Sichere Schule - Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer
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Sichere Schule - Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer
Sichere Schule Gesundheits- & lernförderndes Klassenzimmer Impressum Herausgeber Unfallkasse Nordrhein-Westfalen Regionaldirektion Rheinland Sankt-Franziskus Straße 146 40470 Düsseldorf Telefon 0211 2808-0 Telefax 0211 2808-209 E-Mail [email protected] Internet www.unfallkasse-nrw.de In Zusammenarbeit mit Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV) Spitzenverband Mittelstraße 51 10117 Berlin-Mitte Telefon 0211 2808-0 Telefax 0211 2808-209 E-Mail [email protected] Internet www.dguv.de Verantwortlich für den Inhalt Gabriele Pappai Erstellt im Rahmen des Projektes „Gesundheits- & lernförderliches Klassenzimmer“ der DGUV unter Mitwirkung folgender Autoren: Redaktion Boris Fardel Autoren UK NRW Boris Fardel Ralph Glaubitt Ralf Huihsen Gestaltung, Umsetzung rend Medien Service GmbH www.rend.de Bildnachweis Boris Fardel Ralph Glaubitt Dr. Simone Peters Stephan Floß rend Medien Service GmbH Ausgabe März 2014 www.sichere-schule.de Akustik: Dr. Jürgen Maue, IFA Sankt Augustin Farbgestaltung: Dr. Elke Frenzel, KUVB / Bayer. LUK, Ralph Glaubitt, UK NRW Möblierung: Susan Freiberg, IAG Dresden Natürliche und künstliche Beleuchtung: Renate Hanßen-Pannhausen, IAG Dresden Gerold Soestmeyer, DGUV Raumgröße und Flexible Raumnutzung: Andrew Orrie, DGUV Raumluftqualität und Raumklima: Dr. Simone Peters, IFA Sankt Augustin Tafelsysteme: Susan Freiberg, IAG Dresden Dr. Simone Peters, IFA Sankt Augustin Inhaltsverzeichnis Lernräume Akustik Farbgestaltung Möblierung Natürliche und künstliche Beleuchtung Raumgröße und flexible Raumnutzung Raumluftqualität und Raumklima Tafelsysteme Weitere Informationen zu modernen Lernräumen Anhänge Moderne Lernräume Das Herforder Modell Lernräume als gesundheits- und kommunikationsfördernde Lebensräume gestalten Das lernfördernde Klassenzimmer Tische und Stühle Türen Barrierefreie Türen und Türelemente Beschlagumrüstung Die sieben Beleuchtungskriterien 3 10 14 22 31 39 48 55 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Akustik 01 | Informationen Raumakustik Mündlicher Unterricht gelingt nur, wenn Kinder und Jugendliche aufmerksam zuhören können. Deshalb sollte das gesprochene Wort im Raum klar und mühelos zu verstehen sein. Lärm und Halligkeit werden von Schülerinnen und Schülern wie auch von Lehrkräften als sehr unangenehm empfunden. Die Schülerinnen und Schüler leiden unter der schlechten Sprachverständlichkeit und können dem Unterricht nur schwer folgen. Das führt zu einer schnellen Ermüdung und Beeinträchtigung ihrer Leistungen. Die Lehrkräfte empfinden die schlechte Akustik und die damit verbundenen hohen Geräuschpegel als Stressbelastung. Zudem müssen sie ihre Stimmen deutlich stärker belasten, möglicherweise mit der Folge von gesundheitlichen Problemen. Für eine gute Sprachverständlichkeit ist es vor allem erforderlich, dass das Klassenzimmer eine ausreichende Menge an Schallabsorptionsflächen aufweist, sodass sich eine möglichst geringe Nachhallzeit ergibt. Unterrichtsräume weisen in der Regel eine Fläche von 60 m² bis 70 m² und eine Raumhöhe von 3 m auf. Entsprechend den Vorgaben der DIN 18041, „Hörsamkeit in kleinen bis mittelgroßen Räumen“, sollen Klassenräume, die ein solches Raumvolumen aufweisen (Größe bis ca. 250 m), Nachhallzeiten von 0,5 bis 0,6 s aufweisen. Nehmen Schülerinnen und Schüler mit eingeschränktem Hörvermögen an der Sprachkommunikation teil oder findet Kommunikation in einer Sprache statt, die nicht als Muttersprache gelernt wurde, sollen niedrigere Nachhallzeiten bis zu 0,4 s eingehalten werden. Dies betrifft somit nicht nur Schüler und Schülerinnen mit Migrationshintergrund, sondern alle Schüler, die eine Fremdsprache lernen. Letztlich wirken sich gute akustische Raumeigenschaften auf alle positiv aus. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 3 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Akustik 01 | Informationen Raumakustik Die genannten Zielvorgaben lassen sich in der Regel schon allein durch eine schallabsorbierende Deckengestaltung realisieren. Bei Verwendung eines hochabsorbierenden Materials sollte dieses eventuell nur an den Rändern der Decke angebracht werden, um die für die Sprachverständlichkeit bedeutenden hochfrequenten Schallanteile (Konsonanten) bis in den hinteren Teil der Klasse zu übertragen. Bei der Auswahl der Materialien ist auch auf eine ausgewogene Schallabsorption in allen relevanten Frequenzbereichen zu achten. Neben der Halligkeit eines Raumes ist auch der Grundgeräuschpegel für die Sprachverständlichkeit von Bedeutung. Das Grundgeräusch wird zum Beispiel durch von außen eindringende Geräusche, durch Flüstern oder Stühlerücken erzeugt. Um Sprache gut verstehen zu können, benötigt man im Allgemeinen einen Sprachpegel, der mindestens um 10 bis 15 dB(A) über dem Grundgeräuschpegel liegt. Erwachsene können störende Hintergrundgeräusche relativ gut ausblenden und unvollständige akustische Informationen im Geiste ergänzen. Kinder sind dazu jedoch weniger in der Lage und werden deshalb durch Störgeräusche viel stärker beeinträchtigt. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 4 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Akustik 01 | Informationen Lombard-Effekt Die Halligkeit in einem Klassenraum führt dazu, dass die Lehrkraft lauter spricht, um die Lernenden akustisch besser zu erreichen. Aber auch die Schülerinnen und Schüler verhalten sich in halligen Räumen lauter. Insbesondere bei Gruppenarbeit wird lauter gesprochen um sich verständlich zu machen. Die daraus resultierende Unruhe und der höhere Grundgeräuschpegel führen wiederum dazu, dass noch lauter gesprochen wird und sich der Schalldruckpegel immer weiter in die Höhe schraubt. Das hier beschriebene Aufschaukeln der Geräuschbelastung wird als Lombard-Effekt bezeichnet. Die als extrem unangenehm empfundene Geräuschbelastungssituation lässt sich durch geeignete akustische Maßnahmen wesentlich entschärfen. Durch die Einbringung von Schallabsorptionsmaterial in den Raum erreicht man eine geringere Halligkeit und eine bessere Sprachverständlichkeit. Dadurch kann wieder leiser gesprochen werden und die Geräuschbelastung schaukelt sich nicht weiter auf. Je nach Ausgangssituation lassen sich durch geeignete raumakustische Maßnahmen Pegelminderungen bis zu 10 dB(A) erreichen. Dies wird als Halbierung der Lautstärke wahrgenommen. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 5 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Akustik 02 | weitere Hinweise Welche Bedeutung die Raumakustik in Klassenzimmern und in Lernräumen des schulischen Ganztages für das Wohlbefinden und die Gesundheit des Lehrpersonals hat, wird vielfach unterschätzt. Für die Schülerinnen und Schüler macht sich die Geräuschbelastung vor allem in ihren Lernleistungen bemerkbar. Insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit eingeschränktem Hörvermögen oder einer anderen Muttersprache ist die gute akustische Gestaltung des Klassenzimmers Voraussetzung für einen effektiven Unterricht. Dabei lassen sich die raumakustischen Verhältnisse in Klassenzimmern mit verhältnismäßig geringem Aufwand günstig gestalten. In der Regel reicht schon eine schallabsorbierende Deckenfläche mit einem zu 50 bis 60 Prozent schallabsorbierenden Material. Geeignet sind zum Beispiel ca. 20 mm dicke Akustikplatten aus Mineralfasermaterial, wenn sie in mindestens 10 cm Abstand zur Decke montiert werden. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 6 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Akustik 02 | weitere Hinweise Wenn die raumakustische Maßnahme in Eigenleistung (Selbsthilfe-Aktion) realisiert werden soll, bieten sich auch schwer entflammbare Schaumstoffmaterialien für die Deckengestaltung an, weil sich diese leicht zuschneiden und direkt an die Decke ankleben lassen. Zur raumakustischen Auslegung von Klassenräumen bietet das Institut für Arbeitsschutz (IFA) einen Raumakustikrechner an, der eine Berechnung der Nachhallzeit und den Vergleich mit den Vorgaben der DIN 18041 ermöglicht. Diese Ergebnisse können dann als erste Grundlage für eine Beurteilung und die erste Planung herangezogen werden. Es wird jedoch empfohlen, einen Fachplaner einzubeziehen. Die Maßnahmen sollten darüber hinaus mit dem zuständigen Sachkostenträger, z. B. bezüglich der Einhaltung der brandschutztechnischen Bestimmungen oder baubiologischen Vorgaben, abgestimmt werden. Bei der Auswahl der schallabsorbierenden Materialien sollte auch berücksichtigt werden, inwieweit diese später überstreichbar sind oder sich die Eigenschaften hierdurch möglicherweise verschlechtern könnten. Ebenso ist darauf zu achten, dass die Materialien an der Decke sicher und dauerhaft befestigt und nur zugelassene Befestigungsmittel oder Kleber verwendet werden. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 7 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Akustik 02 | weitere Hinweise Ergänzend zur schallabsorbierenden Decke kann eine schallabsorbierende Belegung des oberen Teiles der Raumrückwand (von der Lehrkraft abgewandte Seite) sinnvoll sein. Das gilt insbesondere für größere Räume, in denen der über die Decke und die Rückwand reflektierte Schall in den vorderen Reihen mit einer größeren Verzögerung gegenüber dem direkten Schall eintrifft (mehr als 17 m Ausbreitungsweg). Durch die Überlagerung des direkten Schalls und des zeitlich verzögerten Reflexionsschalls kann sich dabei die Verständlichkeit für Sprache deutlich verschlechtern (verschliffene Information). Die Wand hinter der Lehrerkraft sollte dagegen reflektierend sein, um die den Direktschall unterstützenden frühen Reflexionen zu gewährleisten. Maßnahmen zur Reduzierung des Grundgeräuschpegels können z. B. notwendig sein, falls die Schule an einer stark befahrenen Straße liegt. Dann ist vor allem auf eine ausreichende Schalldämmung der Fenster zu achten. Natürlich sollten auch die in dem Klassenzimmer eingesetzten Geräte, wie z. B. Projektionsgeräte, so ausgewählt werden, dass sie möglichst leise sind. Ebenfalls sollte bei der Auswahl der Möbel darauf geachtet werden, dass die Geräuschbelastungen durch sie möglichst gering gehalten werden, z. B. durch die Auswahl entsprechender Stuhl- und Tischgleiter. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 8 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Akustik 03 | Quellen Lärm in Bildungsstätten, INQA Hörsamkeit in kleinen bis mittelgroßen Räumen, DIN 18041 Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude, DIN 18040-1 Weiterführende Informationen: Raumakustikrechner, IFA Flüsterndes Klassenzimmer: Lärmproblematik in Schulen; Vorschriften und Normen; Selbsthilfemaßnahmen Veröffentlichungen: Huber, L., Kahlert, J., Klatte, M.: Die akustisch gestaltete Schule. Auf der Suche nach dem guten Ton. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2002 Lärmminderung in Schulen. Umwelt und Geologie, Lärmschutz in Hessen, Heft 4, Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie, Wiesbaden 2007 Maue, J. H.: 0 Dezibel + 0 Dezibel = 3 Dezibel – Einführung in die Grundbegriffe und die quantitative Erfassung des Lärms. 9. erweiterte Auflage, Erich Schmidt Verlag, Berlin 2009 Oberdörster, M., Tiesler, G.: Akustische Ergonomie der Schule. Schriftreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Fb 1071, Dortmund / Berlin / Dresden 2006 Rickes, O., Gemes, A., Helfmann, H.: Reduzierung der Lärmbelastung in Schulen durch Verbesserung der Raumakustik. Unfallkasse Hessen + Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, April 2006 Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 9 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Farbgestaltung 01 | Informationen Eine harmonisch gestaltete Umgebung, die unterschiedliche Unterrichtsformen zulässt, die Bedürfnisse der Nutzer berücksichtigt und an deren Gestaltung die Nutzer beteiligt wurden, stärkt nicht nur das Wohlbefinden sondern kann auch die Gesundheit der Lehrenden und Lernenden fördern. So werden aus Lernräumen Lebensräume für die Zukunft. Ein wichtiger Aspekt bei der Gestaltung der Räume ist die Farbgebung. In den meisten Klassenzimmern sind die Wände bislang vollkommen weiß gehalten. Weiß lässt Räume zwar größer erscheinen, wirkt ansonsten allerdings eher steril. Insbesondere Kinder haben zum abstrakten Weiß keinen Bezug. Der Einsatz von Farbe im Klassenzimmer kann daher das Raumempfinden positiv verändern. Wichtig ist hierbei, dass die gewählte Wandfarbe sich harmonisch in die Umgebung einfügt. Bei der Auswahl der Wandfarbe sollten daher insbesondere die Farben des Fußbodens, der Tür- und Fensterprofile sowie des Mobiliars in die Überlegungen einbezogen werden. Weiterhin sollte Farbe immer gezielt und mit Maß eingesetzt werden. Ein „Zuviel“ kann hier schnell erdrücken. Des Weiteren sind die lichtreflektierenden Eigenschaften der farbigen Oberflächen zu berücksichtigen, da sie Auswirkungen auf die Qualität der Beleuchtung haben. Deshalb existiert die Anforderung an den Reflexionsgrad. Es wird empfohlen, sich bei der Farbgestaltung von erfahrenen Fachleuten beraten zu lassen, die ein entsprechendes Farbkonzept für ein Klassenzimmer oder auch für ein gesamtes Schulgebäude erarbeiten können. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 10 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Farbgestaltung 02 | weitere Hinweise Farben wecken bei jedem Betrachter Emotionen oder lösen Assoziationen aus. In der Farbpsychologie sind jeder Farbe unterschiedliche Gefühle und Wirkungen zugeordnet, die sie in der Regel erzeugen. So bewirkt die Farbe Gelb meist eine positive, heitere Stimmung und Blau wirkt eher kühl. Farben können sowohl positive als auch negative Gefühle hervorrufen. Rot kann einerseits anregend, dynamisch und stimulierend wirken, aber andererseits auch einen aggressiven Charakter entwickeln. Die Wirkung der einzelnen Farben ist abhängig von der Intensität, vom Kontrast, der Größe der gestalteten Fläche und der Wechselwirkung mit anderen eingesetzten Farben. Darüber hinaus haben aber auch die Wahl der Materialien, der Oberflächen und die Funktion des Gegenstandes Einfluss auf die Wirkung der Farbe. Ebenso steht die Farbwirkung in enger Beziehung zum Licht und ist somit von der Lichtplanung des Raumes abhängig. Alles muss gut aufeinander abgestimmt werden. Des Weiteren sollte bei der Wahl der Farben auch berücksichtigt werden, dass die Wahrnehmung von Farben auch individuell unterschiedlich sein kann. So kann die Wahrnehmung jedes Einzelnen z. B. auch von Kultur, Erziehung, Mode oder persönlichen Erfahrungen beeinflusst werden. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 11 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Farbgestaltung 02 | weitere Hinweise Durch die Beteiligung der Schülerinnen und Schüler an der Farbgestaltung kann sich die Identifikation mit dem eigenen Klassenraum und der Schule erhöhen. Sinnvoll ist es, im Vorfeld der Planungen mit den Schülerinnen und Schülern die Farben und ihre Wirkungen im Unterricht zu besprechen. Wird die Umgestaltung noch in Eigenregie durchgeführt, kann dies die Akzeptanz noch steigern. Bei der Auswahl der (Anstrich-) Farben sollte jedoch der Sachkostenträger eingebunden werden. Er kann in der Regel beraten, welche Farben umweltverträglich sind und sich mit den bisher verwendeten Farben vertragen. Die Farbgestaltung einzelner Räume sollte sich auch immer an einer übergeordneten Farbgestaltung des Gebäudes orientieren. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 12 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Farbgestaltung 03 | Quellen Das Lernfördernde Klassenzimmer – Ein Konzept der guten gesunden Schule, Handlungsanleitung für Planer, Schulleiter und Lehrkräfte, Schriftenreihe des Bayerischen GUVV Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 13 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Möblierung 01 | Informationen Moderne Unterrichtsräume zeichnen sich dadurch aus, dass unterschiedliche Lern- und Unterrichtssituationen durch schnelles Umstellen der Möbel eingerichtet werden können. Gruppenarbeiten, individuelle Förderung und gemeinsame Unterrichtseinheiten sind dann nach Bedarf durchführbar. Eine flexible Lernlandschaft ermöglicht so die Umsetzung unterschiedlicher pädagogischer Konzepte. Deshalb sollte bei der Auswahl der Möbel darauf geachtet werden, dass neben der Einhaltung der ergonomischen Anforderungen diese auch schnell und leicht verschoben werden können, so dass sie variabel im Raum einsetzbar sind. Dies ist bei mit Rollen ausgestatteten Möblierungen der Fall. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 14 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Möblierung 01 | Informationen Tische und Stühle Kinder wachsen ganz unterschiedlich schnell. So können die Größenunterschiede selbst innerhalb einer Klasse oft erheblich sein. Deshalb sind für die Schülerinnen und Schüler auf deren unterschiedliche Körpermaße abgestimmte Tische und Stühle bereitzustellen. Das verwendete Mobiliar sollte anpassbar sein. Nach den bisherigen Vorgaben soll in den Klassenräumen eine ausreichende Anzahl verschiedener Tisch- und Stuhlhöhen zur Verfügung gestellt werden. Die Tische und Stühle sind entsprechend der Farbmarkierung der Norm für die Bereitstellung von "Möbel – Stühle und Tische für Bildungseinrichtungen" aufeinander abzustimmen. Hinweise zur Umsetzung der Vorgaben finden sich in der Schrift „Richtig sitzen in der Schule“. Mit dem in den meisten Schulen vorhandenen Mobiliar kann das in der Regel nicht realisiert werden. Um der Individualität der Körpergrößen gerecht zu werden und die Bereitstellung einer größeren Anzahl verschieden hoher Stühle und Tische zu vermeiden, sind stufenlos höhenverstellbare Stühle und Einzeltische zu bevorzugen. Da in den Schulen viele Arbeitsaufgaben im Sitzen stattfinden, kann dies zu einer erhöhten Belastung der Wirbelsäule und der Rückenmuskulatur führen. Langfristig können so Haltungsschwächen und Haltungsschäden entstehen, die zu Rückenschmerzen führen. Um den Belastungen entgegenzuwirken, sollten die Stühle drehbar sein und ein dynamisches Sitzen ermöglichen, das heißt, den Wechsel zwischen hinterer und vorderer Sitzposition sowie eine Seitwärtsneigung zulassen. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 15 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Möblierung 01 | Informationen Tische und Stühle Die Höhe der Schülertische ist an die jeweilige Körpergröße der Schülerinnen und Schüler anzupassen und erlaubt somit ein ergonomisches Arbeiten im Sitzen. Einige Hersteller bieten auch Tische an, die so weit höhenverstellbar sind, dass auch ein Arbeiten im Stehen möglich ist. Dieser Haltungswechsel ist nicht nur gesundheitsförderlich, er trägt auch zu körperlicher und geistiger Mobilität bei. Ergänzend sollten die Lehrkräfte die Sitzphasen auch durch die konzeptionelle Umsetzung eines bewegten Unterrichts und des gezielten Einsatzes von Bewegungspausen abwechslungsreich gestalten. Ein entscheidendes Merkmal eines ergonomisch wünschenswerten Schülertisches ist eine um etwa 16° neigbare Tischplatte. Für die richtige Handhabung des Mobiliars sollten die Der Lehrerarbeitsplatz ist mit einem Drehstuhl und einem Schülerinnen und Schüler von den Lehrkräften in die Tisch auszustatten, die ebenfalls höhenverstellbar sind. Notwendigkeit und Bedienbarkeit zur Einstellung der Bei entsprechender Variabilität kann der höhenverstell- Tische und Stühle auf die individuelle Körpergröße bare Lehrertisch einerseits die individuelle Einstellung auf eingewiesen und eingebunden werden. Die körperge- die Körpergröße der Lehrkraft ermöglichen und ander- rechte Anpassung der Tische und Stühle sollte halbjähr- erseits auch von den Schülerinnen und Schülern im lich überprüft werden. Stehen genutzt werden. Der Beinfreiraum muss bei barrierefrei gestalteten Die Ausstattung der Schüler- und Lehrertische mit Rollen Tischen folgende Maße aufweisen. erleichtert die Handhabung und gewährleistet eine flexible Aufstellung im Raum für verschiedene Unterrichtsarrangements, wie Gruppenarbeit oder Werkstattunterricht. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 16 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Möblierung 01 | Informationen Schränke für Schulranzen Die Unterbringung von Schulranzen und -taschen in Regalen auf Rollen ist zu bevorzugen, da hierdurch sogenannte Stolperfallen durch die am Boden liegenden Ranzen und Taschen vermieden werden. Diese fahrbaren Regale können auch als Raumteiler für die flexible Gestaltung des Klassenzimmers genutzt werden. Für die Unterbringung der Arbeitsmaterialien sollte jede Schülerin und jeder Schüler ein eigenes Schubfach besitzen, das im fahrbaren Regal aufbewahrt werden kann. Weitere Einrichtungsgegenstände Weitere Einrichtungsgegenstände in Klassenräumen wie ein Medienschrank, Schränke für Unterrichtsmaterialien oder Stellwände sollten ebenfalls mit Rollen ausgestattet werden, um jederzeit eine schnelle Umgestaltung des Raumes vornehmen zu können. Von den Einrichtungen dürfen keine Verletzungsgefahren ausgehen. Stellwände können auch mit einer schallabsorbierenden Oberfläche, z. B. mit einer Stoffbespannung, zur Verbesserung der Raumakustik beitragen und zur Abtrennung von Gruppen- und Einzelarbeitsplätzen für Schülerinnen und Schüler herangezogen werden. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 17 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Möblierung 02 | weitere Hinweise In bestehenden Klassenräumen kann es sinnvoll sein, dreieckige oder trapezförmige Tische einzusetzen, die auch als Sitzgruppen für 4 oder 6 Schülerinnen und Schüler zusammengestellt werden können. Durch die veränderte Tischgeometrie werden etwa 3 bis 4 m² weniger Grundfläche beansprucht und eine deutlich flexiblere Positionierung von Sitzgruppen im Raum ermöglicht. Sind die Tische mit Rollen ausgestattet, können schnell und unkompliziert neue Raumkonzeptionen geschaffen werden. Die dreieckigen Tische haben den Vorteil, dass sie stapelbar sind und somit eine noch flexiblere Nutzung des Raumes ermöglichen. Bei Verwendung nicht höhenverstellbarer Dreieckstische sollten Stühle mit unabhängig voneinander höhenverstellbaren Sitzflächen und Fußauf lagen eingesetzt werden, um eine individuelle Anpassung an die Schülergrößen zu gewährleisten. Ein Nachteil von Dreieckstischen besteht darin, dass es aufgrund der Tischgeometrie kaum möglich ist, zwei DINA4-Hefte, z. B. Schreibheft und Unterrichtsbuch, versetzt übereinanderzulegen. Als Einzelarbeitstische sind diese Tische deshalb weniger geeignet. Im Hinblick auf eine ergonomische Sitzhaltung ist jedoch die Höhenverstellung von Tisch und Stuhl zu bevorzugen. Dadurch können die Füße der Schülerinnen und Schüler auf dem Boden stehen, haben mehr Bewegungsfreiheit und ein aktives dynamisches Sitzen wird ermöglicht. Auf Fußablagen kann dann verzichtet werden. Die individuelle Höhenverstellung der Tische hat allerdings den Nachteil, dass bei Zusammenstellung unterschiedlich hoher Tische zu Sitzgruppen keine durchgängig ebene Tischfläche entsteht. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 18 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Möblierung 02 | weitere Hinweise Ergonomische Schulmöbel allein können durch das Sitzen hervorgerufene körperliche Belastungen nicht verhindern. Auch optimales und normgerechtes Mobiliar kommt nur mit einer gesundheitsbewussten Einstellung, mit dynamischen Sitzweisen und alternativen Sitzformen wirklich zur Geltung. Zur Vermittlung dynamischer Sitzweisen und alternativer Sitzformen können zeitweise auch Sitzbälle eingesetzt werden. Der ergonomisch wünschenswerte Schülerstuhl soll über die richtige Sitzhöhe hinaus unterschiedliche Sitzpositionen ermöglichen: die mittlere Sitzposition als ideale, aufrechte Lesehaltung die rückwärtige Sitzposition als Ruhe- und Zuhörhaltung die vordere Sitzposition als Arbeitshaltung beim Schreiben und Lesen Erläuterungen zum Bild A. Sitzhöhe: Das Kind muss mit beiden Füßen den Boden vollständig berühren. Die Oberschenkel müssen waagerecht auf der Sitzfläche aufliegen. B. Sitztiefe: Kniekehle und Unterschenkelrückseite dürfen die Vorderkante der Sitzfläche nicht berühren. C. Tischhöhe: Die Ellbogenspitze muss sich bei herunterhängenden Armen in Tischplattenhöhe befinden. D. Beinfreiraum: Zwischen Tischunterbau und Oberschenkel muss Bewegungsspielraum bleiben. Folgende Tabelle gibt eine Orientierung für die Bereitstellung der Möbel nach der zurzeit gültigen Norm für Tische und Stühle in Bildungseinrichtungen (DIN EN 17291). Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 19 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Möblierung 02 | weitere Hinweise Zukunftsorientierte Merkmale Während u. a. die Norm von 1981 (DIN ISO 5970) von einer physiologisch richtigen Sitzhaltung ausgeht, berücksichtigt die europäische Norm zu Tischen und Stühlen (DIN EN 1729-1) daneben das dynamische Sitzen durch unterschiedliche zulässige Sitzwinkel. Darüber hinaus sind die Größenklassen für Schulmöbel neu definiert und zusätzlich die Klasse 7 mit der Farbkennung „braun“ für sehr große Schüler eingeführt. Werden keine höhenverstellbaren Tische eingesetzt, sind für Schülerinnen und Schüler, die in einem Rollstuhl sitzen, Tische mit blauer Farbkennzeichnung zu verwenden. Genügen Standardtische nicht, sind Spezialtische in Absprache mit den Landschaftsverbänden einzusetzen. Die folgenden Tabellen enthalten Maße für Stühle und Tische der europäischen Norm DIN EN 1729-1 und der zurzeit noch gültigen DIN ISO 5970 im Vergleich (auszugsweise, Maße in cm). Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 20 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Möblierung 03 | Quellen UVV Schulen, GUV-V S1, § 11 Abs. 4 Richtig sitzen in der Schule, GUV-SI 8011 Schulbau – Bautechnische Anforderungen zur Verhütung von Unfällen, DIN 58125 Möbel – Stühle und Tische in Bildungseinrichtungen, DIN EN 1729 Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 21 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Natürliche und künstliche Beleuchtung 01 | Informationen Eine gute Beleuchtung wirkt sich positiv auf die visuelle Wahrnehmung aus, fördert das Konzentrationsvermögen und damit den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler. Sie ist Voraussetzung, um z. B. Unterrichtstexte und Arbeitsaufträge auch über längere Zeiträume gut lesen und bearbeiten zu können. Eine gute Beleuchtungssituation in Lern- und Klassenräumen kann auch die Kommunikation unter Lernenden und Lehrenden verbessern. Eine gute Beleuchtung zeichnet sich durch einen ausgewogenen Mix von natürlicher und künstlicher Beleuchtung aus. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 22 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Natürliche und künstliche Beleuchtung 01 | Informationen Natürliche Beleuchtung Tageslicht besitzt Qualitäten, die von künstlicher Beleuchtung kaum zu erreichen sind, z. B. die Dynamik, Farbe und Menge des Lichts. Der positive Einfluss auf die Gesundheit und das Befinden von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften gilt dabei als gesichert. Tageslicht kann durch Fenster, Dachoberlichter und lichtdurchlässige Bauteile ins Gebäude gelangen. Fenster ermöglichen zusätzlich die wichtige Sichtverbindung nach außen. Eine ausreichende natürliche Beleuchtung erfolgt in der Regel über entsprechend große Fensterflächen, deren Verhältnis von lichtdurchlässiger Fläche zur Raumgrundfläche mindestens 1:10 und bei Rohbaumaßen entsprechend 1:8 betragen muss. Mit der Entfernung vom Fenster nimmt das vorhandene Tageslicht jedoch stark ab. Mit lichtlenkenden Elementen kann für diese Bereiche eine Verbesserung erzielt werden. Neben den Vorteilen des Tageslichts können bei nicht fachgerechter Planung und Ausführung jedoch auch Nachteile eintreten. Blendung und übermäßige Erwärmung durch Sonneneinstrahlung müssen durch geeignete Sonnenschutzvorrichtungen vermieden werden. Deshalb sollten je nach Ausrichtung zur Himmelsrichtung Jalou- Auch durch eine geeignete Anordnung der Tische kann Blendung durch Tageslicht reduziert werden. Die Hauptblickrichtung sollte möglichst parallel zur Fensterfront sein. Bei großer Außenhelligkeit wäre beim Blick zum Fenster die Blendung sonst zu groß und beim Blick vom Fenster weg würde man sich den Arbeitsplatz selbst verschatten. sien, Lamellenstores, Rollos, Sonnenschutzgläser oder andere entsprechende Vorrichtungen zum Schutz gegen die Sonne vorhanden sein. Diese müssen regelmäßig gewartet und gereinigt werden. Vor übermäßiger Aufheizung der Räume durch Sonnenstrahlung schützen außen liegende Sonnenschutzvorrichtungen besser als innen liegende. Die Materialien der Verglasung und des Sonnenschutzes sollten die spektrale Zusammensetzung des einfallenden Tageslichts möglichst wenig verändern. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 23 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Natürliche und künstliche Beleuchtung 01 | Informationen Künstliche Beleuchtung Da nicht zu jeder Zeit ausreichend Tageslicht zur Verfügung steht, muss es mit künstlicher Beleuchtung ergänzt werden. Bei der Planung ist zu beachten, dass die Raumbeleuchtung bei unterschiedlichster Anordnung der Tische und Stühle überall ausreichend gute Lichtbedingungen schaffen muss, auch an den Wänden. Die gleichmäßige Aufhellung des Raums ist wichtig, um bei wechselnden Blickrichtungen starke Helligkeitsunterschiede zu vermeiden. Eine ständige Anpassung der Augen an unterschiedliche Helligkeiten könnte sonst zu Augenermüdung und Verringerung der Konzentration führen. Im gesamten Klassenraum sollte die mittlere horizontale Beleuchtungsstärke in einer Höhe von 0,75 m über dem Boden mindestens 300 Lux betragen und die mittlere vertikale Beleuchtungsstärke in einer Höhe von 1,20 m über dem Boden mindestens 100 Lux. Bei Neubau oder Renovierung wird empfohlen, für die Beleuchtung aller Unterrichtsräume Beleuchtungsstärken von mindestens 500 Lux horizontal und 175 Lux vertikal zugrunde zu legen. Diese Werte werden für Fachunterrichtsräume und Büroräume gefordert und die Sehanforderungen sind mit denen im Klassenraum vergleichbar. Schülerinnen und Schüler mit eingeschränktem Sehvermögen und Lehrkräfte in höherem Alter benötigen für die gleichen Sehleistungen höhere Beleuchtungsstärken, z. B. 750 bis 1000 Lux. Dies könnte auch durch Einsatz von individuellen Arbeitsplatzleuchten erreicht werden. Für die betroffenen Schülerinnen und Schüler wird ebenfalls ein Platz in Tafelnähe empfohlen. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 24 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Natürliche und künstliche Beleuchtung 01 | Informationen Künstliche Beleuchtung Für eine gleichmäßige Aufhellung des Raumes sind Leuchten mit indirekter Lichtverteilung gut geeignet. Sie sorgen für einen freundlichen, angenehmen Raumeindruck und minimieren Reflexionen. Eine abgehängte, reine Direktbeleuchtung ist zwar lichttechnisch effizienter, hat jedoch den Nachteil, dass die Raumdecke relativ dunkel bleibt. Kombinierte Direkt-Indirekt-Systeme sind deshalb besonders zu empfehlen. Für den Bereich der Wandtafel sollten getrennt schaltbare Leuchten vorhanden sein. Die mittlere vertikale Beleuchtungsstärke sollte im Bereich der Tafel mindestens 500 Lux betragen, um auch von den hinteren Plätzen eine optimale Erkennbarkeit zu gewährleisten. Bei Tafeln, die aufgeklappt und nach oben verschoben werden können, ist auf eine ausreichend große, gleichmäßig beleuchtete Fläche zu achten. Dies ist ebenso wichtig bei variabel angebrachten Tafelsystemen, Flipcharts oder Landkarten. Um Reflexionen zu vermeiden, sollten gut abgeschirmte Lichtquellen eingesetzt werden. Geeignet sind z. B. asymmetrisch abstrahlende Leuchten in einem Abstand von 0,85 bis 1,30 m von der Tafel. Für die Sehleistung, die Behaglichkeit und das Wohlbefinden ist es wichtig, dass die Farben der Unterrichtsmaterialien und der Umgebung natürlich und wirklichkeitsgetreu wiedergegeben werden. Die Qualität der Wiedergabe von Farben bei künstlicher Beleuchtung wird durch den Farbwiedergabeindex festgelegt. Er kann höchstens den Wert 100 annehmen, das wäre die beste Die künstliche Beleuchtung kann manuell zuschaltbar Qualität und identisch mit der Farbwiedergabe des natür- oder automatisch und – falls erforderlich – auch dimmbar lichen Tageslichts. In Klassenräumen sollten Lampen ausgeführt werden. Aus Gründen der Energieeinsparung mit einem Farbwiedergabeindex von mindestens 80 wird die Beleuchtung auch oft mit einer tageslichtab- verwendet werden. hängigen Steuerung ausgestattet oder präsenzabhängig ausgeführt. In diesen Fällen ist darauf zu achten, dass der gesamte Raum erfasst wird und dass die Präsenzmelder beim Betreten des Raumes direkt ansprechen. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 25 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Natürliche und künstliche Beleuchtung 01 | Informationen Künstliche Beleuchtung Für die Sehleistung, die Behaglichkeit und das Wohlbefinden ist es wichtig, dass die Farben der Unterrichtsmaterialien und der Umgebung natürlich und wirklichkeitsgetreu wiedergegeben werden. Die Qualität der Wiedergabe von Farben bei künstlicher Beleuchtung wird durch den Farbwiedergabeindex festgelegt. Er kann höchstens den Wert 100 annehmen, das wäre die beste Qualität und identisch mit der Farbwiedergabe des natürlichen Tageslichts. In Klassenräumen sollten Lampen mit einem Farbwiedergabeindex von mindestens 80 verwendet werden. Mindestwert der Arbeitsräume, Arbeitsplätze, Tätigkeiten horizon talen Beleuchtungsstärke Mindestwert der Farbwiedergabe Bemerkungen Index vertikale Beleuchtungsstärke ≥ 100 lx Unterrichtsräume in Grund- und weiterführenden Schulen 300 lx 80 Ra Bei Neubau oder Renovierung werden die Werte für Fachunterrichtsräume empfohlen. Fachunterrichtsräume: naturwissenschaftlicher und technischer Unterricht, Werken und textiles Gestalten, 500 lx 80 Ra 500 lx * 80 Ra Lehrwerkstätten, Handarbeitsräume, Zeichensäle Wandtafel vertikale Beleuchtungsstärke ≥ 175 lx * vertikal Quelle: ASR A3.4 Beleuchtung Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 26 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Natürliche und künstliche Beleuchtung 02 | weitere Hinweise Lichtfarbe von Lampen Die Lichtfarben von Lampen werden entsprechend der ähnlichsten Farbtemperatur in drei Gruppen eingeteilt: warmweiß (< 3300 K) neutralweiß (3300 bis 5300 K) tageslichtweiß (> 5300 K) Warmweißes Licht wird als gemütlich und behaglich empfunden, neutralweißes Licht erzeugt eine eher sachliche Stimmung und tageslichtweißes kaltes Licht wird für Innenräume erst ab einer Beleuchtungsstärke von etwa 1000 Lux empfohlen. Für Klassenräume sind Lampen mit der Lichtfarbe neutralweiß geeignet. Bei Leuchtstofflampen ist dies z. B. an dem Code 840 zu erkennen. Lichtschalter Lichtschalter sind leicht erreichbar und erkennbar in der Nähe der Zu- und Ausgänge anzubringen. Sie sollten sich in einer Höhe von 85 cm über Fußboden befinden, mindestens 50 cm von der Ecke entfernt sein und selbstleuchtend ausgeführt werden. Lichtschalter sind nach dem Zwei-Sinne-Prinzip erkennbar, wenn sie einen ausreichenden Kontrast aufweisen und taktil erfassbar sind. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 27 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Natürliche und künstliche Beleuchtung 02 | weitere Hinweise Reflexionsgrade im Raum Um die Helligkeit im Raum gleichmäßig zu verteilen, sollten auch die Reflexionsgrade großer Raumoberflächen beachtet werden. Diese hängen im Wesentlichen von den Farben ab. Die Decke sollte mit einem Reflexionsgrad von 0,7 bis 0,9 am hellsten sein, z. B. weiß. Für die Wände sind helle Pastelltöne mit einem Reflexionsgrad von 0,5 bis 0,8 geeignet. Dabei sollte das Umfeld von Whiteboards nicht zu dunkel und das von schwarzen oder grünen Wandtafeln nicht zu hell sein, um Augenermüdung durch Adaptation an große Helligkeitsunterschiede zu vermeiden. Für den Fußboden wird ein Reflexionsgrad von 0,2 bis 0,4 empfohlen, er kann also etwas dunkler sein, z. B. grau, blau oder braun. Für Tischflächen und Möbel kann der Reflexionsgrad zwischen 0,2 und 0,7 liegen, hier ist die Spannweite möglicher Farben am größten. Wartung Der Lichtstrom der Lampen nimmt über die Betriebsdauer durch Alterung und Verschmutzung ab, dadurch verringert sich auch die Beleuchtungsstärke im Raum. Deshalb muss die Beleuchtungsanlage regelmäßig gewartet und gegebenenfalls instand gesetzt werden. Auch die Renovierung des Raumes kann zu besseren Beleuchtungsbedingungen beitragen. Ein Wartungsplan, der das Intervall und die Methode für die Reinigung der Lampen und Leuchten sowie das Intervall für den Lampenwechsel enthalten muss, ist vom Planer zu erstellen. Grundsätzlich wird eine jährliche Leuchtenreinigung empfohlen. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 28 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Natürliche und künstliche Beleuchtung 02 | weitere Hinweise Lichtszenen durch Steuerung Neueste Studien belegen, dass Licht nicht nur zum Sehen benötigt wird, sondern dass es auch andere biologische Prozesse im menschlichen Körper beeinflusst. Dafür sind insbesondere die Beleuchtungsstärke und das Spektrum des Lichts von Bedeutung. Licht mit hoher Beleuchtungsstärke und großem Blauanteil im Spektrum kann helfen, Ermüdungserscheinungen entgegenzuwirken. Diese aktivierende Wirkung kann tagsüber am besten durch ausreichendes Tageslicht im Klassenraum erzielt werden. Licht mit geringeren Beleuchtungsstärken und weniger Blauanteil kann hingegen zur Entspannung und Beruhigung beitragen. Mit Lichtsteuerungssystemen ist es möglich, für die künstliche Beleuchtung von Klassenräumen unterschiedliche Lichtstimmungen zu programmieren. Die Lichtszenen sollten dabei auf verschiedene Unterrichtssituationen abgestimmt sein und sich je nach Bedarf einfach „durch Knopfdruck“ abrufen lassen. Lichtszenen mit tageslichtweißem Licht und einer höheren Beleuchtungsstärke von etwa 1000 Lux wirken dabei eher aktivie- Beim Einsatz eines in der Helligkeit und insbesondere der Farbtemperatur variabel steuerbaren Lichts sollte aber in jedem Fall die Farbgestaltung des Raumes mit berücksichtigt werden, um störende Farbverfälschungen durch die höheren Rot- oder Blauanteile im Licht zu vermeiden. rend und können für gewisse Aufgaben die Konzentration Aus diesem Grund sollten nicht nur für die Lichtplanung, fördern. Im Gegensatz dazu könnte eine „entspannende sondern auch für die Farbgestaltung Fachplaner hinzuge- und beruhigend wirkende“ Lichtszene mit warmweißem zogen werden, die beides optimal aufeinander abstimmen Licht und einer geringeren Beleuchtungsstärke von etwa können. 300 Lux z. B. für Gesprächsrunden genutzt werden. Zur Grundbeleuchtung des Raumes ist eher eine neutrale Lichtstimmung mit neutralweißem Licht und 500 Lux geeignet. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 29 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Natürliche und künstliche Beleuchtung 03 | Quellen Tageslicht am Arbeitsplatz – leistungsfördernd und gesund, BGI/GUV-I 7007 Sonnenschutz im Büro, BGI-827 Beleuchtung im Büro, BGI-856 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen – Landesbauordnung – (BauO NRW), § 48 Technische Regeln für Arbeitsstätten, Beleuchtung, ASR A3.4 Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 30 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Raumgröße und flexible Raumnutzung 01 | Informationen Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte verbringen in der Schule etwa 70 bis 80 Prozent ihrer Zeit in den Klassenräumen. Deshalb ist es wichtig, dass hier ausreichend Platz zur Verfügung steht. Angaben zum Platz- und/oder Luftraumbedarf für allgemeine Unterrichtsräume sind als verbindliche Kenngrößen in den landesspezifischen Schulgesetzen, Schulbauverordnungen oder Schulbaurichtlinien allerdings nur an sehr wenigen Stellen zu finden. Eine Differenzierung z. B. nach Altersstufen, speziellen Fachräumen oder pädagogischen Konzepten fand sich bis Ende 2011 in Nordrhein-Westfalen. So sollten an Grundschulen 2,5 m² und an Förderschulen teilweise bis 3,0 m² Grundfläche je Schülerin oder Schüler vorgesehen werden. In den im März 2012 erschienenen „Materialien zum Schulbau“ des Schulministeriums in NRW werden jedoch nur noch pauschale Orientierungsgrößen für schulisch genutzte Flächen aufgeführt. Sie liegen zwischen 4,4 m² und 5,8 m². Darin sind jedoch nicht die Flächen für Sporthallen und Fachräume enthalten. Sie lassen nun eine flexiblere Planung zu und können so an die veränderten Anforderungen im Schulbau besser angepasst werden. Der in der Fachliteratur für den Schulbau verwendete Planungswert von 2 m² pro Schülerin oder Schüler ist bezogen auf die heutigen Bedürfnisse auf jeden Fall als zu gering anzusehen. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 31 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Raumgröße und flexible Raumnutzung 01 | Informationen Mehr Freiraum im Klassenzimmer Die Orientierung an einem Flächenwert pro Schülerin oder Schüler sagt nicht aus, wie viel Freiraum ihnen im Klassenzimmer zur Verfügung steht. Der Flächenbedarf ergibt sich letztlich aus der Nutzung und der damit verbundenen Flächenbedarfe. So sind z. B. Flächen für Garderoben, Einrichtungsmobiliar, zusätzliche Medienarbeitsplätze oder Leseecken einzuplanen. Erst der darüber hinausgehende freie Raum im Klassenzimmer ist letztlich ein Qualitätsfaktor für eine „Gute gesunde Schule“ und entscheidend hinsichtlich konzeptioneller Nutzung und gestalterischer Vielfalt. Bei der Frage, welches Inventar in bestehenden Klassenräumen tatsächlich benötigt wird, sollte der freie Raum als grundlegender Qualitätsmaßstab herangezogen werden. Tische, Stühle und Tafelsysteme sind sicher unverzichtbar, aber schon die Ausstattung mit anderem Mobiliar (z. B. Schränke, Regale, Garderoben) ist sorgsam zu überlegen. Vielleicht kann es auch außerhalb platziert oder sogar gänzlich weggelassen werden. Dafür müssen jedoch an anderer, gut erreichbarer Stelle, Kapazitäten bereitstehen, um z. B. Garderoben oder Schülerschränke einrichten zu können. Das wiederum erfordert eine geschickte Nutzung aller möglichen Grundflächenressourcen in Fluren, Nischen und Nebenräumen – natürlich unter Einhaltung der Brandschutzanforderungen. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 32 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Raumgröße und flexible Raumnutzung 01 | Informationen Platzgewinn durch andere Schultischgeometrie Bei der Auswahl des Tisch- und Stuhlmobiliars sind Veränderungen möglich, die im Sinne von mehr freiem Platzangebot zu lernförderlichen Raumbedingungen führen. Die heute üblichen Schüler-Doppeltische (Abmessungen 120 x 50 cm bzw. 120 x 60 cm) nehmen bei einer Klassengröße von 30 Schülern eine Grundfläche von 9 bis 11 m² ein. Sind die Tische in Reihen angeordnet, werden einschließlich der Stühle sogar 25 bis 27 m benötigt. Durch die Verwendung von dreieckigen oder trapezförmigen Tischen können Sitzgruppen für 4 oder 6 Schüler zusammengestellt werden. Dadurch werden etwa 3 bis 4 m² weniger Grundfläche beansprucht und eine deutlich flexiblere Positionierung von Sitzgruppen im Raum ermöglicht. Sind die Tische mit Rollen ausgestattet, können schnell und unkompliziert neue Raumkonzeptionen geschaffen werden. Auch fahrbare Regale, Schränke und Medienpulte lassen sich leicht im Klassenraum verschieben, um Platz oder Raumtrennungen für andere Lehr- und Lernformen, z. B. Gruppenarbeit, zu erhalten. Weitere Hinweise zum Einsatz dreieckiger oder trapezförmiger Tische sind unter Möblierung zu finden. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 33 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Raumgröße und flexible Raumnutzung 01 | Informationen Flexibilität der Mediensysteme In einem solchen Umfeld verändert sich auch die zentrale Position der Schultafel in ihrer traditionellen Funktion für den Frontalunterricht zugunsten anderer Unterrichtselemente. So könnten z. B. die gesamten Wandflächen eines Klassenraums über schienengeführte Systeme multifunktional eingebunden und genutzt werden. Auch der künftige Einsatz multimedialer und interaktiver Systeme, z. B. „Active-boards“, wird den bisherigen Ausstattungsstandard mit Schultafeln maßgeblich verändern. Dadurch erweitern sich die Bewegungsspielräume und ermöglichen aufgrund der variablen Medienangebote ganz unterschiedliche Lernstile und Sozialformen. Der klassische Unterrichtsraum wird zum Ausgangspunkt einer gesundheitsförderlichen Lernumgebung im Sinne einer guten und gesunden Schule. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 34 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Raumgröße und flexible Raumnutzung 01 | Informationen Raumgewinn durch flexible „Lernlandschaften“ Für die Innenraumgestaltung mit flexiblem Mobiliar und Tafelsystemen spricht nicht nur die konzeptionelle Ausrichtung als multifunktionale „Lernlandschaft“. Auch die vorhandene Fläche kann geschickter genutzt werden und schafft im Zusammenspiel mit den neuen Gestaltungselementen mehr Bewegungsraum. Obwohl die eigentliche Grundfläche unverändert bleibt, erscheint das Klassenzimmer größer. Dieses Ausstattungskonzept ist nicht nur für Schulbauten mit neuen Unterrichtsräumen geeignet, sondern eröffnet auch für die raumgestalterische und „raumgewinnende“ Sanierung älterer Klassenzimmer ganz neue Perspektiven, die sich in aller Regel ohne aufwändige bauliche Maßnahmen realisieren lassen. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 35 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Raumgröße und flexible Raumnutzung 01 | Informationen Unverzichtbare Ausgangsvoraussetzungen Bei aller Vielfalt an Möglichkeiten zur Raumgestaltung müssen grundlegende Bedingungen für Raumgröße und Luftraum erfüllt sein. Die in der Fachliteratur und in Verordnungen genannten Richtwerte von 2 m² Grundfläche und 6 m³ Luftraum pro Schüler oder Schülerin stellen zwar eine Basis für den allgemeinen Unterrichtsraum dar, sie muss aber auch bezogen auf die geänderten Anforderungen und auf mögliche Klassenstärken gesehen werden. Da bei einem Flächenwert von 2 m „freie“ Platzreserven kaum vorhanden sind, empfiehlt die gesetzliche Schülerunfallversicherung, jedem Kind eine Grundfläche von mindestens 2,5 m zuzubilligen oder die für die neuen Lernformen erforderlichen zusätzlichen Flächen in nahegelegenen Nebenräumen, die den Klassenräumen zugeordnet sind, zur Verfügung zu stellen. Die Größe der Unterrichtsräume sollte sich auch immer auf die maximale Höchstbelegung mit Schülerinnen und Schülern beziehen. Gerade in Grundschulen werden gerne Leseecken, Schränke mit umfangreichen Lernmaterialien oder einzelne PC-Arbeitsplätze im Klassenraum eingerichtet, weil im Schulgebäude hierfür keine geeigneten Räume zur Verfügung stehen. Das Flächenangebot in den einzelnen Unterrichtsräumen steht somit in direkter Beziehung zum gesamten Raumangebot in der Schule. Darüber hinaus kann ein zusätzlicher Platzbedarf erforderlich werden für Schülerinnen und Schüler mit körperlicher Beeinträchtigung, wie z. B. Rollstuhlfahrer oder Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf aufgrund körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 36 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Raumgröße und flexible Raumnutzung 02 | weitere Hinweise Räume flexibler nutzen und gestalten – die „Fraktale Schule“ Die „Fraktale Schule“ ist ein aus Skandinavien stammendes Lernraumkonzept. Bei der baulichen Planung werden vor allem Unterrichtsformen berücksichtigt, die bewegtes und lebendiges Lernen sowie gemeinsames Arbeiten in kleinen Gruppen ermöglichen. Die bisher vorherrschende rechteckige Raumstruktur von Klassenzimmern wird von konzentrischen bzw. wabenformähnlichen Räumen mit Lernnischen abgelöst. Durch die Gestaltung mit Fensterelementen bietet jede dieser Lerneinheiten eine hohe Transparenz und Offenheit. Gleichzeitig ermöglicht diese Anordnung auch – unter anderem in akustischer Hinsicht – ungestörte Kommunikation in der Gruppe. Die großzügige Gestaltung der Lernräume erlaubt Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeiten ebenso wie Kreisgespräche und multimediale Präsentationen. Für eine optimale Gestaltung dieser Räume ist neben der veränderten Raumgeometrie jedoch eine Grundfläche von etwa 85 m² je Klassenraum erforderlich. Neben der alternativen Gestaltung der Lernräume bietet die fraktale Schule zusätzlich unterschiedliche Multifunktionszonen an. Neben Selbstlernzentren mit Medienecken, Foren für Vorträge oder Vorführungen wird auch ein ansprechend gestalteter Teamraum mit Transparenz und Rückzugsnischen für die Lehrkräfte in die Schularchitektur integriert. Das 2007 realisierte Neubauprojekt dient bereits als Vorbild für erste Altumbauten. Pläne und Abbildungen siehe unter: www.fraktale-schule.de Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 37 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Raumgröße und flexible Raumnutzung 03 | Quellen UVV Schulen, GUV-V S1 Materialien für den Schulbau W. Buddensiek: Lernräume als gesundheits- und kommunikationsfördernde Lebensräume gestalten www.fraktale-schule.de Veröffentlichungen K. Doberer: Das flexible Klassenzimmer, Sonderdruck aus Schularchitektur und neue Lernkultur, S. 148 -158 J. Watschinger, J. Kühebacher: Schularchitektur und neue Lernkultur Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 38 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Raumluftqualität und Raumklima 01 | Informationen Eine gute Raumluftqualität und ein gutes Raumklima tragen wesentlich zum Wohlbefinden und zur Gesundheit der Schülerinnen und Schüler in Klassenräumen bei. Dazu ist eine ausreichende Lüftung notwendig, durch die der Unterrichtsraum mit Frischluft versorgt wird und Ausdünstungen von Menschen und aus Materialien sowie Wärme- und Feuchtelasten abgeführt werden. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 39 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Raumluftqualität und Raumklima 01 | Informationen Raumluftqualität Einen Hinweis auf die Raumluftqualität liefert die Konzentration an Kohlenstoffdioxid (CO2). Die Hauptquelle an CO2 ist die Atemluft des Menschen. Untersuchungen haben gezeigt, dass hohe CO2-Konzentrationen in der Raumluft zu Konzentrationsschwierigkeiten und Müdigkeit führen können. Bereits im Jahr 1858 hat Max von Pettenkofer erkannt, dass eine CO2-Konzentration unter 1000 ppm „die Gesundheit unserer Jugend wesentlich stärken“ würde. Heute ist diese Zahl als Pettenkofer-Zahl bekannt. Das Umweltbundesamt hat im „Leitfaden für die Innenraumhygiene in Schulgebäuden“ Leitwerte für die CO2Konzentration festgelegt: CO2Konzen- hygienische tration Bewertung Empfehlung [ppm] < 1000 hygienisch unbedenklich keine weiteren Maßnahmen Lüftungsmaßnahmen intensi- 1000 – 2000 hygienisch auffällig vieren (Außenluftvolumenstrom bzw. Luftwechsel erhöhen) Lüftungsverhalten überprüfen und verbessern > 2000 hygienisch inakzeptabel Belüftbarkeit des Raumes prüfen ggf. weitergehende Maßnahmen prüfen Diese Werte sind auch in der Technischen Regel für Arbeitsstätten (ASR A3.6) „Lüftung“ aufgeführt. Eine CO2Konzentration von 1500 ppm gilt in Klassenräumen als akzeptabel; Ziel sollte jedoch immer eine CO2Konzentration unter 1000 ppm sein. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 40 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Raumluftqualität und Raumklima 01 | Informationen Raumklima Das Raumklima wird im Wesentlichen durch die Raumtemperatur, Luftgeschwindigkeit und Luftfeuchte beeinflusst. Die Raumtemperatur sollte mindestens 20 °C und maximal 26 °C betragen. Angenehm wird eine Temperatur zwischen 20 °C und 22 °C empfunden. Um ein übermäßiges Aufheizen des Klassenraumes durch Sonneneinstrahlung zu minimieren, sollte an den Fenstern eine geeignete Außenbeschattung installiert werden. Zugluft kann zu Unbehaglichkeitsempfinden bei Personen führen. Zur Vermeidung von Zugluft werden Luftgeschwindigkeiten bis 0,15 m/s empfohlen. Die Luftfeuchte sollte idealerweise zwischen 30 und 55 Prozent liegen. Hohe relative Luftfeuchten über 65 Prozent (bei ca. 23 °C) sind zu vermeiden, da dadurch Schimmelbildung begünstigt werden kann. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 41 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Raumluftqualität und Raumklima 01 | Informationen Lüftung Die Lüftung von Klassenräumen kann über Fensterlüftung oder über mechanische Lüftungssysteme erfolgen. Der Außenluftvolumenstrom sollte in Klassenräumen entsprechend der DIN EN 15251 „Eingangsparameter für das Raumklima“ bei 17 – 30 m³/h je Schüler liegen. Ein kurzzeitiges Lüften über gekippte Fenster ist wenig effektiv; eine andauernde Kipplüftung führt insbesondere im Winter wegen der entweichenden Wärme zu erhöhten Energieverlusten. Für eine effektive Lüftung sind Fenster und nach Möglichkeit auch Türen weit zu öffnen (Stoßlüftung, Querlüftung). Dabei genügen bereits wenige Minuten für einen ausreichenden Luftaustausch. Es ist vor und nach jeder Unterrichtsstunde und am besten auch in der Mitte der Unterrichtsstunde zu lüften. Eine sinnvolle Ergänzung zur Beurteilung der Luftqualität bieten Luftgüteampeln. Sie zeigen den Nutzern an, wann die CO2-Konzentration zu hoch und Lüften notwendig ist. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 42 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Raumluftqualität und Raumklima 01 | Informationen Lüftung Ein Problem ist, dass je nach Lage der Schule die Fenster aufgrund hoher Lärmbelastung und Luftverschmutzung im Außenbereich nicht geöffnet werden können. Da die Fenster zur Vermeidung von Unfällen oft abschließbar ausgeführt und somit nicht vollständig geöffnet oder nur gekippt werden können, führt dies bei den Lehrkräften zu einem erhöhten organisatorischen Aufwand, der dazu führen kann, dass auch dadurch eine ausreichende Frischluftversorgung unter Umständen nicht gewährleistet wird. Eine Alternative bieten mechanische Lüftungssysteme. Sie gewährleisten durchgehend einen ausreichenden Luftaustausch. Es kann zwischen dezentralen und zentralen Lüftungssystemen unterschieden werden. Dezentrale Lüftungssysteme bieten sich für die Nachrüstung von bestehenden Schulen an. Bei Neubau oder Sanierung einer Schule kommen eher zentrale Lüftungssysteme in Betracht. Unabhängig vom System ist eine regelmäßige Wartung mindestens einmal jährlich Pflicht. Aus energetischer Sicht ist eine Wärmerückgewinnung zu empfehlen. Lüftungssysteme verursachen Geräusche, die aber nicht zu einer Lärmbelastung führen dürfen. Als Regelungsgröße für die Frischluftmenge bietet sich in Klassenräumen die CO2-Konzentration an. Mechanische Lüftungssysteme haben darüber hinaus den Vorteil, dass sie auch Wärmelasten abführen können; dies ist gerade bei energetisch sanierten Gebäuden wichtig, da die sich in einem Raum aufhaltenden Personen, üblicherweise bis zu 30 Schülerinnen und Schüler, mit einer „Wärmeleistung“ von jeweils 80 bis 120 W mehr Wärme produzieren, als der Raum aufgrund seiner bauphysikalischen Struktur benötigt. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 43 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Raumluftqualität und Raumklima 02 | weitere Hinweise Lüftungssysteme Bei zentralen Lüftungssystemen versorgt ein Lüftungsgerät zentral mehrere Räume oder ein gesamtes Gebäude über ein Luftleitungssystem mit aufbereiteter Außenluft. In den Räumen sind nur Zu- und Abluftdurchlässe vorhanden. Bei dezentralen Lüftungssystemen ist das Lüftungsgerät ein komplettes System in einer Einheit, das im Klassenraum installiert wird. Je nach Leistung und Klassengröße sind ein oder mehrere Geräte pro Klassenraum notwendig. Es gibt verschiedene Bauformen, die nach den jeweiligen Anforderungen ausgewählt werden können. Brüstungsgeräte werden unterhalb der Fenster aufgestellt. Wandgeräte befinden sich an einer Außenwand des Klassenraums, während Deckengeräte unterhalb der Decke montiert werden. Brüstungs- und Deckengeräte können gut durch eine Brüstungsverkleidung oder eine abgehängte Decke „versteckt“ werden. Wandgeräte gibt es z. B. in Form von Schränken, die sich in das Klassenzimmerbild integrieren lassen. Brüstungsgeräte sind auch oberhalb der Brüstung neben bestehenden Fenstern bzw. im Austausch für ein Fensterelement möglich. Hierbei ist zu beachten, dass die Zu- und Abluftöffnungen nicht durch außen liegende Verschattungselemente verdeckt werden und die zur Belichtung erforderliche Fensterfläche nicht unterschritten wird. In der nachfolgenden Tabelle sind einige Merkmale von zentralen und dezentralen Lüftungssystemen vergleichend gegenübergestellt. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 44 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Raumluftqualität und Raumklima 02 | weitere Hinweise Lüftungssysteme Merkmal zentral dezentral Planungsaufwand hoch gering baulicher Aufwand hoch gering Fassadeneingriff gering hoch Platzbedarf Luftverteilsystem hoch (eigener Raum) verzweigt mittel einfach während Zugänglichkeit einfach Schulbetrieb nicht möglich Wartungsaufwand Aufwand Brandschutz mittel (ein Gerät + Rohrleitungen) hoch (viele Geräte) hoch gering zentrale, komplexe individuell je Regelung Raum Lüftkühlung/Erhitzung möglich möglich Luftfilterung möglich möglich Wärmerückgewinnung möglich möglich Regelung (z. B. CO2) Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 45 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Raumluftqualität und Raumklima 02 | weitere Hinweise Luftgüteampeln Luftgüteampeln, auch CO2-Ampeln genannt, besitzen einen CO2-Sensor und messen stetig die CO2-Konzentration im Raum. Wie bei einer Ampel wird optisch die Überschreitung von bestimmten CO2-Werten angezeigt. Bei grüner Anzeige ist die CO2-Konzentration im Klassenraum niedrig und somit in Ordnung, bei gelber Anzeige sollte gelüftet werden und bei roter Anzeige ist die CO2-Konzentration hoch und es muss dringend gelüftet werden. Die CO2-Ampel sollte nicht direkt neben Fenstern oder Türen aufgestellt werden und auch nicht in unmittelbarer Nähe zu Personen. Im ersten Fall kann eine zu niedrige Konzentration und im zweiten Fall eine zu hohe Konzentration gemessen werden. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 46 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Raumluftqualität und Raumklima 03 | Quellen Innenraumarbeitsplätze – Vorgehensempfehlung für die Ermittlung zum Arbeitsumfeld, BGIA Raumtemperatur, Technische Regel für Arbeitsstätten, ASR A3.5 Technische Regel für Arbeitsstätten, Lüftung, ASR A3.6 Eingangsparameter für das Raumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden, DIN EN 15251 Ergonomie der thermischen Umgebung, DIN EN ISO 7730 Lüftung von Schulen, FGK Status-Report 22 Umwelt & Gesundheit, Leitfaden für die Innenraumhygiene in Schulgebäuden Gesunde Luft in Schulen – VOC- und Aldehydkonzentrationen in beschwerdefreien Klassenräumen Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 47 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Tafelsysteme 01 | Informationen Die veränderten pädagogischen Konzepte vieler Schulen führen in den letzten Jahren auch zwangsläufig zu Veränderungen in der Raumgestaltung und Auswahl der Möblierung. Die Reduzierung des Frontalunterrichts sowie mehr Einsatz von Gruppenarbeit und die stärkere Ausrichtung auf eine individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler haben zur Folge, dass flexible Lernlandschaften gewünscht werden und eine flexible Raumnutzung erforderlich wird. Somit verliert auch die klassische Wandtafel mehr und mehr ihre Bedeutung. Fahrbare interaktive Tafeln sowie verschiebbare und abnehmbare Wandtafelsysteme halten Einzug in die Klassenräume. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 48 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Tafelsysteme 01 | Informationen Flexible Tafelsysteme Flexible Tafelsysteme basieren auf einem Schienensystem, welches in unterschiedlichen Höhen an mehreren Wänden des Klassenraums montiert werden kann. In diese Schienen werden Tafelelemente eingehängt, die auf der Vorder- und Rückseite unterschiedliche Oberflächen aufweisen können. Hierzu zählen z. B. klassische grüne Kreideoberflächen, Weißwandtafeln oder Elemente, die als Pinnwand genutzt werden können. Außerdem können Projektionsflächen, Flipcharts oder Pylonentafeln in die Schienen eingehängt werden. Je nach Größe lassen sich die Elemente leicht von den Schienen abnehmen und für Gruppenarbeiten einsetzen oder für andere Präsentationen nutzen. Sie unterstützen somit die unterschiedlichen Unterrichtsformen, die von den Lehrkräften bedarfsgerecht eingesetzt werden können. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 49 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Tafelsysteme 01 | Informationen Interaktive Whiteboards Ein interaktives Whiteboard besteht aus drei Einheiten: der Tafel, einem Computer und einem Beamer. Dadurch können Daten vom Computer über den Beamer auf die Tafel projiziert werden. Mittels einer speziellen Software können die Daten dann auf der Tafeloberfläche bearbeitet werden. Das Whiteboard kann an der Wand oder auf einem fahrbaren Gestell montiert sein. Die fahrbaren Whiteboards haben den Vorteil, dass sie in mehreren Klassenräumen einer Etage nach Bedarf einsetzbar sind. Dies bietet sich dann an, wenn nicht alle Klassenräume gleichzeitig mit den neuen Tafeln ausgestattet werden. Es gibt zwei unterschiedliche Arten von Whiteboards. Das „harte“ Whiteboard (elektromagnetisches System) hat eine feste Oberfläche und die Dateneingabe erfolgt mit einem speziellen Stift. Dieser Stift überträgt die Daten per Funksystem an den Computer und somit auf das Whiteboard. Zudem kann auf dieser Oberfläche auch noch mit nicht permanenten Whiteboardstiften geschrieben werden. Das „weiche“ Whiteboard (resistives System) hat durch ein mehrlagiges Luftpolstersystem eine weiche Oberfläche. Diese ist berührungsempfindlich und Daten können z. B. direkt mit dem Finger bearbeitet werden. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 50 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Tafelsysteme 01 | Informationen Interaktive Whiteboards Die meisten Hersteller von interaktiven Whiteboards bieten auch eine passende Software an. Es ist zu beachten, dass die Systeme verschiedener Hersteller oft nicht miteinander kompatibel sind. Der Beamer kann direkt an dem Whiteboard installiert sein oder im Raum aufgestellt werden. Der Vorteil eines fest installierten NahdistanzBeamers ist, dass es bei Arbeiten an der Tafel keinen störenden Schattenwurf gibt. Grundsätzlich sind Prüffristen zur Gewährleistung der elektrischen Sicherheit einzuhalten. Bei ortsveränderlichen elektrischen Betriebsmitteln beträgt die Empfehlung für Prüffristen ein Jahr. Weitere Hinweise zu Prüffristen und Anforderungen an die Prüfer finden sich in der Informationsschrift Prüfung ortsveränderlicher elektrischer Betriebsmittel. Beim Aufstellen fahrbarer Whiteboards dürfen die Anschlusskabel keine Stolperstellen bilden. Um interaktive Whiteboards im Unterricht sinnvoll und effektiv einsetzen zu können, sollten Lehrerinnen und Lehrer vorher im Umgang mit den Whiteboards geschult werden. Die meisten Hersteller bieten solche Schulungen an. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 51 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Tafelsysteme 02 | weitere Hinweise Schultafeln Schultafeln müssen sicher aufgestellt werden und regelmäßig gewartet werden, damit Verschleißerscheinungen, wie beispielsweise die Lockerung von Verbindungselementen, rechtzeitig erkannt werden und Unfälle durch Umstürzen der Tafel bzw. von Tafelelementen vermieden werden. Bei Wandtafeln (wandbefestigt) ist häufig die Leichtbauweise von Wänden eine Unfallursache, da eine anforderungsgemäße Tafelbefestigung materialbedingt erschwert wird. Hier sind ergänzende technische Maßnahmen notwendig. Standtafeln mit Klappflügeln können infolge nicht bestimmungsgemäßer Benutzung – z. B. Hangeln an geöffneten Flügeln – umstürzen. Da durch Aufsichtsmaßnahmen allein eine zweckfremde Nutzung nicht immer auszuschließen ist, müssen Standtafeln mit einer zusätzlichen Verankerung gegen Kippen gesichert sein. Ortsbewegliche Klapp-Schiebe-Tafeln dürfen nur verwendet werden, wo missbräuchliche Benutzung durch Kinder und Jugendliche auszuschließen ist. Die Ablage für Schwamm und Kreide sollte an Kanten und Ecken gerundet sein. Bei der Aufstellung und beim Einsatz von Tafeln ist darauf zu achten, dass das Schreiben in der obersten Zeile auch im Sitzen möglich ist. So können auch diejenigen in den Unterricht integriert werden, die eine Verletzung oder Behinderung haben. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 52 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Tafelsysteme 02 | weitere Hinweise Schultafeln Schultafeln sind regelmäßig durch befähigte Personen zu prüfen und instand zu setzen. Dies sollte auch dokumentiert werden. Hilfe zur Umsetzung dieser Vorgaben befindet sich in der Schrift „Sichere Schultafeln“. Als sicher gestaltet, befestigt und aufgestellt gelten Schultafeln, wenn Verleimungen an Holzrahmen und Eckverbindungen nicht gelöst sind. Soweit sich Verleimungen an Eckverbindungen gelöst haben sollten, sind diese auszubauen, zu ersetzen und zu verstärken, z. B. durch Winkeleisen. tragende Verbindungselemente aus Kunststoff keine Risse aufweisen. Kunststoffe können aufgrund von Alterung ihre Festigkeit verlieren. Es wird empfohlen zu prüfen, ob derartige Kunststoffbeschläge vorhanden sind. mechanische Bestandteile, wie Seile, Ketten, Umlenkwellen nicht beschädigt sind und leicht gängig sind. die Standsicherheit von frei stehenden bzw. ortsbeweglichen Klapp-Schiebe-Tafeln gewährleistet ist. ortsbewegliche Klapp-Schiebe-Tafeln, die nicht am Boden montiert sind, beim Einwirken einer Kraft von 750 N am Ende des um 90° ausgeklappten Flügels nicht kippen. Wenn jedoch zwei Schüler an den ausgeklappten Flügeln „Karussell“ spielen, reicht auch diese Standsicherheit nicht aus. Es wird deshalb empfohlen, grundsätzlich die frei stehenden Klapp-Schiebe-Tafeln in Schulen zusätzlich gegen Umkippen zu sichern. Wandbefestigungen (Dübel) bei Klapp-Schiebe-Tafeln nicht gelockert sind. Die sichere Aufhängung wird durch zwei Personen geprüft. Während eine Person kräftig am oberen Tafelrand rüttelt, beobachtet die zweite Person die durch die Tafelflächen verdeckten Befestigungen. Gegebenenfalls sind Holzschraubenverbindungen durch geschraubte, gesicherte, z. B. selbstsichernde Muttern zu ersetzen. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 53 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Tafelsysteme 03 | Quellen UVV Schulen, GUV-V S1, § 11 Abs. 3 Sichere Schultafeln, GUV-SI 8016 Prüfung ortsveränderlicher elektrischer Betriebsmittel, GUV-I 8524 UVV Elektrische Anlagen und Betriebsmittel, GUVV A3, § 5 Schulbau – Bautechnische Anforderungen zur Verhütung von Unfällen, DIN 58125 Wandtafeln für Bildungseinrichtungen, DIN EN 14434 Wiederholungsprüfungen an elektrischen Geräten, DIN VDE 0702 Weitere Informationen www.lehrer-online.de www.lehrerfreund.de www.lmz-bw.de Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 54 Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Weitere Informationen zu modernen Lernräumen Das Herforder Modell für den Ausbau guter und gesunder (Ganztags-)Schulen Lernräume als gesundheits- und kommunikationsfördernde Lebensräume gestalten Auf dem Weg zu einer neuen Lernkultur Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de 55 Inhalt 1 Das Herforder Modellprojekt ....................................................... 3 2 Neue Qualitätsstandards im «fraktalen» Neubau ........................ 6 3 2.1 Vom geschlossenen Klassenzimmer zur offenen Lernlandschaft.................................................. 9 2.2 Fraktale Schularchitektur ..................................................... 13 2.3 Variable Möblierung für flexibles Lernen ............................. 14 2.4 Ein innovatives Tafelsystem ................................................. 16 2.5 Esskultur – im Klassenzimmer ? ........................................... 18 2.6 Gesundheits - und Kommunikationsförderung als Qualitätsmaßstab............................................................ 20 2.7 Ein Modell zur Vernetzung von Raum - und Zeitplanung ............................................... 22 Perspektiven für die Altbau - Umgestaltung ................................. 26 3.1 Das Neubauprojekt als Vorbild für den Altbau - Umbau ? ...................................................... 26 3.2 f_90-Tische als multifunktionale Bausteine für variable Schülerarbeitsplätze........................................... 28 3.3 Lernreviere in engen Altbauten............................................ 31 4 Gelingensbedingungen des Herforder Modellprojekts ................ 33 5 Zusammenfassung und Ausblick .................................................. 36 Literatur ............................................................................................... 38 P070012_Brägger_Buch.indd 508 26.01.2008 10:32:36 Uhr 1 Das Herforder Modellprojekt Am 25. März 2006 wurde in Frankfurt am Main der Politikpreis des Grundschulverbandes für das beste kommunale Ganztagsschulkonzept in Deutschland verliehen. Diese Auszeichnung ging an die Stadt Herford in Nordrhein - Westfalen, deren Konzept bereits auf den beiden Ganztagsschulkongressen «Ideen für mehr ! Ganztägig lernen» der Deutschen Kinder - und Jugendstiftung ( DKJS ) in Berlin im September 2004 und 2005 große Beachtung und Anerkennung gefunden hat (‹http://www.ganztagsschulen. org/2180.php› ). Das Herforder Ganztagsschulprojekt steht unter dem Motto : «Von der Pädagogik zum Raum – und vom Raum zur Pädagogik». Von überregionalem Interesse ist das Herforder Modell vor allem durch seine ambitionierten Neu - und Umbauvorhaben, die sich an schwedischen Standards orientieren und diese in der Neubauarchitektur wie auch in einigen Einrichtungsdetails übertreffen. An zwei der Herforder Grundschulstandorte werden – weltweit erstmalig – zwei «fraktale» Schulgebäude errichtet, deren Grundriss - und Raumgestaltung die Kommunikation und Kooperation des pädagogischen Personals wie auch der Lernenden fördern und ihr soziales Verantwortungsbewusstsein stärken sollen. Auch beim Umbau vorhandener Schulgebäude wird der Raum als «dritter Pädagoge» betrachtet, der die anspruchsvolle und anstrengende Arbeit des multiprofessionellen pädagogischen Personals einer Ganztagsschule unterstützen soll. Lernräume oder «Lernlandschaften» sollen zu ganztägig und multifunktional nutzbaren Lebensräumen werden, die eine hohe Aufenthaltsqualität besitzen ( ‹www.fraktale - schule.de› ). Um dieses Ziel zu erreichen, wird in Herford eine partizipative Planung praktiziert, die Synergieeffekte durch die Kommunikation und Kooperation in einem multiprofessionellen Gestaltungsteam erzeugt. Das Herforder Modellprojekt ist also nicht nur wegen der erzielten Planungsergebnisse, sondern auch wegen der Prozessorganisation für alle von Interesse, denen es auf die Qualitätsentwicklung von ( Ganztags - )Schulen ankommt. Nach einer intensiven pädagogischen Planungsphase und einer Studienfahrt zu schwedischen Schulen, an denen die Schulleitungen aller elf Herforder Grundschulen beteiligt waren, hat die Stadt Herford im Juli 2004 3 P070012_Brägger_Buch.indd 509 26.01.2008 10:32:36 Uhr Das Herforder Modell bezüglich der Neubau - und Umbauplanungen ihrer elf Grundschulen in einem partizipativen Prozess das folgende bildungspolitische, pädagogische und architektonische Leitbild entwickelt : Wir wollen in Herford bis zum Sommer 2007 sämtliche Grundschulen zu ganztägig genutzten Lern - und Lebensräumen umgestalten, in denen Kinder mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und verschiedener Herkunft unter multiprofessioneller Anleitung ihren Entdeckungsdrang ausleben und ihre Wissbegierde befriedigen können. Durch zunehmend selbst gesteuertes Lernen und Spielen sollen die Kinder zu selbstbewussten, kooperationswilligen und verantwortungsbereiten Persönlichkeiten heranreifen, die den Anforderungen unserer Gesellschaft gewachsen sind. Aus diesem Leitbild zur Grundschulentwicklung und aus den vorliegenden Forschungsergebnissen des Paderborner KOLEGE - Projekts 1 hat das Herforder Planungsteam fünf raumbezogene Ziele abgeleitet, die insbesondere für den Aufbau eigener Ganztagszüge gelten. Zentrale Aspekte der Gesundheits - und Kommunikationsförderung spielen dabei eine besondere Rolle: • In der Schule fi ndet jedes einzelne Kind einen Lern - , Lebens - , Bewegungs - und Entfaltungsraum vor, der seine Persönlichkeitsentwicklung fördert. Das pädagogische Personal und die weiteren Arbeitskräfte fi nden Arbeitsplätze vor, die ihre verantwortungsvolle Arbeit erleichtern. • Arbeitsplätze, Lernräume, Bewegungsräume und Spielflächen sind in funktionaler Hinsicht so gestaltet sowie von den Nutzern selbst so gestaltbar, dass sie die soziale Begegnung und Verständigung in Klein - und Großgruppen unterstützen und die Gesundheit der Kinder und des Schulpersonals fördern. 1 Das vom Verfasser initiierte Forschungs - und Entwicklungsprojekt KOLEGE zielt auf eine KOmmunikationsfördernde LErnraumGEstaltung, wie sie auch in unserem theoretischen Beitrag in Teil B dieses Readers beschrieben wird. 4 P070012_Brägger_Buch.indd 510 26.01.2008 10:32:36 Uhr Das Herforder Modellprojekt • • • Die Räume sind so angeordnet und ausgestattet, dass sich dezentrale Reviere und Zonen bilden lassen, die von Lehrerteams bzw. Schülergruppen in Eigenverantwortung ausgestaltet und gepflegt werden können. Die ästhetische Gestaltung der Räume berücksichtigt die Bedürfnisse der Kinder und des Schulpersonals, lässt eine klare Gestaltungslinie erkennen, fördert das Gefühl und das Urteilsvermögen für Formen und Farben und schafft eine Wohlfühlatmosphäre. Die Umgestaltung von Schulräumen bietet vielfältige Möglichkeiten der Partizipation und der curricularen Anknüpfung in einem lebensweltbezogenen Unterricht. Die Teilhabe der Lernenden, Lehrenden und Erziehenden am Umgestaltungsprozess erhöht nicht nur die Akzeptanz für die Umgestaltungsmaßnahme, sondern stärkt zugleich die soziale Verantwortung. Vor diesem Hintergrund entwickelte das Herforder Planungsteam auf der Basis vorliegender Forschungsarbeiten ( vgl. Buddensiek 2001, insbesondere S. 183 – 212 ) unter Beteiligung der zuständigen Schulrätin und der elf Schulleiter fünfzehn Qualitätskriterien für die Raumgestaltung und -ausstattung von Ganztagsschulen im Primarbereich ( vgl. ‹www.fraktale - schule.de›, Download : «Qualitätskriterien für die Raumgestaltung» unter dem Stichwort : Neubau ). 5 P070012_Brägger_Buch.indd 511 26.01.2008 10:32:36 Uhr 2 Neue Qualitätsstandards im «fraktalen» Neubau Das erste und für die Raumgestaltung anspruchsvollste Herforder Qualitätskriterium lautet : «Jeder Ganztagszug bildet eine eigene soziale und räumliche Einheit, die zur übrigen Schule einerseits abgegrenzt, andererseits aber auch offen ist. Das räumliche wie auch das soziale Verhältnis von Offenheit und Geschlossenheit wird durch die jeweiligen pädagogischen Zwecke bestimmt und lässt sich je nach Bedarf flexibel gestalten ( z.B. Glaselemente ).» Hinter diesem Kriterium steht die Idee der Dezentralisierung, mit deren Hilfe sich kleine, überschaubare Verantwortungseinheiten selbst innerhalb einer großen, vierzügigen Grundschule schaffen lassen ( vgl. Bildungskommission NRW 1995, S. 62 f., S. 67 und S. 85, sowie Mattsson 1995, S. 9 – 16 ). Anhand der Grundrisszeichnungen ( Abb. 1 und 2 ) wird deutlich, wie das multiprofessionelle Planungsteam dieses Qualitätskriterium im Rahmen der Neubauplanung umgesetzt hat. Das Ersatzgebäude für vier marode Schulpavillons bietet etwa 100 bis 120 Kindern, also vier Klassen, einen multifunktional und flexibel nutzbaren Lern - und Lebensraum. 6 P070012_Brägger_Buch.indd 512 26.01.2008 10:32:36 Uhr Neue Qualitätsstandards im «fraktalen» Neubau Abbildung 1 : Fraktale Schule – «Raum - in - Raum - Konzept» für flexible Formen des individuel len und sozialen Lernens 7 P070012_Brägger_Buch.indd 513 26.01.2008 10:32:36 Uhr Das Herforder Modell Abbildung 2 : Fraktale Schule – ausgewählte Nutzungsvarianten 2 2 Entwurf der fraktalen Lernräume : Wilfried Buddensiek, Universität Paderborn – Entwurf des Gebäudes : Architekturbüro Sittig + Voges, Göttingen – Computergrafi k : Architekturbüro Dornieden, Marsberg. 8 P070012_Brägger_Buch.indd 514 26.01.2008 10:32:36 Uhr Neue Qualitätsstandards im «fraktalen» Neubau 2.1 Vom geschlossenen Klassenzimmer zur offenen Lernlandschaft Der in den Abbildungen 1 und 2 dargestellte Grundriss des «fraktalen» Schulgebäudes bietet : • vier transparente Lernreviere ( Klassenräume ) mit halboffenen, abschirmbaren Gruppennischen in einem flurlosen Gebäude, • einen Marktplatz, der zur Hälfte von einer Galerie umgeben ist, • um 70 cm erhöht eine Bühne sowie eine Selbstlern - und Spielzone, die durch ein Personalrevier begrenzt wird, • einen lichtdurchfluteten Personalarbeits - oder Teamraum mit Aussicht auf das Geschehen im Forum und in den Lernrevieren, • ein «fraktales» Schulgebäude, in dem selbstähnliche Strukturen in vier verschiedenen Größenskalen auftreten ( Raum - im - Raum - Prinzip ). Das Forum, die Bühne und das Selbstlernzentrum Nach dem Betreten des Gebäudes, dem Wechsel der Schuhe und der Ablage der Garderobe fällt die Weite und die lichtdurchflutete Höhe des zentralen Forums ins Auge. Ein nicht mehr als 2,5 m breiter Flur, der als Fluchtweg an vier hintereinanderliegenden Klassenräumen vorbeiführt, und doch von ganz anderer Qualität. Ein Marktplatz für spontane Kommunikation, ein Ausstellungsort oder bisweilen auch ein Zuschauerraum mit Blick auf eine um 70 cm höher liegende Bühne. Eine Bühne, die in ein offenes Selbstlernzentrum übergeht, mit Platz für Leseecken in Nähe der Fenster und einem flexibel nutzbaren PC - Bereich in den dunkleren Zonen. Das Selbstlernzentrum ist nicht als Luxusausstattung für den Neubau konzipiert, sondern entspricht einem weiteren Qualitätskriterium, das für alle Herforder Schulen gilt. Der Teamraum Ebenfalls im 70 cm erhöhten Bereich untergebracht ist der Raum für das multiprofessionelle Team aus Lehrern, Erzieherinnen, Sozialpädagogen und anderen Mitarbeiterinnen, die für das gesamte soziale und curriculare Geschehen in diesem Gebäude verantwortlich sind und gemäß den Herforder Qualitätsmerkmalen einen eigenen Personalarbeitsraum haben sollen. Ein Teamraum mit Balkon, von dem aus weite Teile des Schulhofes einsehbar sind, zugleich aber auch ein Raum, von dem aus sich das Geschehen 9 P070012_Brägger_Buch.indd 515 26.01.2008 10:32:37 Uhr Das Herforder Modell im Inneren des Gebäudes und im Eingangsbereich optimal überschauen lässt. Ein Raum mit viel Transparenz, aber auch mit Rückzugsnischen. Vor allem aber bietet der Teamraum Platz für die Einrichtung persönlicher Arbeitsplätze, für die Lagerung häufig genutzter Arbeitsmittel, für die Einzelarbeit mit und ohne PC wie auch für die gemeinsame Konferenz oder für informelle Gespräche bei Kaffee oder Tee. Die Galerie Vom Teamraum bzw. Selbstlernzentrum führt ein Weg über die Bühne eine Treppe hinauf zu einer etwa 2,5 m breiten, halbrund gezogenen Galerie, von der aus das Geschehen im Forum, auf der Bühne und im Selbstlernbereich zu überblicken ist. Gleichzeitig ermöglicht die Galerie einen Ausblick nach draußen über die Gründächer der Lernräume hinweg auf das Schulgelände. Ähnlich wie das Forum bietet auch die Galerie einen Bereich, der bei wechselnden Nutzerinteressen unterschiedlich ausgestaltet werden kann. Die Lernräume Vom Teamraum führt ein zweiter Weg über die Bühne via eine behindertengerechte Rampe ins Forum und von dort in die Lernräume. Schon auf dem Weg dorthin lässt sich das Geschehen in den Räumen überblicken, weil die Wände zum Forum aus einer Holzrahmenkonstruktion bestehen, die ab ca. 1 m Höhe mit Glas ausgefacht ist. (Bei einer veränderten Nutzung des Gebäudes lässt sich die Konstruktion mit anderen Baustoffen ausfachen oder auch demontieren, ohne dass in die tragende Bausubstanz eingegriffen wird. ) Die einzelnen Lernräume bringen zwei Gliederungsebenen in die soziale Einheit der etwa hundert Lernenden. Etwa 25 bis 30 Kinder teilen sich einen «fraktalen» Raum und etwa 5 bis 6 Kinder einen sechseckigen Gruppenarbeitsplatz, der einer festen Nische oder Zone im Raum zugeordnet ist. Aus dieser Raumgestaltung ergeben sich zwei Verantwortungsebenen : die Tischgruppen, die für die Ordnung und Gestaltung ihres Raums im Raum verantwortlich sind, und die Großgruppe oder Klasse, die für den gesamten Raum Verantwortung trägt. 10 P070012_Brägger_Buch.indd 516 26.01.2008 10:32:37 Uhr Neue Qualitätsstandards im «fraktalen» Neubau Jeder Tischgruppe ist mindestens ein rollbares Regal zugeordnet, in dem sich die Büchertaschen unterbringen lassen und persönliche Ablagefächer in hinreichender Zahl und Größe vorhanden sind. ( Dieser Gestaltungsaspekt ist nicht auf eine hexagonale Raumstruktur angewiesen, sondern lässt sich auch in herkömmlichen Räumen anwenden. ) Weitere rollbare Regale nehmen die Materialien für die Wochenplan - und Freiarbeit bzw. für Lernwerkstätten auf. Im Idealfall stehen für die einzelnen Fächer und das fächerübergreifende Lernen unterschiedliche Rollregale zur Verfügung. Diese Regale lassen sich entweder an die Wände und in die Fensternischen schieben oder aber als niedrige Raumteiler einsetzen. Bei einer Höhe von ca. 95 cm, einer Tiefe von ca. 42 cm und einer Breite von ca. 160 cm bieten sie eine gute Steharbeitsfläche zum Schreiben sowie für die Arbeit am PC. Dies gilt insbesondere, wenn zwei Regale Rücken an Rücken in den Raum gerollt werden. Nach schwedischem Vorbild haben die Tische in allen Grundschulklassen eine Einheitshöhe von ca. 72 cm, damit größere und kleinere Kinder in einer Gruppe auf einer einheitlichen Fläche sowohl im Sitzen als auch im Stehen zusammenarbeiten können. Passend zu dieser Tischhöhe wurden Stühle mit einer Sitzhöhe von ca. 50 cm und höhenverstellbaren Fußrasten angeschafft. Der Grundriss der Lernräume wurde nach dem Leitsatz form follows function gestaltet. Auf einer begrenzten Fläche, die mit dem Musterraumprogramm von NRW vereinbar ist, sind die räumlichen Rahmenbedingungen für ein gesundheits - und kommunikationsförderndes Lernen optimiert. 11 P070012_Brägger_Buch.indd 517 26.01.2008 10:32:37 Uhr Das Herforder Modell Hauptfunktionen eines gesundheits - und kommunikationsfördernden Lernraums 1. Platz für einen konzentrischen Stuhlkreis, der sich in hinreichender Größe möglichst ohne Umräumen der Tische herstellen lässt, 2. Platz für eine freie Mitte im Raum, auf der sich spontane Aktionen entfalten oder Meditations - und Bewegungsübungen stattfi nden können, 3. Platz für eine konzentrierte Gruppenarbeit, bei der die Kommunikationsdistanz innerhalb der einzelnen Arbeitsgruppen möglichst klein und zwischen den Gruppen möglichst groß ist, 4. Platz für eine hinreichende Zahl von ( rollbaren ) Regalen, in denen alle benötigten Lernmaterialien unterzubringen sind, 5. Platz für eine möglichst ungestörte Einzel - und Partnerarbeit, 6. Platz für Phasen einer frontalen Präsentation mittels unterschiedlicher Medien ( Tafel, Tageslichtprojektor, Beamer, Landkarte ), 7. Bewegungsfläche für einen möglichst reibungslosen und spontanen Wechsel der genannten Raumfunktionen, 8. eine angemessene Arbeitszone für die Lehrkraft. Toiletten und Freiflächen Zwei weitere Herforder Qualitätskriterien haben eine große Bedeutung für die Gesundheitsförderung und das Wohlfühlen insbesondere im Ganztagsbetrieb : • Den einzelnen Lernräumen oder der sozialen Einheit sind eigene Toilettenräume zugeordnet. • Der Schulhof lässt sich für die Ganztagsschüler auf möglichst kurzem Weg erreichen. Ebenerdige Lernräume verfügen nach Möglichkeit über einen direkten Ausgang auf den Schulhof bzw. auf eine klasseneigene Terrasse ( mit Schulgarten ). 12 P070012_Brägger_Buch.indd 518 26.01.2008 10:32:37 Uhr Neue Qualitätsstandards im «fraktalen» Neubau Beide Kriterien ließen sich in der vorliegenden Neubauplanung erfüllen. Über die klasseneigenen Toiletten führt eine Tür ins Freigelände. Im Brandfall wäre dies zugleich der sicherste Fluchtweg. ( Weil das gesamte Gebäude Großraumcharakter hat und von einer Arbeitseinheit genutzt wird, gelten für die Nutzung des Forums keine feuerpolizeilichen Einschränkungen. ) 2.2 Fraktale Schularchitektur Die gezeigten Neubaupläne weisen eine beachtenswerte Besonderheit auf, die sich durch die Art der Formenbildung ergibt. Ausgehend von der inneren Funktion der Gruppennische und der Form des Gruppentisches hat sich die äußere Gebäudeform durch einen iterativen Konstruktionsprozess schrittweise entwickelt. Das bedeutet, dass die hexagonale Ausgangsform des Gruppentisches auf verschiedenen Größenskalen erscheint : in der Gruppennische, im Klassenzimmer, im einzelnen, dezentralen Schulgebäude und – je nach Schulgröße – gegebenenfalls auch im gesamten Schulkomplex. Der Iterationsprozess folgt einer einfachen Rückkoppelungsregel aus der fraktalen Geometrie. Diese nicht lineare Geometrie wurde von Mandelbrot als Geometrie der Natur beschrieben ( vgl. Mandelbrot 1991 ). Sie lässt sich zugleich aber auch als Mathematik der Komplexität und der Selbstorganisation bezeichnen ( vgl. Capra 1996, S. 134 – 180 ). So wie sich die komplexen Naturformen von Bäumen, Adernsystemen, Korallen, Schnecken u.a. durch Iterationsprozesse aus sich selbst heraus entfalten, ist die fraktale Schularchitektur – ausgehend vom sechseckigen Gruppentisch und unter Anwendung einfacher Rückkoppelungsregeln – weitgehend aus sich selbst heraus gewachsen. Die komplexe Form des Grundrisses hat sich aus einem einfachen Sechseck durch mathematische Selbstorganisationsprozesse entwickelt. Dieser Formgebungsprozess führt zu einem natur - , struktur - und sozialwissenschaftlich beachtenswerten Wechselspiel von Geist und Materie : Mittels mathematischer Selbstorganisationsprozesse lässt sich eine räumlich - materielle Struktur schaffen, innerhalb deren geistige Prozesse der sozialen Selbstorganisation zur Entfaltung kommen. Während in der herkömmlichen Schularchitektur traditionelles lineares und hierarchisches Denken zum Ausdruck kommt, wird nicht lineares, syste- 13 P070012_Brägger_Buch.indd 519 26.01.2008 10:32:37 Uhr Das Herforder Modell misches Denken in der fraktalen Schularchitektur sichtbar. Systemischer Geist manifestiert sich in der technischen Materie, und die Materie des Raumes beeinflusst den sozialen Geist. Die Architektur erschließt somit Synergiepotenziale zwischen Geist und Materie. Sie unterstützt die Kommunikation und die Kooperation auf verschiedenen sozialen Systemebenen einer Schule : im Lehrerteam, in der Lerngruppe, im Gesprächskreis der Klasse sowie im Plenum größerer sozialer Einheiten. Kurzum : Die Architektur übernimmt eine pädagogische Funktion und vermag damit Lehrkräfte bei ihrer anspruchsvollen und kräftezehrenden Arbeit zu entlasten. Die fraktale Schularchitektur wirkt auf verschiedenen Ebenen selbstbegrenzend und trägt somit dazu bei, dass humane Größendimensionen im Schulbau nicht überschritten werden. In einem dezentralen, eingeschossigen Baukomplex lassen sich nicht mehr als vier Schulklassen, also etwa 100 bis 120 Menschen unterbringen. Innerhalb der einzelnen Klassen wird die Obergrenze der Schülerzahl durch die Zahl der Raumnischen und die Möblierung festgelegt. Fünf Gruppen mit jeweils fünf bis sechs Lernenden fi nden optimierte Arbeitsplätze vor. Notfalls lässt sich noch ein sechster Gruppentisch unterbringen ( vgl. Raum 1.4 ). Die Gebäude - und Raumgrundrisse eignen sich nicht nur für schulische Bildungszwecke, sondern lassen sich bei wechselndem Bildungsbedarf auch als Kindergarten, Begegnungsstätte für Jugendliche, Freizeitzentrum oder Altentagesstätte nutzen und werden damit den wechselnden demografischen Bedingungen eines Stadtteils eher als konventionelle Schulgebäude gerecht. 2.3 Variable Möblierung für flexibles Lernen Angesichts eines beschleunigten gesellschaftlichen und schulischen Wandels können wir heute noch nicht wissen, wie Kinder in zehn bis zwanzig Jahren lernen werden. Bei der Grundrissplanung und der Möblierung des fraktalen Schulgebäudes wurde deshalb auf eine maximierte Flexibilität geachtet. In den beiden Abbildungen 1 und 2 können lediglich acht verschiedene Raumgestaltungsvarianten gezeigt werden. Raum 1.1 stellt eine Form der kommunikationsfördernden Basismöblierung dar, bei der die rollbaren Regale von ca. 160 cm Breite in den Fensternischen untergebracht sind. Eine alternative Basismöblierung wird in Raum 2.1 gezeigt, in der die fünf Arbeitsgruppen in ihren Arbeitsnischen sitzen 14 P070012_Brägger_Buch.indd 520 26.01.2008 10:32:37 Uhr Neue Qualitätsstandards im «fraktalen» Neubau und durch die Regale voneinander getrennt sind. Bei beiden Möblierungsvarianten verbleibt in der Raummitte hinreichend Platz für einen Stuhlkreis. Entgegen ursprünglichen Planungen, die die Ausstattung der Lernräume mit 10 bis 12 Trapeztischen ( Kantenlänge 80 / 80 / 80 / 160 ) vorsahen, fi ndet sich nunmehr eine Kombination von gleichseitigen Dreieckstischen ( Kantenlänge 80 / 80 / 80 ) und Trapeztischen. Die Räume 1.2, 2.3 und 2.4 zeigen, dass sich auf diese Weise ein weitaus höheres Maß an Variabilität bei der Raumnutzung erreichen lässt. In den Räumen 2.1, 2.2 und 2.4 fi nden sich außerdem vier gleichschenklige Dreieckstische (Kantenlänge 80/80/110), die sich sowohl mit den Trapeztischen als auch mit den gleichseitigen Dreieckstischen kombinieren lassen. Alle drei Tischformen lassen sich auf Rollen bewegen und auf einfache Weise stapeln. ( Die Bewegungsmöglichkeiten, die die fraktalen Räume ohne Tische bilden, werden in den Abbildungen nicht gesondert dargestellt ! ) Im Raum 1.1 wird gezeigt, wie sich ein sechseckiger Tisch für eine konzentrierte Gruppenarbeit in konzentrischen Dreier - , Vierer - , Fünfer - oder Sechserformationen nutzen lässt. Raum 1.2 veranschaulicht dagegen verschiedene Möglichkeiten eines raschen Wechsels von der Gruppenarbeit zur frontalen Präsentation. Während der Wechsel bei den Fünfergruppen 3 und 5 bereits durch leichte Körperdrehung zur Tafel möglich ist, bieten sich für Sechsergruppen drei verschiedene Möglichkeiten des Umräumens, die sich ohne großen Aufwand realisieren lassen ( vgl. Gruppen 1, 2, 4 ). In Raum 1.3 wird dargestellt, wie sich die vorhandenen Tische zu einer konzentrischen, hexagonalen Konferenzform zusammenstellen lassen. Bei einer Arbeitsplatzbreite von 80 cm haben an dieser Formation allerdings nur 18 Personen Platz. Im dargestellten Stuhlkreis sind dagegen über 30 Personen unterzubringen, wobei die Konferenztische durchaus als Stellfläche und Ablage zu nutzen sind. Raum 1.4 verdeutlicht die Möglichkeit eines raschen Wechsels vom Stuhlkreis zu einer U - förmigen frontalen Präsentation. Außerdem wird gezeigt, wie sich – bei verkleinertem Lehrerarbeitsplatz – eine sechste Arbeitsgruppe im Raum unterbringen lässt, ohne dass die freie Raummitte beansprucht wird. Während die Lehrerarbeitsplätze in den Räumen 1.1, 1.2 und 1.3 aus zwei Trapeztischen gebildet werden, besteht der Lehrerarbeitsplatz in 1.4 lediglich aus zwei gleichseitigen Dreieckstischen. In den Räumen 2.1 und 2.2 bestehen die Lehrerarbeitsplätze aus einem Trapeztisch, der mit einem tischhohen Rollcontainer kombiniert wird. 15 P070012_Brägger_Buch.indd 521 26.01.2008 10:32:37 Uhr Das Herforder Modell Die Räume 2.1 und 2.2 unterscheiden sich trotz ähnlicher Basismöblierung in dreierlei Hinsicht. • Raum 2.2 ist mit Rollregalen ausgestattet, die lediglich ca. 80 cm breit und 40 cm tief sind. Diese lassen sich auf flexiblere Art und Weise zu Arbeitsinseln zusammenstellen, wie auch in den Räumen 2.3 und 2.4 deutlich wird. • Die Büchertaschen sind im Raum 2.2 teilweise nicht in den Rollregalen, sondern in den ca. 20 cm zurückspringenden Fensternischen untergebracht. • Die Lernenden bewegen sich im Raum 2.2 von ihren Gruppentischen weg und nutzen unterschiedliche Steharbeitsplätze im Raum, wie dies z.B. beim Stationenlernen, der Lernwerkstatt oder der Projektarbeit der Fall ist. Mit den Räumen 2.3 und 2.4 kann lediglich beispielhaft angedeutet werden, wie sich die fraktalen Lernräume mit ihren flexiblen Möbeln an wechselnde Nutzungssituationen in einer gesundheitsfördernden ( Ganztags - )Schule anpassen lassen. Ebenso wichtig wie die Flexibilität im Lernraum sind die flexiblen Nutzungsmöglichkeiten des gesamten Gebäudes und der umgebenden Freiflächen. Angesichts der hohen Transparenz im Gebäude lässt sich das Lernen, Spielen und Arbeiten einzelner Gruppen ins Forum, ins Selbstlernzentrum, auf die Galerie oder auf die Terrassen vor den Lernräumen verlagern. Abbildung 2 zeigt, wie sich das Forum zugleich als Zuschauerraum nutzen lässt. Selbst bei großzügiger Möblierung fi nden alle vier Klassen mit ihrem gesamten pädagogischen Personal Platz. Wenn die Galerie und die Eingangszone zusätzlich als Zuschauerbereiche genutzt werden, sind im Bedarfsfall durchaus 200 Personen unterzubringen. 2.4 Ein innovatives Tafelsystem Intensive Planungsdiskurse gab es in Herford um die Frage einer angemessenen Tafelausstattung. Weil diese zu Raum sparenden und kommunikationsfördernden Lösungen führten, die insbesondere auch für kleine Altbauräume interessant sind, sollen die erzielten Planungsergebnisse etwas ausführlicher dargestellt werden. 16 P070012_Brägger_Buch.indd 522 26.01.2008 10:32:37 Uhr Neue Qualitätsstandards im «fraktalen» Neubau Zunächst ging es nur um die Alternativen – weiße oder grüne Pylonentafel – als Doppeltafel oder als Klapptafel. Der Standort der Tafel war so lange klar, wie die geplanten Wände zum Forum des fraktalen Neubaus noch aus Mauerwerk bestanden und lediglich die Türen Glasausschnitte bekommen sollten. Eine fest montierte Pylonentafel kollidierte indes mit dem Wunsch nach mehr Transparenz zum Forum. Aber auch dieser Wunsch war keineswegs unumstritten. Immerhin verlangt das erste Herforder Qualitätskriterium, dass das räumliche wie auch das soziale Verhältnis von Offenheit und Geschlossenheit je nach pädagogischem Bedarf flexibel gestaltbar sein soll. Wie aber lässt sich diese Anforderung angesichts der nunmehr vorgesehenen 5,5 m breiten Glaswand realisieren, und wie lässt sich verhindern, dass die grundsätzlich erwünschte hohe Transparenz dabei verloren geht ? Die kritischen Gedanken eines Architekten und der Konrektorin einer Bremer Ganztagsschule, die nach schwedischem Vorbild arbeitet, brachten nachhaltige Bewegung in den Planungsprozess, die sich bis zur Umgestaltung der Herforder Altbauklassen durchschlug. Während der Architekt fragte, wozu man eine fest montierte Tafel im Klassenzimmer brauche, berichtete die Konrektorin, dass man genau diese Tafel – als letztes Relikt des traditionellen Frontalunterrichts – an ihrer Schule abmontiert habe. Ein weiterer Kooperationspartner berichtete etwa zur gleichen Zeit von einem flexiblen Tafelsystem, mit dem man die Herrschaft über die Tafel von der Lehrperson auf die Lerngruppen verlagern könne – mit dem doppelten Effekt der Entlastung der Lehrkräfte und der Aktivierung der Lernenden ( vgl. ‹www.kvartet.de› ). Die flexiblen Leichtbautafeln, die sich bereits von Grundschülern transportieren und an beliebiger Stelle in ein Schienensystem einhängen lassen, erschienen dem Planungsteam in mehrfacher Hinsicht als Ideallösung für eine kommunikationsfördernde Lernraumgestaltung. In der Grundausstattung sollte jeder Lernraum über fünf bis sechs beidseitig ( ! ) nutzbare Tafeln von etwa 120 cm Breite und ca. 100 cm Höhe verfügen, sodass jede Schülergruppe zur Präsentation von Arbeitsergebnissen eine eigene Tafel zur Verfügung hat. Zur leichteren Handhabung können die Gruppen ihre Tafel nach einer ersten Anleitung selbstständig von der Wand nehmen und auf ihrem Gruppentisch platzieren. Die Neubauplanung in Herford sieht ein etwa 13 m langes Schienensystem vor, das in ca. 2 m Höhe an den 4 bzw. 6 m langen Wänden der Lernräume montiert wird. Eine zweite, kürzere Hängeschiene soll an den 17 P070012_Brägger_Buch.indd 523 26.01.2008 10:32:37 Uhr Das Herforder Modell dafür passenden Wänden in ca. 140 – 150 cm Höhe montiert werden, sodass sich eine für Grundschulkinder angemessene Schreibhöhe ergibt. Die Holzrahmenkonstruktion zum Forum soll in ca. 2 m Höhe Querriegel bekommen, sodass sich die Tafeln bei Bedarf vor die Glasflächen hängen lassen. Dort können die doppelseitig nutzbaren Pinnwand - , Magnet - , und Kreidetafeln oder Whiteboards einen doppelten Nutzen entfalten, indem sie nach innen aktuelle Arbeitsergebnisse, nach außen zum Forum hin besonders vorzeigenswerte Schülerprodukte präsentieren. Der mit den Glaswänden erzielbare Schaukasteneffekt schränkt zwar den Einblick in den Lernraum temporär ein und verringert damit die Prozesstransparenz, erhöht zugleich aber die Produkttransparenz. Das Schienensystem mit den Tafeln ist ein hervorragendes Mittel gegen den in vielen Grundschulen herrschenden medialen overkill von Bildern, Buchstaben und Zahlen. Da die Schiene zugleich als Aufhängung für die doppelseitig nutzbaren Tafeln und als Klemmleiste für Bilder und Plakate fungiert, lässt sich eine Wandfläche dreifach belegen. 2.5 Esskultur – im Klassenzimmer ? Zunächst erschien es allen Herforder Schulleitern selbstverständlich, dass zu einer Ganztagsschule eine Mensa gehört. Entsprechend irritiert reagierten sie auf die Frage des wissenschaftlichen Beraters : «Wozu brauchen Sie eine Mensa ?» Nachdenklichkeit löste der Besuch einer Münsteraner Grundschule aus, die seit Jahrzehnten Erfahrungen mit der gebundenen Ganztagsschule gesammelt und bei ihrem Neubau Mitte der 90er - Jahre bewusst auf den Bau einer Mensa verzichtet hat. Die Argumente der Münsteraner Schulleiterin klangen plausibel : • Im kleinen Klassenverband lässt sich eine familiäre Esskultur leichter entwickeln als in einer großen Mensa. • Im Klassenzimmer bleibt mehr Muße zum Essen als in einer Mensa, in der zumindest im Zweischichtbetrieb gegessen wird. • Das Klassenzimmer bietet einen günstigen Rahmen für persönliche Gespräche zwischen den Schülern und ihren Lehrkräften bzw. Erziehern. 18 P070012_Brägger_Buch.indd 524 26.01.2008 10:32:37 Uhr Neue Qualitätsstandards im «fraktalen» Neubau • • In einem – akustisch optimierten – Klassenzimmer geht es leiser zu als in einer Mensa, die in vielen Schulen – neben der Turnhalle – zu den lautesten Räumen gehört. Bei einem Verzicht auf eine nur kurzzeitig ausgenutzte, aber sehr teure Mensa lassen sich die ganztägig genutzten Lern - und Lebensräume deutlich vergrößern ( ca. 20 m 2 pro Klasse ). Insbesondere in Grundschulen geht es nicht nur um die Frage, ob in der Mensa oder im Klassenzimmer gegessen werden soll, sondern es ist auch zu klären, welche Essgruppenstärke für Grundschüler geeignet ist. In einer Vierergruppe gibt es sechs verschiedene Zweierbeziehungen, in einer Sechsergruppe sind es bereits fünfzehn Zweierbeziehungen und zwanzig mögliche Dreierbeziehungen, und in einer Zehnergruppe steigt die Zahl möglicher Zweierbeziehungen auf 45 an. Wenn das Mittagessen zugleich der sozialen Begegnung dienen soll, spielen Kriterien wie Kleinräumigkeit, Überschaubarkeit und Vertrautheit eine zentrale Rolle. Bei 20 Kindern in einer Klasse gibt es 190 potenzielle Zweierbeziehungen, bei 30 dagegen schon 435. In einer Mensa mit 100 Menschen sind – rein theoretisch – 4950 Zweierbeziehungen denkbar, aber gerade wegen dieser erdrückenden Zahl ist das Zustandekommen engerer sozialer Beziehungen in einer derart großen Gruppe eher unwahrscheinlich. Vor diesem Erfahrungs - und Reflexionshintergrund wurde das nachfolgende Herforder Qualitätskriterium formuliert : «Zur gezielten Förderung der Esskultur sowie zur besseren Diagnose und Therapie von Verhaltensauffälligkeiten wird das Mittagessen in den Lernräumen oder in kleinräumig untergliederten Speiseräumen eingenommen. Bei einer Mittagsverpflegung im Klassenzimmer wird sichergestellt, dass die eingesparte Fläche der Mensa zur Erweiterung des Lern - und Lebensraums im jeweiligen Ganztagszug dient ( 0,66 m 2 pro Kind ).» Für den ebenerdigen fraktalen Neubau ist ein Mittagessen in den 87 m 2 großen Lernräumen geplant. Das Problem möglicher Essensgerüche wird durch eine Lüftungsanlage gelöst, die für den ganztägigen Betrieb viele Vorteile hat. 19 P070012_Brägger_Buch.indd 525 26.01.2008 10:32:37 Uhr Das Herforder Modell 2.6 Gesundheits - und Kommunikationsförderung als Qualitätsmaßstab Über das bisher Gesagte hinausgehend, soll nachfolgend geklärt werden, inwieweit mit der dargestellten Neubauplanung folgendes Herforder Qualitätsmerkmal erfüllt ist : «Die Lernräume sind so zugeschnitten, ausgestattet und möbliert, dass sie den Qualitätsmaßstäben für eine gesundheits - und kommunikationsfördernde Lernraumgestaltung entsprechen.» Dazu sollen – in der gebotenen Kürze und ohne Anspruch auf Vollständigkeit – zehn Aspekte gesondert herausgestellt werden. 1. Ein wesentliches Merkmal einer gesundheits - und kommunikationsfördernden Schule ist die Schaffung von Bewegungsflächen bzw. die Vermeidung von Dichtestress, der insbesondere in engen und / oder übermöblierten Räumen auftritt. Deshalb sollen die Lernräume trotz ihrer Größe von 87 m 2 mit flächensparenden Trapez - bzw. Dreieckstischen ausgestattet werden. Aufgrund der räumlichen Transparenz können einzelne Kinder oder kleine Gruppen in bestimmten Lernphasen ins Forum, ins Selbstlernzentrum, auf die klasseneigene Terrasse oder auf den Schulhof ausweichen. 2. Durch die transparenten Wände zum Forum sowie durch die 14 m ( ! ) langen, gefalteten Fensterfronten entsteht eine optische Weite im Raum, die durch eine einheitliche Regalhöhe von lediglich 95 cm verstärkt wird. Eine klare Linienführung durch einheitliche Brüstungs - , Tisch - und Regalhöhen sowie durch das umlaufende Schienen - und Tafelsystem bringt Ruhe in den Raum, die auf die Nutzerinnen und Nutzer zurückwirkt. 3. Die konzentrischen Gruppentischformationen tragen zu einer konzentrierten Arbeitsatmosphäre bei. Die Tische lassen sich zugleich als Diagnose - und Therapieinstrument bei individuellen Lernstörungen oder bei einem gestörten Sozialverhalten nutzen ( vgl. Buddensiek in diesem Band, S. 191; mehr zu diesem Thema fi ndet sich bei Buddensiek 2001, S. 208 ). 4. Die sechseckigen Gruppentische bieten – ähnlich wie runde Tische – optimale Rahmenbedingungen für die soziale Kommunikation. Sie minimieren die gruppeninternen Kommunikationsdistanzen und tragen zur Integration sozialer Außenseiter bei ( vgl. dazu Buddensiek 2001, S. 189 – 193 ). 20 P070012_Brägger_Buch.indd 526 26.01.2008 10:32:37 Uhr Neue Qualitätsstandards im «fraktalen» Neubau 5. Damit es auch bei einer gesprächsintensiven Kleingruppenarbeit möglichst lärmarm zugeht, wurde auf die Optimierung der Akustik durch einen ausgewiesenen Fachplaner besonderen Wert gelegt. 6. Die nach skandinavischem Vorbild gewählte Tischhöhe animiert zum Wechsel zwischen stehender und sitzender Tätigkeit und trägt damit zur Gesundheitsförderung bei. 7. Die Raumstruktur ist auf eine pädagogische Arbeit zugeschnitten, der es um die Vermittlung von Schlüsselqualifi kationen wie Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein u.a. geht ( vgl. auch Buddensiek 2001, S. 194 – 199 ). 8. Die Lernräume sind für schüler - und handlungsorientierte Lernverfahren optimiert, die die Selbstständigkeit der Lernenden fördern und ihr Selbstwertgefühl steigern. Bei einer entsprechenden Nutzung ist auf Dauer eine Verbesserung des Lern - und Schulklimas und eine Entlastung der Lehrkräfte zu erwarten ( vgl. Buddensiek 2001, S. 213 – 244 ). 9. Das gemeinsame Essen in einer vertrauten, familienähnlichen Situation fördert nicht nur die Esskultur, sondern bietet ein breites Übungsfeld zur Übernahme von Verantwortung für das Eindecken der Gruppentische, die Verteilung des Essens, das Abräumen des Geschirrs und das Reinigen der Essplätze. Pädagogisch geschickt eingesetzt, vermögen diese regelmäßig wiederkehrenden Aufgaben das Selbstwertgefühl der Lernenden und ihr Sozialverhalten zu stärken. 10. Der Teamraum für das multiprofessionelle pädagogische Personal einer Ganztagsschule schafft die räumlichen Rahmenbedingungen für eine Kooperation auf gleicher Augenhöhe. Die kollegiale Zusammenarbeit wiederum wird von allen Gesundheitsexperten als ein zentrales Element einer gesundheitsfördernden Schule angesehen. An dieser Stelle ist eine Klarstellung wichtig : Die beschriebenen gesundheits - und kommunikationsfördernden Effekte der Raumgestaltung stellen sich nicht automatisch ein, sondern setzen eine Verständigung der pädagogischen Fachkräfte über eine entsprechende Raumnutzung voraus. Die Lernräume und Schulmöbel sind lediglich Werkzeuge für ein gesundheitsförderndes Leben und ein kommunikationsförderndes Lernen. Ihre Wirkung können sie erst in den dafür sensiblen Händen pädagogischer Profis entfalten. Die Esskultur kann schlimmstenfalls trotz wohnlich gestalteter Räume verkommen, die Kooperation zwischen Kollegen und Kolleginnen kann 21 P070012_Brägger_Buch.indd 527 26.01.2008 10:32:37 Uhr Das Herforder Modell scheitern. Transparente Räume können durch eine übermäßige Bebilderung zugehängt werden, und handlungsorientiertes Lernen kann durch ungeeignete Arbeitsmaterialien oder Arbeitsaufträge misslingen. Der Lernraum ist der dritte Pädagoge, der im günstigsten Fall die Verständigung zwischen den Lehrenden und Lernenden unterstützt. Ohne eine Einstimmung auf diesen «dritten Kollegen» und ohne eine Eingewöhnungsphase kann sich sein Potenzial nicht voll entfalten. Die Grundvoraussetzung für die pädagogische Wirksamkeit des Raumes ist die methodische Kompetenz der Lehrenden, selbst gesteuertes und handlungsorientiertes Lernen zu initiieren und zu begleiten. 2.7 Ein Modell zur Vernetzung von Raum - und Zeitplanung Wo Schulen eigene Ganztagszüge aufbauen, lässt sich der Schultag neu rhythmisieren. Dabei kann dem Wechsel von Anspannung und Entspannung ebenso Rechnung getragen werden wie den unterschiedlichen Bedürfnissen von Frühaufstehern und Langschläfern. Bei einer geschickten zeitlichen Gliederung des Schultages lässt sich außerdem die multifunktionale Nutzung der Lern - und Lebensräume optimieren. Dies gelingt dort am besten, wo eine mehrzügige Schule in überschaubare dezentrale Arbeitseinheiten gegliedert ist, die über ein eigenes räumliches Revier verfügen. In einer vierjährigen Grundschule kann die Arbeitseinheit beispielsweise aus einem Ganztagszug der Klassen 1 – 4 bestehen. Denkbar ist aber auch, je zwei parallele Ganztagsklassen der Stufe 1 und 2 bzw. 3 und 4 zu einer Arbeitseinheit von insgesamt vier Klassen zusammenzufassen. ( Eine Reihe von Gesamtschulen haben Arbeitseinheiten auf der Ebene einzelner Jahrgangsstufen gebildet. ) Unabhängig von der Frage, ob einer möglichst altersgemischten oder einer altershomogenen Zusammensetzung der Vorzug zu geben ist, bietet eine überschaubare Arbeitseinheit einen angemessenen sozialen Handlungsrahmen für eine verantwortungsbewusste, multifunktionale Nutzung des Lernreviers. Wie sich die Raumnutzung durch eine geschickte Zeitplanung im Rahmen von gebundenen Ganztagsschulen optimieren lässt, soll nachfolgend am Beispiel des dargestellten fraktalen Neubaugrundrisses modellhaft erläutert werden. 22 P070012_Brägger_Buch.indd 528 26.01.2008 10:32:37 Uhr Neue Qualitätsstandards im «fraktalen» Neubau 7.30 – 9.00 : Flexibler Schulbeginn 7.30 – 8.30 : Möglichkeit zum ( gesondert bezahlten ) Frühstücken im Klassenraum 1, anschließend Aufräumen 7.30 – 9.00 : Möglichkeit zum Lesen oder zum Arbeiten bzw. Spielen am Computer im Selbstlernzentrum vor dem Teamraum ( mindestens eine pädagogische Fachkraft im Teamraum ) 8.00 – 8.45 : Möglichkeit für freies Arbeiten und Spielen in den Klassenräumen 2 und 4 ( evtl. Wochenplanarbeit ) für Frühaufsteher, anschließend Aufräumen 9.00 – 10.30 : Lernphase I 9.00 : Obligatorischer Schulbeginn für alle Schüler Lernen im Klassenverband, ggf. unter Nutzung des Selbstlernzentrums und der ( klasseneigenen ) Terrasse 10.30 – 11.00 : Pause Getränke ( und kleine Zwischenmahlzeit ) im Klassenraum Bewegung und Spiel auf dem Schulhof bzw. ( bei Regen ) im Forum 11.00 – 12.30 : Lernphase II Lernen im Klassenverband, ggf. unter Nutzung des Selbstlernzentrums und der ( klasseneigenen ) Terrasse Alternativ : Lernen in klassenübergreifenden Projekten 12.30 – 14.00 : Mittagspause Bewegung und Spiel auf dem Schulhof Parallel bis spätestens 13.00 : Eindecken der Tische in den Klassenräumen für ein Mittagessen in Kleingruppen ( Tischdienst durch wechselnde Schülergruppen ) Gemeinsames Essen im Klassenverband unter Beteiligung von mindestens einer pädagogischen Fachkraft Spätestens 13.40 : Abdecken der Tische und Aufräumen des Klassenzimmers durch wechselnde Schülergruppe 14.00 – 14.45 : Klassenübergreifendes Lernen Leistungsdifferenzierte Lernangebote, z.B. : Klassenraum 1 : Mathe 1 Klassenraum 2 : Mathe 2 Klassenraum 3 : Sprache 1 Klassenraum 4 : Sprache 2 23 P070012_Brägger_Buch.indd 529 26.01.2008 10:32:37 Uhr Das Herforder Modell ( Die verschiedenen Klassenzimmer sollten über eine entsprechende Ausstattung an mathematischen bzw. sprachlichen [ Selbst -] Lernmaterialien und didaktischen Spielen verfügen ) Alternativ : Lernen in klassenübergreifenden Projekten, die sich auch über einen gesamten Nachmittag erstrecken können. Dabei Nutzung des gesamten fraktalen Schulgebäudes und ggf. des Freigeländes 14.50 – 16.00 : Neigungsorientierte Angebote Klassenraum 1 : Malen, Kneten, evtl. Töpfern, Klassenraum 2 : Lesen, Ruhen, Stillarbeit Klassenraum 3 : Bauen, Basteln, Spielen Klassenraum 4 : Freiarbeit und ggf. Wochenplanarbeit insbesondere für Langschläfer Selbstlernzentrum : Computerarbeit / Computerspiele Alternativ auf der Bühne : Theater AG Zusätzlich : Nach 16.00 : Nutzung der Sporthalle, des Freigeländes, des Musikraumes sowie ggf. anderer Fachräume der Schule und außerschulischer Lernorte Bedarfsangebote, temporär Klassenraum 4 : Verlängertes Betreuungsangebot Klassenraum 1 : Elterntreff Klassenraum 2 : Lehrergesamtkonferenzen / Besucherschulung Klassenraum 3 : Volkshochschulangebote, die von pädagogischen Fachkräften der Schule erbracht werden Bühne : Theater AG im Stadtteil Bühne und Forum : Stadtteilbezogene Versammlungen, Aufführungen usw. 24 P070012_Brägger_Buch.indd 530 26.01.2008 10:32:37 Uhr Neue Qualitätsstandards im «fraktalen» Neubau Eine derart multifunktionale Nutzung von Lern - und Lebensräumen einer Schule setzt eine angemessene Raumausstattung voraus. So muss der Klassenraum 4 beispielsweise nicht nur hinreichend mit Regalen für Büchertaschen und persönliche Arbeitsmaterialien der Schüler ausgestattet sein, sondern daneben auch über Regale und Schränke für allgemeine Freiarbeitsmaterialien sowie für die Sprachförderung verfügen. Im Klassenraum 3 ist neben der Grundausstattung an Schülerregalen insbesondere Lagerkapazität für die Materialien zur Sprachförderung sowie für Baukästen und Baumaterial vorzuhalten. Im Hinblick auf Lehrerkonferenzen und Besucherschulung ist im Klassenraum 2 eine multimediale Präsentationstechnik bereitzustellen. Alle Klassenräume sollten so möbliert sein, dass Kinder wie Erwachsene ( an den Tischen ) gleichermaßen gut sitzen und arbeiten können ( einheitliche Stühle mit höhenverstellbaren Fußrasten ). Nicht nur wegen der erforderlichen Lagerkapazität, sondern auch im Hinblick auf einen hinreichenden Bewegungsraum müssen multifunktional genutzte Lernräume eine angemessene Raumgröße bieten. Im Beispiel der fraktalen Schule liegt diese bei ca. 85 m 2 und erreicht damit etwa die 1,5 - fache Größe vieler herkömmlicher Klassenzimmer. Im Rahmen von Altbau-Umbauten können ähnliche Größenverhältnisse überall dort erreicht werden, wo sich aus drei herkömmlichen Klassenzimmern ein Lernrevier für zwei Klassen bilden lässt. Angesichts der demografischen Entwicklung ergeben sich diese Möglichkeiten insbesondere dort, wo die Schülerzahlen so weit abnehmen, dass auf Dauer weniger Klassen gebildet werden. Ideale Bedingungen für die räumliche Umgestaltung von Altbauten sind gegeben, wenn eine ehemals dreizügige Schule zukünftig nur noch zweizügig geführt wird. Aber auch in Schulen, die von der Vierzügigkeit zur Dreizügigkeit wechseln, ergibt sich nach einer gründlichen räumlichen Bestandsaufnahme ( unter Einbeziehung von Fachräumen, Materiallagern und Dachgeschossen ) nicht selten ein hervorragendes räumliches Umgestaltungspotenzial. Bevor Schulträger einzelne Schulen wegen abnehmender Schülerzahlen schließen, sollten sie die Chancen prüfen, die die demografi sche Entwicklung für eine zukunftsfähige Gestaltung schulischer Lern und Lebensräume bietet. 25 P070012_Brägger_Buch.indd 531 26.01.2008 10:32:37 Uhr 3 Perspektiven für die Altbau-Umgestaltung 3.1 Das Neubauprojekt als Vorbild für den Altbau-Umbau ? Das dargestellte Neubauprojekt, das eine Erweiterung eines vorhandenen Schulgebäudes darstellt, war schulintern keineswegs unumstritten. Schulleitung und Kollegium sorgten sich, dass die Diskrepanzen zwischen den Altbau - und Neubauklassen zu groß würden und es im Kollegium zu Konfl ikten um die Nutzung der Neubauräume käme. Immerhin werden zukünftig mindestens vier Ganztagsklassen im Altbau unterzubringen sein. Ein ähnliches Problem sah der Leiter der Schulabteilung in Bezug auf alle Herforder Grundschulen, die aufgrund der vorhandenen Bausubstanz nicht mit Neubaumaßnahmen rechnen können. Aus dieser Situation entstand der Vorschlag für ein Konzept des Altbau-Umbaus, mit dem die Altbauklassen den qualitativen Standards des Neubauvorhabens angenähert werden können. In den Sommerferien des Jahres 2004 wurde zu diesem Zweck ein modellhafter Umbau von zunächst drei 64 m 2 großen Lernräumen durchgeführt. Dieser dient als Experimentierfeld für den Altbau-Umbau aller Herforder Grundschulen. Die Grundidee ist einfach. Die Kinder im zukünftigen Ganztagszug bekommen einen um 50 Prozent erweiterten Lern - und Lebensraum, in dem sie u.a. auch ihr Mittagessen einnehmen. Deshalb wurden drei nebeneinanderliegende Klassenräume zu einer räumlichen und sozialen Einheit für zwei Klassen umgebaut. Dafür wurden die beiden Zwischenwände zum mittleren Klassenraum auf einer Länge von ca. 5 Metern eingerissen und – ab einer Höhe von ca. einem Meter – durch eine transparente Glaswand mit ( Schiebe - )Tür ersetzt. Eine Transparenz zum Flur wurde in diesem Fall durch Glasausschnitte hergestellt, die sich in die vorhandenen Türen einpassen ließen.3 3 Vgl. ‹www.fraktale - schule.de›, Stichwort : Umbau, mit Download . 26 P070012_Brägger_Buch.indd 532 26.01.2008 10:32:38 Uhr Perspektiven für die Altbauumgestaltung Abbildung 3 : Ein flexibles Raumkonzept : Wechsel von der Gruppenarbeit zum Sitzkreis ohne Umräumen der Tische Die beiden außen liegenden Räume werden weiterhin als Klassenzimmer genutzt, während der mittlere Raum beiden Klassen als Multifunktionsraum dient. Kuschel - und Leseecken, Medien - und Bastelecke, Aquarium und Kochgelegenheit ( Küchenzeile ) oder auch Regale für Spiele und Freiarbeitsmaterialien, die die Bewegungsfläche im Klassenzimmer verringern, können in den Multifunktionsraum ausgelagert werden. Nach kollegialer Absprache sind vielfältige Nutzungsvarianten der drei Lernräume denkbar : • Freiarbeit, Stationenlernen, Projektarbeit und anderes, bei denen sich die Schülerinnen und Schüler der sozialen Einheit beliebig mischen und über die drei Räume verteilen, die gegebenenfalls auch von einer Aufsichtsperson zu überschauen sind; • wechselweise Nutzung des mittleren Raums durch jeweils eine der beiden Klassen; • gemeinsame Nutzung des Multifunktionsraums durch Schülerinnen und Schüler beider Klassen. Die in Herford realisierte Lösung ist erheblich kostengünstiger als der Bau einer Mensa und der Ausbau von Betreuungsräumen, die lediglich am Nachmittag genutzt werden. Während beim üblichen Raumkonzept für die offene Ganztagsschule im Schnitt 2,5 Stühle ( mit entsprechenden Tischflächen ) pro Kind benötigt werden, besteht bei der Herforder Umbauvariante lediglich halb so viel Möblierungsbedarf. Stattdessen steht den Kindern ein deutlich vergrößerter Bewegungsraum zur Verfügung, den sie ganztägig nutzen können. 27 P070012_Brägger_Buch.indd 533 26.01.2008 10:32:38 Uhr Das Herforder Modell Auch wenn sich pädagogische Nebenfunktionen in einem benachbarten, gut einsehbaren Raum auslagern lassen, bleibt es in herkömmlichen Klassenzimmern verhältnismäßig eng und unbeweglich. Beim Herforder Altbau-Umbau konnte mittels eines neuen Möblierungskonzepts Abhilfe geschaffen werden. Kernelemente sind flexible Dreieckstische, aus denen sich quadratische Arbeitsplätze für Vierergruppen bilden lassen ( ➡ Teil B ). Jeder der zurzeit sechs Gruppen steht ein rollbares Regal zur Verfügung, in dem sich neben Büchertaschen und Eigentumsfächern diverse Lern - und Freiarbeitsmaterialien unterbringen lassen. Die Regale lassen sich bei Bedarf zu Steharbeitsinseln zusammenschieben oder als Raumteiler nutzen und erfüllen damit die gleichen Funktionen wie im fraktalen Neubau. Wesentliche Unterschiede zum Neubau sind neben den unterschiedlichen Raumstrukturen : • Vierer - statt Sechsergruppen ( das kann Vorteile für die Gruppenbildung im ersten und zweiten Schuljahr haben ), • freie Raummitte für einen Stuhlkreis o. Ä. nur bei maximal 24 Schülern, • geringere räumliche Abtrennungen zwischen den Gruppen. 3.2 f_ 90 - Tische als multifunktionale Bausteine für variable Schülerarbeitsplätze Aus der Analyse von «Kommunikationsbeziehungen an Schülerarbeitstischen» ( ➡ Teil B ) entstanden im Rahmen des KOLEGE - Projekts an der Universität Paderborn Entwürfe für dreieckige Schülerarbeitstische, die sich zu quadratischen Partner - und Gruppentischen unterschiedlicher Größe zusammenschieben lassen. Wegen der großen Flexibilität einerseits und des rechten Winkels in der Spitze der gleichseitigen Dreieckstische erhielt der Tisch den Arbeitstitel f_90, der für das spätere Serienprodukt übernommen wurde. Die wichtigsten Eigenschaften dieses pädagogischen Arbeitsgerätes lassen sich steckbriefartig zusammenfassen : 28 P070012_Brägger_Buch.indd 534 26.01.2008 10:32:38 Uhr Perspektiven für die Altbauumgestaltung f_90 entstand aus der Suche nach Schülerarbeitsplätzen, die dem Einzelnen mehr Bewegungsfreiheit geben, eine konzentrierte Gruppenarbeit fördern und trotz häufig enger Klassenzimmer einen unkomplizierten Wechsel der Sozialformen zulassen. Die Tischform wurde für Schulen entworfen, die sich zu Häusern eines bewegten und bewegenden Lernens entwickeln wollen. Innovationen für Häuser des Lernens f_90 lässt sich platzsparend stapeln, ist rollbar und hilft aufgrund seiner «Schubkarrenfunktion», die physische Balance zu fi nden und zu halten. Leicht zu rollen und zu stapeln f_90 ermöglicht einen schnellen und geräuscharmen Wechsel der Arbeits - und Sozialformen von der Einzel und Partnerarbeit zu frontalen Präsentationsphasen oder zum Stuhlkreis und – nicht zuletzt – zur konzentrierten Kleingruppenarbeit. Spontaner Methodenwechsel Der Tisch beansprucht nicht mehr Fläche als herkömmliche Schultische, bietet aufgrund seines dreieckigen Zuschnitts aber eine um mehr als 50 % vergrößerte Arbeitsplatzbreite und Ellenbogenfreiheit. Große Ellbogenfreiheit Bei einer diagonalen Anordnung im Raum lassen sich quadratische Gruppentischformationen platzsparend aufstellen. Sie bieten den Lernenden eine optimal zugeschnittene Bewegungsfläche. Platzsparende, diagonale Anordnung Während bei herkömmlichen Reihen - und Hufeisenformationen nur ca. 0,5 m 2 freie Bewegungsfläche für die einzelnen Lernenden verbleiben, bietet der f_ 90 - Tisch bei einer geschickten Anordnung doppelt so viel Bewegungsraum für die Einzel - , Partner - und Gruppenarbeit. Verdoppelter Bewegungsraum Vierergruppen wird eine konzentrische und damit zugleich konzentrationsfördernde ( ! ) Sitzformation geboten. Die Blickwinkel zum Tischnachbarn sind optimiert und mit 45° nur halb so groß wie an herkömmlichen Gruppentischen. Konzentrationsfördernde Konzentrik Die kommunikationsfördernde Gruppentischformation wird aufgrund ihrer Konzentrik zum Diagnoseinstrument für Kommunikationsstörungen. Lernende, die sich längere Zeit physisch aus der Konzentrik zurücknehmen, signalisieren damit ihre innere Distanz zur Gruppe bzw. ihre momentane psychische Verfassung. Diagnose von Kommunikationsstörungen Einzelgänger und soziale Außenseiter werden durch die konzentrische Gruppenformation eingeladen und aufgefordert, sich in die Gruppe einzubringen. Damit wirkt f_90 als Therapieinstrument zur sozialen Integration. Integration von sozialen Außenseitern 29 P070012_Brägger_Buch.indd 535 26.01.2008 10:32:38 Uhr Das Herforder Modell f_90 wurde in erster Linie entworfen, um die räumlichen Rahmenbedingungen für die Kleingruppenarbeit zu verbessern und damit den Erwerb von Schlüsselqualifi kationen wie Kommunikationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft zu erleichtern. Der dafür optimierte dreieckige Zuschnitt der Tische ist unter Umständen gewöhnungsbedürftig. Optimierung für die Kleingruppenarbeit Platzprobleme können insbesondere dort auftauchen, wo mehrere gleichzeitig aufgeklappte Ringhefter und / oder großformatige Bücher ohne Einsatz von Buchstützen an Gruppentischen eingesetzt werden. ( Zur Schonung der Nackenmuskulatur ist generell die Nutzung von Buchstützen empfehlenswert. ) Gewöhnungs - und Platzprobleme beachten Sobald die Tische auseinandergerückt und als Einzelarbeitsplatz genutzt werden, können großformatige Arbeitsmaterialien so platziert werden, dass sie die Tischkanten überlappen. Damit ergibt sich bei gleichbleibender Tischfläche die Möglichkeit zur Vergrößerung der Einzelarbeitsfläche. Vergrößerung der Einzelarbeitsfläche f_90 bietet vielfältige Stellmöglichkeiten in dreieckigen, quadratischen und achteckigen Formationen : Vielfältige Stellmöglichkeiten • Gruppen( arbeits )plätze an quadratischen Tischformationen mit variablen Kantenlängen und Tischflächen : 0,8 m × 0,8 m = 0,64 m 2 ( 2 Tische für 2 – 4 Personen ) 1,13 m × 1,13 m = 1,28 m 2 ( 4 Tische für 4 – 6 Personen ) 1, 6 m × 1,6 m = 2,56 m 2 ( 8 Tische für 6 – 10 Personen ) • ( Eck- )Arbeitsplätze für die konzentrierte Einzel - oder Partnerarbeit ohne und mit PC auf einer Dreiecksfläche von 0,32 m 2 ➝ 1 Tisch für 1 Person 0,64 m 2 ➝ 2 Tische für 1 – 2 Personen 1,28 m 2 ➝ 4 Tische für 2 – 3 Personen Kreative Tischlandschaften in unterschiedlichen Größen und vielfältigen Formationen Die ersten 30 Prototypen dieses Tisches wurden im Herbst 2004 in einer der Herforder Modellklassen eingesetzt und haben sich seitdem in der Praxis bewährt. Die pädagogische Funktionalität dieses Tisches hat inzwischen viele Schulleitungen, kommunale Verwaltungen und Raumplaner – nicht nur in Deutschland – überzeugt. Insbesondere in Kombination mit einem flexiblen Tafelsystem ( vgl. Abschnitt 2.4 ) trägt der f_90 - Tisch inzwischen vielerorts zur Etablierung einer neuen, kommunikationsfördernden Lernkultur bei ( aktuelle Abbildung vgl. ‹www.kvartet.de› ). 30 P070012_Brägger_Buch.indd 536 26.01.2008 10:32:38 Uhr Perspektiven für die Altbauumgestaltung 3.3 Lernreviere in engen Altbauten Das räumliche und pädagogische Gestaltungspotenzial, das sich durch die Kombination von f_ 90 - Tischen und dem flexiblen dänischen Tafelsystem ergibt, wird ausführlich und anhand farbiger Folien dargestellt in dem Arbeitsheft : Lernräume – analysieren und gestalten ( vgl. Buddensiek 2006 ). Aus diesem Arbeitsheft werden nachfolgend zwei verkleinerte Schwarz-WeißAbbildungen wiedergegeben, die aus dem Herforder Modellprojekt entwickelt wurden. Die Abbildungen zeigen modellhaft, wie sich selbst ein hundertjähriges Schulgebäude mit engen Räumen und dunklen Fluren durch behutsame Baumaßnahmen und eine neue Möblierung umgestalten lässt. Abbildung 5 : Von der Enge geschlossener Klassenräume …4 4 PROJEKTGRUPPE FLEXIBLES LERNEN – Entwurf : Dr. Wilfried Buddensiek, Universität Paderborn 31 P070012_Brägger_Buch.indd 537 26.01.2008 10:32:38 Uhr Das Herforder Modell Abbildung 6 : … zu einer ausgeweiteten Lernlandschaft5 Im Vergleich der Abbildungen 5 und 6 wird deutlich, wie aus einer geschlossenen und dunklen Flur - Schule ein offenes und helles Revier für eine soziale Arbeitseinheit werden kann. Im Zentrum entsteht durch den Abriss einer ( tragenden ) Wand ein lichtdurchfluteter Mehrzweckbereich mit einer erhöhten Bühne, in die zwei – aus statischen Gründen erforderliche – Stützen integriert sind. Nicht nur über den Multifunktionsraum, sondern auch über die ca. vier Meter breiten verglasten Erker der Lernräume sowie durch die Glasausschnitte in den Türen gelangt viel Tageslicht auf den ehemals innen liegenden Flur. Dessen Linearität wird durch die Erker und die Bühne aufgelöst. Zugleich kann der Flur seine Fluchtweg - Funktion verlieren, wenn die Brandschützer nicht länger von vier geschlossenen Schulklassen, sondern von einer transparenten Arbeitseinheit ausgehen. ( In diesem Fall beginnt der Fluchtweg erst an den beiden Enden des Flures. ) Mit dieser Form des Umbaus lassen sich selbst alte Lehranstalten in offene Häuser des Lernens verwandeln, wenn die Möglichkeit besteht, zwei von sechs Klassenräumen für eine veränderte Nutzung aufzugeben. 5 PROJEKTGRUPPE FLEXIBLES LERNEN – Entwurf : Dr. Wilfried Buddensiek, Universität Paderborn 32 P070012_Brägger_Buch.indd 538 26.01.2008 10:32:38 Uhr 4 Gelingensbedingungen des Herforder Modellprojekts Schlüsselfragen Die Herforder Neu - und Umbauvorhaben wurden inzwischen vielfach auf Fachtagungen in verschiedenen Bundesländern sowie auf bundesweiten Kongressen präsentiert. Dabei fanden die ambitionierten und für deutsche Verhältnisse innovativen «Qualitätskriterien für die Raumgestaltung und -ausstattung von Ganztagsschulen im Primarbereich» und die darauf basierenden Baumaßnahmen eine besondere Beachtung. Anerkennung und Bewunderung mischten sich dabei mit Fragen und Zweifeln : • Wie konnten die für deutsche Verhältnisse innovativen baulichen und räumlichen Umgestaltungsmaßnahmen in Herford – innerhalb relativ kurzer Planungszeiten – gelingen ? • Welche Schwierigkeiten und Konfl ikte hat es dabei gegeben, und wie wurde damit umgegangen ? • Inwieweit sind die Herforder Konzepte zum Neu - bzw. Umbau von Schulen auf andere Orte übertragbar ? Grundvoraussetzung : Die Bereitschaft zur Übernahme kommunaler Verantwortung für die Qualität von Schule Für die Qualitätsentwicklung von Schulen sind in Herford wie in ganz NRW unterschiedliche Institutionen zuständig. Die Verwaltung und Unterhaltung von Schulen ist je nach Schulform eine Aufgabe der Stadt oder des Kreises. Die Schulaufsicht ist bei der unteren Schulbehörde angesiedelt, während die Lehrkräfte Landesbedienstete sind, die sich die Schulen im Rahmen schulscharfer Ausschreibungen ( teilweise ) selbst aussuchen können. Der pädagogische und curriculare Handlungsrahmen der Schulen wird durch die Richtlinien und Lehrpläne des Landes im Rahmen seiner Kulturhoheit festgelegt. Die Entwicklung von Schulprogrammen, spezifi schen Schulprofi len und schuleigenen Curricula ist hingegen eine Aufgabe der Einzelschulen. Die Initiative zum Ausbau von Ganztagsschulen sowie die Bereitstellung von Fördermitteln ist vom Bund ausgegangen, der die Verteilung dieser Mittel an die Länder delegiert hat. Die Bereitstellung eines mindestens zehnprozentigen Eigenanteils ist Sache des Schulträgers, in diesem Fall der Stadt Herford, die 33 P070012_Brägger_Buch.indd 539 26.01.2008 10:32:38 Uhr Das Herforder Modell ihren Eigenanteil sogar auf ca. 50 Prozent aufgestockt hat. Die Beurteilung der Herforder Förderanträge und die Bewilligung der beantragten Mittel für den Um - und Ausbau der Schulen erfolgt beim Regierungspräsidenten in Detmold. Die bauliche Umsetzung vor Ort ist Aufgabe des Schulträgers und wird in Herford unter der Regie des Hoch - und Tiefbauamtes durchgeführt. Durch den Ganztagsbetrieb kommt es zu weiteren institutionellen Zuständigkeiten, die vor allem die unterschiedlichen Jugendhilfeträger auf kommunaler Ebene wie auf Landesebene betreffen. Insgesamt sind die Verantwortlichkeiten für die Qualität der ( Ganztags - )Schulentwicklung so verteilt, dass sich daraus keine Gesamtverantwortung einer einzelnen Institution ergibt. In diesem Dschungel der Zuständigkeiten hat die Stadt Herford die Initiative für die Qualitätsentwicklung ihrer elf Grundschulen ergriffen und dabei die Unterstützung der Schulaufsicht und des Regierungspräsidiums gefunden. Ausschlaggebend war der parteienübergreifend mitgetragene politische Wille, die Standortqualität der Stadt Herford durch innovative Bildungsangebote zu verbessern. Dieser Wille der Kommune, Verantwortung für die Grundschulentwicklung zu übernehmen, wurde in der Startphase der Ganztagsschuldebatte insbesondere durch die Vorsitzende des Schulausschusses und den Bürgermeister offensiv vertreten. Sowohl der Leiter der Schulabteilung als auch der Leiter des Hoch - und Tiefbauamtes griffen den politischen Auftrag unverzüglich auf und entwickelten in enger Abstimmung mit der Politik eine Strategie zur Umsetzung. Dabei spielte die Formulierung eines mit allen Beteiligten abgestimmten Leitbilds eine zentrale Rolle. Synergie als zentraler Erfolgsfaktor So grundlegend wie die eingangs gestellte Frage nach den Gelingensbedingungen ist, so schwierig ist es, darauf eine hinreichende Antwort zu fi nden. Einerseits sind es vielfältige lokale Rahmenbedingungen, die in ihrem konstruktiven Zusammenwirken zum Gelingen der Herforder Projekte beigetragen haben, andererseits aber ist der Erfolg maßgeblich auf ein Projektmanagement zurückzuführen, das mit den gegebenen Rahmenbedingungen und auftretenden Schwierigkeiten geschickt umzugehen wusste. Es macht deshalb wenig Sinn, einzelne lokale Bedingungen oder einzelne Maßnahmen der Projektleitung aufzulisten, zu beschreiben oder zu analysieren, weil der Herforder Erfolg nur aus dem synergetischen Zusammenwirken vielfältiger Faktoren zu erklären ist. Darum werden die Gelingensbedingungen in einer Synopse zusammengefasst. 34 P070012_Brägger_Buch.indd 540 26.01.2008 10:32:38 Uhr Gelingensbedingungen des Herforder Modellprojekts Drei grundlegende Erfolgsfaktoren In den äußeren Sechsecken von Abbildung 7 werden drei grundlegende Erfolgsfaktoren herausgestellt und in jeweils sechs Unterpunkten stichwortartig erläutert : • eine konsequente Zielorientierung, • eine intensive Information und Kommunikation zwischen den Prozessbeteiligten, • eine problemlösungsorientierte Kooperation aller Planungsbeteiligten. Gesundheitsförderung Politischer Wille zum flächendeckenden Ausbau von offenen Stellen Entwicklung von Lernkompetenz Kommunikationsförderung Aufbau von Ganztagszügen Informations- und Gestaltungsworkshops: Lernräume Stand der Pädagogik und der Schularchitektur Informations- und Gestaltungsworkshops: Ganztagespädagogik Studienfahrten Information und Kommunikation Erwerb von Teamfähigkeit Zielorientierung Übernahme kommunaler Verantwortung für die Qualität von Schule Qualitätskriterien für die Raumgestaltung wissenschaftliche Begleitung Synergie als zentraler Erfolgsfaktor freie Architekten Projektsteuerung Kooperation Lehreraustausch Sicherheitsvorschriften Schulleistungen Schulaufsicht Bauverwaltung Kommunale Schul-, Jugendhilfe und Baupolitik Schulverwaltung Abbildung 7 : Gelingensbedingungen des Herforder Modellprojekts Eine besondere Bedeutung haben die beiden Klammern, die ineinandergreifend das mittlere Sechseck bilden. Die Projektsteuerung einerseits und die wissenschaftliche Begleitung andererseits wirken komplementär und sichern die zielorientierte Information und Kommunikation ebenso wie die zielorientierte Kooperation der Planungsbeteiligten. 35 P070012_Brägger_Buch.indd 541 26.01.2008 10:32:38 Uhr Das Herforder Modell 5 Zusammenfassung und Ausblick Die Enge herkömmlicher Klassenzimmer erweist sich als ein Haupthindernis beim Umbau unserer Schulen zu Häusern eines gesundheits - und kommunikationsfördernden Lernens. Bei vorhandenen Schulgebäuden sind grundsätzlich zwei Problemlösungen denkbar, die sich im Idealfall miteinander kombinieren lassen : 1. eine zugleich raumsparende und kommunikationsfördernde Möblierung der vorhandenen Unterrichtsräume, 2. eine Ausweitung des Lern - und Lebensraumes durch räumliche Erweiterungen bzw. zusätzliche Nutzung von Nebenräumen. Maßnahmen einer gesundheits - und kommunikationsfördernden Gestaltung von Lehrer - und Schülerarbeitsplätzen können sich darüber hinaus auf die Bildung dezentraler Reviere für Arbeitseinheiten von ca. 60 bis 100 Schüler beziehen ( z.B. altersgleiche Jahrgangsgruppen oder altersgemischte Züge ). Bei diesem Konzept von kleinen Schulen in der großen Schule gehen schulorganisatorische Maßnahmen der Teambildung mit baulichen Maßnahmen einher ( Teamräume mit vollwertigen Arbeitsplätzen/bauliche Verantwortungsbereiche mit Reviergrenzen ). Räumliche Umgestaltungsmaßnahmen sind kein Selbstzweck, sondern stehen im Dienste einer neuen Lernkultur, bei der der Erwerb von Schlüsselqualifi kationen wie Kommunikations - und Teamfähigkeit – nicht nur aus Gründen des Gesundheitsschutzes – eine besondere Rolle spielt (➡ Teil B ). Die Umgestaltung von Lehrer - und Schülerarbeitsplätzen kann nur dort zu einem erfolgreichen Mittel der Etablierung einer gesundheitsfördernden Lernkultur werden, wo sie mit der Arbeit am Schulprogramm und der Reflexion über die Rolle von Lehrenden und Lernenden einhergeht. 36 P070012_Brägger_Buch.indd 542 26.01.2008 10:32:38 Uhr Gelingensbedingungen des Herforder Modellprojekts Während eine neue Rhythmisierung des Lernens sich zunächst auf eine Veränderung immaterieller Zeitstrukturen beschränken kann, bedeuten räumliche Veränderungen Eingriffe in die vorhandene Materie. Derartige Eingriffe kosten Geld und setzen Investitionsentscheidungen voraus. Diese werden häufig nicht schulintern getroffen, sondern von externen Schulverwaltungsexperten und Baufachleuten, die Schule und Unterricht aus einer anderen Perspektive wahrnehmen als Pädagogen und Pädgoginnen. Eine erfolgreiche Umgestaltung von Schulen und Lernräumen erfordert eine neue Kommunikations - und Planungskultur und setzt eine zielorientierte Verständigungsbereitschaft zwischen Pädagogen, Schulbauplanern und Schulverwaltungsexperten voraus. Am Beispiel der Neu - und Umbaupläne der Stadt Herford wird das Innovationspotenzial erkennbar, das durch eine von Synergie getragene multiprofessionelle Planungsarbeit erwachsen kann. 37 P070012_Brägger_Buch.indd 543 26.01.2008 10:32:38 Uhr Literatur Bildungskommission NRW ( 1995 ) : Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft. Denkschrift der Kommission «Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft» beim Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein - Westfalen. Neuwied : Luchterhand. Buddensiek, W. ( 2001 ) : Zukunftsfähiges Leben in Häusern des Lernens. Göttingen : Verlag Die Werkstatt. Buddensiek, W. ( 2006 ) : Lernräume – analysieren und gestalten. Stuttgart : Deutscher Sparkassenverlag. Capra, F. ( 1996 ) : Lebensnetz. Ein neues Verständnis der lebendigen Welt. Bern : Scherz. Frey, B. ( 2005 ) : Ganztag als kommunale Gestaltungsaufgabe. Ein Praxisbericht aus NRW. Arbeitshilfe 4 der Deutschen Kinder - und Jugendstiftung ( Hrsg. ). Berlin. ‹www.djks.de›. Mandelbrot, B.B. ( 1991 ) : Die fraktale Geometrie der Natur. Basel : Birkhäuser. Mattsson, I. ( 1995 ) : Skola 2000 – Framtidens Skola. In : Skola 2000 ! – en antologi. Stockholm : Skolverket. Watschinger, J. / Kühebacher, J. ( Hrsg. ) ( 2007 ) : Schularchitektur und neue Lernkultur. Neues Lernen – Neue Räume. Bern : h.e.p. 38 P070012_Brägger_Buch.indd 544 26.01.2008 10:32:39 Uhr Inhalt 1 2 3 Begründungszusammenhänge ...................................................... 3 1.1 Gründe und Ziele einer pädagogisch funktionalen Lernraumgestaltung ....................................... 3 1.2 Kommunikations - und Teamfähigkeit als Schlüsselqualifi kationen .................................................. 5 1.3 Der Zusammenhang von Kommunikationsfähigkeit und Gesundheit................................................................... 5 1.4 Kommunikationsfähigkeit durch handlungsorientiertes Lernen erwerben ..................... 7 Problemanalysen und Lösungsansätze ......................................... 9 2.1 Engpass : Bewegungsraum ................................................... 9 2.2 Gruppenarbeitsplätze im Vergleich ...................................... 11 2.3 Die Lärmspirale................................................................... 17 2.4 Qualitätsstandards für gesundheits und kommunikationsfördernde Lernräume ......................... 21 Zusammenfassung und Ausblick .................................................. 25 Literatur ............................................................................................... 27 P070012_Brägger_Buch.indd 178 26.01.2008 10:32:17 Uhr 1 Begründungszusammenhänge 1.1 Gründe und Ziele einer pädagogisch funktionalen Lernraumgestaltung Die Lernraumgestaltung wird hier nicht als architektonischer Selbstzweck, sondern als Mittel zur Etablierung und Förderung einer neuen Lernkultur verstanden. In diesem Sinne ist die Lernraumgestaltung in erster Linie eine funktionale Aufgabe, bei der ästhetische Aspekte allerdings nicht zu kurz kommen dürfen. Gemäß der architektonischen Formel, dass die Form der Funktion folgt, geht es in diesem Beitrag zunächst um den ersten Schritt einer pädagogischen Funktionsbestimmung. Der zweite Schritt – der Formgebung, Materialauswahl und Farbgestaltung – wird durchaus als bedeutsam für das Lernklima und die «Wohlfühlatmosphäre» gesehen, an dieser Stelle jedoch nicht vertieft. Ein Lernraum, der ausschließlich in funktionaler Hinsicht optimiert ist, kann unter Umständen ästhetisch dermaßen abstoßend wirken, dass die Qualität des Lernens darunter erheblich leidet. Andererseits ist aber mit einer vorrangig ästhetischen Umgestaltung vorhandener Räume im Hinblick auf eine neue Lernkultur so lange nichts gewonnen, als die konventionelle Möblierung die Bewegungsspielräume einengt, die Dominanz von Frontalunterricht fördert und die soziale Kommunikation behindert. Eine Lernraumgestaltung, die der Gesundheits - und Kommunikationsförderung dienen soll, muss sich auf der Mikroebene mit der Qualität einzelner Schüler - und Lehrerarbeitsplätze befassen, auf der Mesoebene die gesamte Ausstattung einzelner Räume betrachten und auf der Makroebene danach fragen, wie die einzelnen Lernräume baulich angeordnet und den Fluren, Nebenräumen, Lehrerarbeitsräumen, der Mediothek usw. zugeordnet sind. Abbildung 1 verdeutlicht, dass sich die Gründe und Ziele für eine Um oder Ausgestaltung von Lernräumen aus unterschiedlichen Zusammenhängen ableiten lassen. Die Bedeutung einer gesundheitsfördernden Lernumgebung wächst mit der Länge des Schultages und erhält im Lebensraum einer Ganztagsschule besonderes Gewicht. In «Häusern des Lernens» kann eine angemessene Raumgestaltung der Entwicklung von Lernkompetenz dienen und den Erwerb von Teamfähigkeit unterstützen. 3 P070012_Brägger_Buch.indd 179 26.01.2008 10:32:18 Uhr Lernräume als gesundheits - und kommunikationsfördernde Lebensräume gestalten Eine durchdachte Lernraumgestaltung kann die physische, die psychische und die soziale Gesundheit auf vielerlei Weise fördern. Nicht zuletzt fördert sie die Kommunikationsfähigkeit, die unter Gesundheitsaspekten eine wichtige Rolle spielt, aber in Verbindung mit der Teamfähigkeit auch eine lebensbedeutsame Schlüsselqualifi kation darstellt. Die in Abbildung 1 dargestellten Stichworte bilden keine trennscharfen und analytischen Kategorien, sondern verweisen mit ihren inhaltlichen Überschneidungen auf einen eng vernetzten Begründungszusammenhang für eine «gute und gesunde Schule» ( vgl. Hundeloh et al. 2005 ). Die Schule als (ganztägiger) Lebensraum • von der Belehrungsschule zum «Haus des Lernens» • von der Nachmittagsbetreuung zur rhythmisierten Ganztagsschule • der Lebensraum als Anlass und GegenEntwicklung Erwerb stand eines selbstreflexiven Lernens von Lernkompetenz von Teamfähigkeit • Heterogenität und Altersmischung • vom fremdbestimmten Unter• Teamfähigkeit als berufliche als Chance für die Persönlichricht zu selbstbestimmtem Lernen und private Schlüsselqualifikation keitsentwicklung und als Herausforderung für die • von der Schulmüdigkeit zum • vom Einzelkämpfer zum Teamworker Schulentwicklung Interesse am lebenslangen Lernen • vom Lehrerkollegium zu teilautonomen • Methodenkompetenz und Zeitmanagement multiprofessionellen Pädagogenteams • neue Lernkultur: Individuelle Förderung • von der (gelenkten) Schulklasse zur und Zusammenarbeit (eigenverantwortlichen) Kleingruppe ➡ Anregungsreiche, multimediale ➡ teamorientierte Gestaltung Lernumgebungen von Schüler- und LehrerArbeitsplätzen Gründe, Ziele und (➡) Mittel ➡ Selbstlernzentren einer pädagogisch funktionalen Gesundheitsförderung • physisch, psychisch und sozial bewegendes Lernen • Empowerment und Erfahrung der Selbstwirksamkeit • Entwicklung einer Vertrauenskultur • Rhythmisierung zwischen Spannungsund Entspannungsphasen • gesunde Ernährung und Esskultur ➡ ergonomische, lärmmindernde und flexible Arbeitsplatzund Lernraumgestaltung Lernraumgestaltung Kommunikationsförderung • Konflikt-, Problemlösungsund Kommunikationsfähigkeit als Schlüsselqualifikationen • handlungsorientiertes, sinnstiftendes Lernen in Kleingruppenarbeit • Diskurskultur in Gesprächskreisen ➡ Lärmminderung durch Schallschutz ➡ flexible Möblierung für einen reibungslosen Methodenwechsel ➡ konzentrische Sitzformationen, optimierte Kommunikationsdistanzen Abbildung 1: Begründungszusammenhang einer pädagogisch funktionalen Lernraumgestaltung 4 P070012_Brägger_Buch.indd 180 26.01.2008 10:32:18 Uhr Begründungszusammenhänge 1.2 Kommunikations - und Teamfähigkeit als Schlüsselqualifikationen In einer sich rasch wandelnden Gesellschaft ist ein auf «Vorrat» gelerntes, fachliches Spezialwissen schnell überholt. Stattdessen kommt es vermehrt auf ein lebenslanges Lernen an, bei dem der Erwerb von Schlüsselqualifikationen eine besondere Rolle spielt. Dazu zählen u.a. die Fähigkeit und Bereitschaft, • Konfl ikte ( in der Sache oder zwischen Personen ) zu erkennen, anzunehmen bzw. konstruktiv zu lösen, • Probleme möglichst selbstständig anzupacken und kreative Problemlösungen zu entwickeln, • nicht nur mit Gleichgesinnten, sondern auch mit Andersdenkenden und mit Menschen aus unterschiedlichen Nationalitäten zu kommunizieren, • sich mündlich wie schriftlich mithilfe alter wie neuer Kommunikationsmedien zu verständigen, • mit anderen Menschen sowohl sach - als auch personenbezogen in wechselnden Teams konstruktiv zusammenzuarbeiten. Dieses gesamte Bündel von Schlüsselqualifi kationen wird nachfolgend vereinfacht unter dem Begriff der Kommunikationsfähigkeit zusammengefasst. Die genannten Schlüsselqualifi kationen sind sowohl in der Arbeitswelt als auch im gesamten gesellschaftlichen Leben von grundlegender Bedeutung. Deshalb setzen sich Bildungsexperten bereits seit Längerem dafür ein, dass die Kommunikationsfähigkeit in allen Schulstufen und Schulformen verstärkt gefördert wird. 1.3 Der Zusammenhang von Kommunikationsfähigkeit und Gesundheit Im Rahmen einer guten, gesunden Schule gewinnen die genannten Kompetenzen eine besondere Bedeutung. Vielfach wird eine gesundheitsfördernde Schule bis heute mit gesunder Ernährung und bewegungsfördernden Spiel und Sportangeboten assoziiert. Manche denken auch an ergonomische Möbel, eine schadstofffreie Raumluft, eine schalldämpfende Akustik oder eine angemessene Beleuchtung. Diese Faktoren sind gewiss nicht unbedeutend für die physische Gesundheit. Gesundheitswissenschaftler und Pädagoginnen 5 P070012_Brägger_Buch.indd 181 26.01.2008 10:32:18 Uhr Lernräume als gesundheits - und kommunikationsfördernde Lebensräume gestalten gehen indessen von einem wesentlich weiter gefassten Gesundheitsbegriff aus. Schon 1948 formulierte die Weltgesundheitsorganisation ( WHO ) : «Unter Gesundheit verstehen wir einen Zustand des vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefi ndens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen.» Als Grundbedingungen für Gesundheit wurden auf der WHO - Konferenz von 1986 in der Ottawa - Charta u.a. herausgearbeitet : • ein stabiles Selbstwertgefühl ( das Kinder nur durch soziale Kommunikation aufbauen können ), • Freundschaft und soziale Beziehungen ( die unmittelbar mit der Qualität der Kommunikation zusammenhängen ), • sinnvolle Arbeit und gesunde Arbeitsbedingungen ( die nicht zuletzt vom sozialen Klima und der Qualität der Kommunikationsprozesse abhängen ), • eine lebenswerte Zukunft ( die wir nur gemeinsam durch eine weltweit vernetzte Kommunikation schaffen können ). Kurzum : Zwischen Gesundheit und Kommunikation besteht ein unmittelbarer und unauflösbarer Zusammenhang. Im 21. Jahrhundert lässt sich die Gesundheit der Weltbevölkerung zudem nur sichern, wenn wir einen weltweiten Prozess der nachhaltigen Entwicklung in Gang setzen, wie er von der Uno - Konferenz für Umwelt und Entwicklung im Jahr 1992 in Rio de Janeiro initiiert wurde. Die von 180 Staaten in Rio verabschiedete Agenda 21 fordert die Verbreitung einer Partizipationskultur, die gerade auch von Kindern und Jugendlichen mitgetragen werden soll. «Die Einbeziehung der heutigen Jugend in umwelt - und entwicklungspolitische Entscheidungsprozesse und die Beteiligung an der Umsetzung von Programmen» ( Agenda 21, Kapitel 25.1 ) setzen eine hohe Kommunikationsfähigkeit bei den Jugendlichen voraus. Aus einem weiteren Grund ist die Kommunikationsfähigkeit eine unerlässliche Schlüsselqualifi kation für die Erhaltung der geistigen Gesundheit : Die boomende Informationsgesellschaft droht in der Flut der selbst geschaffenen Informationen unterzugehen, wenn es ihr nicht gelingt, Inseln der Kommunikation zu schaffen, auf denen eine Verständigung über die Bedeutsamkeit und den Sinn der verfügbaren Informationen erzielt wird. Neben der Fähigkeit und Bereitschaft, elektronische Kommunikationsnetzwerke zu nutzen, wird eine verständigungsorientierte Face - to - Face - Kommunikation – allein schon zur Vorbeugung gegen soziales Analphabetentum – eine zunehmend wichtigere kompensatorische und komplementäre Rolle spielen. 6 P070012_Brägger_Buch.indd 182 26.01.2008 10:32:18 Uhr Begründungszusammenhänge 1.4 Kommunikationsfähigkeit durch handlungsorientiertes Lernen erwerben Kommunikationsfähigkeit lässt sich nicht von Lehrenden durch herkömmlichen Frontalunterricht vermitteln, sondern nur durch die Lernenden selbst im Rahmen eines schüler - und handlungsorientierten Unterrichts erwerben. Diese Form des Unterrichts erfordert mindestens dreierlei : 1. Methodenkompetenz Die Lehrkräfte müssen fähig und bereit sein, • die Lernenden zu einem zunehmend selbstständigen Lernen in Einzel - , Partner - oder Gruppenarbeit anzuleiten, • zugleich die Diskursfähigkeit und die Verständigungsbereitschaft im Klassenverband zu fördern, • dabei die Heterogenität der Lerngruppe zu beachten, • Arbeitsaufgaben zu stellen, die den unterschiedlichen Fähigkeiten und Interessen der Lernenden genauso gerecht werden wie dem curricularen Auftrag der Schule. 2. Spezifische Lernmaterialien Der Heterogenität von Lerngruppen kann man pädagogisch nur durch innere Differenzierung und Individualisierung des Lernens gerecht werden. Dies erfordert ein spezielles Angebot an Lernmaterialien, die zum selbstständigen, spielerischen und entdeckenden Lernen anregen und die Selbstkontrolle fördern. 3. Flexibel nutzbare Lernräume Selbstständiges, entdeckendes Lernen in wechselnden Sozialformen setzt einen flexiblen zeitlichen und vor allem räumlichen Rahmen voraus. Der Wechsel der Lernformen – von der Einzel - zur Gruppenarbeit oder zum Gesprächskreis, vom Experimentier - und Basteltisch zum PC - Arbeitsplatz, vom lebendigen Rollenspiel in die ruhige Leseecke oder zum abgeschirmten Stillarbeitsplatz – sollte in einem zukunftsfähigen Lernraum möglichst geräuschlos und ohne großen Aufwand jederzeit möglich sein. 7 P070012_Brägger_Buch.indd 183 26.01.2008 10:32:18 Uhr Lernräume als gesundheits - und kommunikationsfördernde Lebensräume gestalten Die pädagogisch gut begründete Idee eines schüler - und handlungsorientierten Lernens lässt sich nur dort angemessen umsetzen, wo die drei genannten Bedingungen zumindest annähernd erfüllt sind. Zunehmend haben sich Lehrkräfte durch Fortbildungsmaßnahmen methodisch qualifiziert. In günstigen Fällen steht auch ausreichendes Lern - und Freiarbeitsmaterial zur Verfügung. Ansonsten lässt es sich bei ausreichender fi nanzieller Ausstattung der Schulen beschaffen. Häufig aber bleibt ein ungelöstes oder mit den verfügbaren Mitteln nicht lösbares Raumproblem. 8 P070012_Brägger_Buch.indd 184 26.01.2008 10:32:18 Uhr 2 Problemanalysen und Lösungsansätze 2.1 Engpass : Bewegungsraum Unterrichtsräume mit herkömmlichen rechteckigen Partnertischen, wie wir sie in den meisten deutschen Schulen vorfi nden, wurden ursprünglich für den Frontalunterricht konzipiert. Bei der Raumplanung gingen die Bauexperten von etwa 30 still sitzenden Schülerinnen und Schülern aus und ordneten nur dem Lehrerarbeitsplatz eine Bewegungsfläche vor der Tafel zu. Die rechteckigen Möbel - und Grundrissformen waren und sind in Häusern der Belehrung äußerst praktisch, weil die Größe und die Form der Räume wie der Möbel eine linear - rechtwinklige und frontal ausgerichtete Raumgestaltung nahelegen oder aus Platzgründen sogar erzwingen. Für die Zwecke des Frontalunterrichts haben sich 56 bis 63 m 2 große Unterrichtsräume als ausreichend erwiesen, wenn man die Arbeitsplatzbreite für den einzelnen Schüler auf ca. 65 cm begrenzt. Wie aber soll in derart engen Räumen der Wandel vom Haus der Belehrung zum Haus eines bewegten und lebendigen Lernens gelingen ? Wie sollen 25 bis 30 Menschen auf 56 bis 63 m 2 Grundfläche zur gleichen Zeit mit unterschiedlichen Arbeitsmitteln an verschiedenen Themen arbeiten können ? ( Zum Vergleich : Die deutsche Arbeitsstättenverordnung sieht gemäß § 24 ( 1 ) pro Arbeitnehmer eine freie Bewegungsfläche von mindestens 1 m Breite und 1,5 m 2 Größe als «unabdingbares Minimum» vor. ) In der Schule geht es nicht nur um Einzel - und Stillarbeit, sondern um gemeinsames Arbeiten in Gruppen, in denen sich die Kommunikationsfähigkeit der Lernenden auch durch das Austragen von Konfl ikten entwickeln soll ! Wie lassen sich neben einem Lehrerarbeitsplatz beispielsweise fünf Sechsergruppen auf ca. 60 m2 Grundfläche so unterbringen, dass sie sich nicht gegenseitig beim Arbeiten behindern ? Pro Sechsergruppe verbleiben ca. 10 m 2 Fläche, auf der neben einem Gruppentisch auch Regale für Arbeitsmaterialien unterzubringen sind. Ein 10 - m 2- Raum ist für sechs Personen nicht sehr groß bemessen, aber wenn fünf dieser relativ kleinen Räume ohne trennende Wände 9 P070012_Brägger_Buch.indd 185 26.01.2008 10:32:18 Uhr Lernräume als gesundheits - und kommunikationsfördernde Lebensräume gestalten ineinander übergehen, wird es nicht nur in akustischer Hinsicht mit 25 bis 30 Schülern ausgesprochen eng. Die Gruppenarbeit stellt nur eine von verschiedenen Lernformen dar, die für ein gesundheits - und kommunikationsförderndes Lernen als unverzichtbar anzusehen sind. Besonders viel Platz erfordern Kreisgespräche. Bei 30 Schülern benötigt man für den Stuhlkreis einen Mindestdurchmesser von 5,5 m. Für einen entsprechenden Stuhlkreis ist eine Fläche von 24 m 2 erforderlich. Wo steht diese Fläche in einem ca. 60 m 2 großen Raum zur Verfügung, in dem außerdem fünf Arbeitsgruppen unterzubringen sind ? «Klassen ans Netz» lautet die bildungspolitische Devise. Medienecken sind angesagt. Mehrere zumeist großvolumige Röhrenbildschirme plus Tastatur sind zusätzlich in den ohnehin engen Klassenräumen unterzubringen. Offen bleibt allerdings die Frage : Wohin damit bei ca. 60 m2 Grundfläche, fünf Arbeitsgruppen, einem Stuhlkreis mit 24 m 2 Flächenbedarf und 25 bis 30 Menschen, die im Laufe eines Schultages oder einer Unterrichtsstunde mehrfach die Sozialformen wechseln wollen : vom Stuhlkreis zur Gruppenarbeit, von dort zur Einzelarbeit und wieder zurück in die Gruppen ? Die nordrhein - westfälische Bildungskommission «Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft» hat darauf schon 1995 eine plausible Antwort gegeben : «Die Innenarchitektur der Schulen als ‹Häuser des Lernens› muss den veränderten Lernformen entsprechend umgestaltet werden» ( 1995, S. 100 ). Dieser Forderung ist uneingeschränkt zuzustimmen. Erstaunlich nur, dass in der gesamten Denkschrift weder Perspektiven für eine angemessene Raumgestaltung entwickelt noch Hinweise auf grundlegende Gestaltungsschwierigkeiten und Finanzierungsprobleme gegeben werden. Wenn die pädagogisch und bildungspolitisch gut begründete Idee eines «Hauses des Lernens» nicht schon an der Bausubstanz scheitern soll, wird man sich vordringlich um eine angemessene Gestaltung der Lernräume kümmern müssen. 10 P070012_Brägger_Buch.indd 186 26.01.2008 10:32:18 Uhr Problemanalysen und Lösungsansätze 2.2 Gruppenarbeitsplätze im Vergleich Der erste Schritt in Richtung auf ein Haus des Lernens beginnt häufig mit dem Umräumen der Schultische. Für die Gruppenarbeit werden sie zumeist zu einer rechtwinkligen Sechserformation zusammengestellt ( vgl. Abb. 2 ). Fragwürdig ist dieses Vorgehen nicht nur wegen der geringen Sitzabstände zwischen den einzelnen Arbeitsgruppen, sondern vor allem wegen der asymmetrischen Sitz - und Kommunikationsbeziehungen innerhalb der Sechsergruppe. Eine zweite Gestaltungsalternative lässt sich erreichen, wenn die rechtwinkligen Schultische gegen Trapeztische1 ausgetauscht werden ( Kantenmaß mindestens 80 × 160 cm ! ). Mit dieser räumlichen Veränderung werden die Kommunikationsbedingungen innerhalb der Arbeitsgruppen nachhaltig verbessert. Die quantitativen und qualitativen Unterschiede zwischen den beiden Arbeitsplatzformen werden in Abbildung 2 in Form eines zusammenfassenden Vergleichstests einander gegenübergestellt. Der sechseckige Tisch hat sich im Rahmen differenzierter Arbeitsplatzanalysen – auch im Vergleich mit runden Tischen – als idealer Arbeitsplatz für Fünfer - und Sechsergruppen erwiesen. Er wirkt zugleich sozial integrierend und zeigt dem Lehrer frühzeitig an, wo es zu Störungen im Gruppenprozess kommt ( vgl. Buddensiek 2001, S. 208 ). Die diagnostischen und therapeutischen Vorteile des konzentrischen Gruppenarbeitsplatzes gehen allerdings mit einer etwas kleineren Einzelarbeitsfläche einher, die gewöhnungsbedürftig ist. 1 Entscheidend für eine funktionale Lernraumgestaltung sind die hier angegebenen Tischmaße. Für eine flexible Nutzung sollten die beiden 160 cm auseinanderliegenden Tischbeine mit Rollen versehen sein. 11 P070012_Brägger_Buch.indd 187 26.01.2008 10:32:18 Uhr Lernräume als gesundheits - und kommunikationsfördernde Lebensräume gestalten Im Vergleich E • herkömmliche Schultische 50 × 130 cm • Trapeztische 80/80/80/160 cm • Breite Einzelarbeitsplatz F A D A C B F B E C D 65 cm ausreichend > 80 cm > gut • Ellenbogenfreiheit (30 cm von der Tischkante) 65 cm (+ x) mangelhaft (ausreichend) 120 cm gut • Breite des Knieraums (25 cm unter dem Tisch) 50 – 55 cm gut 52 cm gut • Breite des Fußraums (40 cm unter dem Tisch) 50 – 55 cm gut 35 cm ausreichend 0,33 m 2 befriedigend 0,28 m 2 ausreichend • Sitzabstand zur Tischmitte (min–max) 50 – 90 cm mangelhaft 70 cm gut • Blickwinkel zur Tischmitte (min–max) 0°– 50° mangelhaft 0°– 0° sehr gut • Blickwinkel zu den Tischnachbarn (min–max) 0°– 90° mangelhaft 60°– 60° gut • Kommunikationsdistanz* (min–max) 2,0 – 4,5 mangelhaft 2,4 – 2,9 sehr gut • symmetrische/asymmetrische Zweierbeziehung* 18/12 mangelhaft 30/0 sehr gut • Einzelarbeitsfläche • Gruppentische als Diagnose- und Therapieinstrument* vollkommen untauglich hervorragend geeignet Gesamturteil mangelhaft gut * Erläuterungen s. S. 190f. Abbildung 2 : Vergleichstest I : Arbeitstische für Sechsergruppen 12 P070012_Brägger_Buch.indd 188 26.01.2008 10:32:18 Uhr Problemanalysen und Lösungsansätze Im Vergleich • herkömmliche Schultische 50 × 130 cm • flexi 90 ®-Tische 80/80/110 cm • Breite Einzelarbeitsplatz 65 cm ausreichend 110 cm sehr gut • Ellenbogenfreiheit (30 cm von der Tischkante) 65 cm (+ x) mangelhaft (ausreichend) 175 cm sehr gut • Breite des Knieraums (25 cm unter dem Tisch) 50 – 55 cm gut 65 cm sehr gut • Breite des Fußraums (40 cm unter dem Tisch) 50 – 55 cm gut 35 cm ausreichend 0,33 m 2 befriedigend 0,32 m 2 befriedigend • Sitzabstand zur Tischmitte (min–max) 60 cm sehr gut 55 cm sehr gut • Blickwinkel zur Tischmitte (min–max) 33°– 33° befriedigend 0°– 0° sehr gut • Blickwinkel zu den Tischnachbarn (min–max) 0°– 90° mangelhaft 45°– 45° sehr gut • Kommunikationsdistanz* (min–max) 2,0 – 3,0 befriedigend 2,1 – 2,6 sehr gut • symmetrische/asymmetrische Zweierbeziehung* 12/0 sehr gut 12/0 sehr gut • Einzelarbeitsfläche • Gruppentische als Diagnose- und Therapieinstrument* Gesamturteil bedingt tauglich hervorragend geeignet kaum befriedigend sehr gut * Erläuterungen s. S. 190f. Abbildung 3 : Vergleichstest II : Arbeitstische für Vierergruppen 13 P070012_Brägger_Buch.indd 189 26.01.2008 10:32:18 Uhr Lernräume als gesundheits - und kommunikationsfördernde Lebensräume gestalten Erläuterungen zu den Schlüsselbegriffen der Abbildungen 1. Kommunikationsdistanz Die Kommunikationsdistanz ( KD ) ist ein quantitativer Maßstab zur Beurteilung der möblierungsbedingten Kommunikationsbeziehungen zwischen jeweils zwei Personen. Insgesamt niedrige KDs, vor allem aber geringe Unterschiede zwischen KD min und max sind Indikatoren für günstige kommunikative Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz, große Unterschiede in den KDs und asymmetrische Zweierbeziehungen weisen demgegenüber auf möblierungsbedingte Kommunikationshindernisse hin ( vgl. auch die folgende Anmerkung 2 ). In die Berechnung der KD fl ießen sowohl die ( teilweise unterschiedlichen ) Blickwinkel ( BW ) als auch die jeweilige Entfernung ( EF ) ein, in der zwei Personen zueinander sitzen. Ausgehend von einer Grundsitzposition, bei der sämtliche Gruppenmitglieder ohne Verdrehen ihres Körpers an ihren Arbeitsplätzen sitzen, werden BW und EF jeweils von Tischkante zu Tischkante gemessen. Danach wird die KD gemäß folgender Formel errechnet : ( Zwischen zwei einander gegenübersitzenden Personen beträgt der Blick winkel 0°, und der Blickwinkelfaktor liegt bei 1,0. ) Hinweis zur Platzierung von Gruppentischen im Lernraum Um das Störpotenzial zwischen den Arbeitsgruppen zu vermindern, sollte die kleinste Kommunikationsdistanz zu den Nachbargruppen mindestens doppelt so groß sein wie die größte Kommunikationsdistanz innerhalb der Gruppe. Unter günstigen Umständen lässt sich dieser Anspruch mit herkömmlichen Tischen bestenfalls bei Vierergruppen erfüllen. 14 P070012_Brägger_Buch.indd 190 26.01.2008 10:32:18 Uhr Problemanalysen und Lösungsansätze 2. Symmetrische / asymmetrische Zweierbeziehungen Mit der Zahl der Gruppenmitglieder steigt die Zahl der möglichen Zweierbeziehungen sprunghaft an. Asymmetrische Zweierbeziehungen ( gestrichelt dargestellt ) treten ausschließlich in Sechserformationen auf, die mit herkömmlichen rechtwinkligen Tischen gebildet sind. Aufgrund extrem ungünstiger Blickwinkel betreffen sie vor allem die Beziehungen von C – E, D – E, A – F und B – F. Während die Kommunikationsdistanz von F nach B lediglich bei 2,8 liegt, beträgt sie von B nach F 4,5. Damit ist es unwahrscheinlich, dass es zwischen B und F zu einer konstruktiven und andauernden Kommunikationsbeziehung kommt. Sofern F ein sozialer Außenseiter ist, ist es hingegen wahrscheinlich, dass seine Außenseiterrolle durch die dysfunktionale Gruppentischformation verstärkt wird. Menschen, die sich ein besonderes Maß an Beachtung wünschen bzw. die besondere Beachtung benötigen, werden in den Sitzpositionen E und F regelmäßig enttäuscht, weil sie C bzw. B ständig vor Augen haben, von ihnen aber durchweg nicht gesehen werden – es sei denn, sie machen durch ihr ( störendes ) Verhalten auf sich aufmerksam ( vgl. auch Anmerkung 3 ). 3. Gruppentisch als Diagnose - und Therapieinstrument Aufgrund einer konzentrischen, auf die Tischmitte hin fokussierten Sitzposition eignen sich sowohl der sechseckige als auch der quadratische Gruppentisch hervorragend als Instrument zur Diagnose von Kommunikations - und Konzentrationsstörungen. Lernende, die sich aus der konzentrischen Sitzformation zurücknehmen, sind leicht zu erkennen. Sofern sie längere Zeit in dieser Sitzposition verharren, ist eine ( einfühlsame ! ) Klärung der Ursachen angezeigt. Konzentrische Sitzformationen wirken auf der anderen Seite auf ( potenzielle ) Außenseiter integrierend. Es ist nicht leicht, sich der einladenden Geste der Sitzformation zu widersetzen. Insofern können sowohl sechseckige Sechser - als auch quadratische Viererformationen eine therapeutische Funktion bei der Integration sozialer Außenseiter erfüllen. 15 P070012_Brägger_Buch.indd 191 26.01.2008 10:32:18 Uhr Lernräume als gesundheits - und kommunikationsfördernde Lebensräume gestalten Die in der Schulpraxis verbreitete Form von Gruppenarbeitsplätzen, die aus drei rechtwinkligen Partnertischen gebildet werden, weist mehrere gravierende Mängel auf, die zu einer starken Behinderung der gruppeninternen Kommunikation führen. Die geringe Arbeitsplatzbreite schränkt die Ellenbogenfreiheit ein. Die Lernenden sitzen in unterschiedlichen Entfernungen und Blickwinkeln zur Tischmitte, auf die sich der Arbeitsprozess in räumlicher Hinsicht konzentriert. Eine ungünstige Entfernung zu den übrigen Gruppenmitgliedern korrespondiert häufig mit einem ungünstigen Blickwinkel. Die daraus resultierenden großen Kommunikationsdistanzen beeinflussen die Kommunikation nachhaltig negativ und können bis zur sozialen Isolation einzelner Gruppenmitglieder führen ( vgl. auch die Erläuterungen 1 und 2 zu den Abbildungen 2 und 3 ). Von der herkömmlichen Sechserformation ist deshalb dringend abzuraten, sofern sie nicht nur für den Frontalunterricht und die Partnerarbeit genutzt wird, sondern einer konzentrierten Gruppenarbeit dienen soll. Solange Schulen nur über herkömmliche Partnertische verfügen, sind sie gut beraten, wenn sie diese nach Möglichkeit nur zu Vierergruppen zusammenstellen ( vgl. Abb. 3 ). Damit lassen sich nicht nur die gruppeninternen Kommunikationsdistanzen reduzieren, vielmehr entfallen auch die asymmetrischen Zweierbeziehungen, die die herkömmliche Sechserformation besonders problematisch werden lassen. Wesentlich besser lassen sich Vierergruppen allerdings mittels eines neu entwickelten Dreieckstisches2 bilden ( vgl. Abb. 3 ). Dieser entstand aus der Suche nach Schülerarbeitsplätzen, die dem Einzelnen mehr Bewegungsfreiheit geben, eine konzentrierte Gruppenarbeit fördern, die Diagnose von Lernstörungen erleichtern und trotz häufig enger Klassenzimmer einen un® komplizierten Wechsel der Sozialformen zulassen. Als f_90-Tisch ist er mit einer Rolle im vorderen Bein ausgestattet, sodass er sich wie eine Schubkarre problemlos bewegen lässt, wobei er Standfestigkeit durch die beiden anderen Beine erhält. Der Tisch lässt sich auch von Grundschulkindern geräuscharm bewegen und kann in unterschiedlichen Formationen für die Einzel - , Partner - und Gruppenarbeit genutzt werden. Mehrere Tische lassen 2 Dreieckstische in der hier angegebenen Größe werden unter dem eingetragenen Namen f_90 von der Firma kvartet angeboten. Mit ihren vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten werden sie im Internet präsentiert unter ‹www.kvartet.de›. 16 P070012_Brägger_Buch.indd 192 26.01.2008 10:32:18 Uhr Problemanalysen und Lösungsansätze sich zu achteckigen Konferenzformationen unterschiedlichster Größe ( für 8 bis 32 oder mehr Personen ) zusammenschieben. Wo viel Bewegungsfreiheit gefragt ist und die Tische nicht gebraucht werden, lassen sie sich aufgrund ihrer Formgebung und ihres relativ geringen Gewichts hervorragend stapeln. Im Vergleich zu allen anderen Tischformen bieten sie die weitaus größte Arbeitsplatzbreite und Ellenbogenfreiheit. Gegenüber herkömmlichen Gruppentischen halbieren die flexiblen Dreieckstische den Blickwinkel zum Tischnachbarn und tragen damit signifi kant zu einer Verbesserung der Kommunikationsbedingungen bei. Insbesondere kleine und / oder ungünstig zugeschnittene rechtwinklige Räume lassen sich mit diesen Tischen am besten möblieren. Die dreieckige Arbeitsfläche ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig. Beim gleichzeitigen Einsatz großformatiger Hefte und Bücher ist unter Umständen eine Buchstütze angezeigt, die aus ergonomischen Gründen ( zur Entlastung der Nackenmuskulatur ) ohnehin zu empfehlen ist. 2.3 Die Lärmspirale Wo über Wege zu einer gesundheits - und kommunikationsfördernden Schule diskutiert wird, spielt das Thema «Lärmminderung» eine maßgebliche Rolle. «Klassenräume sind Kommunikationsräume – dazu muss man in ihnen aber auch kommunizieren können», formuliert Maria Klatte vom Oldenburger «Institut zur Erforschung von Mensch - Umwelt - Beziehungen» ( zit. nach Goddar 2003, S. 8 ). Ihre Forschungsergebnisse fanden sowohl auf der Fachtagung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ( GEW ) zum Thema «Lärm an Schulen» im Dezember 2003 in Kassel als auch auf dem Kongress der Gemeindeunfallversicherungsverbände ( GUVV ) zum Thema «Gute und gesunde Schule» im November 2004 in Dortmund Gehör. «Die wichtigste Kenngröße der Akustik in Räumen ist die Nachhallzeit. Sie gibt ( in Sekunden ) an, wie lange ein Schallereignis nachklingt. Herrscht in einem Raum eine zu lange Nachhallzeit, so werden beim Sprechen nachfolgende Silben durch den zu langen Abklingvorgang der vorhergehenden verdeckt. Es kommt zu Verzerrungen des Sprachsignals, die die Sprachverständlichkeit verschlechtern» ( Klatte 2005, S. 144 ). 17 P070012_Brägger_Buch.indd 193 26.01.2008 10:32:18 Uhr Lernräume als gesundheits - und kommunikationsfördernde Lebensräume gestalten Bei Kleingruppenarbeit, bei der verschiedene Menschen in mehreren Gruppen gleichzeitig reden, werden die Sprachsignale der einen Gruppe zu Störgeräuschen für alle anderen Gruppen. Um einen für das Sprachverständnis hinreichenden Abstand zwischen Sprachsignal und Störgeräuschen zu wahren, wird in der Gruppe häufig lauter gesprochen, sodass sich wiederum die Störgeräusche für die anderen Gruppen erhöhen. Insbesondere bei einer langen Nachhallzeit kann sich diese Lärmspirale so weit aufschaukeln, dass es zugleich zu einer unerträglichen Lärmbelastung und zu Verständigungsproblemen kommt.3 «Das Lernen in lauten, halligen Räumen wird vor allem durch die schlechte Sprachverständlichkeit behindert. Ist der Störgeräuschpegel relativ zum Sprachsignal zu hoch, werden Sprachlaute durch den Lärm maskiert, und die Information wird falsch oder gar nicht verstanden. Das Gleiche gilt für Sprachsignale, die aufgrund von zu langen Nachhallzeiten verzerrt beim Hörer ankommen. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass Kinder von solchen Störungen wesentlich stärker beeinträchtigt werden als Erwachsene» ( Klatte 2005, S. 145 ). Besonders betroffen sind Kinder, die ohnehin Schwierigkeiten mit dem Sprachverständnis haben, sei es aufgrund von Hörschäden oder weil sie Deutsch als Zweitsprache noch nicht vollständig beherrschen. Kinder im Kindergarten - und Grundschulalter haben besondere Schwierigkeiten, sprachliche Informationen korrekt aufzunehmen und zu verstehen, wenn Störgeräusche vorhanden sind. Außerdem zeigen die Oldenburger Studien, dass die Leistungen des Kurzzeitgedächtnisses von Erst - und Zweitklässlern schlechter wurden, wenn bei Stillarbeit eine Hintergrundsprache mittlerer oder geringer Lautstärke eingegeben wurde. «Diese Erkenntnisse sind für das Thema ‹Lärm in Schulen› von besonderem Interesse, da das Kurzzeitgedächtnis beim Laut - und Schriftspracherwerb eine maßgebliche Rolle spielt. ( … ) Bei Aufgaben, die das sprachliche Kurzzeitgedächtnis erheblich beanspruchen, sollte ganz besonders auf eine ruhige Lernumgebung geachtet werden. Hierzu gehören Lese - und Rechtschreibübungen im Anfangsunterricht, das verstehende Lesen schwieriger Texte durch geübte Leser, das Auswendiglernen, das Kopfrechnen und das Lernen von Vokabeln» ( Klatte 2005, S. 147 ). 3 In einer gut besuchten Gaststätte, in der sich viele Menschen unterhalten, während Musik gespielt wird, lässt sich dieses Phänomen besonders gut beobachten. 18 P070012_Brägger_Buch.indd 194 26.01.2008 10:32:18 Uhr Problemanalysen und Lösungsansätze Eine möglichst ruhige Lernumgebung lässt sich am besten durch Stillarbeit herstellen. Sobald neben der Einzelarbeit aus didaktischen Gründen andere Sozialformen gefragt sind, wird es schwieriger. Partnerarbeit lässt sich noch mit dem Auftrag verknüpfen, leise miteinander zu reden. Bei der Kleingruppenarbeit wird es insofern schwieriger, weil sich mehrere Menschen miteinander abstimmen müssen, wer wann redet bzw. zuhört. Diese soziale Auseinandersetzung kann die inhaltliche Auseinandersetzung überlagern und den Lärmpegel in die Höhe treiben. Eine besondere Herausforderung an die Raumakustik ergibt sich, wenn die Kleingruppenarbeit das leisten soll, was sich viele Bildungsplaner von der Schule der Zukunft erhoffen : ein lebensweltbezogenes Lernen, das die Kommunikationsfähigkeit der Lernenden in Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Konfl iktsituationen erhöht. Dies lässt sich zum Beispiel an einem sozial kundlichen Unterricht illustrieren, der einen konkreten verkehrspolitischen Konfl iktfall als Ausgangspunkt des Lernens nutzt : Eine methodisch versierte Lehrkraft regt ein Rollenspiel an, in dem sich verschiedene Interessengruppen bezüglich der Frage positionieren sollen : «Straßenausbau oder Verbesserung der Eisenbahnanbindung ?» Für diese Lernsituation steht ein Klassenzimmer herkömmlicher Größe zu Verfügung. Zur Vorbereitung auf diese Spielsituation sollen sich sechs Interessengruppen fi nden ( Verkehrspolitiker, Umweltpolitiker, Interessengemeinschaft Gewerbegebiet, Bürgerinitiative der Straßenanwohner, Vertreter der Bahn, Vertreter des Speditionsgewerbes ). Zur Spielvorbereitung sollen diese Gruppen nicht nur ihre eigenen Interessen formulieren, sondern auch die möglichen Argumente der anderen Gruppen bedenken, um daraus – innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens – eine Argumentationsstrategie für eine Konferenzsimulation zu entwickeln. Selbst wenn die Gruppenbildung – mit geübten Schülern – reibungslos klappt, ergeben sich durch die gewählte – und didaktisch gut begründbare – Methode erhebliche Anforderungen an die Raumakustik sowie an das Sprechverhalten der sechs Arbeitsgruppen. Wie lässt sich vermeiden, dass es in dieser Situation zu einer sich aufschaukelnden Lärmspirale kommt ? Eine Antwort auf diese Frage lässt sich aus den Forschungsergebnissen des Instituts für interdisziplinäre Schulforschung an der Universität Bremen ableiten. Dessen Studie zu «Lärm in Bildungsstätten – Ursachen und Minderung» fand sowohl auf dem ersten Gesundheitstag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ( GEW - NRW ) im September 2005 in Münster als 19 P070012_Brägger_Buch.indd 195 26.01.2008 10:32:19 Uhr Lernräume als gesundheits - und kommunikationsfördernde Lebensräume gestalten auch auf vier annähernd zeitgleich durchgeführten Gesundheitstagen des konkurrierenden Verbandes Bildung und Erziehung ( VBE - NRW ) bei den Lehrern großes Interesse ( vgl. Schönwälder et al. 2004 ). Anhand exemplarischer Lärmmessungen einerseits und durch Versuche mit raumakustischer Dämmung andererseits konnte die Bremer Forschungsgruppe zeigen, dass durch technische Schallschutzmaßnahmen eine Reduktion der Nachhallzeit auf unter 0,5 Sek. möglich ist. Damit werden die Vorgaben der neu gefassten DIN 18041 zur «Hörsamkeit in kleinen bis mittelgroßen Räumen» erfüllt. «Die Verbesserung der Schallabsorption in Klassenräumen bedeutet physikalisch eine Reduzierung des Schallpegels um maximal 3 dB(A)» (Schönwälder et al. 2004, S. 5). Bei einem Ausgangswert von 65 bis 70 dB(A) erscheint dieser Wert für physikalische Laien als gering. Die Bremer Forscher verweisen jedoch darauf, dass 3 dB( A ) – aufgrund einer logarithmischen Skalierung – einer Halbierung des Lärmpegels entsprechen. Nach der akustischen Sanierung sank der in den Klassenräumen gemessene Lärmpegel tatsächlich weitaus stärker, nämlich um 6 bis 8 dB( A ). Dieser Effekt ist vor allem auf das Sprechverhalten der Schüler in den sanierten Räumen zurückzuführen. «Wenn alles leiser ist, brauche ich auch nicht mehr so laut zu reden», so die Aussage von Schülern. Diese Wahrnehmung wird durch die Aussage einer Lehrerin noch bestätigt, die nach dem Umzug in die sanierte Klasse sagte : «Ich habe das Gefühl vor einer neuen Klasse zu stehen. Gemeint ist nicht der Klassenraum, sondern die Schülerschaft» ( zit. bei Schönwälder et al. 2004, S. 5f. ). Das Bremer Forschungsteam beschreibt, wie sich die Lärmspirale nach unten drehen lässt. Durch die Verringerung der Nachhallzeit verringert sich der Störgeräuschpegel, und das Sprachsignal ist selbst bei geringerer Lautstärke besser verständlich. Insbesondere bei einer engagierten und konzentrierten Kleingruppenarbeit lässt sich dieser Effekt durch eine optimierte Möblierung weiter verstärken ( vgl. Abschnitt 2.2 ). Wenn die Kommunikationsdistanzen innerhalb einer Gruppe möglichst gering und die Blickkontakte optimiert sind, kann leiser gesprochen werden. Sofern die Kommunikationsdistanzen zwischen den Gruppen möglichst groß sind und es keine unmittelbaren Blickkontakte zwischen den Gruppen gibt, sind die Störgeräusche aus den ( relativ leisen ) Nachbargruppen weniger bedeutsam. Dieser Effekt der Lärmminderung lässt sich durch ein gezieltes Verhaltenstraining von Lehrern und Schülern weiter steigern. Entsprechende Unterrichtsmaterialien fi nden sich im Internet unter ‹http ://www.bzga.de›, ‹http :// www.ganzohrsein.de› sowie ‹http//www.german.hear - it.org›. 20 P070012_Brägger_Buch.indd 196 26.01.2008 10:32:19 Uhr Problemanalysen und Lösungsansätze 2.4 Qualitätsstandards für gesundheits und kommunikationsfördernde Lernräume Auch wenn die Raumakustik ( 2.3 ), die Form der Schultische ( 2.2 ) und die Größe der Lernräume ( 2.1 ) von besonderer Bedeutung für die Qualität von Lernräumen sind, lässt sich diese nicht allein an den drei genannten Faktoren festmachen. Im Rahmen des erziehungs - und arbeitswissenschaftlichen Forschungs - und Entwicklungsprojekts KOLEGE ( KOmmunikationsfördernde LErnraum - GEstaltung ) wurden an der Universität Paderborn Qualitätsstandards ( sowie darauf aufbauende Qualitätschecks ) für eine pädagogisch funktionale Lernraumgestaltung entwickelt, die hier in zusammengefasster Form wiedergegeben werden (vgl. auch Buddensiek 2006, S. 39–56). Entscheidend für die Qualität von Lernräumen sind nicht einzelne Standards, sondern das Zusammenwirken aller Qualitätsmerkmale. 1 Raumgröße und Raumzuschnitt Räume für ein bewegtes und bewegendes Lernen bieten mindestens 2,5 m2 Grundfläche pro Lernenden. Die Raumgröße ist am «Klassenfrequenzhöchstwert» ausgerichtet. Dieser wird vom Kultus- bzw. Schulministerium vorgegeben und kann von Bundesland zu Bundesland bzw. von Schulform zu Schulform variieren. Im Zweifelsfall ist von 30 Lernenden auszugehen. 2 Stellfläche der Schülertische Um eine flexible Lernraumgestaltung für ein bewegtes Lernen zu ermöglichen, liegt die benötigte Stellfläche für die Schülerarbeitstische ( ohne Sonderarbeitsplätze wie Medienecken o. Ä. ) unter 15 Prozent der Raumfläche. 3 Bewegungsfläche am Schülerarbeitsplatz Die regelmäßig über längere Zeit genutzten Schülerarbeitsplätze bieten pro Schüler und Schülerin einen Bewegungsspielraum von mindestens 1 m Breite. Die Bruttobewegungsfläche ( inkl. der Tischfläche ) beträgt mindestens 1,3 m 2, die Nettobewegungsfläche ( ohne Tischfläche ) mindestens 1,0 m 2. 21 P070012_Brägger_Buch.indd 197 26.01.2008 10:32:19 Uhr Lernräume als gesundheits - und kommunikationsfördernde Lebensräume gestalten 4 Aufwand für den Wechsel der Lernformen Ein Wechsel der Lernformen von der Einzel - oder Partnerarbeit zur Gruppenarbeit, von dort zum konzentrierten Kreisgespräch oder zur frontalen Präsentation und umgekehrt ist ohne großen Zeit - und Umräumaufwand sowie ohne Lärmstörungen der benachbarten Klassen jederzeit möglich. 5 Größe und Form des Stuhlkreises Der Lernraum ist ( a ) so zugeschnitten und ( b ) möbliert, dass sich ohne ein Umräumen der Gruppentische ein konzentrischer Stuhlkreis herstellen lässt, in dem die Lernenden, Lehrenden und gegebenenfalls eingeladene Gäste hinreichend Platz fi nden. Je nach Alter, Größe und Bewegungsdrang der Lernenden steht eine Schulterfreiheit von 50 bis 60 cm zur Verfügung. 6 • • • • • 7 • Form der Gruppenarbeitstische In der Grundposition sitzen alle Gruppenmitglieder gleich weit von der eindeutig bestimmbaren Tischmitte entfernt. Alle Gruppenmitglieder können ihren Blick ohne Drehung von Körper und / oder Kopf auf die Tischmitte richten. Keines der Gruppenmitglieder muss sich um mehr als 60° drehen, wenn es den unmittelbaren Nachbarn oder die Nachbarin direkt ansehen will. Alle Schultische haben dasselbe Format, insbesondere eine einheitliche Tischhöhe ( nach schwedischem Vorbild ). Die Tische lassen sich auf Rollen leise im Raum bewegen und sind zugleich standsicher und stapelbar. Anordnung der Gruppenarbeitstische im Raum Die Gruppenarbeitstische sind so im Raum angeordnet, dass zwischen den voll besetzten Gruppen möglichst noch ein freier Durchgang von 1 m Breite verbleibt. Die engste Stelle des freien Durchgangs zwischen zwei voll besetzten Gruppen sollte in keinem Fall unter 60 cm liegen. 22 P070012_Brägger_Buch.indd 198 26.01.2008 10:32:19 Uhr Problemanalysen und Lösungsansätze • Die Kommunikationsdistanzen zwischen den einzelnen Arbeitsgruppen sind dadurch maximiert, dass die Lernenden keinen Blickkontakt zu den Mitgliedern der Nachbargruppe haben ( Blickwinkel mehr als 90° ) und von diesen weiter weg sitzen als von den Mitgliedern der eigenen Gruppe. 8 • Qualität der Schülerstühle Die Schülerstühle ermöglichen ein ergodynamisches Sitzen in zurückgelehnter wie in vorgebeugter Sitzposition. Sie passen zur einheitlichen Tischgröße und lassen sich an verschiedene Körpergrößen anpassen ( Höhenverstellung oder Fußstützen nach schwedischem Vorbild ). Sie bieten eine rutschfeste Sitzfläche ohne Wärmestau. Sie haben ein geringes Gewicht bei hoher Stabilität. Durch eine geringe vordere Breite sind sie stuhlkreisgeeignet. Sie lassen sich am Tisch einhängen und / oder sind stapelbar. • • • • • 9 • • • Schränke, Regale und Fächer Im Lernraum stehen in hinreichender Zahl und Größe Ablagemöglichkeiten zur Verfügung für Lehr - und Lernmaterialien, Schülerprodukte, persönliche Arbeitsmaterialien und Büchertaschen o. Ä. Schränke, Regale und Fächer sind so angeordnet, dass sie den Raum sinnvoll gliedern und eine flexible Nutzung unterstützen. Halbhohe Regalschränke sind mit Rollen ausgestattet und lassen sich zu Steharbeitsinseln zusammenschieben. 10 Präsentationsflächen • Zur Präsentation von ( Gruppen - )Arbeitsergebnissen stehen hinreichende Präsentationsflächen zur Verfügung, die sich so nutzen lassen, dass alle Arbeitsgruppen gleichzeitig ihre Arbeitsergebnisse zusammenstellen können ( flexibles Tafelsystem ! ). • Die von Lehrern und Schülern genutzte Hauptpräsentationsfläche lässt sich so im Raum anordnen, dass sie von allen Lernenden unverzerrt und blendfrei eingesehen werden kann. ( Dazu sollte der Blick mit mindestens 40° auf die Mitte der Fläche treffen. ) 23 P070012_Brägger_Buch.indd 199 26.01.2008 10:32:19 Uhr Lernräume als gesundheits - und kommunikationsfördernde Lebensräume gestalten 11 Medienausstattung • Zur Präsentation visueller und auditiver Medien stehen im Lernraum oder in gut erreichbarer Nähe Fernseher mit DVD - Player und Videorecorder oder PC, Beamer und hinreichende Lautsprecher zur Verfügung. Das Gleiche gilt für einen lichtstarken Tageslichtprojektor. • Der Lernraum ist mit einer angemessenen Projektionsfläche ausgestattet, die von allen problemlos eingesehen werden kann. • Im Lernraum oder in unmittelbarer Nähe befi nden sich vollständig ausgestattete und für die Lernenden jederzeit nutzbare PC - Arbeitsplätze in hinreichender Zahl und ergonomischer Qualität. 12 Raumklima - Faktoren • Die Raumwärme verteilt sich gleichmäßig und zugfrei. Sie lässt sich feinstufig regeln. • Die Raumluft ist frei von Schadstoffen. Bei erhöhter CO2 - Konzentration lässt sich der Raum jederzeit problemlos lüften. • Die Fensterflächen lassen sich bei starker Sonneneinstrahlung verschatten. • Die Luftfeuchtigkeit wird regelmäßig kontrolliert und dem Bedarf angepasst. • Der Geräuschpegel wird durch Akustikdecken u.a. Maßnahmen gedämpft. Die Nachhallzeit liegt unter 0,5 Sek. ( gemäß DIN 18041 ). • Die Beleuchtung lässt sich so steuern, dass alle Arbeitsplätze und Präsentationsflächen bei unzureichendem Tageslicht hinreichend beleuchtet sind. Sie ist so gestaltet, dass sie ein ermüdungsfreies Arbeiten ermöglicht und das Wohlbefi nden unterstützt. • Der PVC - freie Bodenbelag lässt sich jederzeit rückstandslos reinigen und ist frei von Staubmilben. • Der Lernraum ist behaglich eingerichtet und fördert eine Wohlfühlatmosphäre. Raum - und Einrichtungsgegenstände sind in Form und Farbe aufeinander abgestimmt und lassen eine klare Gestaltungslinie erkennen. © Dr. Wilfried Buddensiek, UNI Paderborn, 09 / 2005 24 P070012_Brägger_Buch.indd 200 26.01.2008 10:32:19 Uhr 3 Zusammenfassung und Ausblick Auch wenn die Liste der Qualitätsstandards etliche Detailfragen offenlässt, wird erkennbar, dass die pädagogisch funktionale Lernraumgestaltung eine komplexe Aufgabe ist, die nur bei einem kooperativen Zusammenwirken unterschiedlicher Fachplaner ( für Akustik, Schulmöbel, Medien, Elektroinstallationen, Heizung und Lüftung, Farb - und Raumgestaltung ) zu konstruktiven Lösungen führt. In Abbildung 4 ist das Aufgabenfeld für eine gesundheits - und kommunikationsfördernde Lernraumgestaltung in fünf Punkten zusammengefasst, die in ihrem Zusammenwirken ein Synergiepotenzial für eine neue Lernkultur entfalten können. geringe Nachhallzeiten optimierte Kommunikationsdistanzen Raumakustik Minderung von Störgeräuschen flexible Einzel-/ Gruppen-/ Konferenztischformationen rollbare Regale/ Steharbeitstische flexible Hängetafeln flexible Möbilierung Bewegungsraum flexibles Präsentationssystem multimediale Ausstattung gut einsehbare Projektionsfläche ergodynamische Stühle «Wohlfühlatmosphäre», abgestimmte Materialien und Farben Raumklima variabel steuerbare Beleuchtung nutzerfreundliche Heizungs- und Lüftungstechnik Abbildung 4 : Fünf räumliche Rahmenbedingungen für eine gute und gesunde Schule 25 P070012_Brägger_Buch.indd 201 26.01.2008 10:32:19 Uhr Lernräume als gesundheits - und kommunikationsfördernde Lebensräume gestalten Im Mittelpunkt der Grafi k steht ein hinlänglicher Bewegungsraum, der die Grundvoraussetzung für ein gesundheitsförderndes Lernen und eine flexible Möblierung bildet. Die Qualität der Raumakustik ist die dritte Größe, die für eine pädagogisch funktionale Lernraumgestaltung als grundlegend anzusehen ist. Während diese drei Aspekte ausführlich beleuchtet wurden, wird auf das Potenzial, das ein flexibles Präsentationssystem für ein gesundheitsförderndes Lernen bietet, in einem Werkstattbericht eingegangen, den Sie im Praxisteil C dieser Publikation fi nden ( S. 507 ff. ). Im Gegensatz zu den anderen vier Größen lassen sich für die unterschiedlichen Faktoren des Raumklimas nur wenige allgemeingültige Aussagen treffen. An die Heizungstechnik sind in einer Grundschule beispielsweise andere Anforderungen zu stellen als in einem Gymnasium. Grundschulkinder sitzen oder liegen nicht selten auf dem Boden, während sie lernen, spielen oder sich entspannen. Deshalb ist hier eine Fußbodenheizung angezeigt. Am Gymnasium wären dagegen raumsparende, zwei Meter hohe Flachheizkörper ideal, die sich gleichzeitig als Magnetwände nutzen lassen. Hinsichtlich der Farbgestaltung wird es noch schwieriger, allgemeingültige Aussagen zu treffen. Die Farblehre unterscheidet zwar zwischen warmen und kühlen Farben, wo welche Farben welche Wirkungen erzielen, entscheidet sich allerdings erst im konkreten Raum, in Abhängigkeit vom einfallenden Tageslicht, der eingesetzten Beleuchtung und der psychischen Verfassung der Nutzer. Während es für den Bewegungsraum, die Raumakustik, die Tischformen oder die Tafelsysteme messbare und objektive Kenngrößen und Beurteilungskriterien gibt, erfordert eine angemessene Farbgebung vor allem das subjektive Einfühlungsvermögen und die kompetente Farbberatung vor Ort in Abstimmung mit den Nutzern und Nutzerinnen. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass sich die hier aufgelisteten Qualitätsstandards ausschließlich auf die Mikro - und Mesoebene der Lernraumgestaltung beziehen. Die Makroperspektive einer pädagogisch funktionalen Zuordnung von Lernräumen, Teamarbeitsräumen, Selbstlernbereichen und Nebenräumen wird im bereits erwähnten Werkstattbericht ( s. S. 507 ff. ) anhand eines konkreten Schulbauprojekts thematisiert. Darüber hinaus wird dort gezeigt, wie sich die aufgelisteten Qualitätsstandards im Rahmen von Neu - und Umbauprojekten bei einer konkreten Lernraumgestaltung umsetzen lassen. 26 P070012_Brägger_Buch.indd 202 26.01.2008 10:32:19 Uhr Literatur Barkholz, U. / Paulus, P. ( 1998 ) : Gesundheitsfördernde Schulen. Konzept, Projektergebnisse, Möglichkeiten der Beteiligung. Hamburg : G. Conrad. Bildungskommission NRW ( 1995 ) : Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft. Denkschrift der Kommission «Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft» beim Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein - Westfalen. Neuwied : Luchterhand. Buddensiek, W. ( 2001 ) : Zukunftsfähiges Leben in Häusern des Lernens. Göttingen : Die Werkstatt. Buddensiek, W. (2002): Zukunftsfähige Lernraumgestaltung: In : Herzig, B./ Schwerdt, U. ( Hrsg. ) : Subjekt - oder Sachorientierung in der Didaktik ? – Aktuelle Beiträge zu einem didaktischen Grundproblem ( S. 147 – 161 ). Münster : LIT Verlag ( Paderborner Beiträge zur Unterrichtsforschung und Lehrerbildung, Band 5 ). Buddensiek, W. ( 2003 ) : Die Ganztagsschule als Lern - und Lebensraum – Schularchitektur als dritter Pädagoge. In : Neue Deutsche Schule, Heft 8 / 9, S. 22f. Buddensiek, W. ( 2005 a ) : Lern - und Lebensraum ( Ganztags - )Schule. Schularchitektur als dritter Pädagoge. In : Pluspunkt, Nr. 1. Buddensiek, W. ( 2005 b ) : Lernräume gestalten. In : Hundeloh, H. / Schnabel, G./Yurdatap, N. (Red.) (2005): Kongressdokumentation: Gute und gesunde Schule (S. 137–143). Düsseldorf: Landesunfallkasse NordrheinWestfalen. Buddensiek, W. ( 2006 ) : Lernräume analysieren und gestalten. Stuttgart: Deutscher Sparkassenverlag. Dreier, A., et al. ( 1999 ) : Grundschulen planen, bauen, neu gestalten. Empfehlungen für kindgerechte Lernumwelten. Frankfurt am Main : Grundschulverband – Arbeitskreis Grundschule. Erziehung und Wissenschaft, Heft 7 – 8 / 2003. Themenheft «Lärm», hrsg. von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Gasse, M. ( 2005 ) : Unterrichtsqualität verbessern – Gesundheitsförderliches Lehren und Lernen. In: Hundeloh, H./Schnabel, G./Yurdatap, N. (Red.) (2005): Kongressdokumentation: Gute und gesunde Schule (S. 159–165). Düsseldorf : Landesunfallkasse Nordrhein - Westfalen. 27 P070012_Brägger_Buch.indd 203 26.01.2008 10:32:19 Uhr Lernräume als gesundheits - und kommunikationsfördernde Lebensräume gestalten Goddar, J. (2003): Ohrenbetäubend. In: Erziehung und Wissenschaft, Heft 7/8, S. 6–9 Huber, L. / Kahlert, J. / Klatte, M. ( Hrsg. ) ( 2002 ) : Die akustisch gestaltete Schule. Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht. Hundeloh, H./Schnabel, G./Yurdatap, N. (Red.) (2005): Kongressdokumentation : Gute und gesunde Schule. Düsseldorf : Landesunfallkasse Nordrhein-Westfalen. Jugendhilfe aktuell Heft 3 / 2004. Schwerpunktthema : Offene Ganztagsschule in NRW – ein Erfolgsmodell ? Klatte, M. ( 2005 ) : Lärm – ein Lern - und Gesundheitsproblem ? In : Hundeloh, H. / Schnabel, G. / Yurdatap, N. (Red.) ( 2005 ) : Kongressdokumentation : Gute und gesunde Schule ( S. 144 – 149 ). Düsseldorf : Landesunfallkasse Nordrhein - Westfalen. Klatte, M. / Janott, C. ( 2002 ) : Zur Bedeutung der Sprachverständlichkeit in Klassenräumen – Eine Untersuchung mit Grundschulkindern. In : Huber, L. / Kahlert, J. / Klatte, M. ( Hrsg. ) ( 2002 ) : Die akustisch gestaltete Schule ( S. 74 – 86 ). Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht. Kottmann, L. / Küpper, D. / Pack, R. - P. ( 2005 ) : Bewegungsfreudige Schule. Schulentwicklung bewegt gestalten – Grundlagen, Anregungen, Hilfen. Gütersloh : Bertelsmann Stiftung. Lernende Schule, Heft 20 / 2002. Themenheft «Lern( t )räume», hrsg. von R. Giermes und D. Lindau - Bank. Mandsfelt Eriksen, G. ( 2002 ) : Klassenräume : lernen hoch 7. In : Lernende Schule, Heft 20 / 2002, S. 12 – 15. Meyer, U. / Schäfer, T. ( 2002 ) : Stimmung durch Farbe und Licht. In : Lernende Schule, Heft 20 / 2002, S. 47 – 52. Schönwälder, H. - G. / Berndt, J. / Ströver, F. / Tiesler, G. ( 2004 ) : Lärm in Bildungsstätten – Ursachen und Minderung. Schriftenreihe der BAuA, Fb 1030. Bremerhaven : NW - Verlag. ‹http ://www.baua.de/for/fb04/ fb1030.pdf› ( Zugriff : 1.10.2005 ). Sieland, Bernhard ( 2005 ) : Wer Qualität fordert, muss Lehrergesundheit fördern – Schule zwischen Entwicklungsbedarf und Änderungsresistenz. In: Hundeloh, H./Schnabel, G./Yurdatap, N. (Red.) (2005): Kongressdokumentation : Gute und gesunde Schule ( S. 59 – 75 ). Düsseldorf : Landesunfallkasse Nordrhein - Westfalen. Watschinger, J. / Kühebacher, J. ( Hrsg. ) ( 2007 ) : Schularchitektur und neue Lernkultur. Neues Lernen – Neue Räume. Bern : h.e.p. 28 P070012_Brägger_Buch.indd 204 26.01.2008 10:32:19 Uhr Das Lernfördernde Klassenzimmer Ein Konzept der guten, gesunden Schule Handlungsanleitung für Planer, Schulleiter und Lehrkräfte Herausgeber: Bayerischer Gemeindeunfallversicherungsverband (Bayer. GUVV) Bayerische Landesunfallkasse (Bayer. LUK) Ungererstraße 71 80805 München www.bayerguvv.de mit freundlicher Unterstützung der Bertelsmann Stiftung Carl-Bertelsmann-Straße 256 33311 Gütersloh www.bertelsmann-stiftung.de Autoren: Dr. Elke Frenzel (Dipl. Biologin) Dipl. Ing. Peter Schraml (Architekt) Geschäftsbereich Prävention Bayer. GUVV Gestaltung: Andreas Oft, Via-Redaktion www.grafik-oft.de Fotos: Dr. Elke Frenzel, Peter Schraml, Andreas Oft Druck: Herstellung Mayr Miesbach GmbH Haftungsausschluss In diesem Buch werden Aussagen über die Giftigkeit und Gefährlichkeit von Pflanzen g etroffen. Für die Richtigkeit der Angaben, insbesondere für gesundheitliche Schäden a ufgrund des Verzehrs von in der Broschüre als ungiftig bis gering giftig beschriebenen Pflanzen, wird trotz sorgfältiger Recherche von den Autoren keine Haftung übernommen. I n h a lt s v e r z e i c h n i s Einführung Teil I Wirkung von Pflanzen, Farben und Licht Wirkung von Pflanzen ➡ auf ➡ auf ➡ auf ➡ auf Lärm Luftfeuchtigkeit Luftqualität die Psyche und das Wohlbefinden 4 Wie verwende ich dieses Handbuch? 6 7 Der Leitfaden ist in drei Abschnitte gegliedert. Im ersten Teil werden die positiven Wirkungen von Pflanzen, Farben und Licht, die theo- Wirkung von Farben 12 ➡ Wahl der Farbmenge ➡ Wahl des Farbtons retischen Hintergründe und die Vorteile ihres Einsatzes in Schulen erläutert. Wirkung von Licht Hilfreiche weitere Informationsquellen 16 19 Daran anschließend folgen im zweiten Teil die praktischen Grundlagen für die Gestaltung eines Lernfördernden Klassenzimmers. Dabei Teil II Dank Wir bedanken uns bei Schulleitern, Lehrkräften und Schülern nachstehender Schulen für die tatkräftige Unterstützung bei der Erstellung dieser Handlungsanleitung sowie für die freundliche Zusage zur Veröffentlichung der Bildmaterialien: Anette-von-Droste-Hülshoff-Schule, München Anton-Kliegl-Volksschule, Bad Kissingen Berufsbildungszentrum Münnerstadt Egbert-Gymnasium Münsterschwarzach Grundschule Feldbergstraße, München Mädchenrealschule Volkach Ein lernförderndes Klassenzimmer in der Praxis Die Grundlagen 20 21 Schulen von B edeutung sind, aufgegriffen so- ➡ Schüler gestalten und pflegen selbst ➡ Auswahlkriterien für Pflanzen ➡ Verwendetes Pflanzsubstrat ➡ Pflanzenanzahl ➡ Pflanzgefäße ➡ Auswahl Pflanzenstandort ➡ Auswahl der Farbe ➡ Lasierender, strukturierter Farbauftrag ➡ Auswahl der zu streichenden Wand ➡ Auswahl der Leuchtmittel wie Lösungen und Maßnahmen präsentiert. Der dritte Abschnitt enthält eine Materialsammlung für die praktische Umsetzung, z.B. Die Organisation ➡ Nutzer und Betroffene werden zu Beteiligten ➡ Der Ablauf Wie geht´s weiter 30 35 Volksschule Rödental-Oeslau Volksschule Wörthsee und Licht. Außerdem werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie man die Schüler an das Projekt Staatliche Realschule Naila Volksschule Giebelstadt einen „Masterplan“ für die Organisation einer Klassenzimmergestaltung mit Pflanzen, Farbe Realschule Coburg I Staatliche Wirtschaftsschule Hof werden insbesondere Kriterien, die speziell in heranführt und welche Tätigkeiten Schüler im Teil III Praktische Tipps Nachhaltigkeit erzeugen Troubleshooting / FAQs Pflanzen und Pflegeanleitungen Pflanzenporträts Bekämpfung von Pflanzenschädlingen Rezepte, Rezepte, Rezepte Gestaltungsbeispiel 36 37 40 44 48 57 58 62 3 Vorfeld erledigen können. Troubleshooting und FAQs rund ums Lernfördernde Klassenzimmer und die TOP 8-Liste zu empfehlender „SchulPflanzen“ mit Pflegeanleitungen ergänzen diesen Teil. Einführung Das Lernfördernde Klassenzimmer Wie Pflanzen, Farben und Licht in Schulen Lernprozesse unterstützen. Ein Ansatz der guten gesunden Schule. und damit die Lernbedingungen wesentlich bestimmt, wird es (nach den Schülern und Lehrkräften selbst) auch als „der dritte Lehrer/Pädagoge“ bezeichnet (Walden & Borrelbach, 2002). Es ist unbestritten, dass sich die Raumverhältnisse nicht nur auf das Wohlbefinden, sondern auch auf das Verhalten und die Leistungsfähigkeit von Lehrern und Schülern auswirken (Schaarschmidt, 2004). Zukunftsweisende Schulen berücksichtigen diese Aspekte bei der Gestaltung ihrer Freiflächen und Räume. Leider sind aber monotone Gänge, graue Wände, kleine Klassenzimmer ohne Strukturierung oder fehlende Rückzugsmöglichkeiten für Schüler oder Lehrkräfte - auch in neu geplanten Schulen – nach wie vor keine Seltenheit (siehe Abbil dung Seite 5). Einführung Diese räumlichen Bedingungen fördern statt des Lernens Stress, aggressives Verhalten und Vandalismus und beeinträchtigen letztendlich auch die Leistungsfähigkeit. In solchen Klassenzimmern lernt und lehrt niemand gern. Insbesondere vor dem Hintergrund der Einführung von Ganztagsschulen sollten die Verantwortlichen für deren Planung und Umsetzung das Augenmerk vermehrt auf die Schaffung und Gestaltung einer ange- In der guten gesunden Schule werden das Schulgelände, Schulgebäude und Klassenzimmer als Orte des Lernens und Lebens verstanden. Sie sind Lebensräume für Kinder und Jugendliche, die hier einen wesentlichen Teil ihrer Zeit verbringen. Da das Schulgebäude mit seinen Räumlichkeiten und den sich daraus ergebenden Bedingungen das Lernumfeld 4 Die Anforderungen an das System Schule haben sich in den vergangenen Jahren stark geändert. nehmen Lernatmosphäre in der Lebenswelt Schule richten (vgl. Module „Schule – Gebäude – Freiflächen – Gesundheit / Prima Klima Heft IV). Von grundlegender Bedeutung ist es, unter welchen Bedingungen sich Lehrkräfte und Schüler wohlfühlen. Eine ansprechende Einrichtung sowie farblich einladend gestaltete Wände und angenehmes Licht schaffen Wohlbefinden und Behaglichkeit. Ein weiteres wesentliches Element stellen Zimmerpflanzen dar. Man findet heute kaum eine Wohnung oder auch Arbeitsräume ohne Zimmerpflanzen. Pflanzen gehören einfach zum Wohnen und Leben dazu. Sie sind ein Teil der Einrichtung; ohne sie würde etwas fehlen. Allerdings existierten für Schulen noch keine Handlungsanleitungen für eine effektive und „schultaugliche“ Innenraumbegrünung. Aufgrund der Besonderheiten im Schulbereich ergeben sich zusätzliche Anforderungen, denen Rechnung getragen werden muss. Dies gilt beispielsweise für die Auswahl der Pflanzen oder auch organisatorische Regelungen. So erfolgt die Innenraumbegrünung in Büroräumen in den meisten Fällen durch Gärtnereifachbetriebe. Hier wählen Fachleute die Pflanzen aus und übernehmen auch die zukünftige Pflege. Dies ist in Schulen aufgrund des engen finanziellen Rahmens weder möglich noch ist es gewünscht. Gerade die Pflege der Pflanzen durch die Schüler stellt nämlich in den Schulen einen wichtigen gesundheitsförderlichen und pädagogischen Aspekt dar. Diese Broschüre dient daher als Handlungsleitfaden für die Gestaltung eines angenehmes Lernumfeldes, oder anders ausgedrückt: eines Lernfördernden Klassenzimmers. Dabei wird auf die praktischen Erfahrungen aus mehreren Umgestaltungen in Schulen zurückgegriffen. In vielen Büroräumen werden gezielt Pflanzen eingesetzt, um das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu verbessern und ihre Motivation und Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Diese Erkenntnis hat den Bayerischen Gemeindeunfallversicherungsverband dazu veranlasst, im Rahmen des Projekts Anschub.de zu erproben, wie sich eine Begrünung und Farbgestaltung des Klassenzimmers auf das Lernen und Leben auswirkt. Verschiedene Schulen, u.a. in Bad Kissingen, Coburg und im Raum München, haben bereits begonnen, die positive Wirkung von Pflanzen zu nutzen. 5 Wirkung von Teil I: Pflanzen Pflanzen | Farben | Licht Die Wirkung von Pflanzen, Farben und Licht – ein Überblick Einführung In diesem Teil der Broschüre finden Sie eine kurze Einführung zur Wirkung von Pflanzen, Farbe und Licht auf den Menschen bzw. deren positiven Effekte auf die Atmosphäre im Klasse immer. Die Informationen aus diesem Abschnitt können Sie als Grundlage verwenden, wenn Sie diesen Ansatz im Lehrerkollegium besprechen möchten oder wenn Sie die Unterrichtseinheiten „Wirkung von Pflanzen, Farbe und Licht“ vorbereiten. Am Ende dieses Abschnitts finden Sie eine Zusammenstellung weiterführender Literatur sowie informative Internetadressen. 6 Wirkung von Pflanzen... Die positive Wirkung von Pflanzen auf Räume und damit auf das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der sich darin aufhaltenden Menschen ist unbestritten und durch mehrere Untersuchungen belegt (Fjeld, 2000/Kötter, 2000). Es ist erwiesen, dass die objektiv messbaren Wirkungen einer Innenraumbegrünung (physikalische und chemische Größen wie Lärmpegel oder Schadstoffe, naturwissenschaftlicher Aspekt) mit der subjektiven Wirkung von Pflanzen auf den Menschen (psychologischer Aspekt) zusammenspielen. Die Abbildung auf Seite 10 zeigt schematisch die „Behaglichkeitskomponenten“, die durch Pflanzen positiv beeinflusst werden können. Sind mehrere Komponenten in einer ungünstigen Konstellation gegeben, erscheint uns ein Raum unbehaglich. Diese Empfindungen sind nie nur einem einzigen Behaglichkeitsfaktor zuzuordnen. Oft handelt es sich dabei um die kumulative Wirkung von Einzelfaktoren, die für sich allein genommen als gerade noch tolerierbar erscheinen. Wenn diese Komponenten so zusammenwirken, dass „alles im grünen Bereich ist“, fühlen Menschen sich in einem Raum wohl. ... auf Lärm Ein zu hoher Lärmpegel und zu lange Nachhallzeiten stellen in Schulräumen ein großes Problem dar. Pflanzen können einen wesentlichen Beitrag zur Schalldämmung und somit zur Verbesserung der Raumakustik leisten. Für das subjektive Wohlbefinden in Räumen sind insbesondere die Frequenzen zwischen 250 und 4.000 Hz von Bedeutung. Gerade in diesen Frequenzbereichen können Pflanzen sehr effektiv Schall absorbieren. Dies zeigten Messungen der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau Essen. So konnten neun Pflanzen der Art Ficus benjamini (Wachshöhe ca. 1,80 m) in einem 30 m2 großen Raum etwa 25 % der insgesamt erforderlichen Schalldämmung erzielen. Im Vergleich dargestellt entsprechen drei dieser Pflanzen etwa 5 m2 Gardinen bzw. Stoffbahnen in ihrer schall schluckenden Wirkung (Veth, 1998). Die Gestaltung von Klassenzimmern mit Pflanzen kann daher als eine bislang zwar wenig bekannte, aber – wie die Untersuchungen zeigen – eine lärmreduzierende und eine ästhetisch ansprechende Maßnahme in Unterrichtsräumen gesehen werden. Wirkung von Pflanzen ... auf Luftfeuchtigkeit ... auf Luftqualität Gerade in den Wintermonaten bereitet die niedrige Luftfeuchtigkeit in geheizten Räumen immer wieder gesundheitliche Probleme für Schüler und Lehrkräfte. Messungen haben gezeigt, dass sich die entsprechenden Werte in den meisten Klassenzimmern von Oktober bis März zwischen 15 und 30 %bewegen (optimal wären dagegen 40 bis 65 %). Gerade in Unterrichtsräumen, in denen viel gesprochen wird, sind die Auswirkungen von zu trockener Luft besonders stark. Bei zu niedriger Luftfeuchtigkeit besteht die Gefahr, dass Schleimhäute in Mund, Nase und Rachen austrocknen. Die Folge davon ist eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Erkältungskrankheiten oder eine Zunahme der Beschwerden bei Allergikern und Asthmatikern. Pflanzen geben etwa 97 % des Gießwassers durch ihre Transpirationsleistung an ihre Umgebung ab. Grünpflanzen mit hohen Transpirationsleistungen können auf diese Weise auch im Winter die Luftfeuchtigkeit auf natürliche Art im komfortablen Bereich halten. Dies wirkt präventiv auf die o.g. Gesundheitsgefährdungen. Die Wirkung von Pflanzen bei der Reduktion von Schadstoffen in der Raumluft wird seit den 80er Jahren publiziert. Häufig wird in diesem Zusammenhang der Begriff „die GrüneLeber-Funktion“ verwendet. So entdeckte Dr. B. C. Wolverton während seiner Forschungstätigkeit für die NASA, dass bestimmte Grünpflanzen Schadstoffe aus der Luft filtern können und so die Atemluft verbessern (Wolverton, 1996). Viele flüchtige organische Schadstoffe wie Formaldehyd, Aceton, Toluol usw. gelangen aus Möbeln und Baumaterialien in die Raumluft und können beim Menschen zu Kopfschmerzen, Allergien, Hautausschlägen o.ä. führen. Mit Pflanzen kann stark belastete Raumluft zwar nicht in „gesunde“ Luft verwandeln werden, aber Pflanzen sind in der Lage, Schadstoffe in der Raumluft messbar zu verringern. Weiterhin sind Pflanzen in der Lage, Staub zu binden. Dieser Effekt lässt sich bereits mit bloßem Auge bei größeren Staubpartikeln erkennen: Pflanzen „verstauben“. Dies ist nicht nur bei Zimmerpflanzen zu sehen, sondern lässt sich auch deutlich bei Bäumen oder Sträuchern an vielbefahrenen Straßen erkennen. Zusätzlich sorgt eine (aufgrund von Pflanzen) erhöhte Luftfeuchtigkeit für bessere Staubbindung. Staub selbst ist hygroskopisch – er zieht Wasser an. Ab ca. 40 % Luftfeuchtigkeit sinkt der wassergesättigte Staub zu Boden und kann bei einer Bodenreinigung leichter entfernt werden (Radtke, 2000). 8 also nur in einem sehr geringen Umfang in der Lage, die CO2-Konzentration in Innenräumen zu reduzieren. Sie ersetzen keine effektive Fensterlüftung (Stoß- bzw. Querlüftung!), können aber durchaus zu einer Verbesserung der Raumluftqualität beitragen. ... auf die Psyche und das Wohlbefinden Untersuchungen belegen: Menschen fühlen sich von lebendem Grün angezogen und empfinden Behaglichkeit und Ausgeglichenheit in der Umgebung von Pflanzen. Die Frage, warum das so ist, erklärt unter anderem die so genannte Erregungstheorie: Der Mensch befindet sich in der modernen, von hoher Komplexität gekennzeichneten und mit vielen visuellen Reizen ausgestatteten Zivilisation ständig in einem hohen Erregungszustand. Diese Situation löst dauerhaft beim „Positive Effekte für die Menschen ErmüdungsAtmosphäre erscheinungen aus und im Klassenzimmer“ erzeugt Stress. Visuelle Reize niedriger Komplexität, wie beispielsweise die Betrachtung von Pflanzen, wirken dagegen entspannend und stressreduzierend. Zudem scheint die grüne Färbung der Pflanzen dabei eine wichtige Rolle zu spielen. So empfehlen Farbpsychologen die Farbe Grün zum Abbau von Stress, Angst und Aggressionen. Vermutlich ist Grün für das menschliche Auge deswegen entspannend, da es in diesem Spektralbereich die höchste Empfindlichkeit aufweist. Es ist daher In Schulen wird häufig die Frage nach Kohlendioxidbelastungen diskutiert. Pflanzen verbrauchen bei der Photosynthese Kohlendioxid und setzen Sauerstoff frei. Dieser Punkt wird bei den Vorteilen einer Innenraumbegrünung immer wieder aufgeführt. Bei der Begrünung von Klassenzimmern muss allerdings die Frage nach der Quantität dieser Wirkung gestellt werden. Rechenbeispiele zeigen, dass etwa 30 Schefflera arboricola (Wuchshöhe ca. 1,5 m) in einem Raum vorhanden sein müssen, um die Menge Kohlendioxid zu verbrauchen, die ein arbeitender Mensch produziert. Pflanzen sind 9 Wirkung von Pflanzen Kur zinfo Pflanzen wirken auf mehrere Behaglich keitsfaktoren Psyche und Wohlbefinden Studien zur stressreduzierenden Wirkung von Pflanzen aus dem Krankenhaus entlassen als eine entsprechende Vergleichsgruppe, die statt Pflanzen eine Ziegelmauer im Blickfeld hatte (Ulrich, 1984). Optische Einflüsse Lärm Luftqualität CO2 Schadstoffe Luftfeuchtigkeit Muskelanspannung gesenkt werden konnnicht verwunderlich, dass in der semantischen ten, wenn sie mit Pflanzen in Kontakt kamen Anwendung der Farben Grün als Synonym für (Veth, 1998). Sicherheit verwendet wird. Grün gekennzeichnete Sektoren sind gefahrlos, die grüne Ampel Erholt sich der Körper von Stresseinflüssen, zeigt an, dass wir ohne Bedenken weiterfahren sinken Angst, Aggressionen oder auch Niederkönnen und nicht zuletzt dienen uns grüne Pikgeschlagenheit. Der Mensch kann aufatmen und sich regenerieren. togramme als hilfreiche SiDass insbesondere opgnale, denen wir in NotMit Pflanzen tische Eindrücke und fällen folgen können (z.B. in den psychologische HinFluchtweg, Erste Hilfe). grünen Bereich" " tergründe für die posiDer Umgang mit Pflanzen wirkt als Gegenpol zum Stress der modernen tive Wirkung von Pflanzen ausschlaggebend Zivilisation. Interessanterweise haben Studien sind, zeigte eine amerikanische Krankenhausgezeigt, dass bei „gestressten“ Menschen alle studie: Patienten, die aus ihrem Fenster auf medizinischen Stressparameter wie beispielsgrüne Vegetation blicken konnten, benötigten weise Blutdruck, Leitfähigkeit der Haut oder weniger Schmerzmittel und wurden schneller 10 Menschen, die unter Stress stehen, zeigen unterschiedliche Reaktionen bzw. Symptome. Dazu zählen u.a. Schlaflosigkeit, Aggressivität, Angst oder Wut sowie bestimmte physiologi sche Reaktionen wie erhöhter Blutdruck, Mus kelverspannung oder die Bildung von Stress hormonen. Der amerikanische Wissenschaftler und Direk tor des Center for Health Systems and Design Roger S. Ulrich beschäftigt sich in seinen For schungsarbeiten und Projekten mit den Einflüs sen, die der visuelle Kontakt von Pflanzen auf Stress und Gesundheit des Menschen hat. Er untersucht dabei verstärkt die physiologischen Reaktionen der Probanden, um so einen tieferen Einblick in den Stressabbau zu erhalten. So konfrontierte Roger S. Ulrich in einem Expe riment 120 Versuchspersonen mit einem stress erzeugenden Film. Anschließend wurden die Testpersonen für eine "Regenerationszeit" ein geteilt, während der sie Videobänder mit entwe der städtischer Umgebung ohne Natur oder na türlicher Umgebung sahen. Messungen der Leit fähigkeit der Haut, der Muskelspannung, der Pulskurve und der Herzfrequenz zeigten deut lich, dass die Versuchspersonen Spannungen schneller und vollständiger abbauten, wenn Ih nen Darstellungen natürlicher Umgebungen vor geführt wurden. Dies ließ sich an der schnelle ren und stärkeren Blutdrucksenkung, der Sen kung der Muskelspannung und der Leitfähigkeit der Haut ablesen. Ein weiterer interessanter Be fund der Untersuchung war die Geschwindig keit, mit der diese Regeneration erfolgte. Nach weniger als fünf Minuten visuellen Kontakts mit Bildern üppiger Vegetation zeigte sich anhand der Messwerte ein deutlicher Spannungsabbau. Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass Pflanzen neben ihrer stressreduzierenden auch eine konzentrationsfördernde Wirkung haben. Eine Studie, die speziell in Schulen dazu durchgeführt wurde, ergab, dass die Schüler – neben einer Verringerung ihrer gesundheitlichen Beschwerden – gleichzeitig in bepflanzten Räumen eine um 23 % höhere Konzentrationsfähigkeit aufwiesen als Schüler in der Kontrollgruppe (Fjeld, 2000). Arbeitspsychologen erklären dies folgendermaßen: Ein ständiges Arbeiten auf Top-Level ist nicht möglich. In einem begrünten Raum kann der Blick kurzzeitig von der Arbeit auf das entspannende Grün schweifen, wobei diese kurzen Momente der Entspannung und Entlastung dazu führen, dass man konzentrierter an die eigentliche Kernarbeit zurückkehrt. Die entspannende Wirkung von Pflanzen wird inzwischen bei der Therapie von Kindern mit Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) genutzt. Es konnte gezeigt werden, dass durch Kontakt mit Pflanzen und der Natur diese Kinder wieder ruhiger und aufnahmefähiger wurden. Neben dem Einsatz von Pflanzen erreicht das Lernfördernde Klassenzimmer seine Wirkung auch durch den gezielten Einsatz von Farben. Der nun folgende Teil beschäftigt sich ausführlich mit diesem Thema. 11 Wirkung von Farbe Wirkung von Farbe D i e Fa r b s k a l a Gelbe Farbe verleiht dem Raum eine positive, sonnige und heitere Atmosphäre. Kleine Räume, die gelb gestrichen werden, erscheinen größer. Die Farbe Gelb wirkt auf den Geist anregend und belebend und ist somit gut für Räume geeignet, in denen gelernt wird. Gelb fördert die Konzentration und die Lernbegeisterung. Gelb wirkt kommunikationsfördernd und beeinflusst das Gedächtnis positiv. Auch die Farbe Orange erzeugt eine freundliche und gelöste Atmosphäre im Raum. Sie strahlt Wärme und Behaglichkeit aus. Wie auch Gelb ist sie eine „kommunikative“ Farbe, die Gespräche, soziale Interaktionen und die Arbeitsfreude fördert. Sie ist – ebenso wie gelb – ideal geeignet für Nordzimmer bzw. Räume mit zu wenig Sonne. Orange fördert auch den Appetit und ist daher ideal für Küchen oder Räume, in denen gegessen wird. ot ist die dynamischste Farbe. Rot wirkt allgemein stimulierend und regt R physisch und psychisch an. Die Farbe erhöht den Stoffwechsel und fördert die Durchblutung im Körper. Damit im Raum kein bedrängender aggressiver Charakter entsteht, darf rot nur akzentuierend eingesetzt werden. Auch sollte auf die Intensität des Rottons geachtet werden. Am besten kommen warme Rottöne zur Anwendung. Rot wirkt ebenso wie orange appetitanregend. Einführung Farben lösen beim Betrachter unwillkürlich Gefühle und Assoziationen aus und können auf diese Weise Stimmungen verändern oder unbewusste Reaktionen hervorrufen. Jede Farbe hat – neben individuellen Vorlieben oder Abneigungen - ihre eigene Assoziation und Wirkung, die für die meisten Menschen Gültigkeit hat. Das Wissen um diese Wirkung kann bei einer Raumgestaltung berücksichtigt werden. In der Farb psychologie werden den unterschiedlichen Farben einzelne Wirkungen zugeordnet. Allerdings gehören zu einer Farbbezeichnung immer mehrere Farbtöne und Farb nuancen – blau ist nicht gleich „blau“. 12 laue Farben wirken in der Regel kühl. Blau kann daher in hellen Südzimmern, B die sich im Sommer schnell aufheizen, ausgleichend wirken. Es kann aber einem Raum auch zu viel Kühle geben. Blau gestaltete Räume wirken häufig „unnahbar“. Blau ist die Farbe der Entspannung, der Ruhe und der Ausgeglichenheit. Es eignet sich daher – vorsichtig eingesetzt – ideal für Schlafzimmer oder in Schulen, in so genannte „Orte der Stille“. rün hat eine beruhigende Wirkung. Es sorgt für Ausgleich, Sicherheit und HarmoG nie. Grün hat einen regenerierenden Einfluss auf den Organismus und weckt die Kreativität. Ein grüner Raum kann erholsam und vitalisierend, beruhigend und sogar lärmdämpfend wirken. Intensive Grüntöne sind großflächig mit Vorsicht einzusetzen, da sie aufgrund der Reflexionen die Haufarbe ungesund aussehen lassen. 13 gelb orange rot blau grün Wirkung von Farbe Die Wahl der Farbmenge Bei Farben gilt: Weniger ist mehr! Sind mehrere oder sogar alle Wände eines Zimmers in einer Farbe gestaltet, so kann schnell ein beklemmender Eindruck entstehen. Die Farbe „erschlägt“ dann den Betrachter und die ursprüngliche positive Wirkung wird gemindert. Bei der Anwendung unterschiedlicher Farben in einem Raum muss zusätzlich noch beachtet werden, dass sich der Eindruck eines Farbtons durch eine farbige Umgebung beträchtlich verändern kann (sog. Simultaneffekt). Farbe muss daher gezielt und dosiert eingesetzt werden, damit die beabsichtigte positive Wirkung auch erreicht werden kann. Die Wahl der Farbtons Wenn man sich für den Einsatz von Farbe im Klassenzimmer entschieden hat, steht man vor der Frage, welcher Farbton verwendet werden soll. Wie die Tabelle auf Seite 15 zeigt, gibt die Farbpsychologie hierzu eine Vielzahl von unterschiedlichen Bedeutungen, Wirkungen und Begründungen vor (siehe auch Kraaz von Rohr; Braem, 1989). Bei allen Gestaltungen ist wichtig, dass sich die gewählte Farbe harmonisch in die Umgebung fügt und mit Bodenbelag, Decke und anderen raumgestaltenden Elementen einen Einklang bildet. Zu viele Farben inner- 14 halb eines Raumes stören, lenken ab und wirken daher nicht konzentrationsfördernd. Unabhängig davon sollten im Klassenzimmer möglichst warme Farben, im Wesentlichen aus dem Spektrum von gelb über orange bis hin zu einem kräftigen, gedeckten Rotton zum Einsatz kommen. Diese Farben wirken strahlend und raumweitend, erzeugen ein positives Lebensgefühl und verbreiten eine freundliche Atmosphäre, die mit dem Grün der verwendeten Pflanzen harmoniert. Grüne Wandfarbe sollte in Hinblick auf den Dreiklang aus Pflanzen, Farbe und Licht nicht verwendet werden, da bei grünen Pflanzen vor einer grünen Wand beides deutlich an Wirkung verliert. Die Präferenz von gelb oder orange für das Klassenzimmer wurden im Verlauf der Vorbereitung auf das Lernfördernde Klassenzimmer von vielen Schülern bestätigt. Das imaginäre Spiel- oder Hausaufgabenzimmer der Schüler war immer in einem Gelb oder Orangeton gestaltet. An dieser Stelle wird deutlich, wie wichtig die Beteiligung der Schüler bei der Farbauswahl ist. Allerdings unterscheiden Kinder im Grundschulalter nicht zwischen der ersten Begeisterung für eine Farbe und dem sich ständigen Umgeben mit einer Farbe. In dieser Altersstufe können Kinder daher nur bedingt an der Farbauswahl beteiligt werden. Farbtendenzen (gelb, orange etc.) sollten allerdings Berücksichtigung finden. 15 Wirkung von L icht Wirkung von Licht Wirkung von Licht auf den Menschen Bei Pflanzen und Tieren wird zwischenzeitlich akzeptiert, dass für deren Gesunderhaltung und Wachstum in Innenräumen eine ausreichende künstliche Beleuchtung erforderlich ist, die eine dem Sonnenlicht möglichst ähnliche spektrale Zusammensetzung aufweist. Wenn der Ficus in der dunklen Wohnzimmerecke die Blätter fallen lässt, wird er mit Pflanzleuchten versorgt. Für die menschliche Gesundheit spielen diese Überlegungen bislang keine Rolle. In der Regel werden in Schulen und Arbeitsräumen Leuchtstoffröhren eingesetzt, die in ihrem Licht nur einen geringen Teil des natürlichen Spektrums wiedergeben. Daher leiden in unseren Breitengraden einige Menschen an Lichtmangel, obwohl inzwischen nahezu überall Licht auf Knopfdruck verfügbar ist. Licht ist für das Leben unverzichtbar. Ohne Licht kann kein Leben entstehen, keine Pflanze wachsen. Auch Menschen werden durch Licht bzw. Tageslicht beeinflusst. Der menschliche Organismus hat sich an das im Tagesverlauf ändernde Licht, den Rhythmus von Tag und Nacht, im Laufe der Evolution angepasst. So wirken die verschiedenen Helligkeiten, Licht richtungen und Lichtfarben des Tageslichts auf den Menschen unterschiedlich stimulierend. Den größten Teil des Lichts nimmt der Mensch über die Augen auf, aber ebenso gelangt Licht über die Haut in den Körper. Bekannt und nachgewiesen sind die positiven Auswirkungen von Licht bei Winterdepressionen, bei Hautkrankheiten wie Neurodermitis und Psoriasis, die Bedeutung des UVLichts für die Vitamin D-Bildung und der Einfluss von Licht auf die Melatoninbildung und somit die innere Uhr des Menschen. Beispielsweise überwiegt im Angebotsspektrum von elektrischen Glühlampen bei weitem rot und gelb zu Lasten von blau. Herkömmliche Leuchtstoffröhren weisen dagegen einen geringeren Rotanteil auf als natürliches Sonnenlicht. Inzwischen gibt es allerdings Leuchtmittel, die das Farbspektrum des Tageslichtes fast identisch wiedergeben. Diese so genannten Vollspektrumleuchtstoffröhren können deutlich zur Steigerung des Wohlbefindens und zur Gesunderhaltung des Menschen beitragen. Eine Studie, die Ende der neunziger Jahre durchgeführt wurde, zeigte, dass Studenten einer amerikanischen Universität bzw. Schüler unter Vollspektrumbeleuchtung wacher Einführung Licht ist der für Menschen sichtbare Bereich der elektromagnetischen Strahlung. Dieser sichtbare Bereich ist ein kleiner Ausschnitt aus der gesamten Strahlung und liegt bei Wellenlängen zwischen 380 und 780 Nanometer (nm). Licht wird zwar einfarbig weiß vom Menschen wahrgenommen, es besteht aber aus verschiedenen Farbanteilen, die bei Brechung des Lichts durch ein Prisma sichtbar werden (sog. Regenbogenfarben). Im kürzerwelligen Bereich < 380 nm (violetter Bereich) schließt sich ultraviolette Strahlung an, im längerwelligen Bereich > 780 nm (roter Bereich) die infrarote (IR-)Strahlung. Letztere wird auch häufig als Wärmestrahlung bezeichnet. 16 Das Entscheidende dabei ist, dass nicht nur die Lichtmenge für diese Wirkungen von Bedeutung ist. Auch die Qualität des Lichts ist dafür ausschlaggebend. Je ähnlicher die spektrale Zusammensetzung einer künstlichen Lichtquelle dem natürlichen Sonnenlicht ist, umso größer ist der tatsächliche Nutzen für den Menschen. 17 So bitte nicht! Leuchtstoffröhren mit unterschied licher Lichtfarbe in einer Lampe bzw. innerhalb eines Raumes. Bitte immer Leuchtstoffröh ren mit gleicher Farbtemperatur einsetzen. L icht 1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 relative Intensität W e i t e r f ü h r e n d e L i t e r at u r relative Intensität 350400 450500 550 600 650 700 Wellenlänge (nm) Sonnenlicht 1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 350400 450500 550 600 650 700 Wellenlänge (nm) herkömmliche Leuchtstofflampen relative Intensität von relative Intensität Wirkung 350400 450500 550 600 650 700 Wellenlänge (nm) 1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 350400 450500 550 600 650 700 Wellenlänge (nm) Vollspektrumlicht herkömmliche Glühbirne Spektrale Zusammensetzung unterschiedlicher Lichtquellen signifikanter Rückgang der depressiven Symptome der Schüler gegenüber der Beleuchtung mit kalt-weißem Leuchtstofflampenlicht zu beobachten war (Tithof, 1998). blieben und bei Wahrnehmungsaufgaben langsamer ermüdeten. Schulisches Lernen im Allgemeinen und Lesen im Besonderen stellt die höchsten Anforderungen an unsere visuellen Fähigkeiten und ist gleichzeitig mit dem stärksten Stress verbunden. Bei Schülern, die künstlicher Beleuchtung ausgesetzt sind, kann es daher besonders im Winter zu Stimmungsschwankungen, Energielosigkeit, Reizbarkeit, zunehmender Ängstlichkeit und depressiver Verstimmung kommen, wodurch die Lernmotivation und -leistung sinken. Die Anwendung von Vollspektrumlicht kann diesen negativen Emotionen vorbeugen. So zeigte die Studie, dass durch die Verwendung von Vollspektrumlicht auch ein Die Praxis zeigt, dass durch eine schlechte Lichtqualität sowie durch eine zu geringe Beleuchtungsstärke Mangelerscheinungen beim Menschen auftreten können, die sich u.a. in allgemeinem Unwohlsein und Unkonzentriertheit äußern. Licht in guter Beleuchtungsstärke sowie von guter Qualität kann dem entgegenwirken. Aus diesem Grund sollten in einem Lernfördernden Klassenzimmer Vollspektrumleuchtstoffröhren eingesetzt werden. 18 FJELD, Tove (2000): The effect of interior planting on health and discomfort among workers and school children. HortTechnology 10 (1). S. 42-52. KÖTTER, Engelbert (2000): Auswirkungen von Begrünungen in Büros auf Wohlbefinden, Gesundheit und Arbeitsleistung; Symposium Mensch, Pflanzen, Raum. Veitshöchheim. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2004): Wohlbefinden im Büro! - Arbeits- und Gesundheitsschutz bei der Büroarbeit Grüne Vielfalt statt grauem Einerlei – Pflanzen im Büro“. Dort mund, S. 27-30. WOLVERTON, B.C. (1996): Gesünder leben mit Zimmerpflanzen. vgs Verlagsgesellschaft, Köln. VETH, Renate (1998): Handbuch Innenraumbegrünung. Thalacker Medien, Köln. RADTKE, Manfred (2000): Pflanzen und Gesundheit. Vortrag gehalten auf dem Symposium Mensch, Pflanzen, Raum. Veitshöchheim. Im Internet abrufbar unter: www.hydroflora.de/studien/radtke.pdf BRAEM, Harald (1989): Die Macht der Farben. Mvg-Verlag, München, Landsberg a. Lech. ULRICH, Roger S. (1984): View through a window may influence recovery from surgery. Science 224 (4647). S. 420-421. FJELD, Tove (2000): Grüne Nachrichten aus dem Norden; Symposium Mensch, Pflanzen, Raum. Veitshöchheim. Im Internet abrufbar unter: www.hydroflora.de/studien/fjeld.pdf. ROTH, Lutz et al. (1994): Giftpflanzen – Pflanzengifte. ecomed Verlagsgesellschaft AG & Co. KG, Landsberg. HAUSEN B.K. und VIELUF I.K. (1997): Allergiepflanzen – Handbuch und Atlas. Kontaktallergene und allergische Frühreaktionen. ecomed Verlagsgesellschaft, Landsberg. KRAAZ VON ROHR, Ingrid (2003): Farbtherapie. Das Basiswissen über Wirkung und Anwendung von Farben. Nymphenburger Verlag, München DGUV-Informationsbroschüre GUV-I 7007„Tageslicht am Arbeitsplatz – leistungsfördernd und gesund“, Februar 2009 (einzelne Exemplare kostenlos erhältlich über die Unfallversicherungsträger TITHOF, W. „The Effects Of Full Spectrum Light On Student Depression As A Factor in Student Learning“, Dissertation, Walden University, USA, 1998 DIN 12 464-1 „Licht und Beleuchtung – Beleuchtung von Arbeitsstätten“ Schule – Gebäude – Freiflächen – Gesundheit, Anschub.de, Bertelsmann Stiftung, 2004 H i l f r e i c h e I n t e r n e ta d r e s s e n Pflanzen Allgemein: http://www.plants-for-people.de/ - Hintergrundinformationen zur positiven Wirkung von Pflanzen Pflege/Schädlingsbekämpfung: http://www.exoten-forum.de - Forum zu Fragen der Pflanzenpflege, -vermehrung und vieles mehr http://www.mein-schoener-garten.de - Portal mit nützlichen Pflegehinweisen zu Zimmerpflanzen http://www.zimmerpflanzendoktor.de - Hilfestellung bei der Analyse von Pflanzenschäden http://www.lfl.bayern.de/ips - Internetseite der Landesanstalt für Landwirtschaft mit Informationen zum Pflanzenschutz und zur Schädlingsbekämpfung Giftpflanzen: http://www.giftpflanzen.com - Internetseite mit über 400 Giftpflanzen in Haus und Garten http://www.tox-info.org - Giftinformationszentrale München http://www.meb.uni-bonn.de/giftzentrale - Pflanzenindex der Giftinformationszent-rale Bonn http://www.giftinfo.uni-mainz.de/Deutsch/pflanzen/mainzer_pflanzenliste.htm - Pflanzenindex der Giftinformationszentrale Mainz Farben http://kremer-pigmente.de - Farbrezepturen, Bezugsquellen für Farbpigmente http://www.leinos.de - Bezugsquelle für Farbpigmente Licht http://www.farbe-licht.de - Wirkung von Licht und Farbe in Räumen mit Gestaltungsbeispielen http://www.licht-akademie.de - Gesundheitliche Auswirkungen von Licht 19 G rundlagen A rbeitsablauf Teil II: Vorbereitende Massnahmen Die Umset zung Grundlagen und Organisation Die Grundlagen Das Setting Schule weist Besonderheiten auf, die bei einer Begrünung von Schulräumen berücksichtigt werden müssen, wie z. B. die Frage nach der Pflege in den Ferien, die Übertragung der Verantwortung an Schüler, bis hin zu Zuständigkeiten und der Abstimmung mit dem Schulträger. Schüler gestalten und pflegen selbst Einführung Dieser Abschnitt bietet für alle Personen, die mit der Planung und Umsetzung eines Lernfördernden Klassenzimmers an Ihrer Schule beginnen, zahlreiche Hilfen. Er enthält viele Punkte, die für eine erfolgreiche und nachhaltige Umsetzung des Konzepts Lernförderndes Klassenzimmer berücksichtigt werden sollten. Sie finden hier z.B. einen detaillierten Ablaufplan, der Ihnen die Organisation an der eigenen Schule vereinfachen soll. 20 Einer der wichtigsten Aspekte bei der Begrünung und Farbgestaltung von Schulen ist die Partizipation der Schüler sowie die Übernahme von Pflegeverantwortung durch sie. Schon zu Beginn sollen die Schüler unmittelbar an der Planung als auch an der Gestaltung ihres eigenen Umfelds beteiligt werden. Dadurch identifizieren sie sich stärker und vor allem dauerhaft mit dem Projekt und der Schule. Das erhöht die Akzeptanz und vermindert Vandalismus. Kinder und Jugendliche achten von selbst vermehrt auf das mit eigener Arbeitsleistung geschaffene Werk und sorgen nachhaltig für die Begrünung. Die weitere Besonderheit eines Lernfördernden Klassenzimmers ist, dass die Schüler die Pflanzen später eigenverantwortlich und selbstständig pflegen. Diese Übernahme der Pflegeverantwortung durch die Schüler ist ein bedeutender psychologischer Einflussfaktor und wichtiges pädagogisches Mittel. 21 G rundlagen A rbeitsablauf • keine Stacheln oder scharfe Kanten aufweisen: In Schulen kann es zu Rangeleien kommen, in deren Verlauf Kinder oder Jugendliche gegen Pflanzen gestoßen werden. Auch beim Laufen besteht die Gefahr, zu stolpern und gegen Pflanzen zu fallen. Daher dürfen Pflanzen, die für eine Begrünung von Klassenzimmern verwendet werden, keine Stacheln bzw. spitze oder scharfe Bestandteile aufweisen. Kakteen, Agaven oder scharfkantige Gräser sollten daher nicht auf der Einkaufs- oder Begrünungsliste stehen. Durch die Übertragung von Verantwortung entwickeln die Kinder und Jugendlichen mehr Selbstvertrauen. Weiterhin fördern die Erfolge bei der praktischen Mitarbeit Schüler in ihren Fähigkeiten und unterstützen sie in ihrer Entwicklung. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass das Pflegen der Pflanzen in wechselnden Teams auch das soziale Klima im Klassenverband verbessern kann. Außerdem sollten die in Schulen eingesetzten Pflanzen • pflegeleicht sein: Während in gewerblichen Büroräumen die Pflanzen meistens durch fachkundige Gärtner regelmäßig gegossen und gepflegt werden, wird in Schulen die Pflege der Pflanzen von Laien übernommen. In Schulen ist daher die Wahrscheinlichkeit höher, dass Fehler etwa beim Gießen gemacht werden. Um den Verlust an Pflanzen möglichst gering zu halten, müssen diese daher in der Lage sein, Pflegefehler (mittelfristig) zu tolerieren. Auch die Feriensituation stellt hohe Anforderungen an die Pflanzen. So müssen die ausgewählten Pflanzen sowohl „nasse Füße“ (zu Beginn der Ferien – beim kräftigen „Vorgießen“) als auch Trockenheit (am Ende der zweiwöchigen Ferien) kurzfristig tolerieren. Die Pflanzen der TOP-8-Liste (siehe Teil III) sind daher in der Lage, beide Extremsituationen zu dulden. Generell gilt Auswahlkriterien für Pflanzen Pflanzen, die in Schulen eingesetzt werden, müssen bestimmte Kriterien erfüllen. Sie dürfen: • weder stark giftig sein noch halluzinogen wirken: Es soll ausgeschlossen werden, dass durch den Verzehr von Pflanzenteilen schwere Vergiftungserscheinungen bis hin zu lebensbedrohlichen Gesundheitszuständen bei den Schülern auftreten können. 22 Verschiedene Pflanzsubstrate: von oben nach unten: • Blähton/ Hydrokultur • Seramis • Erde jedoch, dass für die meisten Pflanzen Trockenheit eher tolerierbar ist als übermäßiges Gießen. Gerade bei Kindern in Grundschulen, die sehr gerne gießen, muss daher verstärkt darauf geachtet werden, dass die Pflanzen nicht dauerhaft übergossen werden. • sowie halbschattige bis schattige Standorte bevorzugen: Pflanzen haben einen individuellen, von der jeweiligen Art abhängigen Lichtbedarf. Die richtige Beleuchtungsstärke ist für die Gesundheit und das Wachstum der Pflanze unerlässlich. Messungen in Schulen haben gezeigt, dass in vielen Klassenzimmern an den fensterfernen Standorten zum Teil niedrige Werte von knapp 500 Lux und weniger (ohne zusätzliche Beleuchtung) vorliegen. Auch in Fensternähe ist die Beleuchtung meist nicht sehr hoch, da bei direkter Sonneneinstrahlung häufig Blendschutz verwendet wird. Pflanzen in Klassenzimmern sollten daher keine hohen Lichtansprüche haben und halbschattige oder schattige Standorte bevorzugen. Hydrokulturpflanzen haben zwei wesentliche Nachteile für den Einsatz in Schulen: • Hydrokulturpflanzen bilden nur sog. Wasserwurzeln aus. Diese sind kürzer, weniger verzweigt und wachsen sehr langsam. Hydrokulturpflanzen haben daher wenig Wurzelvolumen. Wird eine Hydrokulturpflanze zu viel gegossen, beginnen die empfindlichen Wasserwurzeln sehr schnell zu faulen. Aufgrund des geringen Wurzelvolumens sterben die Pflanzen innerhalb kürzester Zeit ab. Da gerade jüngere Schüler sehr gerne und auch viel gießen, ist Hydrokultur als Pflanzsubstrat in Schulen meist ungeeignet. Verwendetes Pflanzsubstrat Bei der Auswahl von Pflanzsubstrat stehen im Wesentlichen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Erdkultur oder Hydrokultur (= Blähton). Beim Begrünen von Klassenzimmern hat sich gezeigt, dass Erde als Pflanzsubstrat meist besser geeignet ist. • Sie sind wesentlich teurer in der Anschaffung und schwieriger in der Vermehrung. Die Nachzucht eigener Pflanzen für weitere Klassenzimmer oder Schulräume wird dadurch schwieriger. 23 G rundlagen A rbeitsablauf Die Pflanzenanzahl sollte in einem angemessenen Verhältnis zur Raumgröße stehen. Weder eine einzelne Pflanze noch ein Dschungel aus Pflanzen sind für den Einsatz im Klassenzimmer hilfreich. Pflanzenanzahl gepasst werden. Als Grundsatz gilt jedoch: Bei der Gestaltung eines grünen Klassenzimmers sollten aus den o.g. Gründen nicht weniger als 15 Pflanzen (davon mindestens fünf größere Pflanzen mit einer Wuchshöhe über 1,50 m) zum Einsatz kommen sollten. Damit die beschriebenen positiven Auswirkungen zum Tragen kommen, ist eine gewisse Mindestanzahl an Pflanzen erforderlich. Der wesentliche Grund liegt darin, dass die Pflanzen von den Schülern erst ab einer bestimmten Anzahl bewusst wahrgenommen und auch versorgt werden. Weniger Pflanzen sind nichts Besonderes. Jeder kennt den vereinsamten „Solitär-Ficus“ in der hinteren Klassenzimmerecke, für den sich niemand verantwortlich fühlt. Pflanzgefäße Bei den Pflanzgefäßen muss auf folgende Punkte geachtet werden: Wenn die Pflanzen direkt in (Plastik-)Töpfe eingepflanzt und diese dann mit passenden Untersetzern versehen werden, müssen die Untersetzer wasserundurchlässig und ausreichend hoch sein. Dadurch wird ein Überlaufen des Gießwassers bei zu starkem und schnellem Gießen verhindert. Zusätzlich sollten die Schüler Bei den Klassenzimmern (Raumgröße ca. 60 m ), die bislang begrünt wurden, wurden jeweils etwa 40 bis 50 Pflanzen unterschiedlicher Größe verwendet. Natürlich ist die Anzahl der Pflanzen von den vorhandenen räumlichen Möglichkeiten abhängig und muss individuell an2 24 darauf hingewiesen werden, langsam zu gießen (siehe auch Teil III). Werden Pflanzen mit ihren Plastiktöpfen in einzelne Übertöpfe gestellt, so muss zum einen auch hier sichergestellt werden, dass der Übertopf wasserundurchlässig ist (z.B. durch Glasur an der Innenseite). Zum anderen muss – da man hier nicht auf den ersten Blick sieht, wenn eine Pflanze im Wasser steht – mit Hilfe einer Drainageschicht zwischen Übertopf und Pflanzentopf verhindert werden, dass eine Pflanze „zu nasse Füße“ hat. Diese Drainage kann aus einer etwa 1-2 cm starken Schicht Kieselsteine im Übertopf bestehen. Auswahl Pflanzenstandort Auch bei der Standortauswahl gibt es neben den Lichtansprüchen der Pflanzen einige Punkte, die beachtet werden müssen: • Pflanzen müssen ohne Hilfsmittel für die Kinder und Jugendlichen erreichbar sein. Unbestritten hat die Verwendung von Hängeampeln ihren Reiz. Es sieht auch schön aus, wenn Pflanzen von hohen Schränken oder Regalen herunterwuchern. Das Problem ergibt sich beim Gießen: Zur Pflege der aufgehängten oder hoch aufgestellten Pflanzen müssen Aufstiegshilfen genutzt werden. In der Praxis werden – selbst wenn Leitern oder Rollhocker vorhanden sind – zum Hochsteigen immer wieder Stühle oder Tische verwendet. Sehr leicht können Schüler beim regelmäßigen Gießen herunterfal- Pflanzen können auch in größeren Pflanzgefäßen (z. B. Blumenkästen) gemeinsam gruppiert werden. In diesem Fall ist darauf zu achten, dass die einzelnen Pflanzenarten miteinander harmonieren, d.h. ähnliche Ansprüche an Licht und Wasser stellen. So eignet sich beispielsweise die gemeinsame Pflanzung von Drachenbaum (Dracaena fragrans) als Solitärpflanze mit Efeutute (Epipremnum aureum) als kleinere Begleitpflanze. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, mehrere Pflanzen der gleichen Art – auch in unterschiedlichen Größen – zusammen zu arrangieren. 25 Im Handel sind unterschiedliche Pflanzgefäße erhältlich. So kann je nach Bedarf und Vor liebe aus einer großen Auswahl das Geeignete herausgesucht werden. Von links nach rechts: Übertöp fe, Blumenkäs ten und Töpfe mit Untersetzer. G rundlagen A rbeitsablauf len. Pflanzen sollten daher immer so aufgestellt werden, dass die Schüler sie ohne Aufstiegshilfen erreichen können. • Fenster dürfen nicht durch Pflanzen verstellt werden: Das Fensterbrett ist zwar in Schulen ein beliebter Standort für Pflanzen, weil man ihnen hier gute Lichtbedingungen bieten kann. Es sollte allerdings bei einer Begrünung der Klassenzimmer weitestgehend ausgespart bleiben. Messungen haben gezeigt, dass der Kohlendioxidgehalt in Klassenzimmern meist sehr hoch ist. Durch Quer- bzw. Stoßlüftung in den Unterrichtspausen kann innerhalb von nur drei bis fünf Minuten der Kohlendioxidgehalt wieder auf ein akzeptables Maß gesenkt werden (Querlüftung = gleichzeitiges Öffnen von Fenstern und Türen). Pflanzen sollten so aufgestellt werden, dass Lüften jeder zeit und ohne Behinderung möglich ist. Auswahl der Farbe und Verwendung von Farbpigmenten Der Auswahl und Anwendung der Farbe für das Lernfördernde Klassenzimmer kommt eine besondere Bedeutung zu. Farbe ist nicht gleich Farbe, und damit Farbe wirken kann, müssen die nachfolgenden Parameter eingehalten werden: Für die Farbgestaltung des Lernfördernden Klassenzimmers kommen so genannte Farbpigmente zur Anwendung. Dies hat mehrere gute Gründe: Zum einen ist ein Eintrag an störenden oder belastenden Stoffen durch organische Pigmente in Pulverform fast nicht vorhanden (im Innenbereich sind selbstverständlich schwermetallhaltige Farben wie z. B. Cadmiumgelb tabu!). Zum anderen besitzen Farben, die direkt aus Farbpigmenten angemischt werden, eine unübertreffliche Leuchtkraft, unabhängig von der Sättigung der Farbe oder dem Farbauftrag. Ein Effekt, der mit abgetönten Farben nicht erzielt werden kann. Neben dieser leuchtenden Wirkung haben Farbpigmente noch zwei weitere Vorteile: Querlüften nach jeder Stunde ist daher ein Muss. Dies ist allerdings nur möglich, wenn nicht alle Fenster durch Pflanzen verstellt sind. Neben der Verwendung von Pflanzen im Klassenzimmer trägt auch die Farbgestaltung des Raums wesentlich zu einer angenehmen Lernatmosphäre bei. Wie bereits bei den Pflanzen gibt es auch bei der Verwendung von Farben im Lernfördernden Klassenzimmer einige Grundsätze, die berücksichtigt werden müssen. 26 Voraussetzung für die Verwendung von Farbpigmenten ist ein einheitlich heller (weißer) Untergrund. Farbpigmente haben eine hohe Leuchtkraft, wirken aber in der verwendeten Form lasierend, also nicht deckend. Unregelmäßigkeiten, Verschmutzungen oder verblichene Stellen (z. B. von Bildern, Pinnwänden) bleiben auch nach dem Streichen sichtbar. Vor der Farbgestaltung mit Pigmenten, müssen daher alle Wände des Klassenzimmers geweißelt werden. Erst dann kann, nach dem Trocknen der Wände, mit der farbigen Gestaltung begonnen werden. • Der zum Einsatz kommende Farbteig besteht aus gesundheitlich unbedenklichen Substanzen. Er wird aus einfachsten Komponenten gemischt: Wasser, Farbpigmente, haushaltsüblicher Tapetenkleister (Methylcellulose) und wässrige Dispersion (wasserverdünnbares Bindemittel, z.B. Plextol). Letzteres wird zugegeben, damit die Wandfläche auch einmal feucht abgewischt werden kann, ohne die Pigmente von der Wand zu reiben (Rezepte und Tipps zum Anmischen siehe Teil III). Vorteil dieser Mischung ist, dass während des Streichens lediglich ein Geruch nach Kleister wahrnehmbar ist. Zudem ist die Wand innerhalb kurzer Zeit durchgetrocknet und damit der Raum wieder benutzbar. Tagelange Gerüche nach Farbe oder Lösungsmitteln treten nicht auf. Lasierender, strukturierter Farbauftrag („Toskana-Stil“) Entscheidend für die Wirkung von Farbe auf das Auge ist u.a. die Art, wie der Farbauftrag gestaltet wurde. So sind homogen gestaltete Farbflächen zwar zunächst attraktiv, bieten aber bei längerer oder häufigerer Betrachtung keine neuen Anregungen oder Abwechslungen für das Auge; der Anblick wird langweilig und der Blick geht „ins Leere“. Strukturiert • Der Farbteig aus Farbpigmenten ist leicht anzuwenden. Auch Kinder der ersten Klassen können damit bereits arbeiten. Da die Farben nicht deckend sind, kann mit Hilfe der sog. Kreuzstrichtechnik (siehe S. 28) ohne Vorkenntnisse immer ein gutes Ergebnis erzielt werden. 27 G rundlagen A rbeitsablauf Kur zinfo Warum besser eine farbige Wand und kein Bild? warm kalt Die Farbgestaltung des Klassenzim Die Streich bewegung wird in Form einer imaginären liegenden Acht oder auch dem Andreaskreuz ausgeübt. gestrichene Flächen bieten dagegen ein immer wieder neues Spiel aus verschiedenen Farbtiefen, Hell-DunkelKontrasten und unterschiedlichen Licht- und Farbreflexionen. Durch diese Technik kann die farbige Wand über einen deutlich längeren Zeitraum wirken ohne langweilig zu erscheinen. Strukturierte Wände erzielt man durch die Verwendung der lasierenden Pigmentfarben zusammen mit Hilfe einer bestimmten (einfach anzuwendenden) Streichtechnik: dem Kreuzstrich oder auch „liegende Acht“ genannt. Durch diese Streichtechnik in Verbindung mit der Pigmentfarbe entsteht ein strukturierter Farbauftrag im „Toskana-Stil“. Die genaue Vorgehensweise sowie die Rezeptur zum Anmischen der Farbe finden sie im Teil III der Broschüre. mers soll langfristig ausgelegt werden. Mit dieser Streichtechnik erzielt man bei der Umsetzung durch die Schüler immer gute Ergebnisse. Bei den bisher neu gestalteten Klassenzimmern wurde mit Schülern aller Altersund Jahrgangsstufen, von der 1. Klasse bis zur 11. Klasse, gearbeitet. In jeder Klasse war aufgrund der verwendeten Streichtechnik die Beteiligung aller Schüler – auch ohne Vorwissen möglich – mit positivem Ergebnis. Natürlich ist bei Kindern der Klassen 1 bis 3 die Unterstützung der Eltern notwendig. Mehr zur Elternbeteiligung finden Sie im nachfolgenden Abschnitt "Die Organisation", sowie in den Modulen 1 und 2 aus Prima Klima! der guten gesunden Schule. und im Raum wohlfühlen. Nur unter die Bei regelmäßigen Klassenzimmerwechsel spätestens aber nach zwei Jahren in der Grundschule, können die Schüler mit dem von Ihren Vorgängern gestalteten Bildern und Motiven oft nur sehr wenig anfangen. Von den beteiligten Schülern ausgewähl te und gestaltete Bilder und Motive (z.B. Dschungel, Sonnenuntergang) werden in der Regel spätestens von der nächsten Klasse abgelehnt. Eine Identifikation der „neuen“ Schüler mit dem Motiv ist nicht trastreichem, neutralem Weiß gehalten werden. Mit diesem Gestaltungsgrundsatz erreicht man eine effektive Farbwirkung. räumliche Situation, Fenster- und Türlaibungen, Säulen oder Mauervorlagen, berücksichtigt und einbezogen werden. Es kann durchaus interessant wirken, wenn die Türlaibung oder Mauervorlage weiß bleibt. Folgende Wände finden sich in der Regel in einem Klassenzimmer: 1. Die „Tafelwand“: diese wird in aller Regel als Projektionsfläche für Overhead und Beamer-Präsentationen genutzt und sollte dafür frei bzw. weiß bleiben zudem eine farbige Gestaltung dieser Wandfläche die Schüler vom Tafelbild ablenkt. Zuletzt hätte die Lehrkraft nur wenig von dieser Gestaltung – nämlich die Farbe im Rücken. Auswahl der Leuchtmittel 3. Die Wand mit der Fensterfront: sie ist ungeeignet, weil der Anteil an Wandfläche, die farblich gestaltet werden kann, viel zu gering ist. Als Leuchtmittel sollten immer die bereits im Kapitel "Wirkung von Licht" vorgestellten Vollspektrumleuchtstoffröhren zum Einsatz kommen. Die meisten Leuchtmittel können in die gebräuchlichen Lampen eingesetzt werden. Da diese Leuchtstoffröhren trotz besserer Lichtqualität in der Leuchtstärke etwas schwächer sind als die herkömmlich eingesetzten, muss durch einen Fachmann, z.B. eine Elektrofachkraft ermittelt werden, ob die vorhandenen Lichtbänder verwendet werden können und deren Anzahl ausreichend ist. Hände weg vom eigenmächtigen Leuchten- oder Lampenwechsel: Diese Tätigkeiten müssen immer von einem Fachmann ausgeführt werden! So bleibt für eine farbige Gestaltung nur die flurbegleitende Wand. Diese Wand bietet bei allen Schulen die größte gestaltbare Fläche. Dabei ist es unerheblich, ob die Wand ganz frei von Pinnwänden ist. Auch können durchaus Schränke davor stehen. Als Faustregel gilt, dass mindestens 60 % der Wandfläche hinterher farblich wirksam, d.h. sichtbar sein müssen. Dabei sollte immer auch die individuelle Bei der Überprüfung der Leuchten sollte auch darauf geachtet werden, welche Art von Vorschaltgerät verwendet wird. Bei älteren und noch nicht elektrisch vorgeschalteten Modellen besteht die Möglichkeit, dass die Leuchten flackern bzw. dass die Vollspektrumleuchtstoffröhren nicht eingesetzt werden können. Die Beratung und Installation durch einen Fachmann ist daher unerläßlich! mehr gegeben. Der Raum verliert wieder an Behaglichkeit. Dieses Problem besteht bei einer unifarben gestalteten Wand nicht. Auch nicht unmittelbar an der Um setzung Beteiligte können sich mit der an genehmen Farberscheinung identifizieren sen Bedingungen ist auch eine Nachhal tigkeit der Farbgestaltung gewährleistet. Auswahl der zu streichenden Wand Die größtmögliche Farbwirkung erzielt man durch die farbige Gestaltung nur einer Wandfläche im Klassenzimmer. Hier kann die Farbe auch durchaus etwas kräftiger gewählt werden (siehe Fotomaterial). Im Ausgleich dazu sollten die anderen drei Wände in dazu kon28 2. Die rückseitige Klassenzimmerwand: Hier hat zwar die Lehrkraft besten Blick auf diese Wandfläche, die Schüler hingegen haben die Farbgestaltung nicht im Blickfeld. Die positive Wirkung der Farbgestaltung fehlt. 29 G rundlagen A rbeitsablauf Sachkostenträger Die Organisation Zustimmung im Lehrerkollegium Für die Nachhaltigkeit der Begrünung ist es erforderlich, dass nicht nur ein oder zwei Lehrkräfte eine Neugestaltung mit Pflanzen, Farbe und Licht befürworten, sondern dass ein Großteil des Lehrerkollegiums zustimmt. Wie die Ergebnisse in den Pilotschulen zeigen, profitieren alle Personengruppen von einem Lernfördernden Klassenzimmer. Deshalb sollte die entstehende Arbeit von allen getragen werden. Insbesondere bei der kontinuierlichen Pflege der Pflanzen während der Ferien oder im Krankheitsfall ist eine aktive Zusammenarbeit im Kollegium unerlässlich. Beteiligung von Hausmeister und Reinigungskräften Foto: Pixelio.de Nutzer und Betroffene werden zu Beteiligten Damit bei der Neugestaltung „am großen Tag“ alles gut geht und auch in der Folgezeit alles klappt, bedarf es im Vorfeld einer guten Organisa tion und Planung. Der folgende Abschnitt enthält Tipps und Hinweise für die Schritte, die nötig sind, um ein Lernförderndes Klassenzimmer entstehen zu lassen. Ein Klassenzimmer mit vielen Grünpflanzen verursacht Mehrarbeit. Umso wichtiger ist es, diesen Mehraufwand auf vielen Schultern zu verteilen. Im Schulsystem sind neben dem Lehrerkollegium vier weitere Personengruppen relevant, die für eine erfolgreiche und nachhaltige Umsetzung erforderlich sind. In einem ersten Schritt sollten daher alle Gruppen frühzeitig beteiligt werden. 30 Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass es nicht zu den Aufgaben des Hausmeisters oder des Reinigungspersonals zählt, die Pflege der Pflanzen in den Ferienzeiten zu übernehmen. Es gibt andere Möglichkeiten (siehe FAQ), dies zu organisieren. Die Erfahrungen zeigen, dass eine frühe Beteiligung und Information Missverständnissen vorbeugt und die Umsetzung sowie den weiteren Verlauf deutlich vereinfachen (vgl. Infrastrukturelles Management, Modul „Schule – Gebäude – Freiflächen – Gesundheit“). Daher sollte der Hausmeister bereits bei der ersten Planung einbezogen und informiert werden. Zum einen kann der Hausmeister mit seiner praktischen Erfahrung eine wertvolle Hilfe bei der Umsetzung bieten. Hausmeister, Reinigungskräfte (Aber: Nicht der Hausmeister gestaltet das Klassenzimmer!). Zum anderen bedeutet eine Neugestaltung auch für Hausmeister oder Reinigungspersonal ggf. eine Umstellung gewohnter Arbeitsabläufe. Schulleiter Lehrkräfte Schüler Absprache mit dem Sachkostenträger Der Sachkostenträger/Schulträger sorgt in Schulen für die Finanzierung der baulichen Anlagen und Einrichtungen (in der Regel: Kommune, Staat oder privater Träger). Auch der Sachkostenträger sollte bereits zu Beginn der Überlegungen informiert werden. Zum einen müssen manchmal bereits vorhandene Bedingungen überdacht und ggf. angepasst werden (z. B. Zugangsregelung zum Schulgebäude für die Lehrkräfte während der Ferien, erlaubte Farben für die Wand im Klassenzimmer). Zum anderen kann von Seiten des Sachkostenträgers bei der Umsetzung wertvolle Unterstützung (z.B. durch sachkundige Unterstützung bei der Pflanzenpflege, Anbringen der Beleuchtung durch Fachleute oder sachkundige Hilfe bei der Farbgestaltung) kommen. In einzelnen Fällen existieren in den Kommunen finanzielle Mittel, um beispielsweise. die Instandhaltung der Klassenräume zu unterstützen. Es lohnt sich daher, die zuständigen Personen nicht nur über das Vorhaben zu informieren, sondern auch nach dieser Möglichkeit zu fragen. Eltern G rundlagen A rbeitsablauf Absprache mit Eltern bzw. Elternbeirat Bereits das Modul Prima Klima aus der anschub.de-Reihe (z.B. Modul 1 „Begegnung der anderen Art“) beschreibt, wie wichtig die Beteiligung und die Mitarbeit der Eltern im schulischen Alltag sind. Das Lernfördernde Klassenzimmer ist ein typisches Schulprojekt, bei dem die Einbindung der Eltern von grundlegender Bedeutung ist. Mit der Information und Einbeziehung von Eltern können sich diese mit der Schule ihrer Kinder identifizieren. So kann sich die Schule erfahrungsgemäß deutlich positionieren und langfristig von anderen Schulen unterscheiden. Diese Profilierung sorgt im Allgemeinen für eine positive Außendarstellung und -wahrnehmung. Absprache mit den Schülern Es ist wichtig, die Hintergründe für die Begrünung und neue Farbgestaltung des Raumes (siehe Teil I) mit den Schülern zu erarbeiten und zu besprechen. Möglichkeiten, wie dies geschehen kann, sind im Teil III der Broschüre zu finden. Bei der praktischen Umsetzung mit Jugendlichen zwischen 13 und 18 hat sich gezeigt, dass insbesondere diese Altersgruppe frühzeitig bei der Planung zu beteiligen ist und die Hintergründe des Warum und Wieso angesprochen werden müssen. Insbesondere diese Schüler sollten nicht das Gefühl haben, mehr Arbeit übergestülpt zu bekommen. Die Beteiligung der Eltern hat weitere Vorteile: • Eltern können zusätzliches Know-how einbringen (Floristen/Gartenbauer/Landschaftsarchitekten/Maler etc.). • Bei der Umsetzung mit Grundschülern ist die Mithilfe der Eltern zum Teil unerlässlich. • Es kann um eine finanzielle Unterstützung, auch in Anerkennung von Spenden über den Förderverein, gebeten werden. • Sachspenden z. B. in Form von zu groß gewordenen Pflanzen können bereitgestellt werden. Solche Spenden sind zu begrüßen, zumal eine Beteiligung von Eltern Vorteile für die Nachhaltigkeit der Begrünung haben kann. 32 Der Ablauf • Die Pflanzenliste sollte die Pflanzenanzahl sowie die gewünschte Pflanzengröße und entsprechende Töpfe beinhalten. Mit dieser Liste können Anfragen an die Eltern erfolgen oder auch mögliche Sponsoren beworben werden. • Auswahl der Wandfarbe Jede Klassenzimmergestaltung ist individuell. Daher gibt es keinen allgemein gültigen Zeitplan. Von der ersten Idee bis zum Tag der Umsetzung sind erfahrungsgemäß etwa 3-4 Monate einzuplanen. Die Beachtung der nachfolgenden Leitlinien kann Zeitdruck und Stress vermeiden. ca. vier Wochen vorher • Elternbrief: Der Brief erinnert die Eltern an den Aktionstag. Die beteiligten Eltern und Schüler erhalten Informationen zum genauen Ablauf am „großen Tag“ (siehe unten) sowie den Hinweis, dass die Kinder und Jugendlichen an diesem Tag ältere Kleidung mitbringen sollten, wie für Verpflegung gesorgt wird und ob Versicherungsschutz besteht etc. • mit den Schülern die Hintergründe durchgehen. ca. vier Monate vorher • Klassenzimmer auswählen. • „Kümmerer“ bestimmen: • Auch wenn eine Klassenzimmerneugestaltung wie bereits beschreiben von mehreren Personen getragen werden sollte, so ist es doch unerlässlich, dass ein Verantwortlicher für das Projekt benannt wird (z. B. der Klassenlehrer). Bei dieser Person laufen die Fäden zusammen, um einen koordinierten Ablauf gewährleisten zu können. • Beteiligte informieren und einbeziehen, Absprachen treffen. • Die Information der Schüler und Eltern kann beispielsweise im Rahmen eines informellen Abends erfolgen. eine Woche vorher • Pflanzen und Töpfe, Erde und (Drainage-) Kies besorgen • Farbe, Folien, Pinsel, Klebeband usw. besorgen • Wände gegebenenfalls weißeln. • Die Wände müssen für eine Gestaltung mit Farbpigmenten weiß sein. Sollten die Wände Schmutzstreifen oder auch Ränder von zuvor aufgehängten Bildern aufweisen, so werden diese Verunreinigungen durch die lasierenden Pigmentfarben nicht abgedeckt. ca. drei Monate vorher • Gestaltungsplanung des Klassenzimmers mit den Schülern. • Aufstellung der Pflanzenliste und Klärung, wer die Beschaffung der Pflanzen organisiert und leistet. 33 G rundlagen A rbeitsablauf D as Weißeln sollte mind. drei Tage vor dem Aktionstag erfolgen, damit die Wandfarbe noch durchtrocknen kann. • Sonstige Hilfsmittel (siehe Liste Teil III) besorgen • Presse informieren: Es bietet sich an, im Rahmen der Feierlichkeiten am Aktionstag die Presse für ein paar eindrucksvolle Bilder einzuladen und ggf. einen Pressetext vorzubereiten. • Ausreichende Räumlichkeiten für das Umtopfen vorsehen, evtl. Absprache mit Hausmeister und den Reinigungskräften vornehmen. • Kurz vor dem Streichen ggf. die Tische und Stühle durch die Schüler ausräumen lassen. Vielleicht besteht auch die Möglichkeit, dass die Schüler Häppchen zubereiten. Dabei wechseln die einzelnen Gruppen durch, sodass jeder Schüler an jedem Arbeitsschritt teilnehmen kann. Daran anschließend wird gemeinsam aufgeräumt und geputzt. Zum Schluss, wenn die Wand trocken und das Mobiliar eingeräumt ist, werden die Pflanzen in das Klassenzimmer gestellt. Entweder am Nachmittag oder am Vormittag des darauffolgenden Tages sollte eine kleine Feier mit der offiziellen Übergabe des Lernfördernden Klassenzimmers an die nun pflegeverantwortlichen Schüler stattfinden. Diese Feier ist ein wichtiges Ritual und sollte in ihrer Wirkung auf die Nachhaltigkeit nicht unterschätzt werden. Es bietet sich an, zu diesem Termin die Presse, etwaige Sponsoren und auch die Eltern einzuladen. Im Vorfeld kann geklärt werden, ob die Eltern bei der Vorbereitung eines kleinen Buffets mithelfen. Der große Tag Für die Umgestaltung des Klassenzimmers kann man – sofern die Vorarbeiten wie Ausräumen des Klassenzimmers, Abkleben bzw. Abdecken bereits am Vortag erfolgt sind, etwa drei bis vier Stunden (max. einen Vormittag) kalkulieren. Alle Schüler der Klasse sollten an der Aktion beteiligt werden. Am besten bewährt hat sich eine Einteilung in Gruppen von je sechs bis acht Schülern. Eine Schülergruppe topft um, eine andere Schülergruppe streicht in dieser Zeit die Wand. Die restlichen Schüler können die Übertöpfe mit Drainagekieseln füllen, Pflegeanleitungen erstellen, Pflanzenschilder malen (siehe S. 39-40) oder auch Plakate für die anschließende Feier erstellen. Nachbereitung Für das gemeinsame Arbeitsklima ist es sehr förderlich, den Beteiligten wie z.B. Hausmeister, Reinigungskräften, Kümmerer eine Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Auch wenn das Geschenk noch so klein ist – in den meisten Fällen ist die Wirkung groß. 34 Wie geht's weiter? für die neuen Schüler fungieren. Wenn das nicht möglich ist, sollte mit den neuen Schülern ein Umtopfen der Pflanzen erfolgen und wiederum eine kleine offizielle Übergabefeier stattfinden. Dies hat den Vorteil, dass die Pflanzen regelmäßig – in der Regel alle zwei Jahre – umgetopft werden. Alles ist fertig. Die Wand ist gestrichen, die Pflanzen sind im Klassenzimmer und die Leuchten hängen an der Decke. Wie geht es nun weiter? Das Klassenzimmer wird mit der Einweihungsfeier am Tag der Umgestaltung von den Schüler offiziell übernommen und diese tragen von nun an die Pflegeverantwortung für die Pflanzen. In der Praxis hat es sich bewährt, immer drei bis vier Schüler in einem Pflegeteam wochenweise rotieren zu lassen. Natürlich ist auch denkbar, eine Pflanze jeweils einem Schüler zuzuordnen. Allerdings tauchen bei dieser Variante Probleme auf, wenn eine Pflanze eingeht. Damit in diesem Sinne kein Druck auf den einzelnen Schüler aufgebaut wird, empfiehlt sich die Pflege in wechselnden „grünen Teams“. Hinweise zur Pflege der Pflanzen während der Ferienzeiten finden Sie im Teil III, dieser Broschüre. Bei Bedarf können Ableger von den Pflanzen gezogen werden, um den Bestand zu vergrößern. Zuletzt schafft man mit Hilfe dieser Aktion die Möglichkeit, dass sich die neuen Schüler mit dem Klassenzimmer identifizieren. Fa z i t Aufgrund der positiven Wirkungen bietet es sich an, den Lebensraum Schule durch den Einsatz von Pflanzen, Farben und Licht schöner zu gestalten. Es ist möglich, mit wenigen Mitteln eine große Wirkung zu erzielen. Die Zusammenarbeit der un terschiedlichen Personengruppen kann ei nen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit von Lehrkräften und Schülern leisten und somit wesentlich zur Gestaltung einer guten, gesunden Schu le beitragen. Was ist zu tun, wenn die Klassen wechseln und neue Schüler in das Lernfördernde Klassenzimmer einziehen? Am schönsten wäre es, wenn in diesem Fall die neue Klasse von den bereits pflanzenerfahrenen Schülern eine Einführung zur Pflege der Pflanzen erhält. Die erfahrenen Schüler können als Tutoren 35 Praktische Tipps Teil III: Praktische Tipps Anregungen und Arbeitshilfen Nachhaltigkeit erzeugen • Schüleraufgabe Für die Nachhaltigkeit des Projekts ist es wichtig, dass die Schüler frühzeitig in das Projekt Lernförderndes Klassenzimmer einbezogen werden. Folgende Übungen haben sich bereits in der Praxis bewährt: Kennenlernen der Pflanzen Erstellen von Pflanzenporträts: Wenn eine Auswahl der verwendeten Pflanzen getroffen wurde, können Schüler z. B. im Kunstunterricht Pflanzen porträtieren. Dazu malt jeder Schüler zunächst auf ein Blatt Papier ein Bild von der ausgewählten Zimmerpflanze. Auf ein weiteres Blatt wird ein Steckbrief der Pflanze geschrieben, (z. B. Herkunft, Wasserbedarf, Wuchshöhe, Temperatur etc.). Hier kann die Lehrkraft bereits eine Art Formular vorgeben, welches von den Schülern nur noch ausgefüllt werden muss. Eine Alternative zum Malen der Pflanzen kann auch sein, die Pflanzen zu fotografieren. Die spezielle Aufgabe dabei kann lauten, Besonderheiten der Pflanzen durch die Wahl des Bildausschnitts hervorzuheben. Als Ergänzung dazu benennen Schüler in einer weiteren Aufgabe die Pflanzen. • Schüleraufgabe Wie wirken Pflanzen Einführung Dieser letzte Abschnitt der Broschüre enthält praktische Tipps und Hinweise. Angefangen bei Vorschlägen, wie man Schüler an das Thema heranführen kann, über FAQs sowie Pflegeanleitungen und Checklisten zu kranken Pflanzen finden Sie alles zur Gestaltung eines Lernfördernden Klassenzimmers. 36 Insbesondere bei Grundschülern ist diese Methode sehr beliebt und gut als Einstimmung zum Thema Pflanzen geeignet. Ablauf: Die Schüler sitzen im Stuhlkreis oder auch auf ihren Plätzen. Die Lehrkraft spricht nun die Schüler an: „Schließe deine Augen. Stell dir vor, du liegst auf einer grünen Wiese unter einem großen Baum. Du atmest tief ein und aus und siehst in das Blätterdach über dir. An was denkst du? Was siehst du alles? Wie geht es dir dabei?“ Im Anschluss an die Übung dürfen die Schüler ihre Assoziationen erzählen. Diese Assoziationen (meist Urlaub, Wohlfühlen, gute Luft etc.) können als Grundlage für die nun folgende Unterrichtseinheit „Was Pflanzen können“ verwendet werden. Diese Übung kann natürlich beliebig erweitert werden (z. B. Gefühl von Wind auf der Haut). Abwandlung: Man kann als Grundlage für die Assoziation auch die Farbe grün verwenden. „Schließe deine Augen und stelle dir ganz intensiv die Farbe grün vor. Was fällt dir nun ein? An was musst du denken? Was assoziierst du mit der Farbe grün? Diese Alternative funktioniert auch gut mit älteren Schülern. 37 Vielen Dank an Helga Unseld und die Schüler der Grund schule Feldbergstraße, München Praktische Tipps • Schüleraufgabe werden entweder gelb und orange oder Grüntöne bzw. Kombinationen daraus bevorzugt. Die Schülerarbeiten können als Grundlage für eine Unterrichtseinheit „Wirkung von Farben“ (siehe Teil I) verwendet werden. Wie wirken Farben? Benötigt werden: • Vorlage „Zimmer“ auf weißem Papier, • Pinsel • Wasserfarben • Schüleraufgabe Vielen Dank an Stefanie Schletz und an Helga Unseld sowie die Schüler der Klasse 11c des BBZ Münnerstadt für diese tollen Ideen. • Schüleraufgabe Pflanzen benennen Benötigt werden: • alte ausgemusterte Terrakotta-Töpfe • Hammer • altes Handtuch oder ersatzweise alte Stofftasche • Edding-Stift Die Terrakotta-Töpfe werden in das alte Handtuch gewickelt und vorsichtig mit dem Hammer in kleine Tonscherben zerschlagen. Auf diese Tonscherben können nun die Schüler die Namen der Pflanzen (wahlweise deutsch oder lateinisch) schreiben. Die Scherben werden nach dem Umtopfen in die Erde zu der jeweiligen Pflanze gesteckt. Diese Aktion kann man auch als Kennenlernspiel mit den Schülern ausführen. Dazu werden die beschrifteten Tonscherben umgedreht, sodass man nicht den Pflanzennamen lesen kann. Jeder Schüler zieht eine Scherbe und sucht die dazugehörige Pflanze. Hat er die richtige Pflanze gefunden, darf der Schüler die Tonscherbe in die Erde stecken. Alternative: Die Schüler erstellen z. B. in Gruppenarbeiten Karteikärtchen mit Pflanzennamen (deutsch/lateinisch) und Pflegeanleitungen für die einzelnen Pflanzen, etwa den Wasser- und Düngebedarf, Standortanspruch hell/dunkel, Besonderheiten etc. Diese Kärtchen werden zum Schluss laminiert und ebenfalls in die Erde zu den jeweiligen Pflanzen gesteckt. Vorübung für die Streichtechnik Jeder Schüler erhält ein Blatt Papier mit einer perspektivischen Darstellung eines Zimmers. Am einfachsten wird hier eine perspektivische Zeichnung mit Tisch, Stuhl, Bett und Fenster sowie viel freier Wandfläche und Bodenfläche von der Lehrkraft erstellt und mittels Kopierer vervielfältigt. Die Schüler werden in drei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe soll z. B. ein Schlafzimmer farbig so gestalten, dass die Schüler gerne darin schlafen würden. Eine andere Gruppe soll ein Spielzimmer entsprechend farbig gestalten und die dritte Gruppe ein Zimmer, in dem man gerne Hausaufgaben machen würde. Häufig wählen die Schüler Blautöne für das Schlafzimmer und gelbe oder orange Farben für das Spielzimmer. Für das Arbeitszimmer Benötigt werden: • weißes Papier, DIN A3 • dicker Borstenpinsel • Wasserfarben Das Streichen der Wand wird mit der Technik der sog. „Liegenden Acht“ und einem Pinsel mit einer Kantenlänge von etwa 10 cm durchgeführt. Dadurch sieht die farbige Wand nach Beendigung der Arbeiten nicht homogen einfarbig aus, sondern wird in einem Arbeitsgang und mit einer Farbe leicht strukturiert (sog. „Toskana-Effekt“ oder „Lasur-Effekt“). Die Übung auf Papier bereitet die Schüler auf den Wandanstrich vor. 39 Kinder haben keinen Bezug zu neutralem, ab straktem Weiß. Sie bevorzugen in der Regel kräftige Farben. Praktische Tipps Troubleshooting/FAQs Wer kümmert sich um die Pflanzen während der Ferien? Woher bekommt man Pflanzen? Es gibt mehrere Möglichkeiten günstig an Pflanzen zu kommen: Entweder man bittet ortsansässige Gärtnereifachbetriebe um eine Pflanzenspende oder preiswerte Pflanzen. Es ist von Vorteil, diese Betriebe von Anfang an am Projekt zu beteiligen. Sollten zukünftig Probleme mit den Pflanzen auftreten, z. B. Schädlingsbefall, so hat man einen fachkundigen Partner, den man um Rat fragen kann. Außerdem können Eltern ersucht werden, mit überzähligen oder zu groß gewordenen Zimmerpflanzen oder auch Ablegern zum Lernfördernden Klassenzimmer ihrer Kinder beizutragen. Allerdings sollten dabei folgende Punkte beachtet werden: 1. Die Pflanzen sollten, bevor sie in die Schule bzw. das Klassenzimmer gebracht werden, eingehend untersucht werden. Ein nicht bemerkter Schädlingsbefall kann unangenehme Folgen haben. Durch das Einschleppen von Schädlingen an einer Pflanze können andere Pflanzen und im schlimmsten Fall das ganze Projekt gefährdet werden. 2. Die gespendeten Pflanzen müssen alle Voraussetzungen erfüllen, die in Teil I, dieser Broschüre angesprochen werden. Zur Pflege bzw. Gießhäufigkeit in den Ferien müssen im ersten Jahr der Begrünung Erfahrungen gesammelt werden. In der Regel kann man allerdings davon ausgehen, dass das Gießen lediglich in den großen Sommerferien organisiert werden muss, bei besonders heißem Wetter ggf. auch in den Pfingstferien. Werden die Pflanzen vor den Ferien ausreichend mit Wasser versorgt, können die in der Handlungsanleitung empfohlenen Pflanzen normalerweise eine Woche gut ohne weitere Versorgung, bei niedrigeren Temperaturen z. B. in den Weihnachtsferien auch bis zu zwei Wochen überstehen. Für die sechs Wochen in den Sommerferien ist in der Regel 4-6 mal Gießen erforderlich. Dies kann beispielsweise abwechselnd von mehreren Lehrkräften oder Eltern-Paten übernommen werden. Oder die Pflanzen werden vor den Sommerferien in einen geschützten Bereich zusammengestellt, allerdings nicht in die direkte Sonne, das kann bei den Pflanzen zu irreparablen UV-Schäden führen. Dort kann dann die Pflege von den Schülern bzw. Eltern weitergeführt werden. Die Kosten für ein Lernförderndes Klassenzimmer Kurzinfo: Falls schon Klassenzimmer begrünt sind, bietet die Vermeh rung der bereits vorhandenen Pflanzen eine weitere Beschaffungsmög lichkeit. Bei der Pflanzenauswahl in dieser Handlungsanleitung wurde darauf geachtet, dass die empfohlenen Pflanzen größtenteils einfach selbst vermehrt werden können. Eine der ersten Fragen, die sich stellen ist die nach den Kosten für ein Lernförderndes Klassenzimmer. Natürlich lassen sich die Kosten nur annähernd benennen, da sie davon ab40 hängen, wie viele Pflanzen beschafft werden bzw. in welchem Umfang die Leuchtmittel verändert werden. Folgende Zahlen können daher nur als grobe Anhaltspunkte gelten: den (ca. 150 bis 200 Euro) und statt 25 Pflanzen werden 15 Pflanzen gekauft (ca. 350 Euro). Dadurch lassen sich die Kosten deutlich reduzieren. Farbe: Die Farbe macht vermutlich den geringsten Anteil am Gesamtbudget aus. Hier müssen für Material (Pinsel, Eimer, Folien etc.) und Farbe etwa 150 bis 200 Euro einkalkuliert werden. An einer Pflanze sind Schädlinge aufgetreten. Was ist zu tun? Wird Schädlingsbefall an Pflanzen festgestellt, kann z. B. mit Hilfe der Internetadresse www. zimmerpflanzendoktor.de der Schädling identifiziert und geeignete Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Bei der Diagnose von Schädlingen ist eine frühzeitige Erkennung notwendig. Treten diese bereits in Massen auf, wird eine Bekämpfung sehr schwierig und die Pflanzen sind eventuell nicht mehr zu retten. Daher ist ein wachsames Auge bei der Routinepflege notwendig, d. h. die Schüler sollten beim Gießen regelmäßig die Pflanzen auf Befallsnester kontrollieren. Können solche Befallsnester frühzeitig durch gezielten Rückschnitt entfernt werden, ist der Erfolg am größten. Bei leichtem Schädlingsbefall kann nach Isolierung der Pflanze mit einer schonenden Behandlung begonnen werden (siehe Rezeptteil, S. 60). Die Pflanzen sollten aber so lange in Quarantäne verbleiben, bis ihre Schädlingsfreiheit zweifelsfrei festgestellt werden kann. Sind mehrere Pflanzen befallen, so kann sich auch der frühzeitige Einsatz von biologischem Pflanzenschutz (sog. Nützlinge) anbieten. Genauere Informationen und Bezugsquellen finden Sie unter anderem bei der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau unter der Licht: Hier hängt viel davon ab, was am bestehenden System verändert werden muss. Eine Vollspektrumleuchtstoffröhre kostet etwa das Doppelte einer bislang üblichen Leuchtstoffröhre. Ein reiner Austausch der Leuchtstoffröhren wird sich daher auf Kosten von ca. 300 bis 400 Euro belaufen. Muss dagegen beispielsweise ein drittes Leuchtband eingezogen werden, steigen die Kosten deutlich an. Pflanzen und Töpfe: Diese beiden Posten machen vermutlich den größten Teil der Gesamtkosten aus. Ein Sponsoring seitens der Eltern oder ortsansässiger Betriebe kann die Finanzierung des Projekts daher deutlich erleichtern. Für etwa 20 bis 25 Pflanzen (davon etwa 6 bis 7 Großpflanzen über 1,20 m) müssen ca. 500 bis 600 Euro einkalkuliert werden. So entstehen Gesamtkosten für ein Lernförderndes Klassenzimmer von ca. 1.000 bis 1.200 Euro. Ist ein geringeres Budget vorhanden, so empfiehlt es sich, nur Teile des Projekts umzusetzen. Zum Beispiel kann eine Wand mit den Schülern farbig gestaltet wer41 Kur zinfo Automatische Bewässerung einfach aber effektiv Als zusätzliche Bewässe rungsmethode für den Zeitraum von zwei Wochen haben sich PET-Wasserfla schen bewährt: Eine PET-Flasche (ca. 1 bis1,5l) mit Wasser füllen und mit dem Flaschenver schluss verschrauben. In den Verschluss mit einem Nagel o.ä. mehrere kleine Löcher bohren. Die so vor bereitete Flasche wird mit dem Flaschenhals direkt in den Wurzelballen gesteckt. Bei Trockenheit fließt so Wasser problemlos nach und die Pflanze versorgt sich selbst mit Wasser. 5 1 6 2 1. Blattlaus 2. Schildlaus 3. rote Spinnmilbe 4. Tribse 5. weisse Fliege 6.Wolllaus (S. 41) 3 Ganz allgemein gilt, dass beim Pflanzenschutz immer der präventive Ansatz am effektivsten ist. So tritt ein Schädlingsbefall häufig dann auf, wenn Pflanzen aufgrund von falscher Pflege oder ungünstigen Standortbedingungen geschwächt sind. Die Einhaltung pflanzenspezifischer Ansprüche in Hinblick auf Pflege und Standort ist daher eine wichtige Maßnahme bei der Prävention von Schädlingsbefall. Zusätzlich können Pflanzenstärkungsmittel oder die Anwendung anderer präventiver Mittel zum Tragen kommen. So werden in manchen botanischen Gärten beispielsweise die Pflanzen vorbeugend mit Niemsamenauszug behandelt. Neben seiner abschreckenden Wirkung bei sich verpuppenden Insekten, wirkt Niem auch fraßhemmend. Zudem haben die Erfahrungen gezeigt, dass Pflanzen, die vorbeugend mit Niem behandelt wurden, weniger anfällig gegenüber Schädlingen zu sein scheinen (s. Rezeptteil S. 60). Im Handel werden auch andere Pflanzenstärkungsmittel angeboten beispielsweise Pflanzenstärkungsmittel, mit denen bereits in Fachbetrieben gute Erfolge erzielt werden konnten. 4 Internetadresse www.lwg.bayern.de/gartenakademie/infoschriften/garten_allgemein (Merkblätter 1354 und 1355). In manchen Fällen, insbesondere bei starkem Befall mehrerer Pflanzen, ist dies aber nicht mehr ausreichend bzw. nicht erfolgreich. Bei starkem Befall mehrerer Pflanzen empfiehlt sich eine professionelle Behandlung mit chemischen Pflanzenschutzmitteln. Die Anwendung von chemischen Pflanzenschutzmitteln im Klassenzimmer ist allerdings ein sehr sensibles Thema und sollte auch in Hinblick auf die Ängste bei Schülern und Eltern unterlassen werden. Stattdessen sollte diese in einem Fachbetrieb der z. B. ortsansässigen Gärtnerei und durch fachkundige Personen durchgeführt werden. Dort können die Pflanzen ohne Gefahr mit chemischen Pflanzenschutzmitteln behandelt werden. Wenn sichergestellt werden kann, dass die Pflanzen schädlingsfrei sind und keine Gefährdungen aufgrund der ausgebrachten Pflanzenschutzmittel zu befürchten sind, können die Pflanzen in das Klassenzimmer zurückgebracht werden. Eine Pflanze verliert Blätter, bekommt braune Blattspitzen, sieht nicht mehr gut aus, ... Zuerst einmal ist zu prüfen, ob die Pflanze von Schädlingen befallen ist (s. o.). Ist dies nicht der Fall, liegen vermutlich Pflegefehler und/oder ein falscher Standort vor. 42 Gehen Sie nach folgender Checkliste vor: Richtige Standortwahl: janein Steht die Pflanze hell genug? (siehe Pflanzenporträts) ➪ Bei nein oder im Zweifelsfall: Wechseln Sie den Standort und beobachten Sie die Pflanze dort für die nächsten drei bis vier Wochen; in diesem Zeitraum sollte sich eine Besserung zeigen. ❑ ❑ Wird die Pflanze häufig bewegt oder verschoben? ➪ Wenn ja: Verschiedene Pflanzen reagieren sehr empfindlich, auch schon auf eine leichte Veränderung des Standorts. Hier kann schon ein Drehen der Pflanze zu verstärktem Blattfall führen. Vermeiden Sie daher zukünftig entsprechende Pflanzenbewegungen, notfalls bringen Sie die Pflanze an einen ruhigeren Standort. ❑ ❑ Steht die Pflanze in der Zugluft bzw. im Winter vor dem Fenster? ➪ Wenn ja: Viele Pflanzen vertragen nur sehr schlecht Zugluft. Insbesondere kalte Zugluft bedeutet für manche Pflanzen das Todesurteil. Gerade in Gebäuden mit alten Fenstern kommt kalte Luft auch durch geschlossene Fenster. Empfindliche Pflanzen, die in Fensternähe stehen, könnten Schäden davontragen. Wechseln Sie auch in solch einem Fall den Pflanzenstandort. ❑ ❑ Pflege: Zeigt die Pflanze (gilt insbesondere für Palmen) braune Blattspitzen? ➪W enn ja: Die Pflanze steht zu trocken und/oder zu sonnig. Meist herrscht zu niedrige Luftfeuchtigkeit im Raum. Stellen Sie die Pflanze aus der direkten Sonne und besprühen Sie sie regelmäßig mit Wasser. Blätter oder Stengel faulen (z.B. auf Erdhöhe) ab. ➪ Wenn ja: Zu nass, Erde komplett abtrocknen lassen. Notfalls die Pflanze von der feuchten Erde befreien und in neues, trockenes Substrat pflanzen. 43 ❑ ❑ ❑ ❑ Praktische Tipps Ein Klassenzimmer ist bereits begrünt. Wie kann man das Projekt ausweiten? Besprühen Um das Projekt an der gesamten Schule auszuweiten, kann eine Arbeitsgruppe „Grünes Schulhaus“ mit interessierten Schülern gegründet werden. Über eine regelmäßige Vermehrung der Pflanzen und die Pflege der Pflanzen durch die Schüler kann das Projekt nach und nach wachsen. Es empfiehlt sich auch in diesem Fall, den Schülern eine Einführung in die richtige Pflanzenpflege zu geben. Idealerweise wird ein entsprechender Ordner mit Pflegetipps für die Schüler – oder besser noch zusammen mit ihnen – erstellt. Auf diesem Weg bleibt das Wissen der Schüler erhalten und kann bei Bedarf jederzeit nachgelesen werden. Viele Pflanzen vertragen – wie auch wir Menschen – niedrige Luftfeuchtigkeit nicht. Menschen kratzt der Hals und sie werden anfälliger für Erkältungen. Pflanzen werden anfälliger für Schädlingsbefall, insbesondere für wo die Wurzeln der Pflanze sind nass. Ganz allgemein gilt hier der Satz: Weniger ist oft mehr. Die meisten Pflanzen, insbesondere die TOP 8-Pflanzen aus dieser Broschüre, vertragen auch einmal längere Trockenheit. Auch wenn die Pflanzen dann ggf. nicht mehr gesund aussehen, kann man sie nach der Dürre wieder zum Leben erwecken. Anders verhält es sich mit Pflanzen, die über einen längeren Zeitraum zu feucht gehalten werden. Keine Pflanze – mit Ausnahme von Sumpfpflanzen – duldet langanhaltende Staunässe. Die Nässe führt zu Wurzelfäule und das wiederum bedeutet ein Absterben der Pflanze. Pflanzen und Pflegeanleitungen • Allgemeine Pflegetipps Wie oft gießen? Richtig gießen Nutzen Sie den sog. „Fingertest“: Greifen Sie mit den Fingern in die Erde. Stecken Sie Ihre Finger dabei vorsichtig etwa 1-2 cm in die Erde und fühlen Sie, wie die Erde dort beschaffen ist. Nur wenn die Erde locker, trocken und krümelig ist, benötigt die Pflanze Wasser. Wichtig ist hierbei, dass sie nicht nur oberflächlich die Erde prüfen und berühren, sondern tatsächlich auch in die Erde greifen. Häufig ist nämlich die Erde an der Oberfläche abgetrocknet und fühlt sich dort bereits trocken an, tatsächlich ist sie aber weiter unten, Manche Pflanzen benötigen viel Wasser, andere weniger. Der Wasserbedarf einer Pflanze ist allerdings auch von anderen Bedingungen wie z. B. dem Standort (starke Sonneneinstrahlung, hohe Temperaturen) abhängig. Eine generell gültige Aussage, dass man zwei Mal pro Woche gießen muss, kann daher nur als Orientierung dienen. Besser ist aber die Regel: Nur gießen, wenn es notwendig ist! 44 Wieviel gießen? Gießen Sie die Pflanzen langsam. Häufig besteht gerade bei sehr trockenen Wurzelballen die Gefahr, dass die Flüssigkeit sehr schnell durch die Erde sickert und sich im Untersetzer oder Übertopf sammelt. Stoppen Sie das Gießen, sobald das erste Wasser aus dem Topf in den Untersetzer oder den Übertopf fließt. Warten Sie danach etwa 30 Minuten. Wasser, das sich dann noch im Untersetzer oder Übertopf befindet, sollte abgegossen werden (Ausnahme: Gießen vor den Ferien). Spinnmilben. Die Pflanzen bei niedriger Luftfeuchtigkeit (also insbesondere während der Heizperiode im Winter) möglichst oft – am besten täglich – mit Wasser aus einer Blumenspritze besprühen. Das Wasser sollte möglichst weich, d. h. kalkarm sein, um Kalkränder auf den Blättern zu vermeiden. Verwenden Sie dafür am besten Regenwasser oder destilliertes Wasser. 45 hell bis Halbschatten Schefflera arboricola Strahlenaralie sehr pflegeleicht, bei gelben Blätter sollte gedüngt werden, Vermehrung über Stecklinge möglich ↑ 50 – 250 cm ↔ bis 80 cm HalbschattenSchatten Rhapis excelsa Steckenpalme sehr pflegeleicht ↑ 50 – 250 cm ↔ bis 100 cm HalbschattenSchatten Howeia forsteriana Kentiapalme sehr pflegeleicht, braune Blattspitzen deutet auf zu trockene Luft hin, öfter besprühen ↑ 125 – 250 cm ↔ bis 100 cm hell Glückskastanie 47 sehr pflegeleicht Pflanze, speichert in ihrem Stamm Wasser, benötigt wenig Wasser, toleriert Trockenheit gut, Staunässe dagegen gar nicht 46 ↑ 50 – 250 cm ↔ bis 90 cm Im Folgenden finden Sie die TOP-8-Liste der Pflanzen fürs Klassenzimmer sowie im Anschluss an die Übersicht kurze Pflanzenporträts mit Pflegebesonderheiten oder Hinweisen zur Vermehrung. Diese Informationen können bei Bedarf kopiert und für die Schüler in einem „Pflegeordner“ zusammengestellt bzw. für die Anfrage bei Sponsoren genutzt werden. Pachira aquatica Damit Pflanzen wachsen können, benötigen sie Nährstoffe. Neben dem Umtopfen in neues Substrat sollten die Pflanzen regelmäßig mit Pflanzendünger versorgt werden. Dieser ist im Handel erhältlich und wird den Pflanzen über das Gießwasser zugeführt. Die Angaben zum richtigen Mischungsverhältnis finden Sie auf der Düngerflasche. Im Sommer während der Wachstumsperiode kann man in der Regel alle 2-3 Wochen düngen, im Winter sollte sparsamer gedüngt werden. Grünlilie Einblatt Die TOP-8 Pflanzen fürs Klassenzimmer mit Pflanzenportraits Düngen sehr pflegeleicht, braune Blattspitzen und blasse Blattzeichnung deutet auf zu trockene Erde hin, leichte Vermehrung durch Kindel ↑ 30 – 80 cm ↔ bis 60 cm HalbschattenSchatten Spathiphyllum wallisii Bei Erdkulturpflanzen sollte regelmäßig etwa alle zwei bis drei Jahre umgetopft werden. Der Zeitpunkt zum Umtopfen ist spätestens dann gekommen, wenn die Wurzeln der Pflanze aus den Öffnungen des Pflanzgefäßes herauswachsen. Dazu die Pflanze aus dem Übertopf heben und prüfen, wie stark das Wurzelwachstum fortgeschritten ist. Die beste Zeit für das Umtopfen ist das Frühjahr. Beim Umtopfen im Herbst oder Winter besteht die Gefahr, dass Wurzelfäulnis auftritt. Gerade bei einem Wechsel der Schüler ist das Umtopfen der Pflanzen evtl. auch mit Hilfe der Tutoren (s. S. 35) eine sehr gute Methode, um die Identifikation und Begeisterung der Schüler für ihr Lernfördernden Klassenzimmer zu stärken. ↑ 15 - 50 cm ↔ bis 50 cm Hänge- bzw. Kletterpflanze Halbschatten Epipremnum aureum Efeutute Umtopfen HalbschattenSchatten sehr pflegeleicht, einfache Vermehrung durch Kopfstecklinge ↑ 80 – 200 cm ↔ bis 70 cm HalbschattenSchatten Dracaena fragrans Drachenbaum verschiedene Düngemittel (von links nach rechts): Flüssig dünder, Dünge sticks, LangzeitDüngegranulat Auf den Blättern lagert sich im Lauf der Zeit Staub ab. Dieser verschließt die Poren, die Pflanze kann nicht mehr atmen. Daher den Staub mit einem weichen Tuch oder Schwamm und lauwarmem Wasser abwischen. Stützen Sie das Blatt dabei mit der anderen Hand ab. Kein Blattglanz verwenden! Viele Pflanzen (speziell Palmen) vertragen kein Blattglanz, da es die Blattporen verschließen kann. Besondere Pflegehinweise sonstige Hinweise Säubern Chlorophytum comosum sehr pflegeleicht, möglichst einfarbige Sorte wählen, da diese dunkle Standorte besser verträgt Wuchshöhe/ Platzbedarf Lichtanspruch lateinischer Name deutscher Name Pflanzen sollten in der Regel alle zwei bis drei Jahre umgetopft werden. sehr pflegeleicht, Blütenbildung durch Düngung, braune Blattspitzen können ein Zeichen für Überdüngung sein; toleriert nicht zuviel Licht, kein heller Standort Praktische Tipps Praktische Tipps Pflanzenporträts Licht in alphabetischer Reihenfolge, sortiert nach deutschen Namen Halbschatten Temperatur nicht unter 13° C Gießen / Wasserbedarf mäßig Vermehrung Durch Kopfstecklinge oder etwa 8-10 cm lange Stammstücke. Diese wurzeln leicht im Frühjahr bei etwa 24 bis 26 °C in einem feuchten Anzuchtkasten (Substratfüllung: Torf und Sand 1:1) über der Heizung an. Krankheitszeichen - Blätter werden braun und fallen ab: zu trocken und warm; mehr gießen und sprühen - Blätter blass nicht ausreichend Licht, heller stellen, insbesondere „bunte“ Pflanzen mit weißen Streifen benötigen mehr Licht, möglichst einfarbige Sorte wählen, da diese dunkle Standorte besser verträgt Deutscher Name Drachenbaum - P flanze matt, Blätter faulen, evtl. auch Wurzeln zu nass, Erde austrocknen lassen, danach weniger gießen Lateinischer Name Dracaena fragrans (auch D. marginata) Herkunft - neue Blätter sind verformt; kleiner Wuchs düngen tropische Regionen Asiens oder Afrikas - braune Blattspitzen zu trockene Heizungsluft, besprühen 48 49 Praktische Tipps Licht Licht Halbschatten bis Schatten Halbschatten bis Schatten Temperatur Temperatur nicht unter 13° C nicht unter 10° C Gießen / Wasserbedarf Gießen / Wasserbedarf Sommer: stark leicht feuchte Erde, nicht zu nass Winter: wenig gießen, zwischendurch Erde Vermehrung abtrocknen lassen Durch Wurzelteilung. Größere Pflanzen aus dem Topf nehmen und Wurzeln und Stängel vorsichtig auseinanderziehen. Wurzelballen teilen und beide Teile in zwei neue Töpfe pflanzen Vermehrung durch Kopfstecklinge. Diese wurzeln leicht im Frühjahr bei etwa 21 °C in einen feuchten Anzuchtkasten (Substratfüllung: Lehmerde und Sand) über der Heizung an. Krankheitszeichen Krankheitszeichen Deutscher Name - braune Blattflecken und schwarze Blattränder zu kalt und/oder zu nass, wärmer stellen, weniger gießen Efeutute Lateinischer Name Epipremnum aureum Herkunft - Blätter blass zuviel Sonne, Pflanze in den Schatten stellen tropische Wälder der pazifischen Inseln 50 - Blätter hängen schlaff herunter Erde ausgetrocknet, Pflanze sofort gut gießen Deutscher Name Einblatt, Blattfahne - Blätter leicht gelblich Pflanze steht zu hell, Schattiger stellen Lateinischer Name Spathiphyllum wallisii - Pflanze blüht nicht düngen, Wurzelballen prüfen und ggf. die Pflanze umtopfen, zu große Pflanzen müssen unter Umständen geteilt werden Herkunft tropische Regionen Asiens oder Afrikas 51 Praktische Tipps Licht Licht sehr hell bis hell, auch volle Sonne Halbschatten bis Schatten Temperatur Temperatur nicht unter 15° C, die Pachira ist sehr anfällig für niedrige Temperaturen und Zugluft Gießen / Wasserbedarf gering, die Pachira ist in der Lage, Wasser in ihrem Stamm zu speichern, sie verträgt daher sehr gut Trockenheit. Ein Zuviel an Wasser schadet ihr sehr schnell. Durch Kopfstecklinge. Diese wurzeln im Frühjahr bei etwa 24 bis 26° C in einem feuchten Anzuchtkasten bei ausreichend Bodenwärme an (am besten auf die warme Heizung stellen) An langen Stängeln entwickeln sich Jungpflanzen (sog. Kindel). Diese können einfach abgetrennt und in neue Töpfe verpflanzt werden. Auch eine Vermehrung über Wurzelteilung bei zu groß gewordenen Pflanzen ist möglich. weniger gießen, ggf. Standort wechseln - Blätter fallen ab, klebrige Stellen Schädlingsbefall, Pflanze überprüfen und geeignete Maßnahmen ergreifen Lateinischer Name - Stamm ist weich zu nass, Pflanze sofort in trockenes Substrat umtopfen, kaputte Wurzeln entfernen, Erde durchtrocknen lassen, den weichen Stamm absägen, die Pflanze kann hier neu austreiben. Falls sich die Pflanze erholt, weniger gießen. Pachira aquatica Herkunft tropisches Mexiko 52 mäßig, die Grünlilie verträgt sehr gut Trockenheit und wird dadurch oft zur Entwicklung von Trieben, Blüten und Jungpflanzen angeregt. Vermehrung - viele Blätter fallen ab, Blätter gelb Pflanze eventuell zu kalt/nass, Zugluft? Glückskastanie Gießen / Wasserbedarf Vermehrung Krankheitszeichen Deutscher Name nicht unter 10° C Krankheitszeichen - Blätter blass und matt Erde ausgetrocknet, Pflanze sofort gut gießen Deutscher Name Grünlilie - Blätter mit braunen Spitzen zu trocken oder zu sonnig, gießen und/ oder aus der Sonne stellen, Pflanze besprühen, Pflanze steht zu hell, schattiger stellen Lateinischer Name Chlorophytum comosum Herkunft - Pflanze fault in der Mitte Tropen; Südafrika zu nass, Erde abtrocknen lassen, falls sich die Pflanze erholt, weniger gießen. 53 Praktische Tipps Licht Licht Halbschatten bis Schatten Halbschatten Temperatur Temperatur nicht unter 13° C nicht unter 13° C Gießen / Wasserbedarf Gießen / Wasserbedarf mäßig, im Sommer ca. zwei Mal pro Woche gießen, im Winter nur alle 2 Wochen gießen mittel, Im Sommer ca. zwei Mal pro Woche gießen, im Winter nur alle zwei Wochen gießen Vermehrung Vermehrung bei dieser Pflanze nur über Samen, schwierig, Fachwissen nötig Durch Wurzelteilung. Größere Pflanzen aus dem Topf nehmen und Wurzeln und Stängel vorsichtig auseinanderziehen. Wurzelballen teilen und beide Teile in zwei neue Töpfe einpflanzen. Krankheitszeichen - Wedel werden komplett braun Erde ausgetrocknet oder Luft zu trocken, braune Wedel entfernen, Pflanze gießen und besprühen - Blätter mit braunen Spitzen Luft ist zu trocken (vor allem in der Heizperiode), Pflanze möglichst täglich besprühen oder auf Untersetzer mit Kieseln stellen Deutscher Name Kentiapalme Lateinischer Name - Pflanze fault in der Mitte zu nass, Erde abtrocknen lassen, falls sich die Pflanze erholt, weniger gießen Kentia forsteriana (Howeia forst.) Herkunft - Wedel leicht gelblich, Gespinnste an der Blattunterseite Befall mit Spinnmilben, Maßnahmen ergreifen Lord-Howe-Inseln, Pazifik 54 Krankheitszeichen - Wedel werden komplett braun Erde ausgetrocknet oder Luft zu trocken, braune Wedel entfernen, Pflanze gießen und besprühen Deutscher Name Steckenpalme - Blätter mit braunen Spitzen Luft ist zu trocken, Pflanze häufiger besprühen oder auf Untersetzer mit Kieseln stellen Lateinischer Name Rhapis excelsa Herkunft - Wedel leicht gelblich, Gespinnste an der Blattunterseite Ostasien Befall mit Spinnmilben, Maßnahmen ergreifen 55 Praktische Tipps Bekämpfung von Pflanzenschädlingen Licht Halbschatten Temperatur nicht unter 12° C Befall mit Blattläusen Selbst bei sorgfältigster Pflege lässt es sich nicht vermeiden, dass Pflanzen von Schädlingen befallen werden. Für die Schädlingsprävention bzw. -bekämpfung gelten grundsätzlich die nachfolgend genannten Schritte: • Abspülen der Läuse mit Wasser bzw. Schmierseifenlösung • Behandlung mit Öl-Emulsion Gießen / Wasserbedarf mäßig bis stark Vermehrung Deutscher Name Strahlenaralie 2. Befallene Pflanze sofort von den anderen Pflanzen isolieren Krankheitszeichen 5. Pflanzen ggf. abduschen - Blätter werden blassgrün bis gelb Düngen erforderlich 6. Behandlungsempfehlungen folgen, Schädlinge bekämpfen Lateinischer Name Schefflera arboricola - weiße, wollige Flecken auf den Blättern Befall mit Wollläusen, Maßnahmen ergreifen Herkunft Australien und Neuseeland 56 1. Pflanzen immer regelmäßig auf Schädlingsbefall kontrollieren Durch Kopf- und Blattstecklinge. Trieb (ca. 15 cm) abtrennen und in eine dunkle, mit Wasser gefüllte Flasche stellen. Nach bis zu 2 Monaten bilden sich die ersten Wurzeln aus. Dann den Trieb vorsichtig in einen Topf mit Erde einpflanzen. - vermehrter Blattfall, braune schuppige Insekten auf Stängeln und Blattstielen Befall durch Schildläuse, Maßnahmen ergreifen • Einsatz käuflicher Nützlinge wie Florfliegenlarven, Gallmückenlarven oder Schlupfwespen • Pflanzen im Abstand von drei bis fünf Tagen mit einem wässrigen Auszug aus Niemsamen (siehe Rezept S. 58) besprühen. Es wirkt bei Blattläusen als Häutungsgift, ist für den Menschen aber ungefährlich. 3. Schädlingsart ermitteln 4. Schädlinge manuell entfernen (Tuch, Schwamm, Wattestäbchen) Befall mit Schmierläusen/Wollläusen Wenn nach ca. zwei Wochen keine Besserung festgestellt werden kann, ist sachkundiger Rat einzuholen bzw. sollte die Pflanze von fachleuten chemisch behandelt werden. Im Folgenden werden die fünf häufigsten Schädlinge an Zimmerpflanzen bzw. deren Bekämpfung beschrieben. • Abwaschen der Schädlinge mit Hilfe eines weichen Tuchs und milder Seifenlauge; darauf achten, dass alle Schädlinge entfernt wurden. Behandlung nach ca. 1-2 Wochen wiederholen. • Behandlung mit Öl-Emulsion (siehe Rezept S. 61) • Einsatz käuflicher Nützlinge wie Aus tralischer Marienkäfer, Florfliegenlarven, Schlupfwespen 57 Praktische Tipps Befall mit Schildläusen Rezepte, Rezepte, Rezepte • Behandlung wie beim Befall durch Schmierläuse Rezept: Pflanzenschutzmittel/Pflanzenstärkungsmittel Niem: • Beim Einsatz von Nützlingen ist eine genauere Bestimmung der Schildlausart notwendig. • 25 g (ca. 4 gehäufte EL) Niemsamen (gemahlen) • 1 l lauwarmes Wasser (am besten Regenwasser) Befall mit Spinnmilben Die Niemsamen mit dem lauwarmen Wasser übergießen, gut umrühren und den Ansatz ca. 3 Stunden unter weiterem häufigen Rühren stehenlassen. Diesen danach durch ein Sieb gießen, um die festen Bestandteile zu entfernen. Die fertige Lösung in eine Blumenspritze füllen und die Pflanzen damit besprühen. • Manuelle Entfernung der Gespinste und Abduschen der Pflanzen • Spinnmilben benötigen für ihr Wachstum niedrige Luftfeuchtigkeit. Man kann daher durch Eintüten der zuvor gewässerten und mit Wasser besprühten Pflanzen ein Kleinklima schaffen, das die Pflanzen ein paar Tage dulden, die Spinnmilben aber abtötet. Dieses Mittel hilft bei geringem Schädlingsbefall und kann gleichzeitig präventiv zur Schädlingsvorbeugung und Pflanzenstärkung verwendet werden. Dazu sollten die Pflanzen etwa ein Mal im Monat mit dem Niemansatz besprüht werden. Neben dem Besprühen können die Pflanzen auch regelmäßig mit der Niemlösung gegossen werden. Die Wirkstoffe erreichen so die Wurzeln der Pflanzen, werden von diesen aufgenommen und verteilen sich über das Wassertransportsystem innerhalb der gesamten Pflanze. Diesen Vorgang nennt man systemische Anwendung. • Einsatz käuflicher Nützlinge wie Raubmilben in Kombination mit Florfliegen • Pflanzen im Abstand von 3-5 Tagen mit einem wässrigen Auszug aus Niemsamen (siehe Rezept rechte Seite) besprühen. Es wirkt als Häutungsgift, ist für den Menschen aber nicht giftig. Befall mit Thripse Die Behandlung erfolgt hier wie beim Befall durch Spinnmilben. Zusätzlich können Gelbtafeln (= Klebefallen, im Handel erhältlich) eingesetzt werden. 58 Rezept: Öl-Spülmittel-Emulsion: Rezept: Herstellung einer Lasurfarbe mit Farbpigmenten: • 2 EL Olivenöl oder anderes Speiseöl • 1 Spritzer Spülmittel (als Emulgator) Für ca. 30 m2 Wandfläche benötigen Sie: • 1 l Wasser • ca. 3,5 l Wasser Die Zutaten zusammenmischen, gut schütteln und in eine Blumenspritze füllen. Die befallene Pflanze damit besprühen. Insekten atmen durch Öffnungen in ihrem Chitinpanzer. Diese werden durch den Ölfilm verstopft und die Tiere ersticken. Aber Vorsicht: Das Öl verschließt auch die Blattporen der Pflanze, auch diese kann dann ersticken. Aus diesem Grund sollten Öl-Emulsionen nur sehr vorsichtig und in geringen Konzentrationen eingesetzt werden. Die befallenen Pflanzen sollten abends behandelt werden und eine intensive Sonnenbestrahlung nach der Öl-Behandlung vermieden werden. • ca. 100 g Celluloseleim/Kleister (handelsüblicher Tapetenkleister aus dem Baumarkt aus Methylcellulose) • Farbpigmente (je nach Farbe und individuellem Geschmack 15 bis 50g) • ca. 20 ml Spiritus (bei Bedarf, zur besseren Lösbarkeit der nicht wasserlöslichen Pigmente) • bei Bedarf ca. 150 ml Plextol D 498 (wasserverdünnbarer Pigmentbinder, macht die Wandfarbe später feucht abwischbar) Sie benötigen außerdem • mindestens zwei Eimer • zwei lange Stäbe zum Umrühren Rezept: Schmierseifenlösung: Mischen Sie in einem Eimer ca. 3 Liter Wasser mit Kleister an und lassen das Ganze ca. 1-2 Stunden quellen. In den zweiten Eimer geben Sie einen halben Liter Wasser, versetzen diesen mit einen Schuss (ca. 20 ml) Spiritus und geben dann unter ständigem Rühren vorsichtig die Farbpigmente bis zur gewünschten Farbintensität zu. Beachten Sie dabei bitte folgende Punkte: 1. Das Pigmentpulver hat die Tendenz zu Boden zu sinken. Daher also vom Boden her aufrühren. 2. Einmal zuviel zugegebene Pigmente und damit ein ungewünschter Farbton lassen sich nicht mehr korrigieren. • 15 g Schmierseife • 1 l warmes Wasser Eine Lösung aus Schmierseife und Wasser herstellen und die Pflanzen damit besprühen bzw. abwaschen. Danach mit klarem Wasser nachwaschen. Als Schmierseife darf nur Kali-Seife ohne Zusätze verwendet werden (aus der Apotheke oder Drogerie). Auf keinen Fall Haushaltsseife, Geschirrspülmittel oder ähnliches verwenden. Diese zerstören die Wachsschicht der Blätter und schaden der Pflanze stark. 59 Praktische Tipps Checkliste zur Organisation: struktur (gewollt) sichtbar bleibt. Sehr schöne Effekte erzielt man mit einer Pinselstärke von etwa 10 cm. Um eine einheitliche Struktur zu erreichen, sollte auch an den Rändern, bei Ecken und Laibungen die Richtung sowie die beschriebene Streichtechnik beibehalten werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Fläche zu unruhig wirkt. Geben Sie daher die Pigmente lieber sparsam zu. Testen zwischendrin den Farbton mit einem Probeanstrich an verdeckter Stelle. Wenn der gewünschte Farbton erreicht ist, geben Sie ggf. den Pigmentbinder (die wässrige Dispersion, z. B. Plextol D 498) dazu und rühren weiter. Zuletzt wird diese Mischung in den gequollenen Kleister gerührt. Um zu prüfen, ob die Farbmischung den gewünschten Ton erreicht hat, machen Sie am besten, bevor Sie mit dem Anstrich beginnen, in einem Randbereich oder dort, wo später eine Pinnwand o.ä. hinkommt, einen Probeanstrich. Bei Bedarf kann jetzt noch zusätzlich Pigment nachgegeben werden. In den bereits neu gestalteten Klassenzimmern wurden die ansprechendsten Ergebnisse mit den Farbtönen „Permanentgelb mittel“ und „Irigazin gelb“ (Kremer Pigmente) erzielt. Die Ränder sollten immer nass in nass gearbeitet werden, um einheitliche Übergänge zu erzielen. Zu große Unregelmäßigkeiten können durch einen zweiten oder in Teilen ausbessernden Farbauftrag ausgeglichen werden. Dabei ist aber zu beachten: Je häufiger eine Stelle gestrichen wird, umso intensiver wird die Farbe. Bei zu häufigem Überstreichen über noch feuchte Stellen besteht zudem die Gefahr, dass die Farbpigmente wieder von der Wand gerieben werden. Dadurch entstehen helle bis weiße Flecken. In diesem Fall kann man versuchen, diese Stellen anzugleichen, indem man sie nach einer kurzen Trocknungszeit vorsichtig überstreicht. Streichanleitung Die Vorgehensweise ist einfach: Grundsätzlich wird mit dem Farbauftrag an einer Stelle begonnen und von dort nach links und rechts und anschließend nach oben und unten weitergestrichen. Gearbeitet wird mit breiten Pinseln in einer "liegenden Acht" bzw. in einem liegenden Kreuzstrich (wie das Andreaskreuz). Durch diese Streichtechnik in Kombination mit der Verwendung von Farbpigmenten entsteht eine strukturierte Farbfläche mit einem ungleichmäßigen Farbauftrag. Alle am Streichen Beteiligten müssen dabei mit Pinseln in gleicher Breite arbeiten, da die Pinsel- Die Pinsel können mit klarem Wasser ausgewaschen werden. Beim Streichen durch Schüler ist darauf zu achten, dass sie nicht durch auf den Boden getropfte Farbe laufen und diese dadurch im gesamten Schulhaus verteilen. Tropfen oder Spritzer auf angrenzenden Flächen können mit einem feuchten Tuch sofort abgewischt werden, ohne dass Spuren zurückbleiben. Folgende Checkliste soll Ihnen die Vorbereitung der Klassenzimmerumgestaltung erleichtern. Sie können Sie kopieren, jeweils abhaken und erkennen so schnell, was noch zu tun ist. Genauere Informationen zu den einzelnen Punkten finden Sie im Teil II. 4 M ONATE VORH E R Ja Nein Sind der Sachaufwandsträger sowie das Lehrerkollegium und der Hausmeister eingebunden? Ist ein Ansprechpartner („Kümmerer“) bestimmt worden? Ist das Klassenzimmer bzw. sind die Klassenzimmer ausgewählt? Sind Schüler und Eltern einbezogen und über das Projekt informiert worden (Elternabend, Infobrief)? ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ ❑ 3 M ONATE VORH E R Ist die Gestaltungsplanung für das Klassenzimmer fertiggestellt? Ist anhand der Planung eine Pflanzenliste zusammengestellt worden, die an Eltern und mögliche Sponsoren verteilt werden kann? Ist die Wandfarbe ausgewählt? 4 WO CH EN VORH E R Ist der Elternbrief zum Aktionstag verschickt? (u.a. mit Info alte Kleidung mitbringen) Wurden die Schüler auf die Umgestaltung des Klassenzimmers sowie die Hintergründe für diese Aktion vorbereitet? 1 WO CH E VORH E R Sind alle benötigten Pflanzen und Töpfe im Haus? Sind die Farbe sowie der Tapetenkleister und das Bindemittel im Haus? Sind alle sonstigen Hilfsmittel vorhanden? • • • • • • • mind. 2 saubere Eimer zum Anmischen und Verteilen der Farbe 5-6 Pinsel, je mit einer Kantenlänge von 10 cm (Pinsel müssen identische Kantenlänge aufweisen!) 2 Leitern zum Streichen der deckennahen Wandflächen Folie und Klebeband zum Abdecken von Fußboden, Türrahmen, Fußbodenleisten etc. Rührstock zum Umrühren für den Farbteig Gießkanne zum Angießen der Pflanzen, Sprühflasche zum Besprühen der Pflanzen Erde und Drainagekies zum Umtopfen der Pflanzen Ist die Wandfläche geweißelt? Ist die Presse informiert? Sind Räumlichkeiten für das Umtopfen vorhanden (witterungsunabhängig, Fußboden schmutzunempfindlich bzw. mit Folie abgedeckt)? DE R GROSSE TAG Klassenzimmer ausgeräumt, Fußboden abgedeckt bzw. Wandflächen abgeklebt? J e t z t g e h t ´s l o s ! 60 61 B eispiele Pflanzentabelle Gestaltungsplan 6 Schülertisch Der Gestaltungsplan (rechts) zeigt exemplarisch, wie Pflanzen im Klassenzimmer eingesetzt werden können. In diesem Fall – es handelt sich um eine Grundschule – werden die Pflanzen dazu verwendet, den Schülern zusammen mit den Regal 2 Regal 1 Gestaltungsbeispiele für eine Klassenzimmerbegrünung 5 Plan Nr. Leseecke mit Matten, Kissen o.ä. Regal 3 3 4 bereits vorhandenen Regalen eine Wohlfühl- und Leseecke zu bauen. Die Pflanzen wirken als zusätzlicher Sichtschutz. 7 Waschbecken 8 Schülertisch Schülertisch Schülertisch Schülertisch Schülertisch Schülertisch Schülertisch Schülertisch Schülertisch Schülertisch Schülertisch Schülertisch 10 9 Pflanzen Größe (m) 1 Rhapis excelsa 1,60 Regal 1 2x Epipremnum aureum (hängend) 0,3 2 Schefflera arboricola 1,20 0,5 3 Dracaena fragrans 1,20 4 Pachira aquatica 1,60 Regal 2 2x Spatiphyllum wallisii 0,5 5 Howeia forsteriana 1,60 2x Chlorophytum comosum 0,3 6 Dracaena fragrans 1,20 1x Schefflera arboricola 1,00 7 Rhapis excelsa 1,60 8 Dracaena fragrans 1,20 Regal 3 2x Epipremnum aureum (hängend) 10 Schefflera arboricola 1x Spatiphyllum wallisii 1,20 Pult 0,3 3x Chlorophytum comosum 0,3 1x Spatiphyllum wallisii 0,5 1x Epipremnum aureum (hängend) 0,3 ➡ Nutzen Sie die Pflanzen, um ein Klassenzimmer räumlich zu struktu rieren. Teilen Sie eine Leseecke, Computerecke oder auch eine „Chill-out-Ecke“ mit Sofa durch Pflanzen ab. ➡ Stellen Sie die Pflanzen immer in Gruppen zusammen. Pult 1 Tafel Größe (m) 9 Epipremnum aureum (Moosstab) 1,60 Fenster Insgesamt werden 25 Pflanzen für diese Begrünung verwendet (siehe Gestaltungsplan und Pflanzentabelle). Solitärpflanze 2 20 Pflanzen im gesamten Raum einzeln verteilt wirken weniger eindrucksvoll als sechs Pflanzengruppen zu je zwei bis vier Pflanzen. ➡ A rrangieren Sie Pflanzen unterschiedlicher Größe zusammen. Nutzen Sie d abei auch halbhohe Regale als Stellfläche. B eispiele Diese Broschüre gibt theoretische und praktische Unterstützung für die Gestaltung eines Lernfördernden Klassenzimmers an einer guten, gesunden Schule. Sie soll zeigen, dass eine Umsetzung im Schul- und Unterrichtsalltag möglich ist und gleichzeitig Schulen auf ihrem Weg dorthin ermutigen und begleiten. Im ersten Abschnitt der Broschüre werden die positiven Wirkungen von Pflanzen, Farben und Licht, die theoretischen Hintergründe sowie die Vorteile ihres Einsatzes in Schulen erläutert. Der zweite Teil widmet sich den praktischen Grundlagen für die Gestaltung eines Lernfördernden Klassenzimmers. Dabei werden insbesondere die Kriterien aufgegriffen und erläutert, welche speziell für eine Umsetzung in Schulen von Bedeutung sind. Der dritte Abschnitt beinhaltet viele Hilfen und Kopiervorlagen für eine praktische Umsetzung wie z. B. einen Masterplan für die Organisation (wer macht was bis wann), Checklisten sowie die Pflanzenporträts mit Pflegeanleitungen zu den für das Klassenzimmer empfohlenen Pflanzen. GUV-X 99966 Tische und Stühle Auswahl der Schulmöbel Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de Barrierefreie Türen und Türelemente Türen lichte Breite lichte Höhe Leibung Tiefe Drücker, Griff (Abstand zur Bau-, Ausrüstungsund Ausstattungsteilen) zugeordnete Beschilderung ≥ 90 cm ≥ 205 cm (über OFF – Oberfläche Fertigfußboden) ≥ 26 cm ≥ 50 cm 120 -140 cm Türelemente Manuell bedienbare Türen Drücker bei manuell bedienbaren Türen Griff waagerecht bei manuell bedienbaren Türen Griff waagerecht bei manuell bedienbaren Türen Höhe Drehachse (Mitte Drückermaß) über OFF (Oberfläche Fertigfußboden) = 85 cm Æ Das Achsmaß von Greifhöhen und Bedienhöhen beträgt grundsätzlich 85 cm über OFF. In begründeten Einzelfällen sind andere Maße in einem Bereich von 85 cm bis 105 cm vertretbar 85 cm Höhe über OFF (Oberfläche Fertigfußboden) 85 cm Greifhöhe über OFF (Oberfläche Fertigfußboden) Automatische Türsysteme Taster Taster Drehflügeltür/Schiebetür bei seitlicher Anfahrt Taster Drehflügeltür bei frontaler Anfahrt Taster Drehflügeltür bei frontaler Anfahrt Taster Schiebertür bei frontaler Anfahrt 85 cm Abstand zur Hauptschließkante ≥ 50 cm Abstand zur Öffnungsrichtung ≥ 250 cm Abstand zur Schließrichtung ≥ 150 cm Abstand beidseitig ≥ 150 cm nach E-DIN 18040-2, Barrierefeies Bauen - Planungsgrundlagen Sichere Schule | Gesundheits- und lernförderndes Klassenzimmer Beschlagumrüstung Damit Türen problemlos im Sinne der Barrierefreiheit genutzt werden können, müssen die Türbeschläge in einer Griffhöhe von 85 – 90 cm angebracht sein. Standardmäßig beträgt die Griffhöhe jedoch 105 cm über OFF (Oberfläche Fertigfußboden). Mit Hilfe eines Spezialbeschlages, bei dem die Anordnung von Griff und Schließzylinder getauscht werden, kann ohne weitere bauliche Veränderungen am Türmechanismus die Griffhöhe von ca. 85 cm erreicht werden. Der Griff befindet sich dann unten und der Schließzylinder ist oben angeordnet. Unfallkasse Nordrhein-Westfalen | www.sichere-schule.de Die sieben Beleuchtungskriterien 1. Leuchtdichteverteilung Eine ausgewogen gehaltene Leuchtdichteverteilung trägt ganz wesentlich zur Sehleistung und zum Sehkomfort bei. Hierdurch werden Sehschärfe, Kontrastempfindlichkeit und die Leistungsfähigkeit der Augen erhöht. Erhebliche Leuchtdichteunterschiede im Gesichtsfeld beeinflussen die Sehleistung negativ. Zu vermeiden sind deshalb: zu hohe Leuchtdichten, die Blendung verursachen können zu hohe Leuchtdichteunterschiede, die eine Ermüdung der Augen durch die permanente Adaptation verursachen zu niedrige Leuchtdichten und zu niedrige Leuchtdichteunterschiede die eine unattraktive und wenig anregende Arbeitsumgebung schaffen Die Leuchtdichten von Oberflächen hängen vom Reflexionsgrad (Verhältnis zwischen reflektierender und einfallender Intensität des Lichts) der Oberflächen und der Beleuchtungsstärke auf den Oberflächen ab. Folgende Reflexionsgrade werden empfohlen: Decken: 0,6 bis 0,9 Wände: 0,3 bis 0,8 Arbeitsflächen: 0,2 bis 0,6 Boden: 0,1 bis 0,5 2. Beleuchtungsstärke Die Beleuchtungsstärke hat großen Einfluss darauf, wie schnell, wie sicher und wie leicht eine Person die Sehaufgabe erfasst und ausführt. Unter freiem Himmel hat eine beleuchtete Fläche eine Beleuchtungsstärke von 10.000 Lux (bewölkt) bis 100.000 Lux (sonnig). In Innenräumen müssen Menschen mit viel weniger Licht auskommen. Bei künstlicher Beleuchtung reichen zumeist 500 Lux für Schreib- und Lesearbeiten aus, für Zeichnungen oder anspruchsvolle Aufgaben sollten es mindestens 750 Lux sein. Die Normwerte sind jedoch Mindestwerte. Die meisten Menschen empfinden eine höhere Beleuchtungsstärke als angenehmer und motivierender. Insbesondere im Winter, wenn der Anteil des Tageslichts zurückgeht, benötigen Menschen mehr Licht in den Räumen, um Ermüdung und Konzentrationsabnahme zu vermeiden. Art des Raumes, Aufgabe oder Tätigkeit Beleuchtungsstärke (lx) Unterrichtsräume in Grund- und weiterführenden Schulen 300 Unterrichtsräume für Abendklassen und Erwachsenenbildung 500 Wandtafel 500 Computerübungsräume 300 Bildschirmarbeitsplätze 500* Lesebereiche (Bibliotheken) 500 * Die Grenzwerte der Leuchtdichte von Leuchten sind zu beachten. Angelehnt an Beleuchtung von Arbeitsstätten, DIN EN 12464-1 3. Blendung Ein störender Effekt von Licht kann die Blendung sein. Durch große Kontrastunterschiede zwischen sehr hellen und sehr dunklen Flächen und beim Blick auf das Leuchtmittel werden unsere Augen direkt geblendet. Durch Reflexe auf spiegelnden Oberflächen (sogenannte Schleierreflexion oder Reflexblendung) können sie ebenfalls geblendet werden. Zur Vermeidung von Blendungen tragen folgende Maßnahmen bei: die direkte Sicht auf das Leuchtmittel sollte vermieden werden es sollten nur Leuchten eingesetzt werden, die für Arbeitsplätze geeignet sind durch eine zweckmäßige Anordnung der Tische ist Blendung auszuschließen Licht lenkende Jalousien und eine gute Beleuchtung reduzieren Blendungen häufige Blickwechsel zwischen hellen und dunklen Raumzonen, wie z. B. zwischen Fenster und Schreibtisch, sind zu vermeiden 4. Lichtrichtung Gerichtetes Licht wird eingesetzt, um Objekte, Oberflächenstrukturen und Personen hervorzuheben. Die Beleuchtung einer Sehaufgabe mit gerichtetem Licht kann Auswirkungen auf die Erkennbarkeit haben. Ohne Licht kann man keine Gegenstände sehen, ohne Schatten sind sie nur zweidimensionale Bilder. Erst durch die richtige Mischung aus Lichtrichtung und Schattigkeit sieht man die Gegenstände plastisch und Entfernungen werden abschätzbar. Damit der Schatten die Sicht beim Schreiben nicht behindert, sollte das Licht – bei Rechtshändern – von links einfallen. Kommt das Licht von rechts, schreibt man auf seinem eigenen Schatten. 5. Lichtfarbe und Farbwiedergabe Die Farbqualität einer Lampe mit annähernd weißem Licht wird durch zwei Eigenschaften gekennzeichnet: 1. Die Lichtfarbe der Lampe Der Mensch erlebt seine Umwelt nicht nur als hell und dunkel, durch Licht und Schatten, sondern auch durch Farben. Das von Lampen abgestrahlte Licht besitzt eine Eigenfarbe, die sogenannte Lichtfarbe. Sie wird durch die Farbtemperatur in Kelvin (K) bestimmt. Je höher die Temperatur, desto weißer die Lichtfarbe. Die Lichtfarben von Lampen sind in drei Gruppen eingeteilt: Warmweißes (ww) Licht wird als gemütlich und behaglich empfunden. Neutralweißes (nw) Licht erzeugt eine eher sachliche Stimmung. Tageslichtweißes (tw) Licht eignet sich für Innenräume erst ab einer Beleuchtungsstärke von 1.000 Lux. Angelehnt an Beleuchtung von Arbeitsstätten, DIN EN 12464-1 2. Die Farbwiedergabe Diese beeinflusst das farbige Aussehen von Gegenständen und Personen. Für die Sehleistung, die Behaglichkeit und das Wohlbefinden ist es wichtig, dass die Farben der Umgebung, der Objekte und der menschlichen Haut natürlich und wirklichkeitsgetreu wiedergegeben werden. 6. Flimmern Flimmern verursacht Störungen und kann Kopfschmerzen hervorrufen. Durch Stroboskopeffekte können optische Täuschungen entstehen, die zu gefährlichen Situationen führen können. Deshalb sollten Beleuchtungssysteme so ausgelegt werden, dass Flimmern und Stroboskopeffekte vermieden werden. Dies kann z. B. durch die Verwendung gleichspannungsversorgter Glühlampen oder durch den Betrieb von Glühoder Entladungslampen mit hohen Frequenzen (ca. 30 kHz) erreicht werden. 7. Tageslicht Menschen bevorzugen Tageslicht in den Räumen und die Möglichkeiten, Sichtkontakt nach draußen herstellen zu können. In Räumen mit Fenstern nimmt das vorhandene Tageslicht mit der Entfernung vom Fenster stark ab. Tageslicht kann die Beleuchtung einer Sehaufgabe ganz oder teilweise übernehmen, wobei die Beleuchtungsstärke und die spektrale Zusammensetzung sich im Laufe des Tages verändern. Zur Sicherstellung der erforderlichen Beleuchtungsstärke und Leuchtdichteverteilung am Arbeitsbereich ist deshalb eine zusätzliche Beleuchtung notwendig. Diese kann automatisch oder manuell zugeschaltet werden und falls erforderlich auch gedimmt werden. Um die Blendung durch das durch die Fenster fallende Tageslicht zu vermeiden, sind gegebenenfalls Abschirmmaßnahmen vorzusehen. Angelehnt an Beleuchtung von Arbeitsstätten, DIN EN 12464-1