Die Feder führt - Organisation der Federführer

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Okt
ober2008
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
An die Federführer,
die souveränen Herrscher der Welt
1
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Abbildung 1: Ein Schwarm Bergstrandläufer (Calidris mauri) am Strand in Kalifornien.
(Bildquelle: http://flickr.com/photos/wetlanddoc/ © Copyright Pat Ulrich).
„Haben Sie jemals einen Schwarm Strandläufer am Strand beobachtet, wie er
entlang der Wasserkante auf- und abtippelt und dabei zeitweise nicht mehr aus
einer Ansammlung von individuellen Vögeln besteht, sondern zu einem
Organismus wird, der sich als Einheit zusammen entlang der Brandung bewegt?
Wenn sie plötzlich auffliegen, ist ihr Zusammenhalt sogar noch verblüffender und
wundersamer. Alsbald fliegen alle in eine bestimmte Richtung, und dann,
augenblicklich, wendet sich der gesamte Schwarm zugleich und nimmt eine neue
Richtung an.
Schaut man genau hin, gibt es keinen einzelnen Vogel, der die Entscheidung zu
wenden trifft, sondern es scheint ein Spirit, ein kollektives Bewusstsein zu sein,
das zugleich durch den gesamten Schwarm fließt. Von weitem betrachtet
erscheint der Schwarm als ein Tier, ein Organismus, ein Bewusstsein, das durch
die kollektive Kraft und den Spirit aller Individuen regiert wird. Es ist dieses
selbe Bewusstsein, das den Menschen, die Natur und die Erde durchdringt – das,
was wir den ‚Spirit-der-in-allem-wirkt’ oder die ‚Lebenskraft’ nennen.
Ich vermute, dass es nur ein Vogel ist, der den Gedanken zu wenden erzeugt, und
der eine Gedanke wird sofort in allen anderen manifestiert. Das Individuum
transzendiert dann sich selbst und wird eins mit dem Ganzen. So bewegt sich der
Vogel zugleich im Schwarm und der Schwarm im Vogel. Deshalb frage nicht, was
Du tun kannst, um die Lebenskraft in positiver Weise zu bewegen, denn der
gleiche Spirit, der in den Vögeln wirkt, wirkt auch in Dir. Eine Person, eine Idee,
ein Gedanke kann den Schwarm der Gesellschaft hinweg führen vom Weg der
Zerstörung der modernen Zeit. Es ist nicht die Frage, ob wir einen Unterschied
machen können, denn wir alle machen einen Unterschied, jede/r von uns auf
eigene Weise. Es ist der Unterschied, den wir machen, der wichtig ist.“
– Der weise Apache ‘Großvater’
2
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Rezensionen von Wissenschaftlern
„Die Arbeit präsentiert und diskutiert einen beeindruckenden
Körper aus empirischen Daten, einige davon aus eigenen
Beobachtungen. An mehreren Stellen werden interessante
Erkenntnisse angeführt, z. B. im Vergleich von amerikanischen
Indianern und südasiatischen Indern. [...] Das Leitmotiv der
Arbeit ist höchst originell [...]. Die Idee, sich darauf zu
konzentrieren, auf welche Weise indigene Völker wie bestimmte
amerikanische Indianer und südasiatische Inder die Gesundheit
der Natur, vornehmlich der Wälder, durch spirituelle
Identifikation mit der Natur, insbesondere mit den Vögeln,
schützen, ist faszinierend und potentiell lohnend.“1
– Prof. Dr. Michael Brzoska,
Wissenschaftlicher Direktor, Institut für Friedensforschung
und Sicherheitspolitik, Universität Hamburg
“Im folgenden Text werden unterschiedliche Beispiele für die
Bedeutung von Federn in der indianischen Kultur vorgestellt und
ein Zusammenhang zwischen dem Besitz von Federn und Macht
– auch göttlicher Macht – hergestellt.”
– Dr. Jobst-Michael Schröder,
Leiter des Fachgebiets „Nachhaltige Waldbewirtschaftung“,
Institut für Weltforstwirtschaft, Hamburg
“Gratulation zur Vollendung Deiner Arbeit. Die Welt ist jetzt
sehr fortschrittlich und ich freue mich, dass Du für Deine
Arbeit einen passenden Einsatz gefunden hast.“
– Carla Dove, Ph.D.,
Leiterin des Labors für Federforschung,
Nationales Naturhistorisches Museum,
Smithsonian Institution, Washington, D.C., USA
1
Auszüge einer längeren kritischen Stellungnahme.
3
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Verifikation durch Federführer
Abbildung 2: Haru Xynã Kuntanawa (links) und sein Vater Univu Kuntanawa (rechts),
zwei Federführer der Neotropis, verifizierten die in dieser Masterarbeit getroffenen Aussagen
aus indigener Perspektive und verliehen ihnen Authentizität.
4
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung……………………………………………………………………8
0. Einführung………………………………………………………………………....9
Noch nie da gewesenes Ereignis der Weltgeschichte
Argumente der Skeptiker entschärft
Natürliche Regulierung unwahrscheinlich
Kritische Grenze von 6 °C im Rahmen der Möglichkeiten
Warnung des Weltklimarates (IPCC)
Gaia stirbt
Das Entstehen Klima-induzierter Konflikte
Die Vision des weisen Apachen ‚Großvater’
Unterschiede von Indianischen zu Industriegesellschaften
Forschungsfrage
Hypothese
Methode
Definition von ‚Indigene Nationen’
Dem ‚American way of life’ einen ‚indigenous way of life’ gegenübersetzen
1. Klimakrieg .………………………………………………………………………22
Erste Verwendung des Begriffes ‚Klimakrieg’
Militärischer Klimakrieg
Psychologischer Klimakrieg
Heutige Verwendung des Begriffes ‚Klimakrieg’
Die Entthronung der Natur
Arbeitsdefinition von ‚Klimakrieg’
Klimakrieg – ein klassischer Umweltkonflikt?
2. Klimafrieden ……………………………………………………………………..27
Ursprüngliche Lebensweise von Menschen
Verschiedene Standpunkte von Menschen zur Natur
Erste Verwendung des Begriffes ‚Klimafrieden’
Arbeitsdefinition von ‚Klimafrieden’
5
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Leben im Einklang mit der Natur
Der Mensch als Fürsorger der Erde
Indianisches Leben – ein Beispiel für Leben im Einklang mit der Natur
3. Ein Bewusstseins-Modell .........…………………………………….……………33
Vier Ebenen des Bewusstseins
Wertformierung vom Bewusstsein
Evolution durch die vier Ebenen des Bewusstseins
Indianer auf der höchsten Bewusstseinsebene
Ähnlichkeit der Indianer zu den Indern
Indianer haben die höchste Bewusstseinsebene durch Federn erreicht
4. Die indianische Sichtweise der Natur ...………………………………………….41
Das Auge des Herzens
Singen in der Natur
Vermenschlichung der Natur
Die Beziehung der Indianer zu Bäumen
Die Beziehung der Indianer zu Tieren
Totem-Tiere und Spirit-Tiere
Kommunikation mit Spirit-Tieren
Die Beziehung der Indianer zu Vögeln
Die Beziehung der Indianer zur Erde
Indianische Gesellschaftsstruktur
5. Der Weg der Feder .........…………………………………………………………55
Federn als Ursprung indianischer Kultur
Die Feder-Initiation
Die Sonnen- Erkundung durch Federn
Verdienen von mehr Federn
Federn als Geschenke von der Natur und von Menschen
Wunsch-erfüllende Federn
Der Adler-Tanz
Die Gefiederte Sonne
Die Sonne als Haupt-Lebensspender
6
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Identifizierung mit der Sonne
Der Sonnentanz
6. Der Feder Führer .……......……………………………………………………….....71
Definition von ‚Feder Führer’
Die drei Dimensionen eines Feder Führers
Autorschaft der Feder
Autorität der Feder
Authentizität der Feder
Feder Führer können fliegen
Mythologischer Feder Führer
Feder Führer der Indianer
Feder Führer in anderen Teilen der Welt
Feder Führer der globalen Naturallianz
7. Eine Fallstudie nachhaltiger Forstwirtschaft .……………………………………..........92
Die Wichtigkeit von Wäldern zur Abwendung eines Klimakrieges
Indianer als Fürsorger der Wälder der Erde einsetzen?
Frieden im Wald
Die Menominee-Indianer
Der Ratschlag des Feder Führers der Menominee-Indianer
Indianische nachhaltige Forstwirtschaft
Umsatzrate indianischer Forstwirtschaft
Schutz des ‚Großvater-Baumes’
Die Königin des Waldes
Beiträge zur Debatte zum Wald-Erhalt: Indianische selektive Silvikultur
Vorschlag einer Wald-Armee für den Amazonas an die Vereinten Nationen
8. Schlussfolgerung ..…………………………………………………………..…….......103
9. Nachwort .………………………………………………………….……………….....105
10. Danksagung………………………………………………………….……………….109
11. Literaturverzeichnis …………………………………………………………….........112
12. Memorandum der Feder Führer aus dem Amazonas an Sigmar Gabriel…………….121
13. Gründung des Welt-Feder-Rates.........................................………………….............122
7
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Zusammenfassung
Die Häuptlinge vieler indigener Nationen auf der ganzen Welt führen traditionell Federn
am Kopf als Ausdruck ihrer Autorität. Sie werden deshalb als Feder Führer bezeichnet.
Federn dienen diesen Feder Führern als „Antennen der Spiritualität“, um die Stimmen der
Natur in sich selbst wahrnehmbar zu machen und eine Allianz ihrer Nation mit der Natur
einzugehen.
Die vorliegende Masterarbeit beschreibt, wie Vogelfedern den Feder Führern
ermöglichen, ihr Bewusstsein auf die Ebene ganzheitlicher Naturwahrnehmung zu heben
und im Einklang mit der Natur zu regieren, um so einem globalen Klimakrieg
vorzubeugen. Besonders wertvoll sind die Ratschläge der Feder Führer in Bezug auf den
Erhalt des Waldes, da dieser in der Vorbeugung eines globalen Klimakrieges eine
besonders wichtige Rolle spielt.
Damit legt die Arbeit allen wichtigen Entscheidungsträgern aus den industrialisierten
Staaten der Welt nahe, die große Bedeutung von Vogelfedern als Instrumente der
Naturallianz anzuerkennen und für das Überleben unserer globalen Zivilisation
einzusetzen, indem sie selbst Feder Führer werden.
Herausragende Bedeutung kommt der aus der Feder von Bundesumweltminister Sigmar
Gabriel stammenden Naturallianz zu. Gabriel würdigt die indigenen Völker als
„Hüter der biologischen Datenbank“ der Erde. Durch die Verwendung von Vogelfedern als
Verbindungsstücke zwischen Mensch und Natur, wie sie bei indigenen Völkern üblich ist,
kann die Naturallianz in Deutschland in Bildungseinrichtungen, Firmen und Behörden auf
höchst originelle Weise in der Öffentlichkeit eingeführt und umgesetzt werden.
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Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
0. Einführung
Federführung – Die Rolle der Feder in der Politik
Auf die Bedeutung der Feder sowohl in den Kulturen indigener Völker als auch in der
Wissenschaft wurde bereits in mehreren Beiträgen hingewiesen (Hartmann 1969, 1976,
1976/77, 1977a, 1977b, 1980, 1981, 1982, 1994, 1999, 2000, 2007). In dem vorliegenden
Beitrag soll es um die Bedeutung der Feder in der Politik gehen: um Federführung und um
die Autorität der Feder.
Dazu wird zunächst die momentane Krise auf unserem Planeten beschrieben. Um Wege
aus dieser Krise zu finden, bedarf es dringend der Führung und Autorität der Feder, wie
wir sehen werden.
Noch nie da gewesenes Ereignis der Weltgeschichte
Zum ersten Mal in der wissenschaftlich aufgezeichneten Geschichte der Erde sind
Menschen für einen dramatischen Klimawandel globalen Ausmaßes verantwortlich. Die
atmosphärischen Konzentrationen von Kohlendioxid, Methan und Distickstoffoxid sind
auf der ganzen Welt stark angestiegen als Resultat menschlicher Aktivitäten seit 1750. Die
Werte dieser Treibhausgase überschreiten nun bei weitem die vor-industriellen Werte der
letzten 650'000 Jahre, wie aus Eisbohrkernen ermittelt wurde. Treibhausgase verändern das
Energiegleichgewicht des Klimasystems, welches gegenwärtig zu einem erhöhten
Strahlungsantrieb von +1.6 W pro Quadratmeter auf der Erdoberfläche führt. Als Ergebnis
stieg die globale durchschnittliche Temperatur um 0,76 °C seit 1860, mit dem größten
Anstieg in letzter Zeit: Elf der letzten zwölf Jahre (1995-2006) zählen zu den zwölf
wärmsten weltweit seit 1850 aufgezeichneten Jahren (IPCC 2007a: 2-5). Bis zum Ende
dieses Jahrhunderts wird ein Anstieg der durchschnittlichen globalen Temperatur um bis
zu 6,4 °C vorausgesagt. Vom Meeresspiegel wird ein fortgesetzter Anstieg um 4,2 mm pro
Jahr angenommen durch die thermale Ausdehnung des Wassers und das Schmelzen der
Polkappen; mit einem langfristigen Anstieg von mehr als 11 Metern, wenn die Eisschilde
von Grönland und der West-Antarktis komplett schmelzen (IPCC 2007a: 13, IPCCb: 15).
Der
Zwischenstaatliche
Ausschuss
für
Klimaänderungen,
kurz
‚Weltklimarat’
(Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) folgerte, dass bedeutende Fortschritte
9
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
im Modellieren des Klimas und der Sammlung und Auswertung von Daten der
Wissenschaft „sehr hohe Zuversicht“ geben – eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 9
aus 10, richtig zu liegen – in ihrem Verständnis, wie menschliche Aktivitäten eine
Erwärmung der Welt verursachen. Dieses Niveau an Zuversicht ist viel höher, als der
Weltklimarat in seinem letzten Bericht von 2001 angegeben hat.
Argumente der Skeptiker entschärft
Die beiden Hypothesen, die von Skeptikern des Klimawandels angeführt werden, besagen,
dass die Effekte der Treibhausgase lediglich „Huckepack reiten“ auf zwei signifikanteren
Klimatreibern. Diese Klimatreiber sind:
1. Variationen in der Intensität kosmischer Strahlung, die durch den zyklischen
Durchlauf unseres Sonnensystems durch die vier Spiralarme unserer Galaxie in
Intervallen von etwa 145 Millionen Jahren für mindestens 66 % der Varianz der
Paläotemperaturen2 verantwortlich sind durch eine direkte Verbindung von
kosmischen Strahlen mit der Formation kühlender Wolken (Shaviv & Veizer
2003);
2. eine erhöhte Aktivität der Sonne, die in einem erhöhten Solarwind resultiert,
welcher den kühlenden kosmischen Strahlenfluss von der Erde ablenkt und
gleichzeitig den thermalen Energiefluss erhöht, der die Erde erreicht, welches
zusammen zu einer erhöhten Erdtemperatur führt (Wong 2003).
Beide Theorien wurden durch eine kürzlich erschienene Studie zu Nichte gemacht
(Randerson 2007). Diese Studie belegte, dass die Aktivität der Sonne seit 1985
abgenommen hat, wodurch es gemäß der angeführten Theorien zu einer globalen
Abkühlung kommen sollte, während stattdessen im gleichen Zeitrahmen die globale
Temperatur mit einer beschleunigten Rate von 0,2 °C pro Dekade weiter anstieg. Während
diese beiden Theorien ihren Wert haben, um Langzeit-Zyklen der Eiszeiten und
Warmzeiten zu erklären, kann der Sonne nicht ‚vorgeworfen’ werden, für die gegenwärtige
2
Paläotemperaturen (von Griechisch ‘paläo’, was ‘alt’ bedeutet) sind rekonstruierte Temperaturen der
geologischen Zeitalter der Erde über viele Millionen Jahre, beispielsweise durch das Vorkommen
bestimmter Sauerstoff-Isotope in Sedimenten.
10
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
dramatische globale Erwärmung und der daraus resultierenden Bedrohung für das Leben
auf der Erde verantwortlich zu sein, welche tatsächlich durch anthropogene Treibhausgase
hervorgerufen wird.
Natürliche Regulierung unwahrscheinlich
Eine gewisse Hoffnung existierte in der Vergangenheit, dass die globale Erwärmung
genügend Süßwasser aus schmelzenden Gletschern in der Arktis freisetzen würde, um den
Golfstrom umzukehren und so zumindest einen lokalen kühlenden Effekt für Europa
hervorzurufen. Basierend auf den Resultaten der letzten Klimamodelle ist es jedoch
unwahrscheinlich, dass der Nordatlantikstrom einen großen abrupten Wandel in diesem
Jahrhundert durchlaufen wird. Etwas Verlangsamung des Nordatlantikstromes in diesem
Jahrhundert ist sehr wahrscheinlich, aber es wird angenommen, dass die Temperaturen
über dem Atlantik und Europa nichtsdestotrotz ansteigen werden wegen der globalen
Erwärmung (IPCC 2007b: 17).
Kritische Grenze von 6 °C im Rahmen der Möglichkeiten
Vor 251 Millionen Jahren, am Ende des geologischen Zeitalters Perm, erlitt die Erde ein
Massensterben, das 95 % aller Arten ausrottete. Es brauchte 50 Millionen Jahre, bis die
Artenvielfalt sich auf einem ähnlichen Niveau wie vor der Katastrophe erholt hatte. Dies
war die schlimmste Krise, welche das Leben auf der Erde je durchlaufen hat. Sie wurde
nicht durch einen Meteoriten verursacht (was viele Millionen Jahre später die Ursache für
das Aussterben der Dinosaurier war), sondern durch globale Erwärmung. Milliarden
Tonnen Kohlendioxid tief aus dem Inneren der Erdkruste wurden durch Vulkane in
Sibirien in die Atmosphäre freigesetzt, was wiederum riesige Mengen an Methan aus den
sich erwärmenden Ozeanen freisetzte. In diesem sich selbst verstärkenden Teufelskreis
erzeugten diese Treibhausgase einen irreversiblen Treibhauseffekt von unfassbarem
Ausmaß. Untersuchungen an Sauerstoff-Isotopen in Sedimentgestein vom Ende des Perm
deuten darauf hin, dass der durchschnittliche globale Temperaturanstieg 6 °C betrug
(Lynas 2004: 350-351). Wenn ein Anstieg von 6 °C ausreichte, um 95 % aller Arten auf
der Erde auszulöschen, dann ist die Erde erneut in Gefahr eines solchen Massensterbens –
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Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
dieses Mal durch Menschen verursacht: Die Obergrenze von dem, was der Weltklimarat
(2007a: 13) als durchschnittlichen globalen Temperaturanstieg vorausgesagt hat, liegt bei
6.4 °C!
Warnung des Weltklimarates
Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (Weltklimarat) bündelt das
Expertenwissen von über 2000 weltweit führenden Klimatologen und gibt Empfehlungen
an die politischen Entscheidungsträger der Welt. In seinem Vierten Sachstandsbericht für
Entscheidungsträger der Arbeitsgruppe II, veröffentlicht am 6. April 2007, listet der
Weltklimarat die folgenden laufenden und zukünftigen globalen Trends auf, die durch die
globale Erwärmung hervorgerufen werden und mit jedem weiteren Temperaturanstieg
schwerwiegender und schwerwiegender werden:
1) Ansteigende Todesfälle, Krankheiten und Verletzungen durch
Hitzewellen3;
2) Flutkatastrophen4, Stürme5, Feuer und Dürren, die Millionen von
Menschen treffen;
3) ein Rückgang der Ernteerträge um bis zu 50 % in der regengespeisten
Landwirtschaft bis zum Jahr 2020 in mehreren Ländern wegen abnehmender
Niederschläge;
4) 10 - 40 % Rückgang der globalen Süßwasser-Reserven, was allein in Asien
mehr als eine Milliarde Menschen nachteilig beeinflusst;
5) Anstieg des Meeresspiegels und Überschwemmung von Küstengebieten, die
Millionen von Menschen gefährden;
6) 30 - 60 % der Pflanzen- und Tierarten im Risiko des Aussterbens;
7) erhöhte Haustier-Sterblichkeit in Dürregebieten;
8) erhöhte Intensität von Stürmen;
3
Eine Hitzewelle noch nie da gewesenen Ausmaßes im Sommer 2003 war für mindestens 70'000 Todesfälle
in Europa verantwortlich (Spiegel Online 2007). Solche Hitzewellen werden voraussichtlich in
Zukunft öfter auftreten (Bhattacharya 2003).
4
Ein Wolkenbruch von Rekordgröße in Südwest-Indien entleerte 940 mm Regen in 24 Stunden am 26. Juli
2005 und riss mindestens 1000 Menschen in den Tod (Bindra 2005).
5
Wirbelsturm Katrina forderte mindestens 1836 Leben im August 2005, was ihn zu einem der tödlichsten
Wirbelstürme in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika machte (Direct Relief
International 2007).
12
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
9) erhöhte Großflächenbrände;
10) ansteckende Krankheitsvektoren und post-traumatische Stress-bedingte
Störungen.
Dieser Bericht fasst seine Befunde mit der Aussage zusammen, dass „ungemilderter
Klimawandel langfristig wahrscheinlich die Anpassungsfähigkeit der natürlichen,
gelenkten und menschlichen Systeme überschreiten wird“ (IPCC 2007b: 4-20).
Gaia stirbt
Sogar James Lovelock, der Begründer der Gaia-Hypothese von der Erde als lebendem
Organismus, ist zu einem Pessimisten geworden. Einst war er der Anführer der
ökologischen Bewegung und brachte Tausenden von ‚grünen Denkern’ Inspiration. Als
ausgebildetem
Chemiker
betrachteten
seine
wissenschaftlichen
Kollegen
seine
augenfällige New-Age-Theorie zunächst mit Unverständnis und Skepsis. Später
akzeptierten sie seine systemischen Ideen in der Hauptströmung der Wissenschaft und
nennen sie nun ‚Erdsystem-Wissenschaft’. Seine Theorie postuliert, dass unser Planet alle
seine terrestrischen, aquatischen und atmosphärischen Rückkopplungs-Systeme in solch
einer Weise reguliert, dass sie Leben aufrecht erhalten – fast so, als sei die Erde ein
lebender Organismus. Aber dann kam, was er „die menschliche Epidemie“ nennt:
Menschen rodeten die Wälder der Erde, um Landwirtschaft zu betreiben, und beraubten die
Erde damit ihrer Selbstreparatur-Mechanismen: die Wälder. Der Verlust der Wälder wurde
auch von Diamond (2005: 18-19) als eine von acht Kategorien von Ursachen
beschrieben, die zum Zusammenbruch von früheren Zivilisationen beitrugen. Lovelock
sagt voraus, dass die Bevölkerung der Erde bis zum Jahr 2100 um mehr als 80 % reduziert
wird, und dass große Gebiete der Erde in diesem Jahrhundert durch den Klimawandel
verwüstet werden. Selbst ein Atomkrieg wäre nicht so vernichtend wie die Auswirkungen
der globalen Erwärmungen, behauptet er (Evers 2007: 30-32).
.
13
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Das Entstehen klima-induzierter Konflikte
Wenn die Trends, die vom Weltklimarat aufgeführt werden, in der Zeit fortgesetzt werden,
könnte die zunehmende Knappheit an Nahrungsmitteln, Wasser und Lebensraum,
kombiniert mit einer wachsenden Weltbevölkerung und erhöhten Ansprüchen durch
höhere Lebensstandards zu globalen Konflikten von massiven Ausmaßen führen. Die
Auswirkungen des Klimawandels breiten sich von direkt betroffenen Gegenden und
Sektoren auf andere Gegenden und Sektoren aus durch extensive und komplexe
Verbindungen6 und „umwelt-induzierte Migration“, wie durch den Wissenschaftlichen
Beirat für Globale und Umweltfragen der Deutschen Bundesregierung unterstrichen wurde
(WBGU 2007: 3). Diesen neuesten Resultaten wissenschaftlicher Untersuchungen gingen
eine Reihe von Warnungen aus früheren Quellen voraus. Größtenteils kamen diese in der
Form von generelleren Besorgnissen über menschliches Verhalten gegenüber der Natur (z.
B. Meyer-Abich 1987, Verbeek 1987).
Die Vision des weisen Apachen ‚Großvater’
Eine sehr detaillierte und dramatische Voraussage eines kommenden Klimakrieges ist in
den Visionen eines weisen Indianers vom Stamm der Apachen enthalten, der ‚Großvater’
genannt wurde. Irgendwann in den 1920er-Jahren hatte er vier Visionen über das
apokalyptische Schicksal der Menschheit und die Zerstörung nahezu allen Lebens auf der
Erde, falls die anthropogene Verschmutzung nicht umgewendet wird. Für das Szenario, in
dem die Verschmutzung wie gewohnt weiter anhält – speziell die Verschmutzung der
Atmosphäre – oder in anderen Worten „ein Leben fern von der Natur“, sagte er mehrere
Stufen von schlimmeren und schlimmeren Ereignissen voraus, die erschreckende
Ähnlichkeit mit den neuesten Voraussagen des Weltklimarates aufweisen. Sie
manifestieren sich in folgenden Auswirkungen:
1) Desertifikation, Dürren, Hungersnöte
2) Aussterben von Vögeln und anderen Tieren auf globaler Ebene
3) „Löcher im Himmel“, hervorgerufen durch die Reisen des Menschen
6
Diese komplexen Verbindungen sind für den Einzelnen of schwierig zu verstehen und werden daher von
den betroffenen Gruppen oft als ‚Naturkatastrophen’ gebrandmarkt (Bächler 1993: 17).
14
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
4) Abwesenheit von Wolken und ausbleibender Regen, erdrückende Hitze, Stauberfüllte dicke Luft
5) atmosphärische Verzerrungen derart, dass die Sonne größer erscheint und der
Himmel nachts eine rote Farbe annimmt
6) Stürme von nie da gewesener Intensität
7) Überschwemmungen von Küstengebieten
8) Wasserknappheit in den Städten
9) drogen-induzierte Städtekriege
10) unheilbare Epidemien
Seine vierte und letzte Vision beschreibt, was als ultimativer Klimakrieg bezeichnet
werden kann – ein globaler Zusammenbruch menschlicher Zivilisation, ausgelöst durch
den dramatischen, von Menschenhand gemachten Klimawandel, der in brutalem
Kannibalismus endet (Brown 1991):
„Es wird eine große Hungersnot auf der ganzen Welt geben, wie sie sich der
Mensch nicht vorstellen kann. Die Gewässer werden abscheulich, die Gifte aus des
Menschen Sünden7 fließen überall im Grundwasser, in den Seen und den Flüssen.
Die Ernten werden ausfallen, die Tiere des Menschen werden sterben, und
Seuchen werden die Massen vernichten. Die Enkelkinder werden sich von den
Überresten der Toten ernähren, und allgegenwärtig werden die Schreie von Qual
und Angst. Umher streichende Banden von Menschen werden andere Menschen
jagen und zum Essen töten, und Wasser wird immer knapp sein und mit jedem
Jahr knapper werden. Das Land, das Wasser und der Himmel werden alle vergiftet
sein [...]. Der Mensch wird sich zuerst in den Städten verstecken, doch dort wird
er sterben. Ein paar werden in die Wildnis rennen, aber die Wildnis wird sie
vernichten, denn sie wurden vor langer Zeit vor eine Wahl gestellt. Der Mensch
wird zerstört, seine Städte in Ruin, und es ist dann, dass die Enkelkinder für die
Sünden ihrer Großväter und Großmütter bezahlen werden.“
Unterschiede von Indianischen zu Industriegesellschaften
Natürlich ist es nicht möglich, direkt Lehren von den indianischen Gesellschaften für
unsere modernen Industriegesellschaften zu ziehen wegen der sehr verschiedenen
Kosmologien. Großvater unterscheidet zwischen der ‚Welt des Menschen’, die im
7
Es ist unwahrscheinlich, dass Großvater den Begriff ‚Sünde’ in seiner ursprünglichen Beschreibung an
seinen Schüler Tom Brown benutzte, weil das Konzept der Sünde durch das neorömische Imperium als
ultra-vires-Machtinstrument eingeführt wurde, welches der indianischen Kultur fremd war.
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Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Klimakrieg zerstört wird, und den ‚Kindern der Erde’, die überleben werden. Diie
Hauptunterschiede sind in Tabelle 1 aufgelistet. Daraus kann abgeleitet werden, dass die
indigenen Völker mit ihrer traditionellen Lebensweise solche Kinder der Erde sind. In
seiner ersten Vision bezieht sich ‚Großvater’ auf einen bestimmten Volksstamm8 in Afrika,
deren Mitglieder einmal als ‚Kinder der Erde’ gelebt haben aber dann in eine Hungersnot
gerieten. Der Grund für diese Hungersnot wird wie folgt erklärt (Brown 1991): “Diese
Leute hätten allein gelassen werden sollen. Sie wußten einst, mit der Erde zu leben, und ihr
Wohlstand wurde in Freude, Liebe und Frieden gemessen. Aber all das wurde ihnen
genommen, als die Welt deren Gesellschaft als primitiv zu betrachten began. Damals
began die Welt, ihnen zu zeigen, wie man Landwirtschaft betreibt und weniger primitiv
lebt.” Und er fährt fort: “Die Welt wird eines Tages auf all dies mit Schrecken blicken und
die Schuld für die Hungersnot dem Wetter und der Erde geben. […] Die Welt wird nicht
erkennen, dass sie diesen Ort des Todes geschaffen hat, indem sie diese Menschen dazu
zwang, größere Familien zu haben. Als die Naturgesetze des Landes gebrochen wurden,
verhungerten die Leute, so wie die Natur die Rehe im Winter zu Grunde gehen läßt, wenn
es deren zu viele gibt um vom Land getragen zu werden.”
Der Haupt-Unterschied zwischen den Indigenen Völkern und den Industrie-Gesellschaften
besteht darin, dass die Gesellschaften der Indigenen Völker auf lebendiger Spiritualität
basieren, während diese den Menschen der Industrie-Gesellschaften weitgehend verloren
ging. Es ist nicht so, dass die Indigenen beispielsweise keinen Sex hätten oder keine
Drogen nähmen – der Unterschied ist, dass sie dabei eine tiefe spirituelle Verbindung mit
dem Spirit der Pflanze eingehen, die sie einnehmen, und mit dem Spirit des Menschen, mit
dem sie sich sexuell vereinen. Diese geistreiche Verbindung fehlt vielen Menschen der
Industrie-Gesellschaften, die ein oberflächliches Leben des materiellen Konsums führen –
vielleicht den meisten, wie Großvater meint, aber längst nicht allen. Es gibt auch in den
Industrie-Nationen Menschen mit Spirit.
8
Volger (2002) differenziert zwischen ‘Stämmen oder ‘Stammesvölkern’ and ‘indigenen Völkern’.
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Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Die Kinder der Erde
(Indigene Völker)
1) Leben verbunden mit der Erde und
im Einklang mit den Naturgesetzen des
Landes
2) Streben in jedem Moment nach
spiritueller Erleuchtung und arbeiten für
die spirituelle Erleuchtung der ganzen
Menschheit, indem sie das Wissen und
die Philosophie der Erde in die moderne
Gesellschaft einbringen
3) Erfahrung von Glück, Liebe und
Frieden in Einheit, leben ihre Vision
4) Folgen ihren Herzen, laufen keinem
Führer hinterher
5) Arbeiten so gut es ihre Fähigkeiten
erlauben, um die Dinge besser zu
machen für ihre Enkelkinder
6) Hören auf den Spirit der Erde und
verstehen die Warnungen der Natur
7) Früher eine Stammesgesellschaft
mit Schamanen, nun oft verstreut und
isoliert
8) Werden den Klimakrieg überleben
und sich von dem zerstörerischen
Denken der Menschheit reinigen.
Werden neue Hoffnung einer neuen
Gesellschaft bingen, die näher an der
Erde und dem Spirit lebt
Die Welt des Weissen Mannes
(Industrie-Gesellschaften)
1) Leben fern der Natur
2) Führen ein oberflächliches Leben,
das nur aus Fleisch und Arbeit
besteht
3) Erfahrung von Mittelmäßigkeit,
geben ihren Sinn für Abenteuer auf
4) Jagen den bewusstseinslosen
Göttern von Sex und Drogen
hinterher, was zu Epidemien und
Städtekriegen führt
5) Töten ihre Enkelkinder, um ihre
Kinder zu ernähren, d. h. leben nicht
nachhaltig und für kurzfristigen
Profit
6) Geben die Schuld für Hungersnöte
und Krankheiten dem Wetter und
der Natur anstatt sich selbst die
Schuld zuzuweisen; beachten nicht
die Warnungen der Natur
7) Betrachten Stammesgesellschaft
als primitiv
8) Werden durch den Klimakrieg
zerstört, und die Erde wird sich
selbst heilen
Tabelle 1: Vergleich der ‘Kinder der Erde’ (Indigene Völker) mit der ‘Welt des Weissen
Mannes’ (Industrie-Gesellschaften), wie sie von dem Apachen ‘Großvater’ beschrieben wird
(extrahiert aus Brown 1991).
Forschungsfrage
Großvater konnte sich nur eine radikale Wahl vorstellen: Klimakrieg oder Rückkehr zu
einer menschlichen Lebensart im Gleichgewicht mit der Natur. Die derzeitige Diskussion
hat das Schreckgespenst des Klimakrieges wieder auferstehen lassen – jedoch
üblicherweise beschränkt sie sich darauf, Wege zu finden, den Klimawandel einzugrenzen,
während zugleich die menschliche Lebensart, die auf der Ausbeutung der Natur basiert,
17
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
fortgesetzt wird (siehe IPCC 2007c). Es soll hier nicht untersucht werden, ob solche
Abhilfemaßnahmen erfolgreich sein können oder werden, um einen Klimakrieg
abzuwenden. Stattdessen habe ich in dieser Studie ein sehr viel beschränkteres Ziel. Ich
werde den indianischen Denkansatz zum Klimawandel und Klimakrieg ernst nehmen und
uns in mehr Details dem Wissen und den Bräuchen der ursprünglichen indianischen
Kulturen zuwenden.
Meine Forschungsfrage lautet: „Ist die im deutschen Sprachgebrauch enthaltene Bedeutung
von ‚Federführung’ und ‚federführend’ im Sinne von Kompetenz und Verantwortung
gerade in der Regierungsarbeit im wörtlichen Sinne auf die Häuptlinge von indigenen
Nationen übertragbar, die Federn am Kopf führen? Welche Bedeutung schreiben indigene
Völker Federn zu, und wie passen diese Bedeutungen mit den Bedeutungen von Federn im
deutschen Sprachgebrauch zueinander? Welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus in
Bezug auf eine Vorbeutung eines Klimakrieges ableiten?
Hypothese
Die Hypothese dieser Studie ist, dass das Wissen und die Bräuche der indigenen Völker
sowohl die derzeitige Debatte als auch zukünftige Handlungsoptionen zur Abwendung
eines Klimakrieges nachhaltig prägen können. Die Rezepte zur Abwendung, welche von
modernen Gesellschaften gefunden werden, sind unwahrscheinlich identisch mit jenen
dieser Gruppen; dennoch wäre es unklug, nicht über ihr Denken und Handeln Bescheid zu
wissen und nachzudenken. Dies ist speziell wahr im Kontext der Sicherheitspolitik, wenn
das alte Konzept nationaler Sicherheit – der Sicherung „der (wahrgenommenen)
Abwesenheit von (militärischen) Bedrohungen“ innerhalb nationaler Grenzen – nicht
länger gültig ist wegen der transnationalen globalen Effekte der atmosphärischen
Veränderungen9 und stattdessen durch ein neuartiges Verständnis ersetzt wurde von
Sicherheitspolitik als „Politik, welche die Existenz der Zivilisation sichert“ (Giessmann
1992: 64).
Solch ein globales Konzept von Sicherheitspolitik verlangt, dass wir alle möglichen Wege
untersuchen, um das Überleben der globalen Zivilisation zu sichern, einschließlich
Prozeduren von uralten Kulturen, die auf den ersten Blick fremd erscheinen.
9
Das Konzept von Umwelt-Sicherheit erhält in diesem Rahmen eine internationale Dimension, die sich nicht
auf die Summe der nationalen Sicherheitsformeln und zwischenstaatlichen Abkommen reduzieren lässt
(Gleditsch (Hrsg.) 1997: 204).
18
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Dieser Denkansatz ist nicht völlig neu. Indigene Völker werden als erstklassige
Informationsquelle zur nachhaltigen Entwicklung in einem großen Teil der Literatur über
Nachhaltigkeit angeführt, die vom Brundtland-Bericht (World Commission on
Environment and Development 1987) bis zum philosophischen, idealistischen
Nachsinnen von einem Autor wie Thomas Berry reicht (Berry 1988).
Methode
Die Auswahlkriterien für die in diesem Buch angeführten Zitate mögen zunächst banal
erscheinen: Jedes Volk und jedes Individuum, das sich selbst als ‚indigen’ bezeichnet, soll
zu Wort kommen dürfen und ernst genommen werden. Dieses Kriterium der SelbstIdentifikation mit dem Merkmal ‚indigen’ basiert auf der Definition der Vereinten
Nationen. Es wurde über viele Jahre debattiert und schließlich doch übernommen, weil es
von den Indigenen selbst als einziges akzektables Merkmal ihrer Zugehörigkeit zu den ca.
5000 indigenen Nationen, die weltweit etwa 200 Millionen Menschen umfasst, empfunden
wird. Jede Klassifizierung zwischen ‚indigen’ und ‚nicht-indigen’, die von außen kommt,
lehnen sie ab (Volger 2002: 360).
Ebenso zu Wort kommen sollen Menschen, die viel Zeit mit Indigenen verbracht haben
und deren Wissen in ihren Veröffentlichungen wieder geben, sofern deren Aussagen von
den Indigenen ein weiteres Mal verifiziert wurden. Deshalb legt der Welt-Feder-Rat alle
Aussagen, die in diesem Buch getroffen werden, vielen Indigenen aus der ganzen Welt zur
Authentifizierung vor.
Ich werde mit einem Überblick des Begriffes ‚Klimakrieg’ beginnen und daraus eine
Arbeitsdefinition ableiten. Im Anschluss werde ich diese Definition umkehren, um
‚Klimafrieden’ zu definieren, da Krieg nicht unser Endziel sein kann. Nach dieser
Definition des Klimafriedens wird ein Bewusstseins-Modell eingeführt, welches erklärt,
warum Indianer sich anders gegenüber der Natur verhalten als Individuen der
Industriegesellschaften.
Der
übrige
Teil
dieser
Studie
ist
der
indianischen
Herangehensweise zum Leben im Einklang mit der Natur gewidmet sowie den Prozeduren
und Instrumenten, welche die Indianer benutzen, um dies zu erreichen, während jeder
Aspekt im Lichte der Debatte zur Vorbeugung eines Klimakrieges zusammengefasst wird.
19
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Es kann nicht abgestritten werden, dass viele zeitgenössische indianische Kommunen sich
in ähnlichen sozialen Nöten und Umweltkrisen befinden wie die Industriegesellschaften,
oder schlimmer noch in einer sozialen und ökologischen Art von Vorhölle, nachdem sie
eine kapitalistische Lebensweise angenommen haben, ohne diese mit ihrer eigenen Kultur
integrieren zu können. Beispielsweise weisen die Menominee-Indianer im USamerikanischen Bundesstaat Wisconsin, die weithin gepriesen wurden und 1996 vom
damaligen US-Vizepräsidenten Al Gore mit dem Präsidenten-Preis des Präsidentiellen
Rates für Nachhaltige Entwicklung geehrt wurden, schwerwiegende Probleme mit
Alkoholismus,
Drogenmissbrauch,
Armut,
Sozialhilfe-Abhängigkeit,
Kinder-
und
Ehepartnermissbrauch sowie Kriminalität auf. Einige Mitglieder haben sogar ihren eigenen
Wald mit chemischen und nicht biologisch abbaubarem Unrat (wie Bierdosen) verseucht
und versuchten, persönlichen Profit einzustreichen und dabei die Erhaltungsbemühungen
anderer Stammesmitglieder zunichte machten (Davis 2000: 10). Deshalb wird in dieser
Studie das Hauptaugenmerk auf den ursprünglichen Wurzeln indianischer Kultur liegen
und nicht auf den derzeitigen verzerrten Phänomena.
Definition von ‚Indigene Nationen’
Neben dem objektiven Merkmal der historischen Kontinuität mit den prä-kolonialen
Einwohnern und der Beibehaltung der ethnischen und kulturellen Identität gilt laut der
Definition der ILO-Konvention 169 als das wichtigste subjektive Merkmal von ‚indigen’,
wer sich selbst als solches empfindet. „Das Gefühl10 der Eingeborenen- oder
Stammeszugehörigkeit ist als grundlegendes Kriterium für die Bestimmung der Gruppen
anzusehen, aud die die Bestimungen dieses Übereinkommens Anwendung finden“
(International Labour Organization 1959). José R. Martinez Cobo, der
Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zum Problem der Diskriminierung gegen
Angehörige Indigener Völker, fügt dieser Definition das Merkmal der „Nicht-Dominanz“
hinzu: Indigene Nationen sind Liebhaber des Friedens und bilden damit einen Gegenpol zu
dem auf Gewaltmonopol basierenden internationalen Staatensystem.
Lange Zeit verwendeten die Vereinten Nationen bei der Bezeichnung der indigenen Völker
anstelle des Begriffes ‚Völker’ (engl.: ‚peoples’) die Begriffe ‚Bevölkerungen’ (engl.:
‚populations’) und ‚Angehörige einer Gruppe’ (engl. ‚people’ als Plural), weil die
10
Betonung hinzugefügt durch den Welt-Feder-Rat.
20
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Mehrheit der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen der Ansicht war, die Verwendung
des Begriffs ‚Völker’ würde die Indigenen motivieren, das Recht der Selbstbestimmung,
das nach der UN-Charta Völkern zusteht, für sich zu fordern. Erst Anfang der 1990er-Jahre
begann die Staatengemeinschaft, den englischen Begriff ‚peoples’ (‚Völker’) zu
verwenden (Volger 1992: 364). In den neueren Dokumenten der
Dem ‚American way of life’ einen ‚indigenous way of life’ gegenübersetzen
Weltweit gibt es 370 Millionen Indigene (Vereinte Nationen 2007). Davon leben
allein in China über 60 Millionen Indigene, über 50 Millionen in Indien, etwa 30 Millionen
in Russland und den Staaten der früheren Sowjetunion und etwa 15-20 Millionen in
Lateinamerika (Burger 1987: 65 ff.).
Zusammen genommen übertreffen die 370 Indigenen der Welt die Bevölkerung der
Vereinigten Staaten von Amerika – die führende Militärmacht der Welt.
Wenn die Indigenen Nationen sich organisieren und die Federführung der Globalen
Naturallianz übernehmen, sind sie in Bevölkerungszahl und paramilitärischen11
Fähigkeiten in der Lage, ein Gleichgewicht zur Bevölkerung und den militärischen
Kapazitäten der USA einzunehmen.
Die Debatte um den Schutz der indigenen Völker hat die Weltöffentlichkeit auf das
wertvolle Erbe der indigenen Völker aufmerksam gemacht: ihr Wissen um die Natur, ihre
tiefe Beziehung zum Land, ihr Streben nach Erhalt der umwelt als integralem Teil ihrer
Kultur (Volger 2003: 380-381).
11
Der Ausdruck ‘para’ bedeutet auf Sanskrit ‘jenseits’ oder ‘transzendental’. Paramilitärische
Operationen werden jenseits militärischer Waffengewalt ausgeführt.
21
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
1. Klimakrieg
Erste Verwendung des Begriffes ‚Klimakrieg’
Der Begriff ‚Klimakrieg’ wurde zum ersten Mal verwendet, um militärische Techniken zu
beschreiben, die gezielt die langfristigen Wetterbedingungen über dem Territorium eines
‚Feindes’ verändern sollen. Die Britische Luftwaffe hat beim Experimentieren mit dieser
neuen Technologie über ihrem eigenen Territorium am 15. August 1952 über dem Dorf
Lynmouth in Südwest-England versehentlich eine der größten Flut-Katastrophen in der
britischen Geschichte ausgelöst. Augenzeugen berichteten von Flugzeugen, die
Chemikalien in den Himmel sprühten, und von Himmelsfarben, die sie nie zuvor gesehen
hatten – gelb, grün und sogar violett. Während dem darauf folgenden Wolkenbruch, der für
24 Stunden anhielt, riss die vom Himmel nieder strömende Sintflut 35 Menschen in den
Tod und machte 420 obdachlos (Zindel 2006: 1-2).
Militärischer Klimakrieg
Im Jahre 1955 schrieb der Mathematiker John von Neumann einen Artikel in dem
Magazin ‚Fortune’ darüber, was er „klimatische Kriegführung“ nannte (Kneip 2007: 37).
Diese Art der Kriegführung umfasste das künstliche Abschmelzen der Eisschilde und
künstliche Wettermanipulationen. Während der 1950er- und 1960er-Jahre investierte das
Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten von Amerika mehrere hundert
Millionen US$ pro Jahr in Untersuchungen über klimatische Kriegführung (Zindel 2006:
3). Zwischen 1967 und 1972 generierte das US-Militär in 2602 Kampfhandlungen
künstlichen Regen, vor allem während des Indochina-Krieges, indem Silber-Iodid (AgI)
und möglicherweise andere unbekannte Substanzen in Wolken hinein gesprüht wurden.
Künstlicher Regen kann dazu eingesetzt werden, Verkehr zu behindern und
Schlammlawinen über Straßen des ‚Feindes’ auszulösen, hat jedoch keinen langfristigen
Effekt auf eine Veränderung des Klimas. Mit Prozeduren für weitreichende klimatische
22
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Veränderungen und die Verstärkung von Stürmen wurde in Militärkreisen experimentiert,
die sind jedoch nicht einsatzbereit (Son 1992: 104-121). 12
Psychologischer Klimakrieg
Beträchtliche
Überlegungen
in
Militärkreisen
gingen
in
die
Projektion
von
Niedrigfrequenz-Strömungen über die elektrisch geladene Hoch-Atmosphäre, die
Ionosphäre, auf ‚Feindesterritorium’. Einige menschliche Gehirnfunktionen laufen auf sehr
niedrigen Frequenzen von etwa 5 Hz und sehr niedrigen Feldstärken ab. Diese Frequenz ist
als der ‚Alpha-Rhythmus’ des Gehirns bekannt. Wenn Menschen niedrig pulsierenden
elektromagnetischen Feldern derselben Art ausgesetzt sind, kann empirisch gezeigt
werden, dass die allgemeine organische Leistungsfähigkeit dieser Individuen nach etwa
einer Viertelstunde abnimmt. Wenn der elektromagnetische Schild der Ionosphäre über
einem bestimmten Territorium künstlich auf solche Weise verstärkt werden kann, dass es
den Biorhythmus von darin befindlichen ‚Feinden’ verändert, wäre dies eine sehr subtile
Art der psychologischen Kriegführung (Alrecht 1983: 58). Das High Frequency Active
Auroral Research Program (HAARP) in Alaska mit einer großen Anlage von 180
Antennen, welche dazu entworfen wurde, 3’981 MW in die Ionosphäre zu feuern, wurde in
Verschwörungstheoretiker-Kreisen als ein solches Instrument der Geistkontrolle
angenommen, und der Begriff ‚Klimakrieg’ wurde auch in diesem Zusammenhang
verwendet (Chossudovsky 2005).
Heutige Verwendung des Begriffes ‚Klimakrieg’
Mit wachsender Bewusstheit der gegenwärtigen Klima-Veränderungen auf der Erde und
der daraus hervorgehenden Herausforderungen hat der Begriff ‚Klimakrieg’ eine neue
Bedeutung angenommen. Während die oben erwähnten ‚Klimakriege’ absichtlich
12
Die echte Gefahr, dass solche Verfahren für einen Klimakrieg entwickelt werden könnten, kombiniert mit
dem großen öffentlichen Protest nach dem Gebrauch solcher Techniken nach dem Indochina-Krieg
veranlasste die Sowjetunion, 1977 eine Umweltveränderungs-Konvention (Environmental Modification
Convention) vorzuschlagen. Diese Konvention wurde von den Vereinigten Staaten von Amerika etwas
entschärft, wurde jedoch schließlich unterschrieben und trat am 5. Oktober 1978 unter der
Schirmherrschaft der Vereinten Nationen in Kraft. Artikel II der Konvention definiert, was durch
Umweltveränderungs-Techniken hervorgerufen werden könnte: Erdbeben, Flutwellen, Störung des
ökologischen Gleichgewichts einer Region, Veränderung von Wetterstrukturen (Wolken, Niederschläge,
Wirbelstürme verschiedener Arten und Tornados); Veränderungen von Klimastrukturen, Veränderungen
von Meeresströmen, Veränderungen des Zustandes der Ozonschicht und Veränderungen des Zustands der
Ionosphäre (Fahl 1989: 204-211).
23
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
entworfen wurden und entweder hypothetisch blieben oder beschränktes Ausmaß hatten,
scheint das, was nun auf uns zukommen könnte, ein Klimakrieg, der unbeabsichtigt13 ist
und dessen Auswirkungen mit globaler Größenordnung außer Kontrolle geraten könnten.
Der Begriff in diesem Zusammenhang scheint erstmals von Meyer-Abich (1996)
verwendet worden zu sein in einer Diskussion über die Ungerechtigkeit von ungleichen
Veränderungen über der Nord- und Südhemisphäre der Erde. In den letzten Monaten hat
der Begriff eine neue Eigendynamik entwickelt in politischen Debatten (z. B. Dyer 2007,
Paywand 2007) und in den Medien (z.B. Allard 2007, Bittner 2007, Gartzke
2007, LaFrenz 2007, Northam 2004, Zeiner 2007).
Die Entthronung der Natur
Großvater zufolge ist der Klimakrieg ein Resultat des menschlichen „Lebens fern von der
Natur“(Brown 1991). Die Abtrennung des menschlichen Lebens von der Natur wurde
während des Zeitalters der Aufklärung besiegelt, welches Hand in Hand mit der
Industriellen Revolution ging. Viele Wissenschaftler des Zeitalters der Aufklärung
beschlossen, ihren eigenen Großen Spirit14 von der Natur abzutrennen und in Flaschen
einzuschließen. Diese Liquidation (Verflüssigung) des Spirit in Sprit – seine
Transformation vom Subjekt in ein Objekt – hatte den Vorteil, dass der flüssige Spirit –
nun seiner Größe entledigt – in den akademischen Abendsitzungen der Wissenschaftler
konsumiert werden konnte.15
16
Es war zu jener Zeit, dass die Natur für tot erklärt wurde
13
Diamond (2005: 18) hat für den unbeabsichtigten ökologischen Suizid einer Gesellschaft den Begriff
‚Ökozid’ geprägt.
14
Ich verwende den Begriff ‚Spirit’ im deutschen Sprachgebrauch in Anlehnung an das Buch von Owen
(2001) mit dem Titel: ‚The Spirit of Leadership : Führen heisst Freiräume schaffen’. Den Bribri-Indianern
zufolge ist ein Großer Spirit jemand, der eine Federkrone trägt (Interview in Juli 2002, Puerto Viejo,
Costa Rica). Obwohl die Menschen in unserer Gesellschaft üblicherweise keine Federkronen tragen,
kommt das Konsumieren des Spiritus in Flaschen in den Augen der Indianer dem Niederlegen der
eigenen Krone gleich, d. h. dem Weggeben der eigenen Würde.
15
Stellvertretend für diese Haltung, die in akademischen Kreisen heute immer noch präsent ist, kann man
eine Aussage eines renommierten Professors für Internationale Beziehungen an einer niederländischen
Universität heranziehen: Er denke über die Existenz oder Nicht-Existenz von Gott über eine Flasche
Whisky nach. Damit ist in einem nahezu wörtlichen Sinn impliziert, dass Gott (nur) im Whisky residiert.
Dies steht im Kontrast zur animistischen Haltung der Indianer, die davon ausgehen, dass Gott in allem
und allen residiert.
16
In der Industriegesellschaft bildet der Spirit in Flaschen (Alkohol) das Zentrum der Gesellschaft. Bei einem
Großteil der gesellschaftlichen Anlässe wird Alkohol serviert. Alkohol spielt eine Schlüsselrolle in der
Degradierung der Wahrnehmung des Individuums von der Natur und von seinen Mitmenschen. Einem
Mitglied der königlichen Familie der Bribri-Indianern zufolge sollte jemand, der danach strebt, ein
Großer Spirit zu werden oder zu bleiben, Alkohol und Fleisch vermeiden (Interview im Juli 2002, Puerto
Viejo, Costa Rica).
24
Gabriel Hartmann
und das Kapital für lebendig.17
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
18
Die Natur wurde auf die Folter gespannt, um ihr ihre
Geheimnisse abzuringen (Tetzlaff 2005). Die ‚Geheimnisse’ der Natur, die so erlangt
wurden, formten die Basis für den technologischen Fortschritt. Im Zuge der Industriellen
Revolution wurde Sprit zum Treibstoff sowohl für Maschinen als auch für Menschen.
Dadurch wurden Menschen zu Maschinen.19 Diese Entwicklung führte zu einer
Deformation und Degeneration menschlicher Wahrnehmung (Meyer-Abich 1987: 714717). Die Stimmen der Natur in uns wurden nicht mehr wahrgenommen. Der Todeskampf
gegen die Natur hält bis zum heutigen Tag an: „In der Praxis ist die Natur schlicht der
Gegner, der zu erschlagen ist“20 (Schuon 1990: 12-13). Eine klarere Beschreibung
könnte nicht gegeben werden: Leben fern von der Natur bedeutet, die Natur als Feind
anzusehen. Diese „Entthronung der Natur, oder die Spaltung zwischen dem Menschen und
der Erde – ein Spiegelbild der Trennung zwischen dem Menschen und dem Himmel“ hat
zu der heutigen Tatsache geführt, dass „die Welt in zwei Lager getrennt [ist], die
Menschen und die Natur“21 (Schuon 1990: 13). Wir scheinen dort angekommen zu sein,
was Francis Bacon (1620) als höchste und nobelste Form der Macht deklariert hat: Die
Herrschaft über die gesamte Natur. Nach Meyer-Abich (1987: 710) ist die
absolutistische Herrschaft des Menschen über die Natur unmenschlich, und dieser
Absolutismus ist die wahre Ursache der Umweltzerstörung und des Klimakrieges.
Arbeitsdefinition von ‚Klimakrieg’
Die Definition eines drohenden Klimakrieges, die den Punkt am genauesten trifft und hier
als Arbeitsdefinition dienen soll, wurde von Alt & Alt (2007) gegeben: „Der
Klimakrieg ist ein Weltkrieg gegen die Natur.“ Die Besonderheit dieser Definition ist, dass
die Natur darin als Kriegspartei personifiziert wird, während die andere Partei in diesem
17
„Die lebendige, beseelte Natur starb, während totes, unbeseeltes Geld mit Leben ausgestattet wurde.
Zunehmend nahmen Kapital und der Markt die organischen Eigenschaften von Wachstum, Stärke,
Aktivität, Schwangerschaft, Schwäche, Verfall und Zusammenbruch an, wodurch die zugrunde liegenden
sozialen Beziehungen von Produktion und Reproduktion, die ökonomisches Wachstum und Fortschritt
ermöglichen, verdunkelt und mystifiziert wurden“ (Merchant 1982: 288, übersetzt aus dem
Englischen durch den Welt-Feder-Rat).
18
Die Saat für die Folter der Natur ist viel älter als die Industrielle Revolution. Sie hat ihren Ursprung in
unserer Sprache. Auf englisch beispielsweise ist alles außer Menschen (und vielleicht Haustieren) mit
dem Wort ‚it’ verdinglicht.
19
Haru Xynã Kontanawa, dem Häuptling der Kontanawa-Indianer zufolge, beschmutzt Alkohol die
eigene Spiritualität und führt zu materieller Habsucht. Mit anderen Worten: Sprit tötet Spirit (Interview
am 24. Mai 2008, Bonn, Deutschland).
20
Aus dem Englischen übersetzt durch den Welt-Feder-Rat.
21
Aus dem Englischen übersetzt durch den Welt-Feder-Rat.
25
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Krieg die Menschheit ist. Wenn die Natur als Teil der eigenen Existenz gesehen wird nach
der Definition vom Leben im Einklang mit der Natur, die im nächsten Kapitel folgen wird,
dann ist der Klimakrieg letztendlich ein Krieg gegen sich selbst.
Klimakrieg – ein klassischer Umweltkonflikt?
In einem klassischen Umweltkonflikt „hat die Natur oder das Ökosystem kein
Bewusstsein“. Solch ein Konflikt wird „verursacht durch die umweltbedingte Knappheit
eines Rohstoffes, das heißt: verursacht durch eine von Menschenhand geschaffene Störung
seiner normalen Regenerationsrate“22 (Libizewski 1992: 4-6).
Diese Knappheit führt dann zu Konflikten zwischen menschlichen Gesellschaften.
Umweltbedingte Knappheit kann aus dem übermäßigen Gebrauch eines erneuerbaren
Rohstoffes resultieren oder von einer Überbeanspruchung der Senkenkapazität23 des
Ökosystems, das heißt Verschmutzung. Beides kann das Stadium der Zerstörung des
Lebensraumes erreichen.
Im Gegensatz dazu ist beim Klimakrieg, wie er oben von Alt & Alt (2007) definiert ist,
der Konflikt nicht zwischen einer menschlichen Gesellschaft und einer anderen solchen,
sondern zwischen der menschlichen Gesellschaft und der Natur. Diese Vermenschlichung
der Natur entspricht der indianischen Sichtweise der Natur, mit dem großen Unterschied,
dass die Indianer die Natur nicht als Feind sehen, sondern als Teil ihrer selbst.
In diesem Kapitel ist klar geworden, dass die Grundursache des Klimakrieges in einer
ungeheuren Respektlosigkeit der Menschen gegenüber der Natur liegt. Im Kontext der
Debatte über Klimawandel und Klimakrieg scheint es, dass der Klimakrieg abgewendet
werden kann, wenn dieses Verhältnis des Menschen zur Natur verbessert wird. Das nächste
Kapitel wird deshalb analysieren, wie solch eine Verbesserung aussehen könnte.
22
23
Aus dem Englischen übersetzt durch den Welt-Feder-Rat.
Eine Senke im klimatischen Sinne ist definiert als “jeder Prozess, Aktivität oder Mechanismus, der
Treibhausgase, Aerosol oder eine Vorstufe von Treibhausgasen aus der Atmosphäre entfernt” (KlimaRahmenkonvention der Vereinten Nationen UNFCCCC, Artikel 1).
26
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
2. Klimafrieden
Ursprüngliche Lebensweise von Menschen
Die ursprüngliche Ökonomie unserer Spezies war durch Nachhaltigkeit geprägt.
Vorindustrielle Völker lebten nachhaltig, weil sie es mussten: Wenn sie es nicht taten,
wenn sie ihre Populationen über die verfügbaren Rohstoffbasen hinaus vermehrten,
mussten sie früher oder später verhungern oder auswandern.24 „Die Nachhaltigkeit ihrer
Lebensweise wurde durch ein bestimmtes Bewusstsein hinsichtlich der Natur aufrecht
erhalten: Die Menschen waren spirituell mit den Tieren und Pflanzen verbunden, von
denen sie sich ernährten; sie waren Teil der Landschaft oder der Natur, nicht als Herren
von ihr abgehoben“25 (Ruckleshaus 1989: 112). Wie weiter unten gezeigt wird, haben
die Indianer diese Haltung gegenüber der Natur bis zum heutigen Tag beibehalten. Sie
können deshalb als Beispiel für ein Leben im Einklang mit der Natur dienen, das in der
Industriegesellschaft verloren ging, und zur Debatte über die Vorbeugung eines
Klimakrieges beitragen.
Verschiedene Standpunkte von Menschen zur Natur
Unterschiedliche Gesellschaften haben unterschiedliche normative Standpunkte
zur
Beziehung zwischen Mensch und Natur eingenommen. Drei Hauptpositionen können
unterschieden werden. Die erste Position ist Anthropozentrismus, der den Menschen als
dazu geschaffen ansieht, die Erde zu beherrschen und nach seinem Belieben zu nutzen. Die
zweite Position ist Ökozentrismus, der postuliert, dass der Mensch als eine von vielen
Spezies ist, unter denen wir in keiner Weise besser oder dominant sind. Die dritte Position
liegt dazwischen und betrachtet Menschen als weise Hüter der Erde (Goffman 2005). Es
ist diese dritte Position, an der die Indianer festhalten. Meyer-Abich (1987: 711) nennt
diese Position das physiozentrische Menschenbild. Ihm zufolge ist der Mensch derart
veranlagt, dass er erst in der natürlichen Gemeinschaft mit Tieren, Pflanzen, Wind,
24
Das heißt, es war keine bewusste Entscheidung, auf nachhaltige Weise zu leben, sondern ganz einfach das
Resultat von Nachfrage und Angebot, wie in allen anderen natürlichen Systemen. Es gab keine andere
Wahl.
25
Aus dem Englischen übersetzt durch den Welt-Feder-Rat.
27
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Wasser, Himmel und Erde wahrhaft menschlich sein kann – und nicht in der menschlichen
Gesellschaft allein.
Erste Verwendung des Begriffes ‚Klimafrieden’
Der Ausdruck ‚Klimafrieden’ wurde bisher nur von zwei Wissenschaftlern und von einer
Stadtverwaltung
verwendet.
Meyer-Abich
(1996)
ordnete
das
Konzept
des
Klimafriedens in das größere Konzept des Friedens mit der Natur, welches er in früheren
Arbeiten ausgeführt hat (Meyer-Abich 1979, 1984, 1987). Die StadtplanungsKommission von Berlin – bekannt als die grüne Stadt von Deutschland wegen seiner
vielen Bäume und Parks – verwendete den Begriff ‚Klimafrieden’ im Kontext seiner
Zukunftsplanung für ein sauberes Energiesystem. Sie prägte den mehrdeutigen Slogan
„Energetisch für den Klimafrieden sparen“ (Grüne Liga 2003). Schließlich verwendete
Gelbspan (2007) das englische Äquivalent ‚climate peace’, um einen EnergieUmstellungs-Fonds vorzuschlagen, der auf einer Währungstransaktions-Steuer basieren
soll, ähnlich der Tobin-Steuer.
‚Klimafrieden’ – eine Globale Naturallianz
Wenn der Klimakrieg als „Weltkrieg gegen die Natur“ definiert wird und seinen Ursprung
im „Leben fern von der Natur“ hat, dann ist Klimafrieden, weil er das Gegenteil von
Klimakrieg ist, Weltfrieden mit der Natur durch Leben im Einklang mit der Natur. Da
Frieden oft lediglich als eine Situation des Waffenstillstands definiert wird, in der
existierende Konflikte nicht gewaltsam ausgetragen werden (Meyer-Abich 1987: 711),
geht die Definition von Klimafrieden hier noch einen Schritt weiter und definiert
Klimafrieden als eine Globale Naturallianz. In dieser Globalen Naturallianz wird die Natur
zu einer wahrhaften Freundin, mit der man in Frieden zusammen lebt. Erste Überlegungen
zum Begriff ‚Naturallianz’ wurden von Ernst Bloch zusammengetragen und von
Zimmermann (Hrsg.) (2006) veröffentlicht. Der Deutsche Bundesumweltminister
Sigmar Gabriel hat anlässlich der 9. Vertragsstaaten-Konferenz der Konvention für
biologische Vielfalt der Vereinten Nationen (CBD), die im Mai 2008 unter seiner Leitung
28
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
in Bonn statt fand, eine solchen Naturallianz ins Leben gerufen.26 Er ist von dieser
Konferenz zum Vorsitzenden einer Globalen Naturallianz ernannt worden. Unter seiner
Führung ist der Weg zum Klimafrieden einen Schritt näher gerückt.
Abbildung 3: Vorschlag eines Logos für die Globale Naturallianz. Das existierende Logo des
Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) – der Engel mit offenen Armen, welcher
der Jesus-Statue in Rio de Janeiro nachempfunden wurde – wird mit einem darüber
schwebenden Adler verbunden. Die Verbindung des Adlers mit dem Menschen gilt bei allen
indigenen Völkern als Ausdruck der Naturallianz. Durch das neu entstandene Logo gibt sich
ein an der Mittelachse gespiegeltes doppeltes „F“, was für „Feder Führer“ stehen könnte.
Den Feder Führern der indigenen Nationen gilt das Führen von Federn als Audruck ihrer
Naturverbundenheit. Da die indigenen Nationen als Erdhüter bereits in Allianz mit der Natur
leben, bietet sich deren Symbolik auch für die Allianz der Vereinten Nationen mit der Natur
an. Über dem Adler steht die Sonne als Kreis. Die Sonne ist die stärkste Kraft der Natur auf
unserer Erde. In Metall ausgestanzt ließe sich dieses Logo als Anhänger für eine Kette
herstellen. Der Anhänger könnte von den Vereinten Nationen allen politischen Vertretern
der Globalen Naturallianz übergeben werden.
26
Siehe www.naturallianz.de
29
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Leben im Einklang mit der Natur
Klimafrieden kann auch als Leben im Einklang mit der Natur verstanden werden.
Leben im Einklang mit der Natur, in den Worten von Professor Giessmann27, bedeutet
1) die Natur genauso verantwortlich zu behandeln wie sich selbst und
2) die Natur als Teil der eigenen Existenz zu sehen – nicht als etwas Fremdes.
Der erste Teil dieser Definition von Leben im Einklang mit der Natur bezieht sich auf
Verantwortlichkeit. Verantwortlichkeit verlangt Kommunikation mit der Natur, weil ohne
Kommunikation keine Antwort möglich ist. Dies ist genau das, was der Schamane unter
den Indianern tut: „Er kann mit Tieren und Bäumen und Steinen sprechen. Er kann mit
allem auf der Erde sprechen“28 (Fitzgerald & Fitzgerald (Hrsg.) 2006: 54). Auch
der Schamane Quetza-Sha aus Mexiko kennt die Sprache der Natur: “Wir sprechen die
Sprache der Vögel, der Bäume, des Windes, des Feuers und der Sonne. Das ist eine
Sprache. Und wir übersetzen sie in eine Form, in welcher die Menschen mit ihr meditieren
können und dadurch eine Möglichkeit haben, die neue Energie zu aktivieren” (Von
Linde 2005).
Der zweite Teil der Definition von Leben im Einklang mit der Natur bezieht sich auf
Vertrautheit, die das Gegenteil von Fremdheit ist. Sie verlangt „das Ende unseres ErobererStatus’ in der Natur und die Anerkennung unserer Verwandtschaft mit unserer Mitwelt“
(Meyer-Abich 1987: 714). Um diesen Teil der Definition in mehr Details zu verstehen,
kann der Begriff Natur in zwei Teile zerlegt werden: Innere Natur und äußere Natur.
1) Die innere Nature ist das Selbst. Sie umfasst alles, was innerhalb unserer Haut statt
findet und/oder Teil unserer Identität ist. Sie ist das Subjekt.
2) Die äußere Natur ist die Umwelt des Subjektes, sowohl die belebte (Pflanzen,
Tiere, menschliche Gesellschaft) als auch die unbelebte (Mineralien, Wasser, Luft).
Sie wird oft als Objekt wahrgenommen, das vom Selbst getrennt ist. Es ist diese
äußere Natur, auf die sich Professor Giessmann in seiner Definition bezogen
hat.
27
28
Persönliches Gespräch mit dem Welt-Feder-Rat am 6. Juli 2007.
Aus dem Englischen übersetzt durch den Welt-Feder-Rat.
30
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Wenn der Mensch die äußere Natur als Teil der eigenen Existenz sieht, löst sich die Grenze
zwischen innerer Natur und äußerer Natur auf. Beide Teile der Natur – innere und äußere –
werden dann zu einer allumfassenden Natur vereint. Mit anderen Worten, Leben in
Einklang mit der Natur bedeutet, die eigene Identität zu expandieren, bis sie die gesamte
Umwelt einschließt. Das Selbst ist dann nicht mehr das kleine Selbst (Ego), sondern wird
zum großen Selbst (Herz). Durch den zweiten Teil der Definition von Leben im Einklang
mit der Natur wird die gesamte Natur zu einem selbst – einem Selbst.
Der Mensch als Fürsorger der Erde
Leben in Harmonie mit der Natur erfordert eine ganzheitliche Vereinigung des Subjektes
(Selbst) mit dem Objekt (Umwelt) in einer Weise, dass das Objekt seine Objektivität
verliert und Teil des Subjektes wird. Das Resultat ist eine Subjektifizierung der Umwelt.
Als Folge dehnt sich die Wahrnehmung des Selbst so weit aus, dass egal, wohin man geht,
man sich immer innerhalb des eigenen Selbst bewegt. In diesem ausgedehnten Zustand des
Selbst, wo sich alles innerhalb des eigenen Selbst abspielt, ist jeder Mensch, jedes Tier,
jede Pflanze, jeder Stein und jede Wolke ein inniger Teil des Selbst, des eigenen
ausgedehnten Körpers, um den man sich mit größter Zärtlichkeit kümmert. Durch diese
innige Verbindung zum eigenen Selbst werden selbst scheinbar leblose Objekte mit dem
eigenen Leben des Selbst erweckt. Alle Berge, Flüsse und Meere werden lebendig, der
Himmel wird lebendig, die Erde wird lebendig, sogar weit entfernte Sterne werden
lebendig.29 Durch Leben im Einklang mit der Natur werden Menschen auf natürliche
Weise zu Fürsorgern der Erde und allen Lebens. In diesem ausgeglichenen Zustand des
Gebens und Nehmens nehmen Menschen nicht mehr von der Erde, als was sie geben.
Wenn Menschen sich selbst als diejenigen wahrnehmen, in denen die Natur zur Sprache
kommt, wird eine Welt mit Menschen besser sein als eine Welt ohne Menschen. Wenn die
Menschheit diesen Zustand einmal erreicht hat, wird sie wahrhaft erwachsen sein (siehe
Meyer-Abich 1987: 715-717).
29
Dies ist es wahrscheinlich, was vor Urzeiten der indische Seher Vashishta erfuhr, als er schrieb:
“Weit in der Ferne sah ich mein Selbst, pulsierend.” (Rik Veda 7.1.1)
31
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Indianisches Leben – ein Beispiel für Leben im Einklang mit der Natur
Die Wahrnehmung von sich selbst als Fürsorgern ist, was die Indianer verkörpern. „Fast
ausnahmslos sehen die Indianer sich als ein Volk, das die Erde, den Wald und seine
Geschöpfe schützt, sogar wenn ihre Umstände in der heutigen Welt unerfreulich und
zerstörend sind. Wenn sie in dieser Aufgabe versagen, haben sie als Indianer, als
Menschen, versagt“ (Davis 2000: 51).
Der deutsche Bundes-Umweltminister Sigmar Gabriel hat erkannt, wie wichtig es für
unsere Industriegesellschaft ist, diese Rolle der indigenen Völker als Fürsorger der Erde zu
würdigen. In seinem im Jahr 2008 erschienenen Buch schreibt über sie folgendes: „Wenn
wir wollen, dass die Datenbank der Natur erhalten bleibt, dann müssen wir mit den
Eigentümern – oder den „Hütern“ – dieser Datenbank sprechen. Es kann nicht sein, dass
die armen und zum Teil ärmsten Staaten dieser Erde die biologische Vielfalt der Welt auf
eigene Kosten erhalten sollen, während der reiche Teil der Welt sich daran bedient, aus den
biologischen
Informationen
Produkte
und
Dienstleistungen
macht
und
diese
gewinnbringend am Markt platziert – ohne die Entwicklungsländer und die indigenen
Völker an diesen Erträgen zu beteiligen“ (Gabriel 2008: 242).
Was ist es, das die Indigenen sich so anders gegenüber der Natur verhalten lässt als die
Industriegesellschaft? Wie kann es quantifiziert werden? Dies soll im nächsten Kapitel
untersucht werden.
32
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
3. Ein Bewusstseins-Modell
Vier Ebenen des Bewusstseins
Untersuchungen über die Gründe, warum Indianer sich so anders gegenüber der Natur
verhalten als unsere Industriegesellschaft hat Hall et al dazu geführt, eine Werte-Theorie
zu postulieren, der zufolge vier Ebenen des Bewusstseins existieren. Diese vier Ebenen des
Bewusstseins sind (Hall et al 1991: 8):
1)
Die Welt als Mysterium / das Selbst als Zentrum
2)
Die Welt als ein Problem / das Bedürfnis nach Zugehörigkeit
3)
Die Welt als Projekt und Erfindung
4)
Die Welt als umsorgtes Mysterium / Selbst-als-Lebensspender.
Individuen tendieren dazu, sich mit wachsendem Alter durch diese Stadien zu bewegen,
obwohl Einzelne in jeder der Ebenen für einige Zeit „stecken bleiben“ können. Eine
ähnliche Entwicklung trifft auf Gesellschaften zu, wenngleich es immer einige Individuen
gibt, die aus ihren Gesellschaften hervorragen. Die Ebene des Bewusstseins, die eine
Gesellschaft zu jedem gegebenen Zeitpunkt auszeichnet, prägt ihre Weltanschauung. Auf
jeder Bewusstseinsebene ist das Leben anders. Die höheren Bewusstseinsebenen bieten ein
breiteres Panorama des Lebens als die unteren, weshalb Individuen und Gesellschaften
dazu tendieren, sich nach oben zu entwickeln.
Wertformierung vom Bewusstsein
Werte sind die inneren Kräfte, die motivierend wirken und Kriterien bilden, um unser
Leben als Menschen zu gestalten. Sie entspringen den Prioritäten, welche die
Weltanschauung eines Individuums widerspiegeln. Werte gewinnen Bedeutung als
Ergebnis von inneren Bildern (oder Visionen in der Sprache der Indianer), die den Strömen
aus Gedanken, Gefühlen und Handlungen, die das Leben des Einzelnen ausmachen,
vorangehen. Als Individuen reagieren wir gegenüber der äußeren Welt, indem wir diese
inneren Bilder durch Sprache in Handlung ausdrücken. Sprache ist eine motivierende Kraft
im Herzen dessen, was Individuen, Institutionen und Völker ausmacht (Hall et al 1991:
33
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
22). Die inneren Bilder eines Individuums auf der vierten Bewusstseinsebene sind es,
welche die gesamte Natur in der Wahrnehmung des Individuums zum Leben erwecken.
Auf dieser Bewusstseinsebene ist Kommunikation mit allem in der Natur möglich. Die
Sprache, in der diese Kommunikation stattfindet, ist die Sprache der Natur, was mittels
Visionen und Gefühlen geschehen kann und nicht notwendigerweise in gesprochenen
Worten. Dies ist, wie die Indianer mit der Natur kommunizieren und sie wertschätzen.
Kommunikation mit der Natur ist eine Voraussetzung, um die erste Definition von Leben
im Einklang mit der Natur zu erfüllen – „die Natur genauso verantwortlich behandeln wie
sich selbst“ – denn ohne Kommunikation ist keine Antwort möglich.
Ein ähnlicher Gedankenstrang wird von Meyer-Abich präsentiert, der vorschlug, unser
monologisches technisches Verhältnis zur Natur durch eine dialogische Beziehung zu
ersetzen als Voraussetzung für den Frieden mit der Natur. „Ein Mensch, der nur spricht
und nicht zuhört, verhält sich monologisch. Eine dialogische Beziehung zur natürlichen
Mitwelt wäre eine, in der die Natur in uns zur Sprache kommt, so dass sie in ein Gespräch
mit sich selbst eintritt. Wenn wir uns selbst in die Position einer Pflanze oder eines Tieres
begeben, wird ihre Natur in uns wahrnehmbar – da wir Menschen diejenigen sind, in
denen die Natur zur Sprache kommen kann“ (Meyer-Abich 1987: 715). 30
Evolution durch die vier Ebenen des Bewusstseins
Auf der ersten Bewusstseinsebene sind menschliche Werte auf Sicherheit und
Überlebenserfordernisse bezogen. Werte, die aus dieser Bewusstseinsebene hervorgehen,
fördern die Entwicklung von Fähigkeiten, die Kindern ermöglichen, ihre grundlegenden
physischen und psychologischen Bedürfnisse zu erfüllen.
Auf der zweiten Bewusstseinsebene, die normalerweise im Alter von elf Jahren beginnt,
treten Menschen in den Anerkennungskampf, um Teil einer signifikanten menschlichen
Gesellschaft zu werden. Individuen bemühen sich darum, von anderen angenommen zu
werden und ihre Arbeit würdigen zu lassen. Akzeptanz und Anerkennung erlauben ihnen,
ein Zugehörigkeitsgefühl zu empfinden. Auf dieser Ebene werden Werte wie Kompetenz,
Zuversicht und Selbstwertgefühl werden ausschlaggebend (Piaget 1968).
Auf der dritten Ebene bewegen sich Menschen von Abhängigkeit von anderen Menschen
in Richtung Unabhängigkeit. Physiologische Bedürfnisse können größtenteils durch das
30
Betonungen in kursiv durch den Welt-Feder-Rat hinzu gefügt.
34
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Individuum selbst erfüllt werden, so dass sie frei sind, Werte wie menschliche Würde,
Nächstendienst und Berufung zu entwickeln.
Die letzte Ebene ist die höchste. Auf dieser Ebene rückt das Konzept der Interdependenz in
den Vordergrund der bewussten Gedanken, und Werte wie Harmonie, wechselseitige
Beziehungen und Synergie werden ausschlaggebend (Hall et al 1991: 8-20).
Dem 4-Stufen-Bewusstseinsmodell von Hall et al (1991) soll zu Vergleichszwecken ein
anderes
Bewusstseinsmodell
von
Alexander
&
Langer
(Hrsg.)
(1990)
gegenübergestellt werden, das aus 7 Bewusstseins-Ebenen besteht. Im Gegensatz zu dem
ersten Modell, das von nicht-indigenen Wissenschaftlern entwickelt wurde, beruht das
zweite Modell auf den Überlieferungen der Vedischen Kultur Süd-Asiens, die selber zu
den indigenen Kulturen gezählt werden kann. In diesem Modell wird das Vier-StufenBewusstseins-Modell von Hall et al (1991) noch feiner ausdifferenziert und 3 höhere
Bewusstseinszustände hinzugefügt. Diese werden von den Autoren ‚Kosmisches
Bewusstsein’, ‚Verfeinertes Kosmisches Bewusstsein’ und ‚Einheitsbewusstsein’ genannt.
Im Bewussteins-Modell von Alexander & Langer (Hrsg.) (1990) verläuft die
Entwicklung höherer Bewusstseinszustände in folgenden 4 Stufen:
1) Temporäre Erfahrung eines einheitlichen Selbst, welches die Grenzen zwischen
Wissendem,
Wissensprozess
und
Wissensobjekt
vollständig
transzendiert
(transzendentales Bewusstsein).
2) Permanente Aufrechterhaltung dieses internen einheitlichen Selbst parallel zu den
aktiven, aufgeteilten Ebenen des Geistes und wechselnden Zuständen von
Erfahrungen (kosmisches Bewusstsein).
3) Wertschätzung des subtilsten Wertes eines Objekts, was tiefe Vertrautheit und
Integration zwischen Selbst und Nicht-Selbst erlaubt (verfeinertes kosmisches
Bewusstsein).
4) Erfahrung des unmanifesten Zustands reinen Bewusstseins, die allen manifesten
Ausdrücken des Geistes und der Materie zugrunde liegt und diese durchdringt, und
so in einer vollständigen Vereinigung von Objekt und Subjekt in der Ganzheit des
Einheitlichen Feldes auf Bewusstsein führt (Einheitsbewusstsein).
35
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Menschen im Einheitsbewusstsein sind äußerst selten, doch zitieren die Autoren
verschiedene Erfahrungen aus der Geschichte, darunter den deutschen Rationalisten
Hegel. Nach Alexander und Langer kann das Wachstum zu Einheitsbewusstsein
durch getestete Bewusstseinstechnologien und Stressabbau erreicht werden. Ob dies auch
durch Federn möglich ist, wird nicht beantwortet.
Die Brücke zwischen den ‚niederen’ Bewusstseinszuständen, bestehend aus WachBewusstsein, Traum-Bewusstsein (Swapna Chetana) und dem bewusstseinslosen
Tiefschlaf (Shushupti Chetana), bildet das Transzendentale Bewusstsein (Turiyatit
Chetana). Abbildung ... illustriert das Bewusstseins-Modell von Alexander &
Langer (Hrsg.) (1990).
Nach diesem zweiten, differenzierteren Bewusstseins-Modell scheinen die Indigenen die
Stufe des ‚Verfeinerten Kosmischen Bewusstseins’ zu erfahren. Typisch für diese
Bewusstseins-Ebene ist die Wahrnehmung von Natur-Spirits wie Elfen, Feen und Engeln.
Diese Natur-Spirits werden von vielen Indianern beschrieben und auf Bildern dargestellt.
Bei einer Exkursion in die Burg Eltz im Rheinland fiel Haru Kontanawa ein großes
Landschafts-Gemälde aus dem Mittelalter auf, an dessen linken unteren Ecke ein kleiner
Naturgeist zwischen der Vegetation versteckt war. Niemand außer ihm fiel dies auf. Er
fragte sogleich die Leiterin der Tour durch die Burg, was dieses Wesen sei und ob die
Menschen in Europa auch solche Wesen sehen, doch sie wusste keine Antwort darauf.
Dies weist darauf hin, dass Haru Kontanawa selber solche spirituellen NaturWesenheiten sehen kann, was ein Zeichen des Zustandes ‚Verfeinerten Kosmischen
Bewusstseins’ ist.
36
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Abbildung 4: Das 7-Stufen Bewusstseins-Modell von Alexander & Langer (Hrsg.)
(1990).
Indianer auf der höchsten Bewusstseinsebene
Der Punkt, den es hier zu vermerken gilt, ist, dass Industriegesellschaften größtenteils auf
der dritten Bewusstseinsebene stecken geblieben sind, der Ebene, von wo die Welt als
Projekt wahrgenommen wird, das durch technische Erfindungen erschlossen wird. Die
Weltanschauung, die mit dieser Bewusstseinsebene assoziiert ist, deklariert die Natur für
tot. Erst dann, wenn die vierte Ebene des Bewusstseins erreicht ist, wird die Natur als
lebendig wahrgenommen durch das Selbst-als-Lebensspender. Indianer wurden befunden,
mehr Werte von dieser vierten Bewusstseinsebene zu leben als andere amerikanische
Gesellschaften, die von den gleichen Forschern untersucht wurden (Hall et al 1991). Im
Gegensatz zu einem Großteil des westlichen Aufklärungs-Denkens ist die höchste Stufe
der Entwicklung nicht die technische Instrumentalisierung der Natur durch den Menschen,
sondern die spirituelle Identifizierung mit der Natur.
Ein charakteristischer Wert der Bewusstseinsebene der Indianer ist ‚Ökorität’ (engl.
,ecority’) – ein Begriff, den das Forscherteam geprägt hat. Ökorität ist definiert als „die
Fähigkeiten, Fertigkeiten und der persönliche, organisationelle und konzeptionelle
Einfluss, die Menschen ermöglicht, Autorität für die Welt zu übernehmen, um ihre
37
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Schönheit und ihr Gleichgewicht zu steigern durch kreative Technologie in Weisen, die
weltweite Auswirkungen haben“ (Hall et al 1991: 179). Ökorität führt Individuen dazu,
Verantwortung für die Welt zu übernehmen: Sie werden zu Fürsorgern der Erde. Sie
verleiht ihnen auch den Wunsch, die Schönheit der Welt und ihr Gleichgewicht durch die
kreative Verwendung von Technologie zu verbessern.31 Dies sind Verhaltensweisen, die
zweifellos Giessmanns erste Definition von Leben im Einklang mit der Natur erfüllen:
„die Natur genauso verantwortlich behandeln wie sich selbst“. Eine andere Wertegruppe
der vierten Bewusstseinsebene umfasst Wahrheit / Weisheit, integrierte Einsicht,
Integration / Ganzheit, Ästhetik und Schönheit-als-reiner-Wert. Die Wertegruppe Wahrheit
/ Weisheit / integrierte Einsicht führt Individuen zu einem intensiven Streben nach letzten
Wahrheiten. Integration / Ganzheit führt zur Bemühung von Individuen, die Persönlichkeit
(Geist und Körper) in ein koordiniertes Ganzes zu organisierten“ (Hall et al 1991: 181),
was die Grundlage für die Vereinigung von innerer und äußerer Natur ist.
Ähnlichkeit der Indianer zu den Indern
Wenngleich die Zuweisung der Bezeichnung ‚Indianer’ für die indigenen Völker Nordund Süd-Amerikas auf einem Missverständnis von Christopher Columbus vor über 500
Jahren basierte, zeigen Beobachtungen während einer traditionellen Krönungsfeier in
Costa Rica im Juni 2002, die gemeinsam von Indianern und Indern durchgeführt wurde,
eine starke Ähnlichkeit zwischen diesen beiden Volksgruppen. Was die amerikanischen
Indianer mit den asiatischen Indern vereint, ist ihre gemeinsame Sichtweise, Teil der Natur
zu sein. Dies wurde von Schuon (1990:102&31) bestätigt: „Wie der asiatische [Inder]32,
so ist der amerikanische Indianer sehr mit der Frage der spirituellen Bedeutung der Natur
beschäftigt. [...] In der Sichtweise der roten Indianer wie in jener der fernöstlichen Völker
befindet sich der Mensch innerhalb der Natur und nicht außerhalb von ihr.“ Diese
Vertrautheit mit der gesamten Natur – das Gegenteil von Fremdheit – entwickelte die
Kernwerte der Indianer, wie sie von Standing Bear von den Oglala-Lakota-Indianern
folgendermaßen ausgedrückt werden: „Aus der indianischen Herangehensweise zur
Existenz kam eine große Freiheit – eine intensive und einnehmende Liebe für die Natur;
31
Dies steht im Kontrast zu der überwiegend destruktiven Verwendung von Technologie in der
Industriegesellschaft. Nach Meyer-Abich (1987: 713) hinkt unser Erhaltungswissen dem
Zerstörungswissen hinterher.
32
Aus dem Englischen übersetzt durch den Welt-Feder-Rat. Beachte, dass auf Englisch ‘Inder’ und
‘Indianer’ beides mit dem gleichen Wort ‘Indian’ bezeichnet wird.
38
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
ein Respekt für das Leben [...] und Prinzipien von Wahrheit, Ehrlichkeit, Großzügigkeit,
Gerechtigkeit und Bruderschaft.“ (Fitzgerald & Fitzgerald (Hrsg.) 2006: 111).
Indianer haben die höchste Bewusstseinsebene durch Federn erreicht
Die zentrale Aussage dieser Arbeit ist, dass Indianer die höchste Bewusstseinsebene durch
Federn erreicht haben. Natürlich lässt sich die zentrale Rolle, die dieses Buch den Federn
bei der spirituellen Entwicklung des Menschen zuschreibt, auch kritisch sehen. Eine solche
kritische Stimme kommt beispielsweise von dem Physiker und Ornithologen Dr. Dietrich
Ristow: „Blumen, Muscheln, Vogelfedern, polierte seltene Steine, Gold etc. dienen in
vielen Kulturen als Schmuck oder als Statussymbol und werden dementsprechend mitunter
nur Häuptlingen zugestanden. Es ließen sich die verschiedensten Gemeinsamkeiten bei
Völkern rund um die Erde zu einem jeden solchen Naturprodukt konstruieren. Deshalb
wäre ich vorsichtig mit der Behauptung, den Federn eine Sonderstellung in der
Symbolkraft weltweit zu geben.” (Ristow in lit., 16. Nov. 2008). Um die besondere
spirituelle Rolle von Vogelfedern gegenüber anderen Naturprodukten bei der
Bewusstseins-Entwicklung herauszuarbeiten, wurden deshalb neben den Zitaten aus der
Literatur mehrere lebende Häuptlinge aus indigenen Kulturen befragt. Diese Befragung ist
noch nicht abgeschlossen.
Für Haru Xynã Kuntanawa33 von den Kuntanawa-Indianern sind Federn „Antennen
der Spiritualität“, die ihm ermöglichen, die Stimmen der Natur in sich selbst zu hören.
Dadurch tritt die Natur in den selbst-rückbezüglichen Dialog mit sich selbst ein, den
Meyer-Abich (1987: 715) oben beschrieben hat. Federn helfen den Indianern in ihrem
Streben nach Wahrheit und bei ihrer Entwicklung davon, was sie ‚das Auge der Feder’
nennen. Eine weise Frau der Apachen sagte: „Durch das Auge der Feder zu schauen bringt
mich zu jenem Ort der Vision, wo ich sehen kann, was real ist und was nicht.“34
(Tuchman 1994: 50). Das Auge der Feder ist identisch oder sehr ähnlich dem ‚Auge des
Herzens’, das im nächsten Kapitel diskutiert wird. Die folgende Aussage von einem
Navajo-Indianer scheint dies zu bestätigen: „Wenn Du eine Feder betrachtest, hast Du all
33
Interview während der 9. UN-Konferenz zur Konvention über biologische Vielfalt, Mai 2008, Bonn,
Deutschland.
34
Aus dem Englischen übersetzt durch den Welt-Feder-Rat.
39
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Dein Herz und Deine Seele in ihr“35 (Tuchman 1994: 15). Das Auge der Feder ist auch
bei den Indern in Asien bekannt: es ist das wahrhaftige Auge eines liebevollen Fürsorgers.
In diesem sehr visuellen Sinn ist es das ‚Auge’ auf den Federn des männlichen Pfaus (Pavo
cristatus). Dieses Auge der Feder wurde immer von Lord Krishna getragen, von dem
gesagt wurde, dass er ein beispielhafter Fürsorger der Erde gewesen sei (siehe Abb. 9). Das
Auge der Feder ist demzufolge eine äußere Ausdrucksform vom Auge des Herzens. Mit
anderen Worten hilft die Beschäftigung mit Federn im Äußeren den Indianern, die
Wahrnehmung des Auges des Herzens im Inneren zu entwickeln.
Während das nächste Kapitel einen allgemeinen Überblick darüber geben wird, wie die
hohe Bewusstseinsebene der Indianer sich in verschiedenen Lebensbereichen ausdrückt –
Leben im Einklang mit der Natur, wird das fünfte Kapitel spezifisch analysieren, wie
Federn die Identität der Indianer von frühester Kindheit strukturieren und ihr Selbst
ausdehnen, bis es die gesamte Natur umfasst – innere und äußere – indem sie eins werden
mit dem, was die Indianer die gefiederte Sonne nennen. Wenn ein Individuum die
gefiederte Sonne in sich selbst verwirklicht hat, wird er oder sie zu einem Feder Führer.
Die Eigenschaften von Feder Führern werden im sechsten Kapitel untersucht. Schließlich
wird das siebte Kapitel eine kurze Fallstudie liefern, wie die Richtlinien, welche die Feder
Führer eingeführt haben, in die Debatte über nachhaltige Forstwirtschaft einbringen
können – ein Bereich von besonderem Interesse für die Abwendung eines Klimakrieges.
35
Aus dem Englischen übersetzt durch den Welt-Feder-Rat.
40
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
4. Die indianische Sichtweise der Natur
Das Auge des Herzens
Black Elk, ein blinder Indianer der Oglala-Lakota, beschreibt, wie er die Natur nicht
mit seinen gewöhnlichen Augen, sondern mit dem ‚Auge des Herzens’ wahrnimmt. „Ich
bin blind und sehe nicht die Dinge dieser Welt; aber [...] das Auge meines Herzens sieht
alles. Das Herz ist eine heilige Stätte, in dessen Zentrum sich ein kleiner Raum befindet, in
dem der Große Spirit wohnt, und dieser ist das Auge“ (Fitzgerald & Fitzgerald
(Hrsg.) 2006: 5). Diese Weise, die Natur durch das Herz wahrzunehmen, ist allen Indianern
gemeinsam, nicht nur denjenigen, die blind sind, wie Rolling Thunder (Chief
Joseph) von den Nez-Perce-Indianern erklärt. „Wenn ein Nez-Perce Mann durch den Wald
steifte, flüsterten die wogenden Bäume ihm zu und sein Herz wallt auf mit dem Gesang der
wiegenden Föhre. Er schaute durch die grünen Zweige und sah weiße Wolken über die
blaue Kuppe ziehen, und er fühlte den Gesang der Wolken. Jeder Vogel, der in den
Zweigen zwitscherte, jeder Wasservogel im Schilf oder auf der Oberfläche des Sees
richtete eine eigene verständliche Botschaft an sein Herz; und wenn er gen Himmel blickte
und die hoch fliegenden Zugvögel erblickte, wusste er, dass ihr Flug durch die erhobenen
Stimmen von Zehntausenden Vögeln der Wiesen, Wälder und Seen gestärkt wurde, und
sein Herz, ganz im Einklang mit all dem, pulsierte mit den Gesängen seiner Fülle“
(Fitzgerald & Fitzgerald (Hrsg.) 2006: 108). Standing Bear von den OglalaLakota-Indianern wusste um die Auswirkungen eines Lebens fern von der Natur auf das
Herz und mied es deshalb. „Der alte Lakota war weise. Er wusste, dass des Menschen Herz
fern der Natur hart wird; er wusste, dass Mangel an Respekt für wachsende, lebende Dinge
bald auch zu Mangel an Respekt für Menschen führte. Also hielt er seine Jugendlichen
nahe ihrem besänftigenden Einfluss“ (Fitzgerald & Fitzgerald (Hrsg.) 2006: 10).
Im Zusammenhang einer ernsthaften Gefahr wie dem Klimakrieg mag es naiv erscheinen,
eine Diskussion über die Wahrnehmung der Natur durch das Herz aufzubringen. Doch
würde gerade die Tatsache, dass unsere Industriegesellschaft diese Diskussion als naiv
aufnehmen könnte, darauf hindeuten, dass unsere Herzen blind sind und unfähig, die
Wichtigkeit unserer Herzen für ein Leben im Einklang mit der Natur und zur Vorbeugung
eines Klimakriegs zu erkennen.
41
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Singen in der Natur
Ein Weg, um das Herz zu öffnen, ist durch Singen. Menschen singen gewöhnlich nur in
einer Umgebung, in der sie sich wohl fühlen und nicht unter Stress stehen. Gesang vermag
subtilere Gefühle auszudrücken als gesprochene Worte: Wir singen beispielsweise, wenn
wir verliebt sind. Wenn diese Liebe auf die Natur gerichtet wird, ist dies eine Möglichkeit,
die eigene Bewunderung für die Natur auszudrücken. Indianer singen oft, wenn sie alleine
in der Natur sind. Es ist ein Mittel für sie, sich mit der Natur zu verbinden. Indianischer
Gesang vermenschlicht die Klänge der Natur – in ähnlicher Weise wie traditionelle
indische Musik – und schließt dadurch alle Geschöpfe in der menschlichen Stimme ein:
Brüllen, Krächzen, Gurren und Sprechen, die Kombination aus Donner, Sturm, stürzendes
Wasser, das Wiehern von Pferden und das Trillern von Vögeln. „Und so besitzt
indianischer Gesang die Magie und Schönheit der Klänge der Natur. [...] Er gehört zur
amerikanischen Wildnis auf dieselbe Weise, wie der Ruf der Möwe zum Meer gehört oder
das Heulen des Windes zu den felsigen Bergen gehört oder der Schrei des Adlers zu den
einsamen, zerklüfteten Höhenlagen“ (Schuon 1990: 142).
Vermenschlichung der Natur
Dem Indianer sind alle Geschöpfe, einschließlich Pflanzen und sogar Mineralien – und
gleichermaßen Dinge in der Natur wie Sterne oder der Wind – Brüder; alles ist belebt, und
jedes Ding hängt auf bestimmte Weise von allen anderen ab (Schuon 1990: 20).36
Coyote Thunder, der Urgroßvater des Apachen ‚Großvater’, welcher in der
Einleitung zitiert wurde, sah Steine nicht nur als belebt wie Menschen an, sondern auch als
eine Nation in sich: „Die Steine sind die älteste und weiseste Nation, denn sie sind die
Knochen von Mutter Erde, von denen alles Ackerland und alles Leben kommt“37
(Brown 1994: 83). Wie das vorangegangene Kapitel erläutert hat, wird diese
36
Obgleich diese Wahrnehmung für die meisten von uns in der Industriegesellschaft fremd erscheint, hat sie
teilweise in den Bereich der zivilen Konflikttransformation Einzug gehalten unter dem Namen ‚Theorie
der interdependenten Mitentstehung’ (engl.: ‘Theory of Interdependent Co-Origination’), welche
folgendermaßen erklärt wird: „Die Theorie der interdependenten Mitentstehung besagt, dass alles einen
Einfluss auf alles andere hat. Eine Blume ist teilweise eine Blume, aber sie trägt auch die Sonne und den
Regen und die Erde in sich“ (Miall 1996: 16, Übersetzung aus dem Englischen durch den Welt-FederRat).
37
Das ist auch sachlich vollkommen richtig, denn Steine sind der Ausgangsstoff von Erde. Sand besteht aus
sehr feinen Stein-Körnern, und Lehm setzt sich aus einer großen Menge von unvorstellbar kleinen SandTeilchen (Kolloiden) zusammen (Möckel in lit., 10. Feb. 2009).
42
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Vermenschlichung der Natur durch die Vereinigung der äußeren Natur mit der inneren
Natur erreicht, was sogar scheinbar unbelebten Objekten das Selbst-als-Lebensspender der
vierten Bewusstseinsebene verleiht. Auf diese Weise wird selbst das Wetter
vermenschlicht. Im Verlauf einer politischen Bemühung, eine unabhängige indigene
Bribri-Nation innerhalb der Staatsgrenzen von Costa Rica aufzubauen, proklamierte ein
indischer Anführer im Juli 2002: „Es wird ein großer Wind der Freiheit blasen.“ Zwei
Wochen später, als der indisch-indianische Unabhängigkeitsplan seitens der Regierung
Costa Ricas mit Widerstand begegnet wurde, fegte ein mächtiger Zyklon über jenen Teil
des
Landes,
der
dem
Indianer-Territorium
angrenzte,
legte
alle
Strom-
und
Telefonverbindungen lahm und blockierte die einzige dorthin führende Straße durch über
50 entwurzelte Bäume. Dies wurde durch die Indianer und Inder als der „Wind der
Freiheit“ interpretiert, durch den die Natur auf ihren Wunsch nach Freiheit und dessen
Missbilligung seitens der Regierung „reagierte“. Diesem Beispiel folgend wird klar, dass
die Indianer die Natur, oder mehr spezifisch das Wetter, als eine lebendige Ganzheit sehen,
das Bewusstsein und Intelligenz besitzt, die vergleichbar mit ihrer eigenen Intelligenz ist,
denn sonst könnte das Wetter nicht auf ihre Wünsche „reagieren“. Ob solch eine
angebliche Allianz der Indianer mit dem Wettersystem in der Debatte über Klimawandel
ernst genommen wird, ist fraglich. Aus wissenschaftlicher Sicht der Industriegesellschaft
müssen die hohen Werte der Treibhausgase physisch reduziert werden, um einem
Klimakrieg vorzubeugen. Bloßes Wunschdenken scheint aus einer Außenperspektive nicht
ausreichend und würde als metaphysischer ‚Glaube’ abgetan.
43
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Abbildung 5: Territorium der Bribri-Nation im heutigen Costa Rica, mit einem Seitenfluss
des Sixaola-Flusses und den Talamanca-Bergen im Hintergrund. Für die Indianer sind der
Fluss, die Berge und die Wolken alle lebendig. Den Bribris zufolge bewohnen sie dieses
Land seit etwa 30'000 Jahren. (Bildquelle: Welt-Feder-Rat, Foto vom Juli 2002).
Die Beziehung der Indianer zu Bäumen
Bäume spielen eine sehr wichtige Rolle in der Vorbeugung eines Klimakrieges, weil sie
physisch Kohlendioxid aus der Atmosphäre binden – das Haupt-Treibhausgas aus
Menschenhand. Bäume können als friedliche ‚Klimasoldaten’ in dem Kampf gegen den
Klimakrieg bezeichnet werden. Es ist sehr wichtig, Bäume mit Respekt zu behandeln, weil
sie unser eigenes Überleben sichern. Walking Buffalo von den Stoney-Indianern
erklärt, wie Indianer mit Bäumen kommunizieren. „Wussten Sie, dass Bäume sprechen?
Nun, sie tun es. Sie sprechen miteinander, und sie sprechen mit Ihnen, wenn Sie zuhören.
Das Problem ist: Weiße Menschen hören nicht zu. Sie haben es nie gelernt, den Indianern
zuzuhören, also nehme ich nicht an, dass sie auf andere Stimmen der Natur hören werden.
Aber ich habe viel von Bäumen gelernt: Manchmal über das Wetter, manchmal über Tiere
[...]“ (Fitzgerald & Fitzgerald (Hrsg.) 2006: 7). Die Inder in Asien sprechen auch
mit Bäumen. Vriksha-Ayurveda, ein umfassendes antikes Lehrbuch über die Wissenschaft
des Pflanzenlebens, verschreibt das Sprechen mit Baum-Setzlingen während des
Umpflanzens auf folgende Weise: „Oh Baum, ich werde Dich von hier an einen besseren
Ort bringen und werde Dich auf solche Weise bewässern, dass Du zufrieden sein wirst. Du
wirst dort wachsen und sollst keine Angst haben vor Blitz usw.. Ich werde mich um Dich
44
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
kümmern wie um einen geliebten Sohn“ (Surapala 1994: Verse 85-86). Dies zeigt, dass
in der ursprünglichen indischen Gesellschaft Menschen innige Beziehungen mit Bäumen
aufbauten und sie wie Familienmitglieder behandelten.
Mit der modernen wissenschaftlichen Ausrüstung von heute erscheint die Idee, Bäumen
zuzuhören nicht mehr allzu fremdartig. In einem im Jahr 2006 durchgeführten Experiment
vom Kreis-Forstamt Eberswalde und der Universität Bonn wurden Bäume mit speziellen
Messgeräten an ihren Stämmen ausgestattet, welche das Ausgasen von Ethylen
aufzeichneten. Ethylen ist ein gasförmiges Pflanzenhormon, dessen erhöhtes Auftreten
anzeigt, dass ein Baum krank ist oder unter hohem Stress steht, was zunehmend der Fall ist
als Ergebnis von Dürren in Folge der globalen Erwärmung. Wenn ein Laser periodisch
durch das aufgefangene Ethylen gesandt wird, wird das Gas aufgeheizt, und die
periodische Modulation des Temperaturanstiegs kann durch ein Mikrofon hörbar gemacht
werden. Je mehr Ethylen ein Baum ausgast, desto „unwohler“ fühlt er sich (siehe
Schibilsky 2006).38 Ihr Wissen über Bäume könnten die Indianer in die Debatte der
Wissenschaftler über die Bedürfnisse der Bäume zur erfolgreichen Bekämpfung des
Klimakrieges und zur Sicherung des Klimafriedens einbringen, sofern die Wissenschaftler
dafür offen sind.
Die Beziehung der Indianer zu Tieren
Es ist interessant zu bemerken, dass indianische Gesellschaften kein Wort besaßen, um
Tiere von Menschen zu unterscheiden. Tiere wurden ganz einfach als Leute betrachtet,
genauso wie Menschen auch Leute sind.39 Für die Lakota-Indianer waren sie Brüder,
Schwestern, Väter und Mütter. Sie gehörten zur erweiterten Verwandtschaft (Andrews
2001: 211). Tieren wurden sogar politische Rechte zugestanden und sie bilden eigene
Nationen, wie Albert White Hat von den Sioux-Indianenr erläutert: „Wir sprechen
andere Geschöpfe als ‚Verwandte’ oder ‚Nationen’ an, so wie die ‚Adler-Nation’ und
38
39
Dies soll nicht heißen, dass die indianische Art, Bäumen zuzuhören, direkt mit der technischen Methode
der Aufzeichnung der ‚Stimme’ kranker Bäume verglichen werden kann. Was die Indianer hören, ist
nicht das Ausgasen von Ethylen, sondern die Stimme der Bäume in sich selbst.
Mit den Untersuchungen von Dr. Jane Goodall, der welt-renommierten Schimpansen-Expertin und
Friedensbotschafterin der Vereinten Nationen, findet diese Sichtweise der Indianer Bestätigung in der
westlichen Welt. In dem wohl am besten besuchten Vortrag der letzten Jahre an der Universität Hamburg
am 1. Oktober 2004 sagte Dr. Jane Goodall, dass „es keine scharfe Trennungslinie [gibt], die uns vom
Rest des Tierreichs trennt.“ Ihr zufolge sind wir nicht die einzigen denkenden Wesen auf unserem
Planeten, und diese Einsicht verlangt von uns einen neuen Respekt gegenüber allen Tieren, mit denen wir
die Erde teilen.
45
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
‚Kojote-Nation’“ (Tuchman 1994: 64). Der Cherokee-Indianer David White Eagle
Tree schließt in seiner Beschreibung von der indianischen Sichtweise der Tiere nicht nur
deren Wahrnehmung als Brüder und Schwestern sondern auch als Lehrer: „Wir betrachten
das gesamte Tierreich als im Grunde genommen unsere Lehrer. Wir nehmen ihre Kräfte
oder ihre Qualitäten in Anspruch, um uns zu helfen, ausgeglichener zu sein. Eine Weise,
die Beziehung des Menschen zur Welt zu betrachten, ist, dass Menschen die kumulative
Gesamtheit aller anderen Geschöpfe der Erde sind. Wir haben in uns den Adler, den
Habicht, die Schildkröte, den Bussard – alles“ (Tuchman 1994: 88). Tiere sind Teil der
erweiterten Identität der Indianer. Tierstimmen sind die Stimmen der Natur, die einfacher
hörbar sein können als die Stimmen von Pflanzen oder Mineralien, weil Tiere näher mit
dem Menschen verwandt sind. Tiere lehren die Indianer Bescheidenheit. „Stimmen purer
Gier sind nicht hier. Tiere sprechen nur in Ausgeglichenheit. Sie nehmen, was sie
brauchen, sie häufen kein Vermögen an“ (Lane & Samuels 2000: 72). Wenn die
Indianer Tiere jagen, gibt es bei vielen Indianerstämmen, z. B. den Bribri-Indianern, eine
Regel, die es ihren Jägern untersagt, das Fleisch von Tieren zu essen, die sie selber getötet
haben. Stattdessen können sie nur Fleisch akzeptieren, das ein anderer Jäger ihnen als
Geschenk anbietet. Diese Regel wurde vermutlich eingeführt, um unnötigem Töten
vorzubeugen und dem Entstehen von aggressiven Trends in der Gesellschaft vorzubeugen.
In vielen dieser Stämme sind die Jäger auch dazu angehalten, ihre Feder Führer (siehe
Kapitel 6) zur Festlegung der Grenzen ihrer Jagdreviere zu konsultieren.
In der Debatte um Klimawandel und Klimakrieg macht solches bescheidenes Verhalten
gegenüber Tieren großen Sinn. Tatsächlich sagte auf einer kürzlichen Konferenz über die
Sicherheitsrisiken des Klimawandels40 der Vorsitzende des Weltklimarates41, Dr. Rajendra
K. Pachauri – selbst ein Inder – auf die Frage, was er persönlich jedem empfehle, um
die Gefahren eines gefährlichen Klimawandels abzuwenden: „Essen Sie etwas weniger
Fleisch.“42 Der Grund für diese Empfehlung ist, dass der gesamte Fleisch-Zyklus,
einschließlich Kühl- und Transportkette, hochgradig Kohlendioxid-intensiv ist. Zudem
bringt Bescheidenheit im Fleischkonsum – nur das von den Tieren zu nehmen, was wir
40
Gemeinsame Konferenz des Deutschen Außenministeriums und der KfW-Entwicklungsbank mit dem
Thema ‘Sicherheitsrisiko Klimawandel’ in Berlin am 13. Juni 2007.
41
Zwei Monate nach Abgabe dieser Masterarbeit wurde der Weltklimarat (IPCC) zusammen mit Al Gore
mit dem Friedens-Nobelpreis gewürdigt. Dies zeigt, dass die internationale Gemeinschaft die Gefahren
des Klimawandels als ernsthafte Bedrohung des Weltfriedens, der zu einem Klimakrieg führen kann, wie
er von dem weisen Apachen ‚Großvater’ in der Einleitung beschrieben wurde, erkennt. Das NobelpreisKomitee ehrte sowohl Al Gore als auch den Weltklimarat unter dem Vorsitz von Dr. Rajendra K.
Pachauri für deren globale Kampagne zur Warnung der politischen Entscheidungsträger und der
Öffentlichkeit über den Handlungsbedarf zur Vorbeugung eines Klimakrieges.
42
Aus dem Englischen übersetzt durch den Welt-Feder-Rat.
46
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
brauchen4344 – den Tieren nicht nur Respekt entgegen, sondern hilft auch, den hohen Anteil
Methan zu reduzieren, der von der Massentierhaltung in die Atmosphäre ausgestoßen wird.
Methan ist ein Treibhausgas, das einen 21-23 mal stärkeren Einfluss auf die globale
Erwärmung hat als Kohlendioxid. In einer im Jahr 2006 erschienenen Studie hat die
Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) bekannt gegeben, dass die
gesamte Kette der Fleischproduktion für 18% der globalen Treibhausgas-Emissionen
verantwortlich ist – ein größerer Anteil als der des Transportsektors (FAO 2006).
Gleichzeitig betont die Studie, dass der potentielle Beitrag des Tierhaltungs-Sektors zur
Lösung der globalen Erwärmung genauso groß ist: Indem wir unseren Status innerhalb des
Ökosystems der Erde durch eine Anpassung unserer Ernährungsgewohnheiten an das
Ökosystem verändern, verringern wir unseren ökologischen Fingerabdruck und unsere
Belastung
für das Weltklima. Momentan ist der Mensch der größte Prädator im
Ökosystem der Erde. In jedem Ökosystem gibt es ein Gleichgewicht zwischen Prädatoren
und Beutetieren. Wenn die Prädatoren zu stark über die Basis des Ökosystems herfallen,
kippt irgendwann das Gleichgewicht zu ungunsten der Prädatoren und diese sind
gezwungen, ihr prädatorisches Verhalten zu verändern oder sie sterben.45 Im Gegensatz zu
vielen tierischen Prädatoren hat der Mensch die angeborene Möglichkeit, sich vom
Prädator zum Vegetarier zu entwickeln. Während unsere Vorfahren in der Steinzeit fast
reine Carnivoren waren, ist jetzt die Zeit in der Evolutionsgeschichte des Menschen
gekommen, zu friedvollen Herbivoren zu werden. Ein paar Jahre können wir selbst
vielleicht noch als Carnivoren weiter leben. Wenn uns jedoch das Überleben unserer
Nachkommen und das Überleben der anderen Tier- und Pflanzenarten auf unserem
Planeten am Herzen liegt, müssen wir uns an die Gegebenheiten des Ökosystems anpassen
und als Menschen menschlicher gegenüber den Tieren und Pflanzen werden. Das sehen
auch die Indianer so. Tashka Yawanawa von den Yawanawa-Indianern berichtete
kürzlich46, dass sein Volk das tägliche Töten von wild lebenden Tieren im Amazonas für
43
Nach der Tradition der Cherokee-Indianer „gab [es] einen Zeitpunkt, wo die Menschheit eine größere
Population erreichte. Die Menschen verloren ihre ausgeglichene Weise ihrer Beziehung zur Erde. Sie [die
Menschheit] geriet aus den Fugen. Und sie begann, Tieren auf unausgewogene Weise nachzustellen. Die
Tiere wurden dessen schließlich müde, deshalb hielten sie eine Konferenz im Wald unter einer HemlockTanne. Sie entschieden, der Menschheit mit verschiedenen Krankheiten aufzuwarten für all ihre Gier“
(Tuchman 1994: 84). Möglicherweise lassen sich die Epidemien aus Schweinepest, Rinderpest,
Vogelgrippe u. a. aus dieser Perspektive interpretieren.
44
Auf die Unmenschlichkeit unseres „Krieges gegen die Tiere“ hat Hartmann (1992) hingewiesen.
45
Leister Brown vom Word Watch Institute weist darauf hin, dass unsere momentane Ernährungsweise
nicht nachhaltig ist und zu einem globalen Zusammenbruch des Ökosystems der Erde führen könnte. In
seinem “Plan B”, der vieles gemeinsam hat mit Al Gores “Umwelt-Marshall-Plan”, ruft er dazu auf,
den globalen Verzehr von Rinder- und Schweinefleisch zu reduzieren (Brown 2003). Er bedauert, dass
es der Welt derzeit an Führerschaft zur Umsetzung dieses Plans mangelt.
46
Videokonferenz des Welt-Feder-Rates am 26. Mai 2009.
47
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
die Sicherung ihres Nahrungsbedarfs nicht mehr verantworten kann. Stattdessen gehen die
Yawanawa-Indianer nun dazu über, in ihren Dörfern vermehrt Gemüse anzupflanzen. 47
Totem-Tiere und Spirit-Tiere
Zwei verschiedene Formen von Tieren können unterschieden werden in der Weise, wie
Indianer mit ihnen kommunizieren: Totem-Tiere und Spirit-Tiere. Totem-Tiere lehren sie
in der äußeren Welt, während Spirit-Tiere von innen her unterweisen.48 Ein Totem ist
definiert als jedes natürliche Objekt, Tier, oder Wesen, zu dessen Erscheinungsform ein
Indianer sich in seinem Leben eng verbunden fühlt (Andrews 2001: 7).49 Während ein
Totem-Tier sich auf das physische Tier in der äußeren Welt bezieht oder auf eine physische
Imitation dessen (z. B. eine Schnitzerei in Holz), bezieht sich der Begriff ‚Spirit-Tier’ auf
eine geistige Innenschau des Tieres. Ein Spirit-Tier ist definiert als „eine Synthese aller
Tiere dieser Spezies, die in der Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft leben, gelebt
haben und leben werden. Das Spirit-Tier hat die Weisheit, Kraft und Energie der Tiere und
lehrt Dich das Wesen dessen, was das Tier ist. Ein Spirit-Tier ist mit den eigentlichen
Tieren verbunden, während es weitaus größer ist als ein jegliches Tier. [...] Es ist nicht eine
vermenschlichte Form eines Tieres oder ein Mensch in Tiergewand, es ist der Tier-Spirit
selbst“ (Lane & Samuels 2000: 19&43).
Eine Geschichte in einer Broschüre der Menominee-Indianer möge dazu dienen, zu
illustrieren, was die Indianer unter Tier-Spirits verstehen und wie diese Teil ihrer eigenen
Identität sind. „Frühe Überlieferungen deuten darauf hin, dass die Menominee in Dörfern
an der Mündung des Menominee-Flusses gelebt haben, und dort hat der Volksstamm
seinen Ursprung. Nach einem heiligen Ursprungs-Mythos der Menominee erschien der
Große Bär aus dem Erdboden, nahm menschliche Gestalt an und wurde durch das Große
47
48
49
Laut Professor John Fagan ist der Futtermittel-Anbau für die Rinder- und Schweinehaltung, um den
Fleischhunger des Menschen zu stillen – insbesondere die sich rasant ausbreitenden Soja-Plantagen im
Amazonas – wesentlich dafür verantwortlich, dass die Biodiversität des Amazonas, den die Indianer zu
verteidigen versuchen, immer mehr eingeengt und vernichtet wird. Eine Verringerung des eigenen
Fleischkonsums der Indigenen ist deshalb konsequent und wirkt als Leitbild für den nicht-indigenen Rest
der Bevölkerung.
Diese Unterweisung von innen her geschieht oft in Träumen, wie David White Eagle Tree der
Cherokee-Indianer erläutert. „Es wurde von allen Volksstämmen anerkannt, dass es im Wesentlichen
zwei Welten gibt: Die Welt, in der Du wach bist, und die Welt, in der Du wach bist, um zu träumen (die
andere Welt). Du schläfst von einer Welt in die andere und wachst in der einen oder der anderen auf.
Wenn jemand, der ein mächtiger Träumer ist, in die Traumwelt eintrat, traf er oder sie die Spirits hinter
verschiedenen Tieren und Pflanzen und konnte von ihnen Wissen erhalten“ (Tuchman 1994: 84).
Das Wort ‚Totem’ ist eine vereinfachte Ableitung des Begriffes ‘Ototeman’ von den Ojibwa-Indianern,
was ‚Bruder-Schwester-Sippe’ bedeutet (Schuon 1990: 20).
48
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Mysterium zu einem Indianer gemacht. Da er alleine war, rief er einen Adler zu sich, der
hoch über ihm flog, sein Bruder zu sein, und der beim Abstieg die Form eines Menschen
und eines Indianers annahm. Wie die beiden ihre Reise flussaufwärts fortsetzten, trafen sie
einen Biber und machten ihn zu ihrem Bruder, genauso wie der Wolf, der Stör, der
Kranich, der Elch und das Reh zu ihren Brüdern gemacht wurden. Andere Tiere, Fische
und Vögel wurden zu ihren Brüdern gemacht und bilden die Sippen des Volksstamms und
die ersten Menominees” (Menominee Tribal Enterprises 1994). Die meisten
Indianer glauben nicht wörtlich an diese Geschichte. Nichtsdestotrotz ist dies eine wichtige
Geschichte, weil sie einen greifbaren Prüfstein für die gemeinsame Identität der Indianer
darstellt. Die Spirit-Tiere waren unterschiedliche in fast jeder indianischen Kultur. Die eine
Gruppe hatte einen Bär, eine andere einen Adler, eine andere eine Eule. Jede Gruppe
orientierte die Tiere in unterschiedliche Richtungen, assiziierte sie mit unterschiedlichen
Farben und ermächtigte sie mit unterschiedlichen Bedeutungen und Geschichten (Lane &
Samuels 2000: 47-48).
Kommunikation mit Spirit-Tieren
Die Spirit-Tiere bleiben und sprechen nur dann zu einem Indianer, wenn sie oder er ihnen
zuhört. Ein Spirit-Tier erscheint einem Indianer in einer Vision. Es ist die innere Stimme
der Wildnis, die Stimme der Natur, die Stimme der Erde. Sie ist eine Form der
Kommunikation in der Sprache der Natur, die im vorangegangenen Kapitel beschrieben
wurde: „Es [das Spirit-Tier] wird in einer inneren Stimme sprechen, die sich für Dich wie
ein Gedanke anhört aber sich so anfühlt, als ob es nicht Deiner allein ist. [...] In der
mystischen Stille hallt er in Deinem Kopf wider. Es ist in derselben Weise, wie Du Musik
in Deinem Geist hörst. Es hallt wider. Spirit-Tiere werden Dir Gedanken geben, die
ungewöhnlich sind, und Du wirst Dich plötzlich wie leicht aus dem Raum versetzt fühlen.
Dies ist die Erfahrung von einem Tier, das zu Dir kommt. [...] Es spricht nicht in Worten
einer Karikaturfigur zu Dir. Du richtest Dich auf und hörst die Weisheit der Erde zu Dir
sprechen; Du hörst die Worte durch Deinen Geist ziehen. Du verstehst sie; Du
entschlüsselst sie und übersetzt das, was Du erhältst, in Deine eigene Sprache. Dein Geist
kann sie verstehen; Du weißt mit Sicherheit, dass es wahr ist. Es ist eine mächtige, reale,
lebendige Erfahrung. Wenn Du die Gedanken empfängst, fühlst Du Dich wie in einem
leicht veränderten Bewusstseinszustand [...]“ (Lane & Samuels 2000: 67&122).
49
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Haru Kontanawa vom Welt-Feder-Rat beschreibt die persönliche Erfahrung einer
solchen Vision, in der ein Spirit-Tier in einem Traum zu ihm kam: “Ich sah einen großen
Adler auf einem Ast sitzen und näherte mich ihm mit meinem Pfeil und Bogen, mit der
Absicht, ihn zu töten, um aus seinen Federn eine Coca (Federkrone) für mich anzufertigen.
Der Adler sprach zu mir: ‘Was tust Du da? Ich bin gekommen, um Dich zu beschützen und
Dich zu unterrichten. Lass das! Ich werde Dich in der Weisheit zu heilen unterweisen.’
Und der Adler lehrte mich, meinen Cousin zu heilen. Ich kann dies nicht erklären. Es ist
der Spirit, der lehrt. Es ist der Spirit, der heilt. Du kannst das Wissen über Heilpflanzen
weitergeben. Aber was Dir vom Spirit gegeben wird, kannst Du nicht weitergeben – Du
kannst es nur anwenden.” 50
Auf Spirit-Tiere zu hören schein ein wichtiger Aspekt des Lebens im Einklang mit der
Natur zu sein, und da Leben im Einklang mit der Natur zum Klimafrieden führt, hat dies
einen Wert als Beitrag zu der Debatte um die Abwendung eines Klimakrieges.
Abbildung 6: Totem-Tiere sind Tiere, zu denen sich ein Mensch in der äußeren Welt eng
verbunden fühlt, während Spirit-Tiere eine geistige Innenschau von Tieren sind. (Bildquelle:
Andrews 2001: 14, Farben abgeändert).
50
Persönliches Gespräch mit Hilmar Gabriel am 25. Mai 2005 an der Burg Eltz im Rheinland.
50
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Die Beziehung der Indianer zu Vögeln
Indianer haben eine spezielle Beziehung zu Vögeln, speziell dem Adler. Der Adler fasst
das Wissen aller anderen Spirit-Tiere zusammen: „Adler fliegt in Höhen, die ihnen einen
Horizont von 360 Grad ermöglichen. [...] Sie sehen alles, was auf der Erde geschieht.
Wenn Du alle Tiere sehen willst, schau durch die Augen des Adlers“ (Lane & Samuels
2000: 185-186). Für die Indianer sind Vögel Persönlichkeiten, und die Vogelgesellschaft
verkörpert ein metaphorisches Bild der menschlichen Gesellschaft. Dies ist der Grund
dafür, warum Vögel manchmal „beflügelte Menschen“ genannt werden (Fitzgerald &
Fitzgerald (Hrsg.) 2006: 63). In den Worten einer weisen Frau der Apachen: „Die
Vögel sind Leute, die hoch fliegen und auf Luft laufen“ (Tuchman 1994: 49). Auf
dieselbe Weise wie Menschen verschiedene Gewohnheiten haben, ihre Häuser zu bauen,
verschiedene Techniken der Nahrungsbeschaffung und verschiedene Essgewohnheiten, so
haben auch Vögel – in der Sichtweise der Indianer – ihre eigenen Gewohnheiten. Die enge
Verbindung zwischen Menschen und Vögeln wird aus dieser Parallele hergeleitet
(Dyckerhoff & Völger (Hrsg.) 1994: 55). „Vögel sind die erweiterte
Verwandtschaft des Menschen. Sie sind einzigartig innerhalb des meisten Tierlebens. Wie
Menschen stehen sie auf zwei Füßen“ (Andrews 2001: 73). Theodore Barber führte
Untersuchungen an der Harvard University durch und demonstrierte, dass Vögel sensibel
bewusst und emotional sind, deutlich verschiedene Persönlichkeiten haben und sich dessen
bewusst sind, was sie tun. Sie handeln zweckgerichtet und flexibel mit Willenskraft,
begrenzen intelligent Nachwuchs und haben einen Sinn für Ästhetik, einschließlich
musikalischer Fähigkeiten und der Fähigkeit, abstrakte Konzepte zu bilden. Vögel sind
Menschen sogar in manchen Arten von Intelligenz überlegen, beispielsweise in
Navigations-Intelligenz. „Sie kommunizieren aussagekräftig mit Menschen und stehen zu
ihnen als enge, fürsorgende Freunde in persönlicher Beziehung“ (Barber 1993: 1-3).
Indianer kommunizieren mit Vögeln, um über das Wetter Bescheid zu wissen. Sie
verstehen die Sprache der Vögel.51 Bis auf die kleinen Insekten gibt es keine anderen
Lebewesen, welche den Luftraum der Erde in der gleichen Anzahl bevölkern wie Vögel.
Vögel reisen jedes Jahr lange Distanzen durch die Atmosphäre. Manche Arten ziehen mehr
51
Vögel scheinen sich der natürlichen Wetterzyklen besser bewusst zu sein als viele Menschen. Während
eines Interviews mit einem 94-jährigen Feder Führer von der West-Küste Costa Ricas begann ein Vogel
in einem Baum in der Nähe zu singen. Auf die Frage, was der Vogel sage, antwortete der Indianer: „Er
bittet um Regen.“ Normalerweise würde es um diese Tageszeit regnen, aber an jenem Tag hatte es noch
nicht geregnet. (Interview im Juli 2002, Puerto Viejo, Costa Rica).
51
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
als 50'000 Kilometer pro Jahr (Lingen 2004: 112), und manche fliegen in Höhen von
über 10'000 Metern (Lingen 2004: 122) – beides ist außerhalb natürlicher menschlicher
Fähigkeiten. Keine anderen Lebewesen kennen die Atmosphäre genauer als die Vögel. Sie
haben die lebendige Erfahrung von klimatischen Veränderungen, die in der Atmosphäre
stattfinden, über die sie regelmäßig ihre Artgenossen unterrichten, und die sie auch
Menschen mitteilen können. Menschen-gemachte Wetterballons und Satellitentechnologie
liefert in den Augen der Indianer lediglich tote technische Information, die interpretiert
werden muss, um ihre Bedeutung auf das Leben zu extrahieren. Es könnte ein Experiment
Wert sein, Klimatologen mit indianischen Vogelexperten zu verbinden, um Informationen
über Wetter und Klima, welche die Indianer von den Vögeln gewonnen haben, zu teilen.
Abbildung 7: Indianer kommunizieren mit Vögeln, um über das Wetter Bescheid zu wissen.
Keine anderen Lebewesen kennen die Atmosphäre genauer als die Vögel. Sie haben die
lebendige Erfahrung von klimatischen Veränderungen, die in der Atmosphäre stattfinden,
über die sie regelmäßig ihre Artgenossen unterrichten, und die sie auch Menschen mitteilen
können. (Bildquelle: http://www.linkpics.de/gallery/albums/userpics/4kbai6r6f0c8~0.jpg)
52
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Die Beziehung der Indianer zur Erde
In der Sichtweise der Indianer gehört die Erde niemandem, wie ein Sprecher der Indianer
erklärte: „[U]ns zufolge ist die Erde im Besitz des Menschen, nicht der Mensch im Besitz
der Erde“ (Schuon 1990: 93). Für die Indianer ist das Land der Erde keine ökonomische
Einheit, die auf dem freien Markt gekauft und verkauft werden kann. Stattdessen liegt sie
in Gemeinschaftshand, nicht nur für diese Generation von Indianern, sonder für alle
Generationen, die gelebt haben, und all jene, die noch geboren werden (Davis 2000: 29).
Die Stammesältesten lachten verächtlich über die Idee, dass ein Mensch Land verkaufen
könnte. „Warum nicht die Luft verkaufen, die wir atmen, das Wasser, was wir trinken, die
Tiere, die wir jagen?“ entgegneten manche (Deloria 1970: 82). Mit ihrer Haltung, dass
niemand einen höheren Anspruch auf die alleinige Verwendung von Land habe, entgingen
die Indianer der ‚Tragödie der Allmende’ (engl.: ‘tragedy of the commons’), die von
Garret Hardin (1980) beschrieben wurde. Die Tragödie besteht in einem Verhalten, das
oft in der Industriegesellschaft beobachtet wird, bei dem ein Konsument seinen oder ihren
Anspruch auf ein gemeinsam verwaltetes Gebrauchsgut erhöht, um größeren persönlichen
Profit daraus zu erzielen. Dies führt zu einem Wahnsinn des Ressourcenverbrauchs, bei
dem jeder Verbraucher seinen oder ihren Anteil immer weiter erhöht, bis die Ressource
zerstört ist. Dies ist, was mit fast allem Land außerhalb der Indianer-Territorien geschehen
ist.
Ressourcen-Unternehmer,
Eisenbahn-Förderer,
Holzfäller,
Minenbesitzer,
Landspekulanten, Rinderzüchter und Bauern frönten einer hemmungslosen und
fieberhaften Ausbeutung der natürlichen Ressourcen der Erde. Gedrängt durch ein
skrupelloses und übermäßig konkurrenzbetontes Wirtschaftsumfeld verwüsteten diese
Gruppen Wälder und Flüsse (Robbins 1982: 16). Die Indianer dagegen erhöhten den
Wert der Ressourcen ihres Landes, während sie gleichzeitig gemeinsamen ökonomischen
Nutzen aus ihren Erzeugnissen erhielten. Dies ist ein seltener Beleg in der heutigen Welt –
einer, der es Wert ist, unter der Bedrohung eines Klimakrieges näher untersucht zu werden.
Denn Berry (1977: 28-31) zufolge können wir nicht hoffen, uns selbst und irgend eine
Kultur zu bewahren, wenn wir nicht wissen, wie wir das Land zu nutzen haben.
53
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Indianische Gesellschaftsstruktur
Was dabei hilft, Ausreißer aus der indianischen Gemeinschaft in ihr integriert zu halten,
wurde als „Hummer-Eimer-Demokratie“ bezeichnet (Daly 1994, persönliches Gespräch
mit Davis 2000: 92): „Indianer sind wie ein Haufen Hummer, die in einem Eimer
festsitzen. Wenn einer nach oben klettert und beginnt, nach dem Eimerrand zu schnappen,
holen die anderen Hummer aus und ziehen den Hummer schnell zurück auf den
Eimerboden. Indianer machen nur Fortschriffe, wenn sie alle zusammenkommen und ein
Wunder geschehen lassen und den ganzen Eimer hochheben.“ Außenstehenden erscheint
dieses politische System oft irrational und unnotwendig eng. Für die Indianer schützt es
jedoch die Schlüsselaspekte ihrer Kultur, Spiritualität, Nachhaltigkeit und Einheit des
Volkes. Es ist ein Schutzmechanismus, der hilft, in allseitigem Einverständnis getroffene
Entscheidungen aufrecht zu halten. Es betont ständig die aller oberste Wichtigkeit des
Wohles des Volkes über das des Individuums. Dies steht im Kontrast zu dem
Individualismus und Konkurrenzkampf, die in der Industriegesellschaft vorherrschen. Im
Angesicht er Bedrohung durch einen Klimakrieg kann die Frage gestellt werden, ob die
indianische „Hummer-Eimer-Demokratie“ möglicherweise besser ausgestattet ist, um uns
vor dem Rennen ins Desaster zu schützen – als Individuen und als Gesellschaft als Ganzes.
Die Indianer haben einen starken Sinn für generationsübergreifende Gerechtigkeit. Dieser
Gerechtigkeitssinn umfasst nicht nur die Notwendigkeit, die Interessen von zukünftigen
Generationen zu schützen, sondern betont auch die Wichtigkeit der indianischen Vorfahren
für die Stammesidentität. Nur wer diejenigen ehrt, die vor uns kamen, kann die Interessen
derer, die noch kommen, wahrhaft schützen. Als Regel nehmen Indianer eine LangzeitPerspektive in ihrem Verhalten ein, indem sie die Bedürfnisse der nächsten sieben
Generationen berücksichtigen (Berry 1994: 19-20). David White Eagle Tree von
den Cherokee-Indianern schildert das Gesetz der Sieben wie folgt: „Wir gehen an den
ersten sieben Pflanzen oder den ersten sieben Stellen oder den ersten sieben Tieren, die wir
jagen, vorbei. Wir tun dies, um sicher zu stellen, dass die sieben Generationen, die noch
kommen, eine Fülle haben werden. Was auch immer Du sammelst, Du gibst etwas den
Ältesten, um für diejenigen zu sorgen, die vor gingen. Manchmal trägst Du eine Feder,
wenn Du dies tust. Wenn Du die Kraft haben willst, sehr klar sehen und Dinge
unterscheiden zu können, trägst Du vielleicht eine Adlerfeder in Deiner Hand, oder hast
eine an ein Bündel geschnürt, das Du bei Dir hast“ (Tuchman 1994: 92). Die Indianer
sorgen auch dafür, dass ihre eigene Bevölkerung die Ressourcen, die ihr Land zur
54
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Ernährung ihrer Kinder zur Verfügung stellen kann, nicht übersteigt. Mit dieser
verantwortlichen Haltung erfüllen sie die erste Definition von Leben im Einklang mit der
Natur besser als die Industriegesellschaft.
Dieses Kapitel hat untersucht, wie die hohe Bewusstseinsebene der Indianer sich in
verschiedenen Lebensbereichen ausdrückt und welchen Beitrag diese Verhaltensweisen
möglicherweise zur Debatte um die Abwendung eines Klimakrieges liefern können. Das
nächste Kapitel widmet sich spezifisch den Mechanismen, wie Federn den Indianern
helfen, ihre hohe Bewusstseinsebene zu entwickeln. Da diese Bewusstseinsebene dafür
bekannt ist, dass sie zu Leben im Einklang mit der Natur führt, hift die Entwicklung dieser
Bewusstseinsebene in jedem Schritt automatisch bei der Abwendung einer Klimakrieges.
55
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
5. Der Pfad der Feder
Federn als Ursprung indianischer Kultur
Gemäß einer alten Aufzeichnung stammt die indianische Kultur Südamerikas von
jemandem ab, der in den meisten Volksstämmen unter dem Namen Maira (Mahira)
bekannt ist. Es war Maira, der die ersten Federkronen den Tupinambá-Indianern an der
Küste des heutigen Brasilien brachte (Thevet 1953: 66). Von Maira wurde auch gesagt,
er habe eine Federkrone aus gelben Schwanzfedern des Krähenstirnvogels (Psarocolius
decumanus) den Urubú-Ka’apor-Indianern mehrere Tausend Kilometer landeinwärts
gebracht, und lehrte sie, diese anzufertigen (Dyckerhoff & Völger (Hrsg.) 1994:
57). Solche Aufzeichnungen von kulturellen Helden, welche die ersten Federn den
indianischen Gesellschaften brachten und deren soziale Ordnung etablierten, existieren
überall in den Amerikas. Es wäre nicht übertrieben zu behaupten, dass Federn den Samen
indianischer Kultur enthalten.52
Die Feder repräsentiert den Spirit einer Gruppe, gemäß dem englischen Sprichwort „Birds
of a feather flock together“, was auf deutsch bedeutet, dass Menschen, welche die gleiche
Geistesqualität teilen, zueinanderfinden – und die Feder steht sinnbildlich für diese
Gestesqualität. Die Feder befindet sich im Mittelpunkt des Staatswerdungsprozesses, nicht
nur bei den Indianern der Neuen Welt, sondern auch bei uns in der West-Paläarktis. Federn
dienten seit Alters her als Instrument zum Unterzeichnen von Verträgen zwischen
Stammesgruppen. Um die Feder herum bildete sich zunächst ein Feder-Rat. Dessen
Mitglieder waren ‚Federates’ (engl. für ‚Föderierter’), d. h. Verbündete. Jeder Föderierte
eines lokalen Feder-Rates vertrat in einem übergeordneten regionalen Feder-Rat eine
Volksgruppe. Aus den Federaten entwickelten sich ‚Federationen’ (Föderationen), und
daraus schließlich Feder-Nationen. Der Adler schwebt als Verkörperung menschlichen
Gruppenbewusstseins über dem lebenserhaltenden Feuer im Kreis der Föderierten und gilt
bei zahlreichen Feder-Nationen der Neuen und Alten Welt als Wappentier.
Wenn ein Mitglied in diese Kultur geboren wird, ist es ganz natürlich, dass sie oder er die
Traditionen von der Verwendung von Federn erbt, die zu der hohen Bewusstseinsebene
52
Eine ausführliche Dokumentation der Feder sowohl aus kultureller als auch aus naturwissenschaftlicher
Perspektive findet sich bei Hartmann (1969, 1976, 1976/77, 1977a, 1977b, 1980, 1981, 1982, 1994,
1999, 2000, 2007).
56
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
dieser Gesellschaften geführt haben, die in den vorangegangenen Kapiteln beschrieben
wurden (siehe Abbildung 3).
Abbildung 8: Die Feder befindet sich im Mittelpunkt des Staatswerdungsprozesses. Um die
Feder herum bildet sich zunächst ein Feder-Rat. Der Adler schwebt als Audruck des
Gruppengeistes über dem Kreis der Föderierten und gilt bei zahlreichen Feder-Nationen der
Neuen und Alten Welt als Wappentier. (Bildquelle: http://www.linkpics.de/?)
Die Feder-Initiation
Von den ersten Lebenstagen an strukturieren Federn die Individualität eines Indianers. „Sie
[die Feder] bedeutet dem Träger eine Bestätigung seiner eigenen Identität und verleiht ihm
geistige Fähigkeiten und zugleich Schutz. Ohne die Feder [...] wurde der Mensch von
vielen Gruppen als unvollständig angesehen [...]“ (Dyckerhoff & Völger (Hrsg.)
1994: 55). Schon als kleines Kind wird der Indianer in den Pfad der Feder eingeführt – den
Pfad, der zur Gefiederten Sonne führt. Andrew Thomas von den Navajo-Indianern
erklärt diese Initiation: „Wenn Du eingeführt wirst, bekommst Du Deinen angeborenen
Namen und Du bekommst Deine Feder. Die Feder ist Dein fürs Leben. Wenn Du
eingeführt wirst, gehst Du durch ein Schwitzbad und reinigst Dich selbst. Dann legst Du
57
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
[...] einen Eid ab unter der Führung der Feder. [...] Du musst die Feder nach Osten halten,
die Richtung des Gebens. Vom Osten ersuchen wir neues Leben. Osten ist der Bringer von
Gutherzigkeit (Tuchman 1994: 18). Osten ist der Bringer von Gutherzigkeit, weil Osten
die Richtung der aufgehenden Sonne ist. Die aufgehende Sonne strahlt lebensfördernde
Kraft aus für alle Lebewesen auf die Erde. Indem jemand während der Feder-Initiation
nach Osten schaut, verbindet das Individuum ihr oder sein Bewusstsein mit dieser
lebensfördernden Kraft der Sonne. Diese Verbindung zur Sonne durch Federn ist das
gemeinsame Merkmal aller Indigenen sowohl in Nord- als auch in Süd-Amerika und in
Asien. Für die Indigenen ist die Sonne der Lebensspender, der Schutzherr, der Hüter.
Indem sie sich mit der Sonne verbinden, werden Indianer zu Fürsorgern des Lebens und
entwickeln die Qualität des Selbst-als-Lebensspender der vierten Bewusstseinsebene.
Während der Feder-Initiation sagen sie: „Ich werde ehrlich und fair sein und werde
meinem Volk helfen – durch diese Feder“ (Tuchman 1994: 18&45). Die Feder-Initiation
ist der erste Schritt im Aufbau einer Beziehung zwischen dem Kind und der Gefiederten
Sonne (siehe unten).
Abbildung 9: Schon als kleines Kind wird der Indianer in den Pfad der Feder eingeführt. Auf
dem Bild zu sehen ist Haryu Xyña Kuntanawa, der Sohn von Haru Xyña Kuntanawa
und zukünftiger König der Kuntamãnã. Bereits im Alter von 2 Monaten trägt er eine Krone
aus Federn (Foto: Haru Xyña Kuntanawa).
58
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Die Sonnen-Erkundung durch Federn
Der nächste Schritt auf dem Pfad zur Gefiederten Sonne ist, auf eine Sonnen-Suche zu
gehen. Die Nez-Perce-Indianer beginnen ihre Suche nach der Vereinigung mit der Sonne
bereits im Kindesalter. Dem Kind, Junge oder Mädchen, wird, wenn es weniger als zehn
Jahre alt ist, vom Vater oder der Mutter gesagt, es sei Zeit, sich auf die Sonne auszurichten.
Das Kind wird angewiesen, zum Yonder-Berg zu gehen, ein Feuer zu machen und zu
fasten. Die Eltern sagen dem Kind, dem Lauf der Sonne für einen ganzen Tag zu folgen.
„Wenn die Sonne untergeht, sitz auf den Felsen und sieh ihn53 an. Wenn der
Sonnenaufgang erscheint, geh nach Osten und beobachte, wie die Sonne zu seinem54 Volk
zurück kehrt. Wenn er zum Mittag kommt, geh nach Süden und setz Dich dort, und wenn
er wieder tief gereist ist, geh nach Westen, wo Du zuerst saßt, und sieh zu, bis er
verschwunden ist. Dann mach Dich auf den Heimweg.“ Um mit der Ausrichtung auf die
Sonne zu helfen, wurde eine Feder – repräsentierend für einen Strahl der Sonne – an die
Kleidung des Kindes gebunden, bevor sie oder er auf die Reise geschickt wurde
(Fitzgerald & Fitzgerald (Hrsg.) 2006: 45). Diese Feder ist die zweite Feder, die
das Kind nach der Feder-Initiation erhält.
Verdienen von mehr Federn
Jede neue Feder, die das Kind erhält, repräsentiert einen Strahl der Gefiederten Sonne, die
in dessen Bewusstsein wächst. Der Wunsch des Kindes, eins mit der Gefiederten Sonne zu
werden, ist eine starke motivierende Kraft, mehr Federn zu verdienen. Sandra Black
Bear White, eine Lakota Frau, erläutert im Detail, wie Federn in verschiedenen
Lebensphasen eines heranwachsenden Individuums. „Wenn Du zwölf Jahre alt bist, gehst
Du durch eine Adoptions-Zeremonie, in der Dir eine Adlerfeder angebunden wird, und Dir
wird erlaubt, sie zu behalten. Eine Adaptions-Zeremonie wird abgehalten, wenn unsere
Eltern uns ehren wollen oder denken, es sei an der Zeit, dass wir beginnen, mehr über das
Erwachsenwerden lernen. Wir werden von jemandem adoptiert, der ein gutes Rollenmodell
für uns sein kann. Von da an dauert diese Beziehung fort, aber wir müssen unseren Teil
dazu tun. Wenn wir durch die Adoptions-Zeremonie gehen, müssen wir etwas Wertvolles
53
54
Im Gegensatz zur deutschen Sprache ist „die“ Sonne für die Indianer männlich.
Siehe vorangehende Fußnote.
59
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
geben. Meistens ist es ein großes Geschenk, um zu zeigen, dass wir von da an das Recht
haben, unsere Federn zu tragen. Wenn wir das nicht tun, sagen uns unsere Ältesten, dass
wir die Federn nicht tragen dürfen. [...] In unserem Stamm ist der einzige Zeitpunkt, wo Du
eine Feder bekommen kannst, wenn Du sie verdienst. Du musst eine bedeutende Leistung
haben oder eine Feder durch andere Zeremonien erlangen. Frauen erlangen Federn von
Leistungen wie dem Schulabschluss, oder wenn sie im Dienst stehen. [...] Wenn Du ein
Lakota-Mann bist, kannst Du eine Adlerfeder für jede bedeutende Leistung bekommen.
[...] Dies bedeutet, dass Du jemand bist, der zur Schule geht, um eine Ausbildung und
Abschluss zu bekommen, jemand, der hart arbeitet, jemand, der eine Familie unterhält,
jemand, der im Dienst steht und dem Land geholfen hat, jemand, der immer den Leuten
hilft. Du erhältst Anerkennung für Deine Leistungen, damit die Leute zustimmen, dass Du
die Adlerfeder tragen sollst. [...] Dann musst Du im Allgemeinen immer den Leuten helfen,
um sie wissen zu lassen, dass Du das Recht erworben hast, eine Adlerfeder zu tragen. Du
musst ehrlich und hilfreich sein. [...] In unseren Regeln steht eine Menge Wissen hinter der
Adlerfeder – wie Tapferkeit, Weisheit, Stärke, Großzügigkeit. Wenn Leute diese
Traditionen nicht würdigen, haben sie kein Recht, Adlerfedern zu tragen“ (Tuchman
1994: 75-82). Es ist offensichtlich aus dieser Aussage, dass sich ein solches Individuum
auf dem Weg befindet, die Qualitäten der vierten Bewusstseinsebene zu entwickeln: Die
eines helfenden Fürsorgers und des Selbst-als-Lebensspender.
Federn als Geschenke von der Natur und von Menschen
Wie der junge Indianer nach mehr Federn um sich sucht, werden Federn, die ihm oder ihr
von der Natur gegeben werden, zu Instrumenten der stillen Kommunikation mit der Natur:
„Die Federn sprechen zu Dir im Visionsraum. Sie sprechen zu Dir, wenn Du sie aufhebst.
Um die Botschaft einer Feder zu hören, sei still, halte inne und hör hin. Jede Feder hat eine
einzigartige Botschaft für Dich. [...] Wenn Du eine Feder aufhebst, hältst Du inne, und für
einen Moment wirst Du aus der Zeit herausgenommen. In jenem Moment kann eine
Botschaft zu Dir kommen, wenn Du darum bittest, und diese Botschaft ist einzigartig für
diese spezielle Feder“ (Lane & Samuels 2000: 26). Zur selben Zeit lernt das
Individuum Bescheidenheit und Dankbarkeit gegenüber der Natur für jede Feder, welche
die Natur schenkt: „Eine Feder wird Dir gegeben.55 Du kannst nicht danach suchen und sie
55
Betonung in kursiv durch den Welt-Feder-Rat hinzugefügt.
60
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
finden. Sie wird Dir als Geschenk gegeben. Sie kommt in einem Moment, wenn Du sie
nicht erwartest. Du kannst nach ihnen suchen, aber bald vergisst Du es und denkst an etwas
anderes, und genau dann erscheinen sie. Plötzlich ist zu Deinen Füßen die schönste Feder
und sie bringt Dich vom gewöhnlichen Gedanken zu dem Ort von Zeitlosigkeit, von
expandierter Zeit [...]. Mit jeder Feder wird Dir ein Geschenk gegeben, ein Teil der
lebendigen Erde. Was ist das Geschenk, das Du zurück gibst? Es ist das Geben von Dir
selbst an die Erde. An diejenigen, die sie bewohnen. Wir bieten uns selbst an. Wir bringen
unsere Leben dar. Mit jedem Geschenk, das Du erhältst, gewinnst Du mehr zum
Zurückgeben und der Kreislauf der Fülle setzt sich fort“ (Lane & Samuels 2000: 2627).56 Federn können auch als Geschenke von Leuten kommen. Dies lehrt das Individuum,
Menschen als einen gleichwertigen Teil der Natur zu sehen. Andrew Thomas von den
Navajo-Indianern unterstreicht die extrem hohe Wertschätzung für Federn, die als
Geschenk von jemandem kommen: „Du kannst gesegnete Federn jemandem weitergeben,
und dies ist so ziemlich das höchste Geschenk, das Du je von einem amerikanischen
Ureinwohner bekommen kannst. Du hast Geld und so weiter, aber es gibt keinen Vergleich
zu einer Feder“ (Tuchman 1994: 18). Mit der wachsenden Sammlung aus Federn wächst
das Individuum auch in den Qualitäten der vierten Bewusstseinsebene, auf der die gesamte
Natur als lebendig wahrgenommen wird.
Wunsch-erfüllende Federn
Es ist interessant, dass die Pfeile der Indianer und Inder gewöhnlich mit Federn an den
Seiten versehen sind. Diese Federn agieren als stabilisierende Flügel, um die Präzision der
56
In alten Zeiten haben die Indianer keine Vögel getötet, um an ihre Federn zu gelangen. Sie sammelten
Federn, welche die Vögel auf natürliche Weise während der Mauser verloren hatten. Manchmal brachten
die Vögel ihre eigenen Federn den Indianern als Geschenk. Zu späteren Zeiten, als das Leben weniger im
Einklang mit der Natur gelebt wurde, verloren manche Volksstämme ihre innige Beziehung zu den
Vögeln und machten sich daran, sie zu jagen, um ihnen die Federn auszurupfen, aber selbst dann töteten
sie nicht die Vögel. Die Pfeile, die sie zur Vogeljagd verwendeten, hatten stumpfe Enden, so dass der
Vogel durch sie vorübergehend bewusstlos gemacht wurde, ohne verletzt zu werden und ohne Blut zu
vergießen. In diesem bewusstlosen Zustand entnahmen die Indianer ein paar Federn, aber nie solche,
deren Fehlen den Flug des Vogels behindert hätten. Die Indianer waren sehr vorsichtig, kein Blut auf die
Federn zu vergießen, was diese befleckt hätte. Hätten die Indianer nicht die Leben der Vögel respektiert,
wären mehrere Vogelpopulationen vor mehreren Generationen ausgestorben (Dyckerhoff &
Völger (Hrst.) 1994: 66). Obwohl diese Verhaltensweise gegenüber den Vögeln als verantwortlich
bezeichnet werden kann – und damit teilweise die erste Definition des Lebens im Einklang mit der Natur
erfüllt – ist es fraglich, ob die Indianer selbst auf diese Weise behandelt hätten werden wollen, mit der sie
die Vögel behandelten. Es ist auch unklar, ob manche Indianer eine Gier für Federn entwickelten und
nicht davor zurückschreckten, Vögel um ihrer Federn willen zu töten. Solche Verhaltensweisen würden
nicht zum Wachstum der höchsten Bewusstseinsebene beitragen.
61
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Flugbahn57 und Zielgenauigkeit zu erhöhen (Deters et al 2004: 90). Die Eigenschaften
von Federn bei der Erhöhung der Kraft und Präzision eines Pfeils wird in indianischer
Kultur auf die Funktionsweise der Gedanken übertragen. Gedanken werden mit Pfeilen
verglichen. Wünsche sind Gedanken, die auf ein bestimmtes Ziel gerichtet sind. Indem den
Wünschen eine Feder angeheftet wird, wird dieser Wunsch sehr kraftvoll. Die Weise,
einem Wunsch eine Feder anzuheften, besteht darin, eine Feder in der Hand zu halten,
während der Wunsch gedacht wird. Ted Andrews erklärt: „Durch Federn können wir
lernen, unsere Wünsche wahr werden zu lassen. Sie ermächtigen unsere Gedanken, und
durch sie können wir die Natur anrufen, diese Verbindung für uns zu bestätigen“
(Andrews 2001: 97).
Die Wunsch-erfüllende Kraft von Federn wurde auch von Sea of Beauty Woman
bestätigt: „Federn werden als Platzhalter oder Brücken zwischen einem Wunsch und der
Erfüllung dieses Wunsches verwendet. Der erste Schritt ist, eine Absicht zu haben, dass
etwas im Leben eintreten möge. Die Feder wird dann als äußere Materialisierung dieses
inneren Wunsches gesehen – als ob dessen Erfüllung schon auf dem Weg ist. Die Feder
verstärkt dadurch die eigene Absicht. Die Instanz, die zur Erfüllung des Wunsches
angerufen wird, liegt in einem selbst. Indem mit einer Feder in der äußeren Welt Kontakt
aufgenommen wird, wird Ordnung im Inneren geschaffen.“58 Letztendlich ist es also diese
Ordnung, welche die Feder im Inneren, im Gehirn erzeugt. Ordnung bewirkt die Erfüllung
des Wunsches. Wenn das Gehirn auf geordnetere Weise funktioniert, kommen die Ideen,
die zur Erfüllung des Wunsches nötig sind, auf ganz natürliche Weise. Jedoch kann nicht
jeder Wunsch erfüllt werden. „Dein Wunsch [...] muss in Harmonie mit den Wünschen
derjenigen sein, deren Macht Du ausleihst“ (Lane & Samuels 2000: 116). Die
Wunsch-erfüllende Kraft von Federn kann von Indianern dafür verwendet werden, sich
mehr Federn zu wünschen, damit sie im Bewusstsein fortdauernd wachsen können. Für die
Azteken waren Federn anscheinend so wichtig als Wunsch-erfüllende Instumente, dass die
Handhabung von Federn einen Kern ihrer Kultur bildete. Nur wenigen Azteken kam das
Privileg zu, mit Federn zu arbeiten. Diese Federarbeiter hatten eine angesehene Stellung in
der Gesellschaft. Abbildung 3 zeigt einen Aztekischen Federarbeiter, der eine riesige Feder
auf einem Brett befestigt auf ähnliche Weise, wie es Federsammler heute tun. Es ist
wahrscheinlich, dass die Federn in dieser Darstellung überdimensioniert sind, um ihre
Wichtigkeit zu unterstreichen.
57
Dr. Armin Wagner am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik wies darauf hin, dass ohne
diese Federn die Pfeile nicht in der Lage wären zu fliegen: Sie würden spiralförmig zu Boden taumeln.
(Persönliche Diskussion am 31. Juli 2007).
58
Interview am 22. Juli 2007.
62
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Abbildung 10: Aztekischer Federarbeiter beim Befestigen einer riesigen Feder auf einem
Brett in einer traditionellen Zeremonie. Für die Azteken waren Federn von so hohem Wert,
dass sie einen Kern ihrer Gesellschaft bildeten. Es ist wahrscheinlich, dass die Federn in
dieser Darstellung überdimensioniert sind, um ihre Wichtigkeit zu betonen59 (Bildquelle:
Krull 1996: 38, Farbe verändert).
Der Adler-Tanz
Durch das beständige Streben nach mehr Federn hat das Individuum irgendwann genügend
Adlerfedern angesammelt, um einen Adler-Tanz auszuführen. Für den Adler-Tanz
befestigt ein Indianer die Schwungfedern eines Steinadlers (Aquila chrysaetos) an den
Armen in anatomisch korrekter Reihenfolge und bewegt die Arme wie Flügel auf und ab,
um das Bewusstsein auszudehnen und sich mit dem Adler zu identifizieren (siehe Abb. 4).
Diese Identifikation findet durch den Adler als Spirit-Tier im Inneren statt. „Adler fliegt
zur Sonne: Er verkörpert Erleuchtung und zeigt Dich in Deinem hellsten Licht. [...] Adler
handelt von Erleuchtung, davon, für immer in Klarheit und Licht zu sehen“ (Lane &
59
Die letzte Vogelart mit Federn solcher Größe war Argentavis magnificens. Sie lebte vor über 6 Millionen
Jahren in den Anden und hatte eine Flügelspannweite von sieben Metern (Palmqvist & Vizcaino
2003).
63
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Samuels 2000:186-187). Der Adler-Tanz ist deshalb ein Meilenstein auf dem Weg des
Individuums zur Identifikation mit der Gefiederten Sonne.
Abbildung 11: Adler-Tanz von Kindern. In diesem Tanz werden die Schwungfedern eines
Steinadlers (Aquila chrysaetos) an den Armen in anatomisch korrekter Reihenfolge befestigt
und wie Flügel bewegt, um das Bewusstsein auszudehnen und sich mit dem Adler zu
identifizieren. (Bildquelle: Tuchman 1994: 25).
64
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Der Adler-Tanz ist nicht eine menschliche Erfindung. Der Adler selbst tanzt. Steve
Ulicny berichtete von einer solchen Erfahrung mit einem majestätischen Steinadler in
einer entlegenen Gegend der Vereinigten Staaten von Amerika, südlich von Bear Butte,
South Dakota. Er beobachtete den Adler für eine Weile, wie er in Kreisen hoch am
Himmel flog und empfand große Bewunderung für ihn. Der mächtige wilde Adler kam
dann vom Himmel hinunter und setzte sich auf eine Schotterstraße in ansehnlicher Distanz
von ihm. Was dann folgte, war äußerst spektakulär: Der Adler führte auf der Straße einen
Tanz auf, indem er artistisch seine Füße, Flügel und Schwanz bewegte und sich im Kreise
drehte. Der Tanz dauerte drei oder vier Minuten. Der Adler schaute Ulicny dabei die
ganze Zeit aufmerksam an, als ob er sagen wollte: „Nun gib Acht auf alles, was ich tue,
und fühl es in Deinem Herzen.“ Ulicny sagte, er war vollkommen von Ehrfurcht
ergriffen und seine Aufmerksamkeit wurde auf jede kleinste Bewegung diese großen
Vogels gelenkt. Schließlich hob der Adler seinen Kopf und schaute hinüber, als ob er
Beifall erbeten würde, und dann hob er wieder ab.60
61
Solche Erfahrungen sind nicht
ungewöhnlich bei den Indianern, und es ist wahrscheinlich, dass sie der Adler-Tanz durch
die Imitation des tanzenden Vogels abgeleitet wurde.
Die Gefiederte Sonne
Die Indianer Nord-Amerikas streben danach, eins zu werden mit der Gefiederten Sonne.
Die Gefiederte Sonne ist eine Symbiose aus dem Adler und der Sonne. Die Indianer sehen
jeden Strahl der Sonne als eine Adlerfeder. Indem sie Adlerfedern, genauer gesagt Federn
des Steinadlers, in einem Kreis um den Kopf anordnen, wird der Träger in die Gefiederte
Sonne verwandelt. Diese Verwandlung geschieht in ihrem oder seinem Bewusstsein. Wer
immer eine Krone aus Adlerfedern trägt, wird mit der Gefiederten Sonne identifiziert.62
Ihre Stattlichkeit und Pracht suggeriert königliche Würde – die Ausstrahlung sowohl eines
60
Persönliche Erfahrung, die im Mai 2002 mitgeteilt wurde.
Als Peter Becker, ein deutscher Ornithologe, diesen Bericht hörte, erklärte er aus objektiver
Perspektive, dass vielleicht etwas Essbares auf der Straße lag, was die Aufmerksamkeit des Adlers auf
sich zog. (Persönliche Diskussion am 28. Oktober 2006).
62
Albert White Hat von den Sioux-Indianern bemerkte, dass Federkronen oft fälschlicherweise mit Krieg
assoziiert wurden. „Ich möchte eine andere Irrmeinung erwähnen, die manche Anthropologen haben. Sie
nennen die Federhaube, welche die Häuptlinge tragen, eine ‚Kriegshaube’. Dies ist eine falsche
Beschreibung davon. Ich denke, dass der Titel ‚Kriegshaube’ in Wirklichkeit von Hollywood kommt.“
(Tuchman 1994: 70-72). [Das Verb ‚kriegen’ bedeutet auf deutsch so viel wie ‚bekommen’ oder
‚erlangen’ hat nichts mit Blutvergießen zu tun. Erlangen kann man etwas z. B. durch Kompetenz und
Tugend. – Anm. d. Hrsg.]
61
65
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Helden als auch eines Weisen. Traditionellerweise musste jede Feder in der Sonnenkrone
gewonnen und verdient werden.63. „[D]ie Identifikation des Menschen mit der Sonne
umfasst einen heldenhaften Aspekt, er schließt einen mannigfaltigen Sieg über Illusion
ein“ (Schuon 1990: 164-165).
Die Gefiederde Sonne der Indianer hat 40 Strahlen, die nach rechts gewinkelt sind, um die
Dynamik der Ausbreitung des Lichtes anzudeuten. Die Inder Süd-Asiens kennen ein
vereinfachtes Symbol für die Sonne mit nur vier gewinkelten Sonnenstrahlen. Dieses ist
unter dem Namen Swastika bekannt. ‚Swa’ ist das Selbst, folglich wird auch von den
Indern eine Selbst-Identifikation mit der Sonne angestrebt.
Abbildung 12: Die Gefiederte Sonne. In diesem Emblem ist die Sonne aus konzentrischen
Kreisen, die aus stilisierten Federn des Steinadlers geformt werden, zusammengesetzt. Der
äußere Kreis hat 40 Strahlen.64 Jede Feder ist in zwei Teile gegliedert, den inneren (‚Seele’)
und den äußeren (Strahl). Die gewinkelten Fortsätze an den Spitzen repräsentieren Fransen
aus Pferdehaar, die den Federspitzen angeheftet werden, und die dynamische Bewegung der
Strahlen, die sich in alle Richtungen ausdehnen, zu verdeutlichen. (Bildquelle: Fitzgerald
& Fitzgerald (Hrsg.) 2006: 50).
63
64
Federn können beispielsweise verdient werden, indem ein Akt von Tapferkeit bewiesen wird durch die
Hilfe bei einem Unglücksfall in der Gemeinschaft in der modernen Zeit. In alten Zeiten geschah das
Verdienen von Federn, indem man jemanden oder etwas gerettet hat, das einen echten Akt von Tapferkeit
darstellte. „Du musstest in einem Rat Platz nehmen und die Geschichte erzählen, was Du vollbracht hast.
Der Rat hörte zu, wie Du Deine Angst überwunden hast und in den Ort von „Dies ist ein guter Tag zum
Sterben“ vorgedrungen bist. Und, wenn jemand in diesen Ort vordringt, sind sie natürlich unbesiegbar“
(Tuchman 1994: 49).
Es wird Vedischen Gelehrten überlassen, weitere Verbindungen zwischen indianischer Kultur und
indischer Kultur zu suchen. Für sie könnte die Zahl 40 von besonderer Bedeutung sein.
66
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Abbildung 13: Sonnenkrone der Indianer Nord-Amerikas aus Federn des Steinadlers (Aquila
chrysaetos). Der abgebildete Feder Führer ist White Whirlwind von den Oglala-LakotaIndianern. (Bildquelle: Fitzgerald & Fitzgerald (Hrsg.) 2006: 23).
Die Indianer in Süd-Amerika haben die gleiche Assoziation von Federn mit der Sonne.
Von der ersten Federkrone, die von Maira, dem Begründer indianischer Kultur in SüdAmerika, überbracht wurde, wird gesagt, sie sei in einer Weise zusammengesetzt gewesen,
dass Flammen aus ihr hinaus schossen, obwohl sie so aussah, als sei sie aus Federn
gemacht. Dies ist in Übereinstimmung mit der Sichtweise der Urubú-Ka’apor-Indianer, die
davon ausgingen, dass die Federkrone ein Symbol der Sonnenscheibe sei. Tatsächlich wird
diese Sichtweise von Indianern auf dem ganzen Kontinent geteilt – von den TukanoIndianern, den Arekuna-Indianern, den Paressi-Indianern, den Bororo-Indianern, und den
Bakairi-Indianern. Die Federkrone verwandelt ihren Träger in einen Repräsentanten der
Sonne. Maira wird von den Indianern mit der Sonne gleich gesetzt. Indem jemand eine
Federkrone trägt, wird er oder sie mit Maira identifiziert – mit der Sonne. In ihrer
Sichtweise wird ein Mensch erst durch das Tragen einer Federkrone vollkommen
(Dyckerhoff & Völger (Hrsg.) 1994: 57).
Die Sonne als Haupt-Lebensspender
67
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Woran liegt es, dass Indianer so viel Wert auf ihre Identifikation mit der Gefiederten
Sonne legen? Ein Mitglied der Lakota-Indianer legt die Wichtigkeit der Sonne dar, was
erklärt, warum die Indianer sie als elementare Lebenskraft mit Federn verehren. Er
erläutert auch, wie aus indianischer Sichtweise die Wechselwirkung zwischen Sonne und
Erde den Wasserkreislauf hervorbringt. „Alle Lebewesen und alle Pflanzen leiten ihr
Leben von der Sonne ab. Wenn es die Sonne nicht gäbe, wäre da Dunkelheit und nichts
könnte wachsen – die Erde wäre ohne Leben. Dennoch muss die Sonne die Hilfe der Erde
bekommen. Wenn die Sonne allein auf die Tiere und Pflanzen einwirken würde, wäre die
Hitze so groß, dass sie sterben würden, aber es gibt Wolken, die Regen bringen, und die
Wirkungsweise von der Sonne und Erde zusammen liefern die Feuchtigkeit, die für das
Leben gebraucht wird. [...] Dies ist im Einklang mit den Gesetzen der Natur [...]“
(Fitzgerald & Fitzgerald (Hrsg.) 2006: 105). Durch die Identifizierung mit der
Gefiederten Sonne durch das Tragen einer Krone aus Federn – einer Sonnenkrone –
entwickelt das Individuum deshalb die Qualitäten des Selbst-als-Lebensspender und eines
Fürsorgers allen Lebens auf der Erde. Dies sind genau die Eigenschaften der vierten
Bewusstseinsebene, wie in den letzten Kapiteln ausgeführt wurde.
68
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Abbildung 14: Sonnenkrone von Indianern in Süd-Amerika aus Federn des Ararauna (Ara
ararauna) mit leuchtend goldenen Unterseiten und Federn des Hellroten Ara (Ara macao)
mit flammenähnlichen roten Unterseiten. Der abgebildete Feder Führer Haru Xynã
Kontanawa von der Kontanawa-Nation im süd-westlichen Amazonas. (Bildquelle: WeltFeder-Rat, fotografiert während der 9. Konferenz der Vereinten Nationen über die
Konvention zur biologischen Vielfalt, Mai 2008, Bonn, Deutschland).
69
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Der Sonnentanz
Der Sonnentanz feiert und konsolidiert das Erreichen der vierten Bewusstseinsebene. In
dem Sonnentanz verwandelt sich der Mensch spirituell in einen Adler, der höher und höher
in den Himmel fliegt und mit den Strahlen der lebensspendenden Sonne identifiziert wird
(Schuon 1990: 100). „Der Tänzer in diesem Ritus ist wie ein Adler, der in Richtung
Sonne fliegt: Mit einer Flöte aus Adlerknochen erzeugt er einen schrillen und klagenden
Klang, während er den Flug des Adlers in bestimmter Weise imitiert und dabei Federn
verwendet, die er in seiner Hand trägt. Diese als ob sakramentale Beziehung mit der Sonne
hinterlässt einen unauslöschlichen Eindruck in der Seele“ (Schuon 1990: 34). Warum
ist dem so? Weil die Indianer davon ausgehen, dass „[d]ie Sonne unser makroskopisches
Herz [ist], das Herz ist die Sonne unseres Mikrokosmos; durch die Kenntnis der Sonne –
durch ihre tiefgründige Kenntnis – erkennen wir uns selbst“ (Schuon 1990: 91). Dies
bedeutet, die Indianer nehmen die Gefiederte Sonne als ihr alter ego wahr. Der
Sonnentanz, zusammen mit anderen Tänzen, hilft allen Indianern, ihnen ein Sinn davon zu
geben, was sie als Volk sind. Sie erinnern auch Kinder und Erwachsene daran, was ihre
Beziehung zur Sonne und Erde sein sollte.
Im Wesentlichen hat der Sonnentanz zwei Bedeutungen, eine äußere und eine innere:
Erstere veränderlich, letztere unveränderlich. Die mehr oder weniger äußere Absicht des
Tanzes kann ein persönliches Gelöbnis sein oder ein Wunsch, die Welt zu erneuern. Die
innere Absicht ist, mit der Sonnenkraft vereint zu sein, eine Verbindung zwischen der
Sonne und dem Herzen herzustellen. Der zentrale Punkt des Tanzes ist ein Baum. „Der
Baum ist die Präsenz – notwendigerweise senkrecht – der Himmlischen Höhe über der
irdischen Ebene. Er ist es, der den Kontakt, sowohl aufopfernd als auch besinnlich, mit der
Sonne ermöglicht“ (Schuon 1990: 97). Der Sonnentanz dauert ununterbrochene vier
Tage an, während dessen der Tänzer sich in sengender Hitze auf alles Trinken verzichten
muss, während die vorgeschriebenen Bewegungen für Stunden über Stunden ausgeführt
werden. Der Sonnentanz ist vorgesehen, ein permanenter innerer Tanz zu werden. Hat der
Kontakt mit der Gefiederten Sonne einmal statt gefunden, bleibt eine unlöschbare Spur im
Herzen. Die Schwelle zwischen gewöhnlichem Bewusstsein und der Gefiederten Sonne
wird überwunden und das Individuum lebt hiernach unter einem anderen Zeichen und in
einer anderen Dimension (Schuon 1990: 99): Sie oder er ist ein Feder Führer geworden.
70
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Nah Kin – Die Mutter der Sonne
Nährender noch als die männliche Kraft der Sonne ist die die weibliche Kraft, die sie
gebiert. Diese wird von den Mayas in Mexiko besonders verehrt. Die Maya-Priesterin Nay
Kin ist nach ihr benannt – ihr Name bedeutet ‚Mutter der Sonne’. Ihre Botschaft an alle
Frauen lautet: „Lebe die Göttin in Dir!“ (Kin 2009). Was die ‚Mutter der Sonne’ über
Federn zu sagen hat, übertrifft an Klarheit und Wertschätzung die Aussagen vieler ihrer
männlichen Kollegen aus indigenen Kulturen: „Federn symbolisieren immer den Großen
Spirit, denn die Federn fliegen im Wind. Sie zeigen uns die Ausdehnung unseres Seins, die
Rückkehr zu unserem Ursprung – einem göttlichen Ursprung. Deshalb repräsentieren die
Federn immer den Großen Geist” (Von Linde 2005).
Abbildung 15: Die Maya-Priesterin Nah Kin wird ‚Mutter der Sonne’ genannt. Sie arbeitet
mit einem Zepter aus Federn des Andenkondors (Vultur gryphus).
Quetzalcoatl – Die Gefiederte Schlange
In vielen Überlieferungen der indigenen Völker Mittel-Amerikas ist die Rede von einer
Schlange, die Federn am Kopf trägt – Die Gefiederte Schlange. Bei den Azteken und
Tolteken wird sie Quetzalcoatl genannt, bei anderen Völkern heisst sie Kukulkan. „[Die
71
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Gefiederte Schlange] symbolisiert die Doppelnatur des Göttlichen: Die Federn die
lichtvolle Seite des schöpferische väterlichen Geistes, und die Schlange das Dunkle, den
fruchtbaren Urschoß der Erde” (Von Linde 2005).
Im Laufe der Zeit gehen der Schlange die Federn verloren, und damit verliert sie die
lichtvolle Kraft des Spirit. Die dunklen Erdkräfte gewinnen Überhand. Francisco
Ouiroga aus Kolumbien erinnert sich an einige Worte, die ihm seine Ahnen mitgaben:
“Sohn, gehe zu Deinen Leuten und sage ihnen: “Es ist an der Zeit, die Schlange zu
befiedern und den Flug der Freiheit zu beginnen.” […].” Die Mutter Erde braucht ihre
Kämpfer, die spirituellen Krieger, die täglich an ihrer geistigen Entwicklung arbeiten. Ich
freue mich über die Herzen, die sich alle der Liebe zugewandt haben. Dies ist der einzige
Weg, unsere Mutter, die Erde, zu würdigen” (Von Linde 2005).
Abbildung 16: Die Gefiederte Schlange – hier ein Relief in den Pyramiden von Teotihuacan
– trägt eine Krone aus Federn, die ihr die lichtvolle Kraft des Spirit verleihen. Wenn die
Federn verloren gehen, dominieren die dunklen Kräfte der Schlange. Heute ist es an der
Zeit, die Schlange wieder zu befiedern.
72
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
6. Der Feder Führer
Definition von ‚Feder Führer’
Ein Zitat von Albert White Hat von den Sioux-Indianern soll den Zusammenhang
zwischen Führerschaft und Federn zu Beginn dieses Kapitels verdeutlichen: „Wenn ein
Mann die Führungsposition erlangt, werden ihm diese Federn gegeben, weil sie seine
Tugenden von Großzügigkeit, Stärke, Mut repräsentieren, und weil er das Alter der
Weisheit erreicht hat“ (Tuchman 1994: 70-72). Im Leben eines Feder Führers hat der
Große Spirit die Führerschaft übernommen.
Der Titel dieser Arbeit ‚Der Feder Führer’ steht im Genitiv. ‚Der Feder Führer’ ist eine
poetische Formulierung von ‚Führer der Feder’. ‚Führer’ kann sowohl Singular als auch
Plural sein. Der Titel kann also sowohl ‚Der Führer der Feder’ als auch ‚Die Führer der
Feder’ bedeuten. Mit dem Singular ist der Große Spirit gemeint, der Feder führt, während
im Plural die Menschen gemeint sind, die durch Federn mit der Führung des Großen Spirit
in Kontakt stehen.
Der Begriff ‚Feder Führer’ ist ein Neologismus, von dem noch in keinem bekannten
Wörterbuch eine Definition abgedruckt ist. Er ist eine Personifizierung und logische
Ableitung aus dem existierenden Adjektiv ‚federführend’65 und dem existierenden
Substantiv
‚Federführung’.
‚Federführung’
heißt
Spitzen-Management,
Entscheidungshoheit und Schirmherrschaft, während ‚federführend’ wo viel wie
verantwortlich bedeutet und sich auf den klugen Kopf hinter einem Projekt bezieht.66
‚Der Feder Führer’ ist der Genitiv in poetischer Kurzform von ‚Führer der Feder’. ‚Führer’
kann sowohl für Singular als auch für Plural stehen. Im Titel dieses Dokumentes sind ‚Die
Führer der Feder’ im Plural gemeint.
Das zusammengesetzte Verb ‚Feder führen’ findet sich in deutschen Wörterbüchern, auch
Online-Wörterbüchern, bisher nicht in kleingeschriebener zusammengesetzter Form wie
etwa ‚autofahren’ oder ‚schlittschuhlaufen’. Deshalb dürfte auch für die personifiziertsubstantivierte Form des Verbes ‚Feder führen’ eine getrennte Schreibweise der beiden
Worte zulässig sein, also ‚Feder Führer’ im wörtlichen Sinne für ‚Führer der Feder’.
65
Genau genommen ist der Begriff ‘federführend’ das Partizip Präsens des zusammengesetzten Verbs
‘federführen’, welches in Wörterbüchern nicht in dieser Form existiert. Dieses Verb wird jedoch von
Thomas Dürr verwendet und konjugiert. Die Bedeutung des Verbes ‚federführen’ ist weiter unten
erklärt.
66
Übersetzungen basieren auf dem Online-Wörterbuch der LEO GmbH, http://dict.leo.org
73
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
‘Feder Führer’ ist aus ‚Feder’ und ‚Führer’ zusammengesetzt. ‚Feder’ hat drei
Bedeutungen. Die gewöhnlichste ist die der Vogelfeder. Die zweite Bedeutung von ‚Feder’
ist eine Metallfeder. Vermutlich hat die elastische Natur der Vogelfeder auch zum Namen
der Metallfeder beigetragen. Sowohl Metallfedern als auch Vogelfedern dienen als
Schockabsorber67 und Kissen. Die besänftigende Funktion von Federn wird in dem Verb
„federn“ wiedergegeben.68 Die dritte Bedeutung von Federn ist eine hölzerne Feder, die in
dem Nut-und-Feder-System im Holzbau verwendet wird. Die hölzerne Feder des einen
Holzbauteils ist dabei auf solche Weise geformt, dass sie präzise in die Nut eines zweiten
Bauteils passt, ähnlich wie eine Vogelfeder präzise in die für sie vorgesehene Hauttasche
eines Vogels passt. So lässt sich sagen, dass alle drei Bedeutungen von ‚Feder’ von Vögeln
abgeleitet sind.
Das Wort ‚Führer’ ist durch die deutsche Geschichte mit einem totalitären,
undemokratischen und gewalttätigen Menschenbild vorbelastet. Wird diese Vorbelastung
von dem Wort gelöst, so kann ein Führer im Sinne eines Feder Führers als Vorbild,
Pfadfinder oder Orientierungshilfe verstanden werden. Der Obertitel der Arbeit „Die Feder
führt“ bedeutet, dass der Feder Führer seinerseits durch die Feder geführt wird, die
ihrerseits wiederum ein Strahl in der Gefiederten Sonne ist.
Der Ausdruck ‚Feder Führer’ ist als linguistischer Rahmen zu verstehen, um die vierte
Bewusstseinsebene begreifbar zu machen – die Ebene eines Fürsorgers und
Lebensspenders – auf welcher die Indianer angelangt sind, indem sie dem Weg der Feder
folgen, der den gesamten Lebensverlauf von der Feder-Initiation bis zur individuellen
Identifikation mit der Gefiederten Sonne durch das Tragen einer Sonnenkrone aus Federn
umfasst.
Tabelle 2: Definition von ‚Federführer’ im Projektmanagement nach Heimbold (2007: 73).
Die drei Dimensionen eines Feder Führers
67
Einer der größten Hersteller von Schockabsorbern für Autos ist nach dem Engel Gabriel benannt (siehe
www.gabriel.com). Von Engel wird oft gesagt, sie haben eine besänftigende Funktion.
68
In der Grafik-Industrie bedeutet das Verb ‚federn’, sanfte Kanten und Übergänge von grafischen Objekten
zu schaffen, beispielsweise in der Software Adobe Photoshop. Passenderweise wurde als Logo für
Version CS2 dieser Software eine Vogelfeder gewählt.
74
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Feder Führer repräsentiert eine 3-in-1-Struktur aus Autorschaft, Autorität und
Authentizität. Autorschaft ist der stille, sich selbst beobachtende Aspekt des Denkens und
Schreibens. Autorität ist der dynamische Aspekt der Handlung. Und Authentizität ist der
materielle Aspekt der materielle Aspekt des Genießens der Früchte erfolgreichen
Handelns. Diese drei Dimensionen eines Feder Führers können erklärt werden, indem auf
die universelle Bedeutung von Federn nicht nur in indianischen Gesellschaften, sondern
auch in anderen Gesellschaften, zurückgegriffen wird:
1) Autorschaft der Feder:
– Federn (genauer: deren Kiele) können zum Schreiben verwendet werden. Sie sind
eines der ältesten Schreibinstrumente. Moderne Schreibinstrumente sind nach der
Feder entworfen. Das Wort ‚Füllfeder’ leitet sich direkt von ‚Feder’ ab.
– Da jede Feder von ausreichender Größe potentiell als Schreibinstrument
verwendet werden kann, enthält jede Feder eine latente Botschaft der Natur. Einer
der Namen für den hohlen unteren Teil der Feder – jener Teil, der beim Schreiben
die Tinte hält – ist ‚Seele’. Die Seele (auch Spule genannt) an der Basis der Feder
ist transparent, und in dieser transparenten Seele sind alle manifesten
Ausdrucksformen der Feder vereint – der Schaft, die Äste und die tausenden von
Strahlen – stellvertretend für den individuellen Geist mit seinen vielen Ästen und
tausenden von Gedanken. Es ist diese Seele der Feder, von der gesagt werden kann,
dass sie die Botschaft der Feder in sich trägt.69 Die Symbiose einer Feder mit dem
Geist des Autors entschlüsselt diese Botschaft. Für diese mentale Verbindung ist es
nicht notwendig, die Feder physisch zum Schreiben zu einzusetzen, denn die
Übertragung der Botschaft kann rein im Geiste stattfinden.
– Wird eine Feder als Schreibinstrument verwendet, fließt die Tinte durch den Kiel
zu der feinen Spitze. Erst dann, wenn die Tinte den Punkt an der Spitze passiert hat,
fließt sie auf das Papier und überträgt Wissen. So ist es das Transzendieren des
feinsten Punktes (oder Null-Punktes) der Feder, das alles Wissen und alle Führung
hervorbringt.70
69
Die ‚Seele’ einer Feder ist meistens transparent oder nahezu transparent. Transparenz ist liegt
Unsichtbarkeit am nächsten. Unsichtbarkeit ist nicht nur eine Qualität der Feder-Seele, sonder auch der
Seelen von Menschen, Tieren, Pflanzen und besonderen Orten – jener Teil ihrer Persönlichkeit, der über
die sichtbare Lichtfrequenz hinausragt.
70
Dieser Beitrag kommt von Merin Glazier (persönlicher Schriftwechsel, Mai 2007).
75
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
– Der Bayrische Autor Ludwig Thomas (1867-1921) war bekannt für „seine
spitze Feder“.71 Was damit gemeint ist, ist die Präzision der Worte, die dem NullPunkt seiner (Füll-)Feder entsprangen.
– Der Redeweise, dass ein bestimmter Text „aus jemandes Feder stammt“, bezieht
sich auf den kreativen Schreibvorgang – den kognitiven Raum des Autors. Es ist
nicht die Hand, die den Stift oder die Feder führt, sondern das Bewusstsein – im
Idealfall die vierte Bewusstseinebene.
– Der deutsche Sänger Thomas Dürr verwendet in seinem Lied Liebesbrief den
Ausdruck “Was tief in mir schlief führt nun Feder und schreibt Dir diesen
Liebesbrief” (Dürr 2000). Seine Worte geben eine klare Definition des
lebendigen Führers hinter der Feder: Es ist die vierte Bewusstseinsebene, die in
ihrer eigenen Wirklichkeit erwacht und dann die Feder führt, um Worte der Liebe
niederzuschreiben.
– Schließlich und als Zusammenfassung der Autorschaft der Feder verleihen
Federn einem Autor individuelle Identität, was auch in der französischen
Übersetzung für ‚Künstlername’, ‚nom de plume’ (wörtlich: ‚Federname’) zum
Ausdruck kommt.
2) Autorität der Feder:
– Federn werden seit langem als Instrumente der Macht verwendet – sanfte Mache
(soft power).72 Wie in dem vorangegangenen Abschnitt erläutert wurde, tragen
Indianerhäuptlinge in ganz Nord- und Südamerika Kronen aus Federn. Die
Federkrone erweitert die Identität ihres Trägers, um Entscheidungen im Einklang
mit der Natur zu fällen. Diese Entscheidungen werden durch das Herz getroffen,
wie eine weise Frau der Apachen-Indianer sagte: „Betrachte den Kiel als den Weg
des Herzens und den gefiederten Teil, all die Äste, die vom Kiel abzweigen, als
Entscheidungen im Leben, die wir während unserer Reise fällen“(Tuchman
1994: 38). Bei der Anordnung von Federn in einer Krone ist es die Seele der Feder
(siehe oben), die den Kopf des Feder Führers berührt um seine Weisheit
freizusetzen.
– Eine der Übersetzungen von ‚Feder’ auf französisch ist ‘ressort’73, dessen
deutsches Äquivalent ‚Ressort’ ist. Ein Ressort ist eine Abteilung, ein
Zuständigkeits- und/oder Verantwortungsbereich. Das griechische Äquivalent ist
‘ægis’ und das lateinische Äquivalent ist ‘pax’. Der Ausdruck ‘ægis’ kommt
71
72
73
Interview mit Gerd Thumser, Biograf, im Rundschau-Magazin des Bayrischen Rundfunks, 21. März
2007, 21:15 Uhr).
Das Adjektiv ‚fedrig’ ist ein Synonym für ‚sanft’ oder ‚zart’. Für das Konzept von sanfter Macht (soft
power), siehe Nye (2004).
Die andere Übersetzung von ‚Feder’ auf französisch ist ‚plume’, was 1) Vogelfeder und 2) Schreibfeder
bedeutet.
76
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
ursprünglich von dem Namen des Schutzschildes von Zeus. ‘Pax’ ist ein
Einflussbereich des Friedens, in dem der Feder Führer einen schützenden Schirm
aufspannt. Die Qualität einer aegis oder eines Protektorates, das durch eine Feder
geschaffen wird, ist in dem Ausdruck “jemanden unter die Fittiche nehmen”
enthalten.74
– Innerhalb dieses Einflussbereiches des Friedens verwendet der Feder Führer die
Feder als ein Zepter. In seinem Lied König der Narren benutzt Thomas Dürr den
Ausdruck „lern oder stirb durch meine Feder“ (Dürr 2001a). Hier wird die Feder
symbolisch als Schwert des Wissens eingesetzt, welches Unwissenheit tötet.
– Macht umfasst die Dimension des Schutzes und der Verteidigung vor Aggression.
Federn werden von Indianern an Pfeilen als Leitruder eingesetzt, um die Pfeile in
ihrem Flug zu lenken. Die Zielgenauigkeit eines Pfeils hat dieser größtenteils den
Federn zu verdanken. Sie gleichen den Leitrudern auf modernen Raketen. Federn
haben auch die Eigenschaft, vor rauhem Wetter und Verletzungen zu schützen. So
gesehen strukturieren Federn ein Protektorat, welches sie für einen selbst oder für
andere Menschen schaffen. In seinem Lied Millionen Legionen verleiht Thomas
Dürr dem Protektorat von Federn eine Stimme: “Und dann erheb ich meine Feder
zum Schutz gegen den Schmerz, der vom Schlachtfeld der Liebe zu mir rüberdringt
[…]” (Dürr 2001b).
– Der englische Ausdruck ‚federalism’ (deutsch: Föderalismus) enthält ebenfalls
das Wort ‚Feder’. In einem sprachenübergreifenden Umfeld wie der Politik erklärt
dieser Ausdruck die Regierungsform eines Feder Führers: Eine kooperative Einheit
von souveränen administrativen Einheiten, die auf Geselligkeit basieren und unter
dem Schutzschirm eines Feder Führers, der das Kollektivbewusstsein aller
Einheiten verkörpert, vereinigt sind. Föderationen zeichnen sich durch eine
gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Finanzpolitik aus (Galtung 2000: 165).
– Verbunden mit der ersten Dimension (Autorschaft), aber mit mehr Betonung auf
der zweiten Dimension (Autorität), hat ein Feder Führer die Funktion eines
Vorsitzenden mit einem Auktionshammer (gavel holder), d. h. er oder sie hat das
letzte Wort in jeder wichtigen politischen Entscheidung.75
– Schließlich und als Zusammenfassung der Autorität der Feder verleihen Federn
Gruppen-Identität, wie in dem englischen Sprichwort “Birds of a feather flock
74
75
‘Fittich’ wird manchmal als Synonym für ‚Flügelfeder’ verwendet.
Nach Dr. Margret Johannsen am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik sind
‘federführende Staaten’ jene Staaten, die den Auktions-Hammer im Madrid-Friedensprozess innehaben,
der von den USA im Jahr 1991 eingeführt wurde. (Diskussion im Dezember 2006).
77
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
together”76 zum Ausdruck kommt. Dieses Sprichwort meint, dass Menschen, die
den gleichen Geist oder Spirit teilen, zueinander finden. Die Feder ist hier das
verbindende
Element
der
Gruppe
und
verkörpert
die
Geister
der
Gruppenmitglieder, die zusammen den Souverän schaffen.
Abbildung
17:
Das
bekannte
Übersetzungsprogramm
von
Google
(http://translate.google.com) übersetzte den Begriff ‚Federführer’ in die meisten Sprachen als
‚Gruppenleiter’ (English: group leader’, Französisch: ‚chef de groupe’, Norwegisch: ‚gruppeleder’, Spanisch: ‚líder de grupo’, Russisch: ‚Руководитель группы’, Türkisch: ‚grup lideri’).
Eine Gruppe von Menschen, die von jemandem geleitet wird, kann klein oder groß sein,
beispielsweise eine Firma oder eine ganze Nation. Die Feder Führer der indigenen Nationen
verkörpern die Rolle des Gruppenleiters geradezu perfekt und im wörtlichen Sinne: Sie sind
Leiter eines ganzen Volkes, also Federführer, und tragen deshalb Kronen aus Federn.
Das bekannte Übersetzungsprogramm von Google (http://translate.google.com) übersetzte
den Begriff ‚Federführer’ in die meisten Sprachen als ‚Gruppenleiter’ (English: ‚group
leader’, Französisch: ‚chef de groupe’, Norwegisch: ‚gruppe-leder’, Spanisch: ‚líder de
grupo’, Russisch: ‚Руководитель группы’, Türkisch: ‚grup lideri’). Eine Gruppe von
Menschen, die von jemandem geleitet wird, kann klein oder groß sein, beispielsweise eine
Firma oder eine ganze Nation. Die Feder Führer der indigenen Nationen verkörpern die
Rolle des Gruppenleiters geradezu perfekt und im wörtlichen Sinne: Sie sind Leiter eines
ganzen Volkes, also Federführer, und tragen deshalb Kronen aus Federn.
76
Das deutsche Äquivalent dazu ist: “Gleich und Gleich gesellt sich gern.”
78
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Interessanterweise verändert Google anscheinend von Zeit zu Zeit die ÜbersetzungsAlgorithmen: Während am 9. März 2009 die Übersetzung ‚group leader’ für das Wort
‚Federführer’ gültig war, wurde das gleiche Wort am 1. Juni 2009 lediglich noch mit
‚leader’ ins Englische übersetzt. Auch der Satz-Zusammenhang spielt bei der Übersetzung
eine Rolle. Wird dem Begriff ‚Federführer’ das Wort ‚jeder’ vorangestellt, so macht das
Übersetzungsprogramm von Google daraus im Englischen ‚any responsible leader’, was
auf deutsch ‚jeder verantwortliche Führer’ bedeutet. Interessanterweise wird durch diesen
kleinen Wortzusatz die Dimension der Verantwortung eines jeden Federführers
unterstrichen, welche das Tragen der Feder ihm überträgt. Analog wird das Partizip
Präsenz ‚federführend’ von Google als ‚responsible’ ins Englische übersetzt, was auf
deutsch ebenfalls ‚verantwortlich’ bedeutet. Auch hier steht genau wie in der
vorangegangenen Übersetzung die Übertragung von Verantwortung durch die Feder im
Vordergrund.
Wird das Wort ‚Federführer’ auf eine bestimmte geografische Region bezogen,
beispielsweise auf die Öko-Region Europa, Nordafrika und den Nahen Osten, die als WestPaläarktis bezeichnet wird, so übersetzt Google den Begriff in die Dimension eines
politischen Amtes: ‚Federführer’ wird zu ‚Responsible officer’, was auf deutsch
‚verantwortlicher Offizier’ heisst (siehe Abbildung ...). Der Ausdruck ‚Offizier’ ist ein
Dienstgrad im Militär. Der Verantwortungsbereich eines Offiziers wird ihm von seinem
Vorgesetzten zugeteilt. Ein Offizier, der die Verantwortung für die innere und äußere
Sicherheit eines so großen Gebietes wie ganz Europa, Nordafrika und den Nahen Osten
übernimmt, wird üblicherweise zum Status eines General-Offiziers oder Generals erhoben.
Ein General ist einzig und allein seinem Globalen Oberbefehlshaber Rechenschaft
schuldig.
Das Militär der Vereinigten Staaten von Amerika – der einzigen militärischen Macht auf
der Welt mit einer globalen Kommandozentrale – hat die Welt in 6 geografische Regionen
aufgeteilt, die ‚Areas Of Responsibility (AOF)’ – auf deutsch ‚Zuständigkeitsbereich’ oder
‚Region der Veranwortung’ – genannt werden. Diese 6 Regionen sind (US
Department of Defence 2009):
1) Nordamerika (U.S. North American Command, USNORTHCOM)
2) Südamerika (U.S. South American Command, USSOUTHCOM)
3) Europa und Nord-Asien (U.S. European Command, USEUCOM)
4) Afrika (U.S. African Command, USAFRICOM)
79
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
5) Der Mittlere Osten und Zentralasien (U.S. Central Command,
USCENTCOM)
6) Der Pazifische Raum und die Antarktis (U.S. Pacific Command,
USPACOM)
Die Verantwortung für jede der 6 Regionen wurde 6 Vier-Sterne-Generälen übertragen, die
vom Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten ernannt werden.77 Jeder dieser
Generäle kann als ‚Federführer’ der Streitkräfte für seine Region bezeichnet werden.
Abbildung 18: Wird dem Begriff ‚Federführer’ das Wort ‚jeder’ vorangestellt, so macht das
Übersetzungsprogramm von Google daraus im Englischen ‚any responsible leader’ – ‚jeder
verantwortliche Führer’. Interessanterweise wird durch diesen kleinen Wortzusatz die
Dimension der Verantwortung eines jeden Federführers unterstrichen, welche die Feder ihm
überträgt. (Quelle: http://translate.google.com, abgerufen am 9. März 2009).
77
Neben diesen 6 Generälen für geografische Regionen umfasst die globale Kommandozentrale des USamerikanischen Militärs (englisch: ‘Unified Combatant Command’, UCC) vier weitere Generäle für
funktionelle Aufgabenbereiche, die nicht an bestimmte geografische Regionen gebunden sind. Dies sind: 1)
U.S. Joint Forces Command, 2) U.S. Special Operations Command, 3) U.S. Transportation Command, 4)
U.S. Strategic Command (US Department of Defence 2009).
80
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Abbildung 19: Das Partizip Präsenz ‚federführend’ wird von Google als ‚responsible’ ins
Englische übersetzt, was auf deutsch ‚verantwortlich’ bedeutet. Auch hier steht genau wie in
der vorangegangenen Abbildung die Übertragung von Verantwortung durch die Feder im
Vordergrund. (Quelle: http://translate.google.com, abgerufen am 9. März 2009).
Abbildung 20: Wird das Wort ‚Federführer’ auf eine bestimmte geografische Region
bezogen, beispielsweise auf die Öko-Region Europa, Nordafrika und den Nahen Osten, so
übersetzt Google den Begriff in die Dimension eines politischen Amtes: ‚Federführer’ wird
zu ‚Responsible officer’, was auf deutsch ‚verantwortlicher Offizier’ heisst. (Quelle:
http://translate.google.com, abgerufen am 9. März 2009). Der Ausdruck ‚Offizier’ ist ein
Dienstgrad im Militär. Der Verantwortungsbereich eines Offiziers wird ihm von seinem
Vorgesetzten zugeteilt. Ein Offizier, der die Verantwortung für die innere und äußere
81
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Sicherheit eines so großen Gebietes wie ganz Europa, Nordafrika und den Nahen Osten
übernimmt, wird üblicherweise zum Status eines General-Offiziers oder Generals erhoben.
Er ist einzig und allein seinem Globalen Oberbefehlshaber Rechenschaft schuldig.
Abbildung 21: Das Militär der Vereinigten Staaten von Amerika, der einzigen militärischen
Macht auf der Welt mit einer globalen Kommandozentrale, hat die Welt in 6 Regionen
aufgeteilt und die Verantwortung für diese Regionen 6 Generälen übertragen, die vom
Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten ernannt werden. Jeder dieser Generäle kann
als ‚Federführer’ der Streitkräfte für seine Region bezeichnet werden. (Bildquelle:
www.wikipedia.org).
3) Authentizität der Feder:
– Wenn die stille Autorschaft der Feder (die erste Dimension eines Feder Führers)
erfolgreich in dynamische Handlung und Autorität umgesetzt wurde (die zweite
Dimension eines Feder Führers), ist das Resultat die Frucht der Handlung. Die
Frucht der Handlung eines Feder Führers ist ein Zuwachs an Federn. Dies wird in
der Dimension der Autorschaft durch den Wunsch nach mehr Federn sichergestellt
und in der Dimension der Autorität durch Entscheidungen im Einklang mit der
Natur. Solche Entscheidungen erhalten Lebensräume, in denen sich Vögel
vermehren können, und so wie die Vogelpopulationen mausern, werden ihre Federn
verfügbar, um mehr Menschen im Wachstum ihres Bewusstseins beizustehen.
– Ein Führer zur Bestimmung von Vogelfedern, entweder in Form einer Person oder
in Form eines Buches, ist ebenfalls ein Federführer. Busching verwendet den
Ausdruck ‚Federführer’ erstmals als Bezeichung für ein Bestimmungsbuch für
Federn. Als Federexperte weist er darauf hin, dass jeder Vogel über eine sehr
große
Vielzahl
von
Federtypen
verfügt
(Schwungfedern,
Steuerfedern,
82
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Deckfedern, Körperfedern und Daunen). „Somit muss ein solcher Federführer
dann die kompletten Sätze der Hand- und Armschwingen, Steuerfedern, die
Decken von Flügel und Steuer sowie die verschiedenen Typen der Körperfedern
beschreiben und das für jedes Kleid, ferner von juvenilen und adulten Exemplaren
jeder Art. Hinzu kämen noch Probleme der Variationsbreite. Dieses ergibt in
jedem Falle ein Mammutwerk“ (Busching (2005: 257).
Mit etwas Erfahrung ist es möglich, nicht nur die Vogelart zu bestimmen, von
welcher eine Feder stammt, sondern auch ihre genaue anatomische Position am
Körper. Auch ein indigener Feder Führer führt den ornithologisch Interessierten
durch die Diversität der Welt der Vögel, denn indigene Feder Führer kennen sich
hervorragend mit Vögeln aus.
– Das Museum Alexander Koenig in Bonn zeigt eine Dauerausstellung mit dem
Titel “Federführende Faszination”.78
79
Der Ausdruck ‘federführend’ bezieht sich
hier auf die ursprünglichen Führer von Federn: die Vögel. Vögel führen Federn an
ihrem Körper ständig mit sich. Deshalb sind Vögel angeborene Feder Führer im
wahren Sinne. Haru vom Welt-Feder-Rat sagt: „Vögel sind die wahren Könige“.80
– Schließlich und als Zusammenfassung der Authentizität der Feder verleihen
Federn jenen, die sie verwenden, die Fähigkeit zu fliegen.
Feder Führer können ‚fliegen’
Im indianischen Denken hat ein Feder Führer die Fähigkeit zu ‚fliegen’. Diese Fähigkeit
kommt durch ihre oder seine spirituelle Transformation in einen Vogel durch die
Verwendung von Federn. Die Bribri-Indianer sagen, „Vögel sind die Freunde und Spirits
von Menschen, weil sie fliegen können. Sie symbolisieren die Freiheit des menschlichen
Geistes, der unbegrenzt in alle Richtungen fliegen kann.“81 Während des Vorgangs der
Transformation in einen Vogel verlässt der Feder Führer seinen physischen Körper und
‚fliegt’ als Spirit wie ein Vogel durch das Universum.82 Hierin ist die Instrumentalität der
78
Siehe http://www.zfmk.de/web/Museum/Dauerausstellung/Vogelwelt/index.de.html
Das Verb ‚führen’ bedeutet nicht nur ‚anführen’, oder ‚steuern’, sondern auch ‚im Angebot haben’ (z. B. in
einem Laden) oder ‚mit sich tragen’.
80
Interview am 25. Mai 2005 in der Burg Eltz im Rheinland.
81
Interview im Juli 2002.
82
Von einer solche Erfahrung berichtet Pedro Ugalde aus Chicago, der in seinen Träumen zu mehreren
seiner Freunde in verschiedenen Teilen der Welt flog. Seine Wahrnehmung in diesen Träumen war die
eines Vogels: Er sah alles von oben, während er über dem Boden schwebte. Während einem dieser
79
83
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Feder explizit mit dem ‚Fliegen’ verbunden, und solche Assoziationen reichen zurück in
die Altsteinzeit. Durch das Tragen von Federn wird ein menschlicher Feder Führer
spirituell zu einem Vogel. Es ist nicht bloß eine Verkleidung, sondern eine wahre
Metamorphose: der Feder Führer oder die Feder Führerin wird zu einem Vogel (siehe
Dyckerhoff & Völger (Hrsg.) 1994: 58). Die weit verbreiteten Erzählungen von
Feder Führern über ihre „Besuche im Himmel“ demonstrieren den spirituellen
Hintergrund dieser Auffassung. Die Fähigkeit zu ‚fliegen’, um Krankheiten zu heilen und
deren Ursprung ausfindig zu machen wird von den Feder Führern der TupinambáIndianer, der Karajá-Indianer, der Wayana-Indianer, der Tapirapé-Indianer, und der UrubúKa’apor-Indianer berichtet (Dyckerhoff & Völger (Hrsg.) 1994: 58). Auch Tuwe
Hunikuin von den Hunikuin-Indianern, der unter den vier Feder Führern war, die an der
9. Vertragsstaaten-Konferenz zur Konvention über Biologische Vielfalt in Bonn
teilnahmen, berichtete auf der Pressekonferenz der Feder Führer am 23. Mai 2008 von
dieser Fähigkeit, durch das Universum zu ‚fliegen’ (CBD 2008b).
Feder Führer der Inder
Der prominenteste Feder Führer mythologischer Art im war Lord Krishna alten Indien,
der ca. 3000 v. Chr. gelebt haben soll. Er trug immer eine Pfauenfeder im Haar. Die
Oberschwanzdecken des männlichen Pfaus sind für ihre prächtigen ‚Augen’ bekannt. Das
‚Pfauenauge’ auf Krishnas Krone repräsentiert das Auge eines liebevollen Fürsorgers –
ein Auge, das alle und alles sieht, was Fürsorge braucht. Krishna war von Natur aus ein
Fürsorger des Waldes. Einmal brach ein Waldbrand nahe seiner Heimatstadt Vrindavan
aus, von dem viele Menschen und Tiere gefangen waren. Starke Winde ließen das Feuer
rasch verbreiten. Krishna löschte das Feuer und rettete die Leben von vielen
Stadtbewohnern. Er ging oft in den Wald, um auf seiner Bambusflöte zu spielen – zur
großen Freude der Pflanzen und wilden Tieren, die ihm aufmerksam zuhörten und
keinerlei Scheu vor ihm zeigten. Krishna war ein Pazifist: Er weigerte sich, Waffen
anzufassen und beschützte Tiere, indem er Vegetarismus propagierte. Er war auch für seine
Träume im Sommer 2003 besuchte er einen Bekannten auf der anderen Seite des Atlantiks. Er sah, wie
dieser auf einer Autobahn fuhr, die Schilder mit der Aufschrift ‚Hamburg’ zeigten, und wie dieser zu
einem Seminar über Holz ging. Beides war faktisch korrekt, obwohl Ugalde von niemandem wusste,
dass sein Bekannter nach Hamburg gezogen war und dort Holzwirtschaft studierte.
84
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
liebevolle Haltung gegenüber Menschen bekannt. Menschen, Tiere und Pflanzen waren
alle gleichermaßen Teil seines Selbst. Er war ein Fürsorger der Natur und eins mit ihr.83
Abbildung 22: Krishna war ein mythologischer Feder Führer aus Indien vor etwa 5000
Jahren. Er war bekannt als Fürsorger des Waldes und aller Menschen, die ihn umgaben.
Seine Federkrone besteht aus einer einzigen Feder. Diese Feder – eine Oberschwanzdecke
eines männlichen Pfaus (Pavo cristatus) – zeigt ein prächtiges ‚Auge’. Wird das Auge dieser
Feder über dem Kopf getragen, so ist es das Auge eines liebevollen Fürsorgers – ein Auge,
das die Bedürfnisse und Wünsche aller Lebewesen sieht, die es zu befriedigen und erfüllen
gilt. (Bildquelle: Nader 2000: 367).
83
Nach to Manik Bali, persönliches Gespräch, 12. Juli 2007.
85
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Feder Führer der Indianer
Es gibt heute nicht mehr viele Feder Führer, die alle oben aufgezählten Charakteristika
aufweisen. Seine Majestät Epe Awapa Lissandro von den Bribri-Indianern in Costa
Rica, Seine Majestät Tito Santana von den Naso-Indianern in Panama, Seine Majestät
Tashka Yawanawa von den Yawanawa-Indianern im Amazonas, Seine Majestät Haru
Kontanawa von den Kontanawa-Indianern, Seine Majestät Haji Manchineri von
den Manchineri-Indianern und Seine Majestät Tuwe Hunikuin von dern HunikuinIndianern, alle drei ebenfalls im Amazonas, sind Beispiele authentischer Feder Führer.
Gemäß den Bribri-Indianern ist jemand, der eine Krone aus Federn trägt, ein Großer Spirit.
Dies kann wahrlich von allen oben genannten Feder Führern gesagt werden. Sie sind sehr
bescheidene Männer mit großer Weisheit und Heilkraft, die ununterbrochen an das Wohl
ihrer Nationen und die Zukunft der Erde denken. Sie würden sich auch niemals selbst als
Könige bezeichnen – der Titel „Seine Majestät“ wurde ihnen von der Globalen Federation
Traditioneller Könige verliehen. Sie alle haben eine sehr hohe Wertschätzung für Federn.
Seine Majestät Haru Kontanawa bezeichnet Federn als „Antennen der Spiritualität“,
die ihm ermöglichen, Kontakt mit den Spirit-Tieren aufzunehmen. Und Seine Majestät Epe
Awapa Lissandro sagte: „Federn enthalten die Weisheit der Natur.“84
84
Interview im Juli 2002.
86
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Abbildung 23: Feder Führer sind Könige des Waldes. Im Bild zu sehen sind zwei Feder
Führer aus den Urwäldern Mittelamerikas während einer Vereinigungszeremonie mit ihren
Brüdern aus Indien im Juni 2002 in Puerto Viejo, Costa Rica. Die Schirme hinter ihnen
stellen die Pax oder Aegis dar, die durch ihre Federn geschaffen werden – ihre
Schirmherrschaft über den Wald und seine Bewohner.
Links: Seine Majestät Epe Awapa Lissandro von der Bribri-Nation in Costa Rica trägt eine
Krone, die aus zwei Steuerfedern eines Fasans (Phasianus spec.) und eine halb-verdeckte
Steuerfeder eines Truthuhns (Meleagris gallopavo). Der Fasan verkörpert in indianischem
Denken Familienfruchtbarkeit und heimische Sicherheit (Andrews 2001: 185). Das Tragen
von Fasanen-Federn stärkt die väterlichen Qualitäten dieses Feder Führers für seinen
gesamten Stamm. Der Truthahn ist ein Vogel des Waldes. Er hat eine lange Geschichte der
Assoziation mit Spiritualität und Verehrung der Erden-Mutter. Für die Indianer ist er ein
Symbol für all die Segen, die die Erde darbietet, zusammen mit der Fähigkeit, diese zu
größtem Vorteil zu verwenden (Andrews 2001: 199). Die Truthahn-Feder in der Krone
dieses Feder Führers macht ihn zu einem Hüter aller Wälder der Erde.
Rechts: Seine Majestät Tito Santana, Feder Führer der Naso-Indianer in Panama, mit einer
Federkrone aus Federn einer weiblichen Hokko-Art (Crax spec.), einer Steuerfeder einer
unbestimmten Greifvogelart (Ordnung Accipitriformes) und drei farbigen Federn eines
Amazonen-Papageis (Amazona spec.). Papageien werden von den Indianern als Vögel der
Sonne betrachtet. Wegen ihrer Fähigkeit, Menschen nachzuahmen, wird von ihnen gesagt,
sie seien Botschafter zwischen dem Königreich des Menschen und dem Königreich der
Vögel (Andrews 2001: 181). Durch das Tragen von Papageien-Federn entwickelt dieser
Feder Führer eine starke Fähigkeit, mit Vögeln zu kommunizieren. Die Greifvogel-Feder
verleiht visionäre Kraft und die Rolle eines Beschützers (Andrews 2001: 152), während
die Bedeutung des Hokkos, einem Vogel des Waldes, nicht bekannt ist. Diese Vogelfamilie
ist sehr bedroht durch Entwaldung. Es ist anzunehmen, dass der Feder Führer durch die
Wahl, eine Feder dieses seltenen Waldvogels zu tragen, die Verantwortung für den Schutz
seines Wald-Habitates übernimmt und zu einem Schutzpatron des Waldes wird. (Bildquelle:
Global Federation of Traditional Kings, fotografiert im Juni 2002 in Puerto Viejo, Costa Rica).
87
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Abbildung 24: Vier Feder Führer aus dem Amazonas halten eine Pressekonferenz auf der 9.
Vertragsstaaten-Konferenz der Konvention für biologische Vielfalt (CBD). Sie luden alle
Staatsoberhäupter der Welt ein, sich mit ihnen zu alliieren.
Von links nach rechts: Seine Majestät Haji Manchineri von den Manchineri-Indianern,
Seine Majestät Tashka Yawanawa von den Yawanawa-Indianern im Amazonas, Seine
Majestät Tuwe Hunikuin von dern Hunikuin-Indianern und Seine Majestät Haru
Kontanawa von den Kontanawa-Indianern.
Feder Führer in anderen Teilen der Welt
Nicht nur in Nord- und Südamerika, sondern in Stammeskulturen auf der ganzen Welt
finden sich Feder Führer, die den Wert von Federn kennen und zum Wohl für ihre
Nationen einsetzen. Die Oberfläche der Erde kann in verschiedene Ökozonen aufgeteilt
werden, die sich durch ähnliche klimatische Verhältnisse mit jeweils eigenen Tier- und
Pflanzengemeinschaften auszeichnen. In jeder dieser Ökozonen gibt es Feder Führer,
welche sich um die Naturallianz der Menschen in ihrer Ökozone kümmern. Allen Feder
Führern der Welt gemeinsam ist ein schamanisch geprägtes Verständnis der Natur als
lebendiger Ganzheit. Wenn die Politiker der industrialisierten Staaten sich bereit erklären,
von den Feder Führern zu lernen und selber Federn für ihr eigenes Wachstum im
Bewusstsein einzusetzen, könnte eine tragfähige Basis geschaffen werden, um die globalen
Klimaprobleme in den Griff zu bekommen.
88
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Abbildung 25: Die Oberfläche der Welt wurde vom World Wildlife Fund (WWF) in
verschiedene Ökozonen unterteilt. Die Antarktische Ökozone ist nicht gezeigt (Bildquelle:
www.wikipedia.org).
Abbildung 26: Der Paläarktis wird von Ornithologen wegen ihrer enormen Größe und
ökologischen Unterschiede oft unterteilt in die Ost-Paläarktis und die West-Paläarktis. Die
rote Linie zeigt die Grenze der West-Paläarktis, die Europa, den Nahen Osten und NordAfrika nördlich der Sahelzone umfasst. Ihre Grenze zur Ost-Paläarktis verläuft entlang des
89
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Urals und der Westküste des Kaspischen Meers südlich vom Kaukasus bis zum
Zweistromland – dem heutigen Irak.
Abbildung 27: Der spirituelle Feder Führer für die West-Paläarktis ist Erzengel Gabriel.
Dieser Erzengel nährt die Lebenskraft aller Pflanzen und Tiere in Europa, Nordafrika und
dem Nahen Osten. In der menschlichen Gesellschaft dieser Ökozone wirkt er als
vereinender Spirit der drei religiösen Großgruppen: Gabriel ist sowohl im Christentum und
Judentum als auch im Islam als Friedensbringer bekannt. Im arabischen Sprachraum wird er
‚Gibril’ genannt.
90
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Abbildung 28: Analog zur Wiederbefiederung der Schlange muss jede Ökoregion der Erde
wieder befiedert werden, um ihr die lichtvollen Kräfte des Spirit zurück zu bringen. Auf dem
gezeigten Bild ist die Befiederung der West-Paläarktis in Form eines Medizinkreises zu
sehen, deren spirituelles Zentrum der Ort Engelberg in der Schweiz ist. Die Federn sind von
einem Mauerläufer (Tichodroma muraria), der in Engelberg vorkommt und ein Botschafter
des Engels ist.
Abbildung 29: Jede Ökozone hat auch ihre eigenen politischen Feder Führer, welche sich
um die Naturallianz in diesem Teil der Welt kümmern, also um die Verbindung der
91
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
menschlichen Bevölkerung zu dem jeweiligen Erzengel, der ihre Ökozone regiert. Analog
zur Unterteilung der Erde durch das amerikanische Militär, welches jede Kommandozone
mit Waffen beherrscht, regieren die Feder Führer ihre Ökozonen durch die sanfte Macht der
Feder.
Abbildung 30: Zwei Feder Führer der Afrotopischen Ökozone bei einer traditionellen
Federkrönung mit einer Feder des „Weißen Adlers“, der in Wirklichkeit der Palmnuss-Geier
(Gypohierax angolensis) ist, dessen innere Handschwingen weiis sind. Links: Seine
Königliche Majestät Eddie Nkwoh. Rechts: Seine Majestät Eddie Osuangwu, der selber
auch eine Feder des Palmnuss-Geiers trägt, die im Bild nicht sichtbar ist. (Bildquelle:
www.rac-counselors.com/AAF.html)
Abbildung 31: Zwei Feder Führer der Paläarktischen Ökozone. Links: Unbenannter Feder
Führer aus Kyzyl, Russland (Bildquelle: www.wikipedia.com). Rechts: Unbenannter Feder
92
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Führer aus der Montolei (Bildquelle: www.begegnungs-reisen.de). Beide tragen Federn vom
Uhu (Bubo bubo).
Abbildung 32: Zwei Feder Führer der Indomalayischen Ökozone. Links: Unbenannter Feder
Führer eines Naga-Stammes mit einer Krone aus Steuerfedern vermutlich eines Vertreters der
Hühnerartigen (Galliformes). Rechts: Unbenannter Feder Führer eines anderen NagaStammes mit einer Handschwinge eines Greifvogels, vermutlich einer weiblichen Weihe
(Circus spec.). (Bildquelle: www.the-south-asian.com).
Abbildung 33: Zwei unbenannte Feder Führer der Australasiatischen Ökozone. (Bildquelle:
Holland Herald, Bright Edition, www.hollandherald.nl)
93
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Feder Führer der Globalen Naturallianz
Der Begründer der Naturallianz von Deutschland ist Bundes-Umweltminister Sigmar
Gabriel. Im Mai 2008 fand in Bonn die 9. Vertragsstaaten-Konferenz zur Konvention
über biologische Vielfalt (CBD) der Vereinten Nationen statt. Im Rahmen dieser
Konferenz hat der Generalsekretär der Konvention für biologische Vielfalt Dr. Ahmed
Djoghlaf die Deutsche Naturallianz zu einer Globalen Naturallianz erweitert. Das
CBD-Sekretariat veröffentlichte diesbezüglich ein Dokument mit dem Titel „The Bonn
Biodiversity Summit: Birthplace of a ‚Globale Naturallianz’ for life on Earth“ (CBD
2008). Dies wurde von den Feder Führern auf der ganzen Welt mit Beifall begrüßt.
Gabriel wurde daraufhin von den Teilnehmern der Konferenz zum Vorsitzenen der
Globalen Naturallianz gewählt. Weil die Hüter der Naturallianz in ihren Ökozonen
traditionellerweise Feder Führer sind, wurde Gabriel durch den Vorsitz der Globalen
Naturallianz zum Globalen Feder Führer. Die auf der Konferenz anwesenden Feder
Führer aus dem Amazonas sprachen ihm in Form eines Memorandums ihre volle
Unterstützung für diese Globale Naturallianz aus und wollten ihn in Anwesenheit der
Vertreter von 192 Staaten durch die Übergabe einer rot-goldenen Sonnen-Federkrone als
einen aus ihren Reihen ehren. Aus legalen Gründen war die Übergabe der Federkrone nicht
möglich und wurde vom Bundesamt für Naturschutz untersagt. Die Federkrone konnte
Gabriel lediglich virtuell in Form einer Fotomontage überreicht werden (siehe Bild
unten). Stattdessen erhält Gabriel vom Welt-Feder-Rat nun die Feder eines Seeadlers
(Haliaaetus albicilla) – dem Wappenvogel der Bundesrepublik Deutschland.
94
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Abbildung 34: Feder Führer der globalen Naturallianz, Sigmar Gabriel. Die gezeigte
Federkrone sollte Herrn Gabriel am 30. Mai 2008 auf der Vertragsstaatenkonferenz der
Konvention für biologische Vielfalt von den anwesenden Feder Führern aus dem Amazonas
übergeben werden. (Bildquelle: Fotomontage aus offiziellem Pressefoto).
7. Eine Fallstudie nachhaltiger Forstwirtschaft
Die vorangegangenen beiden Kapitel haben die eher abstrakten Details untersucht, wie die
vierte Bewusstseins-Ebene durch Federn entwickelt wird. Dieses letzte Kapitel hat die
95
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Absicht, konkretere Beispiele zu liefern, wie die Ratschläge von Feder Führern zu einem
Thema beitragen können, das kürzlich in den Mittelpunkt der Debatte zur Abwendung
eines Klimakrieges gerückt ist: Der Erhalt und Schutz der Wälder.
Die Wichtigkeit von Wäldern zur Abwendung eines Klimakrieges
Ein Großteil der laufenden Debatte zur Vorbeutung eines Klimakrieges konzentriert sich
auf die Wichtigkeit des Erhalts von Wäldern. Die Brandrodung von natürlichen Wäldern
auf der ganzen Welt trägt jährlich mehr zu globalen Treibhausgas-Emissionen bei als der
Transport-Sektor (Stern 2006: xviii). Der Kohlenstoff-Anteil, welcher allein in WaldÖkosystemen eingebunden ist, ist größer als der Kohlenstoff-Anteil in der Atmosphäre
(Stern
2006:
604).
Selbst
wenn
alle
Ölreserven
der
Welt,
einschließlich
unkonventionellen Reserven, die noch nicht erschlossen sind, heute verbrannt würden,
enthielte die gesamte Vegetation der Erde und ihr Boden immer noch mehr Kohlenstoff als
alle verbleibenden Ölreserven (Vereinte nationen 2001). Wälder sind der wichtigste
Luftfilder der Erde, weil sie Kohlenmonoxid und andere Schadstoffe aus der Atmosphäre
entfernen und Kohlendioxid aufnehmen und binden. Entwaldung reduziert die Fähigkeit
der Wälder, Kohlendioxid zu binden, und wird zu einem zusätzlichen Treiber globaler
Erwärmung. Wälder spielen auch eine entscheidende Rolle im Wasserzyklus des
Klimasystems. Das Roden von Wäldern hat eine Abnahme der Niederschläge zur Folge
(Diamond 2005: 214). Die daraus resultierenden Dürren reduzieren landwirtschaftliche
Erträge und können zu Konflikten über Nahrungsmittel und Trinkwasser führen.
Historische Daten belegen, dass in der Vergangenheit solche Gesellschaften florierten, die
ein erfolgreiches Wald-Management betrieben, während andere Gesellschaften, die dies
nicht vermochten, früher oder später kollabierten (Diamond 2005: 29). Sobald die
internationale Gemeinschaft die Wichtigkeit von Bäumen als ‚Klima-Soldaten’ erkennt,
könnte dies eine ‚dendrozentrische Wende’ im Völkerrecht bewirken, vergleichbar mit der
‚anthropozentrischen Wende’, die sich in den 1990er-Jahren im Völkerrecht vollzog
(Kotzur 2001: 143). Dies würde der indianischen Haltung nahekommen, Bäume als
Brüder und Schwestern in einer globalen Familie zu sehen, in der alles Leben miteinander
verbunden und interdependent ist.
Indianer als Fürsorger der Wälder der Erde einsetzen?
96
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Ein möglicher Vorschlag, der im Rahmen der Debatte über den Klimawandel angebracht
werden könnte, bestünde darin, Indianer, die traditionelle Waldbewohner sind, als
Fürsorger der letzten Wälder der Erde und für das Anpflanzen von neuen Wäldern
einzusetzen, damit sie von ihren natürlichen Fähigkeiten, mit Bäumen zu sprechen,
Gebrauch machen können. So einleuchtend ein solcher Vorschlag klingen mag, ist es
äußerst unwahrscheinlich, dass die Indianer dies akzeptieren würden. Es ist
wahrscheinlicher, dass sie solches Verhalten als selektiv opportunistisch und heuchlerisch
betrachten würden. Die Indianer würden spüren, dass die Menschen aus den
Industriegesellschaften sie ausnützen würden, indem sie die Indianer bitten, sich um die
Wälder zu kümmern, damit sie selbst mit der Luftverschmutzung und dem Krieg gegen die
Natur fortfahren können. Außerdem wiegen die Erinnerungen der Vergangenheit immer
noch schwer in ihrem kollektiven Gedächtnis. Über Jahrhunderte haben die heutigen
Industriegesellschaften das Land der Indianer ausgebeutet und deren Kultur zerstört mit
nichts anderem im Kopf als ihrem eigenen Wohlstand, und nun, wo ihr Wohlstand und ihr
Überleben auf dem Spiel steht, wenden sie sich auf einmal an die Indianer mit einem
Hilfegesuch – ohne sich einmal für das Getane zu entschuldigen. Indianische Siedlungen
wurden gezielt mit Dynamit aus der Luft bombardiert, mit Maschinengewehren aus
Armee-Hubschraubern beschossen, um ihr Land für den Straßenbau zu eröffnen, und mit
Arsen, Pocken-, Tuberkulose- und Grippe-Viren verseucht, die gezielt in ihre Dörfer
eingeschleust
wurden
(Timberlake
&
Tinker
1984:
32).85
Mit
solchen
unmenschlichen Abscheulichkeiten gegen die Indianer, die gegen alle internationalen
Menschenrechts-Konventionen verstoßen, ist es höchst unwahrscheinlich, dass sie den
Industriegesellschaften irgendeinen Dienst leisten. Jedoch können ihre Vorgehensweisen
einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung von den Industriegesellschaften übernommen
werden als Mittel von Langzeit-Handlungen, die zur Abwendung eines Klimakrieges
beitragen, während der ökonomische Nutzen der Wälder beibehalten wird.
Frieden im Wald
In einem Lied mit dem Titel „Frieden im Wald“ gibt der Feder Führer Haru Kuntanawa
85
Klimafrieden schließt Frieden mit den Indianern ein. Dies ist so, weil „Frieden zwischen Völkern und das
Ende der ruinösen Zerstörung der Natur zwei Seiten der gleichen Medaille sind“(Bastian 1990: 75).
97
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
dem Konzept des Friedens mit der Natur von Meyer-Abich eine Stimme und lebendige
Erfahrung, in der sich Forstwirtschaft, Friedensforschung und Sicherheitspolitik vereinen:
Mein Wald bittet um Frieden,
Sagt, er hält nicht mehr aus
Den Menschen mit seinem Imperium,
Der die Tiere vernichtet,
Die Welt beherrschen will
Mit Hi-Tech
Und die Natur zerstört,
Denkend es sei Weisheit.
Die Luft ist verseucht
Mit so viel Verschmutzung.
Tausende von Lebewesen sterben
Und die Menschen kümmert es nicht.
Tausende von Lebewesen sterben
Und die Menschen kümmert es nicht.
Die Luft ist verseucht
Mit so viel Verschmutzung.
Tausende von Lebewesen sterben
Und die Menschen kümmert es nicht.
Weine, Wald, weine.
Und ich weine mit Dir.
Das Blau des Himmels ist schon verblasst
Und die Sonne verliert ihren Glanz.
Das Blau des Himmels ist schon verblasst
Und die Sonne verliert ihren Glanz.
Frieden im Wald
Ist, was benötigt wird.
Die Erde ist unsere Mutter
Und wir müssen verstehen,
Dass Wald das Grün ist,
Das die lebendige Natur bringt.
Lasst uns mit Liebe umsorgen
Unseren geliebten Wald.
Lasst uns mit Liebe umsorgen
Unseren geliebten Wald.
Abbildung 35: Genau wie für unsere Kultur sind
auch für die Indianer Vögel Boten des Friedens.
„Wenn sie fliegen, segnen sie mit ihren Flügeln die
Erde“ (Kuntanawa 2008). In der Kosmologie der
Indianer ist das Überleben der Vögel entscheidend
für den Frieden im Wald und für den Klimafrieden.
„Danke Euch allen, die zum Frieden beitragen, zur Liebe für diesen Planeten, all jenen, die
unsere Sprache als menschliche Wesen nicht verstehen, allen Lebewesen. Ich überbringe
diese Botschaft mit der Hoffnung, dass sie die Welt sensibilisieren kann, um Fürsorge für
alle zu empfinden. Vielen Dank für diesen sehr wichtigen Augenblick in Deutschland, in
der Stadt Bonn. Frieden, Liebe in unseren Herzen und Hoffnung“ (Kontanawa 2008).
98
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Die Menominee-Indianer
Die Menominee-Indianer in Wisconsin (USA) zählen ungefähr 3500 Mitglieder und
besitzen etwa 950 Quadratkilometer von meist bewaldetem Land im Nord-Osten dieses
Bundesstaates. Sie sind ursprüngliche Waldbewohner. Als das Fortschreiten des
amerikanischen Traumes, den Kontinent vom Atlantik bis zum Pazifik (‚from sea to
shining sea’) zu beherrschen ihnen ihre großen Jagdgründe im Jahr 1831 verweigerte und
sie dazu zwang, Bauern auf ihrem verbleibenden Waldland zu werden, entschieden sie sich
stattdessen, Holzfäller werden, damit sie ihre Tradition als Waldbewohner aufrecht
erhalten konnten. Der Verlust von präkolonialem Menominee-Land, kombiniert mit der
einhergehenden Zerstörung ihrer Wälder, die sie einst bewohnten, machte ihnen den Wert
der verbleibenden Wälder sehr bewusst. Aus ihrer Perspektive verschlangen Bauernhöfe
das Land und setzten dem Reichtum des Waldes ein jähes Ende. Selbst heute, nach mehr
als 200 Jahren der Interaktion mit der Industriegesellschaft, behalten die Indianer ihre
ganzheitliche Sichtweise vom Leben und von der Natur bei. Eine Deklaration des
Menominee Forestry Department (1995: 110) liest sich wie folgt: „Im
Gegensatz zu vielen nicht-indianischen Konzepten über den Menschen und die Natur sieht
sich das Menominee-Volk nicht als getrennt vom Wald oder den Wald und seine Kreaturen
als unabhängig von ihnen. Die Menominee-Kultur existiert in Harmonie mit Mutter Erde
und versteht den Kreis des Lebens. Der Wald wird, wenn er richtig behandelt wird, den
Stamm heute und für zukünftige Generationen mit wirtschaftlichen, kulturellen und
spirituellen Werten am Leben halten. Dies wird seit mehr als 8000 Jahren auf dem
Menominee-Land gelehrt und praktiziert, und ist für die Qualität des Waldes auf dem
Reservat verantwortlich.“86
Die Tatsache, dass die Menominee-Indianer ihr Land in den Vereinigten Staaten von
Amerika legal besitzen macht mit Sicherheit einen großen Unterschied in ihrer GesamtMotivation – im großem Gegensatz zu den Indianern in Südamerika, wo den meisten
Indianern immer noch die gleichen Rechte wie ihren Landsleuten verweigert wird.
Der Ratschlag des Feder Führers der Menominee-Indianer
86
Übersetzung aus dem Englischen durch den Welt-Feder-Rat.
99
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Die Menominee-Häuptlinge, ähnlich wie die Häuptlinge der meisten Indianer, tragen
ebenfalls Federkronen.87 Sie sind Feder Führer für ihre Nation. Die Menominee sind noch
ein lebendiges Beispiel dafür, wie die Feder zum Leben im Einklang mit der Natur führt.
Ein unbenannter Feder Führer der Menominee-Indianer empfahl seinem Volk, ihr
Verhalten nach der Sonne auszurichten. „[B]eginne mit der aufgehenden Sonne und arbeite
der untergehenden Sonne zu, aber nimm nur die ausgewachsenen Bäume, die kranken
Bäume und die umgefallenen Bäume. Wenn Du das Ende des Reservates erreichst, dreh
um und fälle von der untergehenden Sonne zur aufgehenden Sonne, und die Bäume werden
für immer reichen“ (Spindler & Spindler 1971: 201).88 Diese Haltung zeigt erstens,
dass aus der Perspektive der Sonne, welche die Indianer einnahmen, Menschen und Bäume
den gleichen Wert haben. Die Indianer betrachten die Bäume als ihre Brüder und
Schwestern unter der gleichen Sonne. Für sie gilt „der Wald ist das Volk und ohne den
Wald [...] wird das Volk sterben“ (Davis 2000: 8).89 Zweitens war der Rat des Feder
Führers, nur ausgewachsene, kranke und umgefallene Bäume zu entnehmen, im Kern
dessen, was indianische Waldbewirtschaftung nachhaltig macht.
Indianische nachhaltige Forstwirtschaft
Für einen außenstehenden Beobachter erscheint der Menominee-Wald makellos und
vollkommen unberührt (Davis 2000: 12). Doch dies ist bei weitem nicht der Fall. Im Jahr
1854 enthielt der Wald auf dem Menominee-Reservat schätzungsweise 42 Millionen
Festmeter Rundholz. Seit dem Jahr 1865 wurden nahezu 56 Millionen Festmeter Holz
geerntet. Trotzdem zeigt das zuletzt durchgeführte Inventar, dass der Rundholz-Vorrat
immer noch 42 Millionen Festmeter beträgt, selbst nach 138 Jahren Bewirtschaftung
(Pecore 1992: 16). Während der gleichen Zeit haben die Indianer die biologische
Vielfalt, Produktivität und Gesundheit des Waldes erhöht. Ihr Management der Reserven
und Qualität des Wassers ist gleichermaßen beeindruckend. Die Gewässer des Reservates
haben zum großen Teil die gleiche Qualität wie vor über hundert Jahren. Tatsächlich ist ihr
Wald in seiner vollen Pracht heute gesünder und produktiver als zu irgend einem anderen
Zeitpunkt, seit die Menominee zum ersten Mal den Fluss zu ihrem neuen Zuhause hinauf
ruderten (Davis 2000: 21&203). Gleichzeitig haben diese Indianer gelernt, die modernste
87
Siehe z. B. http://www.menominee-nsn.gov/history/photoGallery/people.php
Übersetzung aus dem Englischen durch den Welt-Feder-Rat.
89
Übersetzung aus dem Englischen durch den Welt-Feder-Rat.
88
100
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Technologie einzusetzen, die auf dem Markt der Holzindustrie verfügbar ist. Um ihre
Erfolgsformel zusammenzufassen, lässt sich sagen, dass im Durchschnitt etwa alle 100
Jahre alle Bäume auf dem Reservat einmal gefällt und ersetzt werden (wobei eigentlicher
Kahlschlag niemals vorkommt). Zum Vergleich beträgt in einem vergleichbaren Klima in
Europa die Umsatzrate für kommerzielle Buchen etwa 70 Jahre und für Fichten etwa 40
Jahre oder weniger, je nachdem, wie das Holz verwendet wird.90
Umsatzrate indianischer Forstwirtschaft
Welcher Beitrag lässt sich daraus für die Debatte um Klimawandel und Walderhalt
ableiten? Grob gesagt erlaubt die indianische nachhaltige Waldbewirtschaftung den
Bäumen etwa doppelt so viel Zeit zum Wachsen. In anderen Worten werden nur halb so
viele Bäume geerntet wie im kommerziellen Holzeinschlag. Auf der anderen Seite macht
diese Wirtschaftsform die Indianer nicht reich. Theoretisch könnten die MenomineeIndianer durch den Verkauf ihrer Wälder und ihres Landes und durch die vorsichtige
Investition des daraus resultierenden Kapitals einen großen Schritt nach vorne tun, um sich
selbst und zukünftige Generationen aus der Armut heraus zu heben. Dies ist jedoch nicht
ihre Wahl. Die Menominee-Lebensweise folgt dem Ratschlag ihres einstigen Feder
Führers: „[N]imm nur die ausgewachsenen Bäume, die kranken Bäume und die
umgefallenen Bäume [...], und die Bäume werden für immer reichen“ (Spindler &
Spindler 1971: 201).91 Die Menominee hatten nichts dagegen, die ausgewachsenen, die
kranken und die umgefallenen Bäume zu ernten, aber letzten Endes muss der Wald für
immer erhalten werden. Diese Technik wurde in der Forstwissenschaft unter dem Namen
„selektive Silvikultur“92 bekannt (Davis 2000: 136). Die Indianer setzten das Leben der
Bäume über den Wert von Geld. Sie mögen in Armut leben, aber in Armut zu leben war
besser als in einer von Bäumen entblößten Landschaft zu leben, die verwahrlost und
armselig aussieht. Im Angesicht des Klimawandels und der Gefahr eines Klimakrieges
wäre es angebracht, wenn unsere Industriegesellschaft sich der indianischen Weisheit
annimmt, lebendige Bäume über Profit zu stellen. Wenn es keine Bäume mehr gibt, wird
es bald auch keine Menschen mehr geben, wie die Geschichte gezeigt hat.
90
Information basiert auf persönlichen Notizen aus Lehrveranstaltungen an der Bundesforschungsanstalt für
Forst- und Holzwirtschaft, Hamburg, April 2003 bis September 2005.
91
Übersetzung aus dem Englischen durch den Welt-Feder-Rat.
92
Mitunter auch als ‘Plenterwirtschaft’ bezeichnet.
101
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Schutz des ‚Großvater-Baumes’
Manche alten Bäume, die länger als alle anderen Bäume da waren, sind in der indianischen
Wahrnehmung von besonderer Bedeutung. In einem bestimmten Wald gab es einen uralten
Baum, der ‚Großvater-Baum’ genannt wurde. Der Feder Führer Rolling Thunder
sagte: „Dies ist die Großvater-Pflanze; sie ist verantwortlich für all die anderen. Verletze
diese Pflanze nicht, sonst sterben all die anderen“ (Lane & Samuels 2000: 146). Der
Grund, weshalb Indianer bestimmte alte Bäume wichtiger ansehen als andere, liegt darin,
dass sie ein menschliches Gesicht in der Borke des Baumes erkennen – sie erkennen sich
selbst in dem Baum. Logischerweise beschützen sie solch einen Baum, denn diesen zu
zersägen würde dem gleichkommen, sich selbst zu zersägen (siehe z. B. Pazzagona
2002: 147). Hier sehen wir erneut, wie die Wahrnehmung von uns selbst in einem Baum
die Definition von Leben im Einklang mit der Natur erfüllt und dadurch hilft, Bäume zu
erhalten, die so wichtig für die Abwendung eines Klimakrieges sind.
Die Königin des Waldes
In einem Lied mit dem Titel „Königin des Waldes“ beschreibt der Feder Führer Haru
Kuntanawa seine Vision von der lebendigen Naturgöttin,
die im Wald residiert. „Mata“ bedeutet auf Portugiesisch
„Wald“ und auf Sanskrit „Mutter“.
Señora, Königin, meine Mutter,
Danke für was Du mir gegeben hast.
Oh Mutter, ich bin so glücklich,
Dein Sohn genannt zu werden.
Mutter, von Kindheit an bis jetzt
Warst Du die eine
Mutter, die mich erhalten hat.
Danke, liebe Mutter.
Für immer werde ich Dir meine Liebe geben.
Mutter, die Welt kann nicht
Die Gründe meiner Liebe verstehen.
Mutter, meine Anliegen waren so viele,
Keines davon hast Du je verweigert.
Mutter, die Welt kann nicht
Abbildung
36:
Der
Krähenstirnvogel
(Psarocolius
decumanus) ist so gut wie allen
Indianern
in
Mittel102 und
Südamerika bekannt. (Bildquelle:
www.wikipedia.org)
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Die Gründe meiner Liebe verstehen
Mutter, meine Anliegen waren so viele,
Keines davon hast Du je verweigert.
Ich lebe im geschlossenen Wald
Höre den Rhythmus meines Japu [Krähenstirnvogel, Psarocolius decumanus].
Ich werde das Geheimnis dieser Liebe preisgeben:
Es ist meine Mutter die es mich lehrte,
Das Mysterium der Liane.
Ich lebe im geschlossenen Wald
Höre den Rhythmus meines Japu.
Ich werde das Geheimnis dieser Liebe preisgeben:
Es ist meine Mutter die es mich lehrte,
Das Mysterium der Liane.
Danke, meine Mutter.
Meine Mutter, die Königin des Waldes,
Ich werde Dich nie vergessen,
Ich werde Dich immer beschützen
Mit meinem Bogen und meinen Pfeilen.
Danke, meine Mutter,
Oh liebe Mutter,
Meine Königin des Waldes.
Ich bin ein indianischer Krieger,
Botschafter meines Volkes,
Hier in diesem Fest.
Ich bin ein indianischer Krieger,
Botschafter meines Volkes,
Hier in diesem Fest.
Der scheinende Mond ist so schön
Und die Sterne, die den blauen Himmel färben.
Ich bin ein Indianer, ein Junge, ein Krieger.
Mein Lied ist heilend.
Ich bin ein Irapuru-Indianer.
Ich bin ein Indianer, ein Krieger-Junge.
Mein Lied wirkt heilend.
Ich bin ein Irapuru-Indianer.
103
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Abbildung 37: Die Königin des Waldes in tiefer Meditation. Sie trägt eine Krone aus weissen
Federn eines Silberreihers (Egretta alba), gestreiften Federn einer Hokko-Henne (Crax spec.)
und roten Federn eines Hellroten Aras (Ara macao). (Bildquelle: Video mit dem Titel ‚Índios
Kontanawa, do Juruá, lançam CD’ bei www.youtube.com, Hintergrund verändert).
Beiträge zur Debatte zum Wald-Erhalt: Indianische selektive Silvikultur
Selektive Silvikultur auf indianische Art liefert drei Beiträge zur Debatte über den Erhalt
der Wälder im Zusammenhang der Vorbeugung eines Klimakrieges (Newman 1967: 47).
1) Unter dem selektiven System wird weniger Rundholz entnommen, weil nur Bäume
mit hohem Risiko entnommen werden und ein Großteil des Holzeinschlages auf
Harthölzer konzentriert wird. Indem die Marktverfügbarkeit von Holz begrenzt
wird, steigen die Preise automatisch und erzielen höhere Stückpreise, so dass der
Gesamtprofit sich um einen nachhaltigen Wert stabilisiert. Dieser Wert ist niedriger
als Kurzzeit-Profite aus Kahlschlag jedoch langfristig stabil – mit hoher
Wahrscheinlichkeit über Hunderte von Jahren, wie die Indianer demonstriert haben.
2) Selektiver Einschlag entnimmt nicht die Niedrigwert-Baumstämme, die bei
Kahlschlag-Operationen
dominieren.
Der
optimale
Einschlag-Punkt
sind
ausgewachsene Bäume mit einem Durchmesser von 36 cm (im Falle von
104
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Hemlocktannen).93 Oberhalb dieser Größe ist die Fläche, um einen lohnenden
Einschlag zu erzielen, von einem Kostenstandpunkt zu groß.94
3) Im Kahlschlag-System ist künstliche Regeneration notwendig. Die hohen Kosten,
um neue Bäume zu pflanzen, können eliminiert werden, indem auf natürliche
Generation gesetzt wird, die mit dem selektiven System der Indianer erzielt wird.
Vorschlag einer Wald-Armee für den Amazonas an die Vereinten Nationen
Ein gemeinsamer Projektvorschlag vom WFR und OPIRJ an UNEP besteht darin, eine
permanente Wald-Armee der Vereinten Nationen aufzustellen als effektives System der
Waldverwaltung für den Amazonas. Der Schutz des Amazonas-Regenwaldes ist von
allergrößter Wichtigkeit, um einen schlimmeren Klimawandel abzuwenden und das
Aussterben von Arten und Kulturen anzuhalten. Im Amazonas leben etwa 400 indigene
Nationen, die den Wald besser kennen als jeder andere. Zusammen konstituieren diese
Nationen einen indigenen Amazonas-Wald-Staat, der sich aus ihren Territorien in
Brasilien, Bolivien, Ecuador, Guyana, Französisch Guyana, Kolumbien, Peru, Surinam und
Venezuela zusammensetzt. Die Präsidenten dieser indigenen Nationen sind nahezu alle
Federführer. Die effektivste Weise, für UNEP eine Wald-Armee der Vereinten Nationen
zu schaffen, besteht darin, in Koordination mit COICA, der Dachorganisation aller
indigenen Nationen im Amazonas, die Federführer zu ermächtigen.
Als grundlegende Infrastruktur der Wald-Armee der Vereinten Nationen schlagen die
Federführer des WFR vor, eine Kommunikationsplattform im Wald einzurichten, die aus
400 solar-betriebenen Internet-Stationen mit Satellitenverbindung besteht. Dies würde dem
Federführer jeder Nation ermöglichen, in Notfällen (z. B. Waldbrände, Invasion von
Holzfällern) ein Koordinationszentrum der Vereinten Nationen zu kontaktieren. Diese
Internet-Stationen würden den Federführern auch ermöglichen, von ihrem Büro tief im
Urwald mit wichtigen Leuten wie Ihnen zu kommunizieren. Die Installationskosten für
dieses System werden von Experten auf etwa 6 Millionen Euro geschätzt und die
jährlichen Betriebskosten auf etwa 4 Millionen Euro. Für die ersten 12 Jahre ergibt dies
93
94
Newman erwähnt nicht, in welcher Höhe des Baumes dieser Durchmesser genommen wird – ein Detail
das äußerst wichtig zu wissen wäre!
Kosten werden weiter determiniert durch die Zugänglichkeit des Terrains, d. h. ob das Terrain gebirgig
oder flach ist.
105
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
einen Betrag von 54 Millionen Euro. Dies sind lediglich 1.2% der 4.5 Milliarden Euro,
welche die Deutsche Bundesregierung UNEP für den internationalen Waldschutz bis zum
Jahr 2020 zugesagt hat.
106
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
8. Schlussfolgerung
Diese Arbeit hat versucht, die laufende Debatte über Klimawandel und Klimakrieg mit
traditionellen Herangehensweisen indianischer Feder Führer zu informieren. Gemäß dem
Bewusstseinsmodell von Hall et al (1991), welches präsentiert wurde, ist unsere
Industriegesellschaft größtenteils auf der dritten Bewusstseins-Ebene stehen geblieben, von
wo aus die Natur als tote Ressource wahrgenommen wird. Diese Wahrnehmung der Natur
tendiert dazu, unverantwortliches Handeln nach sich zu ziehen, was die eigentliche
Ursache eines drohenden Klimakrieges ist. Im Gegensatz dazu leben die Indianer auf der
höchsten Bewusstseins-Ebene, welche spontan zu Handlungen im Einklang mit der Natur
führt.
Der zentrale Beitrag zur Debatte besteht in der Erkenntnis, dass Indianer ihre hohe
Bewusstseins-Ebene durch Vogelfedern erreicht haben. Federn strukturieren die Identität
der Indianer von frühester Kindheit an, und Federn erweitern ihre Identität, bis ihr Selbst
die gesamte Natur umfasst – die innere und die äußere. Wie gezeigt wurde verbinden
Federn ihre Feder Führer mit der Sonne. Die Sonne ist der primäre Lebensgeber. Deshalb
ist es für die Feder Führer natürlich, selber zu Lebensgebern und Fürsorgern des Lebens
zu werden – sowohl für ihr Volk, dessen Mitglieder ihrerseits diese Qualitäten entwickeln,
als auch für Bäume, Tiere, die Erde und den Himmel. Falls diese Hypothese richtig ist,
haben Federn das Potential, jede Gesellschaft auf die höchste Bewusstseins-Ebene zu
heben, was zu verantwortlichem Handeln gegenüber der Natur führt und die Gefahr eines
Klimakrieges abwendet, bevor er ausbricht.
Eine Legitimation zur Ermächtigung der Indigenen als Federführer der Globalen
Naturallianz wird demnach nicht aus einer glaubens-basierten Zuschreibung eines höheren
Bewusstseinszustandes im Vergleich zur Industrie-Gesellschaft abgeleitet, sondern aus
einer geistreiche, humor-basierten Ausleuchtung der Bedeutung des Wortes deutschen
Wortes „Federführung“ in der Industrie-Gesellschaft selbst. Dadurch kommt die
Ermächtigung der Indigenen aus der Industrie-Gesellschaft und ist nicht eine SelbstErmächtigung der Indianer auf der Basis eines sich selbst zugeschriebenen höheren
Bewusstseinszustandes, denn ein solches Eigenlob und eine solche Eigenkrönung wirken
abstoßend
und
kämen
einer
Verletzung
der
Selbstbestimmungsrechte
der
107
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Industriegesellschaft gleich. Stattdessen wird eine Begegnung der Industriegesellschaft mit
den Indigenen Völkern auf Augenhöhe angewandt und aufgrund der eigenen Werte der
deutschen Gesellschaft eine Kooperation mit den Indigenen ins Auge gefasst..
Eine alternative Möglichkeit besteht darin, dass die Feder Führer ihre hohe BewusstseinsEbene auf eine andere Weise erlangt haben, die nicht offensichtlich ist, und dass die
Anziehungskraft, die Federn auf die Feder Führer ausüben, lediglich ein Resultat ihrer
hohen Bewusstseins-Ebene ist und nicht die Ursache. In diesem zweiten Fall müsste weiter
nach einer Methode gesucht werden, um das Bewusstsein der auf der Erde wohnenden
Menschen anzuheben, falls ein Klimakrieg durch diese Vorgehensweise abgewendet
werden soll. Federn wären dann nicht ein direkter Weg dorthin, doch könnten sie wertvolle
Hinweise liefern.
108
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Nachwort
Die überwältigende Flut von Informationen zum Thema Klimawandel, die in den vier
Monten während der Vorbereitung dieser Arbeit buchstäblich auf mich zusammenbrach,
lähmten mich innerlich vollkommen. Während dieser Zeit wurde mir die Möglichkeit
zuteil, Auge in Auge mit vielen Klima-Experten zu sprechen, einschließlich der WeltAutorität zu diesem Thema – dem Vorsitzenden des Zwischenstaatlichen Ausschusses zum
Klimawandel (IPCC), Herrn Dr. Rajendra Pachauri – und dem persönlichen Berater in
Sachen Klimawandel für die Deutsche Bundeskanzlerin, Herrn Professor Hans Joachim
Schellnhuber. Was sie zu sagen hatten schockierte mich zutiefst: Der gesamte
Amazonas-Regenwald, einer der größten Schätze der Welt, könnte in unserer Lebenszeit
verschwinden, wenn die globale Erwärmung anhält. Ich fand es unmöglich, alle diese
Informationen als objektiver Beobachter zu behandeln, ohne mich davon berühren zu
lassen. Wo es vorher nur eine vage Ahnung in mir gab, dass es nun etwas weniger Schnee
im Winter gibt und vielleicht ein paar mehr Stürme, wurde diese Ahnung plötzlich ersetzt
durch die nicht abstreitbare Tatsache, dass das Ausmaß von Umweltausbeutung und verschmutzung durch unsere Zivilisation unsere eigene Überlebensgrundlage für die
Zukunft untergräbt. Unsere Spezies zerstört die Erde durch ihre bloße Präsenz. Mehr noch:
Wir hinterlassen unseren eigenen zukünftigen Generationen einen zunehmend verwüsteten
Planeten durch unsere Lebensweise. Mein Herz begann, sich sehr schwer anzufühlen. Ich
fühlte mich wie an der Kehle erwürgt und konnte nicht in Worten ausdrücken, was vor sich
ging. Und ich begann, mein eigenes Existenzrecht zu hinterfragen. Jedesmal, wenn ich
einen Wasserhahn aufdrehte oder etwas in den Abfall warf, stellte ich mir die Frage: „Bin
ich eine Last für die Erde, indem ich dies tue?“ Diese ernsthaften Bedenken über die
Beziehung von uns Menschen zur Natur und zur Erde brachten mir die Erinnerungen
zurück von dem, was ich fünf Jahre zuvor im Urwald von Costa Rica erlebt hatte.
Wo alles begann
Bevor ich mit meinem Studium an der Universität Hamburg begann, wurde mir die
Möglichkeit angeboten, fünf Wochen mit den Bribri-Indianern in Costa Rica zu
verbringen. Sie sind ein sehr altes Volk, das die Region zwischen dem Karibischen Ozean
und den Talamanca-Bergen, welche sie heilig nennen, bewohnt. Ich fühlte mich sehr
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Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
geehrt, von ihnen in einer Bruderschafts-Zeremonie in ihren Stamm aufgenommen zu
werden. Vielleicht erlaubte mir diese Partnerschaft mit den Indianern, ein klein wenig
durch ihre Augen zu sehen. Ihre Art und Weise, mit der Natur zu kommunizieren,
faszinierte mich. Ich stellte auch eine starke Ähnlichkeit im Denken und in den Haltungen
der Bribri-Indianer zum Denken und den Haltungen einiger Inder fest, die mit mir dort
waren. Indianer und Inder scheinen ein gemeinsames Verständnis über den Ursprung ihrer
Kulturen zu haben und eine gemeinsame Haltung gegenüber der Natur, die in starkem
Kontrast dazu steht, wie wir in unserer Industriegesellschaft die Natur behandeln. Sie teilen
ähnliche medizinische Praktiken, in denen sie Heilpflanzen und Heilsteine verwenden, die
oft viel kraftvoller zu sein scheinen als moderne pharmazeutische Behandlung zur Heilung
chronischer Krankheiten. Für die Indianer und die Inder ist die ganze Natur lebendig –
nicht nur Tiere und Pflanzen, sondern auch Flüsse, Wolken und Berge. Sie kommunizieren
regelmäßig mit Pflanzen, um deren Heilfähigkeiten zu erfahren, und mit Vögeln, um über
das Wetter Bescheid zu wissen. Und schließlich singen Inder wie Indianer ein stilles Wort
der Weisheit in sich selbst, um eins mit der Natur zu werden.
Eins werden mit der Natur
Solch ein indisch-indianisches Wort der Weisheit wurde mir im Alter von 3 Jahren
weitergereicht, als ich ein kleiner Junge war. Oft, wenn ich es verwendete, spürte ich, wie
ich mit der Umgebung verschmolz und mit ihr eins wurde. Tiere spürten dann keinerlei
Scheu mehr vor mir. Da wusste ich, wie es Franz von Assisi ergangen sein muss. Einmal,
als ich mich in diesem Zustand der Einheit mit der Natur befand, setzte sich ein kleiner
Vogel – es war ein Steinschmätzer Oenanthe oenanthe der Unterart leucorrhoa – auf
meinen Kopf, als ob er sein Nest sei, und blieb für etwa eine halbe Minute still sitzen. Ein
andermal suchte ein juveniler Höckerschwan Cygnus olor meinen Schutz, als diesem von
einem adulten Männchen, der unweit davon brütete, der Fluchtweg abgeschnitten wurde.
Der junge Schwan flog auf dem Wasser laufend auf mich zu, setzte sich links neben mich
und blieb für etwa 10 Minuten dicht an mich geschmiegt sitzen, bis der Altvogel
verschwunden war. Und wieder ein andermal wurde mir eine Diamanttaube Geopelia
cuneata zugeschickt, die sich schwer am Kopf verletzt hatte und deren Oberschädel
komplett blank lag. Honig, ein altes Heilmittel, wirkte Wunder, und nach zwei Wochen saß
das kleine Taubi mit vollständig verheiltem Kopf auf meinem rechten Zeigefinger, drehte
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Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
ein wenig den Kopf, um mir direkt in die Augen zu sehen, und sagte ganz sacht „huh“ –
Danke! Zu anderen Zeiten begannen die Bäume, mit mir zu kommunizieren, als ich unter
ihnen saß. Für die Indianer und Inder sind dies Alltagserfahrungen. Sie kommunizieren
regelmäßig mit Pflanzen.
Weltforstwirtschaft und Friedensforschung
Mein Wunsch war es, einen Weg zu finden, um ihren Wald zu schützen und die Wälder
der Welt als Ganzes. Ich hatte gesehen, wie der Wald der Indianer durch Maschinen von
geldgierigen Firmen zerstört wurde; und ich hatte die Ungerechtigkeit gesehen, wie ihnen
ihr Land von bekannten Bananenproduzenten weggenommen wurde und hörte aus erster
Hand, wie die Arbeiter auf diesen Bananenplantagen fast täglich mit giftigen Insektiziden
aus Flugzeugen besprüht werden – mit einem Regenschirm als ihrem einzigen Schutz. Das
Nachspiel der Kolonisierung hat hier noch nicht geendet. Es war zu jenem Zeitpunkt, dass
ich mich an einen Artikel erinnerte, in dem das Institut für Weltforstwirtschaft in Hamburg
erwähnt wurde. So machte ich mich auf den Weg, dieses Institut aufzusuchen, und wurde
inspiriert, Holwirtschaft an der Universität Hamburg zu studieren. Nachdem ich mein
Vordiplom abgeschlossen hatte, wurde mir klar, dass die Holzwirtschaft mich in eine eher
industrielle Richtung bringen würde und weg von meinen ursprünglichen Absichten.
Deshalb setzte ich mein Studium mit der neuen Richtung Friedensforschung und
Sicherheitspolitik fort, weil ich spürte, dass es auf der politischen Ebene mehr
Möglichkeiten geben würde, dem Wald und den Indianern zu helfen. Aber was die
Indianer heute bedroht, ist nicht mehr eine lokale Gefahr für einen entlegenen Volksstamm
durch einen Bananenproduzenten – es ist die Bedrohung der Existenz der Menschheit als
Ganzes, und vielleicht viel mehr für unsere eigene Industriegesellschaft als die für die der
Indigenen: Die Gefahr eines Klimakrieges.
Wissenschaft, Kunst und Zauber
Diese Arbeit basiert primär auf der emotionalen Argumentations-Methode von
Überzeugung durch Assoziation. Ich werde Sie möglicherweise auch einige Male
provozieren. Das ist beabsichtigt. Denn ich gehe ähnlich wie der Friedensforscher Prof. Dr.
111
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Klaus-Michael Meyer-Abich aus der ehemaligen Arbeitsgruppe um unseren einstigen
großartigen Physiker und Philosophen Prof. Dr. Carl-Friedrich von Weizsäcker davon
aus, dass wir heute nicht nur eine falsche (zerstörende) Technologie einsetzen, sondern
weitgehend auch eine falsche (herzlose) Wissenschaft betreiben. Den Studenten wird an
den Universitäten die falsche Denkweise beigebracht. Zum Erhalt des Ökosystems Erde
trägt dieser Wissenschaft zugrunde liegende Denkweise leider nicht viel bei. Die Zukunft
wird den Zauberern und Künstlern gehören. Wissenschaft ist in der Lage, Augen zu öffnen,
während Kunst in der Lage ist, Herzen zu öffnen. Zauberer können Wunder bewirken –
jedenfalls erscheint dies jenen Menschen so, denen das Wissen dazu fehlt. In dieser Zeit
werden Wunder und Menschen mit offenen Herzen dringend zum Erhalt unserer Selbst auf
der Erde gebraucht, denn wir sind auf dem schnellsten Weg der Selbstzerstörung. Und da
der Mensch an der Spitze aller Prädatoren steht, geht mit dem Menschen auch fast das
gesamte Ökosystem unter. Die Erde wird sich auch ohne uns weiter drehen, sollte sie
dereinst durch einen Klimakrieg vollständig verwüstet sein oder nur noch von
aasfressenden Insekten bevölkert sein. Aber sie wird um uns weinen. Der Mensch war ihr
liebstes Kind, und sie hat uns alles gegeben, was wir brauchten, um glücklich zu sein in
unserem Erdendasein. Aber der Mensch, jedenfalls die meisten Menschen, waren von einer
unheilbaren Selbstzerstörungswut besessen. Auch ohne den Menschen wird irgendwann
wieder Leben auf ihr entstehen. Doch für ein paar von uns ist die Erde ist ein ganz
besonderer Ort: sie ist uns, den Kindern der Erde, ein Zuhause in der endlosen Weite des
Universums.
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Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Danksagung
Die erste Version dieser Masterarbeit bestand schlicht aus einer Feder – eine
Oberschwanzdecke eines männlichen Pfaus (Pavo cristatus). Mir schien, dass diese Feder
die gesamte Aussage der Arbeit enthielt, besser als ich sie je in Worten hätte ausdrücken
können. Ihre Aussage war klar und einfach. „Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum
Klimafrieden“. Diese Feder wurde fristgerecht zum Abgabetermin am 15. Juli 2007 im
Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg
eingereicht. Ich danke dieser Feder dafür, dass sie mich geführt hat. Sie ist auf der
Titelseite abgebildet.
Die Studienleitung wünschte sich neben der wunderbaren Feder eine ausformulierte
Version der Masterarbeit. Doch die Pfauen-Feder schwieg: Sie war in sich perfekt und
hatte nichts weiter zu sagen.
Also begab ich mich auf eine Visions-Suche tief in das Innere des Waldes. Ein kleiner
Rotfuchs (Vulpes vulpes) schlich sich sehr nah an mich heran und sah mich mit großen
Augen an. Aus den Baumwipfeln blickten große Kolkraben (Corvus corax) zu mir herab.
Einer ihrer Artgenossen hatte mich zu einem anderen Zeitpunkt in den Finger gezwickt,
weil ich ihm nicht genügend Respekt gezeigt hatte. Dann lag auf einmal eine Feder vor
mir. Sie war mit Schlamm bedeckt. Ich wusch sie in einer Pfütze. Sie war wunderschön.
Ihre beiden Fahnen links und rechts vom Schaft waren nahezu symmetrisch. Auf der linken
Fahne trug sie orange-goldene und braune Streifen. Auf der rechten Fahne waren diese
Streifen bis auf den Rand aufgelöst und vom Schaft her drang reines Weiß hindurch. Es
war eine der beiden mittleren Steuerfedern eines hellen Mäusebussards (Buteo buteo).
Diese Feder führte mich zurück zum Schreibtisch. Ich liebe diese Feder. Die vorliegende
Arbeit ist aus ihr entstanden. Sie erinnerte mich daran, dass zu dem Zeitpunkt, als ich
meine
Bewerbung
für
das
Studium
am
Institut
für
Friedensforschung
und
Sicherheitspolitik abgab, ein Mäusebussard über dem Institut kreiste. Damit schloss sich
der Kreis. Mein Studium stand vom Anfang bis zum Ende unter der Obhut des Bussards.
Ich danke dem Bussard für seine Visionskraft.
Als nächstes möchte ich meinen beiden Betreuern danken, Herrn Professor Dr. Michael
Brzoska, dem Direktor des Institutes für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an
113
Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
der Universität Hamburg, und Herrn Dr. Jobst-Michael Schröder vom Institut für
Weltforstwirtschaft in Hamburg für ihre weise und gütige Anleitung. Professor Brzoska
half mir mit seinem brillanten Intellekt, meine weit verzweigten Gedanken auszusortieren
und lud mich ein, an einer Konferenz über die Sicherheitsrisiken des Klimawandels am
Deutschen Auswärtigen Amt teilzunehmen, wo ich die Möglichkeit erhielt, Dr. Rajendra
K. Pachauri zu treffen, den Vorsitzenden des Zwischenstaatlichen Ausschusses zum
Klimawandel (IPCC). Dr. Schröder teilte mit mir viele inspirierende Einsichten in die
Waldökologie und unterstützte meinen Wunsch, das Studium der Holzwirtschaft mit dem
Studium der Friedensforschung zu kombinieren.
Professor Dr. Sebastian Scheerer vom Institut für Kriminologische Sozialforschung an
der Universität Hamburg, Professor Dr. Dr. Peter Klein von der Bundesforschungsanstalt
für Forst- und Holzwirtschaft, Fregattenkapitän Harald Hochgräfe von der
Bundeswehr, Dr. Bevan Morris, der Präsident der Maharishi University of Management
in den Vereinigten Staaten, und seine Assistentin Jane Aikens halfen mir alle mit
Empfehlungsschreiben, um in den Studiengang “Master of Peace and Security Policy
Studies” an der Universität Hamburg aufgenommen zu werden.
Seine Heiligkeit Maharishi Mahesh Yogi, der Begründer des Globalen Landes des
Weltfriedens, bot mir die einmalige Gelegenheit an, für fünf Wochen an einem Projekt mit
den Bribri-Indianern im Regenwald von Costa Rica teilzunehmen und mehrere
Indianerhäuptlinge aus Zentral- und Südamerika zu treffen.
Ich fühle mich geehrt, dass mir ein Interview mit seiner Majestät Epe Awapa
Lissandro, dem König der Bribri-Indianer, gewährt wurde. Ich danke auch Sea of
Beauty Woman für ihr Interview.
Professor Dr. Dr. Hans-Joachim Giessmann formulierte für mich eine sehr brauchbare
Definition von „Leben im Einklang mit der Natur“. Zudem gewährten er und Frau Dr.
Patricia Schneider großzügigerweise eine Verschiebung der Abgabefrist dieser Arbeit
um einen Monat.
Professor John Konhaus steuerte Details über die alte indische Pflanzenwissenschaft
bei. Dr. Volker Schanbacher und Dr. Ashley Deans erweiterten meinen Horizont in
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Gabriel Hartmann
Die Feder führt: Vom Klimakrieg zum Klimafrieden
Kosmologie und dessen Verbindung zum Klima auf der Erde. Manik Bali am MaxPlanck-Institut für Klimatologie in Hamburg war eine großartige Quelle nicht nur für
Informationen zum Klima, sondern auch über indische Kultur.
Steve Ulicny teilte mir viele seiner persönlichen Erfahrungen mit, von dem, was er von
den nord-amerikanischen Indianern gelernt hatte. Dr. Margret Johannsen, Merin
Glazier, Rachel Nevas, Peter DeRuiter, Pedro Ugalde und Hans Bruncken
trugen wertvolle Diskussionen über die Definition von Feder Führern bei. Heather
Gilmartin und Wolfgang Möckel übernahmen das Korrekturlesen des gesamten
Manuskriptes und untersuchte es auf logische Stichhaltigkeit. Ihnen allen bin ich dankbar.
Zu Dank verpflichtet bin ich auch Ulrich Hagenah von der Staats- und
Universtitätsbibliothek
Hamburg,
Gerd-Michael
Heinze
vom
niedersächsischen
Umweltministerium, Joachim Menzel, Bernd Grube, Tanja Carbone,
Verena
Meyer, und der Bibliothek der Freimaurer in Washington, D.C., für Hinweise auf
wertvolle Literatur und Internetseiten, die ich sonst nicht gefunden hätte, sowie dem
Ethnologischen Museum in Hamburg für kostenlosen Zugang zu seiner
Ausstellung über Indianerstämme in Paraguay.
Schließlich danke ich meinen Eltern, Dr. Renata Hartmann und Dr. Eike Hartmann,
meiner Großtante Toni Möhlenbrock, Christina und Peter Sterling, Hanna und
Gebhard von Schneyder, Helmut Weigelt GmbH, Beate und Oberstleutnant a. D.
Gunter Chassé sowie einer mir nicht bekannten Quelle für ihre großzügige finanzielle
und logistische Unterstützung in den letzten Monaten meines Studiums.
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Über Haru Kontanawa
Haru ist Generalsekretär der Organisation der indigenen Völker des Juruá-Flusses (OPIRJ).
Die Organisation wurde 1999 gegründet und vereint 11 indigene Nationen:
1) Die Apolima-Arará-Nation
2) Die Ashaninka-Nation
3) Die Jaminawa-Nation
4) Die Jaminawa-Arará-Nation
5) Die Kaixinawa-Nation
6) Die Katukina-Nation
7) Die Kontanawa-Nation
8) Die Nawas-Nation
9) Die Nukini-Nation
10) Die Poyanawa-Nation
11) Die Shawanawa-Nation
Die Hauptziele von OPIRJ sind:
1) Autonomie der indigenen Nationen
2) Schutz ihrer kulturellen Vielfalt
3) Schutz der biologischen Vielfalt
Haru ist Mitbegründer des Welt-Feder-Rates (WFR), ein Rat, der die Federführer der Welt
vereint, um ihr Wissen und ihre Erfahrung zu teilen.
Der WFR wurde am 29. Mai 2008 während der 9. Konferenz der Vereinten Nationen zur
Konvention über Biologische Vielfalt in Bonn, Deutschland, gegründet mit dem Zweck,
“Regierungen und zwischenstaatlichen Organisationen beim Erstellen von Richtlinien zum
Erhalt und Schutz der biologischen Vielfalt auf dem Planet Erde beizustehen”.
Politische Entscheidungsträger der ganzen Welt sind eingeladen, Haru als Federführer zu
konsultieren. Sie können ihm schreiben an [email protected] (wenn möglich auf
Portugiesisch).
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Über Tashka Yawanawa
Tashka versteht sich als Brückenbauer zwischen den Kulturen. Er hat in den USA studiert
und spricht englisch und portugiesisch sowie die Indianer-Sprache Pano. Durch zahlreiche
Reisen steht er in Kontakt mit wichtigen Entscheidungsträgern der Welt. Kürzlich hat er Al
Gore in Washington, D. C. getroffen. Er ist sehr bemüht, das medizinische und
botanische Wissen seines Volkes, der Yawanawa-Indianer, zu erhalten. Dazu hat er einen
detaillierten Plan aufgestellt, alle ca. 4000 Heilpflanzen-Arten, die seinen Schamanen
bekannt sind, in einem botanischen Garten zusammenzutragen und zu katalogisieren. Zur
Realisierung dieses Projektes mit dem Namen „Ethno-Pharmazie“ ist ein Budget von
40'000 Euro notwendig. Interessierte Sponsoren wenden sich bitte an Tashka unter E-Mail
[email protected]
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