Eiertanz - Horizont
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Eiertanz - Horizont
Die Bilanz des Lehrmeisters Walter Lürzer über 20 Jahre an der Angewandten Der Werber und sein Bunker Kunstsammler Christian Boros im Porträt Die Gesichter des Erfolgs P.b.b. Verlagspostamt A-2380 Perchtoldsdorf, GZ 02Z031817 M Das Bestseller-Kreativranking 2010 Eiertanz Die Emanzipation des Mannes EDI & PATRICK KECK Fotografiert von Oliver Jiszda 11|12 2010 Bei uns ist heute schon Bescherung Mit dem iPhone 4 um 1Euro 1,Angebot gültig bei Neuanmeldung im Tarif Hallo iPhone bis 31.12. 2010 und 24 Monatsbindung. Mehr auf orange.at/hallo-iphone sebastian loudon doris rasshofer editorial Familienbande Lassen Sie sich inspirieren von diesem Bestseller-Weihnachtsheft, genießen Sie den Advent und Weihnachten, rutschen Sie gut ins Jahr 2011, und vor allem: Bleiben Sie uns auch im kommenden Jahr gewogen! karl michalski impressum medieninhaber Manstein Zeitschriftenverlagsges.m.b.H. und verleger DVR 0753220 anschrift Brunner Feldstraße 45, A-2380 Perchtoldsdorf Tel.: +43-1/866 48-0, Fax: +43-1/866 48-620 e-mail [email protected] gründer Hans-Jörgen Manstein geschäftsführerin Mag. Dagmar Lang, MBA aufsichtsratHans-Jörgen Manstein (Vorsitz), Klaus Kottmeier, Peter Ruß und Peter Kley herausgeber Mag. Dagmar Lang, MBA Dr. Hansjörg Wachta chefredakteurSebastian Loudon stv. chefredakteurinDipl. BW Doris Raßhofer chefin vom dienst Carolin Daiker art direction Martin Renner creative consultant Erich Schillinger redaktion/autoren Dr. Walter Braun, Clemens Coudenhove, dieser ausgabeCarolin Daiker, Dkfm. Milan Frühbauer, Mag. Dagmar Lang, MBA, Sebastian Loudon, Lisa Mang, Mag. Sarah Obernosterer, Dipl. BW Doris Raßhofer, Mag. Birgit Schaller, Rainer Seebacher, Armin Thurnher, Dr. Hans jörg Wachta, Mag. Harald Wolkerstorfer anzeigenleitung Martina Hofmann anzeigen Martin Kaindel, Sabine Vogt-Kraußler sekretariat Ariane Schlosser vertrieb Gertrude Mayer lektorat Andreas Hierzenberger elektronische DTP-Abteilung, Manstein Verlag: produktionMarkus Brocza, Lisa Eigner, Georg Vorstandlechner druckHolzhausen Druck GmbH, Holzhausenplatz 1, A-1140 Wien erscheinungsweise sechsmal im Jahr (exkl. Specials) abonnements Inland € 65,– (exkl. 10 % MwSt.) 50 % Studenten-Ermäßigung Ausland € 105,– (exkl. MwSt.) hotline +43-1/866 48-930 e-mail [email protected] web www.bestseller.at Seien wir ehrlich. Vermutlich gibt es heutzutage nichts Familiä reres mehr als Weihnachten, wenn alle Lieben aus nah und fern zusammenkommen, zusammenrücken, es sich gemütlich ma chen, sich freuen. Vielleicht ist noch der 90er der Großmutter ein ähnlich gemeinschaftsträchtiger Tag. Aber das war‘s dann auch schon. Denn sonst ist Familie eigentlich nicht mehr an gesagt: Scheidungsquote von 50 Prozent, 40 Prozent Single haushalte, Mobilität, Globalisierung. Es sprengt uns derzeit auseinander wie Atome beim Urknall – ohne jetzt Anspruch auf physikalische Korrektheit dieses Bildes zu erheben. Das aktuelle Familienmodell existiert nur noch in Ausnahmefällen, als Exot, Erinnerung oder Traum. Und wenn man keine Ehefrau mehr hat, die bügelt, putzt und kocht, und keinen Ehemann, der die Fliesen verlegt, müssen Mann und Frau eben lernen, alles zu können und zu sein. „Falsch!“, sagt unser Cover-Duo Edi und Patrick Keck, ihres Zeichens Vater und Sohn und Autoren des Buches „Eier, alles was ein Mann braucht“. Denn diese gegenseitigen Gleichmachereien sind für die beiden à la longue der Tod jeder Beziehung – Bestseller begab sich mit den Kreativen in den Ring für einen augenzwinkernden Schlagabtausch über Männer mit Eiern und Weicheier, über Ein-Minuten-Orgasmen und die fehlende Emanzipation des Mannes (Seite 16). Wo Mann und Frau offenbar von selber nicht mehr zusammenfinden, da hilft – sehr erfolgreich – das Internet dank seiner Fähigkeit, individuelle Einstellungen und Vorlieben zu matchen: Lisa Mang wühlte in den Tiefen und Untiefen der Partnervermittlungen und Single-Börsen (Seite 32). Auch die TV-Industrie be kommt die Auflösung des klassischen Familienbildes zu spüren und tut sich zunehmend schwerer, ein generationsübergreifendes Hauptabendprogramm anzubieten, das vom Großvater bis zum Enkel alle gleichermaßen erfreut – ein Phänomen, dem Harald Wolkerstorfer auf Seite 24 nachgegangen ist. Hingegen gibt es jemanden, der sich genau diese Sehnsucht nach ein paar Stunden heile Welt, in der Menschen und Tiere wieder in trauter Eintracht nebeneinander leben und sich lieben, sehr, sehr erfolgreich zu Nutze macht: Michael Aufhauser mit seinem Gut Aiderbichl – ein perfekt inszeniertes und kommuniziertes Weihnachtsmärchen (Seite 28). Gewaltig kreativ waren heuer auch wieder die Einreicher zum Bestseller- Kreativranking 2010: Lesen Sie selbst ab Seite 36, wer die meisten Preise in diesem Jahr abgesahnt hat. Der nächste BESTSELLER erscheint am 24. Februar 2011 Bestseller 11|12 2010 3 inhalt INHALT Bestseller Ausgabe 11|12 2010 16 36 66 6creation, Media, trends, Branding 74 mail, showcase 31 kommentar milan frühbauer 59 kommentar walter braun 82 Medientagebuch armin thurnher Titelgeschichte Edi und Patrick Keck im provokanten Interview über die Emanzipation der Männer Umfrage Kommunikationsexpertinnen über den „Neuen Mann“ Familiy-Entertainment Über den kommunikativen Kitt durch Fernseher & Co. Märchenwelten Ein Besuch auf Gut Aiderbichl: Authentizität und perfekte Inszenierung E-Commerce Das Geschäft mit der Einsamkeit: Partnerbörsen boomen Kreativranking I Und der Gewinner ist … Kreativranking II Die kreativsten Auftraggeber Portrait Der Werber Christian Boros über seine Kunstsammlung in seinem Berliner Bunker Recycling-Design Wenn verbrauchte Dinge einen zweiten Sinn bekommen Geodienste Ein erster Weg durch den digitalen Dschungel inklusive Selbstversuch Social Commerce Online-Shops müssen kommunikativer werden Interview Philip Ginthör, Sony-Music-Geschäftsführer, über die digitalen Lektionen der Musikindustrie Portrait Österreichs Marketing-Pionier Professor Ernest Kulhavy feiert seinen 85. Geburtstag Interview Walter Lürzer zieht kritische Bilanz über seine mehr als 20-jährige Professur 4 oliver jiszda, karl michalski (3), Huber von Wald 16 23 24 28 32 36 46 48 52 56 60 66 70 78 48 78 Bestseller 11|12 2010 GABLER JURAS CH Schalt auf der Krone! Die neue Werbemöglichkeit auf der Krone: Sachetkleber, Booklets, Sticker in den verschiedensten Shapes und v.a.m. Ab 12.500 Stück und bis zu einer Auflage von 1,6 Mio. Es klebe Ihre Werbung. Gut fürs Geschäft. „Werbung ist Teamarbeit – ich denke nicht in diesen ‚Meins/Deins‘-Kategorien.“ Lukas Hueter Ganz nach Hueters Geschmack: Nur der Schatten am Boden lenkt den Blick des Betrachters auf die Aussage des Sujets für Actual-Sicherheitsfenster. Bestseller 11|12 2010 CREATION Blickfang in der Grafik DM&B, oliver jiszda Schmerzlos. Er wollte nicht BWL studieren. Also entschied sich Lukas Hueter nach seinem HAK-Abschluss für das Studium „Informationsdesign“ an der FH Joanneum. Über die Werbung „stolperte“ er im Rahmen eines Praktikums bei Jung von Matt/Alster in Deutschland – und war sofort Feuer und Flamme. Warum? „Weil ich nicht nur Logos entwerfen wollte. In der Werbung muss ich mich nicht einschränken. In der Werbung kann ich mit allen Medien arbeiten … und Logos entwerfen.“ Zurück in Graz schrieb er seine Diplomarbeit, eine 360-Grad-Kampagne mit dem Titel „Painless“ über das Thema „Schutzbekleidung im Wintersport“. Diese wurde beim Mobius Award mit dem Student Award ausgezeichnet. Und dann ging es Schlag auf Schlag: Im Februar 2009 entdeckte Demner, Merlicek & Bergmann das junge Talent, seitdem arbeitet der 27-Jährige für Kunden wie Actual, mömax, Media Markt Schweiz, OMV und Wiener Zucker. An dem Job in einer großen Agentur wie DM & B schätzt Hueter vor allem die Möglichkeit, für große Auftraggeber zu arbeiten. Und Werbefilme realisieren zu können – denn diese haben es dem Kärntner besonders angetan. „Film bedeutet ja nicht notwendigerweise nur TV-Spot – der Bereich Bewegtbild deckt ein unheimlich großes Spektrum an Medien ab.“ Stichwort YouTube & Co. Hueters Credo: Grafik muss schlicht, klar und simpel sein – und den Blick des Betrachters gezielt lenken. Wie bei seinem neuesten Baby, der Actual-Kam pagne für Sicherheitsfenster: Nur durch ein Detail, den Schatten am Boden, wird das reduzierte Bild mit der Message aufgeladen. Oliver Jiszda – Teil einer Bewegung OJ, geboren in Wien, bezeichnet sich selbst als Einzelkämpfer. OJ hatte immer schon ein Problem mit Autorität und hierarchischen Strukturen. Dies bewog ihn, oft die Schule zu wechseln und früh zeitig sein Grafikdesign-Studium zu beenden, um nach Los Angeles zu ziehen: „Ich habe mich für Los Angeles entschieden, um den Schrott, der es bis in mein Kinderzimmer geschafft hat, vor Ort zu erkunden.“ In seiner Zeit in Los Angeles assistierte er inter nationalen Fotografen und arbeitete zusätzlich als Setfotograf bei Musikvideo-Produktionen. 2002 kehrte er nach Wien zurück, ist jedoch noch heute stark mit Amerika verbunden. 2009 hatte OJ e ine Ausstellung in der renommierten Leica Gallery, New York, in Koope ration mit Erich Lessing (Magnum). Bei der Frage nach seinem Stil lässt sich OJ nicht gerne einordnen. Es gibt jedoch ein paar Dinge, wie zum Beispiel Werbung für Fleisch, Pelz oder andere für ihn moralisch nicht vertretbare Produkte, die er unter keinen Umstän Minimalistisch ist der Stil von Oliver Jiszda, minimalistisch sind die Hallen von Vater Edi und Sohn Patrick Keck. Und so wie die Thesen ihres Eier-Buches durch Reduktion zur knackigen Pointe werden, so reduzierte auch Jiszda das Coverbild der beiden auf eine der Grundinsignien der Männlichkeit, den Kampf. den fotografieren würde. Selbst wenn ihn dies auf die Straße setzen würde. Ansonsten hält er sich für aufgeschlossen und findet gerade in der Vielseitigkeit den Reiz. OJ ist kein Anhänger der Selbstpräsen tation, deshalb hatte er auf die Frage, wie er seine Bilder beurteilen würde, keine Antwort. Er überlasse es lieber jedem Einzelnen, seine Arbeiten zu bewerten. Auf die Frage nach seinen beruflichen Zielen sieht sich OJ als Teil einer Bewegung: „Ich bin sehr dankbar für die Möglichkeiten, die ich bekommen habe, und möchte davon etwas zurückgeben. Die Welt steht am Abgrund, daher sollte man sich entscheiden, auf welcher Seite man stehen möchte.“ Mehr Informationen unter www.ojblog.com Bestseller 11|12 2010 7 MEDIA Menschen sehnen sich nach Hochgefühlen Bestseller Herr Mikunda, Sie sind heute Autor, Speaker, Lehrbeauftragter an Universitäten und Dramaturg – was wollten Sie ursprünglich werden? Christian Mikunda Eigentlich habe ich Theaterwissenschaften studiert, war allerdings unglücklich mit diesem praxisfernen Studium. Wirklich interessiert hat mich der Film, weshalb mein erstes Buch sich diesem Thema widmete. Schon damals sah ich es als meine Aufgabe, hinter die Dinge zu blicken und Umsetzungen, die intuitiv passieren, zu ergründen. Konrad Lorenz sagte schon: „Intuition ist ein kognitiver Lernprozess, den man nur vergessen hat.“ CD-Tipps von Hans Kulisch Lura ist die kapverdische Sängerin und Komponistin, die zu Recht als Nachfolgerin der Grand Dame der kapverdischen Musik, Cesaria Evora, gilt. Geboren in Lissabon, dann von den Kapverden exiliert, veröffentlichte sie 1996 ihre erste CD, „Nha Vida“. Ihre Art der Interpretation verbindet in genialer Weise kapverdische Tänze, Saudade und Morna, und brasilianische Rhythmen mit Flamenco-Elementen zu einer höchst aktuellen, kosmopolitischen Weltmusik. Das ist in keinster Weise – wie so oft bei Weltmusik vermutet – altbackene Folklore oder Anbiederung, sondern seriöseste musikalische Arbeit. Auf der DVD ist auch ein Livekonzert, das Luras Stärken optimal präsentiert. 8 CHRISTIAN MIKUNDA Schließlich wurden Sie zum Dramaturgen, der Marken inszeniert. Mikunda Die Aufgabe des Dramaturgen am Theater ist es, ein Stück so zu bearbeiten, dass es der Regisseur umsetzen kann. Man könnte sagen, er ist ein Geburtshelfer. Ich konnte zum Beispiel für das My Zeil Shopping Center in Frankfurt eine riesige Rolltreppe durchsetzen, die sogenannte Himmelstreppe mit 47 Metern Länge. Der Architekt war Massimilliano Fuksas, sie wissen schon, der Typ „großer Künstler“, großer Hut, roter Schal … die Treppe betont die Gefühle Glory und Joy, die ideal zu Einkaufszentren passen, sie werden durch Größe erlebt und nehmen dem Menschen auf einer tieferen Ebene die Angst. Das ist sozusagen der psychologische Code, womit wir bereits mitten in meinem aktuellen Buch über die sieben Hochgefühle sind. Christian Mikunda ist Autor, Vortragender, Lehrbeauftragter am Institut für Psychologie der Sigmund Freud Universität Wien und Dramaturg. Nach seiner Zeit als Fernsehjournalist, Trainer und Dramaturg in Deutschland und Österreich kam er 1993 über das Duttweiler Institut Zürich zum Marketing. Es folgten die Bücher VA Future Bass Soul Jazz „Future Bass“ bezeichnet alle basslastigen modernen Stilrichtungen, das heißt, es geht nicht mehr nur um Dubstep (so wie ursprünglich gedacht), sondern um Post-Dubstep, Post-Dub und so weiter. Soul Jazz als innovatives Label bringt auf seiner neuesten Kompilation wieder einige der besten Produzenten Englands zusammen: Von Coki, Kevin Martin, Foul Tet bis Mal sind nur Größen vertreten. NATACHA ATLAS Mounqaliba World Village Ein Konzeptalbum der Sängerin, die ihren Wechsel ins traditionelle arabische Fach hier mit einem idealen Crossover ernster Songs (zum Beispiel von Nick Drake) westlicher und orientalischer Provenienz meisterhaft zelebriert. Ein würdevolles Album, das von ihren früheren Dancefloor-Experimenten so weit weg ist wie London von Kairo. MAXIMUM BALLOON s/t Universal David Sitek – Gitarrist und Produzent der hochgeschätzten Band TV On The Radio – ist mit der erfolgreichen Band anscheinend nicht ausgelastet. Sein Soloprojekt hat es aber in sich und das Zeug zur besten Rockplatte des Jahres. Zehn wunderbare Songs mit zehn verschiedenen Sängern, darunter David Byrne, Holly Miranda, Karen O und andere. Bestseller 11|12 2010 COMMENT LURA Best of mit DVD Lusafrica ARMIN REINS UND VERONIKA CLASSEN Die Sahneschnitte – Wie die besten Texter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz das Mittelmaß in der Werbung bekämpfen. Verlag Hermann Schmidt Mainz, 2010254 Seiten, 49,80 Euro ISBN 978-3-87439-790-2 CHRISTIAN MIKUNDA Warum wir uns Gefühle kaufen. Die 7 Hochgefühle und wie man sie weckt Econ, Berlin 2009, 272 Seiten, 29,90 Euro, ISBN: 978-3430200684 Raus aus dem Mittelmaß Was hat es mit diesen Gefühlen auf sich? Mikunda Die sieben Hochgefühle sind das Geheimnis der inszenierten Welt und die Emotionen, nach denen sich Menschen sehnen. Die Evolution stellt den schädlichen niederen Gefühlen mitreißende hohe Gefühle entgegen. Heute nutzen Flagshipstores, Hotels, Shopping Malls, Marken genau dieses Wissen, um der Erlebnisgesellschaft starke Gefühle zu geben. Glory, das positive Gefühl zu Hochmut, dient nicht der Selbstverherrlichung, sondern der Ehre eines anderen – des Konsumenten. Joy, die helle Seite der Völlerei, ist der Freudentaumel. Man erlebt ihn am Karneval von Rio, in all seiner Farbe, Energie und Pracht. Power, die Kraft, kommt von Zorn – im positiven Sinn bewirkt sie einen Adrenalinschub und ist beglückend. Bravour entsteht durch besonderes Können, das Begeisterung anstelle von Neid auslöst. Eine Marke muss herausfinden, welches Grundgefühl sie wecken kann und möchte. Die Marke Mercedes zum Beispiel vereint Glory und Bravour. „Die Sahneschnitte ist die neue Mörderfackel“, so die einleitenden und zum Lesen einladenden Worte zum neuen Werk von Armin Reins und Veronika Claßen, die 1998 gemeinsam mit Detlef Gerlach die Texterschmiede e.V. und somit die erste praxisorientierte Schule für den deutschen Texter-Nachwuchs gegründet haben. Was sie damit meinen? 2002 kam ein Lehrbuch namens „Mörderfackel“ heraus, in dem 30 der besten deutschen Werbetexter mittelmäßige Anzeigen überarbeiteten. Acht Jahre später kommt nun ein neues Lehrbuch dieser Art, nur dieses Mal mit dem Namen „Sahneschnitte“ auf den Markt, in dem wieder etablierte Werbetexter – diesmal auch aus Österreich und der Schweiz – aus durchschnittlichen gar auszeichnungswürdige Anzeigen machen. Und professionelle, ehrliche Tipps haben Kreative von heute notwendiger denn je, hat sich die Werbewelt seit der „Mörderfackel“ 2002 doch zusehends verschärft. Und einfallsreiche Texter sind gefragter denn je. Was sind Ihre persönlichen Lieblingsgefühle? Mikunda Glory und Chill – sie sind ideal für jemanden, der hart arbeitet. Glory meint das Gefühl der Erhabenheit, die mir eine Art Applaus gibt. Chill ist das Gefühl der Entlastung, es entspannt Körper und Geist. „Der verbotene Ort“ (1995) und „Marketing spüren. Willkommen am Dritten Ort“ (2002), Beratungstätigkeiten für Unternehmen wie Mercedes oder Bertelsmann, Lehr- und Seminartätigkeiten und, nicht zuletzt, viele Reisen, mit Vorliebe nach Las Vegas, Tokio oder New York. Die Figur in der Medienlandschaft Das theoretische Werk, herausgegeben und geschrieben von den beiden Medienwissenschaftlern Rainer Leschke und Henriette Heidbrink, beschäftigt sich mit Figuren. Diese treten in vielerlei Kontexten und auf verschiedenen Bühnen auf, bevölkern Bilder, Filme, Comics, Zeitungen, Theater und Werbespots. Die beiden haben Erkenntnisse unterschiedlicher Autoren zusammengetragen und nun in einem Buch veröffentlicht. Wer sich gerne theoretischen Werken widmet, dem sei das Buch empfohlen, da es die Erscheinungsformen der Figur in Künsten und Medien von vielen Blickwinkeln aufarbeitet. Allerdings sei betont, dass es keine leichte Lektüre ist und speziell die Einstiegskapitel von Rainer Leschke durchaus etwas trockene, wissenschaftliche Kost sind. Die folgenden Darstellungen der Figur in ihren Formen und auf wechselnden Bühnen sind dagegen etwas einfacher und auch informativ zu lesen. Hintergrundwissen. HERAUSGEBER: RAINER LESCHKE UND HENRIETTE HEIDBRINK Formen der Figur: Figurenkonzepte in Künsten und Medien UvK, 2010, 418 Seiten, 44 Euro, ISBN 978-3-867-64086-2 Bestseller 11|12 2010 Gestrandete im Wandel der Zeit Im ersten Moment wirkt der Debütroman von Tom Rachman – selbst Auslandskorrespondent für AP in Rom und Redakteur der Herald Tribune in Paris – ein wenig wie das, was Jeff Jarvis immer vorgeworfen wird: ein Tanz auf dem Grabstein der Printmedien, ein Abgesang an das Zeitungswesen. Dabei liegt in der Redaktion eiTOM RACHMAN ner englischsprachigen Traditionszeitung in Die Unperfekten Rom so viel mehr Leben, als man das von Dtv, München 2010, außen vermuten möchte, schließlich ist sie, 395 Seiten, 15,40 Euro, dank versäumter Modernisierung, vom UnISBN 978-3-423-24821-1 tergang bedroht – und ihre Mitarbeiter mit. So wie sich die Welt verändert und das Zeitungsgeschäft, so erzählt auch Rachman vom Aufblühen und Scheitern einzelner Leben im Newsroom. Jedes Kapitel könnte für sich auch wie eine abgeschlossene Kurzgeschichte über sympathische Fehlleistungen gelesen werden, jedoch laufen im Hintergrund die feinen Fäden zusammen: über Ruby, die unglückliche Texterin, Arthur, den Nichtstuer und Nachrufspezialisten, den einsamen Korrespondenten Dave und die Finanzchefin, die keine Zeit für die Liebe hat. Sie alle sind Gestrandete am schmalen Ufer einer sich überschlagenden Zeit. Vor allem aber sind sie Lebens-, nein, Überlebenskünstler. Das Buch: komisch und traurig zugleich. 9 trends von Walter Braun aut IMF erarbeiteten im Jahre 2000 jene Länder, die als „emerging and developing economies“ gelten, 20 Prozent der globalen Wirtschaftleistung. Heuer sind es schon 34 Prozent und 2015 vermutlich knapp 40 Prozent. Europa, die USA und Japan fallen in der Weltwirtschaftsordnung rasant zurück. Einer Einschätzung von McKinsey zufolge sollte China bis 2050 eine doppelt so große Kaufkraft wie die USA haben. Auch die Bildungsinvestitionen der aufstrebenden Länder machen sich b emerkbar: Es gibt in diesen Regionen nicht länger einen Mangel an Wissen oder Fähigkeiten. Was ist aus dieser Entwicklung zu schlussfolgern? Dass in absehbarer Zeit die Weltordnung wieder wie im 17. und 18. Jahrhundert aussehen wird, als China und Indien die zwei größten Ökonomien der Welt waren. Einem Bericht von The Futures Company zufolge lassen sich aus dem E rfolg der aufstrebenden Ökonomien vier globale Trends ableiten: . Eine unmittelbare Folge ist ein immenser Energie- und Rohstoffhunger. Diese Gewichtsverlagerung an politischer In den kommenden Jahren wird in der gesamten Welt ein Wettrennen um Macht und Wirtschaftskraft bedeutet für den Energieeffizienz einsetzen – bei fehlendem Erfolg droht der Ölpreis, wie eine Westen eine gravierende Gefahr, bietet aber Rakete in die Höhe zu gehen, da die Spitzenausbeute bei konventioneller Ölauch Chancen. Kleine, innovative Geschäfte produktion bereits 2007 erreicht wurde und seither die Fördermenge sinkt. . Es tut sich rund um den Globus eine immer schärfere Kluft zwischen arm müssen Wege finden, in globalen Vertriebsfragen zu kooperieren. Auch die größten und und reich auf, was die politischen Risiken vergrößern wird. Zu absehbaren erfolgreichsten Exporteure werden sich darsozialen Unruhen kommen sich verschärfende religiöse und ethnische Konauf einstellen müssen, dass demnächst die flikte. . Der Erfolg vieler Länder des Ostens beruht auf einer Art Staatskapitalismus. Welt von Asien dominiert wird – mit entsprechenden Konsequenzen für die Art und Weise Der Unterschied zum Westen macht sich besonders in „strategischen Bereider internationalen Geschäftsabwicklung. chen“ bemerkbar: in der Energie- und Rohstoffsicherung, der Außenpolitik Wie sich darauf vorbereiten? Die Wirtund dem Investitionsverhalten von superreichen, staatsnahen Fonds. Wähschaftsunis sollten Chinesisch als Pflichtfach rend Europa Afrika mit Geldgeschenken und Menschenrechten händeringend erwägen und die Philosophieinstitute Konfubeglückte, ist China durch die Hintertür gekommen und hat beinharte Gezianismus unterrichten (der irgendwann den schäfte gemacht. Folge: Sie besitzen so gut wie alle Vorkommen seltener Marxismus als „Staatsreligion“ ablösen Erdmetalle, die dringend in der Konsumelektronik gebraucht werden. Als wird). Künftige Manager sollten ein „globanächstes werden chinesische staatliche Investitionsfonds, die den Finanzles Bewusstsein“ entwickeln, um Risiken überschuss des Landes bisher bevorzugt in ausländischen Bonds angelegt und Chancen in der neuen Weltordnung haben, börsenotierte Unternehmen rund um den Globus aufkaufen. . Es zeichnet sich ab, dass die erfolgreichen Ökonomien des Fernen Ostens korrekt einschätzen zu können. Wir müssen bereits jetzt beginnen, die sehr unterschied (unter der drohenden Faust eines stark aufrüstenden Chinas?) bevorzugt mitlichen Mentalitäten von Verbrauchern im einander kooperieren werden. Das begünstigt die Entstehung regionaler Nahen und Fernen Osten (und in Afrika) Märkte und Marken (siehe folgende Geschichte), aber auch neuer Forintensiv zu studieren. Dank weltumspannenschungszentren (in der zukunftsweisenden Nanotechnologie sind die Chi der Medien wird künftig selbst ein sensibler nesen hinter den USA bereits die Nummer zwei). Europäische Großkonzerne Bereich wie Innovation global gemanagt aus dem Pharmabereich stellen sich auf diese Entwicklung ein, indem sie werden, da Unternehmen in der ganzen Welt Forschungsjobs im Westen abbauen und nach Osten verschieben. auf Talentsuche sind. 10 Bestseller 11|12 2010 braun Eine neue Weltordnung Die Publico verbindet sich mit einem Weltklasse-Partner und bleibt Österreichs führendes Unternehmen für strategische Kommunikationsberatung. Wir freuen uns auf die künftige Zusammenarbeit mit unseren Kunden und Partnern. Coming soon: www.ketchum-publico.at „Generation Zero“: Konsumüberdruss + Zukunftsangst TRENDS in Phänomen, das Soziologen seit einiger Zeit beobachten: Junge Menschen bleiben immer länger im elterlichen Nest. Typische Erklärungen: zu wenig Arbeitsplätze, schlecht bezahlte Jobs. Allerdings spielt auch eine Rolle, dass die „Generation X“ gewohnt war, mehr zu konsumieren, als ihr frei verfügbares Einkommen es erlaubte. Eine gewisse Orientierungslosigkeit und Verantwortungsscheu haben Sozialforscher ebenfalls diagnostiziert. Ein Teil der nun nachrückenden Kohorte an 20-Jährigen scheint allerdings anders zu denken: Ihnen sind Freiheit und n den vergangenen fünf Jahren kamen 70 Selbstbestimmung wieder wichtiger als Prozent des Weltwirtschaftswachstums aus Konsummaximierung. Der Slogan der Regionen, die vor nicht so langer Zeit als sogenannten „Generation Zero“ lautet: „Länder der Dritten Welt“ gegolten hatten. „So wenig wie möglich besitzen“. Manche Als mehr und mehr Industriearbeitsplätze in sind geradezu stolz darauf, dass außer Richtung der aufstrebenden Länder verloreneinem Laptop und einem iPhone ihr gingen, lautete die öffentliche Rechtfertigung: gesamtes Hab und Gut auf einem Web„Dafür verkaufen wir China & Co. DienstleisServer gelagert ist. Das gibt den Jungen tungen und Markenprodukte.“ So einfach ist den zusätzlichen Vorteil, extrem mobil zu die Situation aber nicht. Zum einen sind viele sein, was notwendig erscheint, da immer Dienstleistungen lokaler Natur (lassen sich almehr ihren Jobs hinterherreisen müssen. so nicht exportieren), zum anderen sind die Der neue Minimalismus hat bereits neuen Ökonomien scharf darauf, selbst eine Reihe einschlägiger Titel hervorgehöherwertige Waren zu entwickeln. Das bracht, „The Joy of Less“ beziehungsweiheißt, europäische Exportmarken, so begehrt se „The 100 Thing Challenge“ oder etwa sie auch sein mögen, treffen vor Ort immer die Website cultofless.com. Das ist nicht häufiger auf regionale Konkurrenz. Es kommt bloß eine aus der Not der Rezession genoch schlimmer: Die erfolgreichsten Konsumborene Bewegung – da steckt richtige produkte streben ihrerseits in den Export und Philosophie dahinter. Für die Anhänger machen westlichen Marken nun in den dieser Bewegung stellen die gewohnten Heimatmärkten Konkurrenz. Unternehmens- und Medienstrukturen Beispielsweise Lenovo: Der chinesische (inklusive Werbung) die alte Welt dar, PC-Produzent ist der viertgrößte der Welt, unter anderem charakterisiert dadurch, nachdem er 2005 von IBM deren PC-Gedass „die Botschaften von oben komschäftszweig erworben hatte. Nun dehnt er men“. Ihre neue Welt gleicht eher einer sich aus: Im kommenden Jahr wird er mit Basisbewegung, bei der „die Botschaft“ einer eigenen Spielkonsole den extrem lukraaus vielen kleinen, bloggenden Stimmen tiven Markt der Computerspiele angehen, den von unten kommt. sich bis dato Sony mit der Playstation, Nach außen hin wird von dieser BeweMicrosoft mit der Xbox und Nintendos Wii gung nicht viel zu sehen sein; aber wie es teilten. Haier wiederum ist nicht bloß ein scheint, dürfte der Minimalismus die Stimnamenloser Riese im Bereich Konsumelektromung der kommenden Generation – die nik (Jahresumsatz: 17,8 Milliarden Dollar), wesentlich weniger Chancen als die „Baby sondern hat eben im Segment Kühlschränke Boomer“ vorfindet – gut widerspiegeln. Whirlpool als globale Nummer eins verdrängt. Der indische Traktorenhersteller Mahindra Tractors ist der größte im Land und Marken aus der „anderen“ Richtung 12 gehört schon zu den Top 3 in der Welt. Das brasilianische Unternehmen Embaer ist hinter Airbus und Boeing bereits der drittgrößte Flugzeughersteller. In Brasilien ist auch Marcopolo beheimatet – ein Bushersteller, der zehn Milliarden Dollar Umsatz macht und in 60 Länder exportiert. Und die Möbel des türkischen Herstellers Çilek Mobilya sind sogar schon bei kika Leiner anzutreffen. Von „verlängerter Werkbank“ kann da nicht länger die Rede sein: Diese Unternehmen stoßen gezielt in margenträchtigere Segmente vor. Nicht bloß im Bereich industrieller Fertigung – auch in kreativeren Branchen wie Mode und Kosmetik: Li Ning ist hinter Nike zusammen mit Adidas bereits die Nummer zwei unter den Sportmarken in China. Wer wissen möchte, welche Produkte aus Übersee Potenzial haben (die brasilianische Jeans-Marke Ellus etwa oder die chinesische Mode-Luxusmarke NE Tiger): Die Kollegen von der Agentur Trendwatching.com haben eine beeindruckende Liste von neuen globalen Marken-Kandidaten zusammengestellt. Falls diese neuen Marken erfolgreich sind, ist das vorteilhaft für die Verbraucherauswahl im Westen, es gehen dabei aber sicher auch Arbeitsplätze in unseren Breiten verloren. Die große Hoffnung beruht nun darauf, dass eine gewaltige globale Mittelschicht entsteht, deren Konsumhunger unsere strukturellen Defizite und fehlenden Arbeitsplätze wettmachen wird. Laut einer Schätzung von McKinsey gibt diese (recht großzügig gerechnete) Mittelschicht zurzeit 6,9 Billionen Dollar pro Jahr aus – bis 2020 sollte diese Zahl auf das fast Dreifache (20 Billionen) explodieren. Bestseller 11|12 2010 DIE WIRKUNG DIE ICH AUF M E NSCHEN HABE IST FAST BEÄNGSTIGEND I am the power of print. Was in Printmedien steht, hat Gewicht: 33% der Leser halten Informationen aus Zeitschriften für wichtig. Nur 20% schreiben Informationen aus dem Fernsehen diese Bedeutung zu, und im Internet sind es 10%. Mehr unter printpower.at Zum Bestellen der Broschüre scannen Sie bitte diesen Code mit Ihrem Handy. Den Reader können sie kostenlos unter www.upcode.fi herunterladen. 006698 Add print, add power Wo Staud draufsteht, ist Staud drin: Hans Staud führt seine Marke seit 39 Jahren mit Kaufmannskunst der alten Schule. Der Marmeladenverweigerer Arbeitslust. „Marmeladenbrotverweigerer und Löffler“ stand einst im Mitteilungsheft eines Wiener Internatsschülers, der die „grausliche Marmelade“, die es zur Jause gab, partout nicht essen und sie sich schon gar nicht aufs Brot schmieren wollte. Knapp 50 Jahre später verkauft der strebsame, aber heikle Bub, aus dem inzwischen längst ein nicht minder strebsamer und kulinarisch anspruchsvoller Mann geworden ist, seine eigenen Erzeugnisse – süße wie saure – bis nach Japan, in die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate. Der Name des damaligen Marmeladenbrotverweigerers: Hans Staud. Seine 1971 gegründete Firma: Staud‘s GmbH Konserven & Konfitüren. Zwischen dem Buben, der der Internatsmarmelade nichts abgewinnen konnte, und dem Erwachsenen, der mit seinen Konfitüren – übrigens die Bezeichnung für Marmelade, die aus nur einer Obstsorte besteht – und Kompotten, eingelegten Früchten, Sirupen und Sauergemüsen vergangenes Jahr einen Umsatz von 6,75 Millionen Euro gemacht hat, liegen reelle Jahrzehnte, aber nur gefühlte Minuten. Denn Stauds Augen strahlen hell, wenn der Obstbauer von seinen Produkten und den „guten Wachauer Marillen“ erzählt. Sein Engagement für die Marke, sein Umfeld und sein Team scheint ebenso ungebrochen. Staud IST seine Marke, und das 24 Stunden am Tag. In seinem Pavillon im 16. Wiener Gemeindebezirk direkt am Brunnenmarkt und nur wenige Gehminuten von seiner Produktion und den Büroräumlichkeiten entfernt, verbringt er ab und zu sogar seine Freizeit, um sich in Ruhe seiner zweiten großen Liebe, der Musik, zu widmen. Inmitten von Gläsern, offenem Kraut und Sirupflaschen steht in dem modernen und dennoch einladenden Shop eine Heimorgel, die Staud in seinen seltenen freien Minuten spielt. Wenn die Rollläden geschlossen sind, ertönen durch die dicken Glasscheiben – dreimal wurde bei Staud nämlich schon eingebrochen – ganz leise und dumpf jene Orgelklänge, die die Bewohner und Standler der Gegend manches Mal dazu animieren, bei Staud einzukaufen, auch wenn er geschlossen hat. Überhaupt ist der „Herr Chef“, wie er am Markt liebevoll genannt wird, hier allseits beliebt, ja sogar zum Marktsprecher wurde er gewählt. Kein Wunder: Stauds Lächeln ist ansteckend, 14 Herzlichkeit. Hans Staud, von klein auf im 16. Wiener Gemeindebezirk daheim, verbindet Multikulturalität mit der Liebe zu Wien. Bestseller 11|12 2010 KARL MICHALSKI, PETRA SCHMIDT, JOHANNES KITTEL Text von Sarah Obernosterer branding er ist offen für alle Kulturen, spricht mehrere Sprachen und setzt sich ein, wo er kann. „Ein Manager ist kein Roboter“, so seine Philosophie. Mediales Parkett Vielfalt. Neben 95 Sorten von Konfitüren bietet Staud auch eine Auswahl aus 42 verschiedenen Sauergemüse-Produkten. Staud ist am Boden geblieben, der „Kaufmann der alten Schule“, wie er sich selbst mit Etiketten zugeklebten Gläser, nichts soll bezeichnet, verkauft am Samstag seine jene Früchte verdecken, die optisch schön Produkte und steht auch schon einmal am arrangiert in die Gefäße wandern. WerbeSonntag selbst in der Produktion. Nur zu agentur braucht Staud keine, und dass sich delegieren, liegt ihm nicht, er zeigt sich mit auf den Gläsern kein Hinweis mit „Bio“ seinen Angestellten lieber solidarisch. Diese findet, liegt nicht daran, dass die Produkte Bodenhaftung ermöglicht es auch, dass bearbeitet sind, sondern daran, dass Staud Staud seine Kontakte zu Politikern dazu Natürlichkeit für selbstverständlich hält. nutzt, ihnen zu sagen, was den Standlern und Selbstständigen das Leben schwer Qualität statt Elite macht, ohne sich in irgendeiner Weise Die Erzeugnisse aus der kleinen Wiener vereinnahmen zu lassen oder sich auf eine Delikatessen-Fabrik finden sich neben Seite schlagen zu müssen. Ebenso viel Lachs und Champagner in Geschenkkörben, Freude haben Medienvertreter mit ihm, und in Gourmetläden und an Frühstückstischen auch auf Society-Events ist er ein gern ge in Nobelhotels. Staud‘s Wien beliefert beisehener Gast. „Weil ich mich halbwegs gut spielsweise das St. Regis Hotel in New York anziehen und mich benehmen kann“, meint er augenzwinkernd. Sogar Dokumentationen sowie das zur Kempinsky-Kette gehörende Hotel Grand Hotel des Bains in St. Moritz wurden von ausländischen TV-Anstalten und das Adlon in Berlin. Ausschließlich schon über ihn und seine Marke gedreht, Produkte für Reiche möchte Staud aber und das, bevor Österreich ihn für sich entnicht machen, elitär soll höchstens die deckte. Staud macht das nichts aus, im Qualität sein. Mit diesem Selbstbewusstsein Gegenteil: Über seine Produkte versucht er, und dem Bewusstsein für Qualität kann ein Österreich auch im Ausland interessanter zu ernteschwaches Jahr wie dieses weder machen. Am Konfitüren-Deckel hat sich schon die eine oder andere Illustration – bei- Staud noch seine Marke umhauen. Überhaupt: Turbulenzen und Anstrengungen der spielsweise im Augarten-Design – gefunden. vergangenen Jahre und Jahrzehnte sieht Im Jubiläumsjahr 2002 gab es auch eine man dem Geschäftsmann und seiner Marke Konfitüren-Edition „Hommage an Johann Nepomuk Nestroy“, und in Zusammenarbeit nicht an. Beide scheinen zeitlos, zufrieden, mitten im Leben und zu guter Letzt unmit WienTourismus wurden bereits mehrere trennbar miteinander verbunden. Ein Editionen gestaltet. Das Grund-Design der achteckigen Gläser ist seit 23 Jahren das sel- „ Marmeladenbrotverweigerer“ ist Staud brigens nach wie vor, seine Konfitüre be – und wirkt doch wie eben erst erfunden. ü löffelt der Meister auch immer noch. Ein schlichter, schwarzer Schriftzug, keine Bestseller 11|12 2010 15 Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss Interview von Doris Raßhofer Eier – alles was ein Mann braucht. Das Buch von Vater Edi Keck und Sohn P atrick Keck. Es lag eine Woche bei uns zu Hause am K üchentisch. Kaum ein männliches Wesen, das in dieser Zeit vorbeischneite und nicht hochinteressiert darin zu blättern begann. Den Frauen entlockte es meist einen überheblichen Grinser, der so viel sagt wie „süß“. Eben. Genau deshalb ist das Buch ein Leitfaden für ein neues m askulines Rollenmodell, für den emanzipierten Mann – oder doch besser für die dominanten Frauen unemanzipierter Männer? Bestseller traf das berufliche V ater-Sohn-Duo in seinem Männerdomizil – und wurde mit selbstgemachtem Kuchen empfangen. Schau, schau. Die Räume g leichen einer Reithalle, Zierkissen sucht man hier vergeblich. 16 Bestseller 11|12 2010 Patrick & Edi Keck Fotografiert von Oliver Jiszda Bestseller Sie beide besiedeln diese spärlich e ingerichteten Hallen alleine zu zweit? Edi Keck Ja. Gefällt es Ihnen? Naja, gemütlich ist etwas anderes. Edi Klar, Sie sind ja auch eine Frau. Und würden vermutlich am liebsten zum dekorieren anfangen … (grinst) Ich weiß eh: Männer können sich auch ohne 17 Zierkissen wohlfühlen. Steht ja in Ihrem Buch. Edi Sie haben es gelesen? Und? Wie gefällt es Ihnen? Ich habe sehr gelacht. Selten einen so provokanten Männer ratgeber gelesen. Naja. Eigentlich hab ich noch nie einen Männerratgeber gelesen. Edi Das ist ja auch kein Männerratgeber. Das dachte ich mir. Obwohl draufsteht „Von Männern für Männer“ und „Achtung. Nichts für Frauen!“ Edi Naja, wir sind ja nicht blöd. Und außerdem stammen wir aus der Werbung. Da wissen wir schon, welches Klötzerl wir den Frauen hinwerfen müssen, damit sie es nehmen. Sie waren fast 30 Jahre bei Haslinger Keck und sind vor zwei Jahren ausgestiegen. Warum eigentlich? Edi Ich mache Werbung, seit ich 21 bin. Das genügt. Und KeckundKeck macht keine Werbung? Edi Also ich zumindest nicht mehr. Wenn, dann im politischen oder kulturellen Bereich. Alles andere freut mich nicht mehr. Aus. Jetzt schreibe ich Bücher mit Hilfe meines Sohnes. Wie ist da Ihre Aufgabenteilung? Patrick Keck Wie Sie vielleicht schon gemerkt haben: Mein Vater ist der Redsteller, und ich bin der Schriftsteller (lacht). Edi (lacht auch) Ja, ich bin der, der redet und redet und r edet in solche Bänder, wie Sie hier liegen haben, viel mit einem Gesprächspartner. Patrick bekommt das Abgetippte – er hat ein analytisches Verständnis, plus kennt er mich, plus kann er schreiben. Patrick, Sie sind aber noch in der Werbebranche, als Texter. Patrick Richtig. Bis letztes Jahr war ich bei Haslinger Keck in Linz, seit einem Jahr bin ich selbstständig in Wien. Ich bin bei meiner Mutter in Linz aufgewachsen. Mein Vater war ja schon immer in Wien. Privat hatten wir zwar regelmäßigen guten Kontakt, aber beruflich eigentlich bis dato wenig miteinander zu tun, denn Linz und Wien waren in der Agentur immer strikt getrennt. „Ganz viele Männer sind durch die Medien einfach völlig verblödet.“ Patrick Keck Edi Das war ganz witzig. Der Haslinger hatte das Linzer üro, und Patrick hat dort schon während seiner SchulB und Studienzeit gearbeitet. Und ich hatte immer schon die Wiener Dependance, und bei mir hat die Tochter vom Haslinger gearbeitet. Und warum ist der Sohn nun zum Vater nach Wien gekommen? Patrick Wegen der Unlust an der Stadt Linz. Kam reichlich spät, Sie sind jetzt 34? Patrick Meine Partnerin und ich haben letztes Jahr eine Weltreise gemacht – und danach war Linz einfach endgültig zu klein. 18 Bestseller 11|12 2010 In Wien hatten Sie dann also die Idee für Ihr erstes gemeinsames Projekt – das Eier-Buch. Eine unglaublich provokante, augenzwinkernde Aufforderung zur Emanzipation des Mannes, eine Kampfansage an Weicheier und sonstige domestizierte männliche Wesen. Wie kommen Sie zu so einem Buch? Edi (grinst) Durch Beobachtung von Frauen. Patrick Wir saßen im „Schwarzen Kameel“ und haben diese vielen Frauen mit ihren vielen Einkaufssackerln beobachtet. Und wir haben uns gefragt, was die wohl schon in aller Früh mit diesen vielen Sackerln machen. Und hatten keine Antwort darauf. Edi Weil wir keine Antwort darauf haben können. Weil kein Mann weiß, wie eine Frau tickt, und umgekehrt. Nicht fühlen, nicht denken, ned nix. Also haben Sie das Minenfeld verlassen und sich auf das konzentriert, bei dem Sie sich auskennen. Edi (grinst) Ja. Genau. Mann und Frau sind einfach zwei Planeten. Eine Frau, die eine richtige Frau ist, ist was Tolles. Und ein Mann, der ein Mann ist, auch. Alles da zwischen, dieses angenäherte Hybridhafte – Mannweiber, verweichlichte Männer, Zwitter – das ist nix. Patrick Polarisierung ist das Spannende in allen Bereichen, finden wir. Deshalb wollten wir ein Leitbild machen für Männer, was essen, kochen, anziehen, wie die Wohnung ge stalten, über Freizeitverhalten bis Körperpflege. Weil ganz viele Männer durch die Medien einfach völlig verblödet sind. … durch die Medien … Edi Vor allem durch die weiblichen Medien. Weiblich? Edi Sitzen doch überall Frauen, die darüber schreiben und berichten, wie Männer zu sein haben. Und wenn sie dann so sind, wie sie sie haben wollen, dann wollen sie sie eh nicht mehr – und sie werden von der Bettkante gestoßen. Wir sind der Meinung, dass es auch schlecht ist für Kinder, wenn sie immer nur unter der Obhut von Frauen auf wachsen – Mama, Kindergärtnerin, Lehrerin … die männliche Einmi schung ist dringendst notwendig, egal, ob für Bub oder Mädchen. Jetzt schreiben Sie aber in Ihrem Buch, dass ein Mann, der in Karenz geht, in Wahrheit von den Frauen belächelt wird. Edi Das muss man viel pragmati scher sehen. In Karenz soll derjenige gehen, der das geringere Einkom men hat. Aus. Ihr Buch hört sich ein wenig so an wie zwei Männer, die es ein wenig satt haben, von ihren Frauen permanent und in allen Belangen gegängelt und benörgelt zu werden. Eine Autobiografie à la „Schreib Dich frei“. Edi Nein, überhaupt nicht. Ich bin rund 30 Jahren mit meiner Frau zu sammen. Und auch Patrick hat eine super Frau als Partner. Und wir sind überhaupt nicht untergebuttert. Ich hab meine Frau zum Klettern ge bracht, heute ist sie um ein Viel faches mehr in den Bergen als ich. Schweizer Qualität bedeutet auch Dynamik. Für Ihren Erfolg beim weltweiten Postversand. Swiss Post bietet Ihnen grenzüber schreitende Versandangebote, die Ihr Geschäft noch erfolgreicher machen. Ob Tagespost, Direct Mailings, Zeitungen, Zeitschriften oder Kleinwaren, auf uns können Sie sich verlassen. Mit unserer Flexibilität, Innovationskraft und Zuver lässigkeit stehen wir Ihnen als Partnerin beim internationalen Versand zur Seite. Mehr Infos erhalten Sie unter der Gratisnummer 0800 070 700 oder www.swisspost.at Excellence delivered. Wir, also Patrick und ich, kochen beide, wir waschen beide. Wir leben so, wie es in unserem Buch steht. Was ist das Tolle an Ihren Frauen, das anderer Männer Frauen offenbar nicht haben? Edi Dass mich meine Frau zum Beispiel in Ruhe lässt. Wir akzeptieren und respektieren uns in unserer Einzigartigkeit und lassen uns damit gegenseitig in Ruhe. Wir bevormun den, erziehen uns nicht. Und was ist jetzt falsch am heutigen Mann, an seinem Rollenverhalten? Edi Die Männer spüren es ja eh, dass irgendwas nicht stimmt. Dass sie sich zu lange von Medien und Frauen verbiegen haben lassen. Die weibliche Emanzipation ohne klar formuliertes Ziel, schreiben Sie. Edi Ja, was hat es den Frauen denn gebracht, diese Herum erzieherei? Dass sie jetzt doch lieber wieder das Arschloch wollen? Gibt‘s vielleicht was dazwischen? Edi Ja: uns. (grinst) Die Prototypen des modernen Mannes … Edi Ja, so könnte man das sagen. Wo sind wir denn in der Emanzipation angelangt? Edi Wir sind in der Phase, in der vielleicht die Emanzi pation der Frau erreicht ist. Aber auf jeden Fall nicht die des emanzipierten Mannes. Patrick Deshalb sind uns ja gerade die Kampfemanzen alle voll auf die Schaufel gelaufen … vor allem aus dem linken Lager. Manche Passagen in Ihrem Buch sind schon sehr provokant: „Ein Mann bügelt nicht. Ein Mann ändert sich nicht. Ein Mann muss eine Frau nicht verstehen. Ein Mann lügt nicht …“ Patrick Das ist alles nicht so ernstzunehmen. Das Augen zwinkern kommt doch rüber, oder? Edi Wir vertreten NATÜRLICH die Meinung „Halbe/Halbe im Haushalt und in der Erziehung“, gar keine Frage. Und der moderne Mann hat natürlich bügelfreie Hemden, und er bügelt natürlich nicht seine Socken, Unterhosen und Handtücher. Und natürlich verdienen Frauen und Männer das Gleiche für den gleichen Job. Dafür zu kämpfen, ist absolut lächerlich. Es gibt Passagen, wo Sie aber auch den Männern ordentlich Stress machen, zum Beispiel wenn Sie schreiben: „Ein Mann hat eine sinnliche Frau“. Und: „Entweder, er hat es sexuell drauf oder eben nicht“. Also wenn ich ein Mann wäre und hätte jetzt weder das eine noch das andere, dann hätte ich jetzt Stress. „Eine Frau weiß nicht, wie ein Mann tickt und umgekehrt.“ Edi Keck 20 Bestseller 11|12 2010 Ein NEUES GESETZ von Wirtschaftsminister Mitterlehner eingebrachtes sorgt für Unmut im Lebensmittelhandel: Es VERBIETET ab 2012 das Mitwiegen der Wurst- oder Käseverpackungen in der Feinkostabteilung. Die vielleicht bekannteste Wurstart Österreichs ist davon aber kaum betroffen: Die legendäre BURENWURST wird hauptsächlich am Würstlstand verkauft – zum Stückpreis und auf Papptellern. Der Hintergrund macht die Nachricht. Ihre Zeitungen und Magazine. Zeitungen und Magazine liefern Orientierung und Information. In Zeiten von Häppchenjournalismus und Newsflashes haben Kaufzeitungen und Kaufmagazine einen entscheidenden Mehrwert. Sie liefern gut recherchierte Fakten, Hintergründe, Analysen und Stories, auf die man vertrauen kann. Und das auf Papier und online. Mehr Hintergründe und Details erfahren Sie auf www.zeitungen-magazine.at. Eine Initiative des Verbandes Österreichischer Zeitungen und seiner Mitglieder Edi Viele glauben ja, dass man alles erlernen kann. Mit einer Gebrauchsanweisung. Aber guter Sex mit einer Frau funktioniert doch nur, wenn ein Mann wirklich interessiert daran ist, wenn er neugierig am Entdecken seiner Frau und seiner selbst ist, wenn er kreativ ist. Das kann man nicht erlernen. Wenn du das aber nicht hast, wird es schnell fad für beide Beteiligten. Eine schräge Sache ist mir noch aufgefallen: „Ein Mann muss auf die Frau sexuell nicht eingehen. Vielmehr müssen Techniken gefunden werden, damit die Frau binnen einer Minute zum Orgasmus kommt.“ Ähm … haben Sie diese Technik schon gefunden? Für eine Minute? Edi (grinst) Naja, sagen wir für zwei Minuten. Wie wär‘s mit drei? Edi OK. Und? Edi Schauen Sie, jahrzehntelang wurde den Männern eingetrichtert, sie müssen auf die Frau im Bett Rück sicht nehmen. Wenn man aber – nur so zum Spaß – die Fragestellung umdreht und in den Frauenzeitun gen schreiben würde: „Liebe Frau, hör endlich auf mit dem Schmusen, Kuscheln, Streicheln vorher, sondern lern endlich, in einer Minute zu kommen, so wie es der Mann gerne hätte.“ Eine solche Aussage würde jeder als absurd abtun. Aber das Umgekehrte, das seit Jahrzehnten verbreitet wird, erlebt niemand als ver trottelt. Diese Forderung mit der einen Minute an die Frauen soll nur zeigen, was Ihr Frauen immer von uns verlangt – und zwar mit einer ganz anderen Selbstver ständlichkeit. Provokation. Patrick und Edi Keck im Geschlechter-Gespräch mit Doris Raßhofer. Jetzt sind natürlich gerade im Produktmarketing sehr viele Frauen tätig. Und wie Sie eingangs schon sagten: Eine Frau weiß nicht, wie ein Mann denkt, und umgekehrt. Also eine Fehlbesetzung, wenn eine Frau Werbung für einen Männerrasierer macht? Edi Ich hab in jungen Jahren einmal eine Kampagne für o.b. gemacht. Ich hab wirklich nur Bahnhof verstan den bei dem ganzen Briefing. Aber sie wollten unbedingt, dass ich die Kampagne mache. Aber die revolutionäre Palmers- Kampagne stammt von Christian Satek, einem Mann. Edi Und für wen ist die PalmersKampagne? Für den Mann? Edi Für die Frau! Wieso? Der Mann soll doch die Unterwäsche zu Weihnachten schenken. Patrick Durch eine solche Irritation wollen wir ein fach aufzeigen, wie blöd das Eine und das Andere ist. Edi Es weiß doch keiner die Körb Als Kreativer kommt man sehr oft genau dadurch chengröße. Genau deswegen gibt es weiter, wenn man Dinge einfach umdreht, um drauf die Palmers-Gutscheine. Die sind für zukommen, dass im Grunde alles ein völliger Blöd den Mann. sinn ist. Kann Werbung ein neues MännerDie Erwartungshaltungen sind in der Tat gewaltig und auch die Ängste, die multiplen und diffusen Erwartungen nicht zu erfüllen. Wie spiegelt sich denn dieser Status quo im Rollenbild in den Medien wider? Welcher Mann, welche Frau wird denn in der Werbung derzeit dargestellt? Edi Männer werden derzeit vor allem als minderbe mittelte Trotteln dargestellt. Und wenn man nur einen Hauch von Sexismus am Plakat hat, dann rennen gleich alle Amok, von Verbänden bis Frauen. Patrick Schauen Sie sich die Actimel-Kamapagne an, „Herbert, trink das“. Oder nehmen Sie eine Wasch maschinenwerbung her – meistens läuft der Slogan darauf hinaus: „So einfach zu bedienen, dass es sogar der Mann schafft“. Edi Klar wurden Frauen über Jahrhunderte diskrimi niert, aber jetzt ist gerade der Mann dran. Diskrimi nierung ist aber immer schlecht. 22 bild in die Welt setzen? Edi Ich glaube, dass Werbung ein fach super konservativ ist. Die großen Tanker gehen doch kein Risiko ein. Das Pionierhafte in der Werbung ist die Ausnahme. Wie bei Unternehmen auch. Innovativ sind meist nur die Anfänger oder die, denen das Wasser bis zum Hals steht. Der Erfolgreiche trottet ein fach weiter in seinem Fahrwasser. Er wär ja auch ein Trottel, wenn er es anders machen würde. „Wir akzeptieren uns in unserer Einzig artigkeit und lassen uns damit gegen seitig in Ruhe.“ Edi Keck Patrick Toll wäre einfach, wenn e inmal der Mann beim Knorr-Spot kochen würde und nicht daneben sitzt und sich belehren lässt. Was ist denn zu den Fliesenleger kursen für Frauen zu sagen und den Waschmaschinenkursen für Männer? Edi Na gar nichts. Es soll jeder alles können. Und es kann auch jeder al les, wenn er will. Schauen Sie sich die Trümmerfrauen in der Nach kriegszeit an, was die alles geschafft haben, während ihre Männer im Krieg waren oder verwundet oder gar nicht zurückkamen. In den 50ern hat man denselben Frauen dann wieder eingeredet, das Dummchen am Herd sein zu müssen. Edi Und jetzt lernen die Buben im Unterreicht wieder stricken. Na und? Mädchen haben Werken. Edi Ja, aber es gibt doch sicher Sinnvolleres als Stricken in unserer heutigen Zeit! Sie haben in Ihrem Buch zum Schluss etwas sehr Schönes geschrieben zum Thema, was eine Beziehung auch nach vielen Jahren noch wertvoll sein lässt, auch wenn die sexuelle Attraktion längst nicht mehr im Vordergrund steht … Edi Die gemeinsamen Interessen, gemeinsamen Lebensziele, gemein samen Freunde? Patrick Nein, sie meint das Lachen. Darf ich das Zitat von Paul Newmans Ehefrau zitieren? „Sexiness wird dünn mit der Zeit, und die Schönheit verblasst, aber mit einem Mann verheiratet zu sein, der einen jeden Tag zum Lachen bringt, ja, das ist ein wirkliches Vergnügen.“ Edi Erst wenn Männer wieder wis sen, wie sie selbst zu sein haben, werden sie auch wieder wissen, wie ihre Frauen zu sein haben. Bestseller 11|12 2010 Und was muss Frau tun? Wenn die Emanzipation des Mannes noch nicht angefangen hat, aber die Emanzipation der Frau bereits fertiggestritten ist, ist es Zeit für eine weibliche Bilanz. Eva Dichand Herausgeberin Heute Heutzutage ist es normal, wenn statt der Mutter der Vater (alleine!) mit den Kindern Babyschwimmen oder Eislaufen geht. Die Emanzi pation der Frau hat einerseits zu mehr Druck bei Männern geführt (bei den altmodischen), bei anderen wiederum (den mo dernen) zu mehr Freiheit. Heute braucht sich kein Mann mehr genieren, wenn er mit seinem Kind am Spielplatz ist und zugibt, dass dies ihm durchaus Spaß bereitet. Beruf lich betrachtet: In einer kompetitiven Welt wird der Druck auf Männer noch größer, da im Konkurrenzkampf um gute Positionen nun auch Frauen auftauchen. Mira Kloss Zechner Director of Brand Management bwin heute, bwin, Styria Multi Media Ladies, Österreich, MindShar, krone Ich nehme die Annäherung der Geschlechter zutiefst betroffen und traurig wahr, denn sie hat einen Großteil der Manhood zu “Warm duschern“ gemacht. Der Edi hat teilweise Recht mit seinen Aussagen, denn eine wirkliche Frau wünscht sich trotz allem einen richtigen Mann, der ihr „manchmal“ sagt, wo es langgeht! Es sind Männer gewünscht, die der Frau das Gefühl vermitteln, den Ton anzugeben, obwohl sie weiß, dass dem nicht so ist. Denn das sind die Männer, von denen wir uns auch gerne verführen lassen würden! Svetlana Puljarevic Geschäftsführerin Styria Multimedia Ladies Ich würde mal den Titel abändern auf „Eier. Alles was man braucht“. Ich habe schon sehr oft gehört, dass man über eine Frau sagt: „Na die hat ja mehr Eier als so mancher Mann!“. „Eier haben“ assoziiert man mit Mut, Entscheidungskraft, Tatkraft, Stehver mögen, egal bei welchem Geschlecht. Ich liebe Menschen mit diesen Eigenschaften. Nur: Solche Frauen werden in der Gesellschaft noch immer als große Ausnahme gesehen, denen man teils Bewun derung, aber größtenteils Distanziertheit, Angst, Skepsis entgegenbringt. Conny Absenger Vorsitzende der Geschäftsführung Fellner Medien Ich habe Herrn Kecks Buch leider nicht gele sen, aber wenn ich Titel und Umfeld richtig interpretiere, handelt es sich nicht um ein Kochbuch. Prinzipiell gilt: „Mit“ sind mir – unabhängig von der Gender-Frage – alle Menschen lieber … bedeutet dieses Synonym doch Courage, Mut, Willen und Einsatz. Und das steht Frauen und Männern gut zu Gesicht. Friederike Müller-Wernhart Geschäftsführerin MindShare Sich mit diesem Thema zu befassen, bedeutet, dass es immer noch ein Thema ist. Allerdings schlägt sich die „neue Generation“ der Männer bereits in Zahlen nieder. Die haushaltsführenden Männer sind von 8,7 Prozent der Bevölkerung in 1995 auf 12,5 Prozent in 2009/2010 gestiegen. Die Werbeausgaben für Herrenkosmetik stiegen seit 2008 auf mehr als das Doppelte. Und auch die beworbene Produktpalette ist tiefer und breiter geworden. 2006 wurden drei verschiedene Nivea-Produkte für die Herrenkosmetik beworben, 2010 waren es sieben. Der Warenkorb „Herrenkosmetik“ besteht aus nahezu doppelt so vielen Produkten. Manuela Hofbauer-Paganotta Gesamtanzeigenleitung Kronen Zeitung Emanzipation ist ein großes Wort. Viel wäre schon erreicht, wenn sich beide Geschlechter mehr an den Stärken und positiven Eigen schaften des jeweils anderen orientieren würden. Wir Frauen könnten noch viel von der lösungsorientierten Zielgerichtetheit und dem konsequent strategischen Denken der Männer lernen, anstatt sich durch allzu große Detailverliebtheit selbst auszubremsen. So mancher Mann könnte andererseits von uns Frauen viel über soziale Kompetenz und gelebten Teamgeist lernen, anstelle des mitunter sehr selbstbezogenen Agierens. Sich der eigenen Schwächen bewusst zu werden, bedeutet, überkommene Rollenbilder aufzubrechen. WIR SINGEN DIE ZUKUNFT Unsere Gesellschaft wird immer fragmentierter. Welchen Stellenwert hat da die gemeinsame Zerstreuung in Familien überhaupt noch? Über den kommunikativen Kitt durch Fernseher & Co. kurz vor Weihnachten. Text von Harald Wolkerstorfer Baum-Solitäre im Programm-Wald So untypisch das Familiy-Entertainment in den Häusern Merlicek auch sein mag, so ist doch eines charakteristisch für die heutige Zeit – zumindest was die gemeinsame TVUnterhaltung anbelangt: Das generationenübergreifende Abhängen auf der Fernsehcouch vor Serien wie „Dallas“, „Denver LIVE DABEI SEIN TICKETS UNTER: tickets.ORF.at Andreas Zachhuber/Fotolia Individualisieren wir uns zu Tode? Atomisierung. Nein, in ihrem Wohnzimmer in der Wiener Wohnung steht kein hässlicher, dicker Flimmerkasten und auch kein fetter Flatscreen. Dafür ein edler BlüthnerFlügel, der es – eben gerade aufgrund der Abwesenheit eines Fernsehers – geschafft hat, im Mittelpunkt zu stehen. Und auch das gemeinsame Abendessen mit Ehemann Franz und den beiden Zwillingsbuben – zum Leidwesen des Hauptabendprogramms – ist ein zentraler Punkt im Freizeitverhalten einer, zugegeben vielleicht nicht ganz durchschnittlichen, österreichischen Familie. Wir sind zu Hause bei Rosa Haider-Merlicek, Kreativdirektorin der Werbeagentur Demner, Merlicek & Bergmann. Fernsehen bildet bei ihnen nicht den Mittelpunkt der gemeinsamen Familienzeit, wenngleich es einen „miesen kleinen Fernseher“ im Nebenzimmer gibt. „Die Zwillinge (elf Jahre) schauen einmal die Woche fern, und zwar ‚Universum‘, bei dem das Medium seinem Bildungsauftrag nachkommt – und zwar meistens mit dem Vater gemeinsam“, erzählt Haider-Merlicek. Und natürlich wird Fußball geschaut, wenn gerade eine WM ist oder eine EM. „Champions League spielt es zu spät für die Kinder“, sagt die Werberin. Und das Wochenende verbringen die Merliceks sowieso in einem alten Bauernhaus – und da hat eine Satellitenschüssel schon aus ästhetischen Gründen keinen Platz. „Die Männer gehen manchmal zum Nachbarn, um den Start eines Formel-1-Rennens zu sehen.“ Oder wenn eben ein wichtiges Fußballspiel läuft. mehr schauen – der Medienkonsum insgeClan“ oder zumindest vor „Wetten, dass..?“ Fernsehen, bei dem sich die gesamte Famisamt ist gestiegen. Immer mehr Menschen lie vor dem TV-Gerät versammle, „nicht gibt es immer weniger. Durch die Diversifiverbringen immer mehr Zeit mit immer mehr oder kaum mehr“. Bei vier Kindern zierung der TV-Programmangebote und mehr Medien. Aber die Kids sehen relativ weiß der UPC-Chef auch aus den eigenen Plattformen gleicht die familiäre Fernsehwenig lineares, also klassisches, Fernsehen. landschaft individuellen Baum-Solitären im vier Wänden her nur zu gut, wovon er Lineares Fernsehen ist eine Generationen spricht. Früher hätte Hintze zufolge quasi dicht gedrängten Programmwald. Ob das frage. Es kann davon ausgegangen werden, der fixe Fernsehtermin (etwa 19.30 Uhr jetzt gut ist oder schlecht, sei vorerst noch dass die durchschnittlichen ORF-Seher (aber oder 20.15 Uhr) den Familienablauf fest dahingestellt (mehr dazu später im Text). auch jene von CNN) in etwa so alt sind wie gelegt. Heute versammle man sich eher Zumindest war es nicht immer so. Wenndie durchschnittlichen Zeitungsleser – also vor dem Bildschirm, wenn Zeit dazu sei. gleich auch das Gegenteil nicht immer der nicht mehr ganz taufrisch. Das lineare Fern„Der familiäre Fernsehkonsum ist nach der Fall war. So war in der Kindheit von Rosa sehen hat sicher eine gute Gegenwart. In Haider-Merlicek zwar Fernsehen an und für gemeinsamen Zeit organisiert, die Inhalte Wien gibt es statistisch 2,7 Fernseher pro sucht man dann.“ Ausnahmen seien Sportsich von Elternseite verboten – weil es die Haushalt – die Zweit- und Drittgeräte nach veranstaltungen oder Votings (etwa bei Phantasie verdirbt, doch geheime Abhilfe dem Kauf eines Flatverschafften die Besuche bei der Nachbarin. Casting-Shows) – also screens sind analoge ausschließlich Sen„In meinem Beruf zehre ich heute noch von Geräte. Aber hat desden netten Geschichten von damals“: „Dak- dungen mit Live-Chawegen das herkömmrakter. Was sich ja sotari“, „Drei Mädchen und drei Jungen“, Rosa Haider-Merlicek, liche Fernsehen auch gar bei den Merliceks „Raumschiff Enterprise“, „Flipper“, „SkipDemner, Merlicek & Bergmann eine gute Zukunft? py“, „Verliebt in eine Hexe“ und „Pan Tau“. gezeigt hat. Laut Joachim Diese neue Konfi„Meine Vorliebe für Advertising Characters Feher, Chef der Mediaagentur MediaCom in guration des familiären TV-Konsums wird stammt auch daher“, meint Haider – und Wien, hätte das erweiterte Fernsehangebot jedenfalls durch die Segnungen der neuen führte die Kreative direkt zum „Ja, dazu geführt, dass die individuellen VorlieTechnik ermöglicht. Dokumentationen auf natürlich!“-Schweinchen und zur Familie ben jedes Einzelnen punktgenau befriedigt National Geographic oder dem Discovery Putz (da sage noch einer, Fernsehen töte werden können. Der Kampf um die FernbeChannel oder ein Spiel aus der NBA, der die Phantasie). In den 1980ern saß dann dienung wurde seltener. „In meinen Augen US-amerikanischen Basketballliga, oder aber ihre gesamte Familie schließlich doch ist es weniger eine Frage des veränderten georderte Filme über „Video on Demand“ geschlossen vor der Glotze – „Dallas“, Verhaltens der Generationen als vielmehr sowie Vorgespeichertes: Die Inhalte werden „Dornenvögel“, „Denver Clan“, „Shogun“, das deutlich größere Programmangebot, das „Der Kurier des Zaren“, Fußballspiele, „Uni- halt dann konsumiert, wenn Zeit dazu ist. dafür sorgt, dass einzelne Sendungen nicht versum“ etcetera. mehr Reichweiten von 30 oder mehr ProKonvergenz war gestern zent haben.“ Am ehesten seien es noch imHintze hält jedenfalls die Anzahl der „MitGeneration Next-Set-Top-Box mer die Unterhaltungssendungen, die Genespieler“, also der verwendeten Geräte im Das Fernsehen machte also in den NachHaushalt, für steigend – vor ein paar Jahren rationen gemeinsam vor dem Schirm kriegsjahren bis hinauf zu den 1980er-Jahversammeln würden – nur heißen sie heute sprach die Branche noch von Medien-Konren „aus dem Kreis der Familie einen Halbnicht mehr „Dalli Dalli“ oder „Einer wird vergenz, also von einem All-in-one der Abkreis“, wie es die französische Literatin gewinnen“ (Hans-Joachim Kulenkampff), Françoise Sagan einmal beschrieb. Doch die spielgeräte. Letztlich läuft die Entwicklung sondern „DSDS“ oder „Was gibt es Neues?“ Digitalisierung des Fernsehens sprengte die- aber anders: Flatscreen im Wohnzimmer, oder auch „Die Lugners“. kleine, alte Kiste im Gästezimmer, Laptops sen Halbkreis rund um den einstigen gein den Kinderzimmern. Welche Rolle hier meinsamen Familienschrein. Thomas Moderne Apparatschiks der Tablet-PC einnehmen wird, wird sich Hintze, Vorsitzender der Geschäftsführung Noch vor zehn Jahren gab es Fernseh- noch zeigen. von UPC, Anbieter von Internet-, TV- und Wie auch immer: Es ist eine Mär, zu glau- Formate wie „Taxi Orange“, die ganz Telefonservices in Österreich, erklärt, warÖsterreich gemeinsam vor den Schirm ben, dass die Jugendlichen kein Fernsehen um: Laut ihm gebe es klassisches, lineares „In meiner Kindheit hatten wir auch keinen Fernseher.“ HELDEN VON MORGEN JEDEN FREITAG, 20.15 UHR, LIVE IN ORF 1 olten. Dass das heute nicht mehr so ist, h liegt für Feher aber auch zu einem gewissen Teil an „mangelnden Innovationen“. Auch wenn sportliche Großereignisse noch am ehesten zu generationenübergreifenden TVRobert Steiner, Steiner Familyentertainment Events würden, so könne man auch an diesen beobachten, dass sie insgesamt immer weniger Menschen live vor den Fernsehkonjunktur. Allen voran die Spiele. Und wer schirmen versammeln. „Digital Divide sorgt Gleiche reden.“ Das sei seiner Beobachtung nicht nur dem Konsolen-Eskapismus frönt, zufolge genau das Gegenteil davon, was im ja nicht dafür, dass nicht mehr ferngesehen landet rasch bei Brettspielen. Die analoge wird, sondern, dass anderes gesehen wird“, Web passiere. „Öffentlichkeit bedeutet, dass Spielebranche spürte denn auch laut Expernicht jeder in seinem eigenen Segment ist“, sagt der Media-Experte. ten zuletzt leichten Aufwind. Ferdinand de sagt er. Und: Das öffentlich-rechtliche FernDie Gefahr, dass mit der Fragmentierung Cassan veranstaltet das „Wiener Spielefest“. sehen erfülle wie kein anderes Medium die der Medien und derer Angebote nicht nur die Familie, sondern auch die Öffentlichkeit Aufgabe, Öffentlichkeit herzustellen. Mit dem Ende November ging die Veranstaltung zum Spiele-Ausprobieren zum 26. Mal über die Internet bestünde jedoch die Gefahr einer in seine Bestandteile zu zerfallen droht, absoluten Fragmentierung von Öffentlichkeit. Bühne. Laut ihm hätten die Brett- und Karsieht Joachim Feher nicht: Er glaube nicht, tenspiele gar nie Rückgänge verzeichnet, dass der soziale Kitt durch das Fernsehver- „Wo bleibt dann der Kitt, der die Gesellschaft derzeit wachse der Marktanteil wieder. Er zusammenhält?“, fragt Precht. Ein „Kollekhalten verlorengehe, „dafür sind schon antivdasein vereinzelter Masseneremiten“ wäre erlebe gar eine „Renaissance“ der Spiele. dere Strömungen verantwortlich“. AußerDiese ermöglichten eine einfache Form, mit dem habe man solche Befürchtungen schon wohl in diesem Negativszenario die letzte jemanden zu kommunizieren. „Dabei müsKonsequenz. Mediale Fragmentierung, die mit dem Aufkommen des Fernsehens geden Zusammenhalt in Gesellschaft und Fami- sen die Menschen an einem Tisch sitzen und hegt, „als die Menschen dann nicht mehr reden“ – im Gegensatz zu Youtube und Konlie untergräbt. Reichweitenstärke und vermiteinander Spiele gespielt oder sich Gesolenspielen. „Trends kommen und gehen, lässliche Leitmedien bündeln jedenfalls Meischichten erzählt haben“. Auch UPC-Chef die Brettspiele bleiben“, sagt de Cassan. nungen und können so ein starkes Geländer Besonders gefragt seien laut dem Experdurchs Leben sein. ten derzeit so genannte Partyspiele, bei deAuch Otfried Jarren, Kommunikationswisnen es nicht ums Konflikteaustragen und senschaftler an der Universität Zürich, reiht sich in die Phalanx der Fragmentierungs-Kas- ums Gewinnen gehe, sondern um „Dabeisandras ein. Für ihn kommen „intermediären sein, Spaß, Freude und Gemeinsamkeit“. De Joachim Feher, MediaCom Cassan führt hier das Spiel „Schlag den Organisationen“ – wie Parteien, Verbänden, Raab“ von Ravensburger ins Treffen, bei aber auch Massenmedien – eine besondere dem Teile der TV-Show „sehr gut umgesetzt Bedeutung für Erhalt und Entwicklung Thomas Hintze glaubt übrigens nicht an sind“ – das Spiel ist derzeit eines der erfolgmoderner Gesellschaften zu. „Sie sind Refleeinen Zerfall von Familie und Gesellschaft, xionsorte, wirken als Vermittler und ermögli- reichsten seiner Art in Deutschland. da es ja nach wie vor Sendungen gebe, die Laut einer ökonomischen Gesetzmäßigkeit chen gesellschaftlichen Austausch.“ Laut gemeinsam geschaut würden (wie etwa gedeiht die Brettspielkultur gerade in KrisenJarren käme jedoch in der Wissens- oder InSport- und Live-Übertragungen). Pay-TVzeiten gut. Denn auch Brettspiele dienen eiformationsgesellschaft den Medien eine zuAnbieter wie Sky zum Beispiel halten hier nem Eskapismus – wenn auch nicht jeder alnehmend wichtigere Rolle zu. Das Web sei eigene Family-Kanäle zum Abo bereit. lein dabei bleibt. Außerdem spreche laut de zur Orientierung nicht ausreichend, erst InCassan der relativ günstige Preis fürs analoge termediäre würden bei Entscheidungen helGeneration-Gap fen. Und diese Hilfestellung habe die heutige Spielen. Die aktuellen Brettspiele scheinen Es gibt allerdings Soziologen, Philosophen sich aber auch Anleihen bei ihren digitalen Gesellschaft dringend nötig. und auch Medienwissenschaftler, die es mit Geschwistern genommen zu haben. Denn Sorge sähen, verkäme die Öffentlichkeit diese sind in der jüngsten Vergangenheit durch die neuen digitalen Medienanwendun- Homo Ludens sicher poppiger, greller und auch komplexer Natürlich wird auch in anderen Familien als gen tatsächlich zu einem Fragment. Der den Merliceks nicht nur ferngesehen. Gerade geworden. deutsche Publizist und Philosoph Richard in der finsteren und kalten Jahreszeit – zuDavid Precht ist so einer. „Demokratie Fernsehen an erster Stelle rückgeworfen auf die eigenen vier Wände – braucht Öffentlichkeit. Und Öffentlichkeit Beim wichtigsten Punkt im Family-Enterhaben Basteln, Lesen & Co. vielerorts Hochentsteht, wenn viele Menschen über das „Kinder werden immer mehr zum Alleinunterhalter.“ „Immer weniger Menschen versammeln sich live vor dem Fernseher.“ BACKSTAGE-INFOS ZUR SHOW heldenvonmorgen.ORF.at „Neue Kristallisationspunkte schaffen“ YFE Stefan Piëch, CEO der Münchner Your Family Entertainment AG, über gemeinsame TV-Brennpunkte in Familien tainment hat sich in den vergangenen Jah ren wohl gar nichts verändert: Kinder wol len Zeit mit der Familie verbringen – und zwar Qualitätszeit. Dazu gehören gemein same Mahlzeiten, gemeinsames Fernsehen, gemeinsames Spielen oder Outdoor-Aktivi täten. Für Robert Steiner, Chef Steiner Familyentertainment und ORF-Moderator, ist der Qualitätsanspruch der kleinen (Medien-) Konsumenten gestiegen. „Höchst professio nelle Vergnügungsparks wie Disneyland sind erreichbarer als früher, und auch der Ein fluss und Umgang mit elektronischen Medi en wirkt sich aus.“ Alles lassen sich die Kids von heute also nicht mehr vorsetzen. Laut Steiner liegt das Fernsehen weiter hin an erster Stelle der medialen Freizeitbe schäftigung der Jüngeren. „Später werden die interaktiveren Medien Handy – für Spie le, MP3, SMS – und Internet – für Spiele, Youtube, Facebook – wichtiger.“ Auch der Familienunterhaltungsprofi (er organisiert etwa das „Nivea-Familienfest“) bemerkt, dass Kinder dabei immer mehr zum „Allein unterhalter“ werden. Es fällt ihm allerdings auch eine andere Entwicklung auf: „Durch interaktive Onlinespiele, Skype, Facebook etcetera tritt die Kommunikation mit Freun den und Gleichgesinnten via elektronische Medien wieder stärker in den Vordergrund.“ Na, immerhin. Noch einmal zu Rosa Haider-Merlicek und ihren Fernsehgewohnheiten: Die Krea tivdirektorin sieht sich Downloads wie die Werber-Serie „Mad Men“ am Computer an, „weil bei uns in Österreich kannst du darauf lange warten, und außerdem schau ich nur Originalfassung – nachts, wenn alle schla fen, per Kopfhörer.“ Aber irgendwie mag auch sie das nicht Fernsehen nennen, wenn sie die Nacht im Seattle Grace Hospital bei „Grey‘s Anatomy“ verbringt – eher schon „Nachtschicht“. Bestseller Herr Piëch, Sie produzieren und vertreiben Kinder- und Familiensendungen. Wie schaffen Sie es, Oma und Enkel vor der „Glotze“ zu vereinen? Stefan Piëch Unsere generationsübergreifenden Serien (etwa „Fix und Foxi“, Anm.) haben alle etwas gemeinsam: Sie vermitteln unterhaltsam Wissen, universelle Werte und laden junge und alte Zuschauer ein, Fragen zu stellen. Es ist eine der größten Herausforderun gen für das Fernsehen, auf die medialen Bedürfnisse heranwachsender Generationen ein zugehen und zugleich Eltern in ihrer Erziehung zu unterstützen und zu unterhalten. Wie sieht nun der Generationen-Kitt im Fernsehen konkret aus? Piëch Die Eltern geben ihre persönlichen Fernseherfahrungen an ihre Kinder weiter. Dies führt zu Schnittstellen, an denen sich Eltern und Kinder treffen. So werden bewährte Formate wie etwa „Urmel“ (Zeichentrickserie, Anm.) an die nächste Generation weitergereicht. Diese stellen quasi den kommunikativen Kitt zwischen den Generationen dar. Unser Ziel ist es, an diese hochwertigen Produktionen anzuknüpfen, um neue Kristallisationspunkte für die heutigen und künftigen Zuschauer zu schaffen. Warum kommen gerade Zeichentrickserien sehr oft generationenübergreifend gut an? Piëch Aufgrund des höheren Abstraktionsgrades lassen sich mit Cartoons spannende Geschichten erzählen, die, von gängigen Moden losgelöst, bei den Zuschauern Fantasien anregen und Kreativität fördern. Live-Action (Realfilm, Anm.) hingegen ist nicht zuletzt durch die gefilmte Wirklichkeit in ihrer jeweiligen Zeit verwurzelt. Welche Chance hat das klassische, lineare Fernsehen im FamilyEntertainment gegen die neuen, digitalen Medienanwendungen noch? Piëch Die Abrufbarkeit von Angeboten on Demand ermöglicht es auch technik ferneren Zuschauern, Inhalte aktiv nach persönlichen Bedürfnissen auszuwählen. Klassisches Fernsehen hingegen erfüllt weiterhin Orientierungsfunktionen. Gerade Eltern erhalten dadurch einen besseren Überblick über das vorhan dene Senderangebot und können so deutlicher ein schätzen, wessen Produk tionen aktiv weiterverfolgt Stefan Piëch gewann im November werden sollen. in Venedig mit dem Pay-TV-Sender yourfamily den „Hot Bird TV Award“ für das beste internationale Kinderprogramm. HELDEN VON MORGEN JEDEN FREITAG, 20.15 UHR, LIVE IN ORF 1 Märchenwelten Tiere vor Grausamkeiten zu retten, ist eine gute Sache. Die Emotionalität für ein erfolgreiches Vermarktungskonzept zu nutzen, zeugt von Cleverness, die Authentizität vor Ort von perfekter Inszenierung. Willkommen auf Gut Aiderbichl. Wunder. Es ist alles perfekt. Der Bauernhof – natürlich, authentisch und ursprünglich. Keine Anzeichen von Attrappe, Billigpfusch oder Plastikkitsch. Zu seinen Füßen ein wei ter, freier Blick auf die sanften Wiesenhügel des Salzburger Flachgaus – durchzogen von hölzernen Koppelzäunen, Pferdemähnen wehen in der Freiheit im Wind. Es hat gera de frisch geschneit, der Weihnachtsmarkt hat begonnen, die Stände sind behaglich in Rot, Grün und Gold gehalten, schlichte Rei sigkränze zieren die Fensterläden. Prunk, Protz oder Geschmacklosigkeit? Fehlanzeige. Verdammt gute Authentizität, wo man hinsieht. Und Stress hat hier auch keiner, zumindest zeigt ihn niemand. 28 Wir sind auf Gut Aiderbichl, einem der größten, bekanntesten und erfolgreichsten Gnadenhöfe Europas, an einem der beiden Besuchshöfe in Henndorf am Wallersee. In Summe gibt es mittlerweile 20 Güter in Deutschland, Österreich, Frankreich und der Schweiz. Das Paradies der Tiere, wie auf der Holztafel am Gatter zu lesen ist. Eine Zufluchtsstätte für gequälte und aus gemusterte Tiere, ein Platz des Vergessens und der Hoffnung, eine Heimat. Für die Besucher eine Oase der heilen Welt, ein Hauch Vergangenheit, Erinnerungen an die gute alte Zeit, ein Ort der Illusion, der per fekten Inszenierung – für kleine Momente des Glücks, Augenblicke der Erdung. Hier Bestseller 11|12 2010 gut aiderbichl (2) Text von Doris Raßhofer wird nicht gedrängelt, gehastet, geschimpft oder geflucht. Hier spazieren die Menschen mit weichen, entspannten Gesichtszügen und offenen Herzen durch die Gehege. Etwas Schwarzes bahnt sich seinen Weg durch die Massen. Dick, borstig, bauchig. Es ist die Wollsau Liselotte. Mit unglaubli cher Gelassenheit, aber auch einem ebenso unglaublichen Selbstverständnis scheint sie zu demonstrieren, wer hier zu Hause ist und wer Besucher. Da kommt doch glatt ei ne ausgewachsene Riesensau im Schweins galopp den Weg heruntergequiekt, ein paar grüne Äpfel kullern vor ihr her. Ausweichen scheint in diesem Fall keine schlechte Idee. „Keine Angst, das ist Biggy“, lacht ein Tier pfleger, „die will heim in den Schweine palast.“ Palast? So eine Beschönigung wie Raumkosmetikerin oder Office-Manager? Nein. Keine Worthülse. Hier auf Gut Aider bichl bekommen Tiere das Versprechen, die bestmögliche Haltung und Pflege zu erhal ten, bis zu ihrem Tod. Freiheit, Respekt, Fürsorge und Würde sind das oberste Gut, steht auf der Website beschrieben. „Wenn ein Tier einen guten Freund hat, dann darf der natürlich mit ans Krankenbett“, erzählt die blonde Pferdepflegerin mit einem erfri schenden Lachen. Den Besuchern huscht ein entzücktes Lächeln übers Gesicht. Und die Pflegerin legt nach mit Geschichten über Fohlen ohne Mami, für das eine wurde eine Stute als Amme gefunden, die wiederum ihr eigenes Fohlen verloren hatte, für ein ande res Fohlen organisierte man eine Rettungs aktion der Mama, zwei Viehackerpferde stehen sich nun in den Boxen gegenüber, wo sie früher in einem Gespann zusammen geschnallt waren, obwohl sie sich gegen seitig nicht ausstehen konnten, und die griechischen Esel wurden vor dem klägli chen Tod durch Anbinden und Verhungern bewahrt. Einer von ihnen steht stoisch am Eingang zur Halle und lässt sich von jedem Eintretenden am Kopf streicheln – vermut lich das 500ste Mal heute. Wie der es aus hält, sich immer wieder an der selben Stelle streicheln zu lassen? „Ja, es ist schrecklich, was Menschen den Tieren alles so antun“, Bestseller 11|12 2010 versucht die Pflegerin die Menschen wieder beim Thema zu halten. Die Besucher schütteln entsetzt den Kopf und fassen sich mit der Hand ans Herz. Vom Egoismus gelangweilt Volltreffer. Mitten ins Herz. Genau dort will er auch hin, der Oberchef vom Gut Aider bichl, die Gallionsfigur Michael Aufhauser. Eine schillernde Figur – mit interessanten Ingredienzen: Schauspieler, einst wohl recht erfolgreicher Tourismus- und Marketingchef in den USA, ausgestattet mit Kommunikato ren- und Manipulationsgeschick, society-fit dank seiner langjährigen Freundschaft zum Prinz von Thurn und Taxis, wie er selber zugibt, und mit guter Medienlobby im Rücken durch Wegbegleiter Hans-Richard Beierlein, einen der größten Strippenzieher im volkstümlichen Massenmarkt. Und er ist Millionär: wohlhabend von Geburt auf, plus Erbschaften, plus Verdienst, erteilt er bereitwillig Auskunft. Eigentlich musste so fast kommen, was kam: ein massentaugliches Tourismuskon zept im Dienste der guten Sache. Aufhauser hatte genügend Geld, um sich einen wun derschönen Hof zu erbauen. Er hat genü gend Marketing-Know-How, um daraus ein hochprofessionelles Vermarktungskonzept zu entwerfen. Er kennt genug A- und Dop pel-A-Promis, die für ihn im Dienste der gu ten Sache seine Botschaften zu den Massen transportieren – „wenn ich einen Promi bei uns habe, der eine Tierpatenschaft über nimmt, schreiben die Massenblätter zwar in erster Linie über den Promi – doch in sei nem Dunstkreis erzählen sie auch jedes Mal wieder die Geschichte von Gut Aiderbichl“, begründet Aufhauser den Prominenten-Auf marsch. Und er kennt die richtigen Leute, die ihm Quotengiganten wie die alljährliche Eurovisions-Show „Weihnachten auf Gut Aiderbichl“ ermöglichen. Doch vor allem hat er eines: gutes schauspielerisches Talent. Und das muss er auch haben, wenn er nicht nur Wohl, Heil und Schutz der Tiere zu sei ner Mission macht, sondern gleich noch so hehre, große Anliegen wie die „neue Huma Privilegiert. Michael Aufhauser, die Gallionsfigur von Gut Aiderbichl, ist ein begabter Kommunikator und bestens vernetzt. Sein Anliegen: die „neue Humanität“. nität“, wie es heißt – schließlich sei „der Umgang mit den Tieren ein Spie gel des Zustandes einer Gesellschaft“. Denn warum sollte ein millionen schwerer Tourismus- und Marketing manager plötzlich Mitte 40 sein Herz und auch gleich noch seinen gesam ten Einsatz den Tieren schenken, wenn sein Hirn nicht komplett von der esoterischen Weltverbesserungs welle weggespült worden ist? Die Ar gumentation ist nahezu wasserdicht. Die Kapitalistenvorwürfe entkräftet Aufhauser schon mal mit seinem Gra tis-Engagement: „Ich bin in der finan ziell glücklichen Lage, völlig unent geltlich für Gut Aiderbichl arbeiten zu können.“ Gut Aiderbichl mache mitt lerweile jährlich zehn Millionen Euro Umsatz, das gesamte Geld fließe in die Deckung der Kosten. Gewinn werde keiner gemacht, Überschüsse reinvestiert er, Gehalt nehme er auch keines, Vermögen habe er schließlich genug. Die Erlösströme sind übrigens mannigfaltig wie selten: Eintrittsgel der bei den Besuchshöfen, Spenden, Sponsoren, Lose, vegetarisches Res taurant, Merchandising as Merchandi sing can, Weihnachts-, Oster- und sonstige Events, Patenschaften mit monatlichen Mitgliedsbeiträgen ... und auch hier sind die Promis gute Zugpferde: Das riesige schottische Hochlandrind ist das Patentier von Thomas Gottschalk – wegen der Fri sur, wird gewitzelt. Und der mittler weile selten gewordene Pusztataler Stier heißt Alex, nach seinem Paten Peter Alexander. Die Gratis-Führungen enden – wen wundert‘s? – direkt am Patenstand. Ach ja, und dann sei noch das Gut-Aiderbichl-Magazin zu erwähnen, das regelmäßig laut eigenen Angaben von über einer Millionen Menschen gelesen wird. 29 Paradies. Auf Gut Aiderbichl bekommen Tiere das Versprechen, die bestmögliche Haltung und Pflege zu erhalten – bis zu ihrem Tod. Und wenn ein Tier einen guten Freund unter den anderen Tieren hat, dann darf der schon mal ans Krankenbett. ne Besuchsgüter und die Gäste geht, sondern auch wirklich um das Wohl der Tiere. Eine kurze Aktualitätsmeldung unterbricht das Gespräch. „Es sind gerade fünf neue Busse angekommen, jede Menge los“, Aufhauser quittiert es mit einem lautlosen Nicken, aber es scheint dennoch keine für ihn unbedeutende News gewesen zu sein. Aufhauser, der Tourismusprofi, Gut Aiderbichl, der Lockvogel. „Sie sind immer noch skeptisch?“, erkundigt er sich. „Fragen Sie provokanter, fragen Sie, ich antworte.“ „Partys sind keine meiner Sehnsüchte“ Es scheint ihm wichtig, denn der Zeitrahmen ist längst um ein Vielfaches überzogen. Der Geläuterte, vom Protz und der Und dann noch ein letzter Seelenstriptease – Präpotenz des Reichtums Abgekehrte, der sein Hab und Gut samt Talent und um auch den letzten Vorwurf der Rampensau zu entkräften: „Ich verrate Ihnen noch Erfahrung plus der seiner Leute – was: Ich mag keine Partys. Gesellschaft als „und wir haben in jedem Bereich die solche ist keine Sehnsucht von mir. Ich bin weltbesten Leute, das kann ich Ihnen am liebsten allein. Doch gerade über die versichern“ – in den Dienst der guten Gesellschaftliche Seite lässt sich sofortige Sache, nämlich der Würde der Tiere, stellt, um seinem Leben einen Sinn zu Publicity erzeugen.“ So. Es muss also wohl doch so sein, wie geben? Und für diesen Sinn sieben Taes aussieht oder aussehen soll. Die Show ge die Woche im Einsatz ist – seien es lässt keine andere Möglichkeit zu. Es zeichTierpräsentationen auf dem eigenen nen selbst die Aussagen von Mitarbeitern Weihnachtsmarkt mit Buchsignierunkein anderes Bild: „Ich war früher Immobigen, TV-Shows, Kolumnen in der TZ, Vorträge bei den Bauern und Versuchs- lienmaklerin und habe meinen Job für Gut Aiderbichl aufgegeben. Und ich muss sagen, labors, auf Partys und Society-Events, ich war noch nie so glücklich und erfüllt“, im Schoß der Mächtigen. „Wir sitzen erzählt die Dame mit Strahlen in den Augen, sehr, sehr nahe bei denen, die die Gesetze machen.“ Pause. Der Blick bleibt interessanterweise ohne dass man sie wirkstark und aufrecht, ohne sich am Blick lich danach gefragt hätte. Eine andere versichert, dass Herr Aufhauser wirklich alle Ardes Gegenübers festzuhalten. Er tikel im Gut Aiderbichl-Magazin selber möchte Nachdruck verleihen, dass es ihm nicht nur um die Publicity für sei- schreibt – „naja, zumindest selber diktiert“, schmunzelt die Mitarbeiterin. Brainwashing? „Nein“, lacht Aufhauser, „was bei uns zählt, ist Ehrlichkeit“. Übrigens schreibt der Chef nicht nur alles selber, er ist auch 30 bei jedem Filmdreh dabei, „diesen Blick für diesen einen Moment, wenn das Tier in seiner Angst und Unsicherheit aus dem Transporter geholt wird, das muss ich selber machen“, so Aufhauser. Die Show muss eben authentisch perfekt sein. Wie die Geschichten. Ob man die Geschichten jetzt glaubt oder nicht, spielt im Grunde keine Rolle. „Der Aufhauser soll soviel Geld verdienen wie er will. Schließlich schadet er damit niemandem. Nutzt‘s nix, schadt‘s nix, sagt man bei uns“, bringt es eine Besucherin auf den Punkt. Philosophen würden es vermutlich „Sozialkapitalismus“ nennen: Geld verdienen ja, aber mit einem sozial verträglichen Produkt. Hans-Richard Beierlein formulierte es einst so: „Wenn man den Leuten ein paar Stunden heile Welt schenkt, indem man ein paar Tiere vor dem Schlachter rettet, was ist daran verwerflich?“ Ob man so allerdings gleich die ganze Welt verbessern kann? „Wir machen keinen Kampagnen-Tierschutz, der mit schlimmen Bildern und erhobenem Zeigefinger zum Tierschutz zwingt. Wir zeigen die guten Bilder, wie es sein könnte. Und wir möchten, dass die Menschen diese Bilder mitnehmen und in sich speichern“, so Aufhauser. Glauben Sie wirklich, dass sich unser aller Bewusstsein nachhaltig ändern wird, wegen 2.000 geretteten GutAiderbichl-Tieren? „Ich werde das nicht mehr erleben“, räumt der Gutschef frei mütig ein, „aber ich habe schon einen Nachfolger“. Vielleicht ist ja doch alles echt. Und nicht nur perfekt. Wer weiß? Zu Weihnachten sind wir alle ganz besonders geneigt, an die schönen Dinge, an Wunder und an eine bessere Welt zu glauben. Bestseller 11|12 2010 gut aiderbichl (4) Als weiteres Beweisargument für die Authentizität seiner Tierliebe schickt Aufhauser seine zehn Hunde und sieben Katzen ins Rennen, die mit ihm sein Schlafzimmer in seinem Haus in Salzburg bewohnen. Als Initialzündung für den Gesinnungs- und Professionswandel des Millionärs wird offiziell ein Schlüsselerlebnis bei einer Hundevergasung in Spanien erzählt. Offiziell. Aufhauser holt tief Luft, lässt seinen Blick ernst werden und lehnt sich zurück, um zu zeigen, dass er jetzt ein exklusives Türchen in die eigentliche Wahrheit öffnen will. Was folgt, hört sich nach einer tiefreflektierten Lebensbeichte an: „Soll ich Ihnen sagen, warum? Ich war von meinem Wohlstand und meinem eigenen Egoismus gelangweilt. Ich hatte alles, ich konnte mir alles kaufen. Diesen Hof, eine eigene Reithalle, die tollsten Pferde. Doch was nun? Es war diese Sinnlosigkeit des Reichtums.“ Er macht eine Pause, um die Worte wirken zu lassen. „Also habe ich mich entschlossen, meine Expertise einer guten Sache zur Verfügung zu stellen.“ Ein Vorzeichenwechsel. milan frühbauer Kommentar Hätte der Papst doch recht! Es war vor einigen Wochen, als der Heilige Vater anlässlich eines Besuchs in Spanien von der „Radikalsäkularisierung“ unserer westlichen Industriegesellschaften gesprochen hat. Der gelebte Glaube und der praktizierte Katholizismus würden immer stärker von den ökonomischen Zwängen und dem wohlstandsbedingten Hedonismus verdrängt. Er hat recht, aber leider nicht in der vollen Breite seiner abendländischen Analyse. Denn in einem wehrt sich unsere Gesellschaft gegen die Säkularisierung ganz massiv und – paradoxerweise – ganz im Sinne der Ökonomie: Das Weihnachtsfest spielt – verfolgt man Alltag und Medien aufmerksam – eine immer größere Rolle. Im November, früher als in den Jahren zuvor, begann die Spiritualisierung des Marketings. Als einfacher Konsument, für den die liturgische Komponente des wichtigsten Festes der Christenheit frühestens am ersten Adventsonntag beginnt, musste man einmal mehr feststellen: Man kann mit der Besinnung und der Besinnlichkeit nicht früh genug anfangen. Als im ausgeprägten Fönklima bei rund 18 Grad am Wiener Rathausplatz der Christkindlmarkt seine Pforten öffnete, konnte man das noch als weiteren Vorboten der globalen Klimaerwärmung abtun. Doch spätestens ab dem Zeitpunkt, ab dem die Tiefkühlwaren in den entsprechenden Vitrinen bei Spar-Gourmet ohne artistische Fähigkeiten nicht mehr erreichbar waren, wurde auch dem säkularisiertesten Weihnachtsmuffel klar: Wer Tiefkühl erbsen will, der muss sich durch eine Batterie der hoch gestapelten Ange bote an Lebkuchen, Christstollen und Schokoladefiguren durcharbeiten. Sie verstellen zwar dem Käufer den Weg, aber irgendwie weisen sie allesamt doch nach Bethlehem … Die ersten Angebote von Panettone (Marke „Tre Marie“), jener italienischen Kuchenköstlichkeit für „Buon Natale“, waren im Supermarkt von Spar schon Ende Oktober vorhanden. Nur die im Vergleich zum Herkunftsland stark überhöhten Preise vermittelten noch ein gewisses Säkularisierungssignal … Im E-Mail-Account verdichten sich seit Wochen die Hinweise auf Adventmärkte, Adventkonzerte, vorweihnachtliches Turmblasen und auf adventspezifische Sonderangebote im Nobelhotel, wo man die – und dieses Zitat ist praktisch unausrottbar – „stillste Zeit des Jahres“ als aufrechter Vorsaisonnier zu verbringen habe. Schon weit vor Novemberende gesellten sich die ersten Einladungen zum Charity-Punsch, also jenem karitativen peter svec „Wer Tiefkühlerbsen will, der muss sich durch eine Batterie der hoch gestapelten Angebote an Lebkuchen, Christstollen und Schokoladefiguren durcharbeiten.“ Leistungstrinken, das der kontrollierenden Polizei fette Beute an abgenommenen Führerscheinen verspricht, hinzu. Den Anfang – soweit das der Autor überblickt – macht sinnvollerweise der ÖAMTC, dessen neuer Generalsekretär von 18 bis 20 Uhr höchstpersönlich ausschenken wird. Es gibt quer durch das Land zahllose Adventmärkte, an deren Ständen man sich doch zum „Innehalten im vorweihnachtlichen Treiben“ einfinden solle. Kein Burghof, kein Schlossgraben, keine Weinbaugemeinde und kein hochalpines Dorf kommt mehr ohne die artifiziellen Buden mit der „Handwerkskunst aus der Region“ aus. In Radio Stephansdom werden Karten für Oratorien von Bach und Händel angeboten, die sich – weil wenige Tage vor dem Heiligen Abend stattfindend – offensichtlich schlechter verkaufen als gedacht. Denn wer schafft es zwischen Punschstand und Weihnachtsmarkt noch in den Musikverein oder in das Konzerthaus? Wohin man auch blickt: Von „Radikalsäkularisierung“ keine Spur. Hätte der Papst doch recht! Milan Frühbauer ist Kommentator für Wirtschaftspolitik/Manstein Verlag. Bestseller 11|12 2010 31 Lãv€ All you need is Vom Suchen und Finden der großen Liebe und des kleinen Abenteuers im Zeitalter des Internets. Text von Lisa Mang Online-Liebe. Im Internet kann man kein Geld verdienen, hieß es lange und heißt es immer noch. Für manche Bereiche mag das auch zutreffen – die Diskussionen im Medienbereich füllen Bände. Für andere, wie zum Beispiel den E-Commerce, gilt das hingegen überhaupt nicht. Darüber hinaus gibt die Mitglieder, die von den österreichischen es aber noch einen weiteren Bereich, in Singlebörsen angegeben werden, ergeben dem das Web seine Fähigkeiten voll zum sich gar astronomische Zahlen, was aber vor Einsatz bringt, und das lukrativ: das Matallem an den zahlreichen Karteileichen liegt chen. Das Zusammenführen von Angebot – denn: Mitglied wird man mit wenigen und Nachfrage. Suchen und Finden. Zeitun- Mausklicks und in der Regel kostenlos, die gen bekamen d iesen Vorzug unschön durch wenigsten denken daran, sich wieder abzudas Abwandern von Auto-, Immobilienmelden (die meisten Betreiber investieren und Jobinseraten ins Web zu spüren. Und aus diesem Grund vermehrt in die Datennoch etwas hat sich verlagert: die Liebe. bankbereinigung). Früher füllten Heiratsanzeigen Seiten in den Ein vermeintliches Schlaraffenland. Einer Wochenendausgaben der Tageszeitungen. aktuellen Marketagent.com-Studie zufolge Heute boomen die Partnerschaftsbörsen im nutzen 57,8 Prozent der österreichischen Internet – ob Lebenspartner oder Flirt, ob Internet-User das Web auch für die Partneraußereheliche Affäre oder langfristige Binsuche. Singleboersen-vergleich.at geht von dung, ob Alleinerzieher, Hundefreunde oder etwa 700.000 österreichischen Online- Christen – das Web führt zusammen, was Dating-Nutzern aus, die monatlich die zusammengehört. einschlägigen Portale besuchen. Weitere 300.000 tummeln sich auf Portalen für rein Single-Nachschub ist gesichert erotische Kontakte. Die Umsatzschätzungen In Österreich gab es im Jahr 2009 laut Stafür das Jahr 2009 belaufen sich für Östertistik Austria 1,283 Millionen Ein-Personenreich auf zwölf bis 15 Millionen Euro (2008: Haushalte. Fast jede zweite Ehe wird heutelf bis 14 Millionen, 2007: neun bis elf zutage wieder geschieden – und zwar im Millionen Euro). Und wie es aussieht, ist Schnitt nach etwa zehn Jahren. Für Singledas G eschäft mit der digitalen Liebe nicht Nachschub ist also gesorgt. Summiert man nur lukrativ, sondern auch noch krisensicher. Denn das Krisenjahr 2009 scheint für die Online-Dating-Industrie ihr bestes Jahr überhaupt gewesen zu sein. Gründe dafür 32 sind einerseits der anhaltende Aufwärtstrend aus den Vorjahren und andererseits wohl das in Krisenzeiten noch stärkere Bedürfnis nach einem Partner, vermutet Singleboersen-vergleich.at – die Plattform bietet einen Überblick über die seriösen und etablierten Portale und erspart Partnersuchenden so, sich durch den Dschungel der unzähligen Online-Dating-Angebote zu schlagen. Der Markt der digitalen Liebe wird im Grunde von ausländischen – insbesondere deutschen – Unternehmen beherrscht. Das sei ganz klar, sagt Henning Wiechers, Geschäftsführer Singleboersen-vergleich.at, die kleinen Anbieter würden einfach „plattgemacht“. Nach dem Motto „Wo Tauben sind, fliegen Tauben zu“ tummelt sich das Angebot natürlich dort, wo die Nachfrage entsprechend ist – und umgekehrt. Dennoch hat auch Österreich seine eigenen Online-Dating-Portale. Eines der führenden ist Love.at, das seit dem Management-Buyout aus dem Schoß der Mutter, Telekom Austria, im Jänner 2007 selbstständig agiert, sowie das rein werbefinanzierte Portal Websingles.at. Daneben mischen ÖsterreichAbleger großer deutscher Medienunter nehmen wie Parship.at (Holtzbrinck), FriendScout24.at (Deutsche Telekom) oder Elitepartner.at (Tomorrow Focus Media) kräftig mit. Auch die französische Bestseller 11|12 2010 SEHEN SIE ES VON UNSERER SEITE. Auf DiePresse.com übersehen Sie nichts. Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport, Menschen und Meinungen. All das und mehr, beleuchtet von allen Seiten. börsenotierte Meetic-Gruppe ist mit Partner.at und Neu.at in Österreich aktiv. Spiegelbild oder Gegenstück? Zahlreiche Online-Partnervermittlungsagenturen bieten einsamen Herzen Unterstützung bei der Suche nach ihrem perfekten Gegenstück – das eigentlich keines ist. Denn im Netz sucht man nach Gemeinsamkeiten. Wer nicht in weiten Teilen mit dem eigenen Profil übereinstimmt, scheint in der Ergebnisliste gar nicht auf. Ungleiche Paare sind heute nicht mehr vorgesehen. „Ähnlichkeits- versus Komplementaritätsthese“ nennt das die Soziologin Cornelia Kopitschek, die gleich in perfektem Wissenschaftsdeutsch hinzufügt: „Zahlreiche Untersuchungen weisen einen positiven linearen Zusammenhang zwischen dem Grad der wahrgenommenen Einstellungsähnlichkeit und der Zuneigung beziehungsweise Sympathie auf.“ Gleich und gleich gesellt sich eben gern. Grundsätzlich lässt sich die Branche in vier Segmente einteilen, die hinsichtlich Nutzerstruktur und Preispositionierung teilweise sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle verfolgen: Partnervermittlungsbörsen, Singlebörsen, Sexbörsen und Nischenbörsen. Die eher hochpreisigen Dienste ei- „Das Wechselspiel von Nähe und Distanz ist nirgendwo besser zu bewerkstelligen als im virtuellen Raum.“ Daniel Glattauer im Interview mit dem Online-Magazin Stadtsolist ner Online-Partnervermittlung belaufen sich auf einen monatlichen Beitrag von rund 50 Euro bei der kürzesten Abo-Variante (in der Regel drei Monate). Bei längerer Abo-Laufzeit reduziert sich der Betrag, der pro Monat zu erstatten ist. Dafür muss man sich nicht aktiv auf die Suche begeben, sondern bekommt auf Basis der „wissenschaftlich fundierten“ Eingangstests vom System Partner vorgeschlagen. Also klickt sich der Vermittlungswillige durch endlose Fragen zu seinen Vorlieben, wie er sich in dieser oder jener Situation verhalten würde, welche psychedelischen Bilder ihm am besten 34 gefallen. Das Prozedere erinnert ein bisschen an Psychotests in Frauenzeitschriften, am Ende sollen diejenigen Kandidaten herausgefiltert werden, die die meisten „MatchingPoints“ oder den höchsten BQ (Beziehungsquotienten) aufweisen. Ein solches Angebot richtet sich eher an ältere User (ab 30 Jahren), die auf der Suche nach einer ernst haften Partnerschaft sind. Angestrebt wird natürlich ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis. Um dieses zu halten, müsse man allerdings viel stärker in Richtung Frauen kommunizieren, meint Christian Henne, Head of PR & Communications Neu.de. Getreu dem Ladys-Day-Prinzip: Hol die Frauen, die Männer folgen ihnen von alleine. Nix mit gratis gucken Bei der Etablierung umsatztreibender Maßnahmen sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Nur wenige Minuten nach der Regis trierung will Chiffre 7E29B864 Kontakt aufnehmen. Die Botschaft ist verschwommen, 16 Wörter sollen es sein, teilt die Online-Partnervermittlungsagentur mit. Lesen kann der geneigte Single seine Anfragen aber nur als VIP- oder Premium-Mitglied. Bei einem anderen Anbieter werden nur einige „Teaser-Interessenten“ angezeigt, beim Versuch, die weiteren Kontaktfreudigen anzuwählen, wird sofort auf die Payment-Page weitergeleitet. Wieder andere erlauben den Erstkontakt, ab dem zweiten Mal muss bezahlt werden. Die kostenlose Registrierung zum „gratis Gucken“ ist in jedem Fall relativ unbefriedigend, der Gang zur Online-Kasse scheint unumgänglich. Anders als die überwiegend werbefinanzierten Social-Communities erzielt die Online-Dating-Branche über 85 Prozent des Umsatzes direkt von den Mitgliedern. Obwohl klassische Online-Werbemaßnahmen wie Banner-Werbung, Newsletter und E-Targeting aufgrund der genauen Angaben in den Nutzerprofilen prinzipiell natürlich möglich sind, lassen die meisten Betreiber sehr wenig Fremdwerbung zu. Die Sorge ist zu groß, dass sich die User gestört fühlen könnten. Schließlich sollen diese ja das Angebot nutzen und nicht auf andere Seiten abwandern. Lediglich konzerneigene Werbung beziehungsweise Kooperationspartnerschaften, die einen Mehrwert für die User bieten (zum Beispiel Single-Reisen), werden da und dort umgesetzt. Kontakte wie beim Autokauf Wem Online-Partnervermittlungen zu teuer sind oder wer eher auf einen Flirt aus ist, der kann in einem der zahlreichen Kontaktanzeigen-Portale sein Liebesglück versuchen. Dementsprechend sind die Nutzer dieser Angebote tendenziell jünger, überwiegend zwischen 25 und 45 Jahren alt. Wie beim Autokauf grenzt man in der erweiterten Suchfunktion (natürlich nur für zahlende Mitglieder) die Features des zukünftigen Traumpartners ein: Haar- oder Augenfarbe, Gewicht, Einkommen, Hobbys oder Bildungsabschluss sollen schließlich dem gemeinsamen Happy End nicht im Wege stehen. Dort muss der Suchende allerdings selbst aktiv werden. Nach einer Woche hat sich noch kein Interessent gemeldet – der Posteingang zeigt nach wie vor eine gähnende Null. Dafür belaufen sich die Kosten nur auf die Hälfte. Für zirka 25 Euro für einen Monat suchen Alleinstehende bei Kontaktbörsen nach Mr. oder Mrs. Right. Zum V ergleich: Eine klassische Kontaktanzeige in einem Printmedium kostet rund drei Euro pro Wort. Ausgereizt? Online-Dating hat nun schon ein knappes Jahrzehnt mit beeindruckenden Wachstumszahlen hinter sich. Die erste Welle des Booms ist dadurch entstanden, dass sich einfach immer mehr Singles für die Partnersuche im Internet begeistern ließen – schließlich ist es leichter, nur Anzeigen zu durchforsten, die dem eigenen Wunschbild entsprechen, statt sich – wie früher in der Zeitung – durch tausende Heiratsannoncen jedweden Alters und Inhalts wühlen zu müssen, noch dazu mit ihren ureigenen Schlüsselcodes im Wording, Stichwort „Tagesfreizeit“ und so. Dieses Potenzial der Erstlingssucher scheint mittlerweile ausgeschöpft. Die zweite Welle bezog sich auf das monetäre Wachstum: „Die Unterneh- Bestseller 11|12 2010 Den Kuchen aufteilen Umsatzanteile nach Marktsegmenten Quelle: Singleboersen-vergleich Die Angaben beziehen sich auf den deutschen Markt. Singlebörsen Partnervermittlungen 42 % 35 % Adult-Dating 17 % men wurden mittels Abo-Modellen, Preiserhöhungen und diverser Anreize immer besser darin, die Kunden an die Grenzen dessen heranzuführen, was sie für die Dienstleistung ‚Online-Dating‘ zu zahlen bereit sind – und teilweise darüber hinaus“, erklärt Wiechers. Im Vergleich zum deutschsprachigen Ausland gäbe es hierzulande beim Thema „Geldverdienen“ allerdings noch Aufholbedarf. Beim Umsatz pro Einwohner liegt Österreich mit 1,75 Euro hinter Deutschland (2,20 Euro) und deutlich hinter der Schweiz (2,50 Euro). Sowohl bei Partnervermittlungen als auch bei Singlebörsen sind die Zeiten, in denen Milch und Honig flossen, vorbei, meint Wiechers. Ab jetzt sei Verdrängungswettbewerb angesagt. Dem stimmt auch Henne zu: „Heute mit einem neuen Angebot vom Start weg große Reichweite zu erzielen, ist sehr schwierig.“ Seiner Meinung nach liegen die wesentlichen Herausforderungen für die Zukunft in der Entwicklung eines eigenen Markenprofils. Denn von den Preisen, der Funktionalität und der Mitgliederstruktur her seien sich die Anbieter sehr ähnlich. Fremdgehen leicht gemacht Ein Segment, von dem hingegen noch starke Marktbewegungen zu erwarten sind, ist das Adult-Dating, bei dem es vornehmlich um erotische Kontakte geht. Seitensprung-Portale wie C-Date, Meet2cheat oder AdultFriendFinder erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Vor Kurzem startete der Deutschland-Ableger der amerikanischen Seitensprungagentur Ashley Madison, der bereits zirka 10.000 Premium-Mitgliedschaften seit September 2010 verzeichnete. Vor allem Frauen sind erst dabei, den Trend zum Casual Dating für sich zu entdecken. Wohl deshalb sind diese Plattformen für Frauen oft kostenlos. Ansonsten bewegt sich die preisliche Positionierung etwas über der von Singlebörsen (zwischen 30 und 40 Euro pro Monat). Die Profilangaben ähneln jenen in anderen Online-Dating-Portalen, erweitert um pikante „Extras“ wie sexuelle Vorlieben. Dass das Geschlechterverhältnis auf diesen Seiten noch zu wünschen übrig lässt, Bestseller 11|12 2010 Nischenanbieter 6% signalisiert die Desktop-Mail-Benachrichtigung, die nach der Registrierung sofort im Minutentakt aufpoppt. Frischfleisch ist offenbar dringend gesucht. Liebe zwischen Hundefreunden Natürlich ist der Seitensprung eine Spezialdisziplin im Online-Dating, ebenso wie Seiten für spezielle Sexualpraktiken von BDSM bis Fetisch. Doch es gibt noch mehr Nischen, die von zahlreichen Spezialanbietern bedient werden: Alleinerzieher, Leute mit Handicap, die Generation 50 plus, Christen, ja, sogar Hundefreunde suchen auf diesen Seiten im World Wide Web nach der großen Liebe. Die Kosten spiegeln hier auch gleich das Marktpotenzial wider: Preislich am untersten Rand angesiedelt, sucht man hier fast für lau. Wolfgang Arnberger, Inhaber des österreichischen Partner-Portals für Alleinerzieher, Halbvoll.net, verlangt zum Beispiel lediglich eine einmalige Gebühr von 45 Euro: „Dabei geht es nicht darum, das große Geld zu verdienen, sondern darum, sicherzustellen, dass ernsthaftes Interesse vorhanden ist.“ Wenngleich diese Nischenprodukte durch die extreme Spezialisierung nicht annähernd an die Mitgliederzahlen der großen Online-Dating-Player herankommen, sind die Angebote für die Betroffenen natürlich von großem Nutzen Da geht noch was Die Partnersuche im Web hat sich in den meisten westlichen Gesellschaften als Bestandteil des täglichen Lebens etabliert und aus Unternehmenssicht auch passabel monetarisieren lassen. Diese Rahmenbedingungen versprechen eine gewisse Stabilität für die Branche. Spannend wird in Zukunft die Entwicklung bei einzelnen Zielgruppen sein. Steigerungen und die Forcierung spezieller Angebote dürfen etwa bei den Älteren erwartet werden, denn einerseits ist in der Zielgruppe 50 plus die Internetnutzung im Steigen begriffen, andererseits kommt hier eine Generation nach, die mit dem Thema Online-Dating bereits bestens vertraut ist. Auch das Gay-Segment weist großes Entwicklungspotenzial auf. Wiechers: „Die homosexuelle Community ist sehr online-affin, was zuweilen bereits die schwule Gastronomie in Mitleidenschaft gezogen hat.“ Statt sich in den einschlägigen Szene-Lokalen zu treffen, habe sich die amouröse Anbandelung mittlerweile zum Großteil in die virtuelle Welt verschoben. Parship trug diesem Trend mit der Etablierung von gayparship.at bereits Rechnung. Wenn es für die Online-Dating-Branche eine Bedrohung gibt, dann sind es substituierende Dienstleistungen – ein neuer, hipper Trend, der vielleicht auf anderen Technologien beruht. Ob sich die heute 14- bis 20-Jährigen, die mit Social Networks aufwachsen, im selben Maße wie die heute über 30-Jährigen für das klassische Online-Dating inter essieren werden, steht in den Sternen. Auf jeden Fall gibt es bereits eigene Dating-Applikationen für Facebook-Freaks – zum Beispiel Zoosk, eine App aus den USA, die eigentlich keinen direkten Bezug zu Facebook hat, da sich der User ein ganz neues Profil zulegt, um anonym flirten zu können. Die führenden deutschen Online-Dating-Player hätten jedenfalls bereits damit begonnen, auf den Facebook-Zug aufzuspringen: Zum einen, indem sie es als Kanal für Anzeigenwerbung nutzen, zum anderen mit Marketing-Aktionen wie den Flirt-Ratgebern „Doctors of Love“ powered by FriendScout24, die als Dr. Date, Dr. Style und Dr. Kiss Tipps und Tricks zum Partnerangeln auf Lager haben. Wird die Idee vom perfekten Partner in den unendlichen Weiten des Web Wirklichkeit? Vielleicht. Schon Bert Brecht beschrieb einst, was passiert, „Wenn Herr Keuner einen Menschen liebte“: „Was tun Sie“, wurde Herr K. gefragt, „wenn Sie einen Menschen lieben?“ „Ich mache einen Entwurf von ihm“, sagte Herr K., „und sorge, dass er ihm ähnlich wird.“ „Wer? Der Entwurf?“ „Nein“, sagte Herr K., „der Mensch.“ 35 Die Gesichter des Erfolgs Bestseller proudly presents: das Kreativranking 2010! Text von Clemens Coudenhove, Sebastian Loudon, Carolin Daiker | Fotos von Karl Michalski Erfolgsteam aus der Vogelperspektive. Tolga Büyükdoganay, Rosa Haider-Merlicek und Sebastian Kaufmann halten den „Erfolg“ in Form des Barmanns in Händen, René Pichler, Alistair Thompson, Alexander Hofmann, Harry Bergmann, Francesco Bestagno und Mariusz Jan Demner (mit einem Foto seines Kompagnons Franz Merlicek). Alle Jahre wieder! Das Bestseller-Kreativranking ist geschlagen, und auch in diesem Jahr gibt es einen ganz klaren Gewinner: Demner, Merlicek & Bergmann liegt fast 1.000 Punkte vor der zweitplatzierten Agentur, Jung von Matt/Donau. An dritter Stelle liegt – ebenfalls wie im Vorjahr – TBWA Wien. Die Kreativspitzen der Top-3-Agenturen posierten für unseren Fotografen Karl Michalski. Die komplette Rangliste finden Sie auf den Seiten 42 und 43. Das Bestseller-Kreativranking reiht die teilnehmenden Agenturen nach ihren Erfolgen bei nationalen und internationalen Kreativwettbewerben. Es erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sehr wohl aber darauf, einen guten Überblick über den Aktivitätsgrad der heimischen Agenturszene sowie die Sichtbarkeit ihres kreativen Outputs zu bieten.Wie das BestsellerKreativranking genau funktioniert, welcher Bewerb wie gewichtet ist, lesen Sie auf Seite 44. Demner, Merlicek & Bergmann Punkte 2010: 3.687 Awards National: 90 International: 44 Dauer-Abo auf die Pole-Position Hätte ihn wahrscheinlich auch gewundert, den prominentesten heimischen Werber, Mariusz Jan Demner, wenn die Agentur aus der Lehargasse in der zehnten Auflage des Bestseller-Kreativrankings nicht wieder die Spitze erklommen hätte. Nur 2007 musste sich DM&B die Führungsposition mit einem Konkurrenten teilen. „Mag es vielleicht für Journalisten schon langweilig sein, dass wir ein Dauer-Abonnement auf die Pole- Position im Bestseller-Kreativranking zu haben scheinen, unsere Kunden und Kreativen freut es allemal“, meint Demner wohlgelaunt. Nun, für uns sicher nicht langweilig, für unsere Leser hoffentlich auch nicht. Und bei einem derart hohen Vorsprung von knapp 1.000 Punkten können wir nur anmerken: Ehre, wem E hre gebührt! Demner weiter: „Die Stärke der Agentur zeigt sich auch daran, dass wir nicht nur mit einigen wenigen Kunden und Kampagnen gewonnen haben, sondern mit einem breiten Spektrum an ausgezeichneten Arbeiten punkten konnten.“ Zu den wichtigsten, punkteholenden Kampagnen zählten Arbeiten für Mömax, Actual - Fenster und Türen, Darbo, aber auch auch bob und Leica Shop. Besonders freut Demner auch, dass die Kampagne für Media1 viel gewinnen konnte. Insofern hatte hatte das Abwerbe-Scharmützel mit DDB auch seine erfreulichen Seiten. Überhaupt kann Mariusz Jan Demner zufrieden sein. Bereits im Krisenjahr 2009 wäre die Agentur als eine von ganz wenigen leicht gewachsen, und heuer habe man bereits neun Etats gewonnen, darunter Manner, Casali, Napoli, Recheis, XXXLutz Tschechien und Schweden, OMV Türkei sowie Hofstätter von Rewe, für die auch eine Corporate-Kampagne gestaltet wurde. Bestseller 11|12 2010 37 2 Jung von Matt/Donau Punkte 2010: 2.783 Awards National: 74 International: 15 38 Ideenentwickler. Thomas Niederdorfer, Georg Feichtinger, Andreas Putz, Christoph Gaunersdorfer und Volkmar Weiss. Nur die Idee zählt „Der 2. Rang freut mich wirklich extrem, zumal wir heuer nicht blindwütig eingereicht haben, sondern viel selektiver“, meint Andreas Putz, Kreativ geschäftsführer der Agentur Jung von Matt/Donau, und nennt dieses Ergebnise schlicht einen „schönen Erfolg“. Natürlich gibt es einen Kunden, für den mehr gewonnen wurde als für andere, und der heisst MercedesBenz. Immerhin ist die Automobilmarke heuer bei der CCA-Gala zum dritten Mal in Folge zum „Kunden des Jahres“ gekürt worden. Aber, auch ein Grund für Putz‘ Freude, „wir haben dennoch heuer sehr gut gestreut.“ Er hebt die Kampagne für die Stadtzeitung Falter hervor, aber auch Kunden wie EasyMotion, derstandard.at, Neuroth, Gut Oggau, auch den „sehr breit aufgestellten Kunden“ Saturn. Überhaupt war das Jahr 2010 ein durchaus erfolgreiches gewesen, nicht zuletzt dank Etat-Gewinne wie etwa Voest Alpine, Kindernothilfe und Sports Experts. „Dass uns so viele Kollegen aus der Branche auf die Sports-Experts-Kampagne ansprechen, macht uns alle sehr froh“, ergänzt Putz, der aber auch mit Kritik nicht spart. „Ich bin nach wie vor der Meinung, das Ranking sollte Award-Ranking heissen, da – obwohl abgespeckt – noch immer zu viele Awards darin vertreten sind“, meint Andreas Putz, der generell lieber „macht“ als redet: „Wir glauben an Ideen, alles andere ist heiße Luft!“ Na dann … Bestseller 11|12 2010 Demner, Merlicek & Bergmann sucht Berater, die Kundengeheimnisse für sich behalten können. Bewerbungen bitte an Sylvia Kosmak unter [email protected] 3 TBWA Wien/MAB Media Punkte 2010: 1.252 Awards National: 32 International: 13 40 Media-Artisten. Gert Turetschek, Bernhard Grafl, Florian Gigler, Gerda Reichl-Schebesta und Christian Schmid mit den Logos jener Kunden, mit denen sie im vergangenen Jahr die meisten Kreativpreise abgeräumt haben. Die Marken-Inszenierer Der letztjährige Sprung unter die Top 3 der kreativsten Agenturen des Landes hat bei TBWA einiges in Bewegung gebracht. Ganz im Sinne der CCA-Devise „Kreativität ist besser fürs Geschäft“ schärfte die TBWA damit ihre Agentur-Marke und war mit einem Schlag im Radar der Top-Auftraggeber des Landes. So konnte man sich 2010 gegen Mitbewerber, die in Kreativrankings bis dato vor TBWA gereiht waren, durchsetzen: Großkaliber wie der Flughafen Wien, Wiener Festwochen, Vario-Haus und Verbund konnte die Agentur von ihrer Ideenstärke überzeugen und damit die gesammelten Kreativpunkte bestmöglich kapitalisieren. Besonders viele Kreativzähler sammelte TBWA 2010 für die Marken der Auftraggeber Österreich Werbung und Mars. Gemeinsam mit der 2007 gegründeten Schwesteragentur MAB und deren Hauptkunden, BMW, machen diese Arbeiten beinahe 70 Prozent der Awards aus, hier vor allem im immer wichtigeren Bereich der digitalen und medienübergreifenden Inszenierung von Marken. Die Agentur-Philosophie des Media-Arts-Prinzips scheint dabei aufzugehen: Werbung zu machen, die Marken ganzheitlich und medienadäquat inszeniert und zum Erlebnis macht. „Wir sind ein Team von Ideen-Entwicklern und dabei in der einmaligen Lage, für die Umsetzung Spezialisten für jeden Aufgabenbereich im Haus zu haben: von Digital über Direktwerbung bis zum Event. Für unsere Kunden hat das den entscheidenden Vorteil, immer gleich auch einen Agentur-Ansprechpartner mit dem richtigen Know-how am Tisch zu haben. Die immens wichtige Markenführung bleibt so in einer Hand, die Arbeit wird strategisch integrierter vorbereitet und kreativ zielgerichteter ausgearbeitet“, so TBWA\-Geschäftsführer Christian Schmid. „Wir freuen uns sehr über diese weitere Top-Platzierung und werden auch 2011 wieder alles daran setzen, starke Ideen für unsere Kunden zu entwickeln. Dass uns das auch gelingen wird, davon bin ich überzeugt: Die wichtigste Grundlage für Erfolg sind die Mitarbeiter, das Team. Und wir haben ein Spitzen-Team mit ausgezeichneten Leuten – manche sind selbst schon eine eigene Marke. Ich bin froh, mit ihnen arbeiten zu dürfen“, streut der TBWA\-Chef seinen Kreativen Rosen. Bestseller 11|12 2010 Mehr Wirkung gibt’s bei uns! Entscheidend ist, wo Sie werben. www.ip-oesterreich.at Bestseller-Kreativranking 2010 Summe (Punkte) Rang 10 09 1 1 Agenturname 2010 2009 GP G Demner, Merlicek & Bergmann 3.687 3.224 40 120 2 2 Jung von Matt/Donau 2.783 2.331 3 3 TBWA Wien/MAB Media 1.252 1.204 4 9 Wien Nord 1.229 375 5 6 Euro RSCG Vienna 1.170 746 6 4 PKP BBDO 1.088 1.061 7 7 Publicis Group Austria 742 641 8 11 Ogilvy & Mather Vienna 674 320 9 10 Rahofer 662 373 10 - Wunderman 413 - 11 5 Büro X Wien 374 837 12 - Screenagers 240 - 13 8 McCann Erickson Vienna 231 376 14 - Faschingbauer & Schaar 212 - 15 14 Die 3 A gentur für Werbung und Kommunikation 184 171 15 12 Springer & Jacoby Österreich 184 294 17 16 Initiative Media 123 154 18 - Werner Bühringer Konzept & Text 96 - 19 - KOOP Live Marketing 83 - 20 - Kraftwerk Agentur für Neue Kommunikation 60 - 21 22 Hartinger Consulting 49 48 22 Createam 42 - Zurgams Kommunikationsagentur 40 151 - 23 18 Kategorie 20 42 S B Kategorie 19 N ND GP G S B Kategorie 18 N GP G S B Kategorie 17 N GP G 102 57 38 S B Kategorie 16 N GP G S B 51 238 72 102 34 60 192 80 136 102 Kategorie 15 N GP G N GP G S B N GP G N 128 600585240375 28 104 104 64 60 45 270 60 84 28 98 78 26 39 32 120180120 60 84 56 28 64 60 135120 75 98 60 45 30 45 126266 30 45 208 91 91 221 91 234 56 30 56 26 28 30 30 78 56 30 32 26 65 56 42 28 90 180120 48 34 B 252210 84 168 64 38 S 240225495210 60 80 60 B Kategorie 13 64 34 40 S Kategorie 14 52 30 15 52 56 14 39 13 56 30 56 28 52 14 45 52 15 13 Bestseller 11|12 2010 Die Agenturen GP G S B Kategorie 11 N GP G 24 24 44 S B Kategorie 10 N GP G 22 S 120 B Kategorie 9 N GP G S 100 B Kategorie 8 N GP G S B Kategorie 7 N GP G 27 S B 28 24 60 44 20 24 16 B 72 36 N GP G 54 S 32 B Kategorie 3 N GP G 4 24 32 N GP G S B N GP G 48 27 6 12 8 30 20 24 18 36 14 S B 3 74 15 32 13 23 8 24 13 25 18 14 10 17 5 21 17 15 4 6 8 6 4 6 12 13 - 1 4 - 9 6 - 7 - 3 - 5 - 2 - 7 - 10 - - 2 4 3 32 48 32 18 8 32 24 16 9 24 80 96 32 48 4 48 108 72 48 60 18 18 18 6 9 27 8 6 64 96 64 24 16 16 12 21 12 18 24 18 6 4 64 48 32 12 30 140 14 12 6 24 18 12 3 36 64 48 16 3 12 4 12 18 12 3 4 9 2 8 6 40 Bestseller 11|12 2010 N Nat. Int. 44 6 24 Awards 90 36 96 60 B Kategorie 1 12 180 24 72 24 S Kategorie 2 24 18 60 12 36 S Kategorie 4 14 36 72 72 36 36 N GP G 14 72 24 48 Kategorie 6 43 © bestseller/horizont 2010 Kategorie 12 BestsellerKreativranking 2010 Die Kategorien (erstellt in Kooperation mit der IAA und dem CCA) Die Formel zum Erfolg: Multiplikationsfaktoren Internationale Awards Grand Prix: 8 Punkte; Gold: 6; Silber: 4; Bronze: 3; Shortlist/Nominierung: 2; Nationale Awards Grand Prix: 6 Punkte; Gold: 4; Silber: 3; Bronze: 2; Shortlist/Nominierung: 1; Der Sonderpreis für Social Advertising beim Top Spot wird wie ein Gold-Award gerechnet. Beim ORF-Werbehahn wird die Kategorie „Regional“ mit einem GoldAward gleichgesetzt. Der Platin-EFFIE wird wie ein Grand Prix bewertet, der Gold-EFFIE für dieselbe Kampagne wird zusätzlich wie ein EFFIE in Gold bewertet. Die Nachwuchspreise bei CCA und Adgar werden einer Wertung in Gold gleichgesetzt. Die Schwarze Venus beim CCA wird wie eine Venus in Gold bewertet. Der EFFIE CEEMax wird in die Wertung mit Gold, Silber, Bronze und Shortlist aufgenommen. Bei Wettbewerben wie beispielsweise dem London International Advertising Award, die neben dem Grand-Award-Preisträger nur Winner kennen, werden Letztere mit Gold gleichgesetzt. Das National Diploma bei den Cannes Lions wird mit einem Punkt berechnet (Multiplikationsfaktor 20). Bewertet werden bei den einzelnen Awards keine Monats-, Quartals- oder Halbjahreswertungen (Adgar, Transport Media Award etcetera), sondern ausschließlich die Jahreswertungen. Berechnungsbeispiel: Agentur A: 1x Shortlist in Cannes, 1x Venus in Gold des Creativ Clubs Austria, 1x EFFIE in Bronze der IAA, eine Nominierung zum Staatspreis Werbung. Ergibt folgende Wertung: Shortlist/International= 2 Punkte, Multiplikationsfaktor=20: 40 Punkte; CCA-Venus: Gold=4 Punkte, Multiplikationsfaktor = 15: 60 Punkte; EFFIE: B ronze=2 Punkte, Multiplikationsfaktor=14: 28; Staatspreis Werbung: Nominierung=1 Punkt, Multiplikationsfaktor=13: 13 Punkte. Agentur A erzielt mit vier Awards 141 Punkte. 44 20: Cannes Lions 19: One Show, D&AD, Clio 18: ADC New York 17: Eurobest, Cresta 16: LIA, ADC Europe 15: Euro EFFIE, Epica, CCA 14: Echo, Golden Drum, John Caples Award, EFFIE, CEEMAX 13: Global Award, Midas Awards, NY Festivals, AME, Mobius, Staatspreis Marketing, Staatspreis Werbung, ADC Deutschland, Adgar (Jahressieger) 12: Columbus, ORF-Werbehahn, RMS-Award, Top Spot, WebAd 11: Staatspreis Werbefilm, Staatspreis Print/Outdoor, Staatspreis Wirtschaftsfilm, Staatspreis Verpackung, Staatspreis Design, Staatspreis Multimedia & E-Business 10: Die Klappe, FEDMA, Montreux, Jahrbuch der Werbung (Econ), Joseph Binder Award 9: Gallup Top Ten 8: Andy, Berliner Type, Corporate Design Award, Das Plakat, ARC, Austrian Event Award, Goldenes Ohr 7: BOB, Comprix, Deutscher Design Club – Gute Gestaltung (DDC), Deutscher Marketingpreis, DMMA OnlineStar, Die Anzeige, IMC European Award, Designpreis der Bundesrepublik Deutschland 6: IF Design Award, Promax, Red Dot Design Award, Europrix, Impactissimo, AFSP, Großer Österreichischer Plakatpreis, Magazin Award, Media Award 5: 4: Deutscher Event Award (EVA), Ramses, Printissimo, Emballissimo, Golden Pixel, Goldenes Skalpell, Yellow Pages, TAI Werbe Grand Prix, Spotlight, Prospekt Award 3: Bundesländer-Preise (Caesar, Twister etc.), Momentum Creative Award, Gustav-Klimt-Preis, Plakatpreis Wien, Deutscher Dialogmarketing Preis (DDP), Schweizer Dialogmarketing-Preis 2: Austrian Annual Report, Fundraising Award, B2B-Award, Pharma Ad, Transport Media Award (Jahressieger) 1: Best Mail, Kurier Werbeliebling Das Bestseller-Kreativranking berücksichtigt alle im Kategorieschema angeführten nationalen und internationalen Awards, die zwischen 1. Oktober 2009 und 19. Oktober 2010 verliehen wurden. Es zählt der Tag der Preisverleihung, nicht der der Bekanntgabe der Gewinner. Wenn es jedoch keine Award-Show gibt, wird der Tag der Veröffentlichung der Resultate eines Wettbewerbs als Stichtag herangezogen. Für das Kreativranking 2011 werden die vergebenen Awards, die zwischen 20. Oktober 2010 und 20. Oktober 2011 vergeben wurden, berücksichtigt. Bestseller 11|12 2010 Wir stehen dahinter. Agentur für strategische Markenberatung www.blink.co.at „Neue Ehrlichkeit“ als Hausaufgabe An Offenheit für Kreativität fehlt es den laut Kreativranking 2010 meistausgezeichneten Auftraggebern nicht. Text von Lisa Mang, Sarah Obernosterer Augenschmaus. Mit Respektabstand holte sich Mercedes-Benz Österreich die Krone als erfolgreichster Auftraggeber beim diesjährigen Bestseller-Kreativranking: Mit 1.193 Punkten gab der Autokonzern ordentlich Gummi und ließ die Konkurrenz weit hinter sich. Dahinter folgen das Österreichische Filmfestival für Menschenrechte mit 765 und der Vorjahressieger Mömax mit 471 Punkten. Bestseller-Kreativranking 2010 Die Auftraggeber Rang Auftraggeber AwardsPunkte national international 1 Mercedes-Benz Österreich 940 253 1193 2 This human world - Filmfestival für Menschenrechte 341 424 765 3 Mömax 383 88 471 4 Palfinger AG 37 418 455 5 T-Mobile 135 272 407 6 Leica 131 265 396 7 Stiegl 59 330 389 8 Tools at work 63 256 319 9 Verein Neunerhaus 0 304 304 10 Media 1 63 198 261 11 Reed Messe 165 92 257 12 Telekom Austria AG 116 128 244 13 Screenagers 45 195 240 14 BMW 60 158 218 15 Darbo 183 34 217 16 Mario Haller Schnaps 45 168 213 17 ÖBB 60 148 208 18 Neuroth AG 162 39 201 19 Wienerberger 23 172 195 20 Tscheppe Weine 23 168 191 21 Aids Hilfe Wien 120 70 190 22 Falter 189 0 189 23 Netdoctor 30 149 179 24 Naturhistor. Museum 150 26 176 25 Henkel 71 102 173 26 BauMax 105 56 161 27 Gut Oggau/Familie Tscheppe 75 74 149 28 Easy Motion 105 40 145 29 Andritz AG 0 144 144 30 Demner, Merlicek & Bergmann 114 28 142 46 Sich über das Alltägliche hinwegsetzen – das ist laut Michael Oblasser, Leiter Marketing und Produkt-Management bei Mercedes-Benz Österreich, der Schlüssel zum Erfolg. Er ist sich sicher, dass nicht nur die normale Autofahrt in einem Mercedes zum „Genuss“ wird, sondern auch die Werbung für die Marke mit dem Stern zum „Augenschmaus gereichen“ darf. Ganz im „AutoMarketing-Sprech“ erklärt Oblasser, warum die Werbung der Premium-Marke so erfolgreich ist: „Die Werbung verfolgt ein Ziel und ist dennoch, oder gerade deswegen, kreativ. Wir sehen – wie unser aktives Kurvenlicht – gerne besser und früher ‚ums Eck‘ als andere. Dies ist in punkto Sicherheit genauso wichtig wie in punkto Kommunikations-Ausleuchtung.“ Und durch gute Ausleuchtung sieht man bekanntlich nicht nur selbst besser, sondern wird auch besser gesehen: „Werbung für MercedesBenz erkennen Sie bereits von weitem. Sie ist unverwechselbar.“ Weiter aus der Masse herauszuragen, ist denn auch die Ambition für die Zukunft. Unterstützt wird MercedesBenz Österreich bei diesem Vorhaben von Jung von Matt/Donau, bei der die „Vertrauensbasis“ einfach stimmt, so Oblasser. Erfolgsrezept Mundpropaganda Gleich 765 Punkte staubte das Österreichische Filmfestival für Menschenrechte als Neueinsteiger unter den Top Drei im Kreativranking ab. Festivalleiter Johannes Wegenstein glänzte mit Unterstützung der betreuenden Werbeagentur, Wien Nord, sowohl bei nationalen, vor allem aber bei internationalen Awardshows. Beim ADC Europegab es beispielsweise ebenso Gold wie bei den Golden Awards Montreux. Dazu kommen Silber und Bronze beim New York Festival beziehungsweise in Cannes. Wegenstein sieht den Werberummel dennoch eher pragmatisch: „Ein gutes Produkt, Bestseller 11|12 2010 Mercedes-Benz Österreich, this human world, XXXLutz-Grupp Michael Oblasser, Marketingleiter von Mercedes-Benz Österreich, meint: „Wir setzen uns gerne über das Alltägliche hinweg.“ Unverwechselbarkeit und überzeugende Qualität“ sind laut ihm die wichtigsten Kriterien für gute Werbung, die für ihn in erster Linie aus funktionierender Mundpropaganda besteht. Ebenso wichtig sei es, die Werbung bewusst und an ausgesuchten Orten zu platzieren. Imagepflege und die Auseinandersetzung mit Social Media, User Generated Content und Web 2.0 stehen ebenfalls am Plan. Diese Tools sinnvoll abzustimmen, sei auch die große Werbe-Herausforderung der Zukunft. Generell werde die „Vermittlung einer ‚neuen Ehrlichkeit‘ in Wirtschaft und Werbung“ nötig sein. Kultstatus Nach dem Sieg im Vorjahr als Gruppe belegt die XXXLutz Group mit ihrer Vertriebsschiene Johannes Wegenstein, Leiter des Filmfestivals „This Human World“, ist überzeugt: „Meine wichtigste Werbung ist Mundpropaganda.“ Mömax auch dieses Jahr einen Platz unter den Top Drei. „Kommunikation muss einfach, konsequent, durchgängig und unterhaltend sein. Zudem sollten alle kommunikativen Maßnahmen ein langfristiges Element haben“, zählt Thomas Saliger, Werbeverantwortlicher des Möbelriesen, die Kriterien guter Werbung auf. Auf Langfristigkeit, „gepaart mit Kreativität und Aktualität“, setzt er sowohl mit der betreuenden Agentur, Demner, Merlicek & Bergmann, als auch mit den „weitergedrehten“ Kampagnen seiner Möbelhäuser: Kultstatus hat mittlerweile nicht nur die Familie Putz erreicht, sondern auch die humorige Mömax- Kampagne „Lass dich nicht von deinen öbeln blamieren“. „Kreativ ist, was dem M Kunden gefällt und ihn zum Lachen bringt beziehungsweise dem Kunden auffällt“, ist Saliger überzeugt. Dass das nicht nur den Kunden gefällt, sondern auch den Jurierenden zahlreicher Kreativpreise, bestätigt ihm das aktuelle Bestseller-Kreativranking. Die Aufgaben für die (digitale) Zukunft sind auch für ihn klar definiert: „Entscheidend wird sein, den richtigen Media-Mix zu finden und richtig zwischen den Elementen ‚Markenaufbau‘ und ‚Promotion‘ zu vari ieren. Und natürlich beschäftigt uns das Thema ‚Social Networks‘.“ eIN orDeN FÜr aLLe, die SiCH fÜr die neUe wirtSCHaftliCHKeit der werbefilMProdUKtion entSCHeiden. Powered by roland loibl Shoot your meSSage [email protected], +43 (0) 664 411 8908, www.friendlyfire.at „Kreativ ist, was dem Kunden gefällt und ihn zum Lachen bringt“, so XXXLutz-Unternehmenssprecher Thomas Saliger. Christian Boros ist Werber und Kunstsammler. Mit seinem Museum im Privatmuseum. Mit dem „Bananenbunker“ fand Christian Boros die Herberge für seine Kunstsammlung. Oben am Dach baute er sich ein Traum-Penthouse. 48 Bestseller 11|12 2010 Der Zwangsvermittler Bunker schuf er sich und der zeitgenössischen Kunst ein Denkmal. Bestseller stattete dem Ästheten einen Besuch in Berlin ab. Text von Sebastian Loudon Boros Collection, Huber von Wald Berlin Mitte, Anfang November. An einem grauen Freitagnachmittag schleichen zwei Gestalten um den sogenannten „Bananenbunker“ in Berlin-Mitte. Es ist kalt, viel zu kalt für diese Jahreszeit. Und es ist feucht. Der Bunker, erbaut 1942, bekam diesen liebevollen Namen in den Fünfzigerjahren, als er der DDR-Führung als Lager für Südfrüchte diente. Nach der Wende war er Schauplatz der härtesten Techno-Feten in Berlin. Das Gebäude ist quadratisch angelegt, hat auf jeder Seite einen Eingang. Die beiden Figuren im Novembernebel sind auf der Suche nach dem einen Eingang, der in eines der spektakulärsten Penthouses Berlins führt. Dort oben auf dem Dach des Bunkers lebt seit zwei Jahren Christian Boros mit seiner Frau Karen Lohmann und dem gemeinsamen siebenjährigen Sohn. „Sie sind auf der falschen Seite des Bunkers“, sagt Boros durch das Telefon. Er klingt geduldig, die Bestseller-Reporter sind offenbar nicht die Ersten, die sich schwer tun, auf Anhieb den richtigen Eingang zu finden. Umgekehrt läuten auch viele Museumsbesucher irrtümlich bei den Boros‘ im sechsten Stock an. Museum? Im Bunker? Ganz genau. Vor zwei Jahren machten Boros und Lohmann ihre Sammlung zeitgenössischer Kunst der Öffentlichkeit zugänglich. Im Berliner „Bananenbunker“. Und oben auf dem Dach stellten sie sich ihre Wohnung hin. Mit dem Fahrstuhl geht es also durch die 3,1 Meter dicke Decke des Bunkers – bis das Loch im Stahlbeton frei war, vergingen alleine drei Monate, das wird sogar den Museumsbesuchern aus aller Welt erzählt. Oben angekommen stehen die Besucher aus Wien vor einer gigantischen Metall-Schiebetür. Für einen Moment fühlen sie sich wie in einem James-Bond-Film, im Herzstück des Hauptquartiers des Bösewichts. Die Tür gleitet zur Seite, aber da steht kein Bösewicht, sondern Christian Boros, von Beruf Werber und seit 2008 Berliner Nebenerwerbs-Museumsdirektor. Flüchtlingskind und Ästhetik-Stundent Boros ist vielbeschäftigt – auch an diesem Freitagabend. Er muss seinen Sohn abholen, und abends kommen Gäste. Dennoch gibt er seinem Besuch keine Sekunde das Gefühl, er wäre nicht willkommen. Und er ist völlig unhektisch. „Bevor wir anfangen, möchte ich noch eine Zigarette rauchen.“ Dafür gibt es nur einen Ort in dem riesigen Loft, das man gemeinhin als atemberaubend bezeichnen würde, nämlich unter der Edelstahl-Dunstabzugshaube in der Küche. Neben dem Herd steht bereits das geschnittene Gemüse für die Gäste. „Heute wird groß aufgekocht“, sagt Boros, als er genüsslich seine Zigarette raucht und zu erzählen beginnt. Von seiner Kindheit im Flüchtlingslager, nachdem Boros‘ Eltern, als dieser sieben Jahre alt war, aus Polen in den „goldenen Westen“ kamen. Von seiner Jugend in Köln, wo er keinen Sport betrieb, „viel zu spät“ mit Mädchen zu tun hatte, aber dafür bereits sehr früh mit Kunst in Berührung gekommen ist. Er erzählt von seinem Entschluss, bei Bazon Brock in Wuppertal Ästhetik zu studieren, wo ihn Brock immer einen „Zwangsbeglücker“ genannt habe. „Weil ich die Dinge, die ich gut fand, immer unbedingt allen anderen vermitteln wollte.“ 49 50 stellen sollte. Boros, bestens bekannt mit Wurm, war eingeladen und dachte sich „Oh Gott, jetzt wird der Erwin eitel, jetzt will er einen Prachtband über sein Lebens werk.“ Sein Vorschlag ging ins Gegenteil: Was gibt es Ironischeres und Wahrhaftige res zugleich, als wenn ein erfolgreicher Künstler in einem Buch über sein Lebens werk ebendieses als gescheitert oder eben umgangssprachlich als „vergurkt“ darstellt, dachte sich Boros und präsentierte das „Gurkenbuch“, einen dicken Schmöker mit einer großen Essiggurke im Relief vorne drauf. „Ein Objekt, kein Buch“, sagt Boros stolz, bevor er das Gespräch unterbricht: „So, genug geraucht, setzen wir uns rüber.“ Erster oder Letzter Wenn Boros mit seinen Ideen in eine Prä sentation geht, weiß er vorher schon ganz genau: Entweder werde ich mit Abstand Letzter, oder ich gewinne den Pitch haus hoch. Wie das geht, wollen wir wissen. „Ich habe nie in meinem Leben in einer an deren Agentur gearbeitet, nicht einmal ein Praktikum habe ich gemacht. Das heißt, mir hat niemand jemals gesagt: Das geht nicht, oder: So können wir das nicht ma chen. Nachdem mir dieser Abschleifungs prozess gefehlt hat und ich als Student oh nehin nicht viel zum Leben gebraucht habe, ging ich immer kompromisslos ins Viva liebt dich Rennen. Und bald hat man von uns erwar „Unser Auftrag lautete: Zeig der deutschen tet, dass wir Terror machen, wenn wir Jugend, wie toll Viva ist“, erinnert sich Boros. „Und wir haben dem Kunden gesagt: unsere Pappen hochhalten.“ Ecken und Kanten, das macht für Boros den Erfolg Entschuldigt, aber in den Augen eines aus – den der Kunst, den der Werbung und Sechzehnjährigen ist Viva nicht toll. Ers tens ist MTV viel toller, und zweitens inter auch seinen eigenen. „Wenn ich kein Profil habe, kann ich auch keine Spuren hinter essiert er sich ohnehin viel mehr für Pet lassen.“ Aus dieser Überzeugung resultiert ting als fürs Fernsehen.“ Betretene Stille, seine tiefe Abneigung, die Werbelinie von nachdenkliches Schweigen, bis Boros fort Marktforschung abhängig zu machen. fuhr: „Die imperativen Muster – ich sage „Solche Aufträge nehme ich gar nicht an. dir, was du von mir halten sollst – das funktioniert nicht mehr.“ Das Ergebnis: Das Das ist ungefähr so, wie wenn ein Künstler, um Erfolg zu haben, nur mehr gelbe Bilder erste Sujet für Viva zeigte ein Pärchen, das malt, weil er weiß, dass gerade gelbe Bil fummelnd unter einer Bettdecke versteckt der angesagt sind. Wenn man in der Wer war. Ganz nebenbei ein Fernseher, auf dem bung immer nur das produziert, was das Viva lief. Und unten der simple Slogan: normale Rezeptionsbewusstsein fordert, Viva liebt dich. „Was wir damals der dann befriedigt man zwar existierende Er Jugend gesagt haben, war: Wir sind nicht wartungen, aber man überrascht nie, man wichtig. Ihr seid es, die wichtig sind. Und schafft nichts Neues, nichts – im wahrsten wir sind für euch da.“ Bescheidenheit und Sinne des Wortes – Merkwürdiges.“ Genau Selbstironie – das sind die Hebel, mit de nen die Agentur Boros Communications ihr dieser Mut zu neuen Wegen ist für Boros das, was die Werbung von der Kunst ler Ziel der Relevanzmachung verfolgt. Ande nen muss. Und was er selbst aus der Kunst res Beispiel: Der österreichische Künstler gelernt hat. Allerdings schränkt er ein: Erwin Wurm bat zum Wettbewerb für ein Buch, das sein bisheriges Lebenswerk dar „Werbung muss zwar mutig, darf aber nie Bestseller 11|12 2010 Huber von Wald (2) „Werbung muss mutig, darf aber niemals leichtsinnig sein.“ Christian Boros Die Studienwahl erfolgte sehr zum Leidwe sen seiner Eltern, die nicht in den Westen gekommen waren, damit ihr Sohn einen so brotlosen Weg einschlägt. Diese Sorge war unbegründet. Um sein Studium zu finanzie ren, begann Boros in Wuppertal als Werber in Eigenregie. Was ihn dazu legitimierte? „Ästhetik ist ja nicht nur die Lehre des Schö nen, Wahren und Guten, sondern letztlich die Kunst des Vermittelns, des Relevanz machens. Und nichts anderes sollte Wer bung ja auch tun, und man kann nun ein mal damit mehr Geld verdienen als mit Taxifahren“, sagt Boros. Es war ein Kava liersstart. Sein erster Kunde: Ein Musikleh rer aus Wuppertal kam mit der Idee eines deutschen Musikfernsehsenders auf ihn zu. „Er sagte, ich müsse mir einen Namen dafür ausdenken.“ Der Musiklehrer heißt Dieter Gorny, der Name, den sich Boros ausge dacht hat, lautet, erraten: „Viva“. „Das war mein Initialkunde, und die erste Kampagne, die ich dafür gemacht habe, war gleichzei tig das härteste Stück Werbung meiner zwanzigjährigen Laufbahn.“ Moment, das wollen wir genauer wissen! Und siehe da, mit der folgenden Anekdote nimmt Boros einen Gutteil der seit Jahren laufenden Diskussionen über Rolle und Tonalität der Werbung vorweg. leichtsinnig sein, denn schließlich arbeiten wir mit dem Geld anderer Leute.“ Und dann, nachdenkliche Kehrtwende: „Eine langweilige Kampagne ist auch nur raus geschmissenes Geld.“ TV ist tot. Es lebe das Buch Boros ist ganz verrückt nach Facebook. Er hat mehr als zweitausend Freunde, kommu niziert rege mit ihnen, ist aber weit davon entfernt, sich als Social-Media-Junkie titu lieren zu lassen. Seine Frau wundert sich nur, sie ist Verweigerin. Für ihn als Werber sind Social Media ein Riesenthema, das er Ästhet. Der Werber und Kunstsammler Christian Boros empfängt Bestsellerim größeren Zusammenhang sehen will. Er Chefredakteur Sebastian Loudon in seinem Loft, hoch oben auf dem Bunker. ist sich mit Amir Kassaei, dem Kreativchef von DDB Germany, in einem einig: „Die Zaha Hadid, James Turrel, Jean Nouvel oder sehr visuelle Menschen.“ Die Eckpunkte Werbung, wie wir sie kennen, ist tot. Nach der Sammlung Boros: rund 500 Werke von Olafur Eliasson. „Das ist pure Relevanz. Dekaden des bezahlten Lügens muss man 57 Künstlern, darunter Namen wie Damien Und glaubwürdig noch dazu.“ Nachsatz: mit einer anderen Mechanik arbeiten. Und Hirst, Olafur Eliasson, Elizabeth Peyton, diese Mechanik heißt Relevanz.“ Die Medien „Eine Broschüre wird weggeworfen, für ein Wolfgang Tillmans, Anselm Reyle, Manfred Buch sagt man ‚Danke‘.“ Manchmal spielt spielen dabei für Boros eine nachgelagerte Pernice, Tobias Rehberger oder John Bock. Rolle. Das traditionelle Fernsehen ist für ihn Boros die Marke seiner Kunden also be Olafur Eliasson, den Dänen, der in Berlin ein aussterbendes Geschäft. „Ich kenne kei wusst herunter, um Glaubwürdigkeit zu er sein Studio betreibt und unterrichtet, zählt reichen, wie im Fall von Viva, und dann nen mehr, der Fernsehen guckt – die Men Boros zu seinen engsten Freunden, und er wieder wird ein Produkt mit allen Mitteln schen haben so wenig Zeit, da möchten sie erhöht, wie es nur geht. Apropos: Die Agen war sein erster Sammler. Die „Boros Collec rezipieren, was sie wollen, und nicht, was tion“ ist der Hotspot unter den Berliner tur der Zukunft beschreibt Boros konse ihnen ein Programmchef gerade serviert.“ Museen. Führungen gibt es nur nach Vor quenterweise als eine „Gruppe von Fach Auch die Funktion des Fernsehens als Trä anmeldung im Internet, die Werke sind arbeitern, die daran arbeiten, eine Marke ger einer kollektiv erlebten Öffentlichkeit relevant zu machen, und den Inhalt um die nicht gekennzeichnet („Das gefällt Herrn sieht Boros ganz stark im Abnehmen. „Das Boros nicht“, sagt die Führerin), teilweise se Marke herum am Köcheln halten“. Kurze gilt vielleicht noch für den ‚Tatort‘ oder wurden die Räume für einzelne Werke Unterbrechung. Boros‘ Frau kommt nach ‚Wetten, dass..?‘, aber wenn Sie an einem eigens und extrem aufwendig adaptiert. Für Hause: „Liebste, läuft alles? Wann soll ich Samstagabend mit 60 Freunden auf Face Materialfetischisten: Beim Bau wurde soge denn unseren Sohn abholen?“ book online sind und chatten, spüren Sie nannter „Blauer Beton“ verwendet, der da die Gleichzeitigkeit und diese Gemeinschaft mals widerstandsfähigste Baustoff, der erst viel intensiver, als wenn Sie ahnen, dass Ihr Mit der Kunst unter einem Dach Man kann nicht mit Boros zusammensitzen, nach 30 Jahren voll ausgehärtet ist. Man Nachbar auch gerade ,Wetten, dass..?‘ che Werke hingegen fügen sich perfekt in ohne ihn über den Bunker auszufragen. schaut.“ Eine große Zukunft steht, Boros die existierende Architektur. Wenn Boros „Auch hier will ich letztlich nichts anderes zufolge, Print bevor, aber nur dann, wenn als vermitteln.“ Seine Sammlertätigkeit wird an die jahrelangen Umbauarbeiten zurück es gelingt, die Haptik wirklich erlebbar zu denkt, gerät er ins Grübeln: „Wenn ich ge von zwei Konstanten bestimmt, einer machen. Aus dem Südflügel des Lofts holt wusst hätte, wie aufwändig das wird, hätte formalen und einer subjektiven. Erstens er dann einen Geschäftsbericht für das ich es nicht gemacht. Das ist das Schöne, kaufen Boros und Lohmann ausschließlich Vorarlberger Lichttechnik-Unternehmen wenn man in schwarze Löcher springt. Zumtobel. Wieder so ein Beispiel: „Ich habe Werke, die zum Zeitpunkt des Erwerbs Man weiß nicht, wie groß die Fallhöhe ist. nicht älter als ein Jahr sind, und zweitens: den Herrschaften bei der Präsentation ge Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich nicht sagt, ein Geschäftsbericht wird doch sowie „Ich interessiere mich nur für Kunst, die ich hineingesprungen. Jetzt bin ich froh, dass nicht verstehe, weil nur die das Potenzial so weggeworfen. Darauf herrschte wieder ich es gemacht, und vor allem, dass ich es hat, mich weiterzubringen. Alles, was ich dieses betretene Schweigen. Und dann schlug ich ihnen vor, etwas zu machen, das ohnehin verstehe, muss ich nicht auch noch geschafft habe.“ Auf die Frage, ob für so ein Megaprojekt mitten in Berlin nicht auch eben nicht weggeworfen wird.“ Der Wälzer, tautologisch wiederholen.“ Und warum die eine Portion Größenwahn von Nöten sei, den Boros in den Händen hält, ist mit Weiß enge Eingrenzung auf zeitgenössische Kunst? „Das sind die Werkzeuge der Gegen kann Boros nur milde lächeln. „Nein, aber gold verziert und beinhaltet Essays von wart. Meine Frau und ich wollen die Gegen Naivität.“ Aber dann doch wenigstens Sen dungsbewusstsein, der Wunsch, der Welt wart verstehen und Hilfe für die Zukunft ein großes Statement zu hinterlassen. „Ich suchen. Da interessiert mich das Statement bin eben ein Zwangsbeglücker“, sagt Boros anderer Menschen – das kann genauso ein und lacht. Buch sein, aber Karen und ich sind eben Bestseller 11|12 2010 51 Design, das Geschichten erzählt Upcycling – wenn verbrauchte Dinge einen zweiten Sinn bekommen. Text von Birgit Schaller Wiederentdeckt. Geduldig fädelt er Eisstiel an Eisstiel – 20.000 Stück ausrangierte Hölzchen werden händisch verwoben. Davor wurden in jeweils elf Stielchen mit der selbst konstruierten Maschine Löcher gebohrt – eine Arbeit von Tagen für Innenarchitekt Arkadius Quittek. Endlich, die Lampe ist fertig: Sie kann ihre Form verändern und strahlt Lagerfeuerromantik aus, zu kaufen auf der Website von Zweitsinn. Zweitsinn ist ein Netzwerk von Designern, die dem Ausgedienten, nicht mehr Geliebten, einen zweiten Sinn geben. Eine ganz neue Generation, anders als die „gefährliche Berufsgruppe Designer“, wie sie der Gestalter Victor Papanek 1970 in seinem Buch „Design für die reale Welt“ sah, „die billige Idiotien zusammenbrauen, die von Werbeleuten verhökert werden und schließlich als bleibender Müll die Landschaft verschandeln“. „Aus alt mach neu“ ist auch das Motto des deutschen Gestalters von Recyclingmobiliar Oliver Schübbe. „Pixelstar“ heißen seine Sofas, die nicht nur auf der Architekturbiennale in Venedig, auf Messen und in Designeredelläden wie Hamburgs Stilwerk, sondern auch in Wohnzimmer eingezogen sind. „‚Pixelstar‘ ist trashig, der Holzkörper mit Schaumstoffwürfeln im „Frank“, designed by Patchwork-Mix als Polsterung liegt im Trend. Oliver Schübbe: Das In Zeiten von Ikea, in denen Wohnungen imkurvige Regalsystem mer ähnlicher werden, gibt es eine Sehnsucht aus kombinierbaren Sperrholzelementen nach Möbeln, die Geschichten erzählen“, ist inspiriert von den glaubt der Designer. Der 36-Jährige hat sich Formen des Stararchitekten Frank Geary – auf die Neuinterpretation von Weggeworfe15.000 Mal verkauft. nem spezialisiert, weil er „schon als Kind den Schrottplatz als riesige Inspiration empfand“ – und aus Überzeugung. Im Frühling war Schübbe als Koordinator im Hintergrund für die ZDF-Dokumentation „Das Schrott-Hotel“ tätig – aus Sperrmüll entstand ein Designerschuppen. Den ökologischen Ansatz weiter getrieben hat die Londoner Designerin Nina Tolstrup mit ihrem „Pallet“-Project: Sie verkauft Anleitungen für Recycling-Produkte via Internet, denn die Rohstoffe seien ohnehin überall verfügbar. Müll in Hülle und Fülle „In Deutschland landen jährlich sieben Millionen Tonnen Möbel am Müll, weniger als zehn Prozent davon werden wiederverwertet“, weiß Schübbe, der für seine Umsetzungen mit der Recyclingbörse, einer Müllsammelstelle, in Herford zusammenarbeitet. „Vor 25 Jahren haben ein paar Hippies alte Waren abgeholt, an Bedürftige weiterverkauft“, erinnert sich Udo Holtkamp, Geschäftsführer des Vereins Arbeitskreis Recycling, der die Börse leitet. Inzwi- Bestseller 11|12 2010 Schlicht und umweltschonend: Die in London lebende Designerin Nina Tolstrup verkauft Anleitungen für Recycling-Design im Internet: Die Rohstoffe dafür gibt es ohnehin überall. schuebbe, AKR/recyclingbörse/v. MEtte, tolstrup schen gibt es vier Müllplätze, zwei Werkstätten und drei Läden, ab 1999 gab es einen Kunst-, und seit vier Jahren gibt es einen Designpreis, der Altem neues Leben einhaucht. In der Holzwerkstätte der Börse werden Schübbes Ideen mit Materialien und Maschinen vom Müll, auf „Low Tech“-Art, von Langzeitarbeitslosen realisiert – der TischlerJoachim Ebert, Hartz IV-Bezieher, verdient sich so ein Zubrot von 120 Euro pro Monat. Nicht nur der ökologische, auch der soziale Blickwinkel ist von Bedeutung. Soziale Aspekte spielen mit Auch das österreichische Designunternehmen gabarage, Teil des Anton Proksch Instituts, bekannt als Suchtklinik Kalksburg, ist ein sozialökonomischer Betrieb. Es wurde 2002 als Konzept im Rahmen eines EU-Förderprogramms ins Leben gerufen. 25 Menschen mit Suchtproblematik erhalten hier eine Arbeitsstelle. „Das Unternehmen muss nach marktwirtschaftlichen Prinzipien funktionieren“, sagt Gabriele Gottwald-Nathaniel, Verwaltungsdirektorin des Instituts, Geschäftsführerin und strategische Leiterin von gabarage. Insgesamt kostet gabarage rund eine Million Euro, 200.000 Euro müssen an Eigenerlösen erwirtschaftet werden. „Im Krisenjahr 2009 sind wir auf 95.000 „Soziale Thematiken schwingen aber genauso bei Unternehmen mit, die mit nachhaltig produzierten Stoffen Euro heruntergesackt, weil große Kooperationspartner arbeiten“, weiß Gottwald-Nathaniel. ihre Budgets kürzten“, schildert die Sozialpädagogin die angespannte Lage. Ein dreistöckiger Lampenschirm aus Von Unternehmern, die anders ticken eingefärbten Infusionsschläuchen, Sitzgelegenheiten aus Biobaumwolle und Modedesigns für das junge Label Götalten Müllcontainern, Fußbälle als Blumenübertöpfe sind tin des Glücks (GDG) werden ausschließlich in Partner„der letzte Schrei“ aus der Upcycling-Werkstatt, die Ausunternehmen der Entwicklungszusammenarbeit versponrangiertes aufwertet. Das gabarage-Standardprodukt, Planen, verstrickt, gefärbt und konfektioniert, bestätigt Lisa nentaschen in immer neuen Variationen, beispielsweise Muhr, Designerin und Mitgründerin von GDG: „Für ein aus alten Hüpfburgen, haben immer Saison. „Jeder faires Produkt gilt beispielsweise, dass sozial gerechte Mensch ist ein Künstler und kann durch kreatives HanLöhne bezahlt werden, die sich nicht an Weltmarktpreideln zum Wohl der Gemeinschaft beitragen“, nach diesem Motto von Joseph Beuys erhalten die Mitarbeiter von sen orientieren. Unternehmer, die nachhaltig arbeiten, ein Zotter oder die Druckerei gugler, ticken überhaupt anders, gabarage nach einer Einschulungsphase die Möglichkeit, auch wirtschaftlich – es geht nicht um Gewinnmaximieeigene Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Ziel ist die rung, sondern um Würde.“ Qualifizierung und Wiedereingliederung der Menschen in den Arbeitsmarkt und ihre Entstigmatisierung. 4.000 Zeichnungen für Schokoschleifen Andreas Gratze, Designer der Schleifen von Zotter Das von Frank Geary Schokoladen, wird von ähnlichen Themen bewegt: „Ich gestaltete Museum Marta in Herford zeigt jährlich die arbeite am liebsten und nur mit Menschen, für die das Siegerideen des Deutschen Leben mit Natur, Tier und Mitmensch keine Frage der Recycling Designpreises: HeuWirtschaftlichkeit ist. Es geht oft um kleine Gesten.“ So er war „Murx“ von Jeanette Jakob siegreich: ein Hocker zeichnet und gestaltet der Steirer, der in Berlin lebt für aus ausgedientem PVC-Rohr Zotter. Aber auch für die Imkerei Wagner, die Biohonig und Traktorschläuchen. erzeugt, eben prämiert mit dem steirischen Landespreis 2010, oder den zwischen Deutschland und seiner Heimat 53 Upcycling by gabarage: Menschen mit Suchtproblematik, von der Gesellschaft ausgegrenzt, gestalten aus ebenso Ausrangiertem neue Produkte. pendelnden Griechen Teberkides, der mit Olivenöl handelt und ein Pionier der Bio-Bewegung ist. Gratze stand als gelernter Koch zunächst selbst mit Josef Zotter im Kaffeehaus. später wechselte er die Seiten und zeichnete die ersten Banderolen: „Es waren jene mit einem Teuferl für Schlingel und einem Nikolo für die Braven.“ 4.000 Zeichnungen für beinahe alle Zotter-Sorten hat er in 14 Jahren designt. Für die Grafiken lässt sich Gratze von der Schokolade inspirieren: „Manchmal koche ich das Rezept nach, ich integriere die Länder, wo Zutaten herkommen oder arbeite anlassbezogen, mal abstrakt, dann wieder figural.“ Thema Nachhaltigkeit: „Wir experimentieren intensiv mit Papiersorten und verwenden umweltfreundliche Farben und Lacken, die möglichst geruchsneutral sind“, beschreibt Gratze. Das Papier sei immer zertifiziert, käme aus nachhaltiger Forstwirtschaft oder sei reines Altpapier. Der verwendete Kunststoff, beispielsweise für Schokospritzen, sei zu 70 Prozent biologisch abbaubar, versichert er und: „Wir sind immer auf der Suche nach den letzten 30 Prozent.“ Es ist nicht ganz einfach, denn natürliche Papiersorten verändern die Farben, hier muss nachkorrigiert werden. Es ist ein stetiger Prozess. Kann viel Müll auch zu wenig sein? Die Sache mit dem Material ist überhaupt so eine Sache. Während gabarage in Wien inzwischen wählen kann, haben andere bereits mit Engpässen zu kämpfen. Denn die Gestaltung von „Wohnambiente mit Fehlerästhetik“ hat ihre Tücken. Für das erfolgreichste Produkt von Oliver Schübbe, „Frank“, ein Regalsystem, das sehr kurvig anmutet und von dem innerhalb der letzten drei Jahre bereits 15.000 Stück verkauft wurden, gibt es in Herford Zotter Schokolade wird in Altpapier aus nachhaltiger Waldwirtschaft verpackt, bedruckt mit umweltschonenden Farben und Lacken, darauf achtet der Künstler Andreas Gratze. Er zeichnet und gestaltet seit 14 Jahren beinah jede der Banderolen. einen Produktionsstopp – es fehlt das nötige Holz. „Ab 1.000 Stück wird es knapp“, weiß Materiallieferant Udo Holtkamp von der Herforder Recyclingbörse. Zum trendund umweltbewussten Konsumverhalten passen Müllmöbel perfekt. Doch: „Wir haben versucht, mit Möbelhäusern zu kooperieren. Aber die fanden es zu aufwändig, altes Material zu bearbeiten. Die neuen Maschinen sind nicht dafür gemacht, und die Herstellung mit neuem Material ist schlicht weniger arbeitsintensiv und – billiger.“ „Frank“ gibt es seit kurzem auch in Tel Aviv und Barcelona, aber auch das ist eine Herausforderung. In Israel läuft es ähnlich wie in Berlin: Alte Möbel werden einfach auf die Straße gestellt, und jeder kann sie mitnehmen, somit gibt es keine Sammelstellen, und die Altmöbel sind kaum aufzutreiben. Auch die Produktion der Eisstiel-Lampe von Quittek wurde vorübergehend eingestellt: „Der Hersteller möchte aufgrund einer möglichen Verletzungsgefahr durch die Stielchen keinen Ausschuss mehr zur Verfügung stellen – sicher ist sicher.“ Und – die angefragte Menge wird langsam schwer zu bewältigen. Severin Filek, Geschäftsführer des Interessensverbandes Österreichischer Designer, designaustria, bestätigt, dass nicht alle Materialien in ausreichenden Mengen verfügbar seien. Anlässlich der heuer erstmaligen Auslobung des redesign@(net)work Awards, der Reuse-Designprojekte Bestseller 11|12 2010 thomas.m.jauk/stagepicture, zotter/Gratze, S. krimshandl-tauscher/garbarage, quittek auszeichnet, wurde eine Untersuchung durchgeführt. Das Ergebnis: Autoreifen, Kartonagen, Tetrapak und Textilien gibt es in großen Mengen – Filmdosen, Glasflaschen oder Kleiderbügel dagegen kaum. Den Award gewonnen hat jedenfalls der „Fa(hnen)beu(tel)“ von Maren Krämer. Der Designprototyp aus nicht mehr benötigten Fahnen diverser Events wird nun von gabarage erstproduziert. Arm, aber glücklich? Filek glaubt, dass es generell schwer ist, Fuß zu fassen: „Es gibt kaum Verdienstmöglichkeiten, und nur wenige Menschen kaufen Produkte aus Altstoffen. Auch deshalb findet sich häufig ein arbeitspolitischer Gedanke wie bei gabarage.“ Dazu passt, dass auf Müllprodukte in Deutschland nur sieben Prozent Mehrwertsteuer angesetzt sind, „wohl weil Müll keinen Wert hat, das Material bereits abgeschrieben ist“, witzelt Schübbe. GottwaldNathaniel ist jedenfalls bemüht, so wenig als möglich zuzukaufen, auch wenn sich „manche Kunden wünschen, dass die Dinge aussehen wie neu. Es ist eine Gratwanderung, aber wir produzieren nachhaltige Produkte.“ Und Holtkamp erzählt: Das Regal „Frank“ wird inzwischen auch über Fachzeitschriften verkauft, diese retuschieren die Fotos: „Da gab es schon Reklamationen, als die Kunden die wilde Holzmischung, die Schrammen und Kratzer sahen.“ Eines ist klar: Es gilt, längerfristige Partnerschaften zu etablieren, sei es in Form von Großaufträgen wie ein Auftrag für -zigtausende Taschen für den Aidshilfe-Kongress, oder auch, dass Transitmitarbeiter in ein Unternehmen wechseln können. „Meine Vision wäre aber ein Produkt, das so erfolgreich ist, dass es gabarage trägt. Dann könnte ich in allen Bereichen experimenteller werden und zum Beispiel Mitarbeiter dauerhaft einsetzen“, wünscht sich Gottwald-Nathaniel. „Mittlerweile kann ich ganz OK leben, aber es war ein langer Weg in der zehnjährigen Selbstständigkeit. Doch das Schöne ist, wenn Beruf und Hobby verschmelzen“, so Schübbe. Es ist ein harter Weg. Josef Zotter musste 1996 Insolvenz anmelden, bevor er mit der eigenen Produktionsstätte durchstartete, 2009 launchte er den Franchise-Schoko-Laden, und heuer war Zotter als erster Österreicher Protagonist einer Harvard Business School Case Study. Und Lisa Muhr und ihre drei Designer-Kollegen von Göttin des Glücks können laut Businessplan ab 2012 erstmals allein vom Geschäft der „Göttin“ leben. Und wie lebt es sich heute? „Sehr sparsam eben“, lacht sie. Trotzdem: Das Geschäft floriert – „unser eigener Stil aus Streetware und alltagstauglicher Mode mit Charme und Humor gefällt, der Nachhaltigkeitsaspekt auch. Das Bewusstsein ist größer geworden, das spüren wir.“ Bestseller 11|12 2010 Second Hand ist sexy Gottwald-Nathaniel denkt weiter: „Es geht um eine Vernetzung, das Kennenlernen unbekannter Lebens- und Arbeitswelten, eine gegenseitige Befruchtung. Kunst hatte ja immer schon den Anspruch, gesellschaftsverändernd zu wirken.“ Und es tut sich etwas: „Ab 2012 wird der neue Studienzweig Social Design eingeführt“, informiert Gerald Bast, Rektor der Angewandten. „Hier geht es nicht um das Gestalten goldener Puderdosen, sondern die Lösungssuche für drängende gesellschaftliche Probleme von Überalterung über Mobilitätsprobleme bis zu ökologischen und interkulturellen Thematiken.“ Ein Hauptthema wird die Querverbindung zwischen sozialen, technischen oder stadtplanerischen Studienzweigen sein. „Die letzten fünf Jahre ist viel passiert, es war ein richtiger Hype. Aber der relevanteste Punkt ist die Bewusstseinsschaffung. Mit dem Designpreis möchten wir zum Umdenken anregen. Es geht um Müllvermeidung und – Second Hand ist einfach sexy. Die prognostizierte Rohstoffknappheit regt die Diskussion weiter an“, macht Holtkamp von der Recyclingbörse seine Position klar. Es ist wohl an der Zeit für Veränderung, schon Victor Papanek warnte: „Wenn wir unseren Besitz wie Müll behandeln, Produkte wechseln, bevor sie ausgedient haben, immer nach der neuesten Mode gehen, dann werden sich die Gegenstände in enormen Stückzahlen, wie sie durch die Massenproduktion möglich geworden sind, gegen uns wenden, als wären wir moderne Zauberlehrlinge.“ Schübbe streicht das Positive hervor: „Die höchste Stufe wäre natürlich das Cradle-to-Cradle-Prinzip, das vom Chemiker Michael Braungart entwickelt wurde. Aber solange wir keine Produkte haben, die sich am Ende aufessen lassen, wollen wir zu ihrer Lebenszeitverlängerung und zu einer CO2-Reduktion in der Atmosphäre beitragen.“ Die Sehnsucht nach einer besseren Welt lebt. Tausende Eisstiele aus Buchenholz, die aufgrund kleiner Fehler aussortiert wurden, sind das Material, aus dem Designer Arkadius Quittek seine kunstvollen Leuchten herstellt. 55 Ich weiß, wo Du bist Geobasierte Dienste erfreuen sich gerade größter Beliebtheit bei Usern – nur: Ohne Angebote kein Nutzen Text von Dagmar Lang Ortes. In den USA, wo ortsbezogene Dienste eingecheckt war, wird „Bürgermeister“ in Location Based Services. Was für ein bereits von vier Prozent der Amerikaner diesem Garmin-Store und kann ein sperriger, technischer Begriff. „Fourgenützt werden – sie sind zwischen 19 und Navigationsgerät gewinnen. Ob sich der square“ kann man fast nicht tippen. 35, männlich und weisen gute Schulbildung Und „GPS-basierte Geo-Dienste“ klingt Aufwand für 3.400 Foursquare-Nutzer in auf –, sind Firmen wie Starbucks schon Österreich bezahlt macht? „Garmin ist nun auch nicht wirklich sexy. Und denlängst marketingmäßig unterwegs, indem einmal ein sehr innnovatives Unternehmen, noch ist es – zumindest in den USA – sie für Empfehlungen, oftmaliges Einchedaher passen auch solche der volle Renner. Einfach die GPScken und Bekanntmachen der Standorte First-Mover-Aktionen“, ist Funktion im Handy aktivieren, sodass an andere Nutzer Rabatte, Freigetränke Matthies überzeugt. Wo bleider aktuelle Aufenthaltsort geortet oder andere Vergünstigungen gewähren. ben die anderen First-Mover? werden kann, und staunen, welche In Österreich sind derzeit wenig BestAngebote einem rundherum gemacht Würstelstandmajor werden. Hierzulande hat es sich Practice-Beispiele bekannt. Einer von Foursquare ist mit vier Millionen Usern schnell ausgestaunt, denn da gleicht ihnen ist Michael Vesely, der für weltweit einer der größten Locationdie Foursquare-Welt eher einer riesisein Lokal „Reisinger am SalzBased-Services-Anbieter – daneben gen leeren Halle mit Echohall. Keine gries“ Foursquare nutzt und Matthias Kimpl, PXP interactive gibt es noch andere wie Gowalla Shops, keine Anbieter, keine Promojedem, der bei ihm einservices & solutions: checkt, ein Getränk gratis oder Brightkite. Ihr Prinzip der Lotions. Die Marketer dieses Landes „Interessant für anbietet und für seinen kalisierungsdienste ist ziemlich ähnscheinen ortsbezogene Dienste noch alle Betriebe im Tourismus.“ „Bürgermeister“ einen Gutnicht für ihren Marketingplan entdeckt lich: Man lädt sich das Programm schein parat hält. Ottakringer auf sein Smartphone, das drei Signale zu haben. Doch halt! Seit wenigen hat alle Würstelstände, die ihr von drei GPS-Satelliten empfängt, somit Tagen gibt es sie wirklich on Air, eine Bier verkaufen, als Orte angelegt, wird das Handy „geortet“, und der Benutzer der ersten österreichweiten POS-Prosozusagen als ersten Schritt. kann sich einloggen. Dann werden „Orte in motions auf Foursquare, initiiert von Florian Matthies, Creative Director der der Nähe“ angezeigt, in die man sich einchecken kann. Bei Foursquare, das laut dem Horror vor Push-Angeboten Agentur Home – Digital Full Service, Mathias Kimpl, Senior-Stratege der PXP Social-Media-Experten Anton Kutscherauer für den Navigationsgerätehersteller interactive services & solutions, der seine (Loebell & Nordberg) eine Kernzielgruppe Garmin. Über den GeolokalisierungsKunden zu allen Aspekten des E-Commerce von 13 bis 25 Jahren aufweist, überwiegt dienst Foursquare wurden zu diesem berät, erklärt: „Ortsbezogene Dienste wären dann der spielerische Charakter. Man samZweck in den 15 größten Einkaufsim Prinzip seit vielen Jahren möglich gewemelt Punkte fürs Einchecken, das zentren Österreichs virtuelle sen. Die Mobilfunkbetreiber konnten ihre Anlegen neuer Orte und Badges „Garmin Stores“ als Venues Karl Kollmann, Kunden immer orten, doch sie haben sich als Auszeichnung für Akvititä(Orte) angelegt, in denen sich Arbeiterkammer: „Es muss diesen aus Gründen der möglichen Privatsphäre ten. Wer an einem Ort innerder Benutzer von Foursquare virtuellen roten Knopf dagegen entschieden.“ Kimpl sieht den halb eines Zeitraums am über sein Smartphone eingeben, mit dem man Marketingnutzen der ortsbezogenen Dienste meisten „eingecheckt“ war, ist checken kann. Wer am Samsalles wieder abdrehen kann.“ „Mayor“ (Bürgermeister) dieses in erster Linie für Gastronomie, Hotellerie, tag um 18 Uhr am öftesten Tourismusorte, Skigebiete und Tourismusregionen, die an der Verbreitung ihrer Locations interessiert sein müssen. Das gilt auch Sabine Hoffmann, für den stationären Handel, der mit Fourambuzzador: square und Co. regionale Angebote bewer„Zu wissen, wo der ben kann, meint Vera Steinhäuser, Head of Kunde sich aufhält, und ihn mit passenden Digital bei DDB Wien. „Die wichtigste Frage, Angeboten abzuholen, die sich ein Unternehmen stellen sollte, ist, hat schon was.“ welchen Mehrwert man dem Kunden passend zur Marke anbieten kann.“ Steinhäuser ist überzeugt, dass große Autofirmen oder die ÖBB durchaus eigene Plattformen ins 56 Bestseller 11|12 2010 SHUTTERSTOCK, PETER SVEC, STEFAN CSAKY, LUKAS BECK, KARL MICHALSKI, LOEBELL&NORDBERG, BRAIN INJECTION, OGILVY Frido Berger, Draft FCB: „Wir müssen aufpassen, dass wir den Kunden nicht auf den Keks gehen.“ Anton Kutscherauer, Loebell & Nordberg: „Digital Natives haben eine völlig andere Einstellung zum Thema Privatsphäre.“ Beratungsagentur. „90 Prozent Leben rufen können, wenn der Mehrwert meiner Studenten kennen für den Nutzer ein nachvollziehbarer und Foursquare nicht, auf Facebegehrter ist. Für Steinhäuser sind dabei book sind sie aber alle.“ zwei Dinge entscheidend: Opt-in- (der KunSeitens des Social-Mediade muss den Dienst aktivieren) statt OptNetzwerks wird noch vor dem Start in Ösout-Strategien (Kunde muss aktiv sagen, dass er den Dienst jetzt nicht will) und Pull- terreich ausdrücklich betont, dass Facebook statt Push-Lösungen. „Eine Horrorvision ist, das Thema Privatsphäre sehr ernstnimmt, eine echte „Opt-in“-Strategie fährt und in dass der Kunde an einem Geschäft vorbeigeht und eine SMS bekommt, er möge doch den Grundeinstellungen die „Orte, an denen man sich aufhält“ nur für Freunde sichtbar reinkommen, hier gäbe es gerade ein Sonsind, aber „natürlich lässt sich alles sperderangebot.“ (Steinhäuser) ren“, so versichert man seitens Facebook. Frido Berger, CEO der Draft FCB, geht Für Skibicki ist klar, dass Dienstleister, Gastnoch einen Schritt weiter. „Menschen verronomie und der Handel sich diese Chance halten sich im Netz völlig unterschiedlich. attentätern oder Scharfschützen werden.“ Das macht das Marketing auch so schwierig. „nicht entgehen lassen können“. Eine kosAber nicht nur im Krieg empfiehlt sich Vortenlose Pflichtübung sei es, die Standorte Ich sage daher zu unseren Kunden immer: als „Orte“ in allen bekannten Diensten einSchauen wir uns das gemeinsam an und lesicht. Arbeitnehmer, die im Krankenstand auf zugeben. Skibicki sieht in den ortsbezogegen nicht einfach drauf los.“ Berger setzt Facebook als Ort nen Diensten sogar eine Chance für kleine auf den gesunden Menschenverstand. Elisabeth „Strandcafé Alte Do„Durch die Omnipräsenz der Medien müssen Unternehmen wie Friseure. Pechmann, Ogilvy: „Potenzial nicht nach nau“ angeben, könwir stark aufpassen, dass wir den Men„Da kann man doch punktgenau die dem beurteilen, was nen sich schon auf schen nicht auf den Keks gehen.“ Auslastung steigern, indem man man zur Zeit sieht.“ die Entlassung durch Sabine Hoffmann, Geschäftsführerin mitteilt, dass in den nächsten den Dienstgeber vorder Agentur ambuzzador, sieht die zwei Stunden der Haarschnitt Prof. Klemens Skibicki: ortsbezogenen Dienste durchaus nur die Hälfte kostet.“ Für bereiten. Dr. Hans Tren„Riesenchance als „Marketingtool der Zukunft“: eigentümergeführte Betriebe ner, Leiter Serviceleistungen für lokale „Zu wissen, wo der Kunde sich aufwahrscheinlich sogar einfaAK Wien: „Arbeitsrechtlich ist es Dienstleister.“ das Gleiche, ob man im Krankenstand hält, und ihn mit einem passenden cher umzusetzen als für einen bei einer unerlaubten Tätigkeit geseAngebot abzuholen, das hat schon Filialisten. „Jede Aktion, die behen wird oder der Arbeitgeber über die sowas.“ Frido Berger sieht es etwas diffeworben wird, muss auch umgesetzt zialen Netzwerke, sei es jetzt Facebook oder renzierter: „Mehr denn je gilt werden, sonst ist die Frustration beim andere, mitbekommt, dass man sich unkorKunden groß“, meint der Marketingvordabei: Ich muss meinen Kunstand einer Bekleidungsfirma. „Also einfach rekt verhalten hat.“ Fälle, dass Arbeitnehden kennen. Ein Vegetarier mer im Krankenstand Fotos von wilden Fedrauflosstarten ist nicht.“ fängt mit Sonderangeboten ten auf Facebook posten, gäbe es genügend, für Burger nichts an.“ und sie gehen für den Arbeitnehmer meisIm Krankenstand im Strandcafe tens nicht gut aus. Trenners Kollege Karl Für die älteren Semester stellt sich im ZuHaarschnitt für die Hälfte Kollmann von der konsumentenpolitischen sammenhang mit Facebook Places auch die Für alle befragten Experten ist eines klar: Abteilung kriegt ob der Sorglosigkeit der BeFrage, ob man wirklich jedem mitteilen Der Start von Facebook Places, der in den nutzer überhaupt die Krise. „Es ist unglaubmöchte, wo man sich gerade aufhält, und, USA, Japan, Großbritannien, Kanada, Austlich, wie leichtsinnig die Leute sind“, sagt welche Gefahren sich daraus ergeben könnralien, der Schweiz, Frankreich, Italien und Kollmann, der sich dafür einsetzt, dass die zuletzt Deutschland schon erfolgt ist und in ten. Bild.de berichtet, dass das britische Verteidigungsministerium seine Soldaten ge- „aktive Deaktivierung aller dieser Dienste“ Österreich „bevorsteht“ (so ein Facebookgesetzlich verpflichtend ist. „Es muss dieSprecher), wird die Bedeutung der ortsbezo- warnt hat, diese Dienste zu nutzen: „Wer sen virtuellen roten Knopf geben, mit dem etwa im Einsatzgebiet seine aktuelle GPSgenen Dienste „revolutionieren“, meint man alles wieder abdrehen kann“, wünscht Position über das Internet verrate, könne etwa Klemens Skibicki, Kommunikationser sich. Große Unterstützung seitens schnell zum Anschlagsziel von Selbstmordwissenschaftler aus Köln und Inhaber einer Bestseller 11|12 2010 57 Foursquare-Anfänge im Selbstversuch der Bundesregierung spürt Kollmann im Augenblick nicht: „Da sind wohl jetzt gerade andere Themen im Fokus.“ Schluss mit Schwindeln Social-Media-Experte Anton Kutscherauer Vera Steinhäuser, DDB Wien: sieht diese Probleme „Welcher Mehrwert zwar auch, doch er passt zu meiner glaubt nicht an die Marke?“ Beeindruckbarkeit der „Digital Natives“ damit. Die jugendliche Zielgruppe, die mit dem Handy und mit Facebook aufgewachsen ist, hat eine völlig andere Einstellung zum Thema Privatsphäre. Doch selbst sie wird manchmal nachdenklich. Alexandra, 17, Schülerin aus München und seit 5. Oktober auf Facebook mit „Places“ unterwegs, beklagt als negative Begleiterscheinung, dass man „sich jetzt nicht mehr so leicht rausreden kann, wenn man jemanden nicht treffen möchte“, weil der „ja weiß, wo du bist“. Die berühmten „White Lies“. Aus die Maus. Dieser Aspekt könnte ein Punkt sein, weshalb die ortsbeFlorian Matthies, zogenen Dienste Home Digital Full Service: vielleicht doch „Erste österreichweite nicht so hypen POS-Promotion mit werden wie erwarvirtuellen Stores für Garmin.“ tet. Da Österreich in der digitalen Kommunikation der internationalen Entwicklung „extrem zurückliegt“ (Berger), wird die tatsächliche Entwicklung absehbar sein. „Wir diskutieren international schon den Einsatz der Location-based Services für die politische Kommunikation“, verblüfft Elisabeth Pechmann von Ogilvy. Und: „Man darf das Potenzial der ortsbezogenen Dienste nicht nach dem beurteilen, was man im Augenblick sieht oder erlebt. Da kommt noch sehr viel mehr.“ Na, warten wir’s ab. 58 Nach zwei, drei Gesprächen war mir klar: Wenn ich wirklich wissen will, was das alles bringt, dann muss ich es selber testen. Also einmal Foursquare am firmeneigenen Blackberry registriert und daheim gleich eingeschaltet. Das Donauzentrum ist nicht nur in Sehweite, sondern offensichtlich in GPS-Reichweite, denn mein FoursquareAccount fordert mich auf, mich doch dort einzuchecken. Nicht sehr authentisch von der Terrasse der Wohnung, aber bitte, doch recht bequem. Also jetzt geht ja wohl gleich die Post ab bei Wiens größtem Einkaufszentrum, das sich erst vor kurzem verdoppelt hat. Ich checke ein und erfahre, wer der Bürgermeister des Donauzentrums ist – da ich ihn nicht kenne, ist es mir doch eher egal. Also dann mal die Möglichkeiten aktivieren: „Friends“ – na kein Wunder, da ist keiner, hab ja auch keinen eingeladen. „Places“: Da kommen einige Donauzentrum-Shops, aber kein einziges cooles Angebot, nicht mal ein Espresso wird mir angeboten. Also dann mal „Tipps“: Die sind auch eher mäßig, denn dass es im Cineplexx Lokale gibt, in denen man gute Burger essen kann, weiss ich als Anrainerin schon lange. Gähn! Mehr ist da nicht? Schauplatz City: Mein Versuch, mich im Haas & Haas einzuchecken, scheitert an der Meldung, Schon eingecheckt, aber kaum dass ich schon eingecheckt Angebote – Dagmar Lang sei. Wie geht denn das? Im (Herausgeberin Bestseller) wagte den Foursquare-Selbstneu eröffneten Billa Corso versuch via Blackberry. Herrenhuterhaus versuche ich mein zweites Glück an diesem Tag, Pech gehabt, den gibt es als Venue noch nicht. Tage später erfahre ich dann, ich hätte ihn anlegen und zehn Punkte kassieren können … Irgendwas in mir wird ehrgeizig: In den „3 Hacken“ versuche ich am Abend nochmals mein Glück, bekomme wieder die Meldung, ich sei schon eingecheckt, und dann der große Absturz. Blackberry haucht das Leben aus, zumindest vorübergehend, aber hartnäckig, denn zehn Versuche, die Batterie zu entfernen und das Teil zu resetten, werden mit der Meldung „Sim ungültig“ abgestraft. Der Leiter der EDV-Abteilung versichert, das wäre ein ganz komischer Zufall gewesen, holt im A1 Shop eine neue SIM-Karte und gestattet mir, den Versuch, Foursquare zu testen, in München zu wiederholen. Schuhmanns Bar ist meine erste Location, und mein Check-in fällt zunächst einmal ins Wasser: „Your company network does not allow check in“, teilt mir mein Foursquare-Account in roten Lettern mit. Beim zweiten Versuch geht es dann doch, aber das Bild gleicht dem Wiener Szenario: Verweis auf andere Gaststätten in der Nähe, aber nicht das geringste Promotion-Angebot … In den „Fünf Höfen“ wird mir mitgeteilt, dass es „bei Vapiano coole Pizzen gibt“. Auf dem Weg zurück nach Wien erfahre ich, dass demnächst die erste österreichweite POS-Promotion auf Foursquare startet, na bitte, na endlich, also doch. Bestseller 11|12 2010 GERHARD SCHMOLKE, HOMEDIGITAL, LANG Zwischen München und Wien ist die digitale Welt noch leer walter braun Kommentar braun Verlangt das Web eine völlig neue Marketingdenke? Es mutet wie eine kleine Ewigkeit an, seit der „Information Highway“ heiß debattiert wurde. Das Web hat seither unser Leben beeinflusst wie nur wenige Entwicklungen. Die radikale Veränderung scheint die Marketingwelt in zwei Lager gespalten zu haben: auf der einen Seite „digitale Hitzköpfe“, die voller Überzeugung behaupten, traditionelles Marketing wäre überholt. Ihnen gegenüber die „Bewahrer“, die Online-Marketing immer noch für einen Feldversuch halten. Beide Seiten können gute Argumente ins Feld führen – was den Spannungszustand erklärt. Zumindest drei Konfliktbereiche sind auszumachen: . Branding hat nur einen einzigen Zweck: einer namenlosen Ware eine Identität zu verleihen, damit das Produkt aus der Masse der Angebote herausragt. Diese Markenpersönlichkeit attraktiv zu halten, verlangt laufendes Investment, um die Botschaft der Kernwerte zeitgemäß zu gestalten. Das Internet wirkt in gewissem Sinne in die entgegengesetzte Richtung: Bei dermaßen viel Chaos und Millionen Web-Sites möchten die Nutzer die Auswahl reduzieren. Sie erreichen das, indem sie sich an das Vertraute halten (falls Sie, liebe Leserin, werter Leser, ein täglicher Google-Nutzer sind: Wie oft haben Sie Bing ausprobiert?). Verbraucher im Web wollen sich nicht jeden Tag ein neues Interface antun, weshalb man sich an das Gewohnte hält. . Werbung in klassischen Medien hat den primären Zweck, das Image einer Marke durch einen fortlaufenden Erzählfaden lebendig zu halten. Digitale Medien tun genau das Gegenteil: Die lineare Erzählform wird in vielfache Betrachtungswinkel und einander überschneidende Erzählebenen aufgesplittert. Online will jeder seinen eigenen Senf dazugeben (weshalb alle Medien-Sites großzügig Platz für Kommentare einräumen). Über Nacht kann sich eine neue Idee wie ein Feuerbrand rund um die Welt ausbreiten, hinausgetwittert, gemailt, telefoniert etcetera. Völlig unvorherseh- und -kontrollierbar. Können Marken sich dieses Risiko leisten, indem sie ihre Werbung durchlässig für Verbraucher-Feedback machen? Fraglich. Der einzige Grund, w arum traditionelle TV- und Printwerbung immer noch funktioniert, ist schlicht ihre Vertrautheit. Aber ohne Kommunikation in den neuen Kanälen werden die alten Botschaften austrocknen. . Angesichts der überwältigenden Flut neuer Medien können die Menschen gar nicht anders, als abzuschalten. Den Werbedruck zu erhöhen, kann da wenig bewirken. Einfach aus Prinzip „schrill“ zu werden, bloß um Aufmerksamkeit zu erzwingen, ist riskant (und, wenn alle es tun, ein garantierter Flop). Werbung als überwältigendes Massenphänomen ist ein Ärgernis, kein Ereignis. Irgendwelche Belanglosigkeiten als „bedeutend“ aufzublasen, verstimmt bloß die Empfänger der Botschaft. Bleibt nur ein Ausweg: den Konsumenten einen ehrlichen Gegenwert für die investierte Aufmerksamkeit zu bieten, sei es brilliante Unterhaltung, ein Erlebnis von Schönheit oder eine ethische Botschaft. Bestseller 11|12 2010 Aus einer globaleren Perspektive betrachtet, verursachen digitale Medien eine tiefgreifende Wirkung, die traditionelle Medien nicht erzielen können. Fernsehen, Zeitungen, Radio haben ihren Platz in unserer alltäglichen Umgebung und werden bevorzugt an gewohnten Orten konsumiert. Die neuen Medien dagegen dringen in unser Leben aus vielen Richtungen ein und schaffen „Das Internet wird die Kunst der Vermarktung sicher gravierend beeinflussen, aber zur Zeit befinden sich Branding und Marketing noch in einem Übergangsstadium.“ eine zusätzliche, ortlose Dimension, die nser Realitätsempfinden beeinflusst. u Ob diese medial vermittelte Wirklichkeit unsere Wahrnehmung bereichert oder eher verarmen lässt, ist derzeit noch offen. Das Internet wird die Kunst der Vermarktung (inklusive Vertrieb) sicher gravierend beeinflussen – aber zur Zeit befinden sich Branding und Marketing noch in einem Übergangsstadium. Der verlässlichste Weg scheint zu sein, alles Künstliche und Aufgesetzte doppelt kritisch zu beäugen. Relevanz und Glaubwürdigkeit von Marken sowie eine wahrnehmbare Unterschiedenheit werden weiterhin die Lichtpunkte sein, an denen sich Verbraucher orientieren. Daran wird keine Medienrevolution etwas ändern. Walter Braun ist unabhängiger Journalist und lebt in Großbritannien. 59 Jetzt menschelt‘s in den Online-Shops Einkaufserlebenis. Wenn es auch gerade in der Vorweihnachtszeit etwas nerven mag: Einkaufen ist dennoch eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der Österreicher. Auch online – wie eine bei der KMU Forschung Austria des Handelsverbandes in Auftrag gegebene Studie belegt: Das Web ist im Distanzhandel bereits die dominierende Bestellplattform. Um mit dem stationären Handel in Sachen Einkaufserlebnis mithalten zu können, fehlt den Online-Shops aber etwas Wesentliches: Da kann man sich kaum mit der Freundin über das pinke Top unterhalten. Da geht es nicht, mit dem Vater über den neuesten Laptop zu plaudern, und auch die Vorzüge des neuesten Mountainbike-Modells kann man mit den Radclubkollegen nicht so leicht teilen. Sprich: Beim Shoppen im Web fehlt das Persön liche. Fehlte, müsste man genauer sagen. Denn das Web 2.0 macht auch nicht vor dem E-Commerce halt. Web 2.0 bedeutet ja nichts anderes, als zwischenmenschliche Beziehungen durch die moderne Technologie zu pflegen. Warum sollte dies nicht auch beim Shoppen gehen? Es ist möglich – und geistert als „Social Commerce“ als neuer Megatrend durch die Fachmagazine und Publikumsgazetten. Eigentlich ungerechtfertigt, wie Stefan Mumelter, Geschäftsführer des Österreichischen Handelsverbandes, findet: „Social Commerce ist nicht besonders neu.“ Erste Gehversuche von Social Commerce gab es bereits Mitte der 90er-Jahre: Mit Hilfe von Datamining kann Amazon einem Kunden, der ein 60 bestimmtes Produkt gekauft hat, andere Produkte, die ihn vielleicht interessieren, vorschlagen. Dort heißt es dann: Kunden, die dies gekauft haben, haben auch das gekauft. Die gegenseitige Bewertung von Käufer und Verkäufer bei der Versteigerungsplattform eBay ist ebenfalls nichts anderes als Social Commerce. Kunden und die persönliche Beziehung sowie die Kommunikation der Kunden untereinander im Vordergrund stehen.“ Social Commerce geht also weit über Facebook & Co. hinaus. „Kundenbewertungen oder Wunschlisten stellen genauso Interaktionswerkzeuge dar wie Empfehlungssysteme“, betont Hotz. Social Commerce zeigt viele Gesichter Mittlerweile hat sich die Formenvielfalt von Social Commerce exponentiell erhöht – und damit das Online-Shopping „menschlicher“ gemacht. Doch was versteht man unter Social Commerce nun eigentlich genau? Adrian Hotz, Projektleiter beim E-Commerce-Center Handel am Institut für Handelsforschung in Köln, beschäftigt sich schon seit mehreren Jahren intensiv mit Social Media und Multi-Channel-Management – ein ausgemachter Social-Commerce-Experte also. Er definiert das Trendwort folgendermaßen: „Social Commerce bezeichnet eine konkrete Ausprägung des elektronischen Handels, bei der die aktive Beteiligung der Kunde als Stilberater Alles klar – aber wie funktioniert das alles in der Praxis? Einige Anwendungsbeispiele bringen Licht in die Sache: Smatch.com etwa gilt im deutschsprachigen Raum als Vorzeigeplattform in Sachen Social Commerce. Sie wird von der Hamburger shopping24 GmbH betrieben. Die Tochtergesellschaft der Otto Gruppe hat sich als Produktsuche für die Segmente Mode, Wohnen und Lifestyle positioniert – mit einem Angebot von etwa 1,5 Millionen verschiedener Produkte. Diesen Warenberg organisiert sie nicht selber – vielmehr nutzen derzeit etwa 600 Partnershops smatch.com als Plattform, um ihre Produkte online anzubieten. Bestseller 11|12 2010 Yuri Arcurs /Fotolia „Social Commerce“, lautet der Megatrend im E-Commerce: User wollen im Web 2.0 nicht nur ihre Beziehungen pflegen, sondern auch das Einkaufserlebnis teilen. Text von Rainer Seebacher In-Video-Ads in exklusiven Sport-Videos*: O p e n f o r n e w „ B o o K i n g s “! www.laola1.tv * T V-Spot s , O p ener, O v e r l a y - S p o t s , I n - Vi d e o -A d s zu F u ß b a ll, Prim e ra D i v i si ón, E u r o p a L e a g u e , C h a mp i o n s L e a g u e , Ö s t errei chi scher B u n d e s l i g a , E i s h o c k e y, L i v e F u ß b a ll, L iv e Vol l ey b al l , u . v. m. K o n ta k t: M a g . (F H ) P h ilip p A ppel t E ma il: p h ilip p .a p p el t@l aol a1. at Te le fo n : 0 1 /2 5 6 3 1 4 1 5 17 62 Bestseller 11|12 2010 Geizhals/Kunrath.com, Institut für handelsforschung Köln, Shopping 24.de Smatch.com kann so völlig unabhängig agieren und kassiert für jeden User, den sie in den Webshop der Partnerhändler bringt. Viel interessanter ist freilich das, was der Konsument zu Gesicht bekommt: einen Style-Editor etwa. Dort können registrierte User aus dem riesigen Angebot von Smatch verschiedenste Produkte zu einer Stil„Soziale Beziehungen haben beim „Wer im Internet verkaufen will, „Wir sehen Facebook nicht als Shopping seit jeher eine Rolle gekann sich der Interaktion mit der Konkurrenz an – noch nicht.“ welt kombinieren. So wie etwa Userin spielt.“ Björn Schäfers, smatch.com Zielgruppe nicht entziehen.“ Vera Pesata, Geizhals.at „mizzzSarah“ ihr „Rock Chick“-Outfit Adrian Hotz, Institut für Handels zusammengestellt hat – angefangen forschung, Köln von der schwarzen Lederjacke bis hin zum knallroten Lippenstift. Andere Währungen in Facebook Fuß fassen und vor Drücken geht nicht Kunden können das Modekombinat allem für kleine Transaktionen innerhalb des Sich jedoch als Online-Händler nur sporabewerten – oder weiterempfehlen. eigenen Freundeskreises genutzt werden. disch mit Social Media zu befassen, wird in Darüber hinaus können sich die BesuZukunft nicht mehr möglich sein. Für Han- „Es wird unglaublich einfach sein, Freunden cher von smatch.com ganz generell Geld innerhalb des Netzwerkes zu überweidelsexperte Hotz ist Social Commerce oder über die neusten Shoppingtrends aussen“, glaubt der Experte. Mit derzeit über nicht auch kein „ob“, sondern vielmehr ein tauschen. Smatch.com-Geschäftsfüheiner halben Milliarde Mitgliedern werde rer Björn Schäfers: „Durch Empfehlun- „wie viel“. Denn: „Wer im Internet verkausich diese Währung schnell global verbreifen will, kann sich der Interaktion mit der gen aus dem eigenen Freundes- und ten. Aber: „Das bedeutet nicht zwangsläufig, eigenen Zielgruppe nicht entziehen.“ Der Bekanntenkreis werden Produkte im Shop-Betreiber sollte sich also viel lieber da- dass auch der Handel komplett in Facebook Netz vermarktet, daraus können eine abgewickelt wird.“ Denn ob Facebook ein mit auseinandersetzen, ob er lediglich eine höhere Kaufwahrscheinlichkeit und Ort ist, wo zwischenmenschliche Beziehungeringere Retourenquoten resultieren.“ Kundenbewertung oder einen Blog einsetzen oder auch die Kraft der Social Networks gen gepflegt werden, oder ob dort auch Er ist überzeugt davon, dass sich Online-Händler nicht vor Social Commer- wie etwa Facebook für seine Zwecke nutzen eingekauft wird, würde letztendlich alleine der Nutzer entschieden, so Hotz. Nach will. Hotz: „Letzteres stellt für Händler ce drücken können, denn: „Soziale E-Commerce kommt also nun F-Commerce. mit zwölf Millionen Mitgliedern alleine in Beziehungen haben beim Shopping Deutschland ein unglaublich attraktives seit jeher eine Rolle gespielt.“ Händler lieben Bewertungen Instrument dar, welches sowohl für KunDoch wie sehen das die Online-Shoppingdenbindung und -service, aber auch zur Stationärer Handel im Web 2.0 Anbieter selbst? Vera Pesata vom in ÖsterNeukundenakquise genutzt werden kann.“ Handelsverband-Chef Mumelter geht reich gegründeten und mittlerweile inter Einige Online-Shops haben das schon noch einen Schritt weiter: „Social national tätigen Preisvergleichsdienst beherzigt, etwa Frontlineshop.com (apps. Commerce betrifft auch den stationäGeizhals.at wiegelt ab: „Wir sehen Facefacebook.com/frontlineshop) oder Butlers ren Handel, weil sich die Konsumenbook nicht als Konkurrenz an.“ Sie schießt (apps.facebook.com/deko_shopping). ten auch über den stationären Handel aber ein „Zumindest noch nicht“ nach. Sie haben ihre Online-Shops mithilfe einer auf Web-2.0-Plattformen wie etwa Geizhals selbst hält sich (noch) auf Distanz Softwarelösung von Smatch.com in FaceFacebook austauschen.“ Ein Beispiel, zu Social Networks. „Wir lehnen eine enge, book integriert. Schäfers: „Wir haben sehr wie man den stationären Handel mit nur auf Facebook & Co. basierende Definitipositive R esonanz erhalten.“ Bereits zehn dem Web 2.0 verbindet, lieferte Diesel on von Social Commerce ab“, meint Pesata. weitere Händler sind dem Beispiel der in Spanien: In ausgewählten Shops beiden gefolgt – darunter auch große Player Social Commerce sei nichts anderes als eine war die so genannte „Diesel Cam“ in besondere Form der Kaufentscheidungsbewie der Schuhanbieter Zalando oder der stalliert: Kunden konnten sich selbst einflussung im Web, in die Meinungen und Sportartikelhersteller Dakine. in den anprobierten Textilien knipsen, Erfahrungen von vielen anderen Internetdie Fotos in ihrem eigenen Facebooknutzern einfließen würden. Die Plattform Kommt F-Commerce? Profil posten und damit vor dem Kauf selbst bietet ein Forum, in dem sich Kunden mit den Web-2.0-Freunden diskutieren. Laut Schäfers werde es mittelfristig auch möglich sein, den gesamten Verkaufsprozess austauschen können – und auch eine MögMit vergleichsweise geringen Kosten lichkeit, Produkte und Händler zu bewerten. konnte Diesel so enorm viel Aufmerk- – also auch die Zahlung – auf Facebook abVor der Zeugnisverteilung durch den Kunzubilden. Laut Hotz wären die Grundlagen samkeit – gerade bei jungen Leuten – den fürchten sich die auf Geizhals gelisteten für eine komplette Integration des Prozesses auf sich ziehen. Händler nicht, wie Pesata betont. „Wir bereits heute verfügbar: „Facebook hat bieten Produkt- und Händlerbewertungen mit Facebook Credits bereits eine eigene seit sechs Jahren an, und der Großteil der Währung entwickelt und kooperiert mit Händler sieht das sehr positiv, da die BewerAnbietern wie PayPal oder Clickandbuy.“ tungen ein starkes Distinktionsmerkmal Hotz rechnet damit, dass diese virtuellen CASA DEL VINO bekocht internationale Stars Das Catering-Team von Nina Kapun konnte 2010 viele ganz besondere Gäste von seinem Top-Service begeistern und verrät deren Lieblingsgerichte. S eit 2006 begleitet das Gastronomie-Unternehmen aus Wiener Neustadt den Musikantenstadl weltweit mit der sogenannten CASA DEL VINO-„Stadlwirtschaft“. Dabei zählten – neben Moderator Andy Borg – schon zahlreiche Schlagerstars wie Hansi Hinterseer, Heino, DJ Ötzi, die „Flippers“, aber auch internationale Größen wie Larry Hagman und, zuletzt bei seinem Auftritt in Salzburg, auch David Hasselhoff zu den begeisterten Gästen. Jürgen Steinbrecher mit dem Rennstallbesitzer und Weinfreak Paul Stoddart, der sich vom Kaiserschmarrn ernähren könnte. Seppi Eigensperger, Geschäftsführer von ip-media und Veranstalter des Musikantenstadls und der Starnacht, Karl Schranz, Norbert Rier von den Kastelruther Spatzen und der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter beim Stadl in Innsbruck. Als VIP-Caterer bei der „Starnacht“ aus Interlaken erfreute CASA DEL VINO sowohl die Schweizer Lieblinge Monique und Francine Jordi als auch Al Bano Carrisi, Lou Bega und die Kultband „Boney M.“. Aber auch im Sportbereich ist CASA DEL VINO intensiv tätig. Im Fußballstadion des SC MAGNA WIENER NEUSTADT werden die VIP-Gäste, darunter Sportlegenden wie Franz Hasil, Herbert Prohaska, Hans Krankl, aber auch Peter Schöttl, Manfred „Mani“ Czak und der Hausherr selbst, Frank Stronach, regelmäßig bekocht. Im VIP-Zelt bei der „62. Österreich Radrundfahrt 2010“ erfreute CASA DEL VINO täglich an einem anderen Etappen-Ziel zahlreiche internationale Radsport-Giganten. Darunter auch der diesjährige Sieger, der Italiener Riccardo Ricco, und Österreichs Ex-Radprofi Gerhard Zadrobilek. bezahlte anzeige Für die CASA DEL VINO-Küche verantwortlich ist Jürgen Steinbrecher, der es durch seine Leidenschaft für den Motorsport sogar geschafft hat, das Catering für das MINARDI TEAM USA und seinen Besitzer, Paul Stoddart, bei den Champ Car Races in Europa, Kanada und Mexico zu übernehmen. In seinem Team fährt auch der ehemalige österreichische Formel-1-Pilot Patrick Friesacher. Mit den Teams von Ferrari und BMW in der „Le Mans Series“ begann die Zusammenarbeit im Frühjahr 2010 bei den 24-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps, Le Mans und am Nürburgring. CASA DEL VINO – Restaurant-Catering-Weine A-2700 Wiener Neustadt, Stadionstraße 34 Tel./Fax: 02622/85555, E-Mail: [email protected] Harald Serafin überlässt die Menüauswahl immer seiner „Mausi“. Die erfolgreichen Schlagerstars „The Flippers“ lieben die bodenständige Klassiker wie „Alt-Wiener Krautfleckerl“. Ex-Formel-1-Fahrer Patrick Friesacher „kostet alles, aber denkt immer ans ideale ‚Leicht gewicht‘ fürs Cockpit“, meinen Nina Kapun und Jürgen Steinbrecher. Heino steht auf Leberkäse, den er durch seine österreichische Gattin, Hannelore, kennen- und lieben gelernt hat. Der Ex-Rad-Profi Gerhard Zadrobilek – selbst Züchter der seltenen Wagyu-Rinder – ernährt sich noch immer sehr gesundheitsbewusst. Andy Borg wünscht sich auch im Ausland immer eine Wurstsemmel mit Wiener Wurst zur Erinnerung an seine Kindheit in Wien. Ivica Vastic genoss das CASA DEL VINO-Buffet bei der SPORT ART-GALA des Puchberger Künstlers VOKA und seiner Gattin Petra Vogl. neben dem Preis ist.“ Ja, ja, der Preis. Der wird als Unterscheidungsmerkmal im Online-Handel überhaupt ein wenig überbewertet. Was allerdings nur allzu logisch ist: Denn im Web gibt es keine Unterscheidungsfaktoren wie Lage, Öffnungszeiten, Einrichtung oder Verkaufspersonal, die Entscheidungen im stationären Handel stark beeinflussen. Und deshalb fokussieren oft auch die Händler selbst auf den Preis, mit dem sie sich voneinander abheben wollen. Shoppen im Club Der Online-Shopping-Club Brands4Friends wirbt ebenfalls mit Rabatten, die er in kurzen Aktionszeiträumen auf Markenprodukte einräumt. Zu Brands4Friends hat aber nicht jeder sofort Zutritt – man muss entweder von einem Mitglied vorgeschlagen werden oder eine Begründung angeben, warum man mit dabeisein will. Einmal im Club aufgenommen, bekommt man fast täglich ein E-Mail, in dem die Verkaufsaktionen angeteasert werden. Ein erfolgreiches Geschäftsmodell: Derzeit zählt Brands4Friends 3,5 Millionen registrierte Mitglieder – etwa 150.000 davon kommen aus Österreich. Christopher Maaß, Marketing schengeschäft zeitgleich auftauchen und behaupten, dass ein spezielles Modell aus diesem oder jenem Grund „schlecht“ ist, dann steigt der Stresspegel beim Verkaufspersonal. Das ist online nicht anders: außer dass sich die Konsumenten leichter „zusammenrotten“ können, weil sie dies dank der Web-2.0-Plattformen unabhängig von Zeit und Ort tun können. Maaß, Brands4Friends: „In der heutigen Zeit ist es sinnlos, sich gegen Social Commerce aufzulehnen oder der Tatsache verängstigt ins Auge zu blicken.“ Ziel sei es, die Dinge als Chance zu sehen und aus Kundenrückmeldungen zu lernen. Würde Brands4Friends etwa ein bestimmtes Produkt zu einem höheren UVP anbieten, als dies andere Online-Shops tun, dann dient die Meldung des Kunden als Warnung. „Sein Hinweis bietet uns die Chance, in erneuten Kontakt zur Marke zu treten und mögliche Fehler unserer oder der Gegenseite zu korrigieren“, betont Maaß. Und wenn es der Kunde nicht gut meint und nach der Strategie „Geld zurück oder Facebook“ agiert? Hier bringt der HandelsverbandsMächtiger Kunde Chef Mumelter das eigene Gütezeichen Wenn sich aber Kunden untereinander austauschen, dann bekommen sie mehr Macht. „E-Commerce-Quality“ ins Treffen, das man schon vor zehn Jahren eingeführt hat. Wenn vier Kundinnen in einem Handta- Director von Brands4Friends, betont: „Der Kunde kauft dort, wo er sich wohl fühlt.“ Dies gelte auch für den Online-Handel. „Auch dort ist Emotionalität mit einer attraktiven emotionalen Markenwelt und einer Atmosphäre, in der sich der Kunde wohl fühlt, unverzichtbar.“ Aber auch die Kaufsicherheit und die Kundenbetreuung wären online wichtige Punkte. Ebenso wie die Interaktionsmöglichkeiten: So können Mitglieder ihre gekauften Produkte sowie laufende Verkaufsaktionen den Freunden via Facebook, Mail oder auch StudiVZ weiterempfehlen. Das Online-Magazin dient nicht nur zur Bewerbung von Sales-Kampagnen, sondern auch als Feedback-Kanal für Kundenmeinungen. Maaß generell: „Social Commerce sehen wir nicht nur eng mit Facebook und anderen Social Communities verwoben, sondern vielmehr in der ganzheitlichen Unternehmenskommunikation eines E-Commerce-Unternehmen zu seinen Kunden und der Kunden untereinander.“ Gruppenerlebnis. Social Commerce hat viele Gesichter: Der Shoppingclub Brands4Friends erlaubt nur Mitgliedern Zutritt. Der OnlineShop Frontlineshop hat sein Web-Geschäft bereits in Facebook integriert. Auf smatch.com können User eigene Styles kreieren und mit dem Web-2.0-Freundeskreis darüber diskutieren. „Das Gütezeichen verhindert, dass der Konsument unfair behandelt wird, und gibt gleichzeitig dem Online-Händler die Sicherheit, dass er korrekt gehandelt hat.“ Damit sei der Händler gegen ein unfaires Feedback des Kunden gewappnet. Ignorieren ist gefährlich Durch das Web 2.0 ist der Kunde allerdings schon mächtiger denn je, so Handelsexperte Hotz. „Eine Gefahr ergibt sich jedoch nur dann, wenn nicht auf die Meinung der Kunden reagiert wird.“ Nur Händler, die ihren Kunden zuhören und auf Anforderungen eingehen, werden nachhaltig erfolgreich sein. Doch wie weit geht dieses Eingehen auf Kundenwünsche? Bestimmt dann der Kunde letztendlich, was der Online-Händler anzubieten hat? Werden die Einkäufer des Handels in Zukunft entmündigt? „Das Sortiment bestimmt der Händler schon noch selbst“, wiegelt smatch.com-Chef Schäfers ab. Der wachsende Einfluss des Kunden wachse freilich, was aber nicht unbedingt schlecht für den Anbieter sei. „Dadurch bekommt der Händler direktes Feedback.“ Schlechte Produkte können so schneller aus dem Sortiment ausgesondert werden und gute sich schneller durchsetzen. Doch dies kann noch weiter gehen: Bei Tchibo können Konsumenten Wünsche, Aufgaben, aber auch Lösungen vorschlagen, die dann von der dortigen Community bewertet werden. Erfinder und Designer nehmen sich der Vorschläge an und entwickeln eine Lösung – die man dann beim Tschibo kaufen kann: BEST OF CHRISTMAS 10. Dez. '10 halle D HOLIDAY ON ICE „Tropicana“ 13. - 30. Jän. '11 halle D Ticketpartner: So hat etwa das Tchibo-Ideas-Mitglied Jasmin Wollesen ein Fingergolf-Set entwickelt, mit denen Golfer ihre Feinmotorik trainieren können. Designerin Kristine Brückner wiederum entwickelte eine Trinkflasche samt Geheimfach für Schlüssel, Uhr und Co. Mit der Flasche muss man sich im Fitnessstudio keine Sorgen mehr um die Wertsachen machen. Die Ausprägungen von Social Commerce sind also überaus vielfältig. Einen neuen Impuls bekommt das Thema gerade durch ortsbezogene Social Networks wie Foursquare oder Gowalla. Denn damit kann man sich nicht nur darüber austauschen, was man kauft oder kaufen soll, sondern weiß auch, wo die Web-2.0-Freunde einkaufen. Doch das ist eine andere Geschichte. POCAHONTAS Das Familienmusical 12. + 13. März '11 halle F MASTERS OF DIRT 2011 12. - 13. März '11 halle D Philip Ginthör „Heute müssen auch große Unternehmen in der Lage sein, Dinge auszuprobieren und eine Vielzahl an Wegen gleichzeitig zu beschreiten.“ Fotografiert von Karl Michalski 66 Bestseller 11|12 2010 Umarmt das Problem! Philip Ginthör, Geschäftsführer von Sony Music Entertainment in Ö sterreich, sitzt in der Jury bei „Helden von Morgen“. Im Bestseller-Interview spricht er über die digitalen Lektionen der Musikindustrie und sein erstes Groupie. Interview von Sebastian Loudon Bestseller Sie sitzen derzeit jeden Freitag in der Jury von „Helden von Morgen“ vor einigen hunderttausend Zusehern. Um Österreichs Antwort auf Dieter Bohlen zu sein, sind sie eindeutig zu nett … Philip Ginthör (lacht) Dass ich Österreichs Dieter Bohlen werde, kann ja wohl niemand ernsthaft geglaubt haben. Ich repräsentiere bei der Show die Stimme des Musikmarkts, und als solche muss ich natürlich streng sein, nämlich besonders dann, wenn es um die musikalische Qualität geht. tellenwert bekommt, dass sie an einem Freitagabend S im Hauptabendprogramm über zwei Stunden lang die Menschen beschäftigt. Das ist sehr wichtig für die gesamte Musikindustrie. Welche Verantwortung verspüren Sie gegenüber jungen Menschen, die sich auf das Abenteuer Castingshow Warum machen Sie das eigentlich? einlassen? Ginthör Ich habe in den vergangenen Jahren in DeutschGinthör Unsere Verantwortung als Label beginnt erst geland sehr viel mit Castingshows zu tun gehabt – Sony nau in jenem Moment, in dem der Sieger feststeht. Was ist dort ja für „Deutschland sucht den Superstar“ und davor passiert, ist Sache des Fernsehsenders, und der das „Supertalent“ mitverantwortlich. Als ich 2009 nach ORF legt sehr viel Wert auf die Betreuung der KandidaWien kam, suchte ich das Gespräch mit dem ORF. ten. Dazu muss man sagen: Diese Kids sind sehr smart Damals war noch gar nicht einmal klar, wie die neue – da ist niemand, der nicht weiß, wie ihm geschieht und Show heißen wird. Irgendwann kam dann die Frage, ob wie er die Show für sich nutzen kann. Grundsätzlich ich selbst als Jurymitglied dabeisein will. Zuerst war ich gilt: Wenn wir uns für einen Künstler entscheiden, besehr zurückhaltend, dann habe ich mir gedacht: Was kommt er das absolute Versprechen, dass wir uns für soll‘s? Talente zu finden, ist immerhin Chefsache. ihn einsetzen und dass er professionell beraten wird. Alles andere wäre Wahnsinn, schließlich ist die BezieUnd, gab‘s schon Drohanrufe oder Liebesbriefe? hung zum Künstler unser wichtigstes Asset! Ginthör Drohbriefe blieben bis jetzt aus, Liebesbriefe auch, und damit kann ich bestens leben. Nur von einer ä lteren Sie sind seit zehn Jahren im Musikbusiness, das Dame habe ich einen sehr lieben Brief gemeinhin als erstes Opfer der Digitalisierung bekommen. bezeichnet wird … Philip Ginthör, Wiener mit Jahrgang 1975, Ginthör Ich denke nicht, dass wir ein Opfer der DigitaliQuotenmäßig verlief die Sendung ist Jurist, studierte ebenso in Harvard und sierung sind, und auch nicht, dass wir sie verschlafen habislang unter den Erwartungen. Fontainebleau und arbeitet seit 2005 bei Sony. ben. Ich sehe es lieber so: Wir sind als Erster aufgewacht Lohnt sich das Engagement für Sony? Im September 2009 übernahm er die Geschäftsund haben gelernt, sie für uns zu nutzen. Aber, ja: Bis Ginthör Auf jeden Fall dann, wenn wir führung von Sony Music Entertainment Austria, dahin gab es blutige Lektionen. Heute ist der digitale Verein Talent finden, das es wirklich zusätzlich ist er im Board für die D-A-CH- triebsweg in seinem Stellenwert absolut gleichwertig zum schafft, mit seiner Musik viele MenRegion. Vor seinem Engagement bei Sony war physischen, wobei der digitale Markt zwischen 25 und 30 schen zu begeistern und dementspreGinthör für die Bertelsmann AG in New York chend kommerziell erfolgreich zu sein. Prozent jedes Jahr zulegt. Unsere Zukunft ist ganz sicher als Director für Corporate Development tätig. digital, das fällt bei uns heute nicht mehr in den Bereich Aber natürlich wird die Sendung mit Seinen Berufseinstieg erlebte er in verschie „Strategie“, sondern ist schlicht Tagesgeschäft. dem Anspruch gemacht, möglichst denen Funktionen für den Condé Nast Verlag viele Menschen zu erreichen, daher Bei welchem Anteil wird das physische Restgeschäft zum in München, London und Moskau. Ginthör ist ist die Quote absolut ausschlaggebend. Liegen kommen? Der Musikmanager verheiratet und hat drei Kinder. Man wird den Eindruck nicht los, astingshows werden zu einem C zentralen Vehikel der Talentsuche … Ginthör Keineswegs! Die Talentsuche ist ein riesiges Feld, und wir arbeiten beispielsweise noch immer mit ganz klassischen Talentscouts, die sich in den Clubs oder im Internet umsehen. Castingshows sind da nur ein kleiner Ausschnitt, wenn auch ein unterhaltsamer. Das Schönste an ihnen ist ja, dass die Musik wieder so einen Bestseller 11|12 2010 Ginthör Schwer zu sagen: Derzeit machen wir immer noch zwischen 80 und 85 Prozent unseres Geschäfts mit physischen Produkten. Das wird zwar noch deutlich zurückgehen, aber letztlich immer ein wichtiger Markt bleiben. In den USA ist bereits die Hälfte des Marktes digital, dafür nimmt der Umsatz über iTunes schon wieder leicht ab. Der digitale Verkauf hat seinen Zenith dort schon überschritten. Jetzt kommen mit einer ungeheuren Geschwindigkeit neue Modelle ins 67 Spiel. Streaming-Angebote sind derzeit das Heißeste in der Welt der Musikdistribution. Ein Beispiel, bitte? Ginthör Eine echte Erfolgsgeschichte momentan ist spotify aus Schweden, Sony ist mittlerweile daran beteiligt. Jeder vierte Schwede ist schon registriert, in Deutschland und Österreich ist es noch nicht verfügbar. Auf spotify kann man sich jegliche Musik anhören, zu Playlists zusammenstellen, seinen Freunden in Social Networks empfehlen und das alles, ohne die Musik kaufen und herunterladen zu müssen. So wird Reichweite aufgebaut, die erstens werblich genutzt wird und zweitens die Basis für Premium-Angebote bildet. Für zehn Euro im Monat kann man die Musik auch hören, wenn man unterwegs ist oder gerade nicht im Internet hängt. Und das ist ein Geschäftsmodell? Ginthör Man muss es gesehen haben. Die Idee ist, den Menschen einen außergewöhnlich benutzerfreundlichen und guten Zugang zu bieten. Wenn das erst einmal gelungen ist, lässt sich vieles darauf aufbauen. Das Freemium-Modell also, das auch viele Verlage pro bieren. Das Basisangebot kostenlos, die zusätzlichen Services nur gegen Bezahlung … Ginthör Ganz genau! Informationen sind ja inzwischen genauso zu einer Commodity geworden wie Musik. Was zählt, ist die benutzerfreundliche Zur-Verfügung-Stellung und Präsentation von Inhalten. Diese Entwicklung treiben heute die Technologiefirmen wie Apple voran. Dieses userzentrierte Denken ist das Einzige, was einen in der modernen Welt weiterbringen kann. Und dazu noch Offenheit, Transparenz und R isikobereitschaft. Heute müssen auch große Unternehmen in der Lage sein, Dinge auszuprobieren und eine Vielzahl an Wegen gleichzeitig zu beschreiten. Verkaufs- und Marketingstrategien von der Chefetage aus durchzusetzen, das funktioniert heute immer weniger. Ist das auch ihr Tipp für die Medienindustrie? Ginthör Mein ganz großer Appell an jedes Unternehmen, das die Digitalisierung seines Geschäfts durchschreitet, lautet: Umarme das Problem und laufe dieser Entwicklung entgegen. Die Musikindustrie hat lange geglaubt, sie kann die digitale Verbreitung verhindern, anstatt sich gleich für legale Download-Möglichkeiten stark zu machen. Wir waren Ende der neunziger Jahre noch so besoffen vom „Wer heute alles wahrnimmt, was ihm angeboten wird, kommt aus dem Konsumieren nicht mehr heraus. Deshalb ist das wichtigste Wort, das ein junger Mensch heute lernen muss, ‚Nein‘.“ Philip Ginthör, Sony Music Entertainment Austria Labelvisite. Philip Ginthör im Gespräch mit Sebastian Loudon. rfolg der CD, dass die DigitalisieE rung komplett unterschätzt wurde. Jeder Anbieter von medialen Inhalten muss Plattformen unterstützen, die es dem Kunden einfach machen, diese Inhalte auch zu konsumieren. Dazu muss man sich von der ausschließlichen Herangehensweise „Ich habe exklusive Inhalte, und die gebe ich nur gegen Bezahlung her“ lösen. Stattdessen sollte man dem Reichweiten-Prinzip folgen und daraus dann neue Umsätze generieren – letztlich ist das eine Form der Umwegrentabilität. Das heißt aber, das Geschäft wird immer fragmentierter … Ginthör Das kann man wohl sagen! 1997 gab es von einem Celine-DionAlbum vier verschiedene Produktkonfigurationen: das normale Album, ein Premium-Album und zwei Single-Auskoppelungen. Von diesem Album wurden damals etwa 10 Millionen Stück weltweit verkauft. Und heute? Das letzte Album von Beyoncé hat weltweit über 300 Produktkonfigurationen – vom Album über Einzeldownloads bis zu Ringtones, Videos, Remixes und so weiter. Und trotzdem gehen die Gesamtumsätze zurück. Letztlich kommt genau diese Entwicklung auf jeden Medienkonzern zu. Wir haben früher alle sehr gut vom Hit-Effekt gelebt. Und dieser ist in der Umsatzstärke und Häufigkeit rückläufig. Über MySpace und YouTube kann heute jeder seine eigenen Inhalte zur Verfügung stellen – hat sich das Musikgeschäft demokratisiert? Ginthör Zwischen etwas online stellen und ein Star werden ist ein großer Unterschied. Natürlich: Die Vielfalt des Angebots explodiert, und das finde ich großartig. Aber You Tube oder iTunes haben noch keinen einzigen echten Star gemacht. Viele Talente wurden von Labels entdeckt, weil sie sehr früh auf diesen Platt- formen sichtbar waren. Stars werden sie erst, wenn sie bei einem großen Plattenlabel oder Entertainmentunternehmen unterschrieben haben, das sie ins Bewusstsein der Öffentlichkeit bringen kann. Sie befassen sich berufsbedingt sehr viel mit der Digitalisierung. Wie gehen Sie persönlich mit ihren Begleiterscheinungen um? Ginthör Was mich immer interessiert, ist, wie der Mensch damit umgeht. Muss er sich alles merken, muss er die tausenden Urlaubsfotos wirklich speichern? Oder hat er den Mut, Dinge auch wieder zu löschen – sowohl von der Festplatte im Computer als auch jener im Kopf. Wer heute alles wahrnimmt, was ihm angeboten wird, kommt aus dem Konsumieren nicht mehr heraus. Deshalb ist das wichtigste Wort, das ein junger Mensch heute lernen muss, „Nein“. Es ist alles eine Frage der Eigenverantwortung. Wenn ich Castingshows schlecht finde, muss ich sie abschalten. Dann habe ich auch plötzlich Zeit, ein gutes Buch zu lesen. Und wenn ich einen ganzen Abend auf Facebook und YouTube herumhänge, sollte ich mir vornehmen, am nächsten Tag wieder etwas mehr in die Tiefe zu gehen. Dieser Abtausch zwischen Breite und Tiefe muss bewusst gepflegt werden. Sie sind jung und trotzdem schon lange erfolgreich im Musikbusiness. Sind Sie sehr ehrgeizig? Oder was treibt Sie sonst an? Ginthör (lacht) Nein. Aber ich bin jedenfalls sehr offen, leidenschaftlich und hard-working. Und was mich antreibt, ist leicht zu beantworten: meine Leidenschaft für den Menschen und seine kreative Schöpfungskraft. Ich weiß um die Herausforderungen und die Anstrengung, die es be nötigt, um mit Kreativität Geld zu verdienen. Diese Herausforderung im Team mit Anderen zu meistern, ist meine Mission. Bestseller 11|12 2010 Raum für Kritik jeder Art: Das Recht auf freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit und unabhängiger Journalismus bilden ein Umfeld, das jedes professionelle Unternehmen braucht. Als führender Energiekonzern im europäischen Wachstumsgürtel unterstützt die OMV deshalb seit vielen Jahren die regierungsunabhängige Organisation „Reporter ohne Grenzen“. Mehr bewegen. Als das Marketing nach Österreich kam Sein Arbeitszimmer an der Universität hat er bereits vor zwölf Jah Ernest Kulhavy im Unruhestand – anders lässt sich sein umtriebiges Am 24. Dezember feiert Österreichs Marketing-Pionier seinen 85. 1976. Das Institutsteam an der Johannes Kepler Universität Linz (vorne Ernest Kulhavy). 70 Gentleman. Wo immer der elegant gekleidete und stets vergnügt wirkende Gentleman auftaucht, wird er sofort von zahlreichen Menschen erkannt und begrüßt. Politiker, Unternehmer, Manager, Diplomaten, ehemalige Studenten und Bekannte umringen ihn. Er ist fünffacher Ehrendoktor, Träger schule für Welthandel in Wien, der erste unzähliger Auszeichnungen, Mitglied und berufliche Erfahrungen in einem Export-/ Funktionär in vielen Clubs und VereinigunImport-Unternehmen sammelte. Da er sein gen, begnadeter Netzwerker, ein Charmeur Studium mit dem Doktorat abschließen und Herr vom alten Schlag. Man begeht kei- wollte, schlug er nach zwei Jahren die nen Kardinalfehler, Ernest Kulhavy als öswissenschaftliche Laufbahn ein, wurde terreichischen „Marketing-Papst“ zu apostAssistent, Oberassistent und Dozent. Er disrophieren. Denn er steht einer großen sertierte („Exportförderung durch innervolksGemeinde vor, die seine Management-Philo- wirtschaftliche Verbandswirtschaften und sophie teilt, lebt und weiter verbreitet. Wirtschaftskammern“), studierte ein Jahr am Jüngere Semester werden sich nur Ableger der John Hopkins Universität in Boschwer vorstellen können, dass es einmal logna (1956/57), erhielt eine Fellowship bei Verkäufermärkte gegeben hat, auf denen die der UNO und anschließend eine Anstellung Nachfrage weit größer als das Angebot war. bei der EFTA (European Free Trade AssociatiAls typisches Beispiel kann der Möbelhanon) in Genf. 1963 wurde er an die Technidel der Nachkriegszeit angeführt werden: sche Universität Berlin berufen – als ProfesSo gut wie jeder Verkäufer hatte damals Ersor für „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre folg, sofern er nur einen Bestellblock halten und Betriebswirtschaft des Handels“. Dort konnte und des Schreibens mächtig war. setzte seine wissenschaftliche AuseinanderDie Kunden mussten mit der vorhandenen setzung mit Marketing ein, und alsbald wollWare vorlieb nehmen und die verlangten te er ein Institut für Marketing und ManagePreise akzeptieren, geduldig warteten sie ment gründen – es wäre das erste im monatelang, bis die bestellten Möbel angedeutschsprachigen Raum gewesen. fertigt und zugestellt wurden. Diese – aus Sicht der Unternehmen – paradiesischen Ära der Marktorientierung Zustände hielten nicht ewig, und schon in Kulhavy war der Paradigmenwechsel in der den Fünfzigerjahren entstanden die ersten Wirtschaft mit den neuen Realitäten der Käufermärkte. Allmählich setzte eine Ära Käufermärkte nicht verborgen geblieben. des Wettbewerbs ein, die Machtverhältnisse „Die Führung einer Unternehmung war ohne verschoben sich zu Gunsten der Konsumen- Marktorientierung nicht mehr denkbar“, erten, die es nunmehr zu umwerben galt. innert er sich. Aus den USA war das MarkeErnest Kulhavy war in den besagten Fünfting nach Europa gekommen und hatte zigerjahren ein junger Absolvent der Hochlängst in den internationalen Konzernen Eingang gefunden – nicht jedoch in der deutschen Betriebswirtschaftslehre, ins besonders der Absatzwirtschaftslehre. Kulhavy legte sechs Namensvorschläge für ein neues Institut in Berlin vor, in fünf davon war der Begriff „Marketing“ enthalten. Sein erster Assistent, der spätere Konsumentenforscher Werner Kroeber-Riel, erstellte eine „Gedankensammlung“ zur Untermauerung des Antrags. Bestseller 11|12 2010 ren geräumt, seither befindet sich Dasein nur schwer beschreiben. Geburtstag. Text von Hansjörg Wachta privat (3) 2002. Bei einer der vielen W anderungen am Reichraminger Bach im Nationalpark Kalkalpen. zeitgemäßes Marketingverständnis führte. Der Akademische Senat in Berlin zeigte sich vom amerikanischen Begriff nicht son- „Die behördlich dekretierte Namensgebung war (und ist) amateurhaft“, ärgerte sich derlich angetan, immerhin kam ein lebhafter fachlicher Diskurs in Gang. Kulhavy war Kulhavy und stellte fest, dass die stürmische Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre als federführend, knüpfte Kontakte zur deutschen Industrie, wurde Beirat der angesehe- eigenständige Wissenschaft im 20. Jahrhundert an der Ministerialbürokratie offensichtnen Fachzeitschrift „Absatzwirtschaft“ lich vorbeigegangen war. Er selbst wollte (Handelsblatt-Verlag Düsseldorf), hielt VorMarketing als Konzeption der Unternehträge (unter anderem vor der Vereinigung mensführung und als Führungsphilosophie Deutscher Marketing- und Verkaufsleiterdes Managements am Anfang des unternehclubs in Essen) und wiederholte seine Formerischen Entscheidungsprozesses verstanderung nach einem eigenen Institut. Mit den sehen: „Die Zeit war reif für die VeranSchmunzeln erinnert er sich an den Prorekkerung des Marketings in der universitären tor Ulrich Gundlach, der einmal meinte, Forschung und Lehre, war reif für die Entsteman müsse den Bären erst erlegen, bevor hung der Marketingwissenschaft.“ man sein Fell verteilen könne. Kulhavys Kulhavy hatte ab dem Wintersemester Antwort glich einem Plädoyer für Marktorientierung: „Falsch. Man muß zuerst wissen, 1967/68 den Ausdruck „Absatzwirtschaft“ aufgegeben und nur noch die Bezeichnung ob überhaupt jemand das Fell will.“ „Marketing“ verwendet. In seinen Lehrveranstaltungen setzte er eine Grafik ein, die das Erstmals „Marketing“ komplexe Marketingsystem darstellte und 1966 ereilte den österreichischen Professor eine überaus moderne, ganzheitliche Sichtein „Ruf“ aus der Heimat: Auf Initiative seiweise erkennen ließ. Er berücksichtigte im nes Wiener Kollegen Josef Koblinger wurde Umfeld des Unternehmens auch Ethik und ihm die Errichtung eines Instituts für InterMoral, Natur und Ökologie, Kunst und Ästhenationales Marketing an der Johannes Keptik. Und er verwies sogar auf den Einfluss der ler Universität Linz ermöglicht – ohne Religion mit einem konkreten Beispiel: „Eine Schwierigkeiten, wie er rückblickend anmerkt. Stolz weist er darauf hin, dass es das kleine Firma stellte Wanduhren für Bauernstuben mit aufgemalten Blumen und Kirchen erste im deutschsprachigen Raum war, das die Bezeichnung „Marketing“ in seinem Na- her und wollte diese auch nach Saudiarabien exportieren. Das war erst möglich, als die men trug. Die Freude darüber währte indes Kreuze der Kirchen entfernt wurden.“ nicht lange, da 1970 im Zuge der Universitätsreform eine Umbenennung in „Institut Primat des Verkaufs für Handel, Absatz und Marketing“ erfolgte Von den fünf Instrumenten des Marketing – trotz heftiger Proteste des Institutsvorstan(Leistung, Entgelt, Kommunikation, Distribudes und dessen massiver Unterstützung tion und Verkauf) hob Kulhavy stets den durch die oberösterreichische Industrie. Verkauf besonders hervor. „In Holland entDer Widerstand gegen den neuen Namen mag heute vielleicht übertrieben er1970. Kulhavy scheinen, doch entsprang er der bemit Studenten grifflichen Exaktheit des Wissenschaftim Seminarraum des Instituts lers, der einen steten Kampf für ein in Linz. Bestseller 11|12 2010 deckte ich einmal eine alte Ansichtskarte“, erzählt er. „Sie zeigte zwei Viehhändler, die gerade eine Kaufvereinbarung getroffen hatten und diese mit einem Handschlag besiegelten. Das Foto habe ich vergrößern lassen und in meinem Zimmer aufgehängt.“ Der Professor nahm es sogar in den Hörsaal mit – als einprägsames Symbolbild für das Primat des Verkaufs: „Wofür betreiben wir Marketing? Damit es zum Verkaufsabschluss kommt – dafür wird das ganze Theater gemacht. Das ist eine Kernaussage in meinem System: Alle Marketingmaßnahmen haben letztlich den Zweck, im Verkauf zu münden.“ In Linz wirkte Kulhavy 22 Jahre lang. Er realisierte viele Ideen, die heute zum Standardrepertoire von Universitäten gehören: „Mir ging es immer darum, die Wissenschaft aus dem Glaskasten zu holen und mit der Praxis zu verbinden.“ Es wurden Studienreisen mit Hörern und Assistenten in viele Länder Europas, ja sogar in die USA unternommen. Praktiker hielten Vorträge, und Studenten besuchten Betriebe. Das überzeugende Argument des Professors: „Ein angehender Arzt gehört als Student ans Krankenbett, und ein BWL-Student muß in die Betriebe gehen.“ In Linz wurden aktive Lehrmethoden wie Planspiele, Fallstudien und betriebliche Projektstudien forciert sowie praxisrelevante Diplomarbeiten vergeben. Die ersten Fallstudien kaufte Kulhavy persönlich in Harvard ein. Im Dezember 1976 gründete er in Zusammenarbeit mit der Landesinnung des wirtschaftlichen Werbewesens und der werbetreibenden Wirtschaft Oberösterreichs das Marketing Forum Linz, das zwei Jahre später in Marketing Club Linz umbenannt wurde. Ab 1983 fand ein jährlicher Kongress (unter dem Namen Marketing Forum Linz) statt: Erstklassige Referenten handelten aktuelle Themen vor 400 bis 450 Teilnehmern ab. 71 Erfolgreiche Studenten Zu Kulhavys bekanntesten Studenten gehörten Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, Ludwig Scharinger (Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich) oder Rudolf Trauner jun. (Präsident der Wirtschaftskammer Oberösterreich). Scharinger ist mittlerweile selbst Lektor und Förderer der Johannes Kepler Universität, Trauner betreibt unter anderem den Universitätsverlag, der laufend Forschungsergebnisse aus drei Fakultäten publiziert und auch Kulhavys Standard-Werk „Internationales Marketing“ verlegte. Bei Seminaren und Vorträgen des Marketing-Professors konnte man stets erfolgreiche Unternehmer und Manager antreffen, was Kulhavy einmal dazu bewog, einen Teilnehmer anzusprechen: „Warum kommen Sie überhaupt hierher? Sie könnten den Vortrag doch an meiner Stelle halten.“ Der Manager gab zu, 90 Prozent des Gehörten 2006. Aufnahme von Ernest Kulhavy in die Hall of Fame des Direct Marke ting Verbandes Österreich (DMVÖ) im Rahmen einer Festveranstaltung. Gleichzeitig wurde ihm die Ehren mitgliedschaft beurkundet. 72 1990. Als Rektor der Johannes Kepler Universität. zu kennen. „aber sieben Prozent erfahre ich von anderen Teilnehmern, und drei Prozent sind neu für mich,“ sagt er. „Auf diese Nasenlänge Vorsprung kommt es mir an.“ Als die Wirtschaftsuniversität Wien den Ansturm von Studenten der Studienrichtung Handelswissenschaften kaum mehr bewältigen konnte, setzte Kulhavy die Einrichtung dieser Studienrichtung auch in Linz durch. Bereits im Herbst 1981 hatte er einen Exportlehrgang für Praktiker gegründet. Fremde Länder und Sprachen weckten schon immer sein Interesse, weshalb er 1982 eine sechswöchige Weltreise unternahm. Sie führte ihn von Indien nach Südostasien und Australien. In jeder der elf besuchten Städte blieb Kullhavy vier Tage, traf die dortigen Botschafter und Handelsdelegierten, suchte Universitäten und Nieder lassungen österreichischer Firmen auf. Der Netzwerker lief zur Höchstform auf. Kulhavy organisierte unter anderem die erste Sommeruniversität (1990), an der bereits 40 osteuropäische Studenten und Assistenten teilnahmen, Besuche und Gegenbesuche, Bücherspenden sowie Sponsoren für Diplomarbeiten. Heute kann die Johannes Kepler Universität Linz auf elf Partnerschaftsverträge mit Universitäten in Tschechien, Ungarn, Polen und der Slowakei verweisen. Burgtheater-Deutsch Kulhavy selbst war wie sein Vater stets österreichischer Staatsbürger, wenngleich sein Name häufig als ungarisch interpretiert wird. „Die Übersetzung lautet angeblich ‚aus den Schneebergen kommend‘“, amüsiert sich der Professor, der 1925 im schlesischen Oderberg geboren wurde, „das war eine politische Wetterecke, mal deutsch, mal polnisch, mal tschechisch.“ Mit dieser Herkunft erklärt Kulhavy auch sein perfekt artikuliertes Deutsch, das eines BurgtheaterMimen würdig wäre: „Ich musste siebenmal Eingeschifft das Gymnasium wechseln, aber nicht, weil Das größte Vergnügen bereitete Kulhavy ich ein so schlechter Schüler gewesen wäre, freilich eine mehrwöchige Kreuzfahrt von dabei hat sich meine Sprache abgeschliffen.“ San Francisco bis nach Alaska. Eines Tages Kulhavys Ehefrau Emilie, mit der er belernte er den Schweizer Direktor einer reits 58 Jahre lang verheiratet ist, stammt Kreuzfahrtflotte kennen. Dieser sollte einen aus Linz. Sie war Studienkollegin an der Vortrag halten und erbat sich vom Marketing-Professor entsprechenden Input. Kulha- Hochschule für Welthandel in Wien, und er lernte sie nach einer Vorlesung in der Eisenvy bedauerte, vom Kreuzfahrtgeschäft zu bahn kennen. Das Ehepaar hat drei Töchter wenig zu verstehen, worauf er sofort eingeladen wurde, einschlägige Marktstudien auf und acht Enkelkinder. „Die Namen habe ich mir gemerkt, die Geburtstage nicht mehr“, hoher See anzustellen. Seine Marktbeoblacht der angehende Jubilar, dessen geistige achtung gipfelte in dem Satz „Ein Schiff ist Frische erstaunen lässt. Er benützt das wie eine Stadt“. Es sollte nicht bei dieser eiInternet zum Recherchieren und für die nen Kreuzfahrt bleiben. In Hongkong lernte E-Mail-Korrespondenz, demnächst will er Kulhavy 1990 den österreichischen Reeder und Milliardär Helmut Sohmen kennen, der sich auch noch ein Smartphone zulegen: ihn als Beirat in die Sohmen-Stiftung holte. „Ich möchte mitreden können“. Das wache Weltoffenheit und Weitsicht kennzeichne- Interesse an aktuellen Entwicklungen hindert ihn nicht daran, die Kostbarkeit jedes ten seit jeher den polyglotten UniversitätsTages, Monats und Jahres zu erkennen. lehrer, der 1989 auch das Amt des Rektors Seine Briefe beschließt er neuerdings mit übernahm. Kaum hatten sich die Grenzen Osteuropas geöffnet, knüpfte er sofort engste dem Satz „Tempus fugit – Die Zeit eilt“. Kontakte zu den Universitäten der Nachbar- Die große Bestseller-Familie und der Autor dieser Zeilen entbieten die herzlichsten länder. Er betrachtet dies nicht nur als bilGlückwünsche daher ebenfalls in Latein: dungs-und staatspolitische Verpflichtung, Ad multos annos! sondern auch als historische Aufgabe. Bestseller 11|12 2010 privat (2) Unterstützt wurde der Professor von wissenschaftlichen Mitarbeitern (Assistenten) wie Günter Schweiger (heute emeritierter Professor der Wirtschaftsuniversität Wien), Hans Jörg Schelling (Präsident des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger), Hannes Foullon-Matzenauer (langjähriger Geschäftsführer der Kölner Werbeagentur WESTAG), Gerhard Stürmer und Helmut Ramsauer (Ramsauer & Stürmer Consulting), Alfred Schweiger (langjähriger Marketingchef von Umdasch/Doka Schalungstechnik), Manfred Salzinger (bereits verstorben), Hans Mühlbacher (heute Universitätsprofessor in Innsbruck) oder Dietrich Kropfberger (Universitätsprofessor in Klagenfurt). Vor fünf Jahren, als Ernest Kulhavy seinen 80. Geburtstag feierte, kamen 28 seiner 32 ehemaligen Assistenten aus dem In- und Ausland angereist – das sagt sehr viel über die Verbundenheit des Teams mit seinem Lehrer aus. Das damalige Geschenk der akademischen Gratulantenschar für den Jubilar: eine komplette Homepage. Weggefährten Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik, WU-Wien , Raiffeisenlandesbank oÖ, Hauptverband der österr. Sozialversicherungsträger Gastkommentare. Dkfm. Heinz Pechek Geschäftsführer des Bundesverbandes Material wirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich Dr. Hans Jörg Schelling Generaldirektor des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger Mit Prof. Ernest Kulhavy verbinde ich nur beste Erinnerungen: Ich war zwar niemals sein Schüler, da ich an der Hochschule für Welthandel in Wien studierte, doch kam es im Zuge meiner Zeit beim ÖPWZ und bei der Veranstaltung des Marketingtages wiederholt zur Zusammenarbeit. Für mich ist Professor Kulhavy der Pionier des Marketings in Österreich, er hat stets die Verbindung zur Praxis gesehen, ist weltoffen, positiv und vergnügt. Er steht stets mit beiden Beinen am Boden der Wirklichkeit und zeichnet sich durch grenzenlose Bescheidenheit aus. Natürlich wüsste ich auch eine lustige Episode, die ist aber nicht medientauglich … Professor Kulhavy war immer visionär und für Neues aufgeschlossen, noch heute mit 85 korrespondiert er per E-Mail regelmäßig mit mir. Er hat Methoden eingeführt, die heute selbstverständlich sind, aber damals revolutionär waren: Gespräche mit der Praxis, Seminare zu Zukunftsthemen mit Mobil Oil unter aktiver Mitgestaltung und Mitbeteiligung der Studenten, das Fallstudiencenter „Aus der Praxis für die Praxis“ etc. Er hat seine Mitarbeiter stets gefördert, ihnen aber gleichzeitig große Spielräume mit Eigenverantwortung überlassen. Er war ein Meister des Fundraisings: Was heute von den Unis in Bezug auf Drittmittel gefordert wird, hat er aktiv gelebt und realisiert, er ist so etwas wie die Verkörperung des Marketings. Er betrieb das, was man heute Networking nennt. Als gesellschaftliches Großereignis rief er das „Marketing-Gschnas“ ins Leben, mit den Erlösen wurden die jährlichen Studienreisen finanziert. Er stand persönlich beim Eingang, selbstverständlich maskiert, und achtete darauf, dass nur Geladene eingelassen wurden – ohne Maske schon gar nicht. Bei den Mobil-Seminaren gab es im Winter immer ein Skirennen. Um auch als absoluter Antisportler eine Chance auf einen Pokal zu haben, wurde eine Klasse „Generaldirektoren und Professoren“ mit zwei Teilnehmern ins Leben gerufen: So stand jedes Jahr ein Pokal (zumindest für den Zweiten) in seinem Büro. Er hat viel Sinn für Humor: Zu seinem 60er drehten wir ihm eine ZiB nach, die sich ausschliesslich um ihn drehte (inklusive Wetterbericht). Natürlich wurde er dabei auch von uns produzierenden Assistenten ein wenig auf die Schaufel genommen. Darüber hat er wirklich herzhaft gelacht, sich riesig gefreut und Kopien dieser Innovation (TV-Kassette anstelle von Festschrift) an Freunde und Bekannte verschickt. Dr. Günter Schweiger emeritierter Universitätsprofessor für Werbewissenschaft und Marktforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien Ich hatte die Ehre, der erste angestellte Mitarbeiter von Prof. Kulhavy am Institut in Linz gewesen zu sein. Gemeinsam können wir auf 14 Habilitierte verweisen, von denen viele als Professoren in drei Erdteilen tätig sind. Kulhavys Lehrer an der Hochschule für Welthandel war Professor Oberparleiter, der sich bereits nach dem ersten Weltkrieg mit Marketing beschäftigt hatte. Ernest Kulhavy trieb die Internationalisierung der Universität voran, sein Motto lautete: „Die Welt hört nicht am Rhein auf“. Studienreisen und Betriebsbesichtigungen führten in viele Länder, etwa zu Patek Philippe in Genf, zu einer Reederei in Amsterdam oder zu Nestle in Vevey. Kulhavys große Stärke war das Networking, er zeigte gesellschaftliche Präsenz und war in kürzester Zeit überall bekannt. Seinen Mitarbeitern legte er mindestens drei Mitgliedschaften in Vereinen nahe – tolerant und liberal, wie er ist, hat er es aber nie zur Bedingung gemacht. Legendär waren die Gschnasfeste, die in Linz als gesellschaftliches Ereignis galten. Tage vorher sah unser Institut wie eine LogistikZentrale aus, wegen der Lagerung von Bier, Wein und Sekt blieb oft nur ein einziges Zimmer zum Arbeiten frei. Kulhavy wandert gern, liebt das Eislaufen – und Schiffe: Als Angehöriger des 25er-Jahrgangs wurde er zur Marine eingezogen und diente auf dem Kreuzer „Emden“. Bestseller 11|12 2010 Dr. Ludwig Scharinger Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich Als ehemaliger Schüler bin ich em. Univ.Prof. Dr. Ernest Kulhavy heute noch sehr dankbar. Er war mir Vorbild und Motivator und hat uns Studenten den Zugang zu einem zukunftsorientierten Marketing ermöglicht, das das gesamte Unternehmen zu erfassen und auf den Markt auszurichten hat. Ernest Kulhavy ging es immer um die Menschen und die Emotionen der Menschen und nicht so sehr um die coolen Typen. 73 Kategorie I An einen Haushalt bzw. als Beilage in Printmedien mail Kategorie II An einen namentlich adressierten Haushalt Platz 1 auftraggeber Schneiders Bekleidung agentur Demner, Merlicek & Bergmann kontakt agentur Mag. Lilli Gerlich cd Franz Merlicek text Arno Reisenbüchler ad Roman Steiner auflage 2.000 Stück Platz 1 auftraggeber Traisenpark 18 Vermietungs GmbH agentur A. Clodi Werbeagentur GmbH kontakt agentur Elisabeth Gollnitzer cd Mark Schneider text Astrid Hinterholzer ad Michael Strohmayer auflage 108.000 Stück Platz 2 auftraggeber Thalia Buch & Medien GmbH agentur Createam Werbeagentur GmbH kontakt agentur Nina Kern, Mag. Andrea Manaitu cd Erwin Schmölzer text Magdalena Felgenhauer ad Dini Hross auflage 1.300.000 Stück Platz 3 auftraggeber SCN Gebäudevermietungs GmbH agentur A. Clodi Werbeagentur GmbH kontakt agentur Elisabeth Gollnitzer cd Mark Schneider text Astrid Hinterholzer ad Michael Strohmayer auflage 160.000 Stück 74 Bestseller 11|12 2010 Der Manstein Verlag ermittelt den Prospekt des Monats, eine Fachjury wählt die drei besten Arbeiten aus. Wir bitten Sie, Ihren Einreichungen ein Briefing, bestehend aus Werbeziel, Marketingziel, Zielgruppe und Positionierung, beizulegen. Ebenso bitten wir Sie, uns die entsprechenden Credits wie Auftraggeber, Kontakt Auftraggeber, Werbeagentur, Kontakt Werbeagentur, Art Director, Creative Director, Text, Foto, Druck, Erscheinungszeitraum, Papierqualität sowie die Auflage des Prospekts bekanntzugeben. best mail in Kooperation mit Kategorie I Platz 1 „Nette Idee, zielgruppengerecht aufbereitet und leicht verdaulich serviert.“ Hedi Zinöcker Platz 2 „Klassisch; mit gutem Zugang zu den Emotionen.“ Alexandra Perl Platz 2 auftraggeber VSG Direktwerbung GmbH agentur VSG Direktwerbung GmbH kontakt agentur Michael Moser cd/text/ad Michael Moser auflage 952 Stück Platz 3 „Sehr interessante neue Werbeart; ein Türhänger mit Gutscheinen.“ Ramona Muik Kategorie II Platz 1 „Tolle Umsetzung, sowohl layoutseitig als auch produktionstechnisch.“ Hedi Zinöcker Platz 2 „Überraschend und informativ.“ Alexandra Perl Platz 3 „… eine Agentur, die feiern will … da geht der Blues ab ;)“ Ramona Muik Platz 3 auftraggeber Agentur am Flughafen agentur Agentur am Flughafen kontakt agentur Benita Sutter cd René Eugster text Patrick Lidner auflage 250 Stück Bestseller 11|12 2010 Die Jury: (von links nach rechts) Hedwig Zinöcker red-hot, Alexandra Perl Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, Ramona Muik Österreichische Post AG Einreichungen beim Manstein Verlag, Brunner Feldstraße 45, A-2380 Perchtoldsdorf Tel.: 01/866 48-626 (Ariane Schlosser) 75 SHOWCASE 76 Demner, Merlicek & Bergmann Orange Mediaedge Ogilvy & Mather OMD Gull + Company Wirz PKP BBDO Lowe GGK Was sin Eine philoso E Pah Seit M Komm und v Irgendw H Bestseller 11|12 2010 Eine Branche gratuliert: Unsere liebsten Glückwunschanzeigen zu 30 Jahren Bestseller Die Gratulanten leben hoch! MMS DMVÖ Glückwunschanzeigen bei Jubiläumsausgaben von Printmedien sind eine besondere Herausforderung für Kreative, und so war es auch im Fall des 30-Jahre-Heftes des Bestseller. Aus Dank und Freude darüber wollen wir daher an dieser Stelle noch einmal jene Anzeigen ausloben, die uns den 30. Geburtstag in besonderem Maße versüßt haben. Ob reduziert und knackig oder multimedial und höchst aufwändig – das Bestseller-Jubiläum hat so manchen Kreativen zu Höchstleistung angespornt, und dafür sagen wir nicht nur ein lautes „Danke!“, sondern auch: „Gratulation!“ dreißig Jahre? Eine Generation Epoche Ein Witz. Fragen Sie mal einen Kulturophen wie Liessmann . Wir haben das getan h! Von wegen Paradigmenwechsel. Menschengedenken geht es in der munikation vor allem darum: verstehen, verhandeln verführen. Und das soll jetzt anders sein? wie schon. Und dann wieder nicht. Aber lesen Sie selb Hier und jetzt. Das Buch zum Wandel. nd schon RMS Peugeot TV-Media Publicis 30 1980-2010 „Ausbilden muss man sich selber!“ Walter Lürzer, ehemaliger Leiter der Klasse Kommunikationsdesign Schwerpunkt Werbung an der Universität für Angewandte Kunst, zieht kritisch Bilanz über seine mehr als 20-jährige Professur. Interview von Clemens Coudenhove Bestseller Herr Lürzer, wenn Sie auf die vergangenen 20 Jahre hier an der Klasse für Kommunikationsdesign Schwerpunkt Werbung an der Universität für Angewandte Kunst zurückblicken, was war die größte Zäsur bei der Ausbildung? Walter Lürzer Reden wir zuerst über das Wort „Ausbildung“. Dieser Be griff wird hier in der Schule gar nicht gern gehört. Die Veranwortlichen bevorzugen „Bildung“. Wenn ich „Ausbildung“ sage, bekomme ich Ärger. Warum denn das? Lürzer Man ist der Meinung, dass die Klasse eigentlich auf eine Fach hochschule gehört – was ich für einen absoluten Blödsinn halte. Warum? Was ist der Unterschied zwischen Werbung und Architektur? Null. Es sind nur unterschiedliche Medien, die verwendet werden, aber letzten Endes kommt es auf das Ziel an. Das Ziel der Werbung ist es, e inen Zweck zu erfüllen. Das Ziel der Architektur ist ebenfalls, einen Zweck zu erfüllen. Und nicht die Selbstdarstellung des Entwerfens um jeden Preis. Wir heißen hier „Universität für Angewandte Kunst“, und so hat die sem Namen nach die Bildende Kunst hier nichts zu suchen. Ich be grüße es trotzdem sehr, dass die Bildende Kunst hier angesiedelt ist. Weil man sich gegenseitig befruchten kann. Letzten Endes müssen unsere Leute mit den Studenten in den Fachhochschulen konkurrieren können. Und über den Tellerrand blicken. Gab es denn aus ihrer Sicht über eine Zäsur in der „Bildung“ hier? Lürzer Letzten Endes verändern sich die Menschen nicht – sie ändern sich nur durch die Entwicklung der Technik und der Wissenschaft. Sie kommen sicher auf das Internet. Das ist eine Medienfrage und nicht eine Frage, ob sich Menschen verändern. Die größte Zäsur der Werbung war eigentlich immer von der Entwicklung der Medien bestimmt. Die Umgebung wurde durch die Medien bestimmt. Vor 20 Jahren gab es kein Handy. Ich hatte ein Autotelefon, das war damals ein Prestigeobjekt. geboren am 9. Juli 1942, war Mitbegründer der Internet wird klassische Werbung nie Agenturen TBWA in Frankfurt sowie Lürzer, ersetzen. Warum? Weil es einfach nicht Conrad und Leo Burnett. Danach war er Chair möglich ist, Leute dazu zu bekommen, man von Lowe, Lürzer und leitet von 1988 bis mehrfach die gleiche Quelle anzuzapfen. 2010 die Meisterklasse für Grafik und Werbung Einer der wesentlichen Punkte in der an der Wiener Universität für Angewandte Werbung ist die Wiederholung. Und Kunst (heute: Kommunikationsdesign Schwer unsere Formel für die Werbewirkung punkt Wertbung). Seit 1984 ist Lürzer Verleger (A+B+C / 1+V, siehe Kasten Seite 80) und Herausgeber der Zeitschrift „Lürzer‘s Ar ist auch trotz Internet immer noch gültig. chiv“, die Anzeigen, TV-Spots und Poster aus Das Internet ist ein Schrotthaufen, der aller Welt sammelt. Im Rahmen der CCA-Gala sehr hilfreich sein kann, aber klassische am 14. März 2008 wurde Lürzer zum CCAWerbung nicht ersetzen kann, wo sie den Walter Lürzer Ehrenmitglied ernannt. Er wurde 2009 von der Wirtschaftswoche und dem Gesamtverband Kommunikationsagenturen in die Hall of Fame der deutschen Wirtschaft aufgenommen. 78 Leuten 20 Mal einbläuen müssen, dass ihre udeln mehr Eier enthalten als andere Nudeln. N Wenn man glaubt, durch Internet die klassische Werbung ersetzen zu können: Dann wird das für einige Produkte stimmen, aber für viele nicht. Der Benefit habe heute immer weniger Bedeu tung für die Werber. Das halte ich für Unsinn. Neulich hat mir jemand gesagt, der USP (Unique Selling Proposition, Anmerkung) ist out. Das ist Quatsch. Der Benefit ist vielleicht für manche Produktgruppen nicht mehr wichtig. Oder für Schüler, die Nike tragen müssen. Aber für die meisten sind die Produkteigenschaften und Benefits noch ein ganz wichtiger Grund, etwas zu kaufen. Welchen Stellenwert hat Werbung hier auf der Universität für Angewandte Kunst? Lürzer Werbung wird immer gleichgesetzt mit Wirtschaftswerbung. Werbung wird hier an der Universität irgendwie abgesnobbt. Es ist auch blöd zu sagen, „Werbung ist Kunst“. Werbung ist nicht Kunst, sondern ein zweck gerichtetes Bemühen. Aber es kann Kunst sein. Und wir verwenden Mittel der Kunst im besten Fall. Das ist positiv. Vergleichen Sie die Anforderungen an die Studenten heute mit jenen vor 20 Jahren … Lürzer Die Studenten waren damals genauso in dividuell und begabt wie heute, nur haben sich die Medien vervielfacht. Wir hatten vor kurzem die Aufnahmsprüfung hier, mit 120 Bewerbern. Vor 20 Jahren war es lockerer. Damals ging es den Agenturen auch noch viel besser. Heute sind die Bewerber doch viel mehr unter Druck. Als ich bei Lowe, Lürzer Chairman war, betreu ten wir Opel und hatten ein jährliches Honorar von zwei Millionen D-Mark. Heute schauen Kunden natürlich viel mehr auf den Preis. Bestseller 11|12 2010 Wenn sie auf die letzten 20 Jahre zurückblicken: Was erfüllt sie mit Stolz? Lürzer Die Studenten und Absolventen. Dass wir es schafften, dass sie wirklich studierten und nicht nur das schöne Leben als Student genossen. Und vor allem, wenn sie dann draußen ihren Platz gefunden haben. Hier sieht man wieder die Auseinandersetzung zwischen Ausbildung und Bildung. Ich persönlich bin stolz, wenn jemand einen Job bekommt und davon leben kann und dazu noch gebildet ist. Aber nicht das eine oder das andere. Es hat keinen Sinn, einen Berufszweig zu studieren, der gar nicht gefragt ist. Das ist gesellschaftlich sinnlos. War die Entscheidung, damals die Werbe-Klasse zu leiten, einfach? Sie hatten großen Erfolg in der Werbung, haben sehr viel Geld verdient, als sie ihre Agenturanteile (an Lowe/Interpublic Group, Anmerkung) damals verkauften? Lürzer Ich wurde von Ernst Caramelle, einem international bekannten deutschen Künstler, damals angerufen. Er fragte mich, ob ich Professor werden will. Ich habe geantwortet: Meine Mutter würde sich freuen. Das war es dann. Wenn man, so wie ich, sehr viel verdient hat, wird das Geld auf einmal nicht mehr so wichtig. Was waren denn Tiefpunkte in ihrer Karriere? Lürzer Die Angewandte selbst. Ich halte e inige meiner Kollegen teilweise für Kunst-Schma rotzer. Leute, die ihren Job nicht erfüllen. Die nicht einmal anwesend sind. Und der Punkt Ausbildung versus B ildung hat mir schon auch Kopfzerbrechen bereitet. Und ich habe mich oft mit den Verantwortlichen an gelegt. Es ist nicht notwendig, dass unsere Studenten doppelt so viel kosten wie Studenten auf anderen Universitäten. Walter Lürzer Fotografiert von Karl Michalski Lürzers ABC-Formel Fassen sie ihren größten Wunsch für die Zukunft der Werbe-Klasse in Worte Lürzer Als ich an die Uni kam, begrüßte man mich mit einem Trans parent: „Willkommen auf der Wirtschaftsuniversität!“. Das hat mich damals sehr belustigt. Ich habe den Wunsch, dass man Werbung ernst nimmt. Werbung ist älter als Architektur. Denken Sie an die Duftstoffe von Mikroben vor Milliarden Jahren, die sich paaren wollten. In der Natur ist normal, zu werben, sonst gibt es keine Fortpflanzung. Ich wünsche mir, dass Werbung endlich als universeller Gedanke verstan den wird und nicht immer auf Wirtschaftswerbung reduziert wird. Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger an der Klasse, Matthias Spaetgens? Lürzer Dass es ihm gelingt, einen ebenso guten Kontakt mit den Studenten aufzubauen. Ich habe immer gedacht, dass ich hier eher unbeliebt bin, und war total überrascht, wie viel Unterstützung ich speziell in den letzten Monaten, seit ich krank wurde, bekommen habe. Außerdem, dass Spaetgens es schafft, Leute auszubilden, die gute Jobs bekommen. Je mehr Stars sich entwickeln, desto besser. Zitate über Werbung gibt es viele. Haben Sie ein Lieblingszitat? Welches ist das dümmste? Lürzer Keines dieser Zitate, die ich im Internet gefunden habe, ist inter essant genug. Wenn es sich überhaupt über einen längeren Zeitraum hält. Aber die Leute plappern immer alles nach. Nehmen Sie Henry Ford: „Die Hälfte der Werbespendings ist rausgeworfenes Geld. Man weiß nur nicht, welche Hälfte“. Können Sie mir das erklären? Warum nicht 80 Prozent? Was heißt „die Hälfte“? Ford wollte damit nur sagen, dass er sich nicht sicher ist, aber trotzdem in Werbung investiert. Oder nehmen Sie das Buch des deutschen Künstlern und Designers Michael Schirner, „Werbung ist Kunst“. Das ist ein blöder Spruch und stimmt einfach nicht. Auf der anderen Seite halte ich das aber für eines der besten Zitate, weil es der Werbung sehr geholfen hat. An die Kunst traut sich niemand ran. An die Werbung traut sich jeder, die wird nur zu gern kritisiert. Der Zweck des Zitats war positiv. Das war sehr geschickt. Welche Ausbildungsstätte hatte den größten Einfluss auf Ihre 20-jährige Lehrtätigkeit? Lürzer Keine. Ich habe Welthandel studiert, das war zwar interessant und wichtig, hat mir aber in der Werbung nicht weitergeholfen. Es gab bei uns auch kein strukturiertes Lernen, es waren eigentlich immer die Agentur-Leute, die für mich wichtig waren, Vorbilder waren. Ich bin noch heute der Meinung, dass man Werbung nicht studieren muss. Es kommt immer auf Einzelpersonen an und später auf das Team. Ein guter Art Director ist gleichzustellen mit einer Universitätsausbildung. Den Bildungsbereich lernt man dabei allerdings nicht. Der Bildungsbe reich, der kam für mich dann später hier. Man muss sich sein eigenes „Es gibt heute hunderte Sender, und die sind gezwungen, Mist zu produzieren. Die Leute werden dadurch immer dümmer.“ Walter Lürzer Eine der bekanntesten Formeln, die unter der Leitung von Walter Lürzer an der Werbeklasse e ntwickelt wurden, ist die ABC-Formel für die Bewertung von Werbebotschaften: Q = (A+B+C) / (1+V) A = Aktivierung Die Botschaft muss Aufmerksamkeit erregen – indem man die Menschen der Zielgruppe interessiert oder amüsiert. B = Benefit Werbung muss einen Vorteil für den Kunden präsentieren. C = Character Eine Werbekampagne muss individuell sein und Kontinuität besitzen, das heisst, einen unverkennbar gleichen Stil tragen und diesen so lange wie möglich beibehalten. V = Vampir-Effekt Claude C. Hopkins warnte bereits 1922 vor der Gefahr, die ein falsches Bild oder eine besonders witzige Headline in sich birgt – indem sie zwar für Aufmerksamkeit sorgt, zugleich jedoch vom Produkt und seinem eigentlichen Nutzen ablenkt (Beispiele: Sex, Humor oder Testimonials). Gebäude schaffen, viel lesen. Ich habe meinen Studenten immer gesagt: „Schaff Dir Dein eige nes Werbegebäude. Das muss mit meinem nicht übereinstimmen, sondern nur eine eigene Logik in sich haben, und dann musst Du in der Lage sein, Dinge ungewöhnlich zu sehen“. Dazu kommt Talent. In welcher Ausbildungs stätte können Sie lernen, ungewöhnlich zu denken? Man kann den Leuten nur helfen – ausbilden muss man sich selber. Ähnlich wie bei Journalisten. Wenn sie nicht selber gern lesen und schreiben, dann nützt auch keine Ausbildungsstätte. Ich halte auch von der Foto grafenausbildung hier an der Uni gar nichts. Die besten Fotografen haben noch immer bei einem anderen besten Fotografen gelernt. Wodurch wird sich die Ausbildung Ihrer Meinung nach unter ihrem Nachfolger Matthias Spaetgens unterscheiden? Welchen Rat haben Sie ihm mit auf den Weg gegeben? Lürzer Unterscheiden? Das weiß ich nicht. Er hat die gleichen Assistenten und Lehrbeauf tragten, und er ist intelligent genug zu sagen: „Ich schaue mir das einmal an und werde dann entscheiden, was zu ändern ist“. Insofern weiß ich nicht, was sich verändern wird. Ich bin auch überhaupt nicht gegen Veränderung. Ich sage ja, jeder soll sein eigenes Gebäude schaf fen. Er ist viel jünger als ich, das bringt auch enorme Vorteile mit sich. Ich habe ihm keinen Rat gegeben. Ich habe ihn ein bisschen vor dieser elitären Gesellschaft gewarnt, die Uni ist nicht das Nonplusultra, auch die sogenannten Stars sind es nicht. Die sind sehr selbstbezogen. Das ist eigentlich das Schlimmste, was es gibt. Egoismus Bestseller 11|12 2010 Pf lege deinen Weitblick. Sie können den Wandel in der Kommunikationswelt sehen wie Sie wollen. Wir schlagen vor, ihn als Chance zu sehen und begleiten Sie durch diese aufregende Zeit. Im HORIZONT mit Interviews, Kontroversen, Analysen und Kommentaren. Jeden Freitag neu. Im BESTSELLER mit Reflexionen und den Menschen hinter den Geschichten. Sechsmal im Jahr. Plus die erste Staffel der Emmy- und Golden Globe-Gewinner-Serie Mad Men. Horizont und Bestseller im Weitblick-Abo inkl. Mad Men: Um nur e 120,– pro Jahr! JETZT BESTELLEN www.horizont.at/weitblick Armin Thurnher MEDIENTAGEBUCH NR. 166 Er mag sich bekanntlich nicht fassen lassen, der Augenblick. Dennoch habe ich meinen Augenblick in schriftlicher Fassung. Denn als ich im November den Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels erhielt, eine äußerst ehrenvolle Auszeichnung, da konnte sich mein Laudator, der Philosoph Konrad Paul Liessmann, der Aufgabe nicht entziehen, auch mein Kochbuch „Thurnher auf Rezept“ zu loben, obwohl es so gar nicht in sein Metier fällt – schließlich ist dieses Buch mein neuestes Werk und Teil meiner schriftstellerischen Publikation. Ich hatte ihm zuvor bedeutet, er müsse es erwähnen, ich sei stolz darauf, wie schön es geworden sei. Liessmann entledigte sich der Aufgabe äußerst elegant, indem er am Ende seiner Laudatio öffentlich ankündigte, er sei noch nie von mir zum Essen eingeladen worden, könne also die Qualität meines Kochbuchs nicht beurteilen. Seine Laudatio war, wie der hinter mir sitzende Franz Schuh bemerkte, die charmanteste und schönste Art, sich selbst zum Essen einzuladen. Die ganze Veranstaltung war eine Freude für mich; ich konnte gleich öffentlich die Selbsteinladung als angenommen erklären und sagte danach einige unfreundliche Dinge über den Zugriff der Politik auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das interessierte zwar eine junge Kollegin vom Fernsehen, ihr Beitrag wurde jedoch in der Mittags-ZiB entsorgt. Radio Ö1 berichtete wie immer korrekt, selbstverständlich nur in der Kultur, nicht in der Politik. In der Politik hat man beim ORF andere Sorgen. Nämlich das Wohlergehen der Protagonisten. Denen ist allesamt das Hemd näher als der Rock. Ich habe einen prima Magen und musste nur ganz kurz schlucken, als ich verstanden hatte. Die wollten nie und werden nie im ORF selbst über den ORF reden wollen. Die werden nie das eigene Medium thematisieren, die werden nie kapieren, dass sie nur so, nur aus eigener Kraft, ihre öffentliche Rolle festigen könnten. Wenn das Publikum nicht versteht, wozu es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk braucht, warum soll es ihn dann wollen? Und wenn nicht das Publikum, wer dann soll ihn wollen? Die Verleger, die ihn amputieren, und die Politik, die ihn instrumentalisieren will? Das ORF-Desaster stolpert in die nächste Runde. Am nächsten Tag ging ich auf die „Buch Wien“, Abteilung Kochbühne. Man muss im Leben ja auch Spaß haben. Meine Frau, Irena Rosc, Ko-Autorin des Kochbuchs, „Wenn das Publikum meine zur Preisverleihung angereiste Mutter (91) und mein sie begleitender Neffe Martin nicht versteht, wozu Ender (30) bildeten mit mir ein Team. Wir es einen öffentlichhatten uns für Fleischlaberln mit Erdäpfelsalat rechtlichen Rundfunk entschieden, und die wollten wir nicht nur andeutungsweise vorkochen, wir wollten die braucht, warum soll Menge füttern. Gemeinsam hatten wir stundenes ihn dann wollen?“ lang frischen Majoran, Petersilie, Zwiebel, Knoblauch und frische Semmelwürfel geschnitten. Daraus und aus zehn Kilo Bio-Faschiertem (ein Drittel Schwein, zwei Drittel Rind) formten wir über 300 Fleischlaberln, die wir innerhalb einer Stunde brieten, wobei uns eine charmante Moderatorin interviewte. Wir trugen Headsets, Irenas Headset fiel aus, was sie nur insofern behinderte, als sie beim Austeilen von Senf, Salat und Laberln beiseite ins vorgehaltene Mikrofon sprechen musste. Hunderte stellten sich an, die meisten konnten wir abspeisen. Für einmal keine Phrase! Meine Mutter bewies beim Laberlformen und beim Überraschungsinterview Haltung und Kondition. Mein Neffe, Grafiker von Beruf, briet Laberln wie der Teufel. Er verstand, Gott sei Dank, im Unterschied zu mir den Induktionsherd. Ich spritzte meine Falter-Kochschürze mit Butterschmalz voll. Das mitfilmende Team von ServusTV war so fasziniert, dass es vergaß, mir am Ende das drahtlose Mikro wieder abzunehmen. Danach waren wir so glücklich wie ein Restaurant-Team nach der erfolgreichen Eröffnung. Nur Liessmann war nicht gekommen. Obwohl Fleischlaberln seine Lieblingsspeise sind. Wir haben den Rest eingefroren: für die Einladung. Armin Thurnher ist Gründer und Chefredakteur der Wiener Stadtzeitung Falter. Bestseller 11|12 2010 irena rosc, illustration von tex rubinowitz Loben und laben Kennzeichnung für vorbildliche Waldwirtschaft Zert.-Nr. HCA-COC-100030 ©1996 Forest Stewardship Council A.C. Weihnachten wird wundervoll mit €100,- GUTHABEN Zum Telefonieren oder Surfen im besten Netz. Freuen Sie sich auf wundervolle Weihnachten! Heuer schenken wir Ihnen bei A1 Erstanmeldung €100,- Guthaben zum Plaudern, SMSen oder Surfen – ganz wie Sie wollen. Dazu gibt es jetzt alle Smartphones aller Topmarken ab 0,-.* Damit Ihre Wünsche in Erfüllung gehen. Infos auf www.A1.net WAS HABEN SIE MORGEN VOR? Beste dauerhafte Netzqualität bestätigt durch das IBK der TU Wien. 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