Borneo-Artikel aus der Schweizer Familie Zeitschrift
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Borneo-Artikel aus der Schweizer Familie Zeitschrift
REISEN LE RE SER M ISE IA S Y ALA 74/75 te S ei Auf der Insel der WALDMENSCHEN Im Regenwald Orang-Utans beobachten, den höchsten Berg Südostasiens bezwingen, Sonne, Strand und Meer geniessen: BORNEO ist ein Paradies für Naturliebhaber. Text Hugo Stamm 70 Schweizer Familie 23/2015 Zu Hause in den Baumkronen: Der OrangUtan ist ein Kletterkünstler. Foto: Plainpicture REISEN Mystische Welt: Nebel steigt auf im Regenwald von Sabah. B orneo – ein Name, der exotische Bilder weckt. Die drittgrösste Insel der Welt ist ein Naturparadies zum Träumen. Endloser Regenwald, in denen sich Orang-Utans von Ast zu Ast hangeln und in dem Elefantenherden sich tummeln. Träume sind oft Trugbilder, die Natur hat auch auf Borneo gelitten. Doch in entlegenen Gebieten gibt es sie noch, die unverfälschten Regenwälder. Dean Salehuddin Jais, 23, hilft, Reise träume zu erfüllen. «Dort», sagt der Ran ger und zeigt in die Baumkrone eines di cken, 60 Meter hohen Riesen. Unsere Augen prallen aber am dichten Laubwerk ab. So ist es auch Prinzessin Kate und Prinz Williams ergangen, als sie sich von Dean in die wundersame Welt des Regen waldes entführen liessen. «Dort», hatte er den englischen Royals wie nun uns gesagt, «hat die Orang-Utan-Mutter Yanti für sich und ihr Baby Sherley ein Nest gebaut.» Wenn der Regenwald erwacht Ein besonderes Schauspiel bietet uns Roo nie. Mehrmals versucht das schwere Orang-Utan-Männchen, einen astlosen dünnen Stamm hochzuklettern und sich an einem Zweig festzuhalten. Doch der Ast bricht, und Roonie saust laut brüllend zu Boden. «Dieses Verhalten habe ich noch nie beobachtet», sagt Dean. Die 72 Schweizer Familie 23/2015 Traditionell gewandet: Junge Frauen der Volksgruppe der Iban. Palette von Roonies Mimik ist faszinie rend. Wir wissen nun, weshalb sie Wald menschen genannt werden. Faszinierend sind auch die Stimmun gen. Wenn der Regenwald erwacht, ver wandeln die aufsteigenden Nebel die Ur landschaft in eine mystische Welt, erfüllt mit den unverwechselbaren Dschungel geräuschen. Vom lauten Ruf der Gibbons über das eindringliche Zirpen der Grillen bis zum vielfältigen Gesang der unzähli gen Vögel staunen wir mit den Augen und Ohren. Hier brodelt die Ursuppe der Ein neuer Tag bricht an: Sonnenaufgang beim Fischerdorf Buntal. Schöpfung. Einige Tage zuvor ging es zum Mount Kinabalu. Mit seinen 4095 Metern ist er der höchste Berg Südostasiens, der die hügelige Provinz Sabah majestätisch überragt. Doch der gewaltige Klotz zeigte uns die kalte Schulter. Verschämt ver steckte er sich hinter dichtem Nebel. Nachts goss es wie aus Kübeln. Der Re genwald gab seine Visitenkarte ab. Wir ahnten Schlimmes. Waren wir dafür um die halbe Welt gereist? Am nächsten Morgen die Erleichte rung. Durch ein Nebelfenster grüsst uns der Erhabene mit seinen bizarren Felszacken. Der Bus spuckt uns auf einer Höhe von 1800 Metern aus. Von nun an hilft nur noch Muskelkraft. Der Berg gibt rasch den Tarif durch. Er ist so steil, dass die Parkbehörden bis zum Camp auf 3200 Metern einen Stairway to Heaven gebaut haben. Bei jedem zweiten Tritt kommt uns die Himmelsleiter der Rockband Led Zep pelin in den Sinn. Wurzeln, Felsbrocken, Steintritte und veritable Holztreppen füh ren uns nach oben. Viele Tritte weisen Fotos: Mauritius Images, Hugo Stamm eine krafttreibende Höhe auf. Die anstür menden Touristen sollen sich nur ja nicht an einen Rhythmus gewöhnen. Endlos hoch zum Mount Kinabalu Die garstige Himmelsleiter führt durch einen verwunschenen Regenwald, der sein Gesicht je nach Höhenzone verän dert. Das alpengewohnte Auge kann sich an der üppigen Vegetation kaum sattse hen. Die Szenerie lässt uns die Strapazen in der immer dünneren Luft beinahe ver gessen. Tumas Lakati, 31, unser Guide, freut sich, dass sein ergrauter Gast zügig aufwärtsstrebt. So lassen wir die Karawa ne der laut schnatternden Asiaten bald hinter uns. Als wir jedoch eine der riesi gen Kannenpflanzen (Nepenthes) entde cken, legen wir gerne eine Rast ein. Endlos geht es aufwärts, der Atem wird schwerer. Allmählich scheint auch den Bäumen die Luft auszugehen, das Klima wird ihnen zu rau. Erstmals schweifen un sere Blicke in die Weite. Unter uns breitet sich die grüne Hügellandschaft aus. 3000 Höhenmeter sind die erste magische ➳ Leserreise auf Seite 74/75 REISEN Der Erhabene: Der Mount Kinabalu ist mit seinen 4095 Metern der höchste Berg Südostasiens. Tägliches Spektakel: In der Abenddäm merung fliegen Millionen von Fledermäusen aus einzigartigen, grossen Höhlen im Mulu-Nationalpark gen Himmel. Kommt ausschliesslich auf Borneo vor: Der Nasenaffe. Durch die Abhol zung der Wälder ist er bedroht. Marke. Noch 200 Meter bis zu den LabanRatta-Hütten. Nach rund fünf Stunden erreichen wir das Etappenziel. Das Hauptgebäude des Camps riecht nicht nach Biwak, sondern nach Kantine mit Mehrbettzimmern. Täglich werden bis zu 200 Berggänger und 70 Bergführer ver köstigt und beherbergt. Trotzdem kommt die aufgeräumte Stimmung einer Berghüt te auf. Der Stolz, die erste Etappe geschafft zu haben, liegt in der Luft. Nachts kriechen wir bei etwa zehn Grad in den ungeheizten Zimmern unter die Decken. Ein Tatzelwurm aus Stirnlampen Frühmorgens um zwei Uhr gehen die Lichter an. Nach dem Frühstück setzt sich der Tatzelwurm aus unzähligen Stirnlam pen in Bewegung. Bald mündet die Him melsleiter in einen glatten Felsen aus Gra nit, der fast bis zum Gipfel führt. Ein dickes Halteseil ist nun Lebensader und Kom pass zugleich. Kletterkünste müssen wir nicht bemühen, sondern uns nur an ein paar kurzen, steilen Stellen am Seil hoch ziehen. Wir sehen die Sterne! Ein Privileg in der dampfenden Waschküche von Sa bah, an der Nordspitze Borneos. Plötzlich stehen wir vor der Gipfeltafel. Geschafft. 76 Schweizer Familie 23/2015 Hat kaum natür liche Feinde: Der Nashornvogel mit seinem starken Schnabel. Es ist kalt, der Wind pfeift um die Fel sen. Dann der grosse Moment: Als ob mir eine Augenbinde abgenommen würde, beginnen sich die Konturen der Gipfel ab zuzeichnen. Zuerst in vagen Umrissen, dann angestrahlt von den ersten Sonnen strahlen, und schliesslich finden wir uns in einer grandiosen Gipfelwelt. In weni gen Augenblicken ist der Vorhang aufge gangen und gibt den Blick frei auf die eindrückliche Kulisse mit den bizarren Felsen und dem Rundblick über die grüne Hügellandschaft unter uns. Nun beginnt die eigentliche Prüfung: 2500 Höhenmeter Abstieg, Tritt um Tritt. Bald sind die Knie und Oberschenkel überhitzt. Den untrainierten jungen Asia ten ist das Schnattern und Kichern ver gangen. Zum Schluss empfängt uns der Regen, der dem Wald den Namen gibt. Doch er kann unser Gipfelglück nicht trüben. Wer sich die anstrengende Tour nicht zutraut, kann sich auf den Wanderwegen oder im botanischen Garten des Parks vergnügen. Das Diplom bekommt aber nur, wer es auf den Gipfel schafft. Erholung in der Lodge Nach der Anstrengung des Bergsteigens erholen wir uns in der Borneo Rainforest Lodge im Danum Valley. Die mitten im Regenwald in ein Flussknie eingebettete Lodge lässt keine Wünsche offen. Hier tra ➳ Fotos: Mauritius Images, Corbis /Dukas, Stockery Fotos: Name Leserreise auf Seite 74/75 REISEN Alles im Fluss: Mit dem Schiff vorbei am neu erstellten Parlamentsgebäude von Kuching. Neugierige Kinderaugen: Marktszene in Kuching. fen wir die Orang-Utans, hier spürten wir den Regenwald hautnah, hier waren wir mitten drin. Eine Annäherung vom Wasser her er lebe ich bei der Riverside-Lodge bei Sukau. Von der am Fluss Kinabatangan gelegenen Lodge fahre ich mit einer Rei segruppe in kleinen Booten die Ufer ab und dringe in schmale Seitenläufe vor. Wir sehen Nashornvögel mit ihren exoti schen Schnäbeln, drollige Langnasen affen, auch Orang-Utans geben sich die Ehre. Es störte höchstens beim Fotografie ren, dass es gelegentlich regnete. An den Traumstränden Manukans Ein besonderes Erlebnis bietet dann die rund 30-köpfige Elefantenherde, die am Fluss eine Wiese kahl frisst. Der Star ist ein einjähriges Baby. Doch da die Boots 78 Schweizer Familie 23/2015 Zwischen Moderne und Kolonialstil: Kuching am Sarawak-Fluss. führer sich per Handy informieren, sind bald mehr Touristen in der Gegend als Elefanten. Wie auch immer, nach so vielen Eindrücken ist es schön, am Schluss der Reise auf der Insel Manukan zu entspan nen und Sonne, Sand und Meer zu genies sen. Traumstrände mit türkisfarbenem Wasser, Korallenriffe, die zum Schnor cheln einladen, und viel unberührte Na tur. Und abends schaut man bei einem Glas Wein zu, wie die Sonne glühend im Meer versinkt. ● Leserreise auf Seite 74/75 Fotos: Laif, Mauritius Images