Polgar plötzlich einer
würgenden Schlinge ausgesetzt, aus
der es kein Entkommen gab:
5...Df6xf4 6.Th1-f1 Df4-g5 7.Tf1-f5
Dg5-h4 8.De2-b5+ Kd7-c8 9.Tf5xf7
Ld8-e7 - der reuige Sünder kehrt zu
spät zurück - 10.Sc3-d5 und Schwarz
gab auf.
http://www.schattenblick.de/
infopool/schach/schach/
sph05959.html
Fr, 16. September 2016
fand am Mittwoch, 7. September,
ein gemeinsames Treffen indigener Vertreter*innen mit Delegierten der Regierung und der FARC
statt, die das indigene Reservat La
María Piendamó besucht hatten.
Zu dem Treffen hatten die indigenen Behörden ihre 123 Cabildos
(indigene Gemeinschaften) und
sozialen Organisationen aufgerufen. La María Piendamó ist der
Ort, wo die indigenen Gemeinschaften bereits im Mai 2016 für
den Agrarstreik mobilisierten.
Unter dem Slogan "Völker wandern und knüpfen einen Frieden
mit Würde" (Pueblos Caminando
y Teijiendo una Paz Digna) haben
die Gemeinschaften bereits im
Vorfeld der Veranstaltung zu einem großen Friedensmarsch aufgerufen. Dieser setzte sich vom
Montag, 5. September bis Dienstag, 6. September von Santander
de Quilichao und Corinto bis nach
La María in Bewegung.
Laut dem CRIC, dem Regionalen
Indigenen Rat im Cauca (Consejo Regional Indígena del Cauca),
besteht das Ziel der Aktionen darin, die kollektiven Rechte zu sichern, die den verschiedenen Ethnien zustehen. Dazu zählen: das
Recht auf ihr Territorium, Autonomie, Identität und Kultur sowie
der Respekt für und die Stärkung
www.schattenblick.de
schaft) im Rahmen des Inkrafttretens, der Verifizierung und der
Abstimmung über das Friedensabkommen.
Diskussionsbedarf über
Friedensabkommen
Laut der indigenen Aktivistin Aida Quilcué sollen die Inhalte der
Vereinbarungen von Havanna,
vor allem das Kapitel zu den ethnischen Gemeinschaften, bei den
Indigenen im Cauca verbreitet
werden, ebenso bei den Mitgliedern der Organisationen der Ethnischen Kommission für den
Frieden. Außerdem wollten sie
mit den Delegierten der Regierung und FARC über die Punkte
sprechen, die von den indigenen
Gemeinschaften als kritisch erachtet werden. Seit dem Beginn
der Verhandlungen 2012 wurde
bereits der Vorschlag in Havanna
eingebracht, über die Besorgnisse der indigenen Gruppen zu reden und dass dieses Treffen in La
María stattfinden solle. "Wir haben vier Jahre darauf gewartet",
so Aida Quilcué.
Bei dem zentralen Treffen mit
über 5.000 Teilnehmer*innen trafen sich Vertreter*innen der indigenen Gemeinschaften, Repräsentant*innen der Regierung, der
Seite 13
Elektronische Zeitung Schattenblick
FARC und der Vereinten Nationen, um kritische Themen zu erörtern wie Territorium, Entwicklungsprogramme mit territorialem Fokus und Planes de Vida,
Opfer, Rückkehr und Wiedereingliederung von Kindern, Minenbeseitigung, Gebrauch illegaler
Pflanzen, Normalisierung von
Dorfgebieten, die als Transitzone
dienen, spezielle indigene Rechtsprechung und spezielle Rechtsprechung für den Frieden. Der
UN-Hochkomissar für den Frieden, Sergio Jaramillo, nahm
ebenso an dem Treffen teil wie
Marcos León Calarcá von der
Führungsebene der FARC sowie
die Vizeministerin des Inneren,
Carmen Inés Vásquez.
URL des Artikels:
https://www.npla.de/poonal/indigene-gemeinschaften-demonstrieren-fuer-den-frieden/
Der Text ist lizenziert unter Creative Commons NamensnennungWeitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/
Quelle:
*
BÜRGER / FAKTEN / INTERNATIONAL
poonal ­ Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen
Chile
Wir dokumentieren:
Gedenken an die Verschwundenen in der Colonia Dignidad
vom Forschungs­ und Dokumentationszentrum Chile­Lateinamerikat
(Parral, 11. September 2016, fd­
cl) ­ Am Vorabend des 43. Jahres-
tages des chilenischen Militärputsches vom 11. September
1973 haben mehrere Dutzend
Angehörige von Verschwundenen gestern die ehemalige Colonia Dignidad besucht. In einem
entlegenen Waldstück innerhalb
der Deutschensiedlung gedachten
sie ihrer ermordeten Familienmitglieder. An jener Stelle hatte
ein chilenischer Ermittlungsrichter im Jahr 2006 Massengräber
gefunden, wo dutzende politische
Gefangene nach ihrer Hinrichtung verscharrt worden waren.
Die Leichen der dort begrabenen
Personen waren jedoch einige
Jahre nach ihrer Ermordung von
Mitgliedern der Colonia Dignidad wieder ausgegraben und verbrannt worden, so dass die Opfer
bis heute nicht identifiziert werden konnten. Ehemalige Mitglieder der Colonia Dignidad hatten
dem Richter von den Erschießungen berichtet, ohne jedoch Namen von Tätern und Opfern zu
nennen.
poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen
Herausgeber: Nachrichtenpool
Lateinamerika e.V.
Köpenicker Straße 187/188,
10997 Berlin
Vor der gestrigen Gedenk-ZereTelefon: 030/789 913 61
monie hatten die Angehörigen
E-Mail: [email protected]
den Ermittlungsrichter Mario
Internet: http://www.npla.de
Carroza um Erlaubnis gebeten,
die Ausgrabungsstätten zu besuhttp://www.schattenblick.de/
chen. Carroza hatte vor einem
infopool/politik/ausland/
Jahr neue Ausgrabungen angeordpala1624.html
net, die nach einer Unterbrechung
Seite 14
www.schattenblick.de
nun demnächst fortgesetzt werden sollen.
Angehörige fordern Ende des
Tourismus in der Deutschensiedlung
Myrna Troncoso, Sprecherin der
Angehörigenverbände der Region, forderte in ihrer Rede die chilenische und deutsche Regierung
auf, konkrete Schritte zu unternehmen, um dem Tourismus in
der Siedlung ein Ende zu setzen.
"Es ist unerträglich, dass an einem der wichtigsten Mord- und
Folterstätten der Diktatur heute
Feste gefeiert werden. Wir kommen seit Jahrzehnten hierher zur
Colonia Dignidad und fragen 'Wo
sind sie?' und möchten, dass hier
eine Erinnerungs- und Bildungsstätte entsteht, die ein würdevolles Gedenken ermöglicht und wo
die hier begangenen Verbrechen
sichtbar gemacht werden", so
Troncoso.
Das Waldstück, in dem sich die
Gräber befanden, gehört zu den
acht Orten innerhalb des mehrere
tausend Hektar umfassenden Colonia-Grundstücks, die kürzlich
von der chilenischen Regierung
unter Denkmalschutz gestellt
wurden. Allerdings hat Anna
Schnellenkamp, Tourismuschefin
der Siedlung, in der vergangenen
Fr, 16. September 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
Woche Berufung gegen das Regierungsdekret eingelegt. Die Firmenchefs der Nachfolgeunternehmen der Colonia Dignidad
möchten den Tourismus ausbauen und einen Teil des nun unter
Denkmalschutz stehenden Landes als Parzellen unter den Bewohner*innen aufteilen.
rika und die Karibik des Auswärtigen Amts, Dieter Lamlé, wird in
der kommenden Woche erneut
nach Chile reisen, um Gespräche
mit Opfervertreter*innen und Repräsentant*innen der chilenischen
Regierung zu führen. Erstmals
wird Lamlé dabei mit Myrna
Troncoso auch eine Vertreterin
der Angehörigen der VerschwunUnterdessen setzen die von den denen treffen.
verschiedenen in der Colonia Dignidad begangenen Verbrechen
betroffenen Opferkollektive nach URL des Artikels:
der selbstkritischen Rede von https://www.npla.de/poonal/wirBundesaußenminister Steinmeier dokumentieren-gedenken-an-dievom vergangenen April Hoffnung verschwundenen-in-der-coloniaauf konkrete Unterstützungsmaß- dignidad/
nahmen durch die deutsche und
chilenische Regierung. Der Re- Der Text ist lizenziert unter Creagionalbeauftragte für Lateiname- tive Commons Namensnennung-
Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/
*
Quelle:
poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen
Herausgeber: Nachrichtenpool
Lateinamerika e.V.
Köpenicker Straße 187/188,
10997 Berlin
Telefon: 030/789 913 61
E-Mail: [email protected]
Internet: http://www.npla.de
http://www.schattenblick.de/
infopool/buerger/fakten/
bfai0221.html
BÜRGER / FAKTEN / ARTIKEL
Internationale Presseagentur Pressenza ­ Büro Berlin
Ein Jahr Sharehaus Refugio: es fängt erst richtig an!
vom Johanna Heuveling, 15. September 2016
Berlin ­ 15.09.2016. Das Share­
haus Refugio [1], eine Hausge­
meinschaft von Flüchtlingen
und Einheimischen in Berlin
Neukölln, feiert am 18. Septem­
ber sein einjähriges Bestehen
und wir haben uns mit Hélène
Vilalta über die Erfahrungen
dieses ersten Jahres unterhalten.
Mit Hélène ein Interview zu führen ist nicht leicht. Wir sitzen im
Rooftop Café, schlürfen den
Cold Brew Coffee, der hier aus
einem Social-Entrepreneurship
hervorgegangen ist, und immer
wenn Hélène gerade in Redefluss
Fr, 16. September 2016
kommt, entdeckt sie wieder eine
bekannte Nase, die sie herzlich
begrüsst: Laurids, der gerade
sein FSJ abschliesst, Alma, die
heute gekommen ist, um für die
kleine somalische Familie, die
gerade Nachwuchs bekommen
hat, zu kochen, Alex, der vom
Hermannplatz zurückkommt, wo
er jeden Samstag seine syrische
Suppe an Obdachlose verteilt
("um den Deutschen etwas zurückzugeben"), Ali, der sich auf
dem Dach etwas grillen möchte,
... Es ist lebendig hier, gleichzeitig entspannend - sitzliegend neben den kleinen Kräuterbeeten www.schattenblick.de
und einfach auch sehr hübsch
und freundlich.
Hélène beschreibt mir das Haus:
Das Erdgeschoss als "Tor zum
Aussen" mit Café als Veranstaltungs- und Kommunikationsort,
die erste Etage mit Seminarräumen, die zweite mit Künstlerateliers, dritte bis fünfte werden bewohnt von einer Mischung von
"Ankommern" aus Syrien, Afghanistan, Somalia und Albanien
und Einheimischen, wobei auch
diese häufig Wurzeln in anderen
Ländern der Erde haben. So lebe
zum Beispiel auch eine EnglänSeite 15
Elektronische Zeitung Schattenblick
derin seit einem Jahr hier, die sich
dann verliebte in einen Afghanen.
"Hier gibt es alles wie in einer
normalen WG oder Familie. Ganz
viel passiert andauernd."
Durch das Tun lernt man wie
Die Idee des Sharehauses stammt
von Sven Lager, mit dem wir ein
Interview [2] im letzten Jahr, kurz
nach Gründung, geführt hatten.
Unterschiedlichste Nationalitäten, Religionen und Kulturen leben zusammen und jeder trägt zur
Gemeinschaft bei, was er gut
kann oder ihm Spaß macht. Der
eine putzt, der andere ist eher
handwerklich begabt, der nächste
übernimmt Schichten im Café
oder hilft beim Sprachcafé.
"Wie wagemutig!", hatte sich
Hélène gedacht, als sie vor einem
Jahr das erste Mal das Sharehaus
betrat. "Lauter Leute, die sich
nicht kennen!" Heute sagt sie:
"Durch das Tun erst lernt man,
wie man etwas machen muss. Es
ist großartig, wie es alles klappt
und ineinander fliesst."
sie auf der Intensivstation gelegen. Die Ehrenamtliche Sabine
habe zwei Tage am Stück die Geburt begleitet und das ganze Haus
hat gemeinsam gebetet und gebangt um sie. Jetzt ist die Mutter
wieder zuhause und der kleine
Ahmed ist ein gesundes, rundes
Baby und der Liebling aller.
Das besondere, wie Hélène es beschreibt, was man hier lerne: "Jeder ist gleichwertig. Wenn wir
Zoff haben, dann ist das ganz
menschlicher Streit wie in jeder
Familie: du bringst den Müll nie
raus, du trennst ihn nicht richtig."
Nie werde der Streit auf die Nationalität bezogen: "Das ist, weil
Du Syrer bist!" oder "typisch
deutsch!" "Schau, hier ist der
Alex, der geht seit einem Jahr
raus und hilft Obdachlosen", erklärt Hélène, "und dann gibt es
einen anderen, der sitzt den ganzen Tag herum und vernachlässigt
sogar seine Familie. Das hat
nichts mit Nationalität zu tun."
"Wir können in Liebe und in Frieden miteinander sein", erklärt
Hélène das, was sie in diesem
Jahr im Sharehaus gelernt hat.
Wir können in Liebe und in Austausch über Werte,
Frieden miteinander sein
von Kleidern, Kochen, ...
Es sei alles andere als immer einfach. Es passiere viel: Dinge entstehen, Menschen verlieben sich,
es gibt Trennungen, manche
Schicksale sind traumatisch und
müssten psychologisch aufgefangen werden, es wird gestritten,
und es passiere ganz viel gleichzeitig. "Wir lachen zusammen,
wir weinen, wir ärgern uns, wir
machen alles zusammen." Vor
drei Wochen habe die junge Somalierin eine sehr schwierige Geburt gehabt. Mehrere Tage habe
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Viele freiwillige Helfer ermöglichen dieses Projekt. Hélène arbeitet vor allem im Café. Aber zusätzlich ist sie an vielen anderen
Aktivitäten beteiligt. Wie zum
Beispiel einem Glaubenskurs, der
in Kooperation mit dem Kreuzbergprojekt (Freie Kirche) durchgeführt wird. Als sie merkten,
dass es einige Bewohner gibt, die
sich für das Christentum interessieren, sogar daran denken zu
konvertieren, fingen sie mit dem
sechswöchigen Kurs an. Er fand
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so viel Anklang, dass sie ihn fortzusetzen gedenken.
Es ist dazu wichtig zu wissen,
dass die Idee des Sharehauses auf
christlichen Wurzeln ruht. Sven
Lager, der bereits in Südafrika ein
Sharehaus gegründet hatte, nehme seine Zuversicht und seine
großartige emotionale Zuwendung zu jedem aus seinem christlichen Glauben. "Es ist das unterste Gerüst des ganzen", sagt Hélène. Das Sharehaus ist auch ein
Stadtkloster, in dem es ein Pilgerzimmer gibt. Keineswegs geht es
aber um Missionierung. Die Religion oder Nichtreligion eines jeden wird hundertprozentig respektiert.
Ein anderes Projekt, das aus einer
Bilanzierung des ersten Jahres
hervorgegangen ist, ist ein regelmäßiges Community Treffen für
alle - Bewohner, Praktikanten
und Freiwillige. Inhalt sei unter
anderem die Diskussion über
Werte und dabei gemeinsame
Werte zu definieren. Das sei unglaublich spannend, so Hélène.
So sagte ein Syrer zum Beispiel,
Pünktlichkeit sei für ihn nicht so
wichtig. Ob jemand pünktlich
komme oder eine Stunde später,
würde ihm nichts ausmachen.
Eine Helferin dagegen meinte,
das mache sie unglaublich wütend, denn für sie habe Pünktlichkeit mit Respekt zu tun und
sie fühle sich dann nicht respektiert.
Aber es gibt auch ganz praktische
Projekte: Nähwerkstatt, Kochen
mit Tanz ("Es wird hier viel gekocht!"), Sprachkurse, Kleidertausch und vieles mehr. Oft
brächten die Praktikanten und
Ehrenamtlichen neue Ideen und
frischen Wind herein.
Fr, 16. September 2016
Elektronische Zeitung Schattenblick
Frustrationen und daraus lernen
Auf Frustrationen angesprochen
bemerkt Hélène diplomatisch,
dass es wichtig sei, wenn man sich
als Freiwilliger beteiligen wolle
an einem Projekt wie dem Sharehaus Refugio, eine gewisse Zuverlässigkeit zu zeigen. "Komisches Helfen" nennt sie Aktivismus aus unklaren Motivationen,
der meist nicht lange anhält. Sie
rät Leuten, die gerne mitmachen
wollen, sich darüber Gedanken zu
machen: "Was mache ich gerne?
Was möchte ich einbringen?"
Schön sei aufder anderen Seite zu
sehen, wie sowohl Bewohner als
auch Helfer sich während ihrer
Tätigkeit oft emanzipierten, mit
der Zeit eigene Ideen entwickelten. Manchmal treiben sie diese
Ideen auch weg vom Sharehaus.
"Das ist zwar schade fürs Projekt,
aber ich freue mich natürlich für
die Leute." So mancher bleibt
aber auch, wie Hélène.
"Für mich sind die christlichen
Werte der Nächstenliebe wichtig:
Indem ich dem anderen diene,
diene ich Gott. Jeden in seinem
Wesen zu respektieren, ihn nicht
zu beurteilen oder verurteilen.
Was ich hier verstanden habe: Je­
der Mensch ist ein Mensch."
Hélène Vilalta
[In den Interviews frage ich meine Interviewpartner nach den
Werten, die ihnen besonders
wichtig sind, Anm. der Autorin]
Über die Autorin
Johanna Heuveling lebt in Berlin
und arbeitet als Biologin an der
Humboldt Universität. Aktiv ist
sie in Welt ohne Kriege e.V. und
Pressenza Berlin. Journalistisch
interessiert sie besonders Flüchtlingspolitik, Waffenhandel, Afrika, ausserdem Kunst und Spannendes aus den Wissenschaften.
Ihr Interesse ist die Überwindung
der Gewalt durch gewaltlose Me"Das erste Jahr ist jetzt rum und ei- thoden: Versöhnung und die
gentlich geht es jetzt erst richtig Überwindung der Angst, welche
los. Der Organismus formt sich und die Wurzel der Gewalt ist.
gewinnt an Struktur." Ein wichtiger
Schritt sei nun die Definition von
Werten für das Haus und mehr Anmerkungen:
Struktur reinzubringen. Nachgedacht werde auch bereits über die [1] https://sharehaus.net/
Gründung weiterer Sharehäuser. [2] http://www.pressenza.com/de/2015/12/ueber-denUnd was ihr sonst noch fehle? sinn-der-gemeinschaft/
"Wir sind hier jetzt viele Muslime,
Christen und Atheisten. Es fehlen Der Text steht unter der Lizenz
noch Juden und Buddhisten zum Creative Commons 4.0
Beispiel", sagt Hélène lachend. http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
Wir wünschen dem Sharehaus
Refugio viele weitere spannende
*
Erkenntnisse und Projekte im Quelle:
zweiten Jahr und erstmal eine gu- Internationale Presseagentur
te Party, die übrigens am Sonntag, Pressenza - Büro Berlin
18. September um 13 Uhr startet.
Fr, 16. September 2016
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SPORT / BOXEN
Starke Worte,
schwache Gegner
Billy Joe Saunders dreht die
alte Leier
(SB) ­ Der britische WBO-Welt-
meister im Mittelgewicht, Billy
Joe Saunders, gibt vor nicht zu
merken, daß ihm kaum noch jemand Glauben schenkt. Er gewann im Dezember 2015 den Titel durch einen Punktsieg über
den Iren Andy Lee und hat ihn
seither nicht ein einziges Mal verteidigt. An höchst attraktiven Gelegenheiten fehlte es nicht. Anfang des Jahres bot ihm Golowkins Team dem Vernehmen
nach 2,2 Millionen Pfund für
einen Kampf zur Vereinigung ihrer Titel. Nach diversen Windungen und Wendungen lehnte der
Brite ab, indem er eine offenbar
absurde Gagenforderung stellte.
Ein nicht minder reizvolles Angebot, im Vorprogramm des Kampfs
zwischen Saul "Canelo" Alvarez
und Liam Smith aufzutreten, um
dann im Dezember auf den populären Mexikaner selbst zu treffen,
schlug Saunders aus: Keiner der
Kandidaten, die ihm die Golden
Boy Promotions anboten, fanden
seine Gnade.
Da der Brite ein ums andere Mal
behauptet, er wolle gegen die besten Gegner antreten und fordere
Golowkin heraus, aber jedesmal
einen Rückzieher macht, sobald
es ernst zu werden droht, nimmt
ihm seine fadenscheinigen Ausflüchte niemand mehr ab. Wasch
mir den Pelz, aber mach mich
nicht naß - nach diesem Motto
möchte er Weltmeister bleiben
und viel Geld verdienen, doch zuSeite 17
Elektronische Zeitung Schattenblick
gleich gefährlichen Gegnern wie
Golowkin oder "Canelo" aus dem
Weg gehen. Wenngleich natürlich
nicht ganz auszuschließen ist, daß
er selber glaubt, was er so daherredet, fällt doch schwer anzunehmen, daß er tatsächlich an einer
derartigen Selbstüberschätzung
leiden könnte, wie sie in seinen
Worten zum Ausdruck kommt.
Sein Promoter Frank Warren bereitet derzeit den nächsten Auftritt
des 27jährigen WBO-Weltmeisters vor, der endlich am 29. Oktober in Manchester über die Bühne gehen soll. Saunders tritt nach
aktuellem Stand der Planungen
im Vorprogramm der Revanche
zwischen Tyson Fury und Wladimir Klitschko entweder gegen
den Russen Artur Akawow oder
Rob Brant aus den USA an. Brant
ist in 21 Kämpfen ungeschlagen
und taucht in der WBO-Rangliste
an Nummer sieben auf. Akawow
hat 16 Auftritte gewonnen, einen
verloren und wird auf Platz elf geführt. Gemessen an der Bilanz des
Champions, der sich gegen 23
Kontrahenten durchgesetzt hat,
mögen diese Kandidaten auf den
ersten Blick angemessen erscheinen. Berücksichtigt man jedoch,
daß Saunders zuvor Golowkin
und Alvarez sowie Gabriel Rosado und Willie Monroe einen Korb
gegeben hat, unterstreicht sein
Rückgriff auf namenlose Herausforderer, woher der Wind weht.
[1]
Dessen ungeachtet behauptet
Saunders derzeit wieder einmal,
er sei jederzeit bereit, gegen Golowkin zu kämpfen, egal ob "in
England, Amerika oder auf einem
irgendeinem Feld". Nichts könne
das verhindern, da er keine überzogenen Forderungen stelle und
keinen Gegner fürchte. Er müsse
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nur am 29. Oktober den Rost abschütteln und sei bereit, sich
schon eine Woche später mit dem
Kasachen zu messen, setzt der
Brite seine absurden Behauptungen fort. Was er beim Kampf zwischen Golowkin und Kell Brook
gesehen habe, bestärke ihn in der
Überzeugung, daß der gefürchtete Kasache überbewertet werde.
Obgleich Brook aus dem Weltergewicht komme, habe er zum
Zeitpunkt des Abbruchs nach
Punkten geführt und furios gekämpft. Sein Landsmann habe
sich hervorragend geschlagen,
wofür er ihm höchsten Respekt
zolle.
Golowkin hingegen habe zwar alles Erforderliche getan, aber dabei Schwächen erkennen lassen,
die sich gegen ihn wenden ließen.
Die meisten Gegner des Kasachen
hätten schon verloren, bevor sie
mit ihm in den Ring stiegen, was
für ihn selbst definitiv nicht gelte, so Saunders. Golowkin schlage kräftig zu und habe ein gutes
Kinn, doch sei er auch nur ein
Mensch und mit Sicherheit nicht
unbesiegbar. Daß sich der Brite in
solchen Allgemeinplätzen ergeht
und gar nicht erst den Versuch unternimmt, angebliche Mängel Golowkins konkret zu benennen,
entlarvt sein Gerede als bloßen
Versuch, sich wichtig zu machen
und ins Gespräch zu bringen.
Frank Warren führt derzeit wieder
einmal Verhandlungen mit Golowkins Promoter Tom Loeffler
und möchte den Kampf nach England holen. Beim letzten Mal habe das Geld nicht gestimmt, doch
da der Kasache nun beim britischen Publikum gut eingeführt
sei, sollte die angemessene Größenordnung kein Problem mehr
sein, hängt Warren die finanzielwww.schattenblick.de
le Latte schon im Vorfeld sehr
hoch. Da der Verband WBA eine
Titelverteidigung Gennadi Golowkins gegen den regulären
Weltmeister Daniel Jacobs angeordnet hat, ist Saunders aber ohnehin erst im nächsten Jahr ein
Thema. [2]
Gabriel Rosado trägt Saunders
verständlicherweise immer noch
nach, daß ihn der Brite als möglichen Herausforderer abgelehnt
hat. Der 30jährige trifft nun im
Vorprogramm "Canelos" aufWillie Monroe und macht sich Hoffnungen, im Falle eines Sieges eine Chance gegen Alvarez zu bekommen. Saunders sei in seinen
Augen ein Weltmeister, der nicht
gegen die Besten antreten, sondern nur hohe Börsen einstreichen
wolle. Wäre er ein wahrer Champion, käme er wie einst Joe
Calzaghe und Ricky Hatton in die
USA, um seinen Titel auch dort
zu verteidigen. Der Brite ziehe es
jedoch vor, den Gürtel als Geisel
zu nehmen und dem Geld nachzujagen. [3]
Viele Kommentatoren sind inzwischen der Überzeugung, daß Billy Joe Saunders nie im Leben gegen Golowkin antreten wird, solange er den WBO-Titel innehat.
Auch ein Kampf gegen den Sieger des Duells zwischen Rosado
und Monroe dürfte für den Briten
kein Thema sein, da ihn dies seinen Titel kosten könnte. Vermutlich wird er sich weiterhin relativ
schwache Herausforderer aussuchen, an denen es in der WBORangliste nicht mangelt, und hoffen, das Interesse "Canelos" zu
wecken. Das einzige, was Saunders in den Augen namhafter Rivalen auszeichnet, ist sein Gürtel,
ohne den er weder in boxerischer
noch finanzieller Hinsicht für die
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führenden Akteure im Mittelgewicht von Interesse wäre. Die
Aussicht, in heimische Gefilde
zurückzukehren und beispielsweise Chris Eubank jun. eine Revanche zu geben, die sich in England recht gut vermarkten ließe,
dürfte für ihn jeglichen Reiz verloren haben. Als Weltmeister
kann er zumindest vorhalten, eine
höhere Ebene erklommen zu haben und am Tisch der führenden
Mittelgewichtler zu sitzen, auch
wenn er beim Essen immer fehlt.
Anmerkungen:
[1] http://www.espn.com/blog/dan-rafael/post/_/id/16720/notes-saunders-to-defend-on-fury-klitschko-ii-card
THEATER / VERANSTALTUNGEN / PERFORMANCE
Der 13. Harburger Kulturtag, Samstag, den 8. Oktober
Das Programm im Kulturcafé Komm du:
14 Uhr: Tanzperformance ­ Jazz­ und Showdance der
Ballettschule Zimmermann
17 Uhr: Tanzperformance ­ "Française" der Tanzschule
Hädrich ­ zum Mitmachen
12.00­20.00 Uhr: Ausstellung "Lebenslinien ­ Fluchtlinien".
Schwarz/weiß­Bilder von Menschen und Situationen der
Künstlerin Regina Elvers
Platzreservierungen per Telefon: 040 / 57 22 89 52 oder
E­Mail: [email protected]
Eintritt: 3,­ Euro für alle Veranstaltungen
im Rahmen des Harburger Kulturtags
[2] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/17536913/money-not-issue-fight-gennady-golovkin-field-says-billy-joe-saunders
[3] http://www.boxingnews24.com/2016/09/rosado-slams-billyjoe-saunders/#more-217261
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