Einführungsrede - Künstlerbund Tübingen eV

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Einführungsrede - Künstlerbund Tübingen eV
Blick zurück – Drei Künstler auf dem Brandberg Harald Fuchs, Dieter Luz, Peter‐Michael Weber Ausstellung Künstlerbund Tübingen 11.9.‐9.10.2010 Einführung zur Eröffnung, Tübingen 11.9.2010 von Prof. Dr. Harald Floss Harald.floss@uni‐tuebingen.de Sehr geehrte Damen und Herren, es ist mir eine große Freude und auch Ehre, die Ausstellung „Blick zurück – Drei Künstler auf dem Brandberg“ von Harald Fuchs, Dieter Luz und Peter‐Michael Weber eröffnen zu dürfen. Es ist wohl zweifellos eher selten, dass ein Archäologe und Prähistoriker eine solche Aufgabe übernimmt, doch ergibt sich dieser Umstand aus dem spezifischen Thema der Ausstellung sowie dem Interesse des Referenten an Zeitgenössischer Kunst. Im Mittelpunkt steht der Brandberg in Namibia, wohin die drei anwesenden Künstler und Freunde im zurückliegenden Sommer eine Expedition unternahmen, die den inhaltlichen Kern der heute zu eröffnenden Ausstellung bildet. Es bietet sich deshalb hier zunächst an, den Brandberg und seine Rolle für die Archäologie und die Geschichte Afrikas zu erörtern. Wichtige Hintergrundinformationen dieser Einführung entstammen dabei Beiträgen von Rudolph Kuper und Tilmann Lenssen‐Erz sowie Martin Meister. Der Brandberg, wegen seines Felsbildreichtums zuweilen auch der Bilderberg genannt, befindet sich in Namibia, etwa 80 km von der Atlantikküste und 350 km nordwestlich von Windhoek. An klaren Tagen erkennt man von der Westseite des Berges in der Ferne am Horizont das Blau des Ozeans. Er ist ein ca. 750 Quadratkilometer großes Gebirge vulkanischen Ursprungs – es besteht aus Granit ‐ , das wie ein großer runder Inselberg zwar „nur“ knapp 2600 m hoch ist, aber ca. 2 km über die umgebende Wüste und Savanne aufragt. Trotz Spitzentemperaturen um 30° in unseren hiesigen Wintermonaten sind die Temperaturkontraste auf dem Brandberg weniger krass, als in der umgebenden Namib. Auch das abwechslungsreiche Relief unterscheidet sich deutlich von der eher eintönigen Wüste. Es hat sich auf dem Brandberg deshalb auch ein relativ lebendiges Faunen‐ und Florenspektrum entwickelt. Diese Umstände haben mit der damit verbundenen Nahrungsgrundlage dazu beigetragen, dass der Brandberg für die frühe Besiedlung der Menschheit durch Sammler und Jäger und später mit seinen Weideflächen auch für frühe Viehzüchter von besonderer Bedeutung war. Ein entscheidender Vorteil ist auch, dass das Regenwasser auf dem Brandberg nicht wie in der Wüste unmittelbar versickert, sondern in Spalten und Mulden des Granits aufgefangen werden kann. Da Klima und Umwelt auf dem Brandberg während der letzten Jahrtausende so gut wie keine Veränderungen erfahren haben, liegt dort, wenn man so will, eine regelrechte intakte Urlandschaft vor. Der Brandberg stellt wie eine Art Gebirgsoase von je her einen Anziehungspunkt für Mensch und Tier dar. Das Vorhandensein von zahlreichen Felsüberhängen, die tags Schutz vor der Hitze bieten, aber nachts die gespeicherte Wärme abgeben, und zudem durch den Farbenreichtum des Gesteins attraktive Anziehungspunkte sind, tat das seine. Der Brandberg ist damit eine an prähistorischen Fundstellen und vor allem an Felsbildern sehr reiche Region, die seit der Frühphase der archäologischen Forschung im Mittelpunkt des Interesses steht. Nicht zuletzt in der Folge der bis 1918 währenden Kolonialzeit waren es vornehmlich auch deutsche Archäologen wie der berühmte Hugo Obermaier und der nicht weniger bekannte Herbert Kühn, die seit den 1920er Jahren die Region intensiv erforschten. In seinem Spätwerk widmete sich der berühmte französische Geistliche und Prähistoriker Abbé Henri Breuil in den 1950er Jahren den Felsbildern im Randbereich des Brandberges, wobei ihn die Studie eines besonderen bereits 1918 am Ende der Kolonialherrschaft vom deutschen Landvermesser Reinhard Maack entdeckten Felsbildes, der so genannten „Weißen Dame“ freilich zu eher waghalsigen Rekonstruktionen angeblicher Beziehungen zwischen Afrika und weißen ostmediterranen Seefahrervölkern veranlasste. Weiße Farbe war dem Gelehrten aus der europäischen Höhlenkunst unbekannt und er konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Einsatz von stilistischer und symbolischer Bedeutung war, ohne direkt auf die Hautfarbe der dargestellten Person schließen zu können. Dass die angebliche Dame in Wirklichkeit ein Mann ist, kommt als delikater Forschungsirrtum noch hinzu. Mehr und mehr wurde auch das eher unzugängliche Zentrum des Brandberges Inhalt intensiver Erforschung. Hier muss natürlich insbesondere der gebürtige Österreicher Harald Pager genannt werden, der von 1977 bis zu seinem Tod 1985 allein über 40.000 Einzeldarstellungen und damit annähernd 90% der Felskunst des Brandberges dokumentierte. Damit wurde deutlich, dass der Brandberg selbst in dem für Felskunst bekannten afrikanischen Kontinent eine unvergleichliche Dichte prähistorischer Kunstwerke aufzuweisen hat. In den 1970er Jahren begann das Staatsmuseum in Windhoek und ab den 1980er Jahren sodann die Forschungsstelle Afrika der Universität Köln mit Ausgrabungen in der Region, auch um die schwer datierbaren Felskunstwerke besser in einen chronokulturellen Kontext integrieren zu können. Die Kölner Forschungsstelle ist übrigens nach Heinrich Barth benannt, der ein berühmter, aus Hamburg stammender Afrikaforscher des 19. Jhs. war. Als besondere Forscherpersönlichkeit der letzten Zeit möchte ich vor allem Tilmann Lenssen‐Erz herausstellen, der heute als bester Kenner der Felsbilder des Brandberges gilt und seit Jahrzehnten eine minutiöse wissenschaftliche Dokumentation betreibt. Weitere ebenfalls vornehmlich von der Kölner Forschungsstelle initiierte Studien gingen und gehen etwa von Rudolf Kuper, Jürgen Richter und Ralf Vogelsang aus. Erwähnen sollte man hier vielleicht, dass viele der bekannten am Brandberg aktiven Forscherpersönlichkeiten nicht von Hause aus ausgebildete Archäologen waren und sind. Lenssen‐Erz ist z.B. Afrikanist und Spezialist der Phonologie von Tschad‐Sprachen und der berühmte Harald Pager war man höre und staune Grafiker! Ich möchte darauf hinaus, dass es eine klare Abgrenzung in am Brandberg aktive Wissenschaftler einerseits und Künstler andererseits so nicht gibt, und dass neben der hier zu sehenden künstlerischen Umsetzung die fotografische, zeichnerische und literarische Dokumentation unserer drei ausstellenden Künstler auch eindeutig Beiträge zur wissenschaftlichen Inwertsetzung der Felskunst des Brandberges leistet. Die Besiedlungsgeschichte des Brandberges beginnt nach heutiger Kenntnis mit der so genannten Middle Stone Age, die in einen relativ weiten chronologischen Rahmen zwischen ca. 200.000 bis ca. 30.000 Jahren vor heute fällt. Es folgt in der Besiedlungsgeschichte die so genannte later stone age, in die nach allem auch die ältesten Belege der Felskunst fallen, wenn auch eher in die letzten Jahrtausende vor Christus. Belege für eine Besiedlung älter als 6000 Jahre vor heute bleiben in der Region bis heute selten. Mittels von Felsfragmenten mit Malerei, die in datierte archäologische Fundschichten gefallen sind, kann man die Felsbilder des Brandberges heute vor allem in die beiden letzten Jahrtausende vor Christus stellen. Die Spuren der letzten „Künstler“ verlieren sich sodann vor knapp 2000 Jahren. Wenn sich einige nun fragen mögen, wie diese Ereignisse zeitlich mit der europäischen Höhlenkunst im Genre Lascaux und Altamira korrelieren, so sei als kurzer Exkurs hier kurz angemerkt, dass die Höhlen‐ und auch die weniger bekannte altsteinzeitliche Felskunst Europas mit maximalen Altern von knapp 40.000 Jahren (Lascaux ist etwa 15.000 Jahre alt) nach derzeitiger Kenntnis deutlich älter ist, als diejenige Afrikas, deren älteste Beispiele mit einer Datierung von knapp 27.000 Jahren aus der ebenfalls in Namibia gelegenen, von Wolfgang Erich Wendt 1969 erforschten, so genannten Apollo 11 – Höhle stammen. Dies sei nur deshalb eingefügt, weil in der breiten Öffentlichkeit Afrika im allgemeinen als so genannte Wiege der Menschheit angesehen wird, aber nicht in allen Gesichtspunkten tatsächlich älteste Belege menschlicher Kulturerscheinungen geliefert hat. Dies schmälert natürlich die kulturgeschichtliche Bedeutung der Felsbilder des Brandberges nicht im Geringsten, es ist lediglich eine Berufskrankheit von Archäologen, das hohe Alter von Hinterlassenschaften als Maß für ihre Bedeutung anzunehmen. Ab ca. der Zeitenwende sind sodann in der Region des Brandberges mehrere deutliche Veränderungen fassbar, die zum Beispiel die frühesten Nachweise von Tierhaltung und die Einführung der Keramik betreffen. Verglichen mit anderen Regionen der Welt ist auch dies dafür ein eher später Zeitpunkt. Nun einige Anmerkungen zu den Felsbildern Die mittlerweile bekannten knapp 50.000 Felsbilder finden sich an insgesamt ca. 1000 Lokalitäten, dies sind oft magische Orte von besonderer Anziehungskraft, die von Malern und Künstlern immer wieder aufgesucht wurden. Wie wir sehen können, gilt diese Aussage offensichtlich bis heute. Aufgrund des mehrfachen Frequentierens dieser Orte durch die prähistorischen Gruppen und Einzelpersonen kam es zur Überlagerung verschiedener Bildserien bis hin zu 6 verschiedenen Phasen. Diese Überlagerung unterschiedlicher Malphasen stellt für Archäologen ein wichtiges Mittel zur Rekonstruktion der zeitlichen Abfolge der Bilder dar und war auch ein bedeutendes Element für die künstlerische Auseinandersetzung dieser Ausstellung. Was die angewendeten Farben anbetrifft, bediente man sich für Rottöne verschiedener Eisenoxide, für Schwarz nahm man Mangan und Holzkohle, für Weiß Kaolin und Kalk. Als Bindemittel dienten Wasser, daneben vielleicht auch Fette, Blut, Pflanzensäfte oder Eiklar. In Bezug auf die dargestellten Inhalte liefert die Felskunst des Brandberges oft aberwitzige Szenen und Kompositionen von atemberaubender Schönheit und Komplexität. Menschen spielen in der Brandbergkunst eine besondere Rolle. Während sie in der europäischen Eiszeitkunst zwar zahlreich sind, neben den Tierdarstellungen aber quantitativ zurücktreten, sind sie am Brandberg mit knapp 60% der Darstellungen das dominierende Element. Meist sind sie in Bewegung, treten in Gruppen auf, sie tanzen, laufen, gestikulieren, vollführen Spreizsprünge wie im Ballett, sind mit Körperschmuck und verschiedenen Utensilien wie Bögen dargestellt und oft mit geometrischen Symbolen kombiniert. Das Geschlecht dieser Personen ist in 4/5 der Fälle nicht zu erkennen, wie Lenssen‐Erz dies formuliert, sind sie geschlechtlich „Null‐markiert“. Auch Tiere – sie nehmen ca. 1/5 der Darstellungen ein ‐ sind von großer Bedeutung. Es finden sich zum Beispiel sehr häufig Giraffen. Ihr langer Hals scheint die Fantasie der prähistorischen Bergbesucher angeregt zu haben. So kommt es nicht von ungefähr, dass diese Beobachtung zur Darstellung eines mythischen Wesens, eines Fantasietiers, der so genannten Ohrenschlange erweitert wurde, ein Wesen, das bis heute in den Volksmythen Namibias eine große Rolle spielt. Neben Giraffen wurden häufig Bergzebras, Oryxantilopen, Springböcke, Gazellen und Strauße verewigt. Verschiedene Forscher, wie der südafrikanische Prähistoriker David Lewis‐Williams, haben in den Menschendarstellungen des Brandberges Hinweise auf Trancezustände und letztlich den Schamanismus sehen wollen, jedoch sollte man hier wie Tilmann Lenssen‐Erz eine gewisse Vorsicht walten lassen, dieses anhand der Felskunst Südafrikas berechtigt herausgestellte Phänomen unbedingt auf diejenige des Brandberges und übrigens auch auf die europäische Eiszeitkunst zu übertragen. Nichtsdestotrotz weisen die tanzenden und in Bewegung befindlichen Menschen auf gemeinsam ausgeführte geplante rituelle Handlungen hin, wobei auch die traditionell herangezogene Theorie der so genannten Jagdmagie für den Brandberg nur zum Teil zuzutreffen scheint: Die dort bejagten Kleinsäuger – mit Pflanzen die reelle Lebensgrundlage der dortigen prähistorischen Gruppen – treten in der Kunst überhaupt nicht auf – eindrucksvolle Großsäuger aus der Umgebung aber schon. Prähistorische Höhlen‐ und Felskunst ist eine menschliche Ursprache. Sie ist über Jahrzehntausende hinweg eine basierende, wenn nicht die entscheidende menschliche Ausdrucks‐ und Kommunikationsform. Es existieren Universalien dieses Ausdrucks. Überall, wo Menschen unbeeinflusst von äußeren Einflüssen, von der Erziehung bis hin zum Kunstbetrieb in sich gehen, finden sie zu ureigenen Ausdrucksformen, die formal oft gewisse Ähnlichkeiten aufweisen. Diese Ursprache findet sich genauso in der Kunst der Altsteinzeit, wie in den geometrischen und rhythmischen Bildfolgen der Aborigines bis hin zur Kunst von Autodidakten, den so genannten self‐taught artists, die seit Dubuffet unter dem Begriff der art brut zusammengefasst werden, in den letzten Jahren aber aufgrund zunehmender Kommerzialisierung viel von ihrer Ursprünglichkeit verloren haben. Darüber hinaus kommt es nicht von ungefähr, dass sich seit der klassischen Moderne zahlreiche renommierte Künstler proklamatisch oder auch nur in Form eines ureigenen intuitiven Schaffensaktes mehr oder weniger bewusst mit dem Thema der archaischen Kunst, der Steinzeitkunst beschäftigt haben. Das Heraufkommen seelisch latenter unbewusster Urbilder reflektiert sich zuweilen im visuellen Bereich zeitgenössischer Formgebung. Ich möchte zur Kontextualisierung der heutigen Ausstellung also, wie dies L. Schauer formulierte, nicht einmal mehr die griechische Argonautenfahrt eines Max Beckmann oder die Suche nach dem Primitiven der Desmoiselles d’Avignon oder der afrikanischen Plastik der Brücke‐Künstler bemühen. Dennoch ist es mir als Prähistoriker und einem gleichsam kunstinteressierten Menschen an dieser Stelle bedeutsam, einmal aus Sicht der Steinzeitkunst kurz aufzuzeigen, dass es durchaus mannigfache, wenngleich oft eher verkannte Bezüge aus dem Bereich der modernen und zeitgenössischen Kunst zu den Ur‐Inhalten der Prähistorie und indigener Völker gibt: Wie wären zum Beispiel die Kopffüßer eines Horst Antes ohne die Katchina‐Puppen der Hopi‐Indianer denkbar? Wie die Urformen eines Willi Baumeister durch den unmittelbar belegten Kontakt mit der altsteinzeitlichen Höhlenmalerei. Wie hätte ein Joseph Beuys sonst zu seinen Schamanen‐Bildern finden können, wie ein Jean‐Michel Basquiat zu seiner atemberaubend wilden Ursprache. Wie hätte eine Niki de Saint‐Phalle ihre Nanas schaffen können ohne die Kenntnis paläolithischer Venusfiguren, wie eine Rune Mields zu ihren Elementarzeichen, ein Antoni Tàpies zu seinen Labyrinthzeichnungen oder ein Ralf Winkler, alias A. R. Penck, zu seinen Urfiguren, der sich gar nach einem Quartärgeologen benannte. Oder sollte ich gar die Mammutjäger eines HAP Grieshaber erwähnen? Auch im Rahmen des Künstlerbundes Tübingen hat beispielsweise Jürgen Mack mit seiner Ausstellung 2003 im Schlossmuseum Hohentübingen „Spurensuche‐eine bildhafte Annäherung an archaische Kulturen“ Beiträge zu den geschilderten Zusammenhängen geliefert. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf das Urgeschichtliche Museum in Blaubeuren, das mit seiner Galerie 40.000 Jahre Kunst den Bogen zwischen prähistorischer und zeitgenössischer Kunst spannt. Ich wollte mit diesem kurzen Abriss unserer hiesigen Ausstellung keinesfalls die deutliche Originalität, die sie auszeichnet, absprechen, sondern ganz im Gegenteil einmal mehr, wie bereits anlässlich meines Vortrages vor einer Weile hier im Künstlerbund im Rahmen der Reihe Kunst und Wissenschaft die innigen Verbindungen betonen, die unsere jeweiligen Gebiete auszeichnen – die Steinzeitarchäologie und die bildende Kunst. Kurz – gemeinsame Projekte sind stets willkommen! Nun aber zur Ausstellung. Da die drei ausstellenden Künstler in diesem Kreise exzellent bekannt sind und insofern gewissermaßen ein Heimspiel haben, werde ich mich mit biografischen Daten zurückhalten, aber dennoch einige Worte sagen: Der in meiner Heimatstadt Köln lebende Harald Fuchs hat bei Prof. Rudolf Schoofs in Stuttgart Freie Grafik studiert. Seit 1995 ist er Professor an der Universität für Applied sciences and art in Düsseldorf. Er war 1990 Villa Massimo‐Stipendiat und hat für seine Arbeiten in Medienkunst und Fotografie mehrere renommierte Preise erhalten. Durch zahlreiche Ausstellungen erreichte Fuchs in den zurückliegenden Jahrzehnten einen internationalen Bekanntheitsgrad, insbesondere auch in den USA. Seine Licht‐ Foto‐ und Videoinstallationen finden sich in zahlreichen renommierten Museen, wie im öffentlichen Raum. In inhaltlicher Hinsicht bewegen sich Fuchs‘ Arbeiten im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft, Religion und Kunst. Er ist großer Afrikakenner und bekannt für seine Dokumentationen so genannter Medizinmänner indigener Völker. Wie Sigfried Zielinski formulierte, verbinden sich in seinem Werk Aspekte von Natur‐ und Wissenschaftsästhetik, wie alten und neuen Vorstellungen von Kultur und Natur. Harald Fuchs hat in dieser Ausstellung neben einigen Fotocollagen einen in einen Rucksack integrierten Bildschirm frei im Raum installiert. Es geht in seiner Arbeit vornehmlich um die Überlagerung von Schichten verschiedener Kulturepochen des Brandberges und als letzter Schicht diejenige unserer heutigen Zeit. Der Blick des Betrachters dringt wie in einer Zeitreise in den Rucksack ein, gleichermaßen als Nachzeichnen der Forschungsreise der drei Künstler und als Reise in die vergangene, in vielem mysteriöse Welt der Paläo‐Künstler des Brandberges. Durch die Überlagerung von Bildern, das Einblenden von Szenen der Ursprache der indigenen Bevölkerung mit ihren so typischen Klicklauten und dem Originalton des Funkkontaktes der Astronauten bei der ersten Mondlandung verdichtet sich die Gesamtimpression dieser Arbeit zu einem traumhaften Vordringen in die mysteriöse Welt ferner Zeiten und Sphären. In seinen Fotoarbeiten stehen so genannte Orakelbeutel der Buschmänner im Vordergrund. In ihnen können sich Knochen, Muscheln, Zähne, Kristalle und andere Objekte befinden, die beim Auswerfen durch ihre spezifische Konstellation ureigene Erklärungsmodelle der Welt, des Familiengeschehens und anderer Zusammenhänge liefern können. Durch das Einblenden mathematischer Formeln setzt Fuchs der archaischen Welterklärung unsere heutige naturwissenschaftlich geprägte Sicht entgegen. Durch spezifische digitale Verfremdungs‐ und Inversionstechniken werden Schatten unvermittelt räumlich, es verwischen sich Innen und Außen, unversehens fragt man sich, in welcher Wahrnehmungsebene man sich überhaupt befindet. Auch der in Tübingen lebende und arbeitende Peter‐Michael Weber, seines Zeichens ausgebildeter Fotograph, schlägt die Brücke zwischen Wissenschaft und Kunst, worauf bereits seine langjährige Tätigkeit als Wissenschaftsfotograph am anatomischen Institut der Universität Tübingen sowie an der hiesigen Universitätsklinik hinweist. Seit 1980 bestreitet er zahlreiche Ausstellungen vornehmlich im deutschsprachigen Raum, wobei ich als Mitglied der so genannten Schlossfächer auch auf die Ausstellung „Idole“ 2004 im Museum Schloss Hohentübingen hinweisen möchte, in der Weber mit Ursula Kling‐Rau gemeinsam und jeder auf seine Weise eine Auseinandersetzung mit den von Archäologen „Idole“ genannten menschlichen Figuren suchte. In technischer Hinsicht hat Weber in den letzten Jahrzehnten in sehr kreativer Weise zur Weiterentwicklung der fotographischen Umsetzung, der verwendeten Materialien und Techniken wie der Bildentwicklung beigetragen. Peter‐Michael Weber ist mit mehreren großformatigen Fotoarbeiten vertreten. Seine Arbeitsweise ist durch die Aussage alter und neuer Symbole geprägt. Die Bilder Weber’s setzen sich mit komplementären Farben und Formen auseinander. Wie bei Dieter Luz werden Schattenelemente genutzt, um verschiedene Epochenschichten miteinander zu verbinden. Während sich ein Teil der Arbeiten noch deutlich am Original der Felskunst orientiert, verbinden sich in einer weiteren Fotoarbeit das Naturerlebnis mit geografischen Spezifika und den konkreten Reiserouten der drei Künstler. In der zentralen Arbeit der Ausstellung entbindet Weber Einzelmotive aus ihrem originären Kontext und reiht sie in eine neue Hieroglyphen‐ähnliche Folge und entwickelt dadurch eine verblüffend einfache Ursprache, deren erzählte Inhalte der Betrachter nur erahnen kann. Dieter Luz hier vorstellen zu wollen, ‐ er ist seit 1973 Mitglied des Tübinger Künstlerbundes ‐ bedeutete Eulen nach Athen zu tragen. Selbstverständlich ist die heute zu eröffnende Ausstellung auch Ausdruck und Ergebnis seiner Jahrzehnte währenden engen Kontakte nach Afrika mit seiner frühen Tätigkeit als Kameramann für ethnologische Filme in den 1960er Jahren und in der Folge bislang 35 Afrika‐Expeditionen und einem stets innigen Verhältnis zu archäologischen Inhalten und Objekten. Dieter Luz arbeitet bei seiner Installation mit dem Begriff Zeitfenster. Dabei werden reale Fenster mit verfremdeten Brandbergbildern bestückt. Das Ausleuchten der Bilder mit bereitgestellten Taschenlampen zeigt die Distanz und die Schwierigkeit, diese Bilder zu deuten. Die aus den Bildern heraustretenden Schattenelemente (musizierender Schattenmann trifft auf aufgelöste Stabfrau) sind wiederum Stellvertreter der in den Bildern dargestellten Inhalte. Durch die spezifische Inversionstechnik erinnern die in den Zeitfenstern widergegebenen Bilder in gewisser Weise an den so genannten Röntgenstil, wie er etwa in den Malereien der australischen Aborigines vorkommt und der auch die frühen Arbeiten von Dieter Luz auszeichnet. Schattenmann und Stabfrau sind mit ihren marionettenartigen Gliedmaßen typische Beispiele der Menschendarstellungen der Brandbergkunst. Die Schatten der Erinnerung treten übergroß in unsere Zeit und rufen uns zur Auseinandersetzung mit den Bildwelten der Urzeit auf. Ich empfinde die Ausstellung als sehr gelungen. Ich wünsche Ihr einen großen Erfolg! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!