Zwei Ge- schwister zwischen zwei Welten

Transcription

Zwei Ge- schwister zwischen zwei Welten
Ihr persönliches
Exemplar –
mit Wettbewerb!
Das Magazin der Buchhandlungen von Orell Füssli und Thalia
Nr. 4/2013
Zwei Geschwister
zwischen
zwei Welten
Khaled Hosseini verzaubert
mit «Traumsammler»
Aus dem Rahmen
Starke Bücher über
starke Frauen
In Büchern und in
Schönheit schwelgen
Prächtige neue Bildbände
Drei brüchige Säulen
«F» – der neue grosse Roman von
Daniel Kehlmann
Und ausserdem:
Moderne Poesie, Koch­bücher,
Gruseln für Kinder
Editorial | 3
Leichtigkeit im Detail.
Entdecken Sie die vielen Funktionen und technischen Besonderheiten,
die dem neuen tolino shine seine Lei chtigkeit verleihen.
Inhalt
Prädikat: Schmackhaft
Liebe Leserin
Lieber Leser
In keiner Jahreszeit essen wir wohl so gut und kochen
wir so aufwändig wie im Winter. Denn in diese Saison
fallen die wichtigsten Familienfeste: Weihnachten und
Jahreswechsel. Und in den kalten Monaten haben wir
auch Zeit und Musse, am Kochherd endlich wieder
einmal etwas Neues auszuprobieren – denn es zieht
uns nicht ständig hinaus in Strassencafés oder an
den See.
Fr. 129.–
GUT (1,9)
Ausgabe
6/2013
13JE01
Im Test:
13 E-Book-Reader
Fest zwischen Buchdeckeln
Neue Biografien über
aussergewöhnliche
Frauen
Neue Bücher zu und
über Weihnachten
Seite 14
Weil Essen und Kochen jetzt so wichtig sind, widmen
wir das «Spezial» im Mittelteil dieser letzten Ausgabe
2013 ganz dem Kochbuch: Auf acht Seiten möchten
wir Sie zu neuen Abenteuern in der Küche inspirieren.
Aber natürlich dreht sich dieses «Books» nicht allein
um die schönste Hauptsache der Welt, das Essen. Wie
es sich gehört, tischen wir Ihnen zum Jahreswechsel
ein vielfältiges und originelles Menü auf: Wir machen
Ihnen moderne Poesie schmackhaft, servieren Ihnen
Hinweise auf neue Bildbände und tragen ein reichhaltiges Buffet aus Belletristik und Sachbuch auf.
Und natürlich gibt es auch ein feines Dessert für die
jüngsten Leserinnen und Leser: süss-saure Geschichten zum Gruseln.
PREISLEISTUNGSSIEGER
Aus dem Rahmen
Anders als manche Köchinnen und Köche sind wir
auch nicht betupft, wenn Sie nach unserem Menü
noch lange nicht satt sind – im Gegenteil: Wir freuen
uns, wenn Ihnen dieses «Books» Appetit macht auf
viel mehr. Und gern versichern wir Ihnen: In unseren
Filialen finden Sie etwas für jeden kleinen und grossen Lesehunger.
Kochbücher-Spezial
Genussvolle Vorfreude
Seite 23
Ihr Michele Bomio
CEO Orell Füssli Thalia AG
Seite 20
4Notizen
10 «Die Leserschaft soll Entdeckungen machen können»
Interview mit Roger Perret,
Herausgeber der Anthologie
«Moderne Poesie in der
Schweiz»
18 Im Schaufenster
«Traumsammler» von
Khaled Hosseini
32 Kaffeepause Die Debatte
36 Fantastisch!
Fantasy-Neuerscheinungen
38 Im Schaufenster
«F» von Daniel Kehlmann
40 In Büchern und in Schönheit
schwelgen
Neue Bildbände
46 Kinderwelt
Wohlige Gänsehaut
48 Kreuzworträtsel
49 Veranstaltungen
50 Kolumne
Darum schreibe ich – von
Sunil Mann
Impressum
Jetzt in allen Orell Füssli und Thalia
Buchhandlungen erhältlich.
Herausgeber:
Orell Füssli Thalia AG, Dietzingerstrasse 3, Postfach, 8036 Zürich
Gesamtherstellung: Media Tune AG, Zürich
Redaktion: Die Blattmacher GmbH, Zürich
Gestaltungskonzept/Layout: Strichpunkt GmbH, Winterthur
Coverfoto: Michael Tran
Die nächste Ausgabe von Books, dem Magazin der Orell Füssli Thalia AG,
erscheint im März 2014. Sie erhalten Books kostenlos in jeder Filiale.
Preisänderungen vorbehalten.
Alle so gekennzeichneten Bücher sind auch als eBook erhältlich.
4 | NOTIZEN
NOTIZEN | 5
Books Nr. 4/2013
Notizen
Marius Leutenegger
Erfundene Biografien, die in vergange-
Leute, die das mögen,
mögen auch ...
nen Epochen angesiedelt sind? Eine
besonders geglückte hat Arturo PérezReverte verfasst. Bekannt wurde der
Spanier mit Romanen, die ein wenig an
die Werke von Alexandre Dumas
erinnern. Seine in der Heimat überaus
erfolgreichen Erzählungen um den
Helden Diego Alatriste könnte man zum
Beispiel als klassische Mantel-undDegen-Geschichten im Stile Dumas
bezeichnen. Und Pérez-Revertes
berühmtestes Buch heisst gar «Der Club
Dumas»; Roman Polanski verfilmte es
unter dem Titel «Die neun Pforten» mit
Johnny Depp in der Hauptrolle. Das
neue Buch des Spaniers ist aber ganz
anders als seine bisherigen Abenteuergeschichten und Thriller. «Dreimal im
Leben», erschienen im Insel-Verlag,
erzählt die faszinierende Liebesge-
Nachtrag zu unserem Beitrag über Graphic Novels im letzten «Books»: Bei Galiani Berlin
ist ein Buch dieses Genres erschienen, das eigentlich in keiner Bibliothek fehlen darf. «The
Graphic Canon, Band 1» präsentiert auf über 250 Seiten die wichtigsten Werke der frühen
Literaturgeschichte in Comicform – vom Gilgamesch-Epos bis zu «Gefährliche Liebschaften». Manche Beiträge stammen von legendären Zeichnern wie Robert Crumb oder Will
Eisner, andere von den Schöpfern berühmter Superhelden-Comics, wieder andere von
Künstlerinnen und Künstlern aus der alternativen Comicszene. Die Stile sind so vielfältig
wie die Werke, die in Bildern erzählt werden. Band 1 von «The Graphic Canon» ist damit
nicht nur ein guter Führer durch die Welt der Literatur, sondern auch eine sorgfältig editierte Anthologie der Graphic Novels. Wir freuen uns bereits auf die Fortsetzung.
schichte zwischen Max Costa und
Mecha Inzuna. Sie begegnen einander
zum ersten Mal auf einem Luxusdampfer und in einer glanzvollen Epoche; er
arbeitet als Eintänzer
für gelangweilte
Gattinnen, sie ist die
wunderschöne junge
Ehefrau eines berühm-
Es gibt Biografien, die sich exakt an einem
Lebenslauf ausrichten; es gibt literarische
Annäherungen an Personen, die wirklich
gelebt haben – auf diesem Parkett bewegen
sich zum Beispiel Eveline Hasler oder Alex
Capus; und dann gibt es auch noch Biografien, die höchst authentisch wirken, aber
Fiktion sind. Ein aktuelles Beispiel
dafür ist der neue Roman «Das
Wesen der Dinge und der Liebe».
Erschienen ist er bei Bloomsbury
Berlin, und verfasst hat ihn Eliza­
beth Gilbert, die Autorin von «Eat
Pray Love». Auf 700 Seiten erzählt
die US-Amerikanerin die Geschichte von Alma Whittaker, einer Botanikerin, die im 19. Jahrhundert
nicht gelebt hat – aber damals genau so wie beschrieben hätte leben
können, denn die Vita der erfundenen Botanikerin ist sorgsam in ein präzise recherchiertes historisches Umfeld eingewoben.
Elizabeth Gilbert lässt in ihrem Roman viele historisch verbürgte Nebenfiguren auftreten und unzählige Reiseberichte sowie
tatsächliche Geschehnisse einfliessen. Man
wünschte sich, alle Biografen hätten sich so
umfassend mit ihrem Thema befasst. Und
alle würden so unterhaltsam und berührend schreiben. Denn das Schicksal von
Alma Whittaker geht einem ans Herz und
unter die Haut: Im 19. Jahrhundert gab es
viele Frauen wie sie, die im
männlich dominierten Wissenschaftsbetrieb keine Lorbeeren erringen konnten,
aber dennoch mit Mut, Neugier und unerschütterlichem
Glauben daran, das Richtige
zu tun, das Wissen der Welt
mehrten. Das 19. Jahrhundert war eine Zeit, in der die
Wissenschaft noch nicht in
einem Elfenbeinturm stattfand, sondern vor der Haustür – und eine
Zeit, in der jemand wie Charles Darwin
eine ganze Generation beeinflussen konnte. Wer in diese faszinierende Epoche reisen möchte, bekommt mit Gilberts neuem
Buch eine gültige Fahrkarte.
ten Tangokomponisten.
Die Liebe, die beide wie
ein Blitz trifft, können sie aber nicht
leben. Auch die zweite Chance, Jahrzehnte später, bleibt ungenutzt. Doch
man begegnet sich immer dreimal im
Leben, sagt uns Pérez-Reverte. Finden
die alt gewordenen Liebenden beim
neuerlichen Aufeinandertreffen doch
noch ihr Glück? Beim Lesen dieses
Romans würde man gern immer wieder
ausrufen: Ach, ist das schön! Nämlich
schön traurig, schön elegant, schön
nostalgisch und schön sentimental. Und
zuweilen – für alle, die so etwas mögen
– auch schön langsam und ausführlich.
Ein Liebesroman vor allem auch für
Männer; denn mit Max, diesem heruntergekommenen, aber noch immer
würdevollen Lebemann, identifiziert
man sich leicht.
Am 28. Januar ist es genau 1200 Jahre her,
seit Karl der Grosse – oder besser: Charlemagne – in Aarchen starb. Der erste Kaiser des Mittelalters prägte Europa wie nur
wenig andere Individuen; die Franzosen
und die Deutschen führen ihre Nationalgeschichte auf ihn zurück, und auch die heutige Schweiz gehörte gänzlich zum riesigen Reich des Karolingers. Auch wenn Karl
nur wenige persönliche Beziehungen zum
Gebiet der Schweiz hatte, prägte er Städte wie St. Gallen, Chur und Zürich stark. In
Zürich galt er gar als Begründer des Grossmünsters; eine riesige Statue am Turm
zeugt von der Idealisierung, welche der
legendenumrankte Kaiser hier erfuhr. Gegenwärtig zeigt das Landesmuseum in Zürich auch eine grosse Ausstellung über
Karl. Und im Benteli-Verlag ist ein bemerkenswerter Bildband über «Die Zeit Karls
des Grossen in der Schweiz» erschienen.
Sollen nur Historiker so etwas lesen? Auf
keinen Fall! Das herrlich illustrierte Buch
lässt einen tief eintauchen in eine Zeit, als
die Schweiz noch nicht Schweiz, ja noch
nicht einmal Eidgenossenschaft war, es dokumentiert den Beginn des Mittelalters –
und ist ein spannender Führer durch eine
Epoche, die von einer anziehenden Aufbruchstimmung geprägt war.
Sie kennen das: Man hat gehofft, ein Buch
ginge nie zu Ende, weil es einem so gefallen
hat – aber irgendwann ist die letzte Seite
dann doch gelesen. Zum Glück kann man
sich in solchen Momenten an Fachleute
wenden, die einem ein Buch mit vergleichbaren Qualitäten empfehlen. Eine solche
Fachfrau ist die Bernerin Céline Tapis. Nach
der Matura absolvierte
die heute 21-Jährige eine
Buchhändlerlehre; mittlerweile arbeitet sie zu 50
Prozent bei Stauffacher
und studiert an der Universität Bern Germanistik sowie Religionswissenschaft. «Sie mochten
den 2009 erschienenen
Roman ‹Zwei an einem
Tag› von David Nicholls?
Er war ein grosser Erfolg,
weil er eine ungewöhnliche Liebesgeschichte auf
ungewöhnliche Weise erzählt. Hauptfiguren sind
die eher introvertierte Emma und der Partygänger Dexter. Nicholls beschreibt immer
den 15. Juli jedes Jahrs von 1988 bis 2007,
einmal aus der Sicht von Dexter, einmal aus
der Perspektive von Emma. Die beiden lernen einander am Ende des Studiums kennen, verlieren einander wieder aus den Augen, haben andere Partner und kommen
dann doch noch zusammen. Da wir immer
nur eine Bestandesaufnahme vom 15. Juli
haben, erfahren wir viele Details nicht oder
müssen wir uns manches selber zusammenreimen; das macht ebenso den Reiz
dieser Geschichte aus wie ihr ungewöhnliches Ende. Wem dieser Roman gefiel, der
wird vermutlich auch ‹Die Kunst, Schluss
zu machen› von Anna Stothard mögen. Die
Autorin stammt wie Nicholls aus England,
und ihre Protagonisten ähneln jenen von
‹Zwei an einem Tag›. Die eher introvertierte
Eva findet, man lerne einen Partner erst
dann wirklich kennen, wenn man sich von
ihm trenne. Seit drei Jahren ist sie mit Luke
zusammen, was für sie persönlichen Rekord bedeutet; nun überlegt sie sich, ob es nicht
allmählich Zeit für eine
Trennung wäre. Doch
dann kommt Grace ins
Spiel. Eva merkt, dass sich
Luke hervorragend mit
Grace versteht, und erstmals scheint es denkbar,
dass sie selber verlassen
wird. Dem will Eva zuvorkommen, und sie setzt
sich selber unter Druck,
mit Luke Schluss zu machen ... Beide Liebesgeschichten, jene von Nicholls und jene von
Stothard, sind untypisch und alles andere
als kitschig. Bei beiden stehen zwei Liebende im Zentrum, die nicht richtig zueinander
zu passen scheinen, aber eben doch irgendwie zusammengehören. Während bei ‹Zwei
an einem Tag› vor allem die Form aussergewöhnlich ist, finde ich bei ‹Die Kunst,
Schluss zu machen› die Sprache bemerkenswert. Stothard, von der auch der erfolgreiche Roman ‹Pink Hotel› stammt,
schlägt einen jungen, frischen Ton an und
schafft es, dass man auch bei traurigen Stellen lachen muss. Vieles bringt sie exakt auf
den Punkt, anderes lässt sie im Verschwommenen – das verleiht ihrem Buch viel Atmosphäre.»
6 | NOTIZEN
Ja hrestage
Vor 50 Jahren – am 22. November 1963 –
starb Aldous Huxley. Der Brite, der in den
Vereinigten Staaten lebte, gilt als einer der
Pioniere der Dystopie. Dieser Begriff bezeichnet Erzählungen, die in der Zukunft
spielen und ein pessimistisches Gesellschaftsbild zeichnen; Dystopien sind also
das Gegenstück zu Utopien, den optimistischen Zukunftsdarstellungen, und momentan sind sie äusserst beliebt, wie der
durchschlagende Erfolg der «Panem»-Trilogie zeigt. Huxley steuerte zum Genre den
Klassiker «Brave New World» bei: Im Jahr
2540 wird die Menschheit von einer Weltregierung beherrscht. Dank künstlicher
Fortpflanzung, der absoluten Kontrolle
und ständiger Manipulation aller ist die
Gesellschaft mittlerweile perfekt. Eine
Konsumideologie beherrscht alles. Nur in
kleinen Reservaten leben Menschen noch
wie einst – sie machen Kinder, lieben und
streiten sich, altern. John aus dem Reservat gelangt in die «Schöne neue Welt», und
damit bahnt sich eine Katastrophe an. Vieles an diesem 1932 erstmals erschienenen
Roman erscheint uns heute prophetisch,
und darum lohnt es sich sehr, ihn wieder
einmal zu lesen. Gerade hat ihn Fischer
Taschenbuch in einer brandneuen Übersetzung wieder herausgebracht.
Schreibt
man
eine Geschichte
der Ratgeberliteratur,
muss
man wohl dem
US-Amerikaner
Dale Carnegie
ein Extrakapitel
widmen – denn
er ist einer der
wichtigsten Vertreter dieses Genres. Erstaunlicherweise jährt sich sein Geburtstag am 24. November bereits zum 125.
Mal; Carnegie war also schon als Ratgeber
erfolgreich, als es die gesamte ConsultingBranche noch gar nicht richtig gab und
man eine Abteilung «Besser Leben» in den
meisten Buchhandlungen wohl vergeblich
gesucht hätte. Carnegie kam 1883 in Missouri zur Welt, liess sich zum Lehrer ausbilden und zog dann nach New York, wo er
als Lastwagenverkäufer arbeitete – und ab
1912 im Christlichen Verein Junger Männer Kurse in freiem Reden gab. Carnegie
vermittelte dabei vor allem, wie wichtig
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Books Nr. 4/2013
eine positive Lebenseinstellung ist. Das
kam an, und ab 1926 begann Carnegie,
seine Ratschläge auch in Buchform zu veröffentlichen. Den grossen Durchbruch
schaffte der Vater des positiven Denkens
dann 1937 mit dem Bestseller «Wie man
Freunde gewinnt». 1948 wiederholte er
seinen Welterfolg mit «Sorge dich nicht –
lebe!». Dass der 1955 verstorbene Carnegie nicht einfach den Zeitgeist bediente wie
so viele Beratergurus nach ihm, beweist
allein die Tatsache, dass seine Werke wieder und wieder aufgelegt werden und zu
den ewigen Bestsellern des Buchhandels
gehören. Auf Deutsch erscheinen sie bei
Fischer Taschenbuch.
Am 7. Dezember ist es 75 Jahre her, seit
Friedrich Glauser starb. Er gilt als ein Pionier der Schweizer Kriminalliteratur, und
seine Biografie
liest sich selber
wie ein Roman:
Der 1896 zur
Welt gekommene Hochbegabte
brach ein Chemiestudium in
Zürich ab und
wurde 1917 Mitglied der Dada-Szene in Zürich; der Vater,
dem der Lebenswandel des Sohns nicht
passte, liess Glauser entmündigen; wegen
seines Morphin-Konsums und Schulden geriet der junge Mann fortan immer wieder in
Konflikt mit dem Gesetz; er wurde mehrmals verhaftet und immer wieder in Heilanstalten interniert. In den 1920er-Jahren
ging Glauser zur Fremdenlegion, danach
arbeitete er in einem Kohlenbergwerk in
Belgien, war Hilfsgärtner in der Schweiz
und versuchte, sich als freier Schriftsteller
in Paris durchzuschlagen. In der psychiatrischen Klinik Münsingen verliebte sich Glauser schliesslich in eine Pflegerin, die er in
Italien heiraten wollte – doch bürgerliches
Glück war ihm nicht vergönnt: Er starb am
Tag vor der Eheschliessung in der Gegend
von Genua. In den letzten drei Lebensjahren
verfasste Glauser fünf Romane um den
knorrigen Wachtmeister Studer. Bereits
1939, ein Jahr nach Glausers Tod, wurde
erstmals einer davon verfilmt: «Wachtmeister Studer» mit dem unvergleichlichen
Heinrich Gretler in der Titelrolle. Seit 1992
erscheint Glausers Gesamtwerk im Limmat-
Was lesen Sie
gerade?
Verlag; dieser hat jetzt auch den Film «Glauser» veröffentlicht, eine «magische Entdeckungsreise zum zwischen Rebellion und
Resignation pendelnden Schriftsteller».
Film anschauen – oder noch besser: Glauser
lesen!
Ein anderer Schriftsteller, der wegen seiner Morphin-Sucht immer wieder Ärger
hatte, war William S. Burroughs. Er wäre
am 5. Februar 100 Jahre alt geworden.
Burroughs gilt als einer der wichtigsten
Autoren der «Beat Generation». Auch sein
Leben ist wahrer Filmstoff. Auf einer Farm
in Texas pflanzte Burroughs Marihuana
an, um seine Drogensucht zu finanzieren.
Die Sache flog auf, und er musste mit seiner Familie nach Mexiko flüchten. Dort tötete er im Suff seine Frau – er wollte eine
Szene aus Schillers «Wilhelm Tell» nachspielen und ihr ein Glas vom Kopf schiessen. Darauf reiste Burroughs durch Südamerika, machte neue Drogenerfahrungen
und verarbeitete diese im Roman «Junkie». Den Durchbruch brachte schliesslich
das Buch «Naked Lunch»; Burroughs hatte
dafür die Cut-Up-Technik entwickelt, bei
der die Manuskriptseiten zerschnitten und
beliebig neu zusammengesetzt werden.
Diese Technik machte «Naked Lunch» zu
einer Art Bibel der frühen Popkultur. Im
«Verlag der Buchhandlung König» ist jetzt
eine lesenswerte Biografie über Burroughs
erschienen: «Cut».
Und zum Schluss noch ein Jahrestag, den
der Betreffende auch selber feiern kann:
Leon de Winter wird am 26. Februar 2014
60 Jahre alt. Der Jubilar gehört zu den erfolgreichsten
niederländischen Autoren, doch unumstritten ist er nicht – vor
allem, weil er sich in Blogs
und Meinungsbeiträgen sehr
dezidiert zu politischen und
gesellschaftlichen Themen
äussert und sich zum Beispiel gern auf Barack Obama
oder den Islamismus einschiesst. Viele seiner Romane tragen klar autobiografische
Züge, so auch das neueste turbulent-ironische Werk «Ein gutes Herz», das bei Diogenes erschienen ist. Eine wichtige Rolle
spielt darin auch der ermordete Filmemacher Theo van Gogh, der zu Lebzeiten ein
Intimfeind von de Winter war.
Marc Surer, Formel-1-Experte
und ehemaliger Rennfahrer:
«Als Rennfahrer
bekommt man immer MotorsportBücher geschenkt.
Sie türmen sich
ungelesen in meinem Keller, ich
lese zum Sport nur
technische Literatur. Meine Lieblingsbücher handeln von
Quantenphysik und Raumfahrt. Aber man
kann ja nicht nur so schwere Sachen lesen
– vor allem, wenn man in Spanien am Pool
liegt! So habe ich diesen Sommer schon
Martin Suters ‹Allmen und die Dahlien› in
zwei Tagen verschlungen. Im Moment lese
ich John Grishams neustes Buch: ‹Das
Komplott›.
Ein schwarzer Anwalt sitzt für zehn Jahre
im Knast, weil er sich unbewusst auf ein
Geschäft mit Geldwäscherei einliess. Fünf
Jahre hat er schon hinter sich; er hat in
dieser Zeit einigen Mithäftlingen bei ihren
Berufungsverfahren helfen können. Als ein
berühmter Staatsanwalt ermordet wird,
glaubt er den Mörder zu kennen. Er bietet
dem FBI einen Deal an: den Namen des
Mörders gegen seine Freilassung und eine
neue Identität.
Dieses Buch fasziniert mit den Einblicken
in die amerikanische Justiz. Die USA haben pro Kopf die höchste Anzahl von Strafgefangenen aller demokratischen Staaten.
Ich weiss noch nicht, wie die Geschichte
ausgeht, aber sie reisst mich mit. Da schon
einige der John-Grisham-Romane verfilmt
wurden, bin ich sicher: Das ist perfektes
Filmmaterial. In der Hauptrolle könnte ich
mir Will Smith oder Denzel Washington
vorstellen. Hoffentlich kommt dieses faszinierende Buch bald ins Kino!»
Das Komplott
John Grisham
447 Seiten
CHF 35.90
Heyne
Im Mai 2010 prangte auf der Titelseite
von «Books» ein Zitat von Henning
Mankell: «Das ist wirklich der letzte!»
Der schwedische Schriftsteller bezog sich
damit auf seinen Roman «Der Feind im
Schatten», den zehnten und ausdrücklich
letzten um den beliebten Kriminalkommissar Kurt Wallander. Doch jetzt ist bei
Zsolany ein weiterer Wallander-Krimi
erschienen: «Mord im Herbst». Ist der
Schriftsteller wortbrüchig geworden?
Kann er, wie einst Muhammad Ali oder
heute die Rolling Stones, einfach nicht
aufhören? Mitnichten. «Diese Geschichte
wurde vor vielen Jahren geschrieben»,
hält der Autor in einer Nachbemerkung
fest. 2004 wurde in Holland eine Aktion
zur Förderung des Buchs durchgeführt:
Jeder, der in einem bestimmten Monat
einen Krimi kaufte, erhielt dazu eine
Erzählung geschenkt. Mankell war
angefragt worden, ob er diese Erzählung
schreiben wolle, und als grosser Bücherfreund hatte er zugesagt. So entstand
«Mord im Herbst». 2013 erschien der Text
erstmals im schwedischen Original, jetzt
liegt er auch auf Deutsch vor. Dass es sich
nicht um einen regulären WallanderRoman handelt, sieht man schon von
weitem: Das Buch ist gerade einmal ein
Viertel so dick wie üblich. Doch der
Kurzkrimi enthält alles, was WallanderFans wünschen. Der Kommissar ist
wieder einmal besonders schlecht
gelaunt, will eigentlich nur seine Ruhe
– doch dann findet er in einem Garten
eine Hand ... Alle, die aufgrund dieser
Neuerscheinung auf eine neue WallanderWelle hoffen, werden vom Meister persönlich enttäuscht: «Weitere Erzählungen
über Wallander gibt es nicht», hält
Mankell unmissverständlich fest. «In
meinem Alter werden die Grenzen enger.
Ich muss mich immer klarer entscheiden,
was ich nicht tue.» Der allerletzten
Geschichte wird also keine definitiv letzte
folgen.
Jetzt
als
Tablet
tolino tab 7" (Fr. 229.–)
oder 8.9" (Fr. 329.–)
erhältlich in allen
Orell Füssli und Thalia
Buchhandlungen
8 | NOTIZEN
NOTIZEN | 9
Books Nr. 4/2013
And the Price goes to ...
Märchen, Magie,
... und ausserdem
Trudi Gerster –
Es soll ja Leute geben, die können gar
mehr sein ohne digitale Hilfsmittel.
und Orell Füssli im nicht
Die informieren sich einzig via Smartphone über die Welt, schreiben Nachrichten
Landesmuseum
Bei der Orell Füssli Thalia AG hat es in letzter Zeit viel zu feiern gegeben – zum Beispiel
die Gewinnerinnen und Gewinner unserer Wettbewerbe.
nur noch auf zweidimensionalen Tasten,
Das sind die Gewinner:
führen einen elektronischen Kalender
und lesen auch alle Bücher ausschliesslich auf dem eReader. Noch immer gibt es
1. Angela Heller, Zürich
2. Ruth Schuler, Wädenswil
3. Caroline Papaux, Zug
4. Verena Nüesch, Zürich
5. David Seeger, Au
6. Daniel Wenger, Zürich
7. Heather Scheidegger, Benglen
8. Jürg Lüthy, Wetzikon
9. Irene Fink, Zürich
10. Rahel Blessing, Uster
Und diese Bücher wurden von den
Wettbewerbsteilnehmenden am häufigsten als beliebteste Titel der letzten
20 Jahre genannt:
1. Harry-Potter-Reihe
J.K. Rowling
Kriminacht zur Feier des Kramhofs – mit TV-Richterin Barbara Salesch,
Bestseller-Autorin Ingrid Noll und Forensikerin Lydia Benecke.
2. Drachenläufer
Khaled Hosseini
3. Der Schatten des Windes
Carlos Ruiz Zafón
4.Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und
verschwand
Jonas Jonasson
5.Nachtzug nach Lissabon
Pascal Mercier
alte Handschrift und eine Zetteli-Wirtschaft unersetzlich sind. Damit sich der
moderne Mensch in diesen Bereichen
nicht verloren fühlt, bringt ihm das neue
iMEMO-Magnetbrett das gewohnte digitale Umfeld in die analoge Welt. Das 15
auf 20 Zentimeter grosse Brett sieht aus
Vom 10. Januar bis 11. Mai 2014 zeigt das
Landesmuseum Zürich die Wechselausstellung «Märchen, Magie und Trudi Gerster», die von Orell Füssli begleitet wird.
Die Sonderschau richtet sich gleichermassen an Kinder, Eltern und Grosseltern –
denn Märchen sind nicht nur zeitlos, sie
wirken auch über alle Generationengrenzen hinweg. Zu sehen gibt es in der Ausstellung wertvolle historische Originalmanuskripte, Gemälde, Filmausschnitte,
reich illustrierte Bücher oder Märchenbilder aus der aktuellen Kunst. Und zu hören
bekommen alle grossen und kleinen Besuchenden die Märchenfee schlechthin: Trudi Gerster, die an der Landesausstellung
1939 erstmals als Märchenerzählerin engagiert wurde und bis zu ihrem Tod im
vergangenen April auf unvergleichliche
Art von verzauberten Fröschen, schönen
Prinzessinnen, klugen Zwergen oder alten
Fischern erzählte. Dass Trudi Gerster ein
Monument der Schweizer Erzählkultur
ist, beweist die Ausstellung selbst: Noch
keine Märchenerzählerin ist so umfassend
in einer Schau geehrt worden.
7.Shantaram
Gregory D. Roberts
8.Am Hang
Markus Werner
9.Die Vermessung der Welt
Daniel Kehlmann
10.Léon und Louise
Alex Capus
wie ein Tablet – und die vier Magnete, mit
denen man Eintrittskarten, den Einkaufszettel oder eine Visitenkarte dingfest ma-
chen kann, zeigen die Logos vier beliebter
Apps. Das Brett lässt sich mittels Kartonsteller elegant auf dem Pult platzieren.
6.Millennium-Trilogie
Stieg Larsson
Natürlich eignet sich dieses Produkt nicht
nur für iPad-Junkies – sondern für alle,
© KEYSTONE/Archiv Migros Genossenschafts-Bund
Theo ist das Maskottchen der «Kinderwelt»: Hünenhaft, aber trotzdem unbedrohlich steht der Braunbär vor der Bücherabteilung für
die jüngsten Kundinnen und Kunden. Seit einiger Zeit gibt es Theo
auch zum Nachhausenehmen als kuschelige Plüschfigur. Und in
diesem Sommer war der kleine Theo auch Star eines Wettbewerbs:
Wir baten alle Buben und Mädchen, uns das schönste Ferienfoto mit
ihm zu schicken. Alle zwei Wochen wählten wir aus den Einsendungen Etappensieger aus, die je einen Büchergutschein über 20 Franken erhielten. Am Ende nahmen die insgesamt 16 Etappensieger
am grossen Finale teil, bei dem es noch einmal eine Geschenkkarte
im Wert von 200 Franken zu gewinnen gab. Gesamtsiegerin wurde
die 6-jährige Vanessa Nannt mit ihren beiden Geschwistern Alexander und Leticia aus Frauenfeld – mit einem herzigen Bild, auf dem
Vanessa Theo gerade den Bodensee zeigt. Zum Hauptpreis gehörte
auch ein Foto-Shooting mit dem grossen Theo in der Filiale Marktgasse in Winterthur.
In diesem Herbst feierte der Kramhof, das Flaggschiff von Orell
Füssli, ein grosses Jubiläum – es ist nämlich genau 20 Jahre her, seit
die damals einzige Buchhandlung des Unternehmens von der Pelikan- an die Füsslistrasse zog, eben in jenes altehrwürdige, aber
rundum modernisierte Gebäude namens «Kramhof». Der Geburtstag wurde auf vielfältige Weise gefeiert: mit einem Krimiabend, an
dem Bestseller-Autorin Ingrid Noll, TV-Richterin Barbara Salesch
und die Forensikerin Lydia Benecke teilnahmen, mit einer Kinderparty, einer Ausstellung – und einer grossen Sonderbeilage im «Tages-Anzeiger». In dieser Publikation präsentierten wir auf einer
Doppelseite «20 Bücher aus 20 Jahren», einen Überblick über jene
Neuerscheinungen, die seit der Eröffnung des Geschäfts am meisten zu reden gaben. Natürlich wollten wir von allen Leserinnen und
Lesern wissen, welches denn für sie das wichtigste Buch in dieser
Zeit war. Unter allen Einsendungen verlosten wir – neben neun
Büchergutscheinen im Wert von je 100 Franken – einen exklusiven
Event: Wir öffneten den ganzen Kramhof von 20 bis 24 Uhr allein
für die Wettbewerbsgewinnerin und eine Begleitperson. Die beiden
durften nach Herzenslust stöbern und alles einpacken, was ihnen
gefiel – denn zum Hauptpreis gehörte auch ein Büchergutschein im
Wert von 500 Franken.
aber ein paar Bereiche, in denen die gute
die modernes Design und eine witzige
Idee schätzen. Erhältlich in den meisten
Filialen von Orell Füssli und Thalia.
iMEMO-Magnetbrett
15 x 20 Zentimeter
mit 4 App-Magneten und einem magnetischen
Filzstift
CHF 19.90
10 | Interview
Interview | 11
Books Nr. 4/2013
«Die Leserschaft soll
Entdeckungen
machen können»
Die neue Anthologie «Moderne Poesie in der Schweiz» bietet mit über 500 Texten von
250 Autorinnen und Autoren einen faszinierenden Überblick über das hiesige lyrische
Schaffen seit 1900. «Books» sprach mit dem Herausgeber Roger Perret über diesen prächti­
gen und ungewöhnlichen Sammelband, der als neues Referenzwerk bezeichnet werden kann.
Markus Ganz
Erik Brühlmann
«Books»: Sie waren Mitherausgeber des
2010 erschienenen Hörbuchs «Wenn ich
Schweiz sage ...», das moderne Schwei­
zer Lyrik im Originalton vorstellte. Hat
diese viel beachtete Veröffentlichung
die Entstehung der aktuellen Antholo­
gie «Moderne Poesie in der Schweiz»
beeinflusst?
Roger Perret: Ja, das Hörbuch war
der Auslöser für die Anthologie. Denn
fürs Hörbuch konnten Mitherausgeber
Ingo Starz und ich nur Autorinnen und
Autoren berücksichtigen, von denen wir
Originalaufnahmen fanden. Von vielen,
die ebenfalls auf unserer Wunschliste
standen, gab es jedoch keine Tondokumente. Diese Autoren bildeten die Basis
für die aktuelle Anthologie, die ich schon
länger im Hinterkopf hatte. Doch mich
interessierte noch ein anderer Aspekt,
eine Anthologie zusammenzustellen: Beim
Hörbuch konnte ich die meiner Meinung
nach unterschätzten Wort- und Schriftbilder logischerweise nicht aufnehmen.
Jetzt sind sie berücksichtigt. Sie sind wohl
für viele eine Entdeckung, denn bislang
wurden Wort- und Schriftbilder kaum zur
Lyrik gezählt.
vorzugehen. Damit ein Text aufgenommen
wurde, musste mich seine literarische
Qualität überzeugen; ich wollte aber nicht
von der Schönheit oder Bekanntheit einzelner Gedichte ausgehen, der Kontext, in
dem ein Gedicht steht, war mir mindestens so wichtig wie das Gedicht selbst.
Ich habe auch kaum bekannte Gedichte
Es gibt also wegen eines unterschiedli­
chen Ansatzes keine Überschneidungen
mit dem Hörbuch?
Kein einziges Gedicht ist in beiden Werken zu finden! Diese Trennung kristallisierte sich allerdings erst bei der Arbeit
an der Anthologie heraus. Ich entschied
mich, bei der Auswahl anders als üblich
ausgewählt – denn ich wollte, dass die
Leserschaft Entdeckungen machen kann.
Auch vergessene und unterschätzte
Dichter sollten ins Licht rücken. Aus all
diesen Gründen sind nun viele Autorinnen
und Autoren erstmals überhaupt in einer
Lyrik-Anthologie vertreten; einige von
ihnen gar mit mehreren Arbeiten.
«Bislang wurden
Wort- und Schrift­
bilder kaum zur
Lyrik gezählt –
jetzt sind sie be­
rücksichtigt.»
Hat die starke Gewichtung des Kontexts
zum eher unkonventionellen Aufbau der
Anthologie geführt?
Ja. Die Anthologie ist nicht wie üblich
streng nach Autoren, Chronologie oder
Sprachen aufgeteilt. Ich wollte diese
Gliederung durchbrechen, um Verwandtschaften und Unterschiede aufzeigen zu
können, etwa zwischen dem französischsprachigen Blaise Cendrars und Robert
Walser. Um einen Bezug herzustellen,
muss man die Texte neben- und nacheinander präsentieren; darum gliederte
ich die Anthologie in thematische und
stilistische Kapitel, die trotzdem einer ungefähren Chronologie folgen. Ich legte in
den einzelnen Kapiteln dann die Gedichte
der Vorauswahl nebeneinander und überlegte, welche «miteinander sprechen»,
was schliesslich zur endgültigen Auswahl
führte. Manchmal musste ich ein «schöneres» Gedicht zugunsten eines anderen
weglassen, das im Zusammenhang besser
funktioniert.
Hatten Sie von Beginn weg den An­
spruch, mit dieser Anthologie die Breite
und Vielfalt der modernen Schweizer
Lyrik aufzuzeigen?
Ja, denn es gab bisher nur eine Anthologie von allen vier Schweizer Literaturen:
jene von Bernd Jentzsch, die 1977 publiziert wurde. Dort sind allerdings nur die
rätoromanischen Texte übersetzt, während bei meiner Anthologie alle fremdsprachigen Gedichte übertragen sind. Ich
wollte zudem den Fokus auf die moderne
Roger Perret
Roger Perret wurde 1950 in Zürich geboren. Er studierte Philosophie, Literaturkritik und Komparatistik in Zürich. Heute
arbeitet er als Projektleiter Literatur bei
der Direktion Kultur und Soziales des
Migros-Genossenschafts-Bunds in Zürich.
Die Anthologie «Moderne Poesie in der
Schweiz» entstand im Auftrag des MigrosKulturprozentes.
Roger Perret befasst sich gern mit
Aussenseiterfiguren in der Schweizer
Literatur. Bekannt wurde er vor allem als
Herausgeber der Werke von Annemarie
Schwarzenbach und Alexander Xaver
Gwerder, er publizierte aber auch Bücher
mit Texten von Hans Morgenthaler,
Nicolas Bouvier, Annemarie von Matt und
Sonja Sekula. Zusammen mit Mitherausgeber Ingo Starz veröffentlichte Roger Perret
im Auftrag des Migros-Kulturprozentes
2010 das Hörbuch «Wenn ich Schweiz
sage ... Schweizer Lyrik im Originalton von
1937 bis heute». Es bietet auf zwei CDs
vorwiegend unveröffentlichte Aufnahmen
von modernen Gedichten in acht Sprachen
sowie die Textfassungen.
12 | Interview
Interview | 13
Books Nr. 4/2013
«Erstaunlich viele
der in der Antho­
logie vertretenen
Autoren wie Louis
Soutter oder Paul
Klee haben gar nie
einen Gedichtband
veröffentlicht.»
In der Anthologie sind auch Wort- und Schriftbilder
vertreten. Jenes links stammt von Sonja Sekula, heisst
«Prière à A» und entstand 1961. Das Wort- und Schriftbild
rechts ist ein Werk von Maja Bosshard: «Love is all».
© Edition 8, Zürich 2003.
Poesie setzen und berücksichtigte deshalb
nur wenige traditionelle oder epigonal
wirkende Gedichte.
Was zeichnet denn die Modernität der
Gedichte aus?
Es gibt keine klare Definition. Ein Kriterium für die Auswahl war für mich, dass
man in den Gedichten eine Auseinandersetzung mit der internationalen Moderne
spürt, etwa mit dem Surrealismus, dem
Dadaismus oder mit der konkreten Lyrik.
Es mussten keine avantgardistischen
Texte sein, aber solche, die Elemente der
modernen Poesie aufweisen. Und es sollte
auch ein gewisser Bruch festgestellt werden, etwa mit dem souverän agierenden
lyrischen Ich.
Sie beginnen das Buch mit Texten von
Blaise Cendrars, Robert Walser und
Adolf Wölfli. Verstehen Sie diese Autoren
als Begründer der modernen Poesie in
der Schweiz?
Ich wollte eine These aufstellen, wann
und mit welchen Dichtern die Moderne
hierzulande begann. Ich wählte diese
drei Autoren und setzte den Beginn der
Anthologie bei 1900 fest, weil Cendrars,
Walser und Wölfli einige Jahre später ihre
modernen Texte schufen. Mit der Wahl
von Wölfli sind vielleicht nicht alle Leute
einverstanden, weil er vor allem als Maler
sowie als Musiker bekannt ist. Man kann
sich auch fragen, ob ein schizophrener
Dichter ein guter Beweis für die Moderne
ist. Ich denke aber schon – denn manche
Aspekte der modernen Kunst und Literatur finden sich in Arbeiten von Schizophrenen und Naiven, von sogenannten
Art-Brut-Künstlern.
Tatsächlich lebten auffallend viele der
im Buch vertretenen Dichter zeitweise in
psychiatrischen Kliniken, neben Walser
und Wölfli auch Constance SchwartzlinBerberat. Warum haben Sie diese bisher
wenig bekannte Autorin zu den Grössen
gestellt?
Texte von Constance Schwartzlin-Berberat kannte ich schon seit einiger Zeit. Ich
stiess aber erst später auf die Originale
und konnte dadurch auch die ungemein
moderne Typographie entdecken, die sie
anwandte und die für mich das Wesentliche ihres Werks ausmacht. Man muss den
kalligrafisch-bildnerischen Aspekt sehen,
wie sie die Worte verteilte, die unterschiedlichen Abstände und Buchstabengrössen. Die Gedichte erhalten so einen
eigenen Rhythmus, und das verändert
auch die Lektüre – zumal man sie nicht
nur von links nach rechts liest. Ihre Arbeiten sind zudem nicht einfach Berichte
über den Klinikalltag und den Wahnsinn, sondern auch Reflexionen über die
Sprache. Dies macht das Innovative dieser
Texte aus, die Schwartzlin-Berberat um
1900 herum schrieb, also sogar noch vor
den anderen drei erwähnten Autoren.
Gehört zur modernen Poesie auch, dass
sie nicht nur klassische Lyrik umfasst,
sondern auch Prosagedichte, die Sie
auffallend stark berücksichtig haben?
Ich habe gerade bei Robert Walser festgestellt, dass seine Kurzprosa zuweilen
viel poetischer ist, als es Teile seiner Lyrik
sind. Dort gibt es nicht nur funkelnde
Meisterwerke, sondern auch schlichte
Tagesware; er hat das Banale ja selbst
thematisiert. Ich hätte es deshalb schade
gefunden, wenn ich diese gerade in
Anthologien vernachlässigte Mischform
der Prosagedichte nicht angemessen
berücksichtigt hätte. Zumal das GenreÜbergreifende gerade auch ein Zeichen
der Moderne und immer wichtiger
geworden ist.
Es war Ihnen offensichtlich ein Anliegen,
auch die Wechselbeziehung zu anderen
Künsten aufzuzeigen ...
Erstaunlich viele der in der Anthologie
vertretenen Autoren wie Louis Soutter
oder Paul Klee haben gar nie einen Gedichtband veröffentlicht. Oft, weil sie nur
in ihrer Hauptdisziplin als Maler wahrgenommen wurden oder weil sie sich gar
nicht mit Texten profilieren wollten. Bei
manchen wurde das dichterische Werk
erst nach ihrem Tod entdeckt. Solche
Künstler haben Texte geschrieben, die
sie selbst nicht unbedingt als Gedicht
bezeichneten, die sich aber durch eine
poetische Qualität auszeichnen. Denn in
diesen Texten wird oft über die Sprache
reflektiert, man spürt darin die Ausei­
nandersetzung mit der Avantgarde. Es
fällt auf, dass viele der Neuentdeckungen
aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg
als Maler und Dichter gearbeitet haben.
Sie haben alle nicht-deutschsprachigen
Texte sowohl in der Originalsprache wie
in der deutschen Übersetzung abge­
druckt. Warum?
Bei der Lyrik sind beide Versionen unabdingbar. Es geht darum, dass die Leserinnen und Leser das Verhältnis vom Original zur Übersetzung abschätzen können.
Denn man darf nicht vergessen, dass eine
Übersetzung stets nur eine Annäherung
ist. Es war aber auch eine der grössten
Herausforderungen dieses Projekts, für all
die fremdsprachigen Texte Übersetzungen
zu finden. Über hundert Gedichte mussten
neu übersetzt werden.
Weshalb haben Sie auch Gedichte in
Sprachen wie Albanisch, Jiddisch und
Englisch gewählt, die nicht zu den Lan­
dessprachen gehören?
Durch die vielen Immigranten aus aller
Welt wird es immer schwieriger, die Sprachen der Schweiz festzulegen. Die Migration ist nicht zufällig seit längerem auch
in der Literatur ein wichtiges Thema.
Eingewanderte Autorinnen und Autoren
gehören für mich zur Schweizer Literatur;
ob deren Texte auch als schweizerisch
bezeichnet werden können, hat mich
nicht primär interessiert. Sicher ist, dass
sie unsere Literatur bereichern.
Frage aufwerfen, was besser besteht.
Die Diskussion, ob Liedtexte als Lyrik
durchgehen, kennt man ja auch bezüglich Bob Dylan, der schon als Anwärter
für den Nobelpreis für Literatur gehandelt wurde. Die Frage ist: Funktionieren
Songtexte nur als Teil eines Lieds, wenn
sie gesungen und von Musik begleitet
werden, oder können sie auch für sich
allein bestehen?
Der Vorteil der Liedtexte ist, dass sie
vielen Schweizern bekannt sind ...
Ja, denn Tatsache ist, dass Lyrik etwas
für die «happy few» ist. Sehr viele Leute
hören sich aber Musik an, darunter
auch diese Songs. Dadurch erhalten sie
indirekt auch eine Beziehung zu Lyrik.
Stellen Sie in der Lyrik neuere Entwick­
lungen fest, in der sich die heutige Spra­
chenvielfalt der Schweiz widerspiegelt?
Im Spoken-Word-Bereich wird gern mit
einer grossen Sprachenvielfalt gespielt.
Mundart wird da oft mit englischen Partikeln und Worterfindungen vermengt. Michael Stauffer etwa kann mit einem Text
auf Hochdeutsch beginnen, in Mundart
fortfahren, bei der sich die Sprache immer mehr verändert, bis sie wie Türkisch
klingt, aber eigentlich ein eigenes Idiom
wird.
Was bewegte Sie dazu, auch Liedtexte
von Mani Matter über Büne Huber, Kuno
Lauener und Endo Anaconda bis zu
Sophie Hunger in die Sammlung aufzu­
nehmen?
Ich denke, dass Mani Matter das Lied als
literarische Gattung in der Schweiz salonfähig machte; seine Liedtexte wurden
ja auch in Buchform veröffentlicht. Ich
wollte diese Liedtexte auch im Kontext zu
den Spoken-Word-Texten zeigen und die
Moderne Poesie in der Schweiz
Eine Anthologie von Roger Perret
600 Seiten
CHF 53.00
Limmat
14 | Biografien
Biografien | 15
Books Nr. 4/2013
Aus dem Rahmen
Rebellisch, künstlerisch, intellektuell, politisch oder wild: Neue Bücher erzählen die bemerkens­
werten Lebensgeschichten besonderer Frauen.
Benjamin Gygax
Haben sie etwas gemeinsam – die Intellektuelle, die gern Priesterin geworden wäre
und sich zeitlebens für Frauenrechte einsetzte, und der Paradiesvogel, der nach
1968 als Künstlermuse und Edelprostituierte durch Zürichs Szene zog? Wohl kaum,
ausser dass sie beide Frauen waren und
gegen den Strom schwammen, um ihrem
Lebensentwurf treu zu bleiben. Und das ist
in beiden Fällen so interessant, dass ihnen
ein Buch gewidmet wurde. Gertrud Heinzelmann und Lady Shiva sind aber längst
nicht die einzigen Frauen, zu denen neue
gehaltvolle Monografien vorliegen: Frauenleben sind gegenwärtig ein wichtiges
Thema im Büchermarkt.
Facetten des Lebens
Wie facettenreich das Leben von Frauen in
den letzten 300 Jahren ist, zeigen zwei Bücher voller Kurzbiografien bekannter Persönlichkeiten. Soeben erschienen ist «Un­
erschrockene Frauen». Das Buch von
Dieter Wunderlich reiht sich ein in eine
Serie von Piper, in der früher schon «Ei­
genSinnige Frauen», «Verführerische
Frauen», «WageMutige Frauen» und
«AusserOrdentliche Frauen» erschienen
sind. Der Autor hat im neuesten Band Porträts von elf Persönlichkeiten aus aller Welt
verfasst, die mit ihrem unkonventionellen
Leben für Aufruhr sorgten. Die Liste reicht
von Germaine de Staël, der einzigen
Schweizerin in der illustren Runde, über
Margaret Thatcher bis zu Madonna. Auf 20
bis 30 Seiten beschreibt der Autor Leben
und Wirken der unerschrockenen Frauen
streng chronologisch, mit vielen Zitaten und
den dazugehörenden knappen Quellenverweisen. Die Beschreibungen sind übersichtlich und gut lesbar, allerdings auch etwas
trocken. Um die Frauen kennen zu lernen
und sich einen Überblick über ihre Leben zu
verschaffen, eignet sich das Buch aber gut.
Schweizer Entdeckungen
Kürzer und einiges kurzweiliger hat die Autorin Daniele Muscionico ihre Porträts in
«Starke Schweizer Frauen» gestaltet. Das
Buch erschien bereits 2011 im LimmatVerlag, ist aber ein so lesenswerter Einstieg
in die Biografien bekannter Schweizerinnen, dass es ruhig noch einmal vorgestellt
werden darf. In starken Bildern und lebendigen Szenen beschreibt die Publizistin 24
Frauenleben; sicher nicht vollständig, aber
mit sicherem Sinn für das Wesentliche und
Typische. Es gibt Porträts bekannter Frauen wie Emilie Kempin-Spyri oder Elisabeth
Kübler-Ross, aber auch von weniger berühmten, dennoch faszinierenden Frauen.
Zu entdecken ist da zum Beispiel die Lebensgeschichte von Mabel Zuppinger-Westermann, einer Dame von Welt mit österreichischen Wurzeln. 1933 half sie, die
«Weltwoche» finanziell auf die Beine zu
stellen, und 1938 gründete sie die «Annabelle», deren Redaktion sie auch leitete.
Zudem schrieb sie als «Claudine» während
vieler Jahre «lebenskluge, liebenswürdige
Beiträge über Mode, ihren Garten, über
Hunde». Im Alter zog sie sich zunehmend
zurück, 1978 starb sie «einsam und leise»,
wie eine Freundin sagte. Überraschend ist
auch die älteste Geschichte im Buch, jene
von Catherine von Wattenwyl. Die Berner
Patrizierin lebte von 1645 bis 1714 und
wollte sich nicht auf die traditionelle Rolle
der Frau beschränken. Sie liess sich im
Harnisch und mit Schwert am Gürtel malen
und politisierte für den französischen König. Als sich dessen Beziehung zu den reformierten Orten der Eidgenossenschaft
abkühlte, wurde Catherine 1689 eingesperrt und der Spionage beschuldigt. Sie
musste monatelange Haft und Folter ertragen, bis sie schliesslich wieder freigelassen
wurde.
Die Welt der Frauen
Was verbindet viele Frauenbiografien? Offensichtlich wird das auch dank jenen, welche «die Seite wechseln». In einer Tageszeitung erschien kürzlich das Porträt einer
Frau, die als Mann geboren wurde und
jahrelang ein Doppelleben führte. Als sie
endlich das Coming-out wagte, stellte sie
als hoch qualifizierte und erfahrene Fachperson eines fest: Sie müsse sich plötzlich
wieder vermehrt beweisen, fast so, als gälte ihr bisheriger beruflicher Leistungsausweis nicht mehr. Ihr falle zudem auf, dass
von Frauen mehr Geduld, Unterordnung
und Zurückhaltung erwartet werde als von
Männern. Die Kolleginnen, angesprochen
auf diese Beobachtung, antworteten lakonisch mit «Willkommen in der Welt der
Frauen». Es sind solche Widerstände und
auch viel handfestere Rechtsungleichheiten, die Frauen schon lange auf die Barrikaden trieben. Zu ihnen gehörte auch die
1914 geborene Gertrud Heinzelmann, die
Was verbindet viele
Frauenbiografien?
Offensichtlich wird
das auch dank
jenen, welche «die
Seite wechseln».
sich für das Frauenstimmrecht einsetzte
und den Papst 1962 öffentlich dazu aufforderte, die Weihe von Priesterinnen zuzulassen. Ihr Leben beschreibt Barbara
Kopp im Buch «Die Unbeirrbare» faktenreich und mit vielen schönen Zitaten. Heinzelmann wäre gern Priesterin geworden,
bis sie als Jugendliche die Hoffnungslosigkeit dieses Projekts einsehen musste und
Recht studierte. In ihrer Dissertation zerpflückte sie die Argumente von Thomas
von Aquin, der das Frauenbild der Kirche
massgeblich geprägt hatte.
Oben links: Catherine von Wattenwyl
inszenierte sich als Sonnenkönigin.
© Theodor Roos
Oben: Die Lyrikerin Ingeborg Bachmann
verband eine ebenso fruchtbare wie
zerstörerische Liebe mit Max Frisch.
© Kurt Husnik/Piper Verlag, München
Links: Für einmal nicht in Schwarz:
Christa de Carouge mit selbst bemaltem
Rock, 1952 in Italien. © Rolf Schroeter
Unten: Die Modeschöpferin Christa de
Carouge stellt eine selbst entworfene
Reisetasche vor. © Erick Julia
16 | Biografien
Biografien | 17
Books Nr. 4/2013
Natürlich sind
Frauenleben nicht
immer geprägt vom
politischen Kampf
um Gleichstellung
und von öffentli­
chen Debatten über
die Rolle der Frau.
mung der Nachkriegsjahre, die wilden
Sechziger und der lebensfreudige Nihilismus der Punks ebenso ihren Niederschlag
wie die Rückbesinnung auf Essentielles zu
Beginn des neuen Jahrtausends. Dieses
bunte Leben im schwarzen Gewand wird
von Georg Weber lebhaft und anekdotenvoll erzählt – wohl nicht zuletzt deshalb,
weil die Modeschöpferin den Autor mit
Material und Informationen grosszügig
unterstützte.
Die Glücksverheissende
Die Journalistin Laure Wyss um 1961. © Eric Bachmann
Biografie einer Unangepassten
1986 schrieb Laure Wyss über Gertrud
Heinzelmann: «Sie hat seit jeher handfest
und sprachlich träf gekämpft, diese Feministin Heinzelmann, eine der wenigen
waschechten unseres Landes.» Laure
Wyss selber ist das aktuelle Buch von Bar­
bara Kopp gewidmet. Unter dem Titel
«Laure Wyss – Leidenschaften einer Un­
angepassten» widmet Kopp der Journalistin ein 250 Seiten starkes Werk. Laure
Wyss, die 1913 in Biel zur Welt kam, führte
das Leben einer alleinerziehenden, berufstätigen Frau zu einer Zeit, als dies nicht
vorgesehen und vor allem auch nicht gern
gesehen war. Als Journalistin arbeitete
Wyss bei verschiedenen Zeitungen sowie
beim Schweizer Fernsehen, 1970 gründete
sie mit anderen das Magazin des «TagesAnzeigers». Nach ihrer Berufskarriere
blieb sie als Autorin und Herausgeberin bis
zu ihrem Tod 2002 aktiv. Barbara Kopps
Lebensschilderung von Laure Wyss ist ausführlich, mit vielen interessanten Zitaten
angereichert, und sie bringt uns zugleich
den Zeitgeist und die Mediengeschichte in
der Schweiz näher. Bisweilen ist der Erzählstil der Autorin etwas kunstvoll und
stellt sich damit vielleicht für den einen
oder anderen Geschmack zwischen die
Person der Laure Wyss und die interessier-
Irene Staub alias Lady Shiva im Katalog zur Ausstellung «Frauen
sehen Frauen» von 1975. © Walter Pfeiffer
te Leserschaft; doch das ist bekanntlich
Geschmackssache, und lesenswert ist das
Buch über die «Unangepasste» allemal.
Zwischen Intimität und Öffentlichkeit
Natürlich sind Frauenleben nicht immer
geprägt vom politischen Kampf um Gleichstellung und von öffentlichen Debatten
über die Rolle der Frau. Doch auch wenn
sie zum Beispiel künstlerisch tätig sind,
bleibt das Frausein oft bestimmend. Das
zeigt sich zum Beispiel in Ingeborg Gleich­
aufs Buch «Ingeborg Bachmann und
Max Frisch». In den letzten Jahren erschienen einige Werke über den berühmten Züricher Schriftsteller, der 2011 seinen
100. Geburtstag hätte feiern können; eines
davon stammte auch von Ingeborg Gleichauf. Jetzt schreibt die Autorin also über
jene vier Jahre dauernde, intensive und
wechselvolle Liebesbeziehung, die Leben
und Werk von Frisch und Bachmann stark
prägte – der Untertitel lautet «Eine Liebe
zwischen Intimität und Öffentlichkeit».
Und dabei zeigt sich, wie Frauen in der
Öffentlichkeit oft nicht für ihr Werk, sondern als Frau und durch die Augen der
Männer vor, hinter und neben ihnen betrachtet werden: «Die Dichterin übte eine
Faszination aus, die nicht allein mit dem
Zauber ihrer Gedichte zu erklären war,
und schon begann man zu tuscheln im
Kreis der Kollegen, Dichterinnen, Versteher, Kritiker, vor allem aus dem Umkreis
der ‹Gruppe 47›: fragil sei sie, ziemlich unsicher, schüchtern und doch auch ganz
schön kokett, und ihre Augen würden
weiss Gott wohin schauen. Und überhaupt
sei sie eine perfekte Mischung aus energiegeladen und zögernd, mädchenhaft unbeholfen und damenhaft selbstsicher, und
vor allem auch sehr elegant.» Unter diesen
Umständen begegneten sich also 1958 der
45 Jahre alte Frisch und die 15 Jahre jüngere Ingeborg Bachmann erstmals. Welche
Rolle die Lyrikerin im Leben Frischs einnahm, zeigt Gleichauf zu Beginn, als sie ein
Interview schildert, das 1985 stattfand:
«Die Gespräche folgen einem gleichmässigen Rhythmus, Frisch und Pilliod verstehen sich, haben sich schon vor diesen Interviews verstanden ... Im Einklang mit der
Umgebung, hin und wieder einen Schluck
Wein nehmend, scheint nichts die gelassene und doch wachsame Ruhe der beiden
Freunde stören zu können. Bis ein Name
fällt: Ingeborg Bachmann. Frisch springt
auf, als habe ein Stromstoss seinen Körper
durchzuckt, er weicht zurück, nimmt eine
Art Fluchthaltung ein.» Auch Bachmann
litt nach der Trennung und musste sich
mehrmals in Krankenhäuser einweisen
lassen. 1973 starb sie infolge eines Brands,
den sie mit einer Zigarette ausgelöst hatte,
und an Medikamentenentzug. Das Buch
bietet eine lebendige Schilderung dieser so
intensiven wie wechselvollen Beziehung.
Schwarz auf Weiss
Ende des Jahrs wird Christa de Carouge
als eine der bekanntesten Schweizer Modeschöpferinnen von der Bühne abtreten.
Von Georg Weber ist deshalb «Christa de
Carouge – Schwarz auf Weiss» erschienen. Schwarz-weiss sind auch die vielen
Fotos, die auf fast 100 Seiten das Leben der
Frau in Schwarz illustrieren. Christa Furrer, so der bürgerliche Name der Modefrau, kam 1936 in Basel zur Welt und konnte als Kind ihrer Mutter beim Schneidern
zusehen. Zunächst wollte sie das Kochhandwerk erlernen, musste aber den
Wunsch schweren Herzens aufgeben, weil
sie als Frau keine Chance auf eine anspruchsvolle Arbeit sah. Die Kunstgewerbeschule bot einen willkommenen Ausweg.
1965 schliesslich fand sie den Weg zur
Mode, als sie in Lausanne die «Boutique
pour Monsieur» eröffnete. Richtig für Furore sorge Christa de Carouge 1983 mit
ihrer ersten grossen Modeschau, an der sie
nur schwarze Kleidung präsentierte. In ihren Kleidern finden die Aufbruchsstim-
Zum Abschluss gibt es noch einen ganz
anderen, diesmal äusserst farbigen Einblick in ein Leben im schrillen Umzug der
Modeszene. Der bekannte Publizist Willi
Wottreng, der ein besonderes Flair für Lebensbeschreibungen am Rand der Gesellschaft hat, präsentiert «Lady Shiva». Das
Buch porträtiert Irene Staub, Edelprostituierte, Künstlermuse und Mode-Ikone, die
sich nach dem höchsten hinduistischen
Gott Shiva, dem Glücksverheissenden
nannte. Wottrengs Buch beginnt mit der
Todesmeldung von 1989 im Blick – und mit
dem Motorradunfall in Thailand ist die Tonalität des Lebens von Lady Shiva schon
vorweggenommen. «Live fast, die young»,
sagte man damals. Die Geschichte von
Lady Shiva begann als Schöne der Nacht
an der Schoffelgasse im damals noch
zwinglianischen Zürich. Lady Shiva sagte,
sie verkaufe den Freiern nur ihre Zeit.
Schon bald machte sie auch Modeshootings und lernte die Kreativen und Mächtigen der Welt kennen: die Künstler Sigmar
Polke und Andy Warhol oder David Bowie
gehörten dazu. Wottreng schafft es, nicht
nur das Bild einer schillernden Frau zu
zeichnen, sondern auch jenes einer wilden
Epoche – zwischen dem Aufbruch von
1968 und dem jähen Ende des Hedonismus in den 1980er-Jahren wegen AIDS.
Eine faszinierende Geschichte, die man
niemandem als Rollenmodell empfehlen
würde, die aber eine schillernde Facette
möglicher Frauenleben aufblitzen lässt.
Unerschrockene Frauen
Dieter Wunderlich
287 Seiten
CHF 16.90
Piper
Starke Schweizer Frauen
Daniele Muscionico
165 Seiten
CHF 38.70
Limmat
Die Unbeirrbare – Wie
Gertrud Heinzelmann den
Papst und die Schweiz das
Fürchten lehrte
Barbara Kopp
320 Seiten
CHF 43.90
Limmat
Laure Wyss
Barbara Kopp
250 Seiten
CHF 44.90
Limmat
Ingeborg Bachmann
und Max Frisch
Ingeborg Gleichauf
224 Seiten
CHF 32.90
Piper
Christa de Carouge –
Schwarz auf Weiss
Georg Weber
255 Seiten
CHF 46.90
Römerhof
Lady Shiva – Aufbruch auf
High Heels
Willi Wottreng
300 Seiten
CHF 43.90
Elster
Zwei Geschwister zwischen
zwei Welten
Khaled Hosseini wurde mit seinem ersten Roman «Drachenläu­
fer» und dessen Verfilmung durch Marc Forster weltberühmt.
In seinem neuen Roman «Traumsammler» erzählt der aus
Afghanistan stammende Schriftsteller wieder eine bewegende
Geschichte von Menschen, die auseinandergerissen werden und
doch über Kontinente hinweg miteinander verbunden bleiben.
Markus Ganz
Elena Seibert
in bittere Armut zurückführen würde. In
der Verzweiflung nennt er den Dämonen
ein grausames Monster. Dieser antwortet,
Grausamkeit und Güte seien zwei Seiten
derselben Medaille.
Zum Glück gewzungen
Khaled Hosseini benutzt dieses Märchen
als Gleichnis für den erzählerischen Hauptstrang seines dritten Romans. Der Bauer
Saboor sieht in seiner Welt nur «endlose
Schufterei», wie sein Sohn Abdullah beobachtet, Leiden sei die Währung des Lebens.
Eine Tages zieht Saboor mit seinen Kindern Abdullah und Pari in einem beschwerlichen Fussmarsch durch die steinige Wüste nach Kabul. Dort hofft er auf eine
gut bezahlte Bauarbeit bei reichen Leuten.
Vermittelt hat diese Arbeit sein Freund
Nabi, der Stiefonkel der beiden Kinder, der
bei Herr und Frau Wahdati als Chauffeur
und Koch wirkt. Doch in Wirklichkeit geht
es darum, die dreijährige Pari an das kinderlose Ehepaar «wegzugeben»; aus sehr
Hosseini verleiht
der Geschichte eine
relativierende Tiefe,
indem er wichtige
Ereignisse aus
mehreren Perspek­
tiven beschreibt.
unterschiedlichen Motiven, wie sich zeigen
wird. Herr und Frau Wahdati ziehen das
Mädchen wie ein eigenes Kind unter besten Bedingungen auf. Doch die beiden bisher unzertrennlichen Geschwister werden
auseinandergerissen. Das ist die Ausgangslage dieses Romans.
Ist Saboor, ein armer afghanischer Bauer,
ein guter Mensch? Khaled Hosseini schildert ihn zu Beginn seines neuen Romans
«Traumsammler» als liebevollen Familienvater, der seinen Kindern, dem zehnjährigen Abdullah und der dreijährigen Pari,
zum Einschlafen eine Geschichte erzählt.
Eine davon handelt von einem furchterregenden Dämon. Dieser verlangte von einem Bauer, der seine vielköpfige Familie
kaum zu ernähren vermag, ein Kind. Entscheidet der Bauern nicht, welches Kind
Im Schaufenster | 19
Books Nr. 4/2013
geopfert wird, nimmt der Dämon alle mit.
Also lässt der Bauer den Zufall walten –
und es trifft den Lieblingssohn. Nach Jahren des Schmerzes und der Scham zieht
der Bauer los, um sich am Dämonen zu
rächen. Dieser zeigt ihm jedoch, wie der
Lieblingssohn bei ihm in einem paradiesischen Garten fröhlich spielt. Und er sagt,
der Bauer dürfe – als Anerkennung für seinen Mut – sein Kind nach Hause zurücknehmen. Der Bauer verzichtet wider seine
Gefühle, weil er weiss, dass er seinen Sohn
Von Kabul nach Paris
Nabi spielt darin eine zentrale Rolle. Im
noblen Anwesen der Wahdatis erhält er
Einblick in den modernen Lebensstil der
westlichen Welt, welcher Mitte des 20.
Jahrhunderts in Kabul Einzug hält. Er
muss im Auftrag der Hausherrin in «Apotheken» genannten Läden «Medizin» einkaufen, die an Partys getrunken wird. Dort
feiern zu Jazzmusik Männer und Frauen
zusammen, letztere zeigen auch Haut und
berühren fremde Männer. Frau Wahdati
trägt unerhörte Gedichte über die Liebe
vor, mit der nicht die Sehnsucht der Sufi,
sondern die der Körper gemeint ist. In Kabul habe man sie «bestenfalls als Pionierin
des schlechten Geschmacks, der Zügellosigkeit und der moralischen Verkommenheit» eingestuft, wird sie später erzählen.
Und Nabi gerät, ohne es zu merken, zwischen die beiden Eheleute. Diese trennen
sich, Frau Wahdati zieht mit der ungefragt
adoptierten Pari nach Paris, wo sie Anerkennung als Dichterin erhalten wird.
Sehnsucht nach alten Schurken
Die Kriege tragen ihr Übriges dazu bei,
dass auch andere Figuren des Romans den
Kontakt zueinander verlieren. Es sind
Kriege «mit wechselnder Besetzung angeblicher Helden und Schurken», meint
Nabi einmal, der in Kabul weiterhin das
zunehmend beschädigte Haus und den erkrankten Hausherrn pflegt. «Und mit jedem neuen Held wuchs die nostalgische
Sehnsucht nach dem jeweils alten Schurken.» Es sei widerwärtig, hält Nabi fest,
und eine Schilderung würde seine Fähigkeiten übersteigen – deshalb wolle er es
auf diesen Seiten nur kurz streifen. Der
Roman verlagert sich denn auch zusehends an andere Orte wie San Francisco
und die griechische Insel Tinos. Einige der
Figuren oder deren Nachkommen reisen
aber auch nach Kabul zurück. Auf der Suche nach ihrer Herkunft und altem Besitz
treffen sie im «Expat-Chic» auf alte Freunde, Bekannte und Verwandte, die gewisse
Fragen klären können. Doch allzu vieles ist
gleich geblieben, Ungerechtigkeiten wiederholen sich über Generationen. Der mittlerweile erwachsene zweite Sohn des Bauers Saboor wird trotz einer Besitzurkunde
vom Grundstück seiner Vorfahren vertrieben, wo nun ein Warlord residiert. Aber
der Enkel von Saboor und der Sohn des
Warlords freunden sich miteinander an.
ein Roman voller Menschen, Bilder und
Symbole, die in mehreren Nebenhandlungen miteinander verflochten werden. Und
Hosseini verleiht der Geschichte eine relativierende Tiefe, indem er wichtige Vorkommnisse aus den verschiedenen Perspektiven der involvierten Personen
beschreibt. Er verurteilt denn auch niemanden, auch Saboor nicht. Als Erklärung
dafür stellt er dem Buch ein Gedicht von
Dschalaluddin Rumi aus dem 13. Jahrhundert voran: «Jenseits unserer Vorstellungen, von guten und schlechten Taten, erstreckt sich ein Feld. Dort werde ich dich
treffen.»
Foto: © Sara Appelgren
18 | Weihnachtsbücher
Mankell
Henning
Khaled Hosseini
mg. Khaled Hosseini wurde 1965 in Kabul
geboren. Sein Vater war Diplomat, weshalb
die Familie 1976 nach Paris zog. Als die Familie 1980 nach Afghanistan zurückkehren
sollte, hatten dort sowjetische Truppen in
den Bürgerkrieg eingegriffen. Also zogen
die Hosseinis stattdessen in die USA, wo
sie politisches Asyl erhielten.
Khaled Hosseini wurde Arzt und praktizierte bis 2004. Bereits 2001 begann er an
seinem Debütroman «The Kite Runner»
(deutsch: «Drachenläufer») zu schreiben;
dieser erschien 2003 und wurde ein
internationaler Bestseller. Zum Erfolg trug
auch die Verfilmung durch den Schweizer
Regisseur Marc Forster 2007 viel bei. 2011
erschien der Roman als Graphic Novel.
Auch der 2007 erschienene Nachfolgeroman «A Thousand Splendid Suns»
(deutsch: «Tausend strahlende Sonnen»)
wurde zu einem Grosserfolg. Zusammen
sollen sich die beiden Bücher über 38 Millionen Mal verkauft haben. Sie sind heute
auch in einem Doppelband erhältlich:
Ein Jahr lang
begleitet Kirsten
Jacobsen den
Schriftsteller auf
seinen Reisen.
Entstanden ist ein
sehr persönliches
Porträt Henning
Mankells.
Ü.: Lutz Volke. 336 Seiten
Gebunden mit Abb. Auch als -Book
Drachenläufer / Tausend
strahlende Sonnen
Khaled Hosseini
759 Seiten
CHF 16.90
Berliner Taschenbuch
Kurt Wallander
kommt nicht zur
Ruhe! Diese bisher
unveröffentlichte WallanderGeschichte spielt
kurz vor seinem
letzten Fall – ein
Leckerbissen für
Krimi-Fans.
Ohne moralische Verurteilung
Im zu Beginn des Buchs erzählten Märchen erhält der Bauer vom Dämonen einen
Trank, der die schmerzvollen Erinnerungen an die Opferung des geliebten Sohns
auslöscht. Saboor erklärte seinem Sohn
Abdullah damals, dieser Trank sei ein Akt
der Gnade. Seine Tochter Pari erfährt erst
Jahrzehnte später, dass Saboor – und nicht
Herr Wahdati, bei dem sie aufwuchs – ihr
richtiger Vater ist. Als sie ihn nach langer
Suche im Jahr 2010 besucht, leidet er an
Alzheimer und kann sie nicht mehr erkennen. Das geht unter die Haut. Khaled Hosseini ist eben ein grosser Geschichtenerzähler alter Schule. «Traumsammler» ist
Ü.: Wolfgang Butt. 144 Seiten
Gebunden. Auch als -Book
Traumsammler
Khaled Hosseini
CHF 31.90
448 Seiten
S. Fischer
www.mankell.de
20 | Weihnachtsbücher
Weihnachtsbücher | 21
Books Nr. 4/2013
Fest zwischen
Buchdeckeln
Vorbei die Zeiten, als Weihnachtsgeschichten sich ausschliesslich um Krippen, Sterne und Hirten
drehten. Mittlerweile gilt: Zum Fest der Liebe passt alles – traditionell, kriminell oder gar gruselig.
Erik Brühlmann
«Weihnachten in der Schweiz». «Geschichten über die sensibelsten Wochen
des Jahres: aus Berg und Tal, Stadt und
Land, Erinnerung und Gegenwart, neuen
und alten Zeiten» verspricht der Buchbeschrieb – und hält Wort. Mit Franz Hohler,
Hansjörg Schneider, Lilly Bardill, Peter
Bichsel und vielen mehr versammelt die
Anthologie ein weihnächtliches «Who Is
Who» der schreibenden Zunft der Schweiz.
Ob in Gedichtform oder als Kurz- und Kürzestgeschichte, jeder Beitrag ist für sich
genommen ein kleines Juwel. Zusammen
verwandeln die literarischen Preziosen die
Anthologie in einen literarischen Weihnachtsstern.
Der Theologe schreibt
Der Berner Ulrich Knellwolf ist den meisten als packender Krimiautor bekannt.
Vergessen geht darüber leicht, dass er eigentlich Theologe und Pfarrer ist – und damit prädestiniert, weihnächtliche Geschichten zu verfassen. In «Gott baut um»
tut der genau das, und zwar auf höchst
liebevolle, einfühlsame und bisweilen augenzwinkernde Art und Weise. Die kurzen
Erzählungen handeln von erstaunlichen
Erlebnissen, die seinen Protagonisten eine
Ahnung von einer besseren Welt gewähren. Ein theologischer Unterton ist dabei
zwar stets vorhanden, jedoch auf eine Weise, die selbst Kirchenmuffel zum Schmökern anregt. Oder wollten Sie nicht schon
längst wissen, wie die biblische Weihnachtsgeschichte wohl aus der Sicht Gottes
klingen mag?
unter einem Dach – Fluchtmöglichkeiten
ausgeschlossen! So in etwa ergeht es der
Protagonistin Sonja in «Drei Frauen im
Schnee» von Blanca Imboden. Eigentlich
hätte diesmal an Weihnachten alles anders
werden sollen, doch das festliche Beisammensein endet in einem noch grösseren
Chaos als sonst. Jetzt reicht es Sonja endgültig: Sie verschwindet Hals über Kopf
und findet in der Folge zwei neue Freundinnen – sozusagen als Weihnachtsgeschenk der menschlichen Art.
Romantik inklusive
Ebenso humorvoll, aber mit einem gehörigen Schuss Romantik kommt «Eine Braut
zu Weihnachten» von Victoria Alexander
daher. Schon die Ausganglage verspricht
einiges an Turbulenzen: Sir Sebastian Hadley-Attwater will bis Weihnachten unbedingt heiraten. Seine Kandidatin, Lady Veronica Smithson, will hingegen nie wieder
Streng genommen gibt es nur eine Weihnachtsgeschichte – nämlich jene in der Bibel, welche die Geburt Jesu beschreibt.
Aber halt, selbst diese existiert in zwei verschiedenen Versionen: einmal in jener von
Lukas mit den Hirten, die dem Christuskind
huldigen; und einmal in jener von Matthäus
mit den drei Weisen aus dem Morgenland,
die später zu den Heiligen Drei Königen
umfunktioniert wurden. Wenn schon die
Bibel verschiedene Weihnachtsgeschichten
anbietet, kann man es den Erzählern und
Autoren in aller Welt wirklich nicht verdenken, dass sie die Zeit der grossen und kleinen Wunder, der Geschenke und der Besinnlichkeit als Hintergrund für ihre
eigenen Geschichten nutzen.
Klassiker, die jeder kennt
Im Lauf der Jahrhunderte entstanden unzählige Weihnachtsgeschichten, von denen
sich einige zu veritablen Klassikern gemausert haben – sei es als Buch oder als
Verfilmung. Wer kennt nicht den Miesepeter Ebenezer Scrooge, der in Charles Dickens’ «Eine Weihnachtsgeschichte» von
den drei Geistern der Weihnacht eine Lektion fürs Leben erteilt bekommt? Oder an
den grünen weihnachtshassenden Grinch
von Dr. Seuss? Auch und gerade die Märchenwelt ist voll von Weihnachtsgeschichten: von E.T.A. Hoffmanns «Nussknacker
und Mäusekönig» über Hans Christian Andersens «Die Schneekönigin» bis zu «Die
Sterntaler» der Gebrüder Grimm.
Andere Länder, andere Geschichten
Überall, wo Weihnachten gefeiert wird,
gibt es auch eine eigene Tradition von
Weihnachtsgeschichten. Die schönsten
von ihnen sind in «Stille Nacht» versammelt und geben einen Einblick, wie andere
Nationen die besinnliche Zeit literarisch
gestalten. Viele dieser Geschichten sind
den meisten Schweizerinnen und Schweizern wohl gänzlich unbekannt – ein zusätzlicher Anreiz! Oder haben Sie schon
von Giovanni Vergas «Der Esel des heiligen
Josef» (Italien), Frigyes Karinthys «Weihnachtsnummer» (Ungarn) oder Emilia Pardo Bazáns «Der weisse Stern» (Spanien)
gehört? Auch die Grossen der Weltliteratur
von Nikolaj Gogol über Guy de Maupassant
bis hin zu Arthur Conan Doyle sind in dieser Sammlung vertreten. Das Buch ist
Pflichtlektüre für Fans von Weihnachtsgeschichten.
Geschichten aus der Heimat
Jux und Tollerei
Apropos Sammlung: Auch die Schweizer
Literatenszene hat bezüglich Weihnachtsgeschichten einiges zu bieten. Dies beweist
das hübsche und handliche Büchlein
Hand aufs Herz: Wenn im Advent, Advent,
das Lichtlein brennt, richten sich bei manchem schon die Nackenhaare auf. Wieder
einmal versammelt sich die ganze Familie
Tierisch weihnächtlich
Natürlich dürfen auch Haustiere an Weihnachten nicht fehlen – aber bitte nicht als
Geschenk unter dem Baum! Besser ist es
da, «Vier Pfoten und das Weihnachts­
glück» von Petra Schier zu lesen: Die Fotografin Sophie soll für die Weihnachts-Artikel-Serie des Journalisten Carsten Bilder
beisteuern. Es kommt, wie es kommen
muss: Sophie beginnt, sich in Carsten zu
verlieben. Doch sein verwöhnter Hund und
die Tatsache, dass Carsten offenbar nicht
der ist, der er zu sein scheint, machen der
Romantik schnell den Garaus. Nur gut,
dass Sophies Hundedame Lulu jetzt das
Heft in die Pfoten nimmt und die Dinge
wieder gerade rückt!
Schluss mit lustig
Oder wollten Sie
nicht schon längst
wissen, wie die
biblische Weih­
nachtsgeschichte
wohl aus der Sicht
Gottes klingen
mag?
Moderne Geschichten
Wie junge deutschsprachige Autoren moderne Weihnachtsgeschichten verfassen,
zeigt die Anthologie «Weihnachten kann
kommen». Herausgekommen sind fröhliche, besinnliche, melancholische, garstige,
humorvolle und vor allem moderne Geschichten. Da feiert ein Paar «Weihnukka»
mit dem schönsten Baby der Welt; ein
brennender Adventskranz führt zu einem
«schrecklich schönen Feuer»; ein Zivildienstleistender verbringt die besten
Weihnachten seines Lebens in einem Altersheim. Wer auf Weihnachtsgeschichten
nicht verzichten möchte, jedoch keine Lust
auf Biblisches oder Märchenhaftes hat, ist
mit dieser erfrischenden Geschichtensammlung bestens bedient.
Engel tatsächlich auf die Erde schickt, um
sich zu verteidigen, hat Emma jedoch nicht
erwartet ...
heiraten, dafür Sir Sebastian zu ihrem Geliebten machen. Verführung und Verwirrspiele geben sich ein entzückendes Stelldichein, das vollends aus den Fugen gerät,
als sich die Familien der beiden Turteltäubchen einmischen – pünktlich zum
Weihnachtsfest, versteht sich.
Hoppla, ein Engel
Bleiben wir doch bei der Romantik, fügen
einen Schutzengel hinzu, und heraus
kommt «Der Advent, in dem Emma ihren
Schutzengel verklagte» von Noel Hardy.
Der Roman erzählt die Geschichte der Restauratorin Emma – ein echter Pechvogel,
vor allem in Sachen Liebe. Als Emma kurz
vor Weihnachten bei der Arbeit auch noch
vom Gerüst fällt und beinahe ums Leben
kommt, hat sie genug: Sie beschliesst, ihren offensichtlich arbeitsscheuen Schutzengel zu verklagen. Dass der Himmel den
Genug mit Friede, Freude, Eierkuchen –
jetzt ist Mord und Totschlag angesagt! Dies
zumindest verspricht «Den nächsten, der
FROHE WEIHNACHTEN zu mir sagt,
bringe ich um». Keine Angst, es handelt
sich bei diesem Buch nicht um eine Anleitung für ein besinnliches Schlachtfest, sondern um eine Sammlung von 12 kurzen
Thrillern, die sich während der Weihnachtszeit abspielen. Die Autorinnen und
Autoren geben ihr Bestes, um die friedliche
Adventszeit in einen wilden, zuweilen regelrecht blutigen Ritt für Genre-Fans zu
verwandeln. Das toll aufgemachte Buch ist
eine Pflichtlektüre für alle, die wissen wollen, ob der Weihnachtsmann wirklich nur
Geschenke in seinem geheimnisvollen
Sack mit sich herumschleppt ...
Gruseln erwünscht
... und nicht vielleicht doch ein paar Geister
und Gespenster? Dies lässt zumindest der
Erzählkalender
«Weihnachts-Geister»
von Ulf Diederichs vermuten. 24 schaurigschöne Geschichten sollen vom kommerziellen Trubel zwischen dem Lucientag und
Dreikönig ablenken – und natürlich für
eine Gänsehaut sorgen, die sich gewaschen hat. Himmel und Hölle, Wunder und
Wirklichkeit – es geht nicht nur besinnlich,
sondern auch übersinnlich zu und her!
Kinderherzen
Wissen Sie, was sich Kinder zu Weihnachten wünschen? Playstation? Barbiepuppen? Ein Handy? Vielleicht, doch besonders kleine Kinder legen auf ganz andere
Dinge wert. «Geschenke kriegen ist sooo
schön» von Jan Kuhl zeigt gezeichnete
22 | Buchtipps
Weihnachtswunschlisten, die einfach nur
rührend sind: «ich wünsch das die mama
der papa immer zusamen bleiben.» Herzig!
Was stimmt wirklich?
Die Weihnachtsgeschichte und ihre Traditionen haben sich mittlerweile derart im
kollektiven Bewusstsein verankert, dass
man sie gar nicht mehr hinterfragt. Esel,
Stall, Bethlehem, Heilige Drei Könige – alles klar, oder? Überhaupt nicht! «Alles My­
thos! 24 populäre Irrtümer über Weih­
nachten» schickt sich an, ein wenig
Aufklärungsarbeit zu leisten. So erfährt
Keine Sorge, hier
geht es nicht da­
rum, Weihnachten
zu demontieren.
Stille Nacht. Die schönsten
Weihnachtsgeschichten aus
aller Welt
448 Seiten
CHF 32.90
Manesse
Weihnachten in der Schweiz
Dagmar Bhend (Hrsg.)
188 Seiten
CHF 21.90
Unionsverlag
Survival-Guide für Weihnachtsgeschädigte
Das Wort «Weihnachten» jagt Ihnen immer noch eiskalte Schauer über den Rücken? Dann sind Sie ein Fall für «Oh, Pan­
nenbaum» von Chris Kind – auch bekannt
als Tim Boltz. Sein Ratgeber richtet sich an
alle, die genug haben von angestaubten
Weihnachtstraditionen, die sowieso alle
Jahre wieder kläglich an den Ansprüchen
aller Beteiligten scheitern. Stattdessen bietet er Lösungsvorschläge, wie man das
Fest der Liebe in Würde begehen, neue
Traditionen begründen und Weihnachten
als moderner Mensch überleben kann. Hat
jemand Lust auf Schneemann-Kegeln?
Vier Pfoten und das Weihnachtsglück
Petra Schier
144 Seiten
CHF 16.90
Rütten & Loening
Den nächsten, der FROHE
WEIHNACHTEN zu mir sagt,
bringe ich um
Weihnachts-Geister
Ulrich Knellwolf
137 Seiten
CHF 25.90
Nagel & Kimche
Ulf Diederichs
318 Seiten
CHF 16.90
DTV
Susanne Gretter (Hrsg.)
214 Seiten
CHF 13.90
Suhrkamp
Drei Frauen im Schnee
Blanca Imboden
208 Seiten
CHF 24.90
Wörterseh
Eine Braut zu Weihnachten
Victoria Alexander
400 Seiten
CHF 13.90
Bastei-Lübbe
Der Advent, in dem Emma
ihren Schutzengel verklagte
Noel Hardy
224 Seiten
CHF 15.90
Heyne
Books
Spezial
Johannes Engelke (Hrsg.)
399 Seiten
CHF 25.90
Droemer/Knaur
Gott baut um
Weihnachten kann kommen
man zum Beispiel, dass die Heiligen Drei
Könige weder heilig noch Könige waren
und dass die Geburt Jesu höchstwahrscheinlich weder am 24. noch im Dezember stattfand. Doch keine Sorge, hier geht
es nicht darum, Weihnachten zu demontieren, sondern nur darum, es ein bisschen
aufgeklärter zu feiern.
Spezial – Kochbücher | 23
Books Nr. 4/2013
Geschenke kriegen ist
sooo schön
Jan Kuhl (Hrsg.)
48 Seiten
CHF 16.90
ars edition
Alles Mythos! 24 populäre
Irrtümer über Weihnachten
Claudia Weingartner
224 Seiten
CHF 28.90
Theiss
Oh, Pannenbaum. Wie man
Weihnachten überlebt
Chris Kind
208 Seiten
CHF 15.90
Piper
Kochbücher:
Genussvolle
Vorfreude
Kochen und Essen – das ist für viele viel mehr als eine pure Notwendigkeit.
Nämlich eine besondere Form der Entspannung und des Genusses, ein
Ausdruck von Lebensfreude, eine Tätigkeit, die tief befriedigt. Schöne Kochbücher inspirieren dazu, auch einmal etwas Neues zu wagen – und sie
vergrössern die Vorfreude auf ein kulinarisches Erlebnis. Auf den folgenden
Seiten stellen wir Ihnen einige der schönsten Neuerscheinungen vor.
24 | Spezial – Kochbücher
Spezial – Kochbücher | 25
Books Nr. 4/2013
Nach jedem neuen Kochbuch, das sich
Hobbyköchinnen und -köche ins Regal
stellen, denken sie: Das war jetzt das letzte!
Pustekuchen: Garantiert stolpern sie beim
nächsten Besuch einer Filiale von Orell
Füssli oder Thalia wieder über eine Neuerscheinung, der sie nicht widerstehen können und die sie einfach haben müssen.
Auch die folgenden Kochbücher bieten so
manchen Genuss für jeden Geschmack und
für jede Fähigkeit. Nur den Pustekuchen
wird man nirgends finden. Den gibt es
nämlich nur als geflügeltes Wort.
Ideal für Anfänger
Gehören Sie zu den Menschen, für die Kochen bislang bedeutete, eine Dose zu öffnen oder die Mikrowelle zu bedienen? Ist
für Sie die Zubereitung eines Tellers Spaghetti so anspruchsvoll wie Raketentechnik? Dann ist «Kochen kann jeder mit
Sarah Wiener» wie für Sie gemacht! In
Schritt-für-Schritt-Anleitungen lernen Sie
die Grundtechniken des Kochens, vom Panieren bis zum Gemüseschneiden. So kommen Sie mit jedem der 50 Rezepte weg von
der Konserve und hin zum gesunden, mit
frischen Lebensmitteln zubereiteten Menü
– egal ob für den Alltag oder besondere
Gelegenheiten.
Klein, aber fein
Kochen Sie
mal wieder!
Schon lange verhält es sich mit Kochbüchern ähnlich wie mit guten
Restaurants in Paris: Die Auswahl ist grenzenlos. Damit Sie die Wahl
nicht quält, haben wir schon ein wenig für Sie vorgespurt – und besonders interessante Neuerscheinungen durchgeblättert.
Erik Brühlmann
«Das kulinarische Erbe der Alpen – das Kochbuch», AT-Verlag. Foto: Sylvan Müller.
Kleine Appetithäppchen sind einfach stilvoll – egal, ob man sie nun Fingerfood,
Appetizer oder Amuse-bouches nennt.
Und sie haben einen weiteren Vorteil,
wenn man als Gastgeber oder Gastgeberin
im Mittelpunkt der Party steht: Sie sind
einfach und schnell zubereitet, sehen auf
einem Tisch oder Tablett toll aus und machen während der Party keinerlei Arbeit.
Die besten Rezepte für feine Kleinigkeiten
sind in «Das grosse Buch der Kleinigkei­
ten» versammelt, vom rustikalen MiniHamburger am Spiess über raffinierte
Avocado-Tomaten-Crème im Glas bis zu
gesunden Buchweizen-Whoopies mit Räucherlachs.
Backe, backe Kuchen
Jeder spricht immer nur vom saisonalen
Kochen, dabei kann man auch saisonal backen! Die Himbeertorte passt bestens in
den Sommer, der Apfelkuchen ist ein traditioneller herbstlicher Genuss. «Myriams
Kuchen, Tartes & Co» ist ein wahrer Backkalender, der vom Altbekannten und Beliebten bis zu fantasievollen neuen Kreationen das Herz jedes Backfans höher
schlagen lässt. Wie wäre es zum Beispiel
mit einer Tomaten-Lachs-Quiche oder einem ur-amerikanischen Cheesecake, eine
Hommage der Autorin an ihre zweite Heimat New York? Und das Beste an der
Sammlung ist, dass alle Rezepte leicht umzusetzen sind – auch von Backlaien.
Schnelles für Familienmenschen
Die Kochbücher der «LEON»-Serie sind
schon fast eine Institution in den Kochbuchregalen. Kein Wunder, treffen sie doch
genau den Zeitgeist des einfachen, schnellen, gesunden und vor allem genussvollen
Kochens. Dass die Bücher toll aufgemacht
sind, ist ein zusätzliches Plus. Der dritte
Band der Reihe, «LEON. Familie & Freun­
de», widmet sich dem Motto, dass Essen
noch wichtiger ist als Kochen. Über 200
Rezepte ermöglichen es, vom Brunch über
die Party bis zur Familienfeier jeden zu
bekochen – und zwar so, dass man nicht
stundenlang in der Küche stehen muss und
Gehören Sie zu den
Menschen, für die
Kochen bislang be­
deutete, eine Dose
zu öffnen oder die
Mikrowelle zu be­
dienen?
Zürcher Rezepte
Das Delikatessengeschäft H. Schwarzenbach gehört zu Zürich wie das Grossmünster und die Bahnhofstrasse. Es wird heute
in fünfter Generation geführt und ist mit
seiner langen Tradition eng mit der kulinarischen Geschichte und Entwicklung der
Stadt verknüpft. Ähnliches gilt für die zehn
Zürcher Köche, die für «H. Schwarzen­
bach – Das Zürcher Kochbuch» Rezepte
beisteuerten. Sie beweisen: Zürich hat kulinarisch mehr zu bieten als nur Zürcher
Geschnetzeltes! Wie wäre es zum Beispiel
mit Käsefüssen mit Zigerklee oder Trüsche
auf Hafenkabis mit Rotweinbutter? Willkommen auf einer exklusiven kulinarischen Entdeckungsreise!
Nostalgisch gut
Man kann im teuersten Restaurant essen,
und doch schmeckt es nie so gut wie damals bei Muttern. Das dachte sich wohl
auch Sylvan Müller und machte sich auf
die Suche nach «Mamas Rezepten». Herausgekommen ist eine Sammlung von 50
Rezepten, die den Kochgeheimnissen von
Müttern und Grossmüttern auf den Grund
gehen. Doch «Mama kocht» ist mehr als
ein Kochbuch. Denn zu jedem Rezept gibt
es eine Geschichte und unzählige nostalgische Bilder aus Familienalben, die das
Buch zu einer Zeitreise in die Kindheit und
Jugend machen – und zu einer Entwicklungsgeschichte der Küche Mitteleuropas
und ihrer Einwanderer.
Kochen wie die Promis
stattdessen das gemütliche Beisammensein geniessen kann.
Kochtraditionen
Nach dem Erfolgsbuch «Das kulinarische
Erbe der Alpen» folgt nun, als Begleitung
sozusagen, das dazugehörige Kochbuch
«Das kulinarische Erbe der Alpen – Das
Kochbuch». Zehn Spitzenköche und -köchinnen aus dem Alpenraum, darunter
etwa Andreas Caminada oder Judith Baumann, verraten alpine, oft urchige und rustikale Rezepte. Ergänzt wird der Rezeptteil
mit Erzählungen über die Entwicklung der
Kochtraditionen sowie mit einem umfassenden Verzeichnis der wichtigsten Rezepte und einflussreichsten Kochbücher des
Alpenraums. Wie wär’s also zur Abwechslung mal mit einem Grauvieh-Kalbsbraten?
Über Stars und Prominente weiss man eigentlich so ziemlich alles – nur meistens
nicht, was deren Lieblingsrezepte sind.
Das will «Unsere Lieblingsrezepte für die
Welt» ändern – und das Buch tut gleichzeitig noch Gutes. Denn ein Teil des Erlöses
aus dem Verkauf erhält die Organisation
«Women for Women International», die
sich für Frauen in kriegs- und krisengeschädigten Ländern einsetzt. Und so versammelt sich hier eine bunte Rezeptmischung, die für jeden Geschmack etwas
bereithält: Paul McCartneys Super-Gemüsesalat, Pancakes von Mia Farrow und
weitere Spezialitäten von Emma Thompson, Nelson Mandela, Meryl Streep und
vielen Prominenten mehr.
Geheimisse der italienischen Küche
Ein wenig altmodisch kommt es daher, das
neue Kochbuch von Tessa Kiros. Aber das
passt ganz gut, geht es doch um die grossen und kleinen Geheimnisse italienischer
Kochkunst und um kulinarische Schätze,
die im Lauf der Zeit in Vergessenheit gerie-
26 | Spezial – Kochbücher
ten. Natürlich findet sich in «Limoncello
und Lavendelwasser» viel zum Thema
Pasta – Pasta al Forno Siciliana beispielsweise –, aber auch Geflügel-, Kaninchenund Lammgerichte kommen nicht zu kurz,
Fisch und Süsswaren fehlen so wenig wie
kleine, feine Küchentricks. Wissen Sie, wie
man Rosensalz selbst herstellt? Tessa Kiros verrät’s!
Kleinigkeiten aus dem Libanon
Die orientalische Küche ist bekannt für
ihre Vielfalt, und diese zeigt sich am deutlichsten in den so genannten Mezze – kleinen Genusshäppchen, die den Gaumen
kitzeln. Besonders die libanesische Küche
ist voll solcher Leckereien, die in «Mezze»
zusammen mit einer Reisereportage aus
dem Libanon präsentiert werden. Frittierte Sardinen, honigmarinierte Peperoni,
opulente Wachteln mit Walnusspflaumen
und erfrischende Sorbets zaubern im Nu
einen Hauch von 1001 Nacht auf den Tisch.
Abgerundet wird das Ganze mit Küchentipps und Vorschlägen für ganze MezzeTafeln, die ein wahrer Party-Hit sind.
Libanesisch von A bis Z
Wer nach den Mezze Lust auf mehr verspürt, dem sei «Die libanesische Küche»
empfohlen. Denn das Buch bietet einen kulinarischen Überblick über die traditionelle und moderne Landesküche des Libanons. Diese ist nicht nur vielseitig, sondern
auch sehr gesund, weil sie reich ist an Obst,
Gemüse, Hülsenfrüchten und Getreide. Im
Sinne eines kleinen kulinarischen Rundumschlags präsentiert das Buch rustikale
Rezepte aus der traditionellen und herzhaften Bauernküche, macht aber auch Abstecher in die innovative, moderne Küche
Beiruts, wo fantasievolle Variationen einen
festen Platz haben.
Kochen für Verliebte
Erinnern Sie sich an den Roman «Das Lächeln der Frauen»? Haben Sie vielleicht
sogar das Menu d’amour nachgekocht?
Dann dürfen Sie sich freuen: Nicholas Barreau, der von sich immerhin behauptet,
lieber zu kochen als zu schreiben, serviert
mit «Menu d’amour» ein weiteres Liebesmenu – oder besser gesagt gleich deren
sieben. Garniert werden die Rezepte für
verliebte Geniesser mit einer neuen Liebesgeschichte, die von Glück, Herzschmerz
und den wahrhaftig magischen Momenten
im Leben erzählt. Der Beweis ist erbracht:
Liebe geht eben doch durch den Magen!
Spezial – Kochbücher | 27
Books Nr. 4/2013
Kochen kann jeder mit Sarah
Wiener
Sarah Wiener
192 Seiten
CHF 32.90
Gräfe & Unzer
Mama kocht
Sylvan Müller
240 Seiten
CHF 64.00
AT
Das grosse Buch der Kleinigkeiten
Unsere Lieblingsrezepte für
die Welt
Larousse
480 Seiten
CHF 54.00
Christian
Alison Oakervee (Hrsg.)
256 Seiten
CHF 44.90
Callwey
Myriams Kuchen, Tartes & Co
Limoncello und Lavendelwasser
Myriam Zumbühl
160 Seiten
CHF 34.90
AT
Mezze
Kay Lunkett-Hogge
204 Seiten
CHF 41.90
DuMont
Mohamad Salameh und Bettina
Matthaei
168 Seiten
CHF 23.90
Gräfe & Unzer
Das kulinarische Erbe der
Alpen – Das Kochbuch
Die libanesische Küche
H. Schwarzenbach –
Das Zürcher Kochbuch
Dominik Flammer und Sylvan
Müller
270 Seiten
CHF 73.00
AT
Susanne Vögeli leitet seit 20 Jahren die Kochschule Cookuk in
Aarau. Zusammen mit ihrem Partner Max Rigendinger verhilft sie
nun einem Kochbuch zu neuem Leben, das einige Jahrzehnte
länger die Küchen der Schweiz prägt: dem Fülscher-Kochbuch.
Erik Brühlmann
Salma Hage
512 Seiten
CHF 54.00
Edel
Menu d’amour
Nicolas Barreau
160 Seiten
CHF 25.90
Thiele
Sie haben darauf verzichtet, eigene
Rezepte einzubauen, und sich für eine
Faksimile-Auflage entschieden ...
Richtig, zum Teil aus ganz praktischen
Gründen. Das Fülscher-Kochbuch verfügt
über ein ausgeklügeltes Nummernsystem,
das einem das Referenzieren von einem
Rezept zum anderen erlaubt. Wollte man
da etwas verändern, wäre es, als wollte
man den Gordischen Knoten lösen und
wieder neu zusammensetzen. Zum Teil
ging es uns aber auch darum, Rezepte
zu bewahren, die heute in Vergessenheit
geraten sind oder zumindest nicht mehr
gekocht werden: ein gefülltes Lyonerkörbchen, falsche Schildkrötensuppe und
anderes mehr.
Es gäbe aber sicher auch neue Schwei­
zer Rezepte, die es wert gewesen wären,
eingebaut zu werden?
Ja, aber wir möchten die Fülscher-Sammlung nicht aufblähen, sondern lediglich an
heutige Verhältnisse und Vorlieben anpassen – zeitgemäss im Internet. Unter www.
elisabeth-fuelscher.ch haben alle Kochbegeisterten Gelegenheit, in einer öffentlichen
Kochwerkstatt das Fülscher-Rezeptgut
weiterzuentwickeln und zu aktualisieren.
Vielleicht, aber das ist noch Zukunftsmusik, wird es sogar irgendwann einmal eine
entsprechende Rezept-App geben.
Tessa Kiros
256 Seiten
CHF 44.90
Knesebeck
LEON. Familie & Freunde
Dominik Flammer und Sylvan
Müller
250 Seiten
CHF 79.00
AT
Der wiederbelebte
Kochbuchklassiker
Sie haben das legendäre Fülscher-Kochbuch neu herausgegeben: Susanne Vögeli und Max Rigendinger.
Books: Das «Fülscher» ist ein Klassiker.
Welche Beziehung haben Sie dazu?
Susanne Vögeli: Meine Mutter war ebenfalls Köchin und und kochte gern und oft
Rezepte aus dem «Fülscher». Deswegen
habe ich einen emotionalen Bezug zum
Buch – und natürlich aufgrund meines
Berufs auch einen fachlichen. Ausserdem
deckt das Fülscher-Kochbuch meine bevorzugten «Kochwelten» ab: die schlichte,
traditionelle, aber dennoch von anderen
Esskulturen beeinflusste Schweizer Küche.
Ich liebe die qualitativ hochstehende regionale Alltagsküche. Natürlich mag ich auch
anderes, wie zum Beispiel die asiatische
Küche. Aber diese ist für mich eher etwas
für besondere Anlässe, nicht für den Alltag.
Die letzte Ausgabe des Fülscher-Koch­
buchs stammt aus dem Jahr 1966. Wieso
entschlossen Sie und Max Rigendinger
sich, es jetzt wieder aufzulegen?
Einerseits drückt dies unsere Wertschätzung gegenüber diesem Standardwerk
aus, das so viele Menschen begleitet hat.
Andererseits ist es auch eine Hommage an
Elisabeth Fülscher sowie an die Sorgfalt
und Hingabe, die sie in alle Auflagen des
Buchs investierte. So schuf sie eine Sammlung von 1700 Rezepten, die in Umfang
und Qualität wohl einmalig ist – und die
auch die Vielseitigkeit der Schweiz und
ihrer Küche repräsentiert.
Sind denn Kochbücher mit solch traditi­
onellen Rezepten in Zeiten von Fusion-,
Molekular- oder sonstiger Trendküche
überhaupt noch gefragt?
Sicher! Das Fülscher-Kochbuch war ja
niemals trendy, und für Elisabeth Fülscher hatte Kochen und Essen auch nicht
mit Lifestyle zu tun. Natürlich wurden die
verschiedenen Ausgaben vom jeweiligen
Zeitgeist geprägt, aber sie biederten sich
nicht an Kochtrends an. Trotzdem hat das
Buch die Zeit überdauert. Und die Vorbestellungen zeigen, dass es auch heute
noch beliebt ist.
In welcher Hinsicht unterscheidet sich
das Fülscher-Kochbuch sonst noch von
modernen Kochbüchern?
Es versteigt sich nicht in Exklusivitäten,
ist aber trotzdem technisch anspruchsvoll.
Moderne Kochbücher – besonders solche
von «Starköchen» – orientieren sich oft
an den Verhältnissen im Restaurant,
nicht im Privathaushalt. Das überfordert
eine durchschnittliche Küche bezüglich
Ausstattung und Zutaten und ist deshalb
wenig alltagstauglich. Kochbücher sind
heute oft zwar wunderschön und stim-
28 | Spezial – Kochbücher
Kochbücher sind
heute oft zwar
wunderschön und
stimmungsvoll
aufgemacht, aber
letztlich nur be­
dingt praxistaug­
lich.
mungsvoll aufgemacht, aber letztlich nur
bedingt praxistauglich.
Allerdings ist es teilweise auch schwie­
rig, gewisse Zutaten der Fülscher-Rezep­
te heutzutage im Laden zu finden, die
früher ganze Regale füllten – Innereien
zum Beispiel ...
Die Gesellschaft und ihr Kauf- und Essverhalten haben sich eben verändert. Dazu
hat eine Wertverschiebung stattgefunden:
Die Frage, welches Stück vom Tier welchen
Wert hat, wird heute ganz anders beantwortet als noch vor 20 oder 30 Jahren.
Da erinnert das Buch auch daran, dass es
noch anderes als nur Filet-Stücke gibt.
Ist Kochen auch heute noch weitgehend
Frauensache?
Wenn ich von meinen Kochkursen ausgehe: ganz bestimmt. Etwa 70 Prozent der
Teilnehmenden sind Frauen. Interessant
ist aber, dass Männer wie Frauen heute
ein umfangreicheres theoretisches Wissen
haben als früher. Das haben sie sich
aus den Kochsendungen oder aus dem
Internet angeeignet. Im Gegensatz dazu
fehlt es immer mehr an der praktischen
Erfahrung, die beim Kochen unersetzlich
ist. Offenbar ist es immer seltener der
Fall, dass kleine Mädchen und Jungs mit
der Mutter oder Grossmutter in der Küche
stehen, in den Töpfen und Pfannen rühren
und so die Grundlagen des Kochens quasi
nebenbei lernen.
Welches ist denn Ihr Lieblingsrezept aus
der Fülscher-Sammlung?
Da gibt es einige: Ochsenschwanzsuppe
zum Beispiel, Kalbsröllchen mit Spargel,
gedämpfter Fisch nach Genfer Art; oder
auch die Backrezepte vom Zimtstern über
den Spitzbueb bis zum Berliner – da leuchten nicht nur Kinderaugen!
Haya Molcho
Jamie Oliver
Béatrice Rybi
James Winter
Geboren in Tel Aviv, aufgewachsen
in Bremen, wohnhaft in Wien und
verwurzelt mit den grossen Küchen
dieser Welt: Haya Molchos Leben
und kulinarisches Schaffen sind
geprägt von zahlreichen Reisen und
ihren Verbindungen zu fremden Ländern. Dieses Buch erzählt in einzigartigen Bildern und Geschichten von
sieben Tagen gelebtem «Balagan».
Haya Molcho hat mit verschiedenen
Generationen eine Woche lang
gekocht, gelacht, das Leben gefeiert.
In ihren Rezepten verbindet sie die
orientalische Küche mit europäischen
Einflüssen. Mit frischen Kombinationen – von der Artischockensuppe mit
Salzzitrone über grüne Falafel bis hin
zu eingelegten Labanekugeln – eröffnet sie uns neue Genusshorizonte.
Ob für Paare, Singles, Familien oder
Studenten-WGs: «Cook clever mit
Jamie» bietet 120 originelle Rezepte
aus aller Welt, die wenig kosten
und fantastisch schmecken. Jamies
Gerichte mit Gemüse, Huhn, Rind,
Schwein, Lamm und Fisch bringen
gesunde Abwechslung auf den Tisch.
Zu jedem Fleischkapitel gibt es ein
Ausgangsrezept und anschliessend
eine ganze Reihe köstlicher Ideen zur
Verwertung von Bratenresten. Für
andere Reste wie Wein, Gemüse,
Kräuter oder altbackenes Brot hat der
Starkoch ebenfalls kreative Vorschläge parat, sodass möglichst wenig
Lebensmittel verschwendet werden.
Spar-Tricks für den Einkauf und Tipps
zur Vorratshaltung unterstützen
zusätzlich beim bewussten Kochen
und Geniessen.
Wenn hundert Menschen dasselbe
Rezept kochen, kommen hundert
verschiedene Gerichte heraus. Jeder
hat eben seinen eigenen Geschmack
und seine Art, etwas umzusetzen.
Die einen halten sich genau an die
Vorgaben, während andere lieber
locker mit Mengenangaben umgehen.
Das Buch regt mit einem bunten Mix
aus einheimischen und exotischen Gerichten zum Experimentieren und Improvisieren an. Vom Emmental nach
Italien, von Venezuela in die Malediven, von Vietnam bis Laos: Genauso
unterschiedlich und abwechslungsreich wie die Länder und Regionen
sind die Rezepte in diesem Buch. Das
ideale Kochbuch für Geniesser, die
sich an Neues heranwagen!
Wie entstand eigentlich der Nachtischklassiker «Birne Helene»? Woher
kommt der klassische Caesar Salad?
Und wer verlieh dem Rezeptklassiker
Tarte Tatin seinen berühmten
Namen? Dieses Buch stellt 50 welt­
bekannte Gerichte, darunter zehn
Cocktailklassiker, mit verlässlichen
Rezepten vor – und erzählt die
oftmals überraschenden Geschichten,
wie die Gerichte entstanden sind. Ein
Geschenkbuch für alle Hobbyköche
und Geschichtsinteressierten, die ihre
Gäste gern mit köstlichen Anekdoten
und überraschenden Hintergrundgeschichten erfreuen wollen – und
die vielleicht auch ein wenig angeben
möchten.
528 Seiten
288 Seiten
144 Seiten
192 Seiten
CHF 38.90
CHF 37.90
CHF 42.90
CHF 43.90
Südwest
Dorling Kindersley
Werd
Callwey
ISBN 978-3-517-08920-1
ISBN 978-3-8310-2485-8
ISBN 978-3-85932-716-0
ISBN 978-3-7667-2041-2
Balagan!
Cook clever mit
Jamie
Chicken, Fish
und Eierrösti
Wie die Helene
zur Birne kam
Das Fülscher-Kochbuch
Susanne Vögeli und
Max Rigendinger
832 Seiten
CHF 84.00
hier + jetzt
ARCHAISCH, GEHEIMNISVOLL, URTÜMLICH, WILD –
LEBENDIGE SCHWEIZER VOLKSKULTUR.
Kurt Haberstich, Martin Hauzenberger
Typisch Schweiz – Gelebte Tradition
Softcover 224 Seiten, 150 Farbfotos
ISBN 978-3-03780-063-7
BUCHtipps | 29
Books Nr. 4/2013
www.faro-buch.ch – Streiflichter auf die Schweiz
30 | Buchtipps
BUCHtipps | 31
Books Nr. 4/2013
Wissen öffnet Welten.
Nickolas Butler
Clemens Meyer
Im Stein
J. M. Coetzee
Die Kindheit
Jesu
Monika Maron
Little Wing im Norden Wisconsins.
Henry und Beth waren schon in der
Schule ein Paar. Ihren Heimatort
haben sie nie verlassen. Das Paar
kämpft um seine Farm und unterstützt seinen Freund Ronny, der
nach einem schweren Unfall vom
Rodeo-Star zum Alkoholiker wurde.
Kip war als Rohstoffmakler in Chicago
erfolgreich; nach seiner Hochzeit will
er in seiner alten Heimat Little Wing
neu beginnen, findet dort aber nur
schwer Halt. Lee wurde dank seines
Albums «Shotgun Lovesongs» ein
international gefeierter Star. Auch
ihn zieht es zurück nach Little Wing,
zu seinem besten Freund Henry und
dessen Frau Beth, mit der ihn mehr
als eine Freundschaft verbindet. In
einem unvorsichtigen Moment setzt
er alles aufs Spiel.
Prostituierte, Engel und Geschäftsmänner kämpfen um Geld, Macht
und die Verwirklichung ihrer Träume.
Eine junge Frau steht am Fenster
und schaut in den Abendhimmel. Im
Januar laufen die Geschäfte nicht, die
Gedanken tanzen in ihrem Kopf. «Der
Pferdemann», der alte Jockey, sucht
seine Tochter. «Der Bielefelder» rollt
mit neuen Geschäftskonzepten den
Markt auf, investiert in Clubs und
Eroscenter. «AK 47» liegt angeschossen auf dem Asphalt. Schonungslos
und zärtlich schreibt Clemens Meyer
über die Nachtgestalten, von ihrem
Aufstieg und Fall, vom Schmutz der
Strasse und dem Fluss des Geldes. Mit
grosser Kraft und Emotion erzählt er
dabei gleichzeitig auch die Geschichte
einer Stadt.
Ein Mann und ein Junge finden sich
in einem fremden Land wieder,
wo sie ohne Erinnerung ihr Leben
neu zusammenbuchstabieren. Der
Mann findet Arbeit im Hafen. Doch
die beiden müssen nicht nur eine
neue Sprache lernen, sondern auch
eine Mutter für den Jungen suchen.
Emigration, Einsamkeit, das Rätsel
einer Ankunft: In einem dunklen
Glas spiegelt der Südafrikaner J. M.
Coetzee unsere Welt auf eine Weise,
die alles Nebensächliche zur Seite
schiebt und die elementarsten Gesten
sichtbar macht.
Als Ruth am Tag von Olgas Begräbnis erwacht, verschwimmen die
Buchstaben vor ihren Augen und eine
Wolke zieht rückwärts. Etwas an ihrer
Wahrnehmung hat sich verändert.
Ruth verfährt sich auf dem Weg zum
Friedhof und gelangt in einen Park, wo
ihr Tote und Lebende erscheinen –
ein Selbstgespräch in Szenen und
Bildern, in dem Vergangenheit und
Gegenwart verschmelzen.
424 Seiten
560 Seiten
352 Seiten
192 Seiten
CHF 31.90
CHF 35.90
CHF 34.90
CHF 31.90
Klett-Cotta
S. Fischer
S. Fischer
S. Fischer
ISBN 978-3-608-98008-0
ISBN 978-3-10-048602-8
ISBN 978-3-10-010825-8
ISBN 978-3-10-048821-3
Shotgun
Lovesongs
Mehr erfahren: Großartige Infografiken erklären Hintergründe und Zusammenhänge
Mehr erleben und genieSSen: Infos aus erster Hand in aufwendigem Extra-Kapitel
Mehr entdecken: Tolle Touren und Tipps für jede Interessen- und Stimmungslage
«Die Kindheit Jesu» ist J. M. Coetzees
erster grosser, nicht biographisch
geprägter Roman seit seinem Welterfolg «Schande».
Zwischenspiel
Mit grosser Leichtigkeit fragt dieser
ebenso tiefgründige wie humorvolle
und fantastische Roman nach den
Konsequenzen von Entscheidungen.
Gibt es ein Leben ohne Schuld? Wäre
ein anderer Weg möglich gewesen?
32 | K affeepause
Die Debatte
Was machen Buchhändler in der Kaffeepause? Sie plaudern
über Bücher. Zum Beispiel im Bagels im St. Galler Rösslitor,
der grössten Buchhandlung der Ostschweiz. «Books» hat sich
dort zu Bettina Zeidler und Dario Widmer gesetzt.
Marius Leutenegger
Aufräumen
Angelika Waldis
152 Seiten
CHF 27.90
Europa
Niedergang
Roman Graf
204 Seiten
CHF 28.90
Knaus
Das grössere Wunder
Thomas Glavinic
522 Seiten
CHF 34.90
Hanser
K affeepause | 33
Books Nr. 4/2013
«Books»: Vor uns liegen drei Bücher.
Auf zweien davon ist auf dem Cover ein
Berg abgebildet. Beginnen wir mit dem
dritten: «Aufräumen» von Angelika Wal­
dis. Dario, du hast es in unsere Runde
gebracht. Worum geht’s?
Dario Widmer (DW): Die 70-jährige Luisa
entscheidet sich, in ihrem Leben aufzuräumen. Und das bedeutet, dass drei
Männer sterben müssen: ihr egozentrischer Ehemann Alfred ...
Bettina Zeidler (BZ): ... den sie Arschfred
nennt ...
DW: ... genau, dann der Arzt, der schuld
ist an der geistigen Behinderung ihrer
Tochter Maja, und schliesslich auch noch
der Mann ihrer anderen Tochter Miriam,
der diese sehr unglücklich macht. Als
erstes soll also Arschfred weg. Er hat Luisa das Leben zur Hölle gemacht, pochte
stets auf seine Sonderstellung als Künstler
und ging ständig fremd. Jetzt hat er sich
nach Genua zurückgezogen, um in Ruhe
zu malen. Luisa fährt ihm mit dem Zug
nach. Sie hat im Internet recherchiert, wie
man jemanden vergiftet, und die notwendigen Zutaten für ein tödliches Curry im
Gepäck. Ihre Pläne werden aber schon
bald über den Haufen geworfen, denn
im Zug begegnet sie Flack, einem jungen
Mann, der aus einer psychiatrischen Anstalt ausgebrochen ist. Flack zeigt Luisa
Italien, und durch ihn lernt sie den Spass
am Absurden kennen – denn Flack macht
einen Blödsinn nach dem anderen. Flack
verschwindet wieder, und danach reist
Luisa ... ach, ich sehe, ich gerate immer
tiefer in Details.
BZ: Aber das ist ja gerade das Tolle an
diesem Buch: diese Fülle an gelungenen
Details, und das alles auf nur 152 Seiten!
Zum einen erzählt uns «Aufräumen» die
Geschichte von Luisas Reise, zum anderen
erfahren wir in Rückblenden mehr über
das Leben der Protagonistin – und was
dazu führte, dass sie jetzt aufräumen will.
Führt sie die geplanten Morde denn auch
aus?
DW: Luisa betritt in Genua Alfreds Wohnung. Dort gewinnt sie aber eine wichtige Erkenntnis – und lernt, die Dinge so
stehenzulassen, wie sie sind.
Und die beiden anderen Männer, die sie
töten wollte?
BZ: Das löst sich alles bestens auf.
Das klingt jedenfalls nach einer originel­
len Geschichte ...
BZ: Das ist sie auch, und manchmal
musste ich laut loslachen. Aber es gibt
auch viele traurige und besinnliche Momente. Ich fand mich an vielen Stellen im
Buch wieder. Denn das gibt es ja in jedem
Leben: dass man gewisse Dinge lange Zeit
hinnimmt und irgendwann den Punkt
erreicht, an dem man sich entscheiden
muss, ob man so noch weitermachen
kann. Als Luisa hätte ich allerdings schon
lange Tacheles mit Alfred geredet.
DW: Ja, manchmal habe ich mich schon
gefragt, warum sie sich von ihm so viel
bieten liess. Ich bin sicher: Liest eine Feministin dieses Buch, stösst ihr das lange
Zeit völlig passive Verhalten von Luisa
wohl eher sauer auf.
Wem würdest du das Buch denn empfeh­
len, wenn nicht unbedingt den Feminis­
tinnen?
DW: «Aufräumen» kann man sehr vielen
Leuten mit gutem Gewissen in die Hand
drücken. Ich bin ja der beste Beweis
dafür, dass man diesen Roman auch als
junger Mann toll finden kann.
BZ: Vermutlich funktioniert das Buch
deshalb so gut, weil es so viele verschiedene Sichtweisen ermöglicht und so viele
Ebenen hat. Die Geschichte hat mich, bei
aller Leichtigkeit und allem Witz, zuweilen
auch bestürzt.
DW: Mir hat vor allem die Sprache gut
gefallen. Da wird nichts unnötig beschrieben oder in die Länge gezogen – und man
kann sich die Figuren auch gut vorstellen.
BZ: Mir gefiel bereits der letzte Roman
von Angelika Waldis, «Einer zuviel». In
«Aufräumen» hebt sie den Zeigefinger
noch etwas weniger stark als im Vorgänger, und darum finde ich das neue Buch
noch besser.
Kommen wir zu deinem Tipp, Bettina:
«Niedergang» von Roman Graf.
BZ: Kurz nachdem ich diesen Roman für
unsere Runde ausgewählt hatte, wurde er
auf die Shortlist des Schweizer Buchpreises gesetzt. Der Winterthurer Autor
Roman Graf, der erst 35 Jahre alt ist, hat
diese Anerkennung voll verdient. In «Niedergang» erzählt er die Geschichte des
jungen Pärchens André und Louise. André
ist Schweizer, Louise ist Berlinerin, und
beide leben in der deutschen Hauptstadt.
DW: Aber nicht zusammen!
BZ: Ja, und abgesehen davon erfährt
man eigentlich kaum etwas über die
beiden Protagonisten und warum sie
zusammen sind. Immerhin gibt uns Graf
einen Einblick in die Feriengewohnheiten
des Paars: Bislang machten Louise und
André offenbar immer auf der Mecklenburgischen Seenplatte Urlaub. Für dieses
Jahr hat André aber eine Tour durch die
Schweizer Berge geplant – und das auf
eine geradezu exzessiv akribische Weise.
Alles hat er festgelegt: Wie lange die einzelnen Tagestouren sind, wann eine Pause
eingelegt wird, wie sich das Gepäck zusammensetzt. Als es endlich losgeht, spielt
das Wetter nicht mit. Trotz Nebel und
Kälte wandern die beiden los, aber Louise
stinkt es gewaltig. Sie wird missmutig und
ziemlich gemein.
DW: André läuft voller positiver Energie
los – und sie folgt ihm im immer gleichen
Abstand, um ihm zu zeigen, wie blöd sie
alles findet. Dieses Bild fand ich ziemlich
stark.
BZ: Sie vermiest ihm alles, und natürlich
ist auch die erste Nacht in einem Massenlager furchtbar. Fatalerweise fällt
über Nacht auch noch Schnee. Eigentlich
müssten die beiden am nächsten Tag die
Route anpassen, aber plötzlich will Louise
wie geplant zum Gipfel aufsteigen.
Bettina Zeidler, 48, lebt in St. Gallen. Sie
arbeitet in der Abteilung Belletristik der St.
Galler Buchhandlung Rösslitor, die zu Orell
Füssli gehört. Am liebsten liest sie skandinavische Krimis und Thriller.
Dario Widmer:
«Ich habe wenig
Bezug zum Wan­
dern, und daher
waren mir manche
Beschreibungen
dann doch etwas zu
detailliert.»
Bettina Zeidler:
«Ich bin alpin eben­
falls nicht sehr be­
wandert, aber mich
hat die Beschrei­
bung, wie sich An­
dré Richtung Gipfel
quält, fasziniert.»
Dario Widmer, 21, lebt in Bühler in
Appenzell Ausserrhoden. Seine Lehre zum
Buchhändler absolvierte er im Rösslitor,
heute arbeitet er in der Abteilung Belletristik im Kramhof in Zürich. Er hat schon seit
jeher ein grosses Interesse an Literatur.
DW: Wahrscheinlich nur deshalb, weil
André die Pläne ändern will ...
BZ: Ja, sie findet: Du hast mich hierher
geschleppt, jetzt gehen wir auch rauf. Und
André ist sowieso einer, der schon als
Kind gelernt hat: Was man beginnt, führt
man zu Ende. Die Etappe wird aber immer härter, und irgendwann kann Louise
nicht mehr weitergehen. André nimmt
den Weg zum Gipfel allein in Angriff, denn
er scheint besessen von seinem Ziel.
Erreicht er es?
BZ: Die Geschichte endet sehr dramatisch. In höchster Verzweiflung wünscht
sich André, noch einmal eine Chance zu
haben, manches besser zu machen – aber
diese Chance bekommt er nicht mehr. Ich
hätte sie ihm sehr gegönnt.
Wie fandest du das Buch, Dario?
DW: Es hat mir gut gefallen; wie die beiden Hauptfiguren miteinander umgehen,
hat mich zwar manchmal sehr aufgeregt
und fand ich auch unverständlich, aber
ihr Verhalten ist doch glaubhaft – Graf
zeigt, wie komplex Beziehungen sein können. Etwas weniger spannend fand ich die
Sache mit dem Wandern und Bergsteigen;
ich habe wenig Bezug zum Wandern, und
daher waren mir manche Beschreibungen
dann doch etwas zu detailliert.
BZ: Ich bin alpin ebenfalls nicht sehr bewandert, aber mich hat die Beschreibung,
wie sich André Richtung Gipfel quält, fasziniert. Ich wusste nicht, dass Bergsteigen
mit so viel Schmerz verbunden ist, und
ich habe mit André mitgelitten.
DW: Im Kramhof diskutierte ich kürzlich
mit anderen Buchhändlern, die «Niedergang» ebenfalls gelesen haben, ob es
Menschen wie André und Louise tatsächlich gibt – und wir kamen zum Schluss:
Doch, mit den beiden kann man sich
sogar identifizieren. Ich würde manchmal
wohl ähnlich reagieren wie sie.
BZ: Mir ist auch die Aussage, die das Buch
macht, nahe gegangen: Vieles ist Schicksal. Wir können uns manchmal zwar wünschen, etwas wieder gut zu machen, aber
das heisst noch lange nicht, dass dieser
Wunsch auch in Erfüllung geht.
DW: «Niedergang» hat schon eine deutliche Aussage: Man kann ein Ziel manchmal einfach nicht erreichen, so sehr man
es auch anstrebt. Und man kann auch
nicht alles beenden, was man begonnen
hat.
BZ: Ja, und diese Tatsache wird einem
hier sehr dramatisch vor Augen geführt.
Und das alles ist erst noch gut formuliert:
Roman Graf beschreibt Situationen und
Menschen gekonnt mit wenigen Worten.
34 | K affeepause
BUCHtipps | 35
Books Nr. 4/2013
Das ist wirklich ein hervorragendes Buch;
es hat mich inhaltlich ebenso überzeugt
wie sprachlich.
Die äussere Ähnlichkeit zum dritten
Buch, über das wir reden, ist frappant:
Auch «Das grössere Wunder» von Tho­
mas Glavinic zeigt einen Berggipfel – den
Mount Everst.
DW: «Das grössere Wunder» lässt sich
aber nicht so leicht zusammenfassen
wie «Niedergang». Hauptfigur ist Jonas;
der Bub hat einen Zwillingsbruder, den
leicht autistischen Mike, und einen besten
Freund, Werner, der am gleichen Tag wie
die Zwillinge zur Welt kam. Der Vater der
Brüder ist schon lange tot, und die Mutter
nimmt ständig irgendwelche Freunde mit
nach Hause. Einer davon verprügelt Jonas
eines Tages, und die beiden Brüder ziehen
darauf zu Werner. Der lebt bei seinem
Grossvater Picco, einem extrem reichen
Mann, der in irgendwelche dubiosen
Geschäfte verwickelt ist. Schliesslich adoptiert Picco die beiden Jungs, und Jonas,
Mike und Werner werden sozusagen
Brüder. Etwas später schenkt Picco den
dreien ein Haus. Darin sind viele Türen
abgeschlossen, und manchmal erhalten
die Buben einen Schlüssel, um wieder ein
neues Zimmer betreten zu können. Diese
Zimmer und das, was sich in ihnen befindet, haben immer eine ganz bestimmte
Bedeutung.
Und was hat das alles mit dem Mount
Everest zu tun?
BZ: Bei jedem Kapitel gibt es einen
Szenenwechsel. Ein Kapitel erzählt von
Jonas’ Kindheit, das nächste spielt im
Hier und Jetzt: Jonas unternimmt eine
Expedition auf den Mount Everest. Durch
seine Kindheit ist er auf der Suche nach
immer neuen Kicks, und diese Suche
treibt ihn jetzt auch auf den höchsten
Berg der Erde.
Sind Mike und Werner auch dabei?
DW: Nein, denn beide sind jung gestorben.
Jonas hat darum auch allein das riesige
Vermögen von Picco geerbt; er muss
nie wieder arbeiten, und das viele Geld
ermöglicht ihm unglaubliche Projekte. Er
transportiert einen Zug um die halbe Welt,
baut sich ein Baumhaus in den Pampas,
kauft sich eine Insel oder richtet sich ein
Museum mit Erinnerungsstücken ein.
BZ: Doch eigentlich ist er ständig auf
der Suche nach Liebe und Anerkennung.
Denn er ist unglaublich einsam.
Findet er die Liebe denn?
BZ: Es gibt Marie, die er sehr liebt, aber
sie sagt ihm: Ich kann dir nicht mehr
dabei zusehen, wie du ständig versuchst,
dich umzubringen. Denn Jonas sucht stets
noch drastischere Herausforderungen –
bis zur Besteigung des Mount Everests.
DW: Als Leser erfährt man viel darüber,
wie knüppelhart es ist, auf den Gipfel zu
kommen. Die Bergsteiger erleiden Höllenqualen, haben ständig Kopfschmerzen,
können kein Essen mehr zu sich nehmen,
frieren sich fast zu Tode. Diese Beschreibungen sind sehr eindrücklich.
BZ: Es ereignen sich ja auch viele dramatische Dinge: Menschen sterben, Lawinen
gehen nieder. Und Jonas erhält einen
Brief von Marie, doch er traut sich nicht,
ihn zu öffnen.
Wenn ihr über das Buch redet, bekommt
man den Eindruck: Das sind eigentlich
zwei sehr unterschiedliche Bücher in
einem – hier die fantasievolle Kindheits­
geschichte, dort der drastische Bericht
einer Höchstleistung.
BZ: Diese beiden Teile sind auch ziemlich unterschiedlich. Jener über den
Aufstieg läuft aalglatt und ist spannend,
die Kindheitsgeschichte bereitete mir
hingegen zunächst Mühe. Ich konnte mich
nicht richtig in diese Welt hineinversetzen
und musste bei einigen Kapiteln zwei-,
dreimal ansetzen. Mir war manches zu
fantastisch. Aber nachdem ich mich ins
Buch hineingelesen hatte, gefiel es mir
ausgezeichnet. Nach der Hälfte konnte ich
es nicht mehr weglegen.
DW: Ich fand es von Anfang an sehr gut.
Ich las es von Beginn weg als Unterhaltungsroman.
BZ: Es ist aber nicht nur ein Unterhaltungs-, sondern auch ein Entwicklungsroman mit vielen philosophischen Betrachtungen.
Wem empfehlt ihr dieses Buch?
DW: Allen, die eine aussergewöhnliche
Geschichte mögen. Und die Berge!
Das gilt aber auch für «Niedergang» ...
DW: Ja, ich finde, man sollte beide Bücher
lesen. Und «Aufräumen» natürlich auch!
Johannes Engelke
Roger Kappeler
Den Nächsten,
Der Fluss des
der Frohe
Lebens
Weihnachten
zu mir sagt,
bringe ich um
Eines Tages laufen sich Anja und Nick
Weihnachtszeit ist Gruselzeit! Greifen
die renommiertesten Thriller-Autoren
zur Feder, ist niemand mehr sicher –
nicht einmal der Weihnachtsmann!
Während draussen klirrende Kälte
herrscht und drinnen die Stuben gut
geheizt sind, freut sich ein jeder auf
Ruhe und Einkehr. Doch diese Winterthriller räumen mit der friedvollen
Adventszeit auf – sie kennen keine
Gnade für Glöckchen, Glühwein,
Gänsebraten. Da heisst es Mord und
Totschlag statt Glanz und Gloria!
Mit Geschichten von Karen Rose,
Markus Heitz, Daniel Holbe, Petra
Busch, Sven Koch, Alex Berg, Simone
Buchholz, Heinrich Steinfest, Zoë
Beck, Markus Stromiedel, Frank Göhre und Claudio M. Mancini.
scheinbar zufällig über den Weg. Von
diesem Moment an ist für die beiden
nichts mehr so, wie es einmal war. Eine
Reihe äusserst seltsamer Begegnungen
führt die beiden jungen Leute rund um
den Globus und verwickelt sie in die
unglaublichsten Abenteuer. Die Aufgabe von Anja und Nick besteht unter
anderem darin, sich dem Fluss des
Lebens vertrauensvoll hinzugeben, statt
immer alles krampfhaft kontrollieren zu
wollen. Denn wie sie bald feststellen,
kann das Schicksal nur bis zu einem
bestimmten Grad beeinflusst werden –
oder vielleicht doch nicht?
Der nächste Streich des Autors von
«Starchild Terry» und «Hasret».
Verena Wermuth
Wiedersehen
mit Scheich
Khalid
Verena Wermuths grosse Liebe,
Scheich Khalid, ist Mitglied einer
arabischen Herrscherfamilie. Die
Beziehung der beiden zerbricht, als
Scheich Khalid seine Cousine heiraten
muss. Nach Jahren des Schweigens
kommt es über die Verfilmung ihres
Bestsellers «Die verbotene Frau»
zum erneuten Kontakt zwischen
den beiden. Ein Kontakt, der keinen
Zweifel an der einstigen leidenschaftlichen Liebe aufkommen lässt. Nach 18
Jahren treffen die beiden einander in
Dubai wieder. Hat sich während der
langen Jahre etwas an der Beziehung
geändert? Wird das Geheimnis
um die Identität des Scheichs nun
gelüftet? Oder ist Verena immer noch
die «verbotene Frau», die Khalid zwar
heimlich heiratete, zu der er sich aber
nie bekennen durfte?
Marcel Proust
Auf der Suche
nach der ver­
lorenen Zeit
Band 1: Auf dem
Weg zu Swann
100 Jahre nach der Erstveröffentlichung von Marcel Prousts epochalem
Meisterwerk «Auf der Suche nach der
verlorenen Zeit» erscheint mit «Auf
dem Weg zu Swann» der erste Band
einer neuen Übersetzung. BerndJürgen Fischer, Mathematiker, Linguist
und freier Autor, hat zehn Jahre an
dem übersetzerischen Grossprojekt
gearbeitet – mit dem Ziel, Proust
als einen humorvollen Erzähler zu
zeigen und den freundlich-amüsierten
Grundton des Originals zu bewahren.
Die hochwertige Ausgabe in der
Reclam Bibliothek enthält einen
Kommentar, der alle historischen und
kulturhistorischen Informationen enthält, die der moderne Leser erwartet.
Die weiteren sechs Bände werden
halbjährlich erscheinen.
WEI H N ACH TS-
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Orell Füssli Buchhandlungen im Westside in Bern
sowie im Kramhof und am Bellevue in Zürich.
400 Seiten
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Droemer
Deutsche Literaturgesellschaft
Weltbild
Reclam
ISBN 978-3-426-19986-2
ISBN 978-3-86215-328-2
ISBN 978-3-03812-509-9
ISBN 978-3-15-010900-7
36 | Fantastisch!
Fantastisch! | 37
Books Nr. 4/2013
begonnen hat, will man unbedingt wissen,
wie die Sache weitergeht. Spannend ist die
Liebesgeschichte – Kennedy fühlt sich zwischen den Zwillingen hin- und hergerissen
–, witzig ist der Umgang der Jugendlichen
untereinander. Und es gibt viele sehr gruselige Stellen. Meines Erachtens ist das
kein Buch für allzu junge Leserinnen und
Leser; die würden nach der Lektüre wohl
kaum noch schlafen können. Aber alle anderen werden sich bestens unterhalten.
Fantastisch!
Eine Mitarbeiterin von Orell Füssli präsentiert Neuerschei­
nungen und Geheimtipps aus dem Fantasy-Genre: Bücher
für alle, die sich gern in fremde Welten entführen lassen.
Marius Leutenegger
«Kami Garcia ist eine ganz grosse Nummer unter den Fantasy-Autorinnen. Von ihr
stammt die vierteilige Buchserie, die mit
‹Sixteen Moons› begann und seit der Verfilmung bei uns auch unter dem englischen
Namen ‹Beautiful Creatures› bekannt ist.
Mit ‹The Legion – Der Kreis der Fünf› legt
die US-Amerikanerin jetzt den Grundstein
zu einer neuen Serie. Ich bekam eine Leseprobe, schaute ein bisschen rein – und war
so begeistert, dass ich sofort den gesamten
Text anforderte. Kami Garcia schreibt einfach genial, sehr einnehmend und witzig.
Hauptfigur der neuen Serie ist die 16-jährige Kennedy Waters. Sie lebt allein mit
ihrer Mutter; warum der Vater die Familie
schon längst verlassen hat, weiss Kennedy
nicht. Eines Tages findet das Mädchen seine Mutter reglos im Bett – sie ist tot, angeblich infolge Herzversagens. Für Kennedy
bricht ihre Welt zusammen. Und dann wird
sie auch noch von einem wütenden Rachegeist bedroht. Rachegeister sind Seelen
von Menschen, die gewaltsam ums Leben
gekommen sind und sich jetzt an allen Lebenden rächen wollen – also Geister von
der allerübelsten Sorte.
Glücklicherweise wird Kennedy in letzter
Sekunde von zwei attraktiven Zwillingen
gerettet, von Jared und Lukas Lockhart.
Durch die beiden erfährt sie von der Legion, einer jahrhundertealten Geheimgesellschaft. Die Legion wurde ursprünglich gegründet, um die Illuminati zu bekämpfen,
eine andere, sagenumwobene Geheimgesellschaft. In ihrem Kampf hat die Legion
einen Dämon freigesetzt, und dieser Dämon trägt die Schuld am Tod von Kennedys
Mutter. Das Mädchen findet heraus, dass
ihre Mutter Mitglied der Legion war – und
sie erfährt, dass bei dieser Geheimgesellschaft die Kinder stets den Platz der Eltern
einnehmen müssen. In der gleichen Nacht
wie Kennedys Mutter wurden auch die vier
anderen erwachsenen Mitglieder der Legion getötet, und gemeinsam mit deren Söhnen und Töchtern macht sich Kennedy
jetzt auf die Suche nach einer Waffe gegen
den Dämon. Und dieser Kreis der Fünf bekommt es nun mit unheimlich vielen unheimlichen Rachegeistern zu tun.
Der erste Band der neuen Serie von Kami
Garcia ist ein typischer Auftakt: Die Figuren werden eingeführt, die Ausgangslage
wird erläutert. Die Geschichte geht erst ab
Mitte des Buchs so richtig los. Aber auch
bis dahin habe ich mich keine Sekunde
lang gelangweilt. Das Buch hat richtig viel
Zug, und wenn man es einmal zu lesen
Wollen die Jüngeren etwas Ähnliches lesen, kann ich ihnen den Auftakt zu einer
anderen Serie empfehlen: ‹Lockwood und
Co. 01. Die seufzende Wendeltreppe›.
Auch in diesem Fall haben wir es mit einem Autor zu tun, der bereits mit einer
anderen Serie für Furore sorgte: Vom Briten Jonathan Stroud stammen die
‹Bartimäus›-Bücher. Für alle, die den frechen Dschinn Bartimäus mochten, sind die
Lockwood-Geschichten natürlich Pflichtlektüre, denn zwischen den Serien gibt es
einige Parallelen: Beide sind so witzig wie
spannend geschrieben, und die Charaktere
beider Serien scheinen dem gleichen Fundus entsprungen zu sein.
Die Lockwood-Serie spielt im London einer
nicht allzu fernen Zukunft. Die Stadt wird
von gefährlichen Geistererscheinungen
heimgesucht. Nur Kinder und Jugendliche
können die Geister direkt wahrnehmen,
und deshalb können auch nur sie die Erscheinungen bekämpfen. Sie werden von
sogenannten Agenturen angestellt. Auch
die 16-jährige Lucy ist eine Agentin, sogar
eine sehr begabte – denn sie kann Geister
sowohl hören als auch sehen. Allerdings
vermasselt Lucy ohne eigenes Verschulden
einen Auftrag, und deshalb findet sie kaum
noch eine Stelle. Schliesslich kommt sie bei
der winzigen Agentur unter, die vom jungen Anthony Lockwood geleitet wird. Der
ist so gutaussehend wie selbstverliebt und
mysteriös, so anziehend wie unsympathisch. Der einzige weitere Mitarbeiter der
Agentur ist George, eine Art Daniel Düsentrieb der Geisterbekämpfung.
Leider geht der erste Einsatz des Dreierteams von Lockwood & Co. gründlich in die
Hose, und die Agentur steht wegen Schadenersatzforderungen sofort vor dem
Ruin. Sie muss nun jeden Auftrag annehmen. Und deshalb landen die drei schon
bald im verrufensten Haus von ganz London. Hier sind schon viele Agenten ums
Leben gekommen, und auch Lockwood,
George und Lucy geraten buchstäblich in
Teufels Küche ...
Wirklich gut an dieser Geschichte finde ich
die Figuren; Lockwood ist ein kleiner Sherlock Holmes, und die Sherlock-HolmesGeschichten haben mir schon immer gut
gefallen. Allerdings ist der Verlauf der Geschichte eher absehbar, und wer extrem
anspruchsvoll ist, wird deshalb vielleicht
nicht so richtig glücklich mit diesem leichtfüssigen Roman.
Für die ganz Anspruchsvollen habe ich daher einen anderen Tipp: ‹Falling King­
doms 01. Flammendes Erwachen› von
Morgan Rhodes, High-Fantasy vom Allerfeinsten. Dieser erste Teil einer neuen Serie
bietet mehrere Erzählstränge, die aber
bald alle zusammenlaufen. Die Geschichte
spielt im Mittelalter und in drei verschiedenen Reichen. Das südliche Reich heisst Auranos und ist sehr wohlhabend. Hier
wächst Prinzessin Cleo wohlbehütet auf.
Mit einem Freund reist Cleo eines Tages ins
Nachbarland Paelsia, das zwar sehr arm,
aber für seinen guten Wein berühmt ist. Im
Streit ersticht der Freund von Cleo den
Sohn eines Weinhändlers. Jonas, der Bruder des Getöteten, will den Mord rächen.
Er stachelt Paelsia zum Krieg an, und der
tyrannische König von Limeros schliesst
sich dem Feldzug gegen Auranos an.
Bis hierher gibt es kaum Fantasy-Elemente. Magie spielt dann aber eine ganz wichtige Rolle. Im armen Paelsia blühen die
Weinreben so gut, weil der Boden voller
Magie ist. Es gibt nämlich die sogenannten
Elementia – magische Steine. Sie wurden
einst von Wächtern und Wächterinnen beherrscht, und diese Steine könnten den
Krieg zwischen den Reichen entscheiden ...
Wenn ich die Geschichte erzähle, merke
ich: Sie ist komplex und lässt sich nicht so
einfach zusammenfassen. Aber der Autorin gelingt es, alles sehr verständlich und
anschaulich zu schildern. Die Charaktere
sind hervorragend gezeichnet, man kann
die Handlungen und Empfindungen jeder
Figur nachvollziehen. Ich habe selten ein
so gut durchdachtes Buch gelesen. Morgan
Rhodes hat sich offenbar sehr genau überlegt, wie sie ihren Roman aufbaut, und
dennoch wirkt ihr Werk überhaupt nicht
konstruiert, alles fügt sich wunderbar zusammen. Für mich steckt in diesem Roman
einfach alles drin, was ein gutes FantasyBuch braucht: Intrigen, grosse Kämpfe,
Legenden, Magie. Das Gesamtpaket hat
mich sehr überzeugt, und deshalb freue ich
mich schon jetzt auf die Fortsetzung.»
... und noch ein Tipp
Manuela Bigler, 25, arbeitet in der
Kinder- und Jugendbuchabteilung von
Orell Füssli im Berner Einkaufszentrum
Westside. «Das Lesen hat mich von Kind
auf begleitet», sagt sie, «deshalb wollte ich
auch beruflich mit Büchern zu tun haben.»
Am liebsten mag sie Fantasy-Romane.
«Bei diesem Genre kann ich am besten
abschalten», sagt die Bernerin. «Ich lese
nicht so gern Geschichten, die zu nahe an
der Realität sind, denn Lesen soll ja auch
einen Ausgleich zum Alltag bieten.»
The Legion –
Der Kreis der
Fünf
Kami Garcia
320 Seiten
CHF 27.90
cbt
Lockwood
und Co. 01.
Die seufzende
Wendeltreppe
Jonathan
Stroud
427 Seiten
CHF 29.90
cbj
Falling
Kingdoms 01.
Flammendes
Erwachen
Morgan Rhodes
441 Seiten
CHF 21.90
Goldmann
Marino Castelli,
28, wohnt in Gunz­wil und arbeitet
bei Orell Füssli am
Bellevue.
Buchhändler wurde er,
weil «ich ein leidenschaftlicher
Leser bin und
mein Hobby zum
Beruf
machen
wollte». Sein Tipp: «Die Karte der Welt»
von Royce Buckingham. «Das Königreich
Abrogan wird im Norden durch den
‹Schleier› begrenzt. Niemand, der ihn
durchschritten hat, ist je zurückgekehrt.
Als der junge Schweinehirt Wex wegen seines Zeichentalents aufgefordert wird, bei
der Vermessung der Grenze zu helfen,
freut er sich darauf, sein ärmliches Dorf
verlassen zu können. Doch dann stellt sich
heraus, dass Wex mit seinen Strichen auf
der Landkarte den Schleier zurückdrängt.
Es öffnet sich ein Land voller Abenteuer,
neuer Gefährten und mit einem alten, von
Rachegelüsten zerfressenen Feind ... Dieses Buch war der perfekte Fantasy-Roman
für meine Ferien. Das Debüt von Royce
Buckingham, ‹Dämliche Dämonen›, wird
gegenwärtig verfilmt, und auch dieses
zweite Buch von ihm ist bester Filmstoff.
Die Handlung um die sympathische Hauptfigur Wex ist durchgehend spannend, und
der Autor verzichtet auf jede unnötige Ausschmückung; daher ist man sofort in der
Geschichte drin. Ich empfehle dieses süffige Buch allen Leuten, die Fantasy-Bücher
mögen – und auch allen, die auf Abenteuergeschichten stehen, mit Fantasy bis jetzt
aber wenig anfangen konnten, denn ‹Die
Karte der Welt› erscheint mir sehr gut geeignet für einen Einstieg ins Genre. Nicht
zuletzt auch deshalb, weil die Geschichte in
sich abgeschlossen ist und man nicht auch
noch mit etlichen Fortsetzungen rechnen
muss.»
Die Karte
der Welt
Royce
Buckingham
605 Seiten
CHF 23.90
Blanvalet
38 | Im Schaufenster
Drei brüchige Säulen
Erfolgsautor Daniel Kehlmann erzählt eine aberwitzige
Familiengeschichte: Drei Brüder erleben, wie die Stützen
ihres Lebens und Wertesystems wegbrechen.
Benjamin Gygax
«F» – so kurz und bündig, aber auch geheimnisvoll heisst der neuste Roman von
Daniel Kehlmann. Der Buchstabe könnte
für vieles stehen. Friedland heisst zum Beispiel die Familie, um die Kehlmanns Geschichte kreist; und auch Familie beginnt
mit einem F. Der Autor sagt über den Titel,
den er gewählt hat: «Ich will das lieber
nicht aufschlüsseln. Zentral ist aber schon
das Wort ‹Familie›.» Wie Kehlmann es
gern tut, hat er in seinem Roman aber auch
Hinweise auf andere Deutungen versteckt.
Ein Familienmitglied, Eric Friedland, will
sich im Kino das letzte Werk von Orson
Welles ansehen – und das heisst «F für
Fälschung». Der dokumentarische Essayfilm von 1974 dreht sich um einen Kunstfälscher. Auch diesen gibt es in Kehlmanns
Roman. Der Autor hat den Themenfächer
also breit aufgespannt. Doch worum geht
es im dritten grossen Roman des 38-jährigen deutsch-österreichischen Autors?
mit einer Aufforderung zurück ins Publikum: «Das ist ein Befehl, den du befolgen
wirst, weil du ihn befolgen willst, und du
willst es, weil ich es befehle, und ich befehle es, weil du willst, dass ich es befehle. Von
heute an bemühst du dich. Egal, was es
kostet.» Der erfolglose Autor, der von sich
selber sagte, er könne nicht hypnotisiert
werden, wirft seine Söhne auf dem Nachhauseweg aus dem Auto und verschwindet. «Und tatsächlich sollte keiner seiner
Der grosse Lindemann
Dreh und Angelpunkt der Geschichte ist
das erste Kapitel. «Es war das Jahr 1984,
und Arthur hatte keinen Beruf. Er schrieb
Romane, die kein Verlag drucken wollte,
und Geschichten, die dann und wann in
Zeitschriften erschienen. Etwas anderes
tat er nicht, aber seine Frau war Augenärztin und verdiente Geld.» Mit ihr hat er zwei
Söhne, die eineiigen Zwillinge Eric und
Iwan, die inzwischen 13 Jahre alt sind. Aus
der heimlichen Beziehung zu einer anderen Frau stammt Martin, sein ältester
Sohn. Arthur ist auch als Vater wenig engagiert oder erfolgreich. Doch an diesem Tag
will er mit seinen Söhnen eine besondere
Veranstaltung besuchen: eine Vorstellung
des grossen Lindemanns, Meister der Hypnose. «Er war füllig und hatte eine Glatze,
die durch ein paar über die Kahlheit seines
Schädels gelegte Haare nur noch stärker
ins Auge fiel, und er trug eine schwarze
Hornbrille.» Diese unspektakuläre Erscheinung – eine Reminiszenz an Thomas
Manns «Mario und der Zauberer» – bittet
Arthur Friedland auf die Bühne, unterzieht
ihn einem kurzen Verhör und schickt ihn
Im Schaufenster | 39
Books Nr. 4/2013
Söhne ihn wiedersehen, bevor sie erwachsen waren. In den folgenden Jahren aber
erschienen die Bücher, derentwegen die
Welt Arthur Friedlands Namen kennt.»
Nach der Vermessung der Welt
Den Namen von Daniel Kehlmann kennt
die Welt dank seines Romans «Die Vermessung der Welt». Das Buch erschien 2005,
als der Sohn des Regisseurs Michael Kehlmann und der Schauspielerin Dagmar
Mettler gerade einmal 30 Jahre alt war,
und verkaufte sich weltweit über sechs
Millionen Mal – was den Autor selber wundert: Das Buch müsse etwas getroffen haben, das in der Luft lag, «sonst kann ich
mir nicht erklären, wie ein dezidiert literarisches Buch voll von historischen und literarischen Anspielungen und mit in indi-
Satz genügt, um den Selbstzweifeln des
jungen Manns zum Durchbruch zu verhelfen – Iwan begräbt seine Ambitionen, wird
Galerist und malt nur noch jene Bilder, die
der arrivierte Maler Eulenböck, sein Lebenspartner, hätte malen müssen, um am
Kunstmarkt erfolgreich zu sein.
rekter Rede geschriebenen Dialogen 20
Wochen lang Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste belegen kann». Der 2009 folgende Roman «Ruhm» konnte diesen Erfolg
nicht wiederholen, und dem Autor liegt
auch nichts daran, mit «F» auf Rekordjagd
zu gehen. «Der Erfolg wird in diesem Ausmass wahrscheinlich unwiederholbar bleiben», weiss Kehlmann. Er sehe seinen frühen Erfolg aber als Chance, dass sein
ganzes Werk von jetzt an quersubventioniert werde. Vielleicht ist es diese materielle Freiheit, die es Kehlmann ermöglicht,
auch mit dem Etikett des «Hoffnungsträgers des deutschsprachigen Romans» zu
leben, das ihm angeheftet wurde. Er findet:
«Damit kann man nur umgehen, indem
man es nicht allzu ernst nimmt.» Und so
schrieb er die überdrehte Geschichte der
männlichen Friedlands.
Zu dick aufgetragen?
Die Religion und moderne Ersatzreligionen werden von Daniel Kehlmann effektvoll demontiert. Einigen Rezensenten war
das zu direkt oder zu verspielt. «Der Spiegel» zum Beispiel urteilte unter dem Titel
«F wie Firlefanz»: «Hätte Kehlmann die
Themen und die Figuren ernst genommen,
‹F› wäre der Roman einer ausgehöhlten
Gesellschaft geworden. So wirkt das Buch
wie die missglückte Fingerübung eines
Schriftstellers, der auf der Suche nach der
besonderen Form vor lauter Spielereien
den Inhalt aus den Augen verloren hat.»
Ein gottloser Priester, ein durchgedrehter
Finanzjongleur, ein schwuler Kunstfälscher – natürlich sind diese Figuren etwas
modellhaft und programmatisch geraten,
doch das war eigentlich auch schon bei
Kehlmanns Grosserfolg «Die Vermessung
der Welt» ähnlich. Auch die beiden Protagonisten Gauss und von Humboldt standen
für zwei gegensätzliche Menschentypen.
Und auch ihre Erlebnisse wurden bis zur
Satire überdreht. Dafür gibt es die schöne
Formulierung, dass etwas «bis zur Kenntlichkeit entstellt» sei. Sicher trifft das auch
für Martin, Eric, Iwan und ihr jeweiliges
Umfeld zu. Dass der Autor deshalb seinen
Inhalt aus den Augen verloren habe und
sich in Spielereien ergehe, stimmt aber
nicht. An einer Stelle könnte man Kehl-
Kirche, Kapital und Kunst
Arthur Friedland scheint an diesem schicksalshaften Nachmittag bei Lindemann seine Bestimmung gefunden zu haben, seine
Söhne dagegen geraten im Lauf der Jahre
vollends aus der Bahn. Kehlmann widmet
jedem der Männer einen Abschnitt und
verwebt ihre Schicksale im Jahr 2008 virtuos miteinander. Martin gelingt es nie, ungezwungen mit dem anderen Geschlecht
zu verkehren. Die Kirche und ihre Rituale
geben ihm Halt – und so wählt er die Priesterlaufbahn, obwohl er nicht glaubt. Martin sagt sich: «Meine Stimme klingt nicht
schlecht; ich bin gut in meinem Beruf» –
und er hofft darauf, dass sich der Glaube
noch einstellen wird. «Wenn man sich nur
ein wenig Mühe gab, musste es zu schaffen
sein.» Bis dahin gilt seine Leidenschaft
dem Essen und dem Wettkampf mit dem
Rubik-Zauberwürfel. Sein Halbbruder Eric
«hatte schon früh gewusst, dass er anders
sein wollte als sein Vater. Er wollte Geld
verdienen, er wollte ernst genommen werden, er wollte nicht jemand sein, den man
insgeheim bedauerte.» So baut er sich sein
Reich als Vermögensverwalter, in dem er
zwar ernst genommen wird, aber am Abgrund der Finanzkrise schon längst kein
Geld mehr verdient. Er dreht sich in einem
Alptraum aus Medikamentenmissbrauch,
Veruntreuung und Ehebruch immer
schneller um sich selbst, bis er die Orientierung verliert und Gespenster sieht. Iwan
schliesslich beginnt als hoffnungsvoller
Kunststudent und Maler, bis er Lindemann
zum zweiten Mal begegnet. «Maler – wirklich?» meint der Hypnotiseur, als ihm Iwan
sein Berufsziel verrät. Und auf Iwans Rückfrage: «Ist auch egal. Ist nicht so wichtig.
Aber meinen Sie das ernst? Maler?» Dieser
mann Ausschweifung vorwerfen – missen
möchte man dieses Kapitel «Familie» dennoch nicht: Als Ich-Erzähler beschreibt Arthur in immer knapperer Form das Leben
seiner Vorfahren. Irrtum vorbehalten, reihen sich so 21 Generationen aneinander,
bis ins Mittelalter. In diesen Miniaturen
fängt Daniel Kehlmann den Charakter von
Mensch und Zeit so gekonnt ein, dass es
Freude macht.
Verschlungene Wege
F
Daniel Kehlmann
Bei aller überdrehten Komik entwirft Kehlmann Figuren, die lebendig wirken. Und
aus diesen Figuren heraus habe sich der
Roman entwickelt, sagt der Autor: «Martin
ist mir am schwersten gefallen. Das Kapitel
über Eric schrieb sich beinahe von selbst.
All die Atemlosigkeit und Hektik, die Halluzinationen, auch die Pointen, die aus seiner wahnhaften Paranoia entstehen.» Das
habe Spass gemacht; bei Iwan dagegen
habe Kehlmann einen liebenswürdigen,
anständigen Menschen erfinden wollen.
«Ja, er fälscht Bilder, aber eigentlich schädigt er niemanden und tut nichts Böses,
und in einem bestimmten Moment erweist
er sich sogar als Held.» Diesem Auftritt und
allem Schicksalhaften nimmt Kehlmann
auf den letzten Seiten die Schwere, wenn
er Arthur ein weiteres Mal auftreten lässt.
Zu Erics Tochter meint er: «Fatum, das
grosse F. Aber der Zufall ist mächtig, und
plötzlich bekommt man ein Schicksal, das
nie für einen bestimmt war. Irgendein Zufallsschicksal.»
379 Seiten
CHF 34.90
Rowohlt
Weitere Bücher von
Daniel Kehlmann
Die Vermessung
der Welt
Daniel Kehlmann
301 Seiten
CHF 16.90
Rowohlt
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts machen
sich Alexander von Humboldt und Carl
Friedrich Gauss an die Vermessung der
Welt. Mit Fantasie und viel Humor beschreibt Daniel Kehlmann in seinem Abenteurerroman das Leben zweier Genies.
Ruhm
Daniel Kehlmann
202 Seiten
CHF 14.90
Rowohlt
Ein Mann kauft ein Mobiltelefon und bekommt Anrufe, die einem anderen gelten;
nach kurzem Zögern beginnt er ein Spiel
mit der fremden Identität.
E
HM
AU
ER
ED
WI
A
FN
ABSCHALTEN
BUNDESORDNER 2013
MICHEL GAMMENTHALER
DO 19. DEZ – SA 4. JAN
DO 9. JAN – SO 19. JAN
MI 26. FEB Premiere / FR 28. FEB / SA 1. MÄR /
DO 6. MÄR / FR 7. MÄR
Die Business Class macht Ferien. Ein Komödie nach Martin Suter.
20.00 Uhr, Sonn- und Feiertage 17.00 Uhr
Ein satirischer Jahresrückblick
20.00 Uhr, Sonntag 17.00 Uhr
«Scharlatan»
jeweils 20.00 Uhr
Kartenbestellung und weitere Infos: www.casinotheater.ch oder Telefon 052 260 58 58
40 | Schöne Bücher
Schöne Bücher | 41
Books Nr. 4/2013
In Büchern und
in Schönheit
schwelgen
Schöne Bücher findet man in vielen Buchhandlungen – die
allerschönsten gibt es aber in der Ab­teilung für Kunst-,
Architektur-, Design- und Fotobücher im zweiten Stock der
Orell-Füssli-Filiale Kramhof in Zürich. Abteilungsleiterin
Mirjam Kühnis hat für «Books» einige besonders geglückte
Neuer­scheinungen ausgewählt.
Einfach in jeder Hinsicht prächtig:
«Genesis» von Sebastião Salgado,
erschienen im Taschen-Verlag
Marius Leutenegger
Der belgische Innenarchitekt Axel Vervoordt
zählt die reichsten Menschen der Erde zu seinen
Kunden. Dank des Buchs «Häuser des Lichts»,
erschienen bei Stuart & Jacoby, können wir alle
jetzt seine Kunst bewundern.
«Unser Bestseller ist gegenwärtig ‹Gene­
sis›, ein Bildband des weltberühmten brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado
– und eine fotografische Hommage an unseren Planeten in seinem ursprünglichen
Zustand. Während acht Jahren unternahm
Salgado, der schon seit langer Zeit ausschliesslich schwarz-weiss fotografiert, für
dieses Projekt über 30 Reisen in die letzten
unberührten Naturräume, in Wüsten, zu
Meeren und in Urwälder. Er war in kleinen
Propellermaschinen, zu Fuss oder im Kanu
unterwegs – und brachte spektakuläre Aufnahmen nach Hause. Sie zeigen archaische
Vulkanlandschaften,
Seelöwen,
Grosswild, die Eisberge der Antarktis oder
die letzten Naturvölker. Die starken Kontraste der grossformatigen Fotografien wirken so monumental wie dramatisch und
verleihen Salgados Aufruf, dass wir die
Schätze unseres Planeten bewahren müssen, auf schöne Art Nachdruck. Kritisiert
wurde an diesem Buch, dass es nur Schönes zeigt und die hässlichen Seiten der Natur ignoriert. Aber genau das macht ‹Genesis› eben auch wunderschön – man kann
sich an den Bildern kaum sattsehen. Dieses
Buch ist ein tolles Geschenk für Weihnachten. Erst recht in der Collector’s Edition:
Dieses grossformatige Portfolio, das etwas
anders geordnet ist als die Normalausgabe, ist auf 2500 Exemplare limitiert, wurde
von Salgado signiert, wiegt 60 Kilogramm
und wird in einer exklusiven Holzbox ge-
liefert. Zur Sonderausstattung zählt auch
ein Präsentationstisch, den der japanische
Architekt Tadao Ando entworfen hat. So
viel exklusive Schönheit hat natürlich ihren Preis: In der Collector’s Edition kostet
‹Genesis› 3300 Franken. Übrigens gibt es
auch noch eine auf 100 Exemplare limi-
«Ich finde es toll,
dass es immer wie­
der Verlage gibt,
die solche Bücher
veröffentlichen!»
tierte «Art Edition» – à 8500 Euro. Mir
selber reicht die Normalausgabe voll und
ganz, denn sie ist einfach prächtig. Die besten Bilder, die im Rahmen des ‹Genesis›Projekts entstanden sind, werden übrigens
auch in einer Ausstellung gezeigt. Sie geht
um die Welt und macht noch bis 12. Januar
2014 im Musée de l’Elysée in Lausanne
Halt – die Reise dorthin kann ich nur empfehlen.
Wenn wir schon bei wunderbaren grossformatigen Büchern sind: Ein solches ist
auch ‹The Book of Palms›. Auf über 400
Seiten zeigt es wissenschaftliche Zeichnungen von Palmen. Sie stammen allesamt
von Carl Friedrich Phillip von Martius; der
deutsche Botaniker unternahm von 1817
bis 1820 im Auftrag des Königs von Bayern
eine ausgedehnte Brasilienreise, während
der er die tropische Pflanzenwelt erforschte und Hunderte von zumeist farbigen
Zeichnungen anfertigte – darunter zum
Beispiel Details von Blättern und viele Gesamtansichten von Pflanzen in ihrer Umgebung. Noch heute profitiert die Wissenschaft von der akribischen Arbeit Martius’.
Dass diese Zeichnungen jetzt als gestochen
scharfe Farblithografien neu publiziert
wurden, ist ein Geschenk für alle, die gern
in schönen Büchern schmökern und
schwelgen. Ich finde es toll und auch erstaunlich, dass es immer wieder Verlage
gibt, die solche Bücher veröffentlichen –
‹The Book of Palms› spricht wohl nur ein
kleines Segment an. Ich empfehle es aber
allen Leserinnen und Lesern, nicht nur jenen, die sich für Botanik interessieren,
denn es macht einfach Freude.
Das gilt auch für meine nächste Empfehlung: ‹Häuser des Lichts›. Der Fotoband
zeigt Interieurs, die der Restaurator, Innenarchitekt und Kunstsammler Axel Ver­
voordt mit seinem Team rund um die Welt
42 | Schöne Bücher
Schöne Bücher | 43
Books Nr. 4/2013
Ein Reiseführer auch für
Daheimgebliebene
Marius Leutenegger
Art déco ist eine Kunstrichtung,
die bis heute viele Fans hat –
diese werden am Bildband «Art
déco» von Prestel fraglos ihre
Freude haben.
gestaltet hat – und bei denen das Licht eine
ganz besondere Rolle spielt. Wichtig sind
bei den Arbeiten von Vervoordt, der selber
in einem barocken Wasserschloss bei Antwerpen lebt, aber immer auch die Elemente Luft und Wasser. Der Belgier schafft unvergleichliche Atmosphären, und die
«Wie entspannt
wäre man erst,
wenn man in
diesen Räumen
leben könnte!»
Der deutsche Botaniker Carl Friedrich Phillip
von Martius reiste vor fast 200 Jahren nach
Brasilien – und brachte Hunderte von Zeichnungen mit, die der Taschen-Verlag jetzt in
«The Book of Palms» zugänglich macht.
Fotos, die diese Atmosphären für das Buch
eingefangen haben, sind ebenfalls sehr
stark. Mir gefallen vor allem die eher einfachen Räume, die vom Licht auf besondere
Weise modelliert werden. Üblicherweise
bin ich keine grosse Anhängerin des Minimalistischen, aber Vervoordts Gestaltungen strahlen eine so angenehme Ruhe aus,
dass allein schon das Betrachten der Fotos
entschleunigt. Wie entspannt wäre man
erst, wenn man in diesen Räumen leben
könnte!
Und gleich noch ein Buch, bei dem Architektur eine wichtige Rolle spielt: ‹Art déco›.
Diese Neuerscheinung sprang mir sofort
ins Auge, weil sie auch im Art-déco-Stil gestaltet ist – mit Silberschnitt und in Schriften, die an die 1920er- und 1930er-Jahre
gemahnen. Der Kunsthistoriker Norbert
Wolf, der bereits schöne Bücher über die
Romantik, den Impressionismus und den
Expressionismus veröffentlichte, bietet
hier einen guten und ziemlich umfassenden Überblick über eine bewegte Epoche.
Dabei beschränkt er sich nicht nur auf
Kunst oder Architektur, sondern berücksichtigt auch Schmuck, Mode und Möbeldesign aus der Zeit – und beleuchtet sein
Thema auch aus politischer und gesellschaftlicher Perspektive. Ich selber mag
Art déco sehr; ich bewunderte schon viele
schöne Gebäude dieser Stilrichtung in Miami Beach oder New York, wo mit dem
Chrysler Building ja auch eine der Ikonen
des Art déco steht. Natürlich ist es nicht
möglich, eine ganze Kunstrichtung zwischen zwei Buchdeckeln abschliessend zu
beschreiben; aber mir gefällt, wie der Autor eine Bewegung in ein Umfeld stellt.
Auch dies ist also ein Buch, das mir viel
Freude gemacht hat.»
Mirjam Kühnis, 37, leitet die Architektur-,
Grafik-, Design- und Kunstbuch-Abteilung
im Kramhof Zürich. Neben den klassischen Bildbänden bietet die Abteilung
auch viele originelle Neuerscheinungen
zu sämtlichen Themen rund um Mode,
Inneneinrichtung, Fotografie und Style
– und unzählige Bücher, die sich zum
Schenken eignen. «Am schönsten finde
ich die Atmosphäre in unserer Abteilung,
wenn es sich am Abend viele Leute
mit unseren Büchern in der Sitzlounge
gemütlich machen», sagt Mirjam Kühnis
über ihren Arbeitsort. Das Bild zeigt sie
neben der kostbaren Collector’s Edition
von Sebastião Salgados «Genesis».
Genesis
Sebastião Salgado
516 Seiten
CHF 75.00
Taschen
The Book of Palms
Carl Friedrich Phillip von
Martius
442 Seiten
CHF 152.00
Taschen
Häuser des Lichts
Axel Vervoordt
261 Seiten
CHF 99.00
Jacoby & Stuart
Art déco
Norbert Wolf
286 Seiten
CHF 97.00
Prestel
Ganz selten schaffen es Reiseführer ins
Feuilleton der grossen Zeitungen und Magazine. Geglückt ist dieses Kunststück zuletzt dem Buch «My New York City». Der
Schweizer Autor Peter Bührer und der verstorbene Pop-Art-Künstler James Rizzi
präsentierten in diesem Schwergewicht
unter den Ratgebern weit über 1000 Tipps
und Adressen für New-York-Reisende – auf
352 Seiten und mit über 450 Illustrationen.
Bührer krönte damit seine bisherige Buchkarriere; bis heute hat der frühere GuideMichelin-Sterne-Koch über 30 Titel veröffentlicht.
Nun liegt das neueste Werk von ihm vor:
«Zürich – Welcome home». Hochmodern
macht den Lifestyle-Reiseführer zum einen
die Form: Er ist ein Eintrittsticket in die
multimediale Welt, denn das Buch enthält
zum Beispiel 80 QR-Codes, die zu aktuellen
Veranstaltungskalendern, Fahrplänen und
Hintergrundinformationen führen. Zum
anderen wartet Bührer mit unendlich vielen trendigen Insiderinformationen zu Essen und Trinken, Shopping oder Unterhaltung in der Zwinglistadt auf. Auch
Zürcherinnen und Zürcher, die ihre Stadt
gut zu kennen glauben, stossen in diesem
riesigen Fundus unweigerlich auf überraschende Tipps und Informationen, vor allem auch in den ausführlichen Beschreibungen jedes Stadtkreises. Welches ist die
beste Tramlinie? Wo bekommt man das
feinste Glacé? Wie viele Kinos gibt es eigentlich? Die Antworten fallen so knapp
und sachlich aus, wie es sich fürs GoogleZeitalter gehört – und sind auch denkbar
leicht zu finden.
Für Einheimische lohnt sich die Anschaffung des Buchs aber auch aus einem anderen Grund: «Zürich – Welcome Home» offeriert Gutscheine im Wert von über 500
Franken – alle nach dem System «Eins
bezahlen und jemanden dazu einladen».
Das Buch bringt zum Beispiel die Begleitperson gratis ins Kunsthaus oder ans FCZSpiel und halbiert die Kosten bei Mobility
oder MacDonald’s.
Auch diesmal hat Peter Bührer besonders
viel Wert auf die Illustration seines Reise-
führers gelegt: Die Bilder, vorwiegend Collagen und kunstvolle Bearbeitungen von
Fotos, stammen von der Bündner Künstlerin Marion Duschletta, die schon seit bald
20 Jahre in Zürich lebt und im Niederdorf
die Galerie «Mauerblümchen» samt Boutique führt. Wer «Mauerblümchen» kennt,
weiss: Marion Duschletta mag es so bunt,
wie es James Rizzi mochte, und darum ist
«Zürich – Welcome home» ein ähnlich
spektakuläres Feuerwerk an Farbe und
Details wie «My New York City».
Zürich – Welcome home
Peter Bührer und Marion
Duschletta (Illustrationen)
352 Seiten
CHF 34.90
Orell Füssli
| Buchtipps
44
AARAU
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Meissner Thalia
Bahnhofstrasse 41, 5001 Aarau
Mo – Fr: 9.00 – 18.30 Uhr | Do: 9.00 – 20.00 Uhr
Sa: 9.00 – 17.00 Uhr
Wirz Thalia
Hintere Vorstadt 18, 5001 Aarau
Mo, Di, Mi + Fr: 9.00 – 18.30 Uhr
Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 8.00 – 17.00 Uhr
BADEN –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Thalia
Langhaus beim Bahnhof, 5401 Baden
Mo – Fr: 9.00 – 19.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr
BASEL ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Orell Füssli Bahnhof SBB
Passerelle, Güterstrasse 115, 4053 Basel
Mo – Fr: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa: 8.00 – 21.00 Uhr
So: 9.00 – 20.00 Uhr
Thalia
Freie Strasse 32, 4001 Basel
Mo, Di, Mi + Fr: 9.00 – 18.30 Uhr
Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr
BERN ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Orell Füssli Einkaufszentrum Westside
Gilberte–De–Courgenay–Platz 4, 3027 Bern
Mo – Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Fr: 9.00 – 22.00 Uhr
Sa: 8.00 – 17.00 Uhr
Stauffacher
Neuengasse 25 – 37, 3001 Bern
Mo – Mi + Fr: 9.00 – 19.00 Uhr
Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr
Thalia Spitalgasse
Spitalgasse 47/51, 3001 Bern
Mo – Mi: 9:00 – 19.00 Uhr | Do: 9:00 – 21:00 Uhr
Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 8:00 – 17:00 Uhr
Thalia Bahnhof SBB
Bahnhofplatz 10, 3001 Bern
Mo – Sa: 7.00 – 22.00 Uhr | So: 9.00 – 22.00 Uhr
BRIG –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
ZAP
Furkastrasse 3, 3900 Brig
Mo – Fr: 9.00 – 18.30 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr
ZAP Bürostore
Englischgrussstrasse 6, 3900 Brig
Mo – Fr: 8.30 – 12.00 und 13.30 – 17.00 Uhr
BRUGG –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Thalia
Neumarktplatz 12, 5200 Brugg
Mo – Do: 9.00 – 18.30 Uhr | Fr: 9.00 – 20.00 Uhr
Sa: 8.00 – 17.00 Uhr
C HUR –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Thalia Einkaufscenter City West
Raschärenstrasse 35, 7000 Chur
Mo – Do: 9.00 – 19.00 Uhr | Fr: 9.00 – 20.00 Uhr
So: 8.00 – 18.00 Uhr
EMMENBRÜCKE –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
WINTERTHUR ––––––––––––––––––Books
––––––––Nr.
––––4/2013
––––––––––––
FRAUENFELD –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Orell Füssli Einkaufszentrum Rosenberg
Schaffhauserstrasse 152, 8400 Winterthur
Mo – Fr: 8.30 – 20.00 Uhr | Sa: 8.00 – 18.00 Uhr
Thalia Emmen Center
Stauffacherstrasse 1, 6020 Emmenbrücke
Mo, Di + Do: 9.00 – 18.30 Uhr
Mi + Fr: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 8.00 – 16.00 Uhr
Orell Füssli Einkaufszentrum Passage
Bahnhofstrasse 70 / 72, 8500 Frauenfeld
Mo – Do: 8.00 – 19.00 Uhr | Fr: 8.00 – 20.00 Uhr
Sa: 08.00 – 17.00 Uhr
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Thalia
Bahnhof / Gare, 1700 Fribourg
Mo – Fr: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa + So:
9.00 – 21.00 Uhr
FRIBOURG
––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Thalia
Vordergasse 77, 8200 Schaffhausen
Mo – Mi + Fr: 8.30 – 18.30 Uhr
Do: 8.30 – 20.00 Uhr | Sa: 8.00 – 17.00 Uhr
SCHAFFHAUSEN
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Thalia Shoppyland
Industriestrasse 10, 3322 Schönbühl
Mo – Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Fr: 9.00 – 21.30 Uhr
Sa: 8.00 – 17.00 Uhr
SCHÖNBÜHL
SIERRE –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
ZAP
Place de la Gare 2, 3960 Sierre
Mo – Fr: 9:00 – 12:00 und 13:30 – 18:30 Uhr
Sa: 9:00 – 17:00 Uhr
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Thalia Shoppi & Tivoli
8957 Spreitenbach
Mo – Sa: 9.00 – 20.00 Uhr
SPREITENBACH
ST. GALLEN ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Orell Füssli Bahnhof
Poststrasse 28, 9000 St. Gallen
Mo – Fr: 8.00 – 21.00 Uhr
Sa + So: 9.00 – 20.00 Uhr
Rösslitor Bücher
Multergasse 1 – 3, 9001 St. Gallen
Mo – Mi + Fr: 9.00 – 18.30 Uhr
Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr
Thalia Shopping Arena
Zürcher Strasse 464, 9015 St. Gallen
Mo, Di, Mi + Fr: 9.00 – 19.00 Uhr,
Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr
ST. MARGRETHEN –––––––––––––––––––––––––––––––––––
Thalia Einkaufszentrum Rheinpark
9430 St. Margrethen
Mo – Do: 9.00 – 19.00 Uhr | Fr: 9.00 – 21.00 Uhr
Sa: 8.00 – 17.00 Uhr
THUN –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Thalia
Bälliz 60, 3600 Thun
Mo – Mi + Fr: 9.00 – 18.30 Uhr
Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr
Mein Buch | 45
Orell Füssli Marktgasse
Marktgasse 3, 8400 Winterthur
Mo – Mi + Fr: 09.00 – 18.30 Uhr
Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr
Vogel Thalia
Marktgasse 41, 8400 Winterthur
Mo – Mi + Fr: 9.00 – 18.30 Uhr
Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr
VISP ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
ZAP
Bahnhofstrasse 21, 3930 Visp
Mo – Fr: 9:00 – 12:00 und 13:30 – 18:30 Uhr
Sa: 9:00 – 17:00 Uhr
St. Moritz
Interiors
Fabio Petroni, Anna Maria Botticelli
Orchideen
Paolo D’Agostini
LiederbuchKassette
St. Moritz ist bekannt für seine
atemberaubende Bergkulisse, seine
Luxushotels und die exklusive Gesellschaft, die hier jeden Winter zusammenkommt. Viele der illustren Gäste
haben sich im Engadin fest niedergelassen und pflegen hier einen internationalen Lebensstil. Ihre Chalets sind
geprägt von einem guten Gespür für
Architektur, Einrichtung, Strukturen
und Materialien, von Ausblicken in die
Landschaft und vom besonderen Licht
in den Schweizer Bergen. Das Buch
stellt neben den Wohnumfeldern
auch die Bewohner der Region vor.
So unterschiedlich diese Menschen
und deren Lebensläufe auch sind:
Ihre Einrichtung folgt nicht nur ihrem
persönlichen Geschmack, sondern
spiegelt immer auch die lokale Architektur, das Handwerk und eine raue
Landschaft wider.
«Alles im Leben muss einen Zweck
erfüllen, ausser die Orchideenzucht»,
sagte Nero Wolfe, der launige Detektiv aus den Romanen des Schriftstellers Rex Stout. Die bezaubernde und
sinnliche Pflanze mit über 25‘000
unterschiedlichen Arten diente namhaften Designern wie Cartier oder
Vivienne Westwood als Inspirationsquelle. In diesem Buch präsentiert
der Meisterfotograf Fabio Petroni
die Orchideenvielfalt in Gross- und
Detailaufnahmen.
Liebesfilme, Komödien, Action und
Science-Fiction – dieser Band ist eine
Zeitreise durch die Filmgeschichte,
vom Stummfilm bis zu den heutigen
Blockbuster. Die bedeutendsten
Filme und die berühmtesten Filmstars
werden porträtiert, Filmplakate und
Szenenfotos machen das Buch zu
einem Must für jeden Cineasten.
Mit einem Vorwort des italienischen
Regisseurs Franco Zeffirelli, von dem
unter anderem «Jesus von Nazareth»,
«Hamlet», «Jane Eyre» und «Tee mit
Mussolini» stammen.
Eine Liederbuch-Sammlung für die
ganze Familie! Die drei zauberhaft
illustrierten Liederbücher enthalten
die schönsten Wiegen-, Kinder- und
Weihnachtslieder, die beiliegenden Instrumental-CDs laden zum Mitsingen
ein: Insgesamt sind 42 Wiegenlieder,
80 Kinderlieder und rund 80 Weihnachtslieder in Text, Noten und
Harmonien versammelt – von «Der
Mond ist aufgegangen» über «Bruder
Jakob» bis zu «Kommet, ihr Hirten».
Anspruchsvolle Bilder machen die
Box zum perfekten Geschenk für
alle, die gern mit Kindern oder der
ganzen Familie singen. Alle Lieder sind
so konzipiert, dass sie für kindliche
Stimmlagen zu meistern sind und
auch eine Instrumentalbegleitung
ermöglichen.
256 Seiten
208 Seiten
712 Seiten
380 Seiten
CHF 59.00
CHF 59.00
CHF 73.00
CHF 103.00
Knesebeck
White Star
White Star
Reclam
ISBN 978-3-86873-566-6
ISBN 978-88-6312-168-1
ISBN 978-88-6312-181-0
ISBN 978-3-15-030046-6
ZERMATT ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Christine Marie Halter-Oppelt
ZÜRICH ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
ZAP
Hofmattstrasse 3, 3920 Zermatt
Mo – Sa: 9:00 – 12:00 Uhr und 14:00 – 18:30 Uhr
Während der Saisonzeit:
Mo – Fr: 9:00 – 12:30 Uhr und 14:00 – 19:00 Uhr
So: 16:00 – 19:00 Uhr
Orell Füssli Kramhof
Füsslistrasse 4, 8001 Zürich
Mo – Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr
Orell Füssli Am Bellevue
Theaterstrasse 8, 8001 Zürich
Mo – Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr
Orell Füssli The Bookshop
Bahnhofstrasse 70, 8001 Zürich
Mo – Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr
Orell Füssli Flughafen
Airport Center, 8060 Zürich–Flughafen
Mo – So: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa – So: 8.00 – 21.00 Uhr
Orell Füssli Zürich Hauptbahnhof
Shopville, Halle Landesmuseum, 8001 Zürich
Mo – Fr: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa: 8.00 – 21.00 Uhr
So: 9.00 – 20.00 Uhr
Orell Füssli Bahnhof Stadelhofen
Stadelhoferstrasse 8, 8001 Zürich
Mo – Fr: 8.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 19.00 Uhr
So: 10.00 – 18.00 Uhr
Orell Füssli Im Franz Carl Weber
Bahnhofstrasse 62, 8001 Zürich
Mo – Mi: 9.00 – 18.30 Uhr
Do + Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr
www.books.ch
www.buch.ch
www.thalia.ch
www.stauffacher.ch
www.zap.ch
Legendäre
Kinofilme
Ein Buch für Orchideenzüchter und
-liebhaber, aber auch für Freunde
anspruchsvoller Fotografie.
46 | Kinderwelt
Kinderwelt | 47
Books Nr. 4/2013
Zehn Gruselmonster
Carey F.
Armstrong-Ellis
32 Seiten
CHF 19.90
Annette Betz
(Illustration: Carey F. Armstrong-Ellis, © Annette Betz Verlag)
(Illustration: Fréderic Bertrand, © Loewe Verlag)
Scary Harry
Links: Da waren’s nur noch vier: In «Zehn Gruselmonster» kommt ein Gruselklassiker nach dem
anderen abhanden.
Wohlige Gänsehaut
So, wie viele Erwachsene Thriller mögen, schätzen auch viele Kinder gruselige Geschichten. Unsere
Fachfrau für Kinderbücher präsentiert darum einige unheimliche Neuerscheinungen.
Marius Leutenegger
«Der anhaltende Erfolg der Märchen, bei
denen es manchmal ganz schön unheimlich zu- und hergeht, zeigt: Kinder lieben
Geschichten, bei denen sie sich auch ein
wenig fürchten können. Vielleicht gibt es
ihnen ein besonderes Gefühl von Geborgenheit, wenn sie einen Schauer erleben,
sich aber im eigenen Bett ganz sicher fühlen können. Alles Schreckliche ist dann
draussen, daheim hat man es hingegen
schön. Natürlich können Bücher auch
schlimme Ängste auslösen, aber darum
geht es bei der heutigen Auswahl nicht –
sondern um die wohlige Gänsehaut, wie
sie zum Beispiel auch Halloween hervorrufen kann.
Einen sehr guten Einstieg in die Gruselwelt
ermöglicht das Buch ‹Zehn Gruselmons­
ter›. Hier vereinen sich alle berühmten
Horrorfiguren liebevoll gezeichnet: Vampir, Zombie, Werwolf, Hexe, Troll und so
weiter. Im Stil eines klassischen Abzählreims fällt ein Monster nach dem anderen
weg, bis nur noch eines übrig bleibt. Den
Monstern kommt immer eine ihrer Eigenheiten in die Quere: Das Gespenst wird
weggeweht, weil es so fein ist, dem Zombie
fällt ein Fuss ab, die Mumie bleibt mit ihren
Binden an einem Nagel hängen, die Hexe
verhext sich selber und so weiter. Die Illustrationen der amerikanischen Künstlerin
Carey F. Armstrong-Ellis stecken voller
witziger Details – überhaupt ist das Buch
sehr lustig, und weil die Monster alle so
verletzlich sind, machen sie auch keine
Angst. Ich würde ‹Zehn Gruselmonster›
Kindern um sechs Jahre erzählen.
Etwas ältere Leserinnen und Leser haben
sicher grossen Spass an der Neuerscheinung ‹Scary Harry› der bislang noch weitgehend unbekannten Autorin Sonja
Kaiblinger. Hauptfigur der Geschichte ist
der 11-jährige Otto. Er wohnt in einem alten Haus bei seiner Tante. Im Haus leben
auch drei Hausgeister, die allerdings nur
von Otto gesehen werden können. Und da
gibt es auch noch Ottos Haustier, die sprechende Fledermaus Vincent, und Ottos
beste Freundin Emily. Eines Nachts beobachtet Otto, wie der 94-jährige Nachbar
auf seinem Radieschenbeet umfällt und
leblos liegenbleibt. Über dem alten Mann
schwebt eine goldene Kugel. Ein paar Minuten später kommt ein dreirädriger
Kleintransporter angefahren; ihm entsteigt eine vermummte Gestalt, welche die
goldene Kugel in ein Gurkenglas steckt und
zu 100 ähnlichen Gläsern auf seinem
Transporter stellt. Otto erfährt schon bald,
dass es sich bei der vermummten Gestalt
um Scary Harry handelt – und bei den goldenen Kugeln um die Seelen von Verstorbenen. Scary Harry ist also eine Art Sensemann, der Seelen einsammelt. Er steht in
seinem 520. Dienstjahr und findet seinen
Job so hart wie schlecht bezahlt. Otto kann
Scary Harry schon bald gut gebrauchen,
weil die Geister plötzlich aus dem Haus der
Tante verschwunden sind und er sie wiederhaben möchte. Gemeinsam mit Emily
und Vincent machen sich Otto und Scary
Harry auf Geistersuche ... Dieses Buch ist
einfach unglaublich witzig, spannend und
Oben: Mit diesem Transporter sammelt Scary
Harry die Seelen Verstorbener – Angst macht das
alles aber nicht.
Sonja Kaiblinger
256 Seiten
CHF 19.90
Loewe
Die Puppenkönigin
Holly Black
252 Seiten
CHF 24.90
cbj
Das NagurskiExperiment 01.
In der Gruft der
Mönche
Thilo
188 Seiten
CHF 19.90
cbj
originell – so etwas habe ich noch nie gelesen. Scary Harry könnte eine echte Kultfigur werden, und er hat auch bereits seine
eigene Facebook-Präsenz. Ich freue mich
jedenfalls auf die nächsten Folgen dieser
neuen Serie.
Richtig unheimlich ist ‹Scary Harry› nicht
– das kann man vom nächsten Buch allerdings nicht behaupten: ‹Die Puppenköni­
gin› verfolgt einen unter Umständen nächtelang. Die in einem Band abgeschlossene
Geschichte stammt von Holly Black, die
bereits mit der ‹Spiderwicks›-Serie grossen Erfolg hatte. Die Mädchen Poppy und
Alice sowie der Junge Zach sind seit frühester Zeit miteinander befreundet und
spielen mit Puppen eine nie endende Abenteuergeschichte. Die Königin in dieser Geschichte wird von einer uralten und sehr
unheimlichen Puppe dargestellt. Eines Tages behauptet Poppy, ihr erscheine der
Geist dieser Puppenkönigin; die Füllung
der Puppe bestehe aus der Asche eines vor
langer Zeit ermordeten Mädchens, und der
Geist werde erst Ruhe geben, wenn die
Puppe im Grab des Mädchens liege. Die
drei machen sich bei Nacht und Nebel auf
den Weg, das Grab zu finden – geführt vom
Geist. Das Ganze ist wirklich sehr unheimlich; für mich ist ‹Die Puppenkönigin› ein
richtiges
Mit-der-Taschenlampe-unterder-Bettdecke-Buch, man kann mit Lesen
nicht mehr aufhören. Ich würde den Roman allen Buben und Mädchen ab zwölf
Jahren empfehlen.
Für die gleiche Gruppe eignet sich auch
‹Das Nagurski-Experiment› von Thilo,
der bis jetzt vor allem Erstlese- und Kindersachbücher verfasste. Sein neuer Kinderroman handelt von einem Ferienlager
in einem mehr als gruseligen Hotel, das
entfernt an ‹Bates Motel› aus Hitchcocks
‹Psycho› erinnert. Hauptfigur Adam hat
Freundschaft mit Viktor geschlossen. Die
beiden Buben finden in einem Sekretär
eine alte Karte des Hotels, auf der in Geheimschrift etwas über einen Eingang in
ein Gewölbe und ein Experiment steht.
Natürlich versuchen sie dieser Sache nachzugehen und den erwähnten Eingang zu
finden. Ihnen schliesst sich ein sehr eigenartiger, bleicher und barfüssiger kleiner
Bub und das mutige Mädchen Kitty an. Die
Gruppe entdeckt eine alte Gästeliste, auf
der bei fünf Namen kein Abreisedatum
vermerkt ist – und das Gepäck dieser Leute
ist noch immer da. Was ist mit ihnen geschehen? Welches Geheimnis umweht das
Hotel, das auf einer Mönchsgruft errichtet
wurde? Die ganze Geschichte ist schon
schön unheimlich. Den Schluss fand ich
zwar nicht so befriedigend, aber vielleicht
löst sich die Sache ja im bereits angekündigten zweiten Teil gut auf. ‹Das NagurskiExperiment› werde ich allen Leserinnen
und Lesern der ‹Drei Fragezeichen› empfehlen.»
Nicole Stäuble, 41, ist Buchhändlerin bei
Orell Füssli in Frauenfeld; sie hat einen
dreijährigen Sohn. «Ich machte bereits
meine Lehre zur Buchhändlerin bei Orell
Füssli», erzählt sie. Schon in der Lehre
seien Kinder- und Jugendbücher für sie das
Grösste gewesen, denn «dieser Bereich
ist so vielseitig – und fast so etwas wie
eine Buchhandlung in der Buchhandlung!»
Ausserdem könne man die Kundinnen
und Kunden, die Kinderbücher suchten,
richtig beraten: «Die meisten Leute sind
dankbar für Empfehlungen, weil sie sich
mit den Neuerscheinungen nicht so gut
auskennen.»
48 | WETTBEWERB
VERANSTALTUNGEN | 49
Books Nr. 4/2013
Das Literatur-Kreuzworträtsel
Veranstaltungen
Unter den richtigen Lösungen verlosen wir Gutscheinkarten von Orell Füssli:
1. Preis: CHF 200.–, 2. Preis: CHF 100.–, 3. Preis: CHF 50.–, 4. bis 10. Preis: je CHF 20.–.
November
18.Stauffacher Bern
27. Orell Füssli Marktgasse, Winterthur
19 h
«Freier Kopf – offenes Herz»
20 h
9.Kaufleuten, Pelikanplatz, Zürich 20 h
Buchvernissage mit Hanspeter Ruch
27.ZAP Brig 19.30 h
«Anmutig älter werden»
Lesung mit Ruth Maria Kubitschek
27.Stauffacher Bern
20 h
«Slow Train to Switzerland»
L-Reihe: Lesung mit
Hans Magnus Enzensberger
Reading with Diccon Bewes
«Eine Art zu leben»
27. Orell Füssli am Bellevue, Zürich
20.30 h
19. Stauffacher Bern
Buchpräsentation mit Pascal Voggenhuber
19.Meissner Aarau
Dezember
Buchvernissage
18-20 h
Signierstunde mit Ted Scapa
19.30 h
«Mein Aarau»
20. Thalia Thun
Veranstaltet mit der Filiale Kramhof
«Kinder in der Geistigen Welt»
Lesung mit Peter Bieri
2.
Der Künstler signiert seine neuen Cartoonbände und den Scapa-Kalender 2014
Thalia Basel
20 h
20 h
Januar
Buchperlen für Sie
23.Kramhof Zürich
Buchtipps von Regula Tanner
20 h
«Bergwasser»
23. Orell Füssli Frauenfeld
10.30 h
23. Orell Füssli Rosenberg, Winterthur
13-16 h
Sabina Altermatt stellt ihren neuen Krimi vor
Märlischtund
25. Orell Füssli Frauenfeld
10.30 h
Märlischtund
Globi kommt zu Besuch
25.Kaufleuten, Pelikanplatz, Zürich
Februar
20 h
«Slow Train to Switzerland»
3.Kellerbühne St. Gallen
20 h
Reading with Diccon Bewes
4.Stauffacher Bern
15 h
Kinderkiste
4.Stauffacher Bern
L-Reihe: «Ein gutes Herz»
Lesung mit Leon de Winter, veranstaltet mit
der Filiale Kramhof
25. Thalia Basel
«Gefangen im Netz – Jugendliche
im Sog moderner Medien»
✁
Lösungswort:
Vorname / Name
Adresse
Bis zum 1. Februar 2014 in einer Filiale von Orell Füssli, Thalia, Stauffacher, ZAP oder bei
Rösslitor Bücher abgeben – oder per E-Mail senden an: [email protected].
Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt.
20 h
Renanto Poespodihardjo, Spezialist für pathologisches Glücksspiel, im Gespräch mit einem
ehemals spielsüchtigen Jugendlichen
© Yvonne Böhler
Geschichten für Kinder von 3 bis 6 Jahren,
erzählt von Liliana Trautmann; anschliessend
Basteln
20.30 h
Bern ist überall
«Fred und Franz»
Taufe des neuen Hörbuchs «Ir Chuchi» mit
Performance
Lesung von Arno Camenisch mit musikalischer
Begleitung von Christian Brantschen, veranstaltet von der Kellerbühne in Zusammenarbeit mit der Buchhandlung Rösslitor
7.Stauffacher Bern
10 h
Children's Hour
22.Orell Füssli Frauenfeld
Kids between 3 and 6 years discover the
world of children’s books
8.
The Bookshop Zürich
10.30 h
Märlischtund
15 h
Book Signing with Diccon Bewes
26.Wirz Thalia Aarau
20 h
«eisfischen»
Buchvernissage mit Autor Markus Kirchhofer
PLZ / Ort
E-Mail
Mehr Veranstaltungen und Informationen finden Sie auf www.books.ch und www.thalia.ch
50 | Kolumne
«Was haben Sie in den letzten fünf Jahren
gemacht?»
«Ich habe vier Bücher sowie etliche Kurzgeschichten, Kolumnen und Beiträge für
Magazine geschrieben, habe mich mit
Journalisten unterhalten und an Podiumsdiskussionen teilgenommen, ich bin für Lesungen durch den gesamten deutschen
Sprachraum gereist ...»
«Ja, ja. Das kann ich Ihrem Curriculum entnehmen. Aber was haben Sie gearbeitet?»
Allein schon das Ausmalen von Situationen
wie dieser motiviert mich ungemein, mich
morgens an den Tisch zu setzen, das Laptop zu starten und zu tun, was ich glaube
am besten zu können: zu schreiben. Weg
von schmallippigen Personalchefinnen und
anstrengenden Erklärungsversuchen, rein
in eine selbst erschaffene Welt.
Schon als Kind war ich von dem Universum
fasziniert, das mich zwischen zwei Buchdeckeln erwartete, ein Universum, in dem alle
Regeln ausgehebelt wurden. Hexen flogen
wirklich auf Besen, und ein Mädchen mit
roten Zöpfen stemmte Pferde, Bienen konnten reden, und im indischen Dschungel zog
ein Wolfsrudel einen kleinen Jungen auf.
Doch das alles stand in keinem Vergleich zu
meiner Begeisterung, als ich herausfand,
dass ich solche Welten eigenhändig zum
Leben erwecken konnte. Mit nichts anderem als ein paar Stiften und einem Blatt
Papier. Als ich sechs war, schenkte ich meinen Eltern ein selbst geschriebenes und illustriertes Büchlein, eine Ansammlung loser Blätter voller Gekritzel und Wörtern in
krakeliger Schrift vielmehr, die ich ungeschickt mit rotem Faden zusammengenäht
hatte. Aber ich war sehr stolz darauf, denn
ich hatte alles selbst erschaffen.
Was ich damals nicht ahnte, war, wie lang
und steil der Weg bis zu meinem ersten
richtigen Buch werden würde. Es gibt gute
Gründe dafür, weshalb manche meiner frühen Kurzgeschichten- und Romanversuche
nie publiziert wurden. Doch ich liess mich
nicht entmutigen, jeder Rückschlag spornte
mich an, bei jedem neuen Anlauf lernte ich
dazu, und irgendwann erbarmte sich meiner endlich ein Verleger.
Es braucht eine gewisse Besessenheit, um
Autor zu sein, Ehrgeiz natürlich auch und
dieses Quäntchen Verrücktheit, wirtschaftlich lohnendere Beschäftigungen auszuschlagen und stattdessen Hunderte von
Stunden mit dem Erschaffen einer eigenen
Welt zu verbringen.
Dafür erlebe ich immer wieder Magie: Zu
Beginn sind es nur Fragmente. Gedankensplitter, Zeitungsberichte, hastig hingekritzelte Notizen. Ein unübersichtliches Chaos,
doch im Verlauf mehrerer Monate nähern
sich manche dieser Bruchstücke an, einige
entfernen sich wieder, andere entstehen
neu. Wie im Actionfilm «Terminator 2», wo
nach einer Explosion glucksende Flüssigmetallpfützen im Trümmerfeld Ihresgleichen suchen, findet sich Schritt für Schritt,
was zusammengehört. Die Einzelteilchen
verschmelzen, und es entsteht etwas Ganzes. Noch ist der Prozess nicht beendet, die
Idee muss reifen und ist dabei stetig Änderungen ausgesetzt. Irgendwann aber meldet sich dieses Gefühl, ein Drang vielmehr,
dass die Geschichte bereit ist und niedergeschrieben werden will. Aber ein bisschen
plötzlich, bitte schön.
Dieser Augenblick ist für mich pures Endorphin. Zu wissen, dass ich einen stimmigen Plot in der Hand habe und eine Thematik, die spannend und vielschichtig genug
ist, um mich über ein Jahr lang zu fesseln.
Natürlich gibt es auch jene anderen Momente, in denen ich auf der Suche nach der
punktgenau treffenden Formulierung beinahe wahnsinnig werde – oder in denen
ich mich mit dem Verlauf der Geschichte
derart in eine Sackgasse hineinmanövriert
habe, dass ich erst wieder ansprechbar
bin, wenn ich eine Lösung für das Problem
gefunden habe. Wenn mich Zweifel packen
GESCHICHTEN
SPINNEN
und ich am liebsten alles hinschmeissen
würde.
Doch die unbändige Freude, wenn ich eine
knifflige Situation so hinkriege, wie ich sie
mir im Vorfeld ausgedacht habe, oder
wenn Wendungen funktionieren wie gut
geölte Scharniere, entschädigt für die vorangegangene Mühsal. Wenn mir am Ende
der Text rund vorkommt und dieses verheissungsvolle Leuchten von ihm ausgeht,
das vielleicht nur ich bemerke, dann ist das
pures Glück. Und dieses bisschen Glück ist
der Grund, weshalb ich schreibe.
© Eke Miedaner
Schweizer Autorinnen und
Autoren erzählen in «Books»,
warum sie schreiben.
Heute: Sunil Mann
Books Nr. 4/2013
Sunil Mann
Sunil Mann, 41, kam im Berner Oberland
als Sohn indischer Einwanderer zur Welt.
Heute lebt er in Zürich. Er hat Psychologie
und Germanistik studiert und arbeitet
Teilzeit als Flugbegleiter bei der Swiss.
Sein Krimidebüt «Fangschuss» um den
indischstämmigen Privatdetektiv
V. J. Kumar wurde 2011 mit dem Zürcher
Krimipreis ausgezeichnet. Kumar muss
auch im neusten Krimi von Sunil Mann
einen mysteriösen Fall lösen:
Familienpoker
314 Seiten
CHF 17.90
Grafit
Hauptpreis:
2 Übernachtungen für
2 Personen in der
Literaturküche in
Bad Zurzach
voralpen-express.ch
n
e
t
h
c
i
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