Geißelung und Dornenkrönung

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Geißelung und Dornenkrönung
Meister der Karlsruher Passion, Tafeln: Geißelung und Dornenkrönung
Bibeltext: Matthäus 27,15-30
Predigt: Susanne Labsch, Oculi, 08. März 2015, Christuskirche Karlsruhe
Liebe Gemeinde,
am vergangenen Sonntag hat meine Kollegin in unserer Predigtreihe zur Karlsruher
Passion die erste der sechs erhaltenen Bild-Tafeln betrachtet: Christus im Garten
Getsemani. Sie erinnern sich: Schweiß und Blut rannen über Jesu Gesicht, wie er
sich dem Kelch des Leidens entgegenreckte…während die Jünger Petrus mit einem
Schwert, Jakobus und Johannes tief schliefen… im Hintergrund nahte die Kohorte,
die Jesus gefangen nehmen sollte…
In der Leidensgeschichte Jesu käme nun die Gefangennahme. Deren bildliche
Darstellung durch den Meister der Karlsruher Passion befindet sich aber in Köln.
Heute schauen wir in unserer Predigtreihe auf zwei Tafeln, die wir am Mittwoch mit
den Konfirmandinnen und Konfirmanden in der Kunsthalle im Original betrachten
konnten in einer uns bewegenden Führung durch Dr. Dietmar Lüdke. Er hatte
Oberkonservator an der Kunsthalle viel geforscht zur Karlsruher Passion und
dadurch die Tafel mit der Geißelung wiederentdeckt, die dann 1999 in die Kunsthalle
kam.
Es sind nur wenige biblische Verse, die sehr kurz und nüchtern von der Geißelung
Jesu im Haus des Hohen Priester Kaiphas und dann von der weiteren Folter durch
die Dornenkrönung in der römischen Burg des Statthalters Pontius Pilatus berichten.
Ja, die biblischen Verse verzichten auf jede grausame Ausmalung. Wir haben sie
eben gehört in der Version des Evangelisten Matthäus.
Die Bilder der Karlsruher Passion lassen uns nun, die biblischen Worte noch im Ohr,
eintreten in die Szenen der furchtbaren Folter, die Jesus erleiden mehrmals auf
seinem Leidensweg erdulden mussten. Wir stehen aufmerksam und andächtig davor.
Die Tafeln zeigen uns einen großen, abgründigen Kontrast: jeweils fünf
Folterknechte, die Jesus laut und brutal peinigen und bedrängen; in der Mitte Jesus,
still, ergeben, geduldig, leidend und am Rande jeweils Pilatus und weitere Zeugen.
Drei Schergen finden wir auf beiden Tafeln wieder: Der erste, blau gewandet mit roter
Mütze bedrängt Jesus bei der Jesus bei der Geißelung mit einem doppelten Strick
mit dem er seine Schienbeine verwundet und bei der Dornenkrönung drückt er Jesus
mit aller Kraft und Gewalt die Dornen auf das Haupt,
als wolle er den Stab brechen, er kniet jeweils und setzt Kraft mit beiden Händen –
so sehr will er Jesus Schmerzen zufügen.
Der zweite Scherge ist gelb gewandet und hat ein grünes Tuch um seinen Kopf
geschlungen: Bei der Geißelung schlägt er ebenfalls so kraftvoll wie möglich mit der
Rute zu, so dass Jesus das Blut von der Brust läuft und an seinem Leib zu Boden
rinnt. Bei der Dornenkrönung packt er Jesus mit der linken Hand grob am Hals und
reißt ihm mit der rechten Hand die Haare aus.
Der dritte Folterknecht ist grün gewandet mit flammenähnlichen Hosenbeinen. Seine
Geißel ist noch nicht blutbefleckt als Pilatus ihm etwas zuraunt – soll er vielleicht
nicht auch noch zuschlagen, damit Jesus nicht gleich an der Folter sterbe? Bei der
Dornenkrönung demütigt dieser grün Gekleidete Jesus, indem er ihm ein Rohr
zwischen die Finger der rechten Hand schiebt um ihn als König zu verspotten. Dieser
grün gekleidete Scherge trägt keine Kopfbedeckung sondern sein Haupt ist
kahlgeschoren. Er trägt eine Wunde auf der eine fette Fliege sitzt – er übt sein
verderbliches Handwerk aus und ist selbst dem Tode nicht mehr fern…
Es sind üble Gesellen, die die von der Besatzungsmacht Gefangenen quälen. Rechts
unten auf der Tafel zur Geißelung sehen wir einen Armen, der wohl von der Straße
weg rekrutiert wurde, er trägt abgerissene Strümpfe und hat keinen Gürtel für sein
offenes Gewand. Schamlos, unbarmherzig, ohne jedes Mitgefühl gehen diese
Folterknechte ihrem todbringenden Handwerk nach….Mitleid und Menschlichkeit ist
in ihren Blicken und Gesten nicht zu finden.
Am rechten und linken Rand sehen wir den römischen Statthalter Pilatus, prachtvoll
gekleidet, in jeweils eitler Pose, mit strengem Profil, er würdigt Jesus keines Blickes.
Können wir seine in den Evangelien beschriebenen Gewissenbisse bei der Folterung
Jesu hier auch nur ansatzweise erkennen?
Die einzige weibliche Gestalt auf beiden Bildern ist die Frau auf dem Balkon, die über
die Brüstung lugt. Vielleicht ist sie die Frau des Pilatus. Im Matthäusevangelium
erzählt sie ihm von ihrem Traum: Jesus sei ein Gerechter, der Mitleid verdiene.
Während der Dornenkrönung spricht Pilatus mit einem Mann, der vornehm gekleidet
ist und wohlhabend und gebildet zu sein scheint, denn er trägt eine Geldkatze am
Gürtel und Schriften in der Hand. Es ist nach einer apokryphen Überlieferung
Nikodemus, einer, der Jesus insgeheim gefolgt ist und ihn nun verteidigt. Sonst gibt
es keinerlei Zeichen menschlicher Regung und Zuwendung Jesus gegenüber zu
sehen auf diesen Tafeln…
Ganz im Kontrast zu brutalen Schlägern und mitleidlosen Zeugen sehen wir Jesus –
jeweils in der Mitte des Bildes. Er steht gebeugt am Marterpfahl. Als er mit Dornen
gekrönt wird sitzt er auf einem Schemel - jeweils in der Mitte des Bildes. Bei der
Dornenkrönung trägt er ein weißes Gewand unter dem roten Umhang, beides wurde
ihm zum Spott angelegt: das weiße Narrengewand und der rote Königsmantel. Seine
Hände halten schlaff den Stab, den sie ihm zum Spott gaben. Doch würde Jesus sich
erheben, so würde er in der Perspektive dieser Tafel alle Menschen überragen. Sein
Haupt ist aufrecht trotz der Qual, sein Blick gesenkt. Er leidet still, geduldig, demütig
– ein mitfühlendes Herz kann erahnen, was er erduldet…
Wir hören gespielt von Carsten Wiebusch an der Orgel:
Lamento, Klage von Jehan Alain
Liebe Gemeinde,
ja, es herrscht ein großer Kontrast auf den beiden Bildern der Karlsruher Passion
zwischen dem lärmenden und schlagenden mitleidlosen Pöbeln und dem
sanftmütigen Jesus. Er wird hier abgebildet als der biblische Gerechte wie er im
Buch des Propheten Jesaja geschildert wurde.
Auf diesen Diener Gottes berief Jesus sich zu Beginn seiner Zeit als
Wanderprediger… So lesen wir im 4. Kapitel des Lukasevangeliums: „Der Geist des
Herrn ist auf mir, weil er MICH gesalbt hat zu verkündigen das Evangelium den
Armen und den Zerschlagenen, dass sie frei sein sollen… zu verkünden das
Gnadenjahr des Herrn.“ Eben dieser Gerechte wird um Buch des Propheten Jesajas
wie ein wahrer König gewandet, er bezeugt: „Gott hat mir die Kleider des Heils
angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet…“ Der Gerechte
trägt das weiße Narrenkleid und den roten Mantel eben nicht zum Spott sondern zur
Gerechtigkeit für alle Völker, wie es ebenfalls bei Jesaja heißt.
Die Gestalt und Hoffnung dieses Gerechten bringt uns auf eine biblische Spur,
warum Jesus so leiden muss:
Die religiösen und politischen Autoritäten zurzeit Jesu haben diesen Anspruch und
göttlichen Auftrag Jesu, den Gerechten Gottes zu verkörpern, als Affront und
Bedrohung erfahren ….
In der Bergpredigt Jesu können wir ebenfalls die Stimme des Gerechten hören: Selig
sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen. Selig sind den
Barmherzigen… Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.
So ähnlich wie auf den Tafeln der Karlsruher Passion stelle ich mir den
barmherzigen, friedfertigen und gerechten Sohn Gottes vor: Schaut hin! So sieht er
aus, der wahre Mensch.
Diese Menschlichkeit und Sanftmut hat die Gewaltigen und Gewalttätigen provoziert
- wir sehen auf den Bildern der Karlsruher Passion wie sie ihn foltern lassen und
zuschlagen.
Jesus geht als Gottes Sohn den Weg tiefster Erniedrigung und bleibt dabei ein
sanftmütiger, friedfertiger Mensch, er bewahrt seine Menschlichkeit bis zum Tod am
Kreuz.
Jesus bat für seine Feinde und vergab ihnen – selbst noch im Sterben: „ Vater vergib
ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ Er nahm auch die prügelnden und selbst
dem Tod geweihten Schergen an. Jesus gab sein Leben hin und ließ es los und
überwand so die Gewalttätigkeit, die Geltungssucht, die Gier derer, die den Boten
Gottes und seine Botschaft beseitigen wollten….Dieser Weg war Gott gewollt und
wurde mit Christi Auferstehung besiegelt.
Liebe Gemeinde, diesen leidenden und sanftmütigen Menschen, Gottes Sohn,
führen uns die Berichte von Jesu Leiden und Sterben und die Bilder der Karlsruher
Passion vor Augen, wir erkennen: Christus litt für uns, er starb für alle. Sünde ist die
Bereitschaft, andere sterben zu lassen aus eigenen Interessen und Vorteil, doch Gott
sagt durch den Tod Jesu: von dieser tödlichen Eigensucht will ich euch befreien, ihr
seid nicht dazu bestimmt auf Kosten der anderen zu leben sondern ihr dürft für
andere und mit anderen leben, in der Nachfolge dieses Gerechten.
So habe ich neue Gemeinschaft mit euch und ihr untereinander.
Der leidende und gekreuzigte Jesus Christus ist nicht nur für euch gestorben
sondern er lebt für euch, darum dürft auch ihr Leben – mit dem Bild dieses wahren
Menschen in euren Gedanken, Herzen und Sinnen. Amen