Nevipe 02/2014
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Nevipe 02/2014
nevipe Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e. V. Neue Folge, Heft 2/2014 Foto © Rom e.V. Roma-Familie wartet auf Rettung aus ihrem überschwemmt Haus in Obrenovac, Serbien. Lehrer Christoph Schulenkorf begleitet seine Schülerinnen bei ihrer Aufführung anlässlich der Feier „10 Jahre Amaro Kher“. Editorial, S. 2 Romanes-Diplom an der Sorbonne in Paris, S. 18 10 Jahre Amaro Kher – Rück- und Ausblick, S. 3 Rom e.V. nahm teil am Dialog der Zivilgesellschaft mit der EU-Kommission, S. 19 Selam Pató, Ruzdija Sejdović und Jovan Nikolić treffen Harri Stoyka in Ulm, S. 20 Rom e.V. startete große Hilfsaktion in Obrenovac, S. 21 Patenschaften für die Kinder von Amaro Kher, S. 7 Gedenken an die Deportation der 1000 Kölner Sinti und Roma im Mai 1940, S. 8 Zsoste, zsoste zso ker dam? – Warum, warum? Was haben wir getan?, S. 9 „Kölner, die durch den Krieg nach draußen verschlagen wurden.“, S. 10 BGH 1956 über Roma und Sinti, S. 12 Roma in einem Bunker voller Rattengift untergebracht, S. 27 „Sichere“ Herkunftsstaaten oder staatlicher Antiziganismus?, S. 28 Roma-Feindlichkeit nimmt sprunghaft zu, S. 29 Vandalismus gegen Roma-Gedenkplatten, S. 13 Ismetas Torten und die Spicy Girls, S. 30 Reduktion auf den Folklore-“Zigeuner“, S. 14 Bücher, S. 33 Jazz-Musikerin Dotschy Reinhardt über HobbyGypsies u.a. Diskriminierungen, S. 15 Nadine Papai – Roma-Empowerment, S. 17 „Lo real, le réel, the real“ im Kölner Schauspielhaus, S. 36 Kultur-Highlight am 22. August: Großes Konzert der Roma und Sinti Philharmoniker in Brauweiler, S. 37 nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e.V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 2 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Editorial Die aktuelle Nummer von Nevipe umfasst vier Themenbereiche: Im Mittelpunkt stehen die beiden Ereignisse, die uns in den letzten drei Monaten in Atem hielten: Das 10 Jahres Fest von Amaro Kher und die Hilfsaktion für die Flutopfer in den von der Überschwemmungkatastrophe betroffenen Roma-Dörfern in Serbien. Mehrere Beiträge erinnern an die NS-Verfolgung, besonders an die Deportation aus Köln vor 74 Jahren sowie an die miese Behandlung der Überlebenden. Wir gehen in mehreren Artikeln auf das Ansteigen des offenen Antiziganismus in Staat und Gesellschaft ein. Noch einmal thematisieren mehrere Beiträge die Diskriminierung, die auch in der scheinbar harmlosen Überzuckerung der harten Lebensrealität der RomaFamilien mit „Ziguener“-Romantik zum Ausdruck kommt. Wir weisen besonders auf den hervorragenden Artikel der Musikerin und Sintizza Dotschy Reinhardt hin. Wir freuen, dass wir erneut auf viele Beispiele verweisen können, wo Roma in der Öffentlichkeit als Aktivisten, Künstler oder Wissenschaftler präsent sind. In diesem Zusammenhang ist das Konzerte der Sinti und Roma Philharmoniker in Brauweiler ein Highlight. Unsere neue Mitarbeiterin Ismeta Stojković, demnächst Ko-leiterin unseres neuen Schulprojektes im rechtsrheinischen Köln, stellt sich in Nevipe jetzt schon einmal mit ihrem sehr sinnlichen Torten-Projekt und als Managerin der Spicy-Girls vor. – Wer weiß, vielleicht können die Damen demnächst besonders nervigen Verächtern der Roma-Kultur die Köpfe mal in den Sahneteig tauchen. nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 3 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. 10 Jahre Amaro Kher – 10 Punkte Rück- und Ausblick 1. Amaro Kher wurde vom Rat der Stadt auf Vor- 2. 3. 4. 5. 6. schlag des Rom e.V. als Projekt beschlossen, um Straßenkinder aus Flüchtlingsfamilien zu beschulen. In der Zeit davor waren die Kinder sich selbst überlassen. Es gab keine Schulpflicht. Viele waren nicht alphabetisiert oder sprachen kein Deutsch. Die Familien – von der Flucht traumatisiert – hatten keine Perspektive, weil die Stadt Bleiberecht ablehnte, sie in marode Heime einwies, die Arbeitserlaubnis verweigerte und oft die Sozialhilfe strich. Die Kinder, die sich nicht angenommen fühlten, wurden oft straffällig und waren als sogenannte Klaukids Zielscheibe nicht nur der Boulevard-Medien. Der Rom e.V. drängte darauf, dass die Stadt statt rein repressiver Maßnahmen verstärkt schulische Angebote einrichtete, z. B. Amaro Kher. Schon im ersten Jahr verzeichnete die Polizei einen signifikanten Rückgang strafbarer Handlungen der Kinder und Jugendlichen. Durch die engagierte Arbeit von Amaro Kher fassten die Familien Vertrauen zum Rom e.V. Die Kinder kamen gern und regelmäßig zur Schule. Zum jeweiligen Schuljahresende wechselten viele in Regelschulen, zunächst noch oft in Förderschulen. In den letzten Jahren kamen fast alle Schüler auf allgemeinbildende Schulen. Dies hängt auch damit zusammen, dass der Rom e.V. seit der Einrichtung seines Kindergartens frühzeitig auf die Schule vorbereitet. Schwierigkeiten beim Übergang zu Regelschulen versucht Amaro Kher mit Hilfe ehrenamtlicher Paten zu überbrücken. Mittel zur fachlichen Begleitung des Übergangs wurden noch nicht gewährt. Dass Amaro Kher nur Roma-Kinder beschult, war anfangs auch notwendig, um die Ablehnung bzw. Angst vor Schule und die große Absenz angemeldeter Kinder abzubauen. Mittlerweile setzt Amaro Kher auf enge Kooperationen mit Regelschulen, mit Vereinen und den Stadtteilangeboten. Der Verein hat daher den Wunsch der Stadt Köln nach einem zweiten Amaro Kher rechtsrheinisch abgelehnt. Stattdessen werden wir ab 1. August 2014 mit der Stadt ein Projekt beginnen, das die direkte und sofortige Beschulung von Roma-Kindern mit allen anderen Kindern in zunächst fünf ausgewählten Regelschulen begleitet und dort Förderung anbietet. 7. Die Vorgaben der EU verlangen die inklusive Beschulung aller Kinder. Es ist ein täglicher Skandal, dass in Köln fast 80 % der Roma-Kinder auf Förderschulen verwiesen werden. Der UN-Sonderberichterstatter Vernor Muñoz hat anlässlich seines Besuches von Amaro Kher von Stadt und Land die sofortige Realisierung des Menschenrechts der Roma-Kinder auf gleiche Bildungschancen gemeinsam mit anderen Kindern gefordert. Daher muss auch der Rom e.V. die Sonderbeschulung von Roma-Kindern auf absehbare Zeit abbauen und dafür sorgen, dass alle Kinder sofort in allgemeinbildende Regelschulen gehen. Freilich erfordert dies eine Übergangszeit, weil die wenigsten Schulen auf Inklusion vorbereitet sind, und das Land zu wenig Fachpersonal zur Verfügung stellt. Außerdem müssen die schulfeindlichen Lebensbedingungen der Roma-Familien energisch verbessert (Wohnen, Arbeit, Gesundheit) und eine Bleibeperspektive geschaffen werden. 8. Wir sind optimistisch, dass dann das gemeinsame Lernen die Chancen auf eine erfolgreiche Schullaufbahn radikal verbessert. Wir verweisen auf die erfolgreiche schulische Sozialisation der Kinder aus Roma-Gastarbeiterfamilien. Solche Kinder sind heute in allen Berufen zu finden, auch als Lehrer, Ärzte Anwälte, Sozialarbeiter usw. Sie sind positive Rollenvorbilder, auch wenn ihre Startbedingungen sicher günstiger waren, als es die von Flüchtlingen sind. 9. Dieser Erfolg zeigt, dass die gegenwärtige schulische Misere der Roma-Kinder nichts zu tun hat mit angeblich ethnischen, kulturellen oder sonstigen Besonderheiten der Minderheit, sondern mit Fluchtfolgen, Armut und mit Ausgrenzung. 10. Der Rom e.V. wird seine Rolle neu definieren müssen. Seine bislang primäre Funktion als Verein zur Betreuung, Hilfe und Beratung von Roma muss erweitert werden, um immer mehr Menschen aus der Minderheit die Chancen zur Selbstorganisation und Vertretung ihrer Interessen im öffentlichen Raum zu ermöglichen. Der Verein wird als solidarisches Netzwerk von Roma und NichtRoma dafür sorgen, dass das Menschenrecht der Roma-Kinder auf gleiche Bildungschancen in Köln endlich durchgesetzt wird. Kurt Holl nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de Kindern und Jugendlichen und dafertigten Skulpturen w mit „in unsere Zukunft investiert“. Anton Fuchs gesägt, Dieser Gedanke war es auch, der und gefeilt worden. Di Mike Mahr, Leiter des HandelsHeike Haupt gab ihnen marketing der Audi AG, sofort daUniform und Orden. So nevipe – Nachrichten aus müssen dem sich Rom lebensgroßen Holz-Kam Die Eltern der Armee, Antonund FuchsBeiträge und Heike Haupt, nun e.V. von überzeugte, das logistisch sozialer Mission und zu höchst aufwendige und teure von den Holzskulpturen trennen. Zahn Jahre Amaro Kher! Es sollte ein rauschendes Fest werden. Zunächst rauschte und goss es nur vom ungnädigen Himmel. All die schönen Parcours, Spielstationen, der Fußballplatz, Ausstellungen und nicht zuletzt Kuchentische und Grillstände, die die MitarbeiterInnen mit den Kindern vierzehn Tage lang vorbereitet hatten, schwammen fast weg. Aber verglichen mit den vielen Roma-Familien, die in der Jahrhundertflut in Serbien Haus und Vorräte und manchmal sogar Verwandte verloren hatten, war das eher eine bescheidene Herausforderung. Also verlegten wir das Fest kurz entschlossen in den roten Saal. Am Anfang stand eine Pressekonferenz von Vorstand und Schulleitung und den geladenen langjährigen Unterstützern unseres Projektes. Für „Wir helfen“ versprach Anne Lütkes in Vertretung von Hedwig Neven DuMont, dass Amaor Kher ihnen weiter am, ja im Herzen läge und die schon bisher sehr großzügige Unterstützung fortgesetzt würde. Ossi Helling (Grüne Köln), der uns ebenfalls seit fast Jahrzehnten unterstützt (und die Gründung 2004 maßgeblich im Rat durchsetzte), will weiter aktiv dabei sein. Schließlich berichtete unser Freund Felix von Grünberg (MdL, SPD), wie er vom Landtag aus das Projekt unterstützt: So neulich, als er die Stadt Köln ermahnte, in Zukunft die Zwangsumzüge von Roma-Familien zu vermeiden. Albrecht Kieser moderierte souverän, und Ivana Ilic und Beata Burakowska berichteten ausführlich über die pädagogische Arbeit. AmaroKher begeht seinen zehnten Geburtstag JUBILÄUM VON ANJA KATZMARZIK Köln. Sie begann mit einer baufäl- ligen Baracke, einem Lehrer und einer Sozialarbeiterin. Die Arbeit von „Amaro Kher“ mit dem Ziel, Roma-Flüchtlingskinder von der Straße zu holen und auf die deutschen Regelschulen vorzubereiten. Heute feiert das europaweit anerkannte und mehrfach ausgezeichnete Schulprojekt für RomaFlüchtlingskinder zehnten Geburtstag, der diesen Samstag am Venloer Wall gefeiert wird. Und der Gründer- und Trägerverein Rom e.V. kann auf eine erfolgreiche pädagogische Arbeit zurückblicken. 2004 bestand noch keine Schulpflicht für Flüchtlingskinder. Der Rat der Stadt Köln griff den Vorschlag des Rom e.V. auf und beschloss die Einrichtung. So wurde die Arbeit in „beispielhafter Zusammenarbeit von Jugend- und Schuldezernat, dem Regierungspräsidium und der Landesregierung“ umgesetzt. Dabei begleitet und immer wieder wohlwollend unterstützt wurde das Projekt vom eigenen Förderverein und dem Verein „wir helfen“. Bald nach dem Start stellte die Stadt dem Projekt das Gelände am Venloer Wall 17 und später weitere Gebäude zur Verfügung. Dort eröffnete 2006 zusätzlich eine Kindertagesstätte für Zwei- bis Sechsjährige. Auch die Sozialberatungsstelle sowie das Archivund Dokumentationszentrum des SPENDEN Name Anonyme Spenden Barth, Jutta, Bonn Bastin, Peter, Troisdorf Bauhues, Heinrich Voerde Baum, Dr. Ing. Georg u. Rita Bergisch Gladbach Berchem, Regina u. Walter Bergisch Gladbach Bergfelder, Frank Bergmann-Rettenmaier, K. Beuther, Rosmarie Bergisch Gladbach Bieber, Guntram u. Ingrid Blum, Edelheide, Bergisch Gl Boecking, Simone Boehm, Rolf, Lindlar Boerger, Rolf, Köln Boff, Helga Böhm, Rolf, Lindlar Bolten-Radau, Erika Mönchengladbach Brüggen, Kai-Uwe CCC Car Center Colonia Vertriebs GmbH Cossmann, Dr. Karlheinz Deiters, Heinrich Dell, Konstantin u. Natalja Dohmann, Bernhard, Leverk Engel, Uwe, Köln Erken, Martin u. Angelika, Pu Eschweiler, Dr. Jutta, Köln Feltes, Klaus u. Margret, St. A Foehres, Brigitta (Elternscha KGS Kapitelstr.) Frank, Gottfried u. Wilma Fritz, Bernd R. U., Köln Fröhlich, Adelgunde, Ratinge Fröhlich, Wolfgang Frohn, Günter u. Angelika, Br Fuchs, Horst u. Hedwig, Düs Geissler, Pit Großhans, Prof. Dr. Hartmut Grünenberg, Wilhelm, Köln Halbe, Dr. Bernd u. Sven Roth (Medizin trifft Kunst) Hardegen, Arnold Ulrich u. Lucia, Bonn Haulsen, Uwe Henzel, Christopher und Dr. (Geburtstag) Hinzpeter, Claus u. Gertrud Kinder von Amaro Kher singen zum Welt-Roma-Tag auf dem Friesen- Horn, Juliane ARCHIVBILD: CHRISTOPH HENNES Ilgenfritz, Dr. Georg, Köln platz und lassen Luftballons steigen. Vereins zogen auf das Gelände um. Heute besuchen täglich rund 60 Kinder Schulprojekt und Kita. „In den letzten zehn Jahren hat sich Amaro Kher zu einem professionellen und ganzheitlichen Projekt entwickelt, das den Kindern und ihren Eltern den Einstieg in das oft schwer zu verstehende deutsche Schulsystem erleichtert“, berichtet die Projektleiterin Ivana Ilic. Zielgruppe sind Flüchtlingskinder zwischen sechs und 13 Jahren und Kinder aus den neuen EU-Ländern Bulgarien und Rumänien. Sie werden mit schuleigenen Bussen abgeholt, die meisten von ihnen aus Flüchtlingswohnheimen. Nach ein bis zwei Jahren wechseln die Kinder mit intensiver Unterstützung, oft durch ehrenamtliche Paten, auf Regelschulen. Die Rückmeldungen der aufnehmen- den Schulen über Amaro-KherKinder sind durchweg positiv. „Amaro Kher zeichnet seit Jahren große Personalkontinuität aus“, benennt Christoph Schulenkorf, Lehrer der ersten Stunde, einen Grund für den Erfolg. „Das bedeutet für die Kinder Verlässlichkeit undVertrauen.“ Hinzu kommt eine intensive Elternarbeit mit Deutsch- und Alphabetisierungskursen für Mütter. Und die vielen ehrenamtlichen Helfer, die seit Jahren den Unterricht von Amaro Kher unterstützen. „Sie machen diese intensive Zuwendung erst möglich“, erklärt Doris Schmitz. Zur Jubiläumsfeier eingeladen sind alle Kindergarten- und Schulkinder der vergangenen zehn Jahre und alle Wegbegleiter, die diesem Projekt zum Erfolg verholfen haben. Kölner Stadt Anzeiger 28./29.06.2014 das Märchen „Sonnenzweig“ der 2. Klasse ließ uns alle träumen. Die Königshochzeit zum Schluss, im Bollywood-Stil von Beata inszeniert, brachte den ganzen Saal zum Tanzen. Viele der fast hundert Gäste bleiben bis in den Abend. Foto © Rom e.V. Dann endlich reger Wirbel auf der Bühnen, wo ein Highlight das andere jagte. Kindergarten- und Schulkinder tanzten zu Pippi-Langstrumpf-Melodien, und Rom e.V. feiert Schulprojekt • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •• 4 Pressekonferenz: Beata Burakowska, Albrecht Kieser, Bernhard von Grünberg, Anne Lütkes, Ossi Helling, Kurt Holl, Ivana Ilic (v.l.n.r.). nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 5 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 6 ag, 5./6. Juli 2014 Kölner Stadt-Anzeiger 500 10 25 100 50 30 30 Monica, Kürten 50 n 20 100 Köln 831 100 100 l 50 r, Wuppertal 50 100 50 30 50 30 80 xemburg 50 50 50 152 . , Köln 918 20 Heinz u. Claudia 100 g. Oliver, Köln 50 Kerpen 270 usen 100 heim 10 öln 20 150 Münstereifel 20 Münstereifel 20 50 e, Köln 100 gburg 50 100 carda 80 GmbH, Köln 1500 ln 100 nna, Köln 100 20 ra Strupp-Müller 30 50 50 30 100 20 kusen 440 100 50 20 100 50 Uta, Köln 10 stel, Köln 300 Siegburg 50 ngr., Pulheim 100 10 20 350 ln 100 25 50 Ulrich, Köln 100 e 50 ng 100 Köln 50 50 üsseldorf 100 30 50 10 20 20 20 30 50 usen Köln a Rettungsring für Roma-Kinder AMARO KHER Nach zehn Jahren hat das Schulprojekt mehr Aufgaben – aber immer noch keine sichere Finanzierung VON ANJA KATZMARZIK Köln. Es waren unwürdige Zustän- de, die der Kölner Lehrer Kurt Holl im Winter 1986 schockiert vorfand, als er am Butzweilerhof sah, wie in seiner Stadt Familien leben mussten, die vor unmenschlichen Lebensbedingungen aus dem ehemaligen Jugoslawien geflohen waren. Mehrere Hundert Roma campierten verelendet im Schlamm auf einem Brachgelände wie auf einer Müllhalde. „Es war laut, eng und oft schmutzig. Für 100 Menschen gab es nur ein Toilette“, erinnert sich der Aktivist und Zeitzeuge. „Und weit und breit niemand, der sich um die Familien kümmerte.“ Von Willkommens-Kultur konnte keine Rede sein. Eher von Raus-Kultur, so Holl. „Es wurde Sozialhilfe verweigert und dafür gesorgt, dass massenhaft abgeschoben wurde.“ So wurde der Rom e.V. als Solida- Die Lehrer Beata Burakowska (von links) und Christoph Schulenkorf mit Kurt Holl, KindergartenleiterinVirginie Massotoka und Projektleiterin ritätsbündnis gegen Ausgrenzung Ivana Ilic in einem der Klassenzimmer von Amaro Kher BILDER: CHRISTOPH HENNES •• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •• 20 JAHRE Am 1.August startet neues Projekt rechtsrheinisch Viel erreicht – und noch viel vor Nach dem Vorbild der Frankfurter Kindertageseinrichtung „Schaworalle“ startete der Rom e.V. 2004 das Schulprojekt „Amaro Kher“, um Romakinder aus den schlimmen Lebensbedingungen in Notunterkünften heraus- und von der Straße zu holen, damit sie nicht kriminell werden. „Amaro Kher“ bedeutet in der Sprache der Roma „Unser Haus“. Heute besuchen täglich rund 60 Kinder das Schulprojekt und die Kita auf dem Gelände am Venloer Wall. Zielgruppe sind Flüchtlingskinder •• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •• •• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • Euro 10437 Berg. Gladbach 100 osemarie (GKG Närer 1927) 111 u. Monika 100 20 50 r 100 25 pen 100 -K. 100 n 50 xis 100 nevipe – Nachrichten und Beiträge ausHELFEN dem Rom WIR 39 e.V. und vor allem Abschiebungen von Roma-Flüchtlingsfamilien gegründet – und in der weiteren Folge sein Schulprojekt Amaro Kher. Daran erinnerte Holl jetzt bei einer Feierstunde anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Hauses am Venloer Wall. Viele der Kinder hatten sich zuvor auf der Straße herumgetrieben „und fingen an zu klauen“, erinnert sich Holl. Mit der Unterstützung der „wir helfen“-Vorsitzenden Hedwig Neven DuMont gingen diese Zahlen in der Kriminalitätsstatistik schnell zurück. Die Kinder wurden aus den Heimen geholt und in kleinen Gruppen auf den Schulbesuch vorbereitet. „Den Eltern wurde das Misstrauen genommen, Wildfremden ihre Kinder anzuvertrauen, von denen manche noch nie eine Schule besucht hatten“, schildert Lehrerin Beata Burakowska, die selbst Rom Schul- und Kindergartenkinder führten beim Fest Tänze auf und waren gerührt vom Applaus ist. Das Ziel der Unterstützer damals wie heute: die Kinder nicht etwa unter ihresgleichen zu belassen, sondern sie so schnell wie möglich in Regelschulen zu integrieren. In diesem Jahr schaffen 19 der 60 Kinder so den Absprung. Dies sei als umso größerer Erfolg anzusehen, je mehr man sich vor Augen führt, wie die Kinder auch heute noch leben. Holl: „Manche schlafen zu zehnt in einem Zimmer mit Hochbetten. Viele haben keinen Schreibtisch oder einen Platz, ihre Schultasche abzustellen.“ Kettenduldungen statt Bleiberecht erschwerten die Bildungskarrieren dieser Kinder zusätzlich. „Sie leben in ständiger Unsicherheit. Manche werden mitten im Schuljahr abgeschoben.“ Solange Regelschulen für die Inklusion von Flüchtlingskindern nicht vorbereitet und personell ausgestattet sind, „bleibt Amaro Kher ein wichtiger Rettungsring für viele Roma-Kinder“, so Kurt Holl. Finanziell ist das Projekt heute wie vor zehn Jahren immer wieder bedroht. Die Arbeit ist zum großen Teil nicht über Geld des Landes gedeckt, sondern muss im- zwischen sechs und 13 Jahren und Kinder aus den neuen EULändern Bulgarien und Rumänien. In Zukunft möchte der Rom e. V. jedoch an den Regelschulen selbst arbeiten. Am 1. August startet er dazu mit der Stadt im Rechtsrheinischen das Projekt „Ameni Usta“ („Wir stehen auf!“). Es ist – anders als Amaro Kher – dezentral und noch stärker integrativ ausgerichtet. An fünf Grundschulen sollen Roma-Kinder, die die Schule bereits besuchen, begleitet werden. (kaz) mer wieder mit privaten Spenden wie an „wir helfen“ gerettet werden. Lehrer, Honorarkräfte und Ehrenamtler bereiten Kinder hier zwei Jahre auf den Besuch einer Regelschule vor. Auch einen Kindergarten gibt es. Doch der verfügt nur über 22 Plätze, und die sind ständig belegt. Anne Lütkes, die auch im „wir helfen“-Vorstand ist, versicherte, der Verein werde in seiner Unterstützung, die er seit 2006 leistet, nicht nachlassen. „Wir müssen die Kinder bereits im Vorschulalter fördern. Jedes Kind hat nach UNKinderrechtskonvention das Recht auf Bildung. Nicht erst, wenn es schulpflichtig ist.“ > Köln Seite 32 Kölner Stadt Anzeiger vom 5./6.07.2014 Offene Jazz-Haus-Schule kämpft für Kindermusik Zukunft des Projekts „Jedem Kind ein Instrument“ ist ungewiss SPENDENZIEL deren Instrumenten gelernt. Sie längert“, musste Rainer Linke von 20 Euro im Monat zu zahlen ist für Projekt nicht doch noch gerettet: haben populäre Musik kennenge- der Jazz-Haus-Schule berichten. die meisten Eltern in dem nicht so „Die Kinder lernen hier schließlernt, eigene Lieder erfunden – in Das Problem des Vereins ist sein begüterten Stadtteil unmöglich. lich nicht nur Musizieren, sondern diesem Jahr finanziert durch das Erfolg, sagt er. Meldeten sich im „Sollen wir die anderen Kinder auch Miteinander.“ Anders als im Land NRW, die Waisenhausstif- ersten Jahrgang nur 36 Kinder an, jetzt nach Hause schicken?“, fragt Ruhrgebiet, wo das Projekt hertung der Stadt – und „wir helfen“. wurden es von Jahr zu Jahr mehr. Linke mehr rhetorisch. „Privater stammt, und anderswo in der ReDoch ausgerechnet zum fröh- Zuletzt waren es bereits 44, und Musikunterricht wie in anderen publik, kam „Jeki“ in Köln nur als lichsten Tag kurz vor Ferienbeginn nun wollen 63 von 72 Kindern mit- Elternhäusern ist für sie meilen- Modellprojekt zustande, indem VON ANJA KATZMARZIK kam die schlechte Nachricht: „Die machen. „Fördergeld bekommen weit entfernt.“ Für Schulleiterin das Land NRW mit der Offenen Köln. „Es ist wieder Donnerstag. Förderung durch der Waisenhaus- wir aber nur für maximal 45 Kin- Johanna Rottländer käme es einer Jazz-Haus-Schule direkt einen Ja, die Band sind wir“, schallt es stiftung der Stadt wird nicht ver- der.“ Einen Teilnehmerbeitrag von Katastrophe gleich, würde das Vertrag darüber schloss. Sprich: Der Verein muss auch die Ausfalldurch die kleine Aula. „Trommel, bürgschaft und damit das Risiko I-Ging, Triangel spielen wir – und konten für die Kinder von SGB-II-EmpKlavier!“ Und mit jeder Wiederfängern tragen, die sich nicht den holung schmettern die Kinder den öln vollen Beitrag leisten können. Im Refrain ihres Begrüßungsliedes 5 Fall der Kopernikusstraße ist das lauter. „Mit der Stimme gehen wir 50299 jedes zweite Kind. Linke schlägt runter oder rauf. Wir erfinden 0299 Alarm: „Die Stadt muss endlich selbst Musik und führen sie auch nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de auch bei uns mit ins Boot.“ Und auf!“ Abschlusspräsentation für DE33 7 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Foto © Amaro Kher Kontakte knüpfen Patenschaften für die Kinder von Amaro Kher Patin mit Kindern von Amaro Kher Foto © Amaro Kher Der Kontakt wird in der Schule Amaro Kher geknüpft und verlagert sich dann nach einiger Zeit in die privaten Bereiche von Patin/Pate und Kind. Zuvor wird mit den betreuenden Pädagogen von Amaro Kher besprochen, was dieses Kind besonders braucht. Meist ist das vor allem das Kennenlernen kindgerechter Angebote im gesellschaftlichen Umfeld: gemeinsame Besuche von Spielplatz, Kino, Schwimmbad und Bücherei oder die Anbindung an den örtlichen Fußballverein oder das Jugendzentrum. Oft wünschen sich die Kinder gemeinsame Aktivitäten wie Basteln oder Backen. In Einzelfällen hat auch die gemeinsame Erledigung von Hausaufgaben einen wichtigen Stellenwert. Wenn alle Kinder von Amaro Kher nach ein bis zwei Jahren an die deutsche Regelschule umgeschult werden, sind hier die Patinnen und Paten besonders wichtige Begleiter. Viele Eltern sind dankbar für die Unterstützung bei der Erledigung von Aufgaben rund um den Besuch der neuen Schule, z. B. üben des Schulweges, beantragen des Schülertickets, einkaufen benötigter Materialien usw. Viele Patinnen und Paten stehen auch mit den neuen Lehrerinnen und Lehrern in Kontakt und vermitteln bei auftretenden Problemen. Ganz klar ist: beide Seiten profitieren. Die Auseinandersetzung mit der oftmals sehr ande- ren Lebensrealität des Patenkindes verändert den Blick der Patinnen und Paten auf die ihre eigene Wirklichkeit. Die miterlebte Freude des Patenkindes an vielen einfachen Dingen berührt. Die Kinder ihrerseits gewinnen an Lebensfreude und Selbständigkeit. Sie kommen vielfältige mit der Mehrheitsgesellschaft in Berührung und profitieren langfristig von der Erfahrung erlebter sicherer Bindung. Foto © Amaro Kher Am Anfang stand die Einsicht, dass Schule nicht alles leisten kann, was wünschenswert erscheint. Zeit und Kapazitäten sind einfach begrenzt. Gleichzeitig begegneten uns immer wieder Menschen, die fragten:“Was kann ich tun?“ So wurde die Idee der Patenschaften geboren: eine ehrenamtliche Patin/ein ehrenamtlicher Pate kümmert sich für einen Zeitraum von mindestens einem Jahr um ein Kind. Patin mit Mädchen von Amaro Kher Patin mit Kindern von Amaro Kher nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 8 Gedenken an die Deportation der 1000 Kölner Sinti und Roma am 16. Mai 1940 Foto © Michael Mavé nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Kurt Holl spricht am16. Mai auf dem ehemaligen SchwarzWeiß-Platz: ist. Kurt Holl als Vertreter des Rom e.V. kritisierte die Bundesregierung, weil die von ihr selbst durchgesetzte Freizügigkeit für EU Neubürger durch die Innenminister Friedrich/de Maiziere benutzt wird, um gegen Roma zu hetzen. Holl erinnerte auch, an die von dem Künstler Gunter Demnig zusammen dem Rom e.V. im Jahr 1990 quer durch die Stadt gelegte Lackspur, die den Weg der Verschleppung vom Lager in Ossendorf bis zum Bahnhof Deutz nachzeichnete. Diese Spur sei ja später von Demnig durch Messingplatten („Mai 1940 – 1000 Sinti und Roma“) sowie durch Stolpersteine in die Straßen und damit ins Alltagsgedächtnis der Stadt eingeprägt worden. Da viele der Platten und Stolpersteine beschädigt worden seien, rief Holl dazu für deren Wiederherstellung einen Fond einzurichten. Foto © Kurt Holl Jedes Jahr ruft der Bezirk Ehrenfeld zusammen mit den Liedermachern Rolly Brings und Markus Reinhardt und ihren Bands dazu auf, an die Kölner Sinti und Roma zu erinnern, die im Mai 1940 zusammen mit vielen anderen deutschen „Zigeunern“ aus dem Rheinland in die Lager verschleppt wurden. Unmittelbar vor dem Angriff auf Frankreich im Juni wollten die Nazis den westlichen Teil des deutschen Reiches von Menschen „säubern“, die sie für unzuverlässig hielten. Zu gleichen Zeit fanden solche Deportationen auch aus Stuttgart und Hannover statt. Der Bürgermeister von Ehrenfeld, Josef Wirges, und Rolly Brings betonten, dass angesichts der antiziganistischen Hetze in vielen Ländern Europas und zum Teil auch in Deutschland Solidarität mit der Minderheit gefordert Gedenktafel in Köln-Bickendorf nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 9 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Foto © SPD „Zsoste, zsoste zso ker dam.“ „Warum, warum? Was haben wir getan?“ Foto © Michael Maye Bezirksbürgermeister Josef Wirges, SPD Gitta R., Kind von deportierten Kölner LowaraRoma berichtet, wie ihre Mutter die Deportation erlebte. Meine Mutter lebte mit ihrer Tochter, meiner großen Schwester Mimi, bei meinen Großeltern in der Bobstraße, hier in Köln. Sie erzählte mir, wie es war, im Mai 1940: Foto © Michael Maye Rolly Brings mit Band spielen zum Gedenken am ehemaligen Schwarz-Weiß-Platz Markus Reinhardt spielt zum Gedenken an die Deportation der Sinti und Roma 1940. Alle Zigeuner, die in der Nähe der Kämmergasse, der Bobstraße, der Agrippastraße wohnten, wurden morgens zwischen 4 und 5 Uhr von großen Lastwagen, auf denen schon andere Zigeuner waren, gezwungen, aufzusteigen, Mit Fußtritten oder Gewehrkolben schlug man blindlinks drauf los, egal, wen man traf, ob jung ob alt, jeder kriegte was ab. Alle schrieen vor Schmerzen, bluteten und weinten. Zsoste, zsoste zso ker dam. Warum, warum, was haben wir getan? Aber keiner wusste eine Antwort. Und die, die eine Antwort geben konnten, schwiegen. Es war eine endlose Fahrt bis zum Deutzer Bahnhof. Kaum hielten die Lastwagen an, mussten alle runter und sich aufstellen. Manche schrieen vor Schmerzen, die Kinder vor Hunger und Durst. Als alle durchgezählt waren, kam ein Oberst oder Kommandant, der veranlasste, Kinder, Jugendliche, Väter, Mütter zu trennen. Aber das klappte nicht so ganz, denn auf dem Zugtransport in den Viehwagen fand man sich wieder.“ „Eine schlimme Reise war das“, sagte meine Mutter zu mir. Es gab nichts zu essen und nichts zu trinken, damit keiner von uns zur Toilette musste, aber die war sowieso nicht da. Wir lagen oder standen meist eng gepresst aneinander, ohne zu wissen, ob der andere noch lebt. nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 10 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. In Polen angekommen, wurde ich endgültig von meiner kleinen Mimi und meinen Eltern getrennt. Ich kam nach Chinstochau in ein Ghetto. Nach meiner Entlassung hörte ich vom Tod meiner Eltern – meine Mutter starb an einer Lungenkrankheit und vor Hunger. Mein Vater kam in Treblinka ums Leben. Von meiner kleinen Mimi fehlte jede Spur. Es heißt, eine Polin hätte sie entführt. Ich hoffe, dass es stimmt. Wenn meine Mutter erzählte, weinte sie. Ich habe sie gefragt, warum bist Du wieder nach Deutschland gekommen? Sie hat mir geantwortet: „Gitta, es waren nicht alle deutschen Leute so.“ „Kölner, die durch den Krieg nach draußen verschlagen wurden.“ Aufgezeichnet von Simone Treis, Rom e.V. Köln (Kölner Stadt-Anzeiger, 19.04.1952) Wie Kölner Sinti und Roma, die das KZ überlebt hatten, nach 1945 durch die Stadt Köln behandelt wurden Ach so: Die Sinti und Roma, die mit Unterstützung der Stadt Köln, ab Mai 1940 in die KZs nach Polen deportiert worden waren, hatte es halt mal ein paar Jahre „nach draußen verschlagen.“ Ja, ja der „Herr Krieg“ war Schuld daran. Draußen, wohin „es“ sie verschlagen hatte, wurden sie dann erschlagen, erschossen oder vergast. Wenige überlebten. Die kamen nach Köln zurück. Sie hatten vor dem Krieg über die Stadt verstreut in Wohnungen gelebt, viele z.B. in Ehrenfeld und im Griechenmarktviertel. Ihre Wohnungen waren jetzt zerstört oder besetzt. 18 Familien kampierten daher im Grüngürtel an der Venloer Straße und zwar auf der Wiese, die direkt hinter dem Venloer Wall 17 liegt, also dort, wo sich heute das Gelände des Rom e.V. befindet. Sie zimmerten sich notdürftig Baracken und waren bald Stadt und Polizei ein Dorn im Auge. Zwar hieß es: „Bei der Besichtigung durch den Sozialausschuss ergab sich, dass dort eine gewisse Ordnung herrscht, weil die Zigeunergruppen ihren Boss haben, der innerhalb der Lagerstätte als Herr gilt und als ordnender Faktor respektiert wird“. (Kölner Stadt Anzeiger 19.4.1952) Aber es gab da eben keine richtigen sanitären Anlagen. Die Stadt bemühte sich daher zwar andere Obdachlose, die dort auch lebten, in Wohnungen unterzubringen. Aber eben nur „echte Kölner“. nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 11 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Für die Kölner „Zigeuner“ dagegen, die ja für die Stadt und Polizei weiterhin als „asozial“ galten – und angeblich einem „Wandertrieb“ frönten, obwohl seit Generationen in Köln ansässig – waren ja Wohnungen eh nichts. Aber eine Lösung hatte man schon, damit man diesen Schandfleck nicht weiterhin „im Stadtgebiet“ dulden musste. Sie sollten an den Stadtrand und zwar auf ein Gelände, das ihnen ja vertraut war auf den sogenannten Schwarz-Weiß-Platz in Bickendorf. Kölner Stadt Anzeiger vom 19.04.1952 Den Umzug organisierte 1952 der Kölner Oberverwaltungsdirektor, August Lentzen. Der hatte bereits 1935 im Auftrag der Nazis das „Zigeunerlager“ auf eben diesem Schwarz-Weiss-Platz eingerichtet. Die Kölner Sinti waren aus dem ganzen Stadtgebiet dorthin verbracht worden. So interniert, umzäunt und bewacht, konnte man sie dann im Mai 1940 allesamt auf einmal mit LKWs zur Messe und zum Bahnhof Deutz verbringen, wo der Deportationszug in die Ghettos und KZs bereitstand. Ende der 50er Jahre verlangten Bickendorfer und Ossendorfer Bürgerinnen und Bürger, in deren Nachbarschaft der „Schwarz Weiß Platz“ lag, die Zigeuner sollten endgültig aus der Stadt verschwinden. Also wurden sie an den nördlichsten Stadtrand auf ein Feld bei Roggendorf gebracht, wo man für sie ausgediente Eisenbahnwagons aufgestellt hatte, in denen sie wohnen sollten. Das war wieder sehr einfühlsam. Denn dieses Ambiente war ihnen ja auch vertraut. In solchen Waggons waren sie nach Auschwitz deportiert worden. Kurt Holl Literatur: In ihrer großen Untersuchung über „Die nationalsozialistische Zigeunerverfolgung in Köln haben Karola Fings und Frank Sparing auch untersucht, wie die überlebenden Sinti und Roma nach 1945 durch Kölner Behörden weiterhin ausgegrenzt und diskriminiert wurden. (S. 347ff ) impressum Redaktion und ViSdP: Kurt Holl, Jovan Nikolić, Iris Pinkepank, Ruzdija Sejdovic, Ali Tekin [email protected], www.romev.de Herausgeber: Verein zur Förderung der Roma in Köln e. V., Venloer Wall 17, 50672 Köln, +49(0)221.242536 ISSN 1868-9795 Adressaten: 3.000 Die Artikel geben jeweils die Meinung der Autorin bzw. des Autoren wieder und nicht unbedingt diejenige der Redaktion. Nevipe ist Romanes und heißt: Neuheit, Neuigkeit. nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 12 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. „...weil ihnen wie primitiven Urmenschen ein ungehemmter Okkupationstrieb eigen ist.“ BGH 1956 über Roma und Sinti Bundesgerichtshof legte 1956 fest, wie wir über „Zigeuner“ zu denken haben. Elf Jahre nach dem Völkermord der Deutschen an den europäischen Sinti und Roma traf das oberste deutsche Gericht, der Bundesgerichtshof (BGH), in einem Urteil vom 7. Januar 1956 folgende Feststellung über die „Zigeuner“, mit der Entschädigungsansprüche der Opfer abgewehrt wurden. sche Politiker und andere Promis, deren Zockereien, Betrügerein und Steuerverbrechen den Staat um Milliarden bringen, unterstellen armen Zuwanderern, frech und global, in sozialbetrügerischer Absicht zu uns zu kommen. „Da die Zigeuner sich in weitem Maße einer Sesshaftmachung widersetzt haben, gelten sie als asozial. Sie neigen, wie die Erfahrung zeigt, zur Kriminalität, besonders zu Diebstählen und Betrügereien, es fehlen ihnen vielfach die sittlichen Antriebe der Achtung vor fremden Eigentum, weil ihnen wie primitiven Urmenschen ein ungehemmter Okkupationstrieb eigen ist.“ (vgl.: Reimesch, Christian: Vergessene Opfer, Berlin, 2003, S.109) Die BGH-Richter bekräftigten damit nicht nur höchstrichterlich die übelsten Vorurteile gegen die Minderheit. Sie, die offenbar weiter nazistisch dachten, wollten deutlich machen, dass die „Zigeuner“ nicht aus rassistischen Motiven wie die Juden verfolgt und umgebracht wurden, sondern aus kriminalpräventiven Gründen zu unser aller Schutz: z.B. vor deren angeblichen „ungehemmten Okkupationsttrieb“. Die höchstrichterlichen Zyniker projizieren die Gier der nazideutschen Okkupanten, die zur Versklavung ganz Europas führte, auf diese machtlosen und gejagten Menschen. Diese Methode anderen – und zwar meist den Opfern die eigenen miesen Eigenschaften zuzuschreiben, ist auch heute wieder beliebt: Deut- nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 13 Vandalismus gegen gegen RomaGedenkplatten Roma-Gedenkplatten Foto © Kort Holl nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Vandalisierte Stolpersteine vor dem Kölner Rathaus. Gedenkplatten zur Erinnerung an die Deportation der Kölner Sinti und Roma wurden beschädigt. Diese Platten wurden vom Künstler Gunter Demnig 1990 auf Vorschlag des Rom e.V. an 25 Stellen, auf Plätzen und Bürgersteigen, in Köln eingelassen. –– –– –– Der Rom e.V. Köln will diese beschädigten Platten reparieren bzw. ersetzen lassen. Wenn wir alle zusammenlegen, können wir dies zum nächsten Gedenken an die Deportation im Mai 2015 schaffen. Bobstraße / vor dem Haus 6-8, alle Buchstaben wurden entfernt Agrippastraße / Ecke kleiner Griechenmarkt, vollkommen verschwunden Agrippastraße / Ecke Kämmergasse ebenfalls vollkommen verschwunden Von den 25 von Gunter Demnig in den 90er Jahren gelegten Platten sind 9 beschädigt oder verschwunden: –– –– –– –– –– –– Venloer Straße / vor dem Bezirksrathaus nicht vollständig: „Mai 1940“ fehlt Venloer Straße / vor St. Joseph, nicht vollständig: „Roma“ fehlt Venloer Straße / Hohe Piusstrase, nicht vollständig: falsche Reihenfolge der Platten und „und“ fehlt Venloer Straße / Hohe Hans-Böckler-Platz, vollständig, aber verdreckt vor dem Eingang zum historischen Rathaus, alle Buchstaben fehlen Heumarkt / im Aufgang zur Deutzer Brücke, diese Platte ist nach Straßenbaumaßnahmen verschwunden! Foto © Kort Holl Beiträge bitte auf das Konto10442622 bei der Sparkasse KölnBonn, BLZ37050198, Stichwort: „Gedenkplatten“. Stolpersteine vor dem Kölner Rathaus mit originalem Schriftzug. nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 14 Diskriminierung durch die Reduktion auf das Klischee des Folklore-“Zigeuners“ Foto© Hasiba Dzemajlji nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Hasiba Dzemajlji bei einer Kungebung Eine Aktivistin spricht über die Kontinuität der Diskriminierung der Roma taz: Frau Dzemajlji, was denken Sie, wenn Sie dieser Tage Zeitung lesen? Hasiba Dzemajlji: Vieles deutet darauf hin, das die Probleme ethnifiziert werden. Armutszuwanderung etwa wird mit der Zuwanderung von Roma assoziiert. taz: Ist nicht gerade das Problem, dass Roma in Südosteuropa kaum Chancen haben, ihre Familien zu ernähren? Hasiba Dzemajlji: In der Debatte wird die Ursache der Armut nicht berücksichtigt und die liegt in der Diskriminierung. Wenn ich keinen Job bekomme, weil ich als Roma identifiziert werde oder wenn mein Kind in der Schule blutig geschlagen wird, dann schicke ich es irgendwann nicht mehr hin. So fängt das an. taz: Aktuelle Studien belegen einen Anstieg antiziganistischer Ressentiments. Wie lässt sich das erklären? Hasiba Dzemajlji: Als Betroffene fällt es mir schwer, Vorurteile zu erklären, die nichts mit mir zu tun haben. Das Konstrukt des typischen Rom oder der typischen Romni ist Folklore. Ich verstehe nicht, wie eine Angst vor einer Ethnie herrschen kann, die keine Lobby hat und noch nie einen Krieg angefangen hat. Aber Studien bestätigen, dass 80 Prozent der Roma diskriminierende Erfahrungen gemacht haben - auch von staatlicher Seite. taz: Wie meinen Sie das? Hasiba Dzemajlji: Ich habe zum Beispiel eine Tochter mit einem Deutschen. In der Schule muss sie ihre Herkunft angeben - sie ist Deutsche. Von der Lehrerin wird ihr aber immer wieder gesagt: Sie sei doch keine Deutsche, weil ihre Mama eine Romni ist. taz: Sie würden von staatlicher Diskriminierung von Roma in Deutschland sprechen? Hasiba Dzemajlji: Ja. Dafür kenne ich viele Beispiele aus meiner Beratungstätigkeit: Wenn Kinder aus ExJugoslawien nicht in der Schule angemeldet werden, wird sich darum nicht gekümmert, weil Roma ohnehin nicht zur Schule gingen. Roma-Kinder werden bis zu drei Klassen unter Ihrem Niveau eingeschult und es werden ihnen die Chancen auf höhere Bildungsabschlüsse verwehrt. taz: Welche Chance sehen Sie, dem Antiziganismus entgegenzuwirken? Hasiba Dzemajlji: Es geht nur in Kooperation mit den Institutionen, den Kommunen und der Mehrheitsbevölkerung. Vielleicht gelingt uns irgendwann, dass wir als Menschen mit all unseren Stärken und Schwächen akzeptiert werden. Interview: JPB mit Hasiba Dzemajlji, Sozialberaterin beim Rom e. V. http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=r a&dig=2014%2F06%2F19%2Fa0071&cHash=2490c74c eab8d6fa956dd4d24e17a263 nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 15 Jazz-Musikerin und Sintezza Dotschy Reinhardt Foto© G. U. Hauth nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. über Hobby-Gypsies und andere Diskriminierungen Dotschy Reinhardt, Jazz-Musikerin Wie die Popindustrie und sogenannte Weltmusiker von Klischeebildern der „Zigeunerinnen“ und „Zigeuner“ profitieren Gaby zum Beispiel. Sie ist Fotografin und berichtet auf ihrem Blog “Gypsy Diaries” von ihren aufregenden Reisen quer durch Europa. Sie bezeichnet sich selbst als “modern Gypsy”, weil sie 20 mal umgezogen ist und in fünf verschiedenen Ländern gelebt hat. Die Besucher/innen ihres Blogs beneiden sie für ihr lässiges „Gypsy-Leben” und wären auch selbst gern so frei, unabhängig und sexy wie ein “Gypsy”. Ein Lifestyle, den auch die Frauen in der US-amerikanischen scripted reality-TV-Serie “My Big Fat American Gypsy Wedding” verkörpern. Dort werden die vermeintlichen „Gypsies“ von den Machern dazu instrumentalisiert, jedes nur erdenkliche Klischee zu erfüllen: Die Männer sind ungehobelte Machos, streitsüchtig, prollig und saufen, und die Frauen sind heiße Bräute im Minirock, mit tiefen Ausschnitten und Highheels, die sich von ihren Männern unterdrücken lassen. Oder Lady Gaga. Auch sie fühlt sich als “Gypsy“ und verkündete kürzlich: ”Ich habe diesen Song geschrieben, als ich um die ganze Welt reiste. Man sagt, dass ein Gypsy keine Heimat hätte, aber ich habe immer ein Zuhause bei euch.” Doch höchst wahrscheinlich hatten weder Lady Gaga noch die anderen “HobbyGypsies” je eine reale Begegnung mit Sinti und Roma. Es ist so viel leichter und massentauglicher, die gängigen Vorurteile gegen „Zigeuner“ zu bedienen als verantwortungsvoll mit Menschen und deren kulturel- len Erbe umzugehen, deren Vergangenheit nicht von Romantik, sondern von der Bewältigung eines harten Lebens geprägt ist. Weit ab von der Realität existiert also eine Parallelwelt, in der die “Gypsy-Industrie” das “Zigeunerthema” ausschlachtet. Sie verfälscht die Kultur und reproduziert Klischees und Stereotypen, die schlimmsten Falls zum Feindbild stilisiert werden. Ein Feindbild, das Rassisten wiederum als Vorlage für Hetzparolen gegen Sinti und Roma aufgreifen. Wer sich aber gegen diesen oft verharmlosten “Positiv-Rassismus“ auflehnt, wird meist belächelt. So auch “Mr. Wort zum Sonntag ”, Peter Hahne, der sich in seinem Buch “Rettet das Zigeunerschnitzel” über Political Correctness empört und Begriffe wie „Zigeunerschnitzel“ und „Negerkuss“ bedroht sieht. Dabei lässt der selbstgefällige Bildzeitungs-Publizist mit der sanften Stimme völlig außer Acht, dass an die 500 000 Sinti und Roma in der Nazi-Zeit unter diesem Begriff verhaftet und vergast wurden. Sinti und Roma sind auch heute noch regelmäßig verbalen und körperlichen Angriffen ausgesetzt. Von der Gesellschaft und manchen Politikern werden sie bestenfalls geduldet, aber nur selten erwünscht. Obwohl gerade deutsche Sinti schon seit 600 Jahren in diesem Land leben, werden sie nicht als gleichberechtigte Deutsche behandelt, sondern als Fremdkörper wahrgenommen. Die Hemmschwelle der Gewaltbereitschaft der Mehrheitsgesellschaft gegenüber Minderheiten sinkt – das belegt das Ergebnis der letzten Europawahl. Nicht nur in Ländern wie Ungarn und der Tschechoslowakei wird gezielt und erfolgreich gegen Roma und auch nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de GmbH & Co. KG, K Emde, Monika, Kö Engelbach, Helga J Bergisch Gladbach nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Schulbegleiter und Schauspieler Mirco Monshausen liest im Leseclub vor BILDER: STEFAN WORRING Engels, Wolfgang P Purple Schulz ist Promi-Pate Eul, Adelheid Sinti gehetzt. Feindbilder, die von rechtsradikalen Roma-Generation ihre Identität als Sinti/zi und Roma/ Fehd, Waltraud Der erste ist, stellvertretend für die Fischer, Ursel Rechtsanwaltsgesellschaft Luther,Front National, NPD, AFD Parteien wie UPIK, Jobbik, nia verleugnen, um im Beruf erfolgreich oder nicht Gabriel, Hans-Gün Thomas Weidlich. Er ist selbst Vagegenüber Sinti und Roma verbreitet werden, finden entlassen zu werden. Gerlach, Dr. Klaus ter und will mit seinen Verlagskonihren vielerortsLesestoffin die Mitte der Gesellschaft. Die Gessner, Verena, K takten Weg kindgerechten traditionsbewussten “Vaterlands-Beschützer” tragen Es gibt aber auch noch eine andere, erfreuliche Rea- Giese, Brigitte, Brü Nachschub besorgen. „Märchen Goebbels, Reiner aus aller Welt“Gesinnung etwa, mit passenihre braune heutzutage unter dem Busilität. Denn die erste Akademiker-Generation dieser Gritzmann, Bettin den Kostümen dazu. Der zweite ist nessanzug, und Marine Le Pen eben unter der weißen Minderheit etabliert sich inzwischen in höheren beHabiger, Frank, Kö mit Purple Schulz ein ProminenBluse. Das Saubermann/-frau-Image kommt bei den ruflichen Positionen und Ämtern, und es gibt immer Hahn, Jochen ter. Er will mit den Kindern lesen Heimann, Charlott Leuten besser an. mehr junge Menschen, die selbstbewusst zu ihrer und musizieren. „Sie haben viel Herkunft stehen. Menschen wie die Romni Soraya Post Helin, Ulrich u. Elg rhythmisches Talent.“ Der gebürtiHennes, Ursula ge Kölner, wohnhaft in Glessen, Wer die Realität über Sinti und Roma erfahren möchvon der schwedischen “Feministischen Initiative” zum Herberg, Ingrid hatwird aber auch schonjenseits Regale organite, sie also von Popkultur, Lifestyle-Blogs, Beispiel. Sie zieht mit 5,3 Prozent in das Europäische Heuser, Peter u. Ge siert. Initiiert hatte den Antrag an Tarotkarten Karnevalskostümen suchen müssen. Parlament ein. Ihren Erfolg bei den Wählern wertet sie Hietkamp, Rosema „wir helfen“ und Lehrerin Theresa Etwa einem Einfamilienhäuschen, wo die Sinti als Zeichen gegen die menschenverachtende Rhetorik Hoffmann, Christe Stang.inZwar würde sie den KinHoffmann, Stepha Hauptsache Lesen: Bücher zumAls Thema „Star eines Wars“ Juden sind amund schnellsdern auch vorlesen, „aber das ist Die beiden PatenThomasWeidlich Familie zusammen frühstückt, in der Uni, in der eine der Rechtspopulisten. Tochter Hollenbach, Klaus Unterricht. Hiermit das ihren ist freiwillig teneiner in der Bibliothek vergriffen hier von Hedwig Neven DuMont (l.) und Purple Schulz junge Romni Kommilitoninnen im Hörsaal Romni hat sie am–eigenen Leib gespürt, wie es Hopf, Manfred u. M und was ganz anderes.“ Wie Kino Hornfischer, Peter sitzt, oder in den Fußgängerzonen, in denen Romaist, als Mensch zweiter Klasse behandelt zu werden. im Kopf. Nach nur wenigen Tagen Jacob, Margarete Am 3. Juni durch Köln laufen oder radeln – damit mehr Kinder lesen lernen Kinder Saxofon während ihre Mütter betteln Neben mehr Schutz für Minderheiten und AntirasErprobung ist klar:spielen, „Sie saugen Jarre, Dr. Gudrun, das hier bei einer Lesung und ausauf“, denwie Mülleimern Pfandflaschen herausfisismus setztInsie sichJahr auch für Gleichstellung und Fast jeder fünfte 15-Jährige kann clubs an Schulen. diesem von die Körpermanager Erik RandriaKalscheuer, Reiner mit Kollege nur auf Grundschulniveau er am 3. Junider rundFrauenquote um das narisoa den Leselauf über fünf schen, umund einSchauspieler paar EuroMirfür das tägliche Leben zu lesen findet Einführung ein.aufDenn für Soraya Kaufhold, Dr. Wolf co Monshausen zu sehen war. Die und schreiben, mehr als 15 ProRhein-Energie-Stadion statt. Ausoder zehn Kilometer vorbereiten; Kabutke-Kaufhold sichern. Ein Leben, das in erster Linie eines ist: hart Post beinhaltet ein Kampf für Gleichberechtigung Kinder, auf Riesenkissen ruhend, zent der Grundschüler erreichen richter ist auch hier die Stiftung die Teilnahme ist kostenlos. Die Kazimierski, Margr und gefährlich. ohnehin, jeder wurden sofort still und genossen nicht die Mindeststandards im Le- Runeiner & RideMinderheit for Reading. den Feminismus Gruppen treffen sich bisda zum 31. Keller, Franz-Josef Mensch den gleichen WertMai hat: unabhängig von Abeinen kurzen Vortrag aus „Reiter sen. 7,5 Millionen Menschen sind jeweils samstags (weitere TerKeul, Sabine Brigit des eisernen Drachen“. Sie wüss- funktionale Analphabeten. Zurstammung Vorbereitungund hat sie mit der mine auf Anfrage) immer um 9 Laut der neuen „Mitte-Studie“ der Leipziger Univer-Das Geschlecht. Klein, Helga u. Dr. ten den Wert zu schätzen, so Schulsind keine Zahlen aus einem EntBarmer GEK die Aktion „Das Uhr am Bismarckturm am GustavKlein, Peter, Hürth sität sind Roma und Sinti extremen Stigmatisierunsozialarbeiterin Sabine Schmitz. wicklungsland, sondern aus Rheinland macht sich fit für den Heinemann-Ufer/Bayenthalgürtel Knetsch-Holtkamp gen 55,9Der Prozent Deutschen halten http://blogs.faz.net/10vor8/2014/06/23/gypsy-life„Hierausgesetzt. wird nicht getobt. Raum aller Deutschland. Leselauf“ unter der Schirmherr(Haltestelle: Bayenthalgürtel, LiKohlschein, Gabrie Angehörige dieserfürMinderheit style-3-1932/ ist etwas Besonderes sie.“ Don- für kriminell, 47,1 schaft von Ausdauersportler Joey nie 16). Um Anmeldungen bei Kronenberg, Gerti nerstag wird der nächste DamitInnenstädten mehr Kinder lesen lernen Kelly ins Leben gerufen. In LaufLauftrainer Erik wird gebeten. Sie Prozent möchten, dassvon sie16 aus den ganz Kuntze, Bernd u. I Kölner Leseclubs Es fertig. An dernicht undverwunderlich, damit Chancen für dass eine gute gruppen können sichzu alle, unab- Reinhardt: ist möglich per Telefon 01 72Lehr, Karl Wolfgan Weitere Infos Dotschy www.proton-berverschwinden. ist daher Heinrich-Schieffer-Hauptschule Bildung haben, fördert der Kölner hängig von Alter und Fitness, un- 9 18 48 89 oder E-Mail an: Lipp, Dietmar u. Ba lin.de/kuenstler/dotschyreinhardt_info.html gerade die Frauen und Männer der älteren Sinti und mit dem Sam- in Dellbrück. Promi-Pate ist hier Leselauf die Einrichtung von Lese- ter der professionellen Betreuung [email protected] Mallmann, Adele W BILD: RAKOCZY Joey Kelly. Mangold, Gertrud Maus, Heribert, Kö May, Anneliese Molzahn, Christel Morongowski, He nten Müller, Heinz u. He n mit der Müller-Herbig, Ren bung.“ Ein Mädchen in der Grup- lingskind“ schreibt. 1992 mit ihren nierung sprechen“, sagt Kuratorin Mundt, Eberhard u elfen – daWELT-ROMA-TAG pe erlebte dies gerade hautnah. Ih- Eltern aus Sarajevo nach Deutsch- Gordana Herold von der Romane- Naaf, Herbert u. H gehört“ Inre große Schwester wurde allein land gekommen, erfahre sie bis Romnja-Initiative. Neben den Natzheim, Ralf u. D n und Junach Serbien abgeschoben, weil heute Nachteile im Beruf. „Wer üblichen Anfeindungen sehen sie Nolden, Christina, Ihrer Regisie volljährig geworden war. lässt sich schon die Haare von ei- sich zusätzlicher Unterdrückung Odor, Ferdinand u und diese Zeitgleich wurde im Kalk Kar- ner Romnji schneiden!“ ausgesetzt. „Wer sich emanzipiert, Ohligschläger, Mo rn. Spenree eine Ausstellung eröffnet, die Roma und Sinti werden oft ausge- hat innerhalb der Familie eine Ott, Roswitha en können VON TOBIAS CHRIST die Leistungen vieler Roma- und grenzt, der Begriff Zigeuner ist schwierige Stellung“, so Gordana Pätzold, Peter u. E m Köln. BisUND ANJA KATZMARZIK Sinti-Frauen würdigt. Hier kommt seit Jahrhunderten mit negativen Herold. Die Ausstellung der Dip- Pink, Elfriede, Köln 0 Euro einetwa die Friseurmeisterin Rifeta Klischees behaftet. Besonders lom-Dolmetscherin und Sozialpä- Polter, Brigitte, Ka t wird komKöln. „Gesundheit für meine Fami- Sejdic zu Wort, die über ihr schwer haben es in der Kultur der dagogin informiert über Religion, Porten, Rudolf, Fre n. lie“, „ein Auto“, „immer bei Ama- „schweres Leben als Gastarbeiter- Sinti und Roma die Frauen. „Man Sprache und die historischen Wan- Quodbach, Ulrich Radermacher, Kath ro Kher bleiben“: Das waren eini- kind, als Roma-Kind und Flücht- kann von einer Mehrfachdiskrimi- derungsbewegungen. n des gege der vielen Wünsche, die 26 VorVor allem räumt sie mit den Kli- Richrath, Anton u. stützungsschul- und Schulkinder aus dem schees von der hausierenden Zi- Rotthoff, Gabriele lauten: Familien- und Bildungsprojekt des geunerfrau in bunten Röcken und Schäfer, Hans u. El Rom e.V. anlässlich des Welt-Romit vielen Kindern auf. Ein diffe- Schäferdiek, Raine ma-Tages am Dienstag in Mülrenzierterer Blick auf eine vielsei- Schilling, Dirk u. C heim in einer Flaschenpost im tige Minderheit, das ist Herolds Schmitz-Montz, H 99 Rhein auf die Reise schickten. AuZiel. Die Frauen auf den Ausstel- Ursula, Köln 9 ßerdem hatten sie Zettel dabei, mit lungstafeln haben sich trotz großer Schröder, Ingrid denen sie die Passanten auf dem Widerstände und Ressentiments Stang, Else Helene 33 Wiener Platz informierten. Viele durchgesetzt. Es bleibt ihr Steuerberatung Pa wünschten sich schlicht „eine Wunsch, „dass wir auch als Berei- Stodolka, Hildegar n Stritzel, Hans, Leic richtige Wohnung“. cherung gesehen werden“. Ulbrich, Brigitte, K „Die Kinder leiden unter den Le98 Werner, Regina, Kö bensbedingungen in den Wohnhei„Die Vielfalt der Roma“ ist bis 12. 8 men“, berichtet Ivana Ilic als ProApril am Ottmar-Pohl-Platz 1 zu se- Werner-Kesting, G jektleiterin der Schule, „und leben Vorschul- und Schulkinder des Projekts Amaro Kher informierten am hen und wandert dann durch Kölns Winkler, Heinz u. C 33 Witt, Nicole, Köln in ständiger Angst vor Abschie- Dienstag mit Handzetteln über den Welt-Roma-Tag BILD: MARTINA GOYERT Bezirksämter. helfen“ zum ben auf diese en konnte. Da 16 mit Autogramielern sowie Kaiserzeit für n Besitzer gemen konnten helfen“-Konwerden. Roset nun ein (etlbum mit den mter Schauhre wie Lilian s, Emil Janmann, Joan ene Dietrich . Es soll minür den guten Verbindliche April (0 Uhr) lfen, Amster35 Köln), per 3) oder per [email protected]. Das den Zuschlag Kauf. (kaz) Rückzugsrefugium dienen kann. Davon überzeugte sich „wir helfen“-Vorsitzende Hedwig Neven DuMont mit den beiden Paten. Gegen den Griff in die Klischee-Kiste Eine Ausstellung und Amaro-Kher-Kinder gegen Vorurteile Kölner Stadt Anzeiger vom 09.04.2014 nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 17 Nadine Papai Roma-Empowerment in Österreich Foto © Nadine Papai nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Nadine Papai Als Geschäftsführerin der Gesellschaft für bedrohte Völker Österreich (GFBVÖ) setze ich mich besonders für die Selbstbestimmungsrechte von Minderheiten und indigenen Völkern ein. Die thematischen Schwerpunkte der GFBVÖ sind der Kampf gegen die Auswirkungen von Rohstoffabbau auf indigene Völker und Minderheiten und die Einschränkung der Menschenrechte von ethnischen Minderheiten und indigenen Völkern in verschiedenen Regionen der Welt. Im EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration der Roma bis zum Jahr 2020 sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, die aktive Einbindung der gesamten Roma-Zivilgesellschaft und aller anderen Interessenträger – auch auf regionaler und lokaler Ebene – in die Strategien zur Einbeziehung der Roma zu fördern. Wir ergreifen daher alle nötigen Maßnahmen, dass Roma selbst für ihre Anliegen sprechen und dafür politisch wirksam eintreten können. Eine besondere Rolle kommt der Einrichtung einer Dialogplattform des österreichischen Bundeskanzleramtes zu, auf der sowohl Vertreterinnen und Vertreter staatlicher Stellen, als auch jene der zivilgesellschaftlichen Vereine und Fachleute aus Wissenschaft und Forschung kooperieren. Die Plattform ist dabei nach den Richtlinien in der EU-Strategie dazu verpflichtet, die Umsetzung der nationalen Konzepte nicht ohne die Einbeziehung der Roma geschehen zu lassen und den Austausch bereits bewährter Verfahren zu fördern. Bisher wurde dies von europäischen Regierungen nicht ernst genug genommen, und ohne die Beteiligung der Roma führten Maßnahmen auch zu keiner Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen. Genau hier wollen wir mithelfen sicherzustellen, dass Roma hier ein gewichtiges Mitspracherecht haben. Daher haben wir die Plattform „ROMA4ROMA“ ins Leben gerufen. Sie zielt auf die politische Partizipation der Roma und Sinti Österreichs innerhalb der europäischen Strategie zur Inklusion der Roma bis 2020. Wir stellen sicher, dass Roma alle nötigen Informationen erhalten, insbesondere um über alle notwendigen Skills für ein eigenständiges, politisches Agieren verfügen. Die Plattform soll in weiterer Folge als „Think Tank“, eine Art „Wissenspool“ aktiv sein, die politische Beiträge zur österreichischen Dialogplattform liefert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind dabei vor allem junge Roma, die sich für ihre Rechte engagieren wollen, bzw. bereits in verschiedenen Initiativen tätig sind. Sie brauchen auch einen „offenen Ort“, an dem alle Anliegen auf Vernetzungstreffen gehört werden können und auch Möglichkeiten zur Zusammenarbeit unter den Roma und Sinti geschaffen werden. Insbesondere wenden wir uns dabei an junge Vertreterinnen und Vertreter von verschiedenen in Österreich lebenden Roma-Gruppierungen. Zur Person Nadine Papai ist studierte Kultur-und Sozialanthropologin mit den Schwerpunkten europäische Minderheiten und internationale Entwicklungszusammenarbeit. Als Angehörige der Burgenland-Roma hat sie schon sehr früh begonnen, sich besonders für die Anliegen der Roma einzusetzen und kennt die Probleme und Anliegen der jungen Roma- Aktivitstinnen und Aktivisten gut. Sie hat Erfahrungen in zahlreichen nationalen und internationalen Projekten gesammelt und ist seit Sommer 2012 Geschäftsführerin der GFBVÖ. Mehr über unsere Arbeit unter www.gfbv.at nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 18 Romanes-Diplom an der Universität von Paris Foto ©Runzdija Sejdović nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Schriftsteller und Mitglied im Rom e.V., Ruzdija Sejdović, auf der Romanes Konferenz der Sorbonne in Paris am 17./18. Juni 2014 Foto ©Runzdija Sejdović Ruzdija Sejdović mit Marcel Courthiade in der Universität Paris. Marcel Courthiade, Linguist und Professor für RomaSprache und Kultur an der Sorbonne in Paris, hatte mich eingeladen, weil ich in der Roma-Sprache schreibe. Grundlage für Romanes-Studierende, die einen Master-Abschluss oder ein Doktorat in Lingustik anstreben, sind u.a. auch meine Schriften. Um weitere Fortschritte zu erreichen, habe ich Prof. Courthiade nach Köln eingeladen. Er wird auf einer Konferenz referieren, die der Rom e.V. im November 2014 anlässlich des Internationalen Tags der RomaSprache organisiert. Unser Ziel sollte sein, dass die Linguistik und Erlernen des Romanes auch an der Universität Köln eingerichtet wird und ebenso in der Lehrerausbildung. Arbeitsblatt zur Ethymologie des Wortes Ćhip (Zunge, Sprache). Foto ©Runzdija Sejdović Thema der Konferenz war die Umsetzung der Beschlüsse des Warschauer Kongresses von 1990 zur Standardisierung der Roma-Sprache, die in vielen Dialekten und ebensovielen Schreibweisen existiert. In der Diskussion betonte ich die Notwendigkeit der Umsetzung der Standardisierung auch in Deutschland, damit an deutschen Universitäten und Schulen eine einheitliche Version des Romanes gelehrt werden kann. Ruzdija Russo Sejdović Weitere Infos: http://www.red-rrom.eu/home.page http://rrominalco.hypotheses.org/rromani http://sedyl.cnrs.fr/spip.php?article309&lang=fr Ruzdija Sejdović (2.v.l.) mit Romanes-Studierenden am INALCO der Universität Paris. nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 19 ROM e.V. nahm teil am Dialog der Zivilgesellschaft mit der EU-Kommission Foto © Kurt Holl nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Ismeat Stojković vom Vorstand des Rom e.V. erläutert die Strukturen unseres Vereins. Foto © Kurt Holl Anlässlich des dritten europäischen Roma-Summits am 4. April 2014 in Brüssel lud die RAA Berlin und die EU zu einer Aussprache über die Fortschritte der Integration der Roma in Bildungsbereich ein. Der Rom e.V. nahm am 7. Mai 2014 an dieser Veranstaltung in Düsseldorf teil. Anwesend war auch die Leiterin des Roma-Teams des Directorate-General of Justice der EU Kommission, Ilona Negri. Hier stellten eine Reihe von NGOs ihre Bildungsarbeit vor, u.a. die RAA Berlin, das Projekt Migovita/Köln, der Förderverein Roma/Frankfurt, Romno Kher/Mannheim, Madhouse/München, Schulverwaltung Hamburg und der LV Schleswig Holstein der Sinti und Roma. Für den Rom e.V. erläuterte Daniel Strauss vom Zentralrat deutscher Sinti und Roma hält den Einführungsvortrag. Ismeta Stojković, Ko-Leiterin des neuen rechtsrheinischen Schul-Projektes des Rom e.V. die Arbeit des Rom e.V. vor allem im Bildungsbereich, auch an Hand eines Organigramms. Anlass der Tagung war ein Papier der EU, das sich kritisch mit der Umsetzung des EU Beschlusses von 2011 auseinandersetzte, nämlich mit der Erstellung einer „Nationalen Strategie zur Integration der Roma bis 2020“. Die deutsche Regierung hatte sich 2011 explizit gegen die Entwicklung nationaler Roma-Strategien entschieden und auch nicht wie gefordert eine Nationale Kontaktstelle mit Koordinierungskompetenzen ausgestattet. Zur Diskussion eingeladen waren die Autorin des Kommentars zur deutschen Roma-Inklusionspolitik, Ilona Negri, und VertreterInnen von Fachministerien zu den entsprechenden Themenbereichen, um mit der Zvilgesellschaft über Roma-Inklusion in Deutschland und Europa zu diskutieren. ...eine Pikanterie am Rande: In der Antwort der Bundesregierung auf die Forderung der EU nach einer nationalen Roma-Strategie wird als einziges (!) praktisches Beispiel für deutsches Engagement (in NRW) zur Roma-Integration das Projekt Amaro Kher des Rom e.V. aufgeführt. Das ehrt uns sehr. Wir haben allerdings keine Lust, als Alibi für eine verfehlte bzw. nicht vorhandene Nationale bzw. NRW-Roma-Strategie zu dienen. nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 20 Selam Pató, Ruzdija Sejdović und Jovan Nokolić treffen Harri Stoyka in Ulm Foto © Ruzdija Sejdović nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Die dem Rom e.V. eng verbundenen Roma-Schriftsteller Jovan Nikolić, Ruzdija Sejdović und Selam Pató waren die Stars des diesjährigen Donaufests in Ulm. Ihr Auftritt wurde begleitet von Harri Stoyka, dem renommierten österreichischen Jazzvirtuosen. Foto © Ruzdija Sejdović Ruzdija Sejdović und Harri Stoyka Harri Stoyka lehnt es als Rom vehement ab, sich und die Roma mit dem diskriminierenden Begriff „Zigeuner“ apostrophieren zu lassen. Er hat in Wien dagegen eine erfolgreiche Kampagne initiiert. Foto © Ruzdija Sejdović Foto © Reinhard Loidl Jovan Nokolić (r.) und Harri Stoyka (im Hintergund links) Selam Pató und Harri Stoyka nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 21 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Roma-Häuser versanken in der Flut – Rom e.V. startete eine große Hilfsaktion in Obrenovac, Serbien Nach der Flut, Roma in Obrenovac. “Es gibt keine Musik mehr, die Leute weinen nur noch über die Toten, die Alten weinen die ganze Zeit.“ Die schlimmste Flutkatastrophe seit 120 Jahren hat in Serbien und Bosnien auch Tausende von RomaFamilien obdachlos gemacht. Ihre Häuser und Hütten wurden fortgerissen. Ihre Habe wurde weggespült. Noch immer werden Menschen vermisst. Die geretteten Familien sind zwar oft in öffentlichen Hallen zusammen mit den anderen Flutopfern untergebracht worden, doch deren Versorgung mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Kindernahrung und Medizin ist prekär. Noch immer stehen ganze Rom-Siedlungen, die oft direkt am Flussufer liegen, unter Wasser und sind von der Außenwelt abgeschnitten, weil Straßen unterspült und Brücken zerstört sind oder Bergrutsche die Wege blockieren. Kadaver von Rindern und Schweinen treiben im Wasser und erhöhen die Seuchengefahr. Oft sind Familien in höher gelegene Orte geflohen, andere kampieren unter Eisenbahnbrücken ohne Frischwasser und Nahrung. Nachricht an die Kölner Verwandten von einem Roma-Vater aus Obrenovac Kölner Roma-Familien, deren Verwandte in Serbien von der Katastrophe betroffen sind, haben verzweifelte Anrufe erhalten und baten den Rom e.V. um Hilfe. Wir beschlossen daher einen Hilfstransport zusammenzustellen, der die nötigsten Artikel vor allem in die Gebiete bringen soll, wo noch keine öffentlichen Unterkünfte und Versorgung bereitstehen. Unser Spendenaufruf brachte bis Ende Juni über 25.000 € ein. Den ursprüngliche Plan, Lebensmittel, Decken und Babynahrung bzw. Windeln in Köln zu erwerben und dann mit LKWs nach Serbien zu transportieren, musste aufgegeben werden, weil Einfuhrbestimmungen und vor allem Versicherungsschutz für das Nicht-EULand Serbien zu kompliziert waren. Selbst die Direktlieferung aus Frankreich von über Tausend Gemüsedosen der Firma Bonduelle, die auf Vermittlung unseres Freunde Robert Pütz möglich wurde, stellte eine logistische Herausforderung dar, die nur durch das Engagement der Spedition Emons und von Herrn Scholl bewältigt werden konnte. Der Rom e.V. konnte Dank der Kontakte unseres Mitarbeiters Jovan Nikolić einen erfahrenen Partner in der Stadt Obrenovac gewinnen. Zur Zeit sind Mitarbeiter des Rom e.V. in Belgrad bzw. Obrenovac, die dort unter der Leitung von Ismeta Stojković die Hilfsgüter einkaufen und den Transport organisieren. Sie überwacht auch die Verteilung an die ca. 300 Familien, die in Obrenovac die Hauptopfer der Flut sind. Wir werden über die Hilfsaktion vor Ort in der nächsten Nummer ausführlich berichten. Wir werden die Hilfsaktion fortsetzen müssen und bitten weiter um Spenden. Bitte überweisen Sie auf folgendes Konto und geben Sie im Verwendungszweck das Stichwort “Flut” an. Empfänger: Verein zur Förderung der Roma in Köln e.V. IBAN: DE29 3705 0198 0010 4426 22 BIC: COLSDE33XXX Stadtsparkasse Köln nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 22 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 23 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 24 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 25 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de streff utschen 26 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. HEUTE – MORGEN ÜBERMOR 1000 werden zu onzerten artet der DienstleisDB), in dem zahlammengeschlosltet vom 29. Mai n Köln sein 17. fen. Fast 1000 ängerinnen aus den erwartet. An ala, die am 29. r im Hotel Marit Tenor Johannes er der „German tag, 30. Mai stefür allgemeines m Programm, um Maritim, ebenDorint-Hotel und Trinitatiskirche; eils frei. DenAbin Begegnungs18 Uhr, im Hotel 28. MAI Film/Ge Luftaufnahme der überfluteten Stadt Obrenovac. Der Kölner Verein Rom e. V. sammelt Geld für einen Transport in die Krisenregion. BILD: AP/DPA Kölner bangen um ihre Familien SPENDEN Rom e. V. organisiert einen Hilfstransport zu den Opfern der Flut in Serbien „Traumwärts“: E wird der Film des Leichtathleten un Martin Szafranski Ein früherer Junki ren zu den weltb gehört, will das „R America“, eines d Radrennen der W Doch dann komm und sein Traum p programm führt M der renommierte ge und Spezialist sche Entomologie minalist bei „Galil als „Dr. Made“ bek Gespräch mit dem zeipräsidenten W über Träume. zu organisieren. Zudem appelliert 19 Uhr, Odeon, S der Verein an die Kölner Auslän- Eintritt: 7,50 Eur derbehörde sowie das InnenminisEs sind Bilder, die erschüttern: Kinterium, derzeit keine Flüchtlinge der sitzen schreiend in einem kleiin die Region abzuschieben. nen Boot, mit dem ihre Familie aus Mehr als 20 Roma-Familien und ihrem überfluteten Haus gerettet dass das Bundes- wird. Und die schlechten NachrichPartnervereine aus Obrenovac und m letzten Mal in ten aus der serbischen KrisenregiBelgrad bitten um Hilfe für ihre m Jahr 1951. Die on, in der die Flutkatastrophe gewüvon der Flutkatastrophe betroffee ein Jahr zuvor tet hat, reißen nicht ab. Was bereits nen Verwandten. Der erste Lastwader Vereinigung bei Unbeteiligten Besorgnis erregt, gen mit Hilfsgütern soll Ende diengesangsvereine bringt andere Kölner fast um den ser Woche losfahren. Betroffene, standen war, sei Verstand. Angehörige der Opfer, mit denen die Organisation in und je, ist Bun- die Hilferufe aus ihrer Heimat erKontakt steht, berichten, dass vor r Uwe-Jürgen halten oder aber Verwandte derzeit allem Hygieneartikel für KleinkinDer SDB sei „ei- nicht erreichen, bangen mit den der, aber auch Erwachsene gevon ihrem Auf- Landsleuten. Wie Mica Jovanovic, braucht würden. Auch an Verberzeugte große die im Flüchtlingswohnheim Geisbandsmaterial, Generatoren und Kriminalbiologe M weiterhin konti- selstraße lebt. Sie erzählt: „Es gibt Babynahrung mangele es. Um geund neue Freundzielt das Benötigte schnell und Die ersten Bewohner ndischen Chören günstig besorgen zu können, bittet 29. MAI Musik werden auf jeden Fall (cs) der Verein die Kölner um Unter- Gloria Cooper, Pr stützung. Direktorin der ren erst einziehen, wenn Hedwig Neven DuMont hat sich Long Island Unive alles fertig ist BILD: REUTERS dem Aufruf bereits angeschlossen Kinder werden aus ihrem überfluteten Haus gerettet. ihr Quintett entfü und wird die Aktion mit privaten hörer mit swinge s Tages! Caritas-Chef Peter Krücker Mitteln unterstützen. „Wir dürfen keit in die New Yo RD.de Auch die serbisch-orthodoxe Gemeinde hilft die Menschen in den Gebieten welt des „Great A keine Musik mehr, die Leute weinen nur noch über die Toten. Die In der Krisenregion fehnicht alleine lassen“, sagt sie. Jede book“. Begleitet w ckungen in Mengen ab Stunde erreichen den Verein neue von Heiner Wiber Alten weinen die ganze Zeit.“ Vie- len: Hygiene-Artikel für zehn Stück annehmen. Hiobsbotschaften. „Viele konnten Klaus Osterloh (Tr le seien in Privathäuser zu Ver- Erwachsene und Kinder, Abgegeben werden könnicht mehr evakuiert werden, sind chen Schaal (Bass wandten geflüchtet, wo es keine Kinder- und Babynahnen sie montags bis freiöffentliche Hilfe für sie gibt. Die rung, Kinder- und Babyvermisst oder ertrunken. Alle ha- Wasserfuhr (Drum tags von 10 bis 15 Uhr Bewohner seien ohne Trinkwasser, kleidung, Konserven, ben ihre Häuser, Hütten und ihren stalter verspricht am Venloer Wall 17. Besitz verloren“, berichtet Kurt „das mit Eleganz u weil die Brunnen überflutet sind. Tee, Kaffee, SonnenbluHoll. Das Haus einer Familie, die keit des amerikan „Obrenovac ertrinkt“, schlägt menöl, Unterwäsche für Der Transport erfolgt Kurt Holl, Vorsitzender des Rom Erwachsene, Generato- Kurt Holl der Rom e.V. unterstützt, sei zu- stream besticht. V durch Mitarbeiter des e.V., Alarm. In der Stadt südlich ren zur Stromerzeusammengestürzt und wegge- tet Cooper die am Vereins, die Verteilung : schwemmt worden. Oft steht nur Standards.“ von Belgrad, in der der Verein auch gung, Decken, Socken und Schu- durch einen Partnerverein, mit noch das Fundament. Menschen betreut, leben viele Ro- he. Medikamente sind nicht erdem der Rom e.V. seit langem zuARD gibt es bei ma. Aber auch in anderen Städten laubt. Der Verein Rom e.V. war vor 13 20 Uhr, Altes Pfan sammenarbeitet. Mitglieder des enschau 2014 und Dörfern ist die Lage prekär. Jahren erstmals in der Stadt Obre- täuserwall 20. Ei Vereins werden vor Ort sein. Bonus auf Holl: „Nach unseren Schätzungen Der Verein Rom e.V. sammelt novac und ihrer Roma-Siedlung. Euro. Damals kümmerte er sich dort um sind etwa 10 000 Roma-Familien Geld, um die benötigten Güter zu Wer durch eine Geldspende helageskarten an Flüchtlinge aus dem Kosovo, die betroffen.“ 5000 haben alles verlo- kaufen. Sachspenden kann er aus fen will, kann sich telefonisch inren, was sie besaßen. In einer eilig hygienischen Gründen nur von dort Unterschlupf gesucht hatten. formieren: ☎ 02 21/25 38 76 oder einberufenen Sitzung in den Ver- Firmen und Geschäften annehHoll: „Es fehlte schon damals an 30. MAI Theater 01 51/41 96 80 09 . Informationen e/abocard allem. Jetzt brauchen uns die Men- „Don Quijote“: St einsräumen am Venloer Wall hat men. Von Privat kann er nur Gü- gibt e s auch im Internet. (kaz) schen dort noch dringlicher. Es soll mann inszeniert n der Rom e. V. beschlossen, einen ter in verschlossenen Originalpa- www.romev.de Hilfsgütertransport in das Gebiet schon viele Tote geben.“ rühmten Roman v Cervantes. Der er Kölner Stadt Anzeiger vom 28.05.2014 1605 und geriet a einem Riesenerfo FEN tor nötigte, eine F schreiben. Don Q ter von der trauri nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de t VON ANJA KATZMARZIK Appelle an den neu gewählten Stadtrat 27 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Roma in einem Bunker voller Rattengift untergebracht Der Ombudsmann der serbischen Regierung, Sascha Janković, erhebt heftige Vorwürfe gegen lokale Behörden: Der Ombudsmann stellte fest, dass diesen Bürgern mit Roma-Herkunft, einschließlich ihren Kindern, weder medizinischer noch sozialer Schutz noch andere notwendige Unterstützung zuteil wurde, die anderen Bürgern in der Situation besonderer Schutzlosigkeit nach der Evakuierung aus ihren überfluteten Häusern gewährt wurde. Nach den traumatischen Erlebnissen, als die Flut ihre Häuser wegspülte, sind die Roma, die gerade mal ihr Leben retten konnten, neuen schlimmen Zuständen ausgesetzt. Sicher sind lokale Behörden angesichts der landesweiten Verwüstungen überfordert, aber offenbar sind Roma-Angehörige diejeningen, für die als letztes und am schlechtesten gesorgt wird. Dazu kommt, dass eine Rückkehr in ihre Dörfer lange nicht möglich ist, weil nicht nur ihre Behausungen, sondern die gesamten Infrastrukturen zerstört sind. Straßen sind durch Flüsse oder Bergrutsche nicht mehr passierbar, Stadtverwaltung, Schulen mit allen Schulmaterialien, Kindergärten, medizinische Zentren, ihre Felder, Gemüsegärten, Geschäfte und Werkstätten zerstört. Auf einer Pressekonferenz sagte der Ombudsmann am 4. Juni 2014 „Die Roma sind die von der Flut und deren Aus- wirkungen am schlimmsten betroffene Gruppe.“ „Einer Gruppe von Bürgern mit Roma-Herkunft, die aus ihren überschwemmten Häusern in informellen Siedlungen evakuiert wurde, ist nicht die gleiche Hilfe zuteil geworden, wie anderen von dem Unglück betroffenen Bürgern. Darauf wies der Ombudsmann für Bürgerrechte Saša Janković hin. Die zuständigen Behörden lehnen jedoch die Verantwortung ab. Die Hilfsaktionen des Rom e.V. für die Roma-Familien wird also weitergehen müssen. Bitte helfen Sie uns dabei. Ein erster Konvoi ist bereits zusammengestellt. Wir informieren weiter. Wir bedanken uns für die bereits eingegangenen Spenden und weisen darauf hin, dass wir bei Angabe einer Postadresse auch Spendenquittungen ausstellen. Eine Gruppe von dreißig Roma, darunter zwanzig Kinder, waren in verschiedenen Räumlichkeiten öffentlicher Behörden und Institutionen untergebracht, von denen keine einzige den hygienischen Anforderungen entspricht. Im Aufnahmezentrum in Dobanovci ist ihnen die Unterkunft aus offen diskriminierendem Gründen verweigert worden, sagt Ombudsmann Saša Janković. Sie wurden schließlich in einen Bunker aus dem Krieg eingewiesen. Bitte überweisen Sie Ihre Spende auf folgendes Konto und geben Sie im Verwendungszweck das Stichwort “Flut” an. Empfänger: Verein zur Förderung der Roma in Köln e.V. IBAN: DE29 3705 0198 0010 4426 22 BIC: COLSDE33XXX Stadtsparkasse Köln „Tage und Nächte haben sie in einem Raum ohne Toilette verbracht, sie hatten keine Möglichkeit, sich zu waschen, waren ohne ärztliche oder jede andere Hilfe. In einer Nacht wurden sie nach Dobanovci gebracht, aber dort wurden sie nicht aufgenommen. Auf der Autobahn haben sie stundenlang im Bus gewartet. Am Ende haben sie sie in einen Bunker voller Rattengift gebracht. Ohne Toilette, warmes Wasser oder Abwasserkanal. Im Gesundheitszentrum wollten sie sie nicht untersuchen wie die anderen, die aus Obrenovac kamen, da sie nicht aus dieser Stadt kommen.“ (Saša Janković lt. Radio Slobodna Evropa 30.5.2014) nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 28 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. „Sichere“ Herkunftsstaaten oder: staatlicher Antiziganismus? Der Bundestag wird demnächst über den Gesetzesvorschlag der Bundesregierung zu sogenannten sicheren Herkunftsländern entscheiden. Dieses Gesetz richtet sich eindeutig gegen Roma. Wir sind gespannt, wie sich insbesondere die SPD zu dieser weiteren Aushöhlung der UN-Flüchtlingskonvention verhält und werden die Kölner Abgeordneten dazu befragen. In der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD war es bereits angekündigt, jetzt liegt ein Gesetzesentwurf vor: Die Staaten Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Serbien sollen zu sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt werden. Dieser Gesetzesentwurf zielt einzig darauf ab, Asylverfahren von Roma beschleunigen und abgelehnte Asylbewerber schneller abschieben zu können. Eventuelle Klagen gegen Abschiebebescheide haben dann keine aufschiebende Wirkung mehr. Die Ausreisefrist beträgt eine Woche. Über Eilanträge soll das Gericht „grundsätzlich innerhalb einer Woche“ entscheiden. Begründet wird die geplante Gesetzesänderung unter anderem mit dem Argument, dass Asylgesuche aus diesen Ländern aus „asylfremden Motiven“ gestellt werden und „offensichtlich unbegründet“ sind. Das trifft nur zu, sofern man einer die systematische Verschränkung von Diskriminierung und Armut ignoriert, die für Roma in diesen Ländern zu einem massiven Elend führt. Das Konzept der „sicheren Herkunftsstaaten“ ist aus sich heraus diskriminierend. Es verstößt gegen internationales Recht. Ob einer Person Schutz gewährt werden muss, bleibt immer eine Frage der individuellen Fluchtgeschichte. Werden die genannten Länder tatsächlich gesetzlich zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt, werden die Möglichkeiten für Roma, ihrer aussichtslosen Situation zu entkommen, massiv eingeschränkt. Sie haben dann faktisch keine Chance mehr, sich gerichtlich eine Duldung zu erstreiten und mittelfristig auch ein humanitäres Bleiberecht zu erhalten. In amtlichen Dokumenten der serbischen Regierung ist von offenem Hass und von offener Gewalt gegen Roma die Rede. Eine Kommission der EU hat kürzlich erneut den fehlenden Schutz von Roma in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien kritisiert. Zahlreiche Berichte des UNHCR und von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen weisen nach, dass Roma elementare Menschenrechte nur bedingt in Anspruch nehmen können. Darum liegt beispielsweise die Lebenserwartung für Roma-Frauen in informellen Siedlungen bei nur 48 Jahren, wie das Ministerium für Menschenrechte und für Minderheiten 2009 in Serbien herausfand. Die Kindersterblichkeit ist drei Mal höher als im Landesdurchschnitt. Es mag vielleicht juristisch beschränkten Vorstellungen genügen, von sicheren Herkunftsstaaten zu reden, wenn man Menschen abschieben will, die hier wie dort als unwürdige und nutzlose Arme betrachtet werden. Mit einem humanitären, menschenrechtlich angemessenen Umgang mit Roma-Flüchtlingen hat dies jedoch nichts zu tun. Das könnten sogar diejenigen wissen, die zwar vom Einwanderungsland Deutschland reden, Arbeitskräfte sollen angeworben werden, aber den Rechten von Flüchtlingen, insbesondere Roma-Flüchtlingen, die menschenrechtlich angemessene Beachtung verweigern. Internationale Organisationen haben übereinstimmend festgestellt, die Situation der Roma in BalkanLändern ist katastrophal. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hält es für menschenrechtswidrig, massenhaft Menschen in Verhältnisse abschieben zu wollen, in denen sie gewaltförmiger Diskriminierung unterliegen. Umfassende Diskriminierung von Menschen müsste, ginge es menschrechtsgemäß zu, als Fluchtgrund endlich anerkannt werden. Dazu wäre ein Verfahren bereitzuhalten, das fair ist und in dem sämtliche relevanten Bedrohungen, rechtlichen Einschränkungen sowie sozioökonomische Benachteiligungen ermittelt werden. Eine systematisch betriebene Diskriminierung oder Benachteiligung in ihrer kumulativen Wirkung kann sehr wohl Verfolgung, die folgenreiche Beeinträchtigung des Existenzrechtes von Menschen bedeuten und damit nationalen bzw. internationalen Schutz rechtfertigen. Albert Scherr, Dirk Vogelskamp für das Komitee für Grundrechte und Demokratie nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 29 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Roma-Feindlichkeit nimmt sprunghaft zu Mutige Bügerinnen und Bürger besorgten sich ausziehbare Baumscheren und schnitten die Plakate ab. Da waren‘s sichtbar weniger und die Aktivisten der Neonazis kamen mit dem Wiederanbringen nicht mehr nach. Die Aktion der Demonstranten verlief im Übrigen sehr zivil. Die abgenommenen Plakate wurden unversehrt der Polizei übergeben. Gleichzeitig wurde Anzeige erstattet wegen Volksverhetzung. Einige Aktivisten erreichte ein Brief der Staatsanwaltschaft. Darin wurde von der Staatsanwätlin Frau Odendahl rabulistisch argumentiert, dass man die Nazi Parolen durchaus anders verstehen könne, und so eine Forderung wie„Stopp der Asylantenflut“ doch seit Jahren bekannt wäre. Statt Pro Köln wurde den Demonstranten angedroht, dass jetzt gegen sie wegen einer Anzeige von Pro Köln ermittelt werden müsse. Soeben ist die Studie „Antiziganismus in der deutschen Öffentlichkeit“ von Markus End in der Bundespressekonferenz vorgestellt worden. In ihr wird ausführlich dargestellt, wie die Minderheit als „Zigeuner“ bundesweit diskriminiert wird. Zwar sind als rechtsextrem bezeichnete Einstellungen in Deutschland auf dem Rückzug, wie aus einer am Mittwoch in Berlin vorgestellten Analyse der Universität Leipzig mit dem Titel „Die stabilisierte Mitte“ hervorgeht. Ausländerfeindlichkeit ist aber immer noch stark verbreitet. Allerdings sank sie in den vergangenen zwölf Jahren von 26,9 Prozent auf 18,1 Prozent. Selbst der Anteil derjenigen, die ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild haben, ging demnach von 9,7 Prozent im Jahr 2002 auf 5,6 Prozent im Jahr 2014 zurück. Weitere Infos: Die stabilisierte Mitte: http://www.amadeu-antoniostiftung.de/w/files/pdfs/mitte_leipzig_internet.pdf Antiziganismus in der deutschen Öffentlichkeit: http://www.sintiundroma.de/uploads/media/2014Stu dieMarkusEndAntiziganismus.pdf Das Schreckensbild des Zigeuners hält sich beharrlich: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/ sinti-und-roma-zentralrats-vize-silvio-peritore-ueberressentiments-a-973351.html Feindbild Roma. Das Beispiel Duisburg: www.lottamagazin.de Angesichts einer abnehmenden Ausländerfeindlichkeit überrascht es die Forscher offenbar, dass bestimmte Migrantengruppen besonders diskriminiert werden. Diplompsychologe PD Dr. Oliver Decker von der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig sieht hier in der Einwanderungsdebatte eine »Differenzierung nach Nützlichkeitsaspekten« und eine »Empfänglichkeit für die Ideologie der Ungleichwertigkeit«. Sprunghaft gestiegen ist die Zahl derjenigen, die »eher« oder »voll und ganz« der Ansicht sind, »Sinti und Roma sollten aus den Innenstädten verbannt werden«. Während 2011 noch 27,7 Prozent diese Meinung vertraten, waren es in diesem Frühjahr 47,1 Prozent. Viele Kölnerinnen und Kölner können jedoch für ihre Stadt keine Entwarnung geben. Vor der Europa-Wahl waren anfangs noch große Teile der Stadt mit den Hetzplakaten der Kölner Neonazis von Pro Köln übersät, angebracht in ca. 10 m Höhe an Laternenmasten. Auf ihnen wurde Angst vor dem Islam geschürt und kaum verhüllt dazu aufgerufen gegen die Asylbewerber vorzugehen. nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 30 Ismetas Torten und Foto © Ismeta Stojković nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. die Spicy Girls Ismeta Stojković mit ihrer „Auto“-Torte Foto © Ismeta Stojković Diese Leidenschaft ist auch auf mich übergesprungen, so dass ich sehr früh kochen konnte. Bereits mit dreizehn-vierzehn Jahren beherrschte ich viele Gerichte. Ungefähr mit fünfzehn, habe ich mich getraut, einen Kuchen zu backen, aber das Experiment war nicht erfolgreich, und ich habe beschlossen, es für eine län- gere Zeit dabei bewenden zu lassen. Bis zum meinem zweiten Versuch, beschäftigte ich mich mit anderen Sachen: Abitur, Studium, Arbeit und mit meiner Ehe. Als sich der erste Geburtstag meines Sohnes näherte, beschloss ich, seine Geburtstagstorte selber zu backen. Es war eine große Herausforderung, aber die Liebe zu meinem Kind so groß, so dass ich mich traute! Die Torte ist mir gelungen, und seitdem habe ich mich mehr und mehr für das Backen interessiert und mir immer größere Ziele gesetzt. Das Backen alleine war mir auf einmal nicht mehr genug, ich wollte verschiedene Foto © Ismeta Stojković In unserer Familien war jedes Treffen ein Anlass zum Kochen und Backen. Manchmal dachte ich schon, dass es zu viel sei, aber seltsamerweise, bin ich heute genau so! Gutes Essen und Kochen war immer ein Thema bei uns und nicht nur das! Es ist eine Leidenschaft! nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 31 Foto © Ismeta Stojković Foto © Ismeta Stojković nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Formen und Figuren backen, und für jeden Geburtstag meines Sohnes habe ich ein neues Styling probiert. Das war immer viel Arbeit. Schließlich bin ich keine gelernte Konditorin, aber trotzdem machte es mir eine riesige Freude und die strahlenden Kinderaugen waren meine größte Belohnung. Nachher habe ich verschiedene Torten für andere Kinder aus meiner Familie gebacken, für Familientreffen und wichtige Ereignisse. Wir nennen uns „Spicy Girls“ und möchten in diesem Jahr ein kleines Kochbuch herausgeben mit den Rezepten und Fotos von den Gerichten, die wir gemeinsam vorbereitet haben. Den Mädchen macht es auch Foto © Ismeta Stojković Foto © Ismeta Stojković Diese Leidenschaft fühle ich immer noch, so dass ich sie auch teilweise auf meine Arbeit übertragen habe. Seit ein paar Monaten leite ich ein Koch- und Backprojekt mit Sinti- und Roma-Mädchen in Köln-Porz und versuche, meine Begeisterung weiterzugeben. In der Kochgruppe sind acht bis zehn Mädchen im Alter von 12-18 Jahren. Wir kochen oder backen traditionelle Roma-Gerichte, die wir dann gemeinsam essen und gleich vereinbaren, was wir nächste Woche zaubern werden. Flugblatt der Spicy Girls Spicy Girls beim Backen. nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 32 Foto © Ismeta Stojković Foto © Ismeta Stojković nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Spicy Girl beim Backen. Foto © Ismeta Stojković sehr viel Spaß und mit der Zeit haben sich individuelle Interessen und Talente gezeigt. Spicy Girls beim Backen und Fotografieren. Torten und Kuchen „erfinden“, backen und verzieren für immer meine Leidenschaft bleiben wird! Ich backe sie für Menschen, die ich sehr mag und die mir etwas bedeuten. In jedem Stück steckt viel Liebe – und sie merken es. Das macht mich glücklich und zufrieden Ismeta Stojković, Vorstand Rom e. V. Foto © Ismeta Stojković Spicy Girls präsentieren ihr selbstgekochtes Essen. Ismeta Stojković (3.v.l.) und die Spicy Girls. nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 33 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Bücher “In dieser Hölle haben wir fünf Jahre verbracht…” Susanne Urban u. a. (Hg.), Fundstücke. Stimmen der Überlebenden des „Zigeunerlagers“ Lackenbach, 48 Seiten, 9,90 € Eine neue Publikationsreihe des International Tracing Service (ITS) startet. Darin berichten Überlebende aus dem “Zigeunerlager” Lackenbach. „Ich wurde am 11. November 1944 im ‚Zigeunerlager’ Lackenbach geboren, schreibt der Obmann des Kulturvereins österreichischer Roma, Rudolf Sarközi, im Vorwort der Broschüre Fundstücke. Stimmen der Überlebenden des „Zigeunerlagers“ Lackenbach. Ein Großteil der Verschleppten wurde in den NS-Todesfabriken umgebracht. Als die Rote Armee das „Zigeunerlager“ im April 1945 befreite, lebten dort noch etwa 300 bis 400 Menschen. Darunter Rudolf Sarközi und seine Eltern. Fast 50 Prozent der österreichischen Roma und Sinti wurden ab 1940 in Lackenbach, auf einem Gutshof im Burgenland, unweit der Grenze zu Ungarn, interniert. Aufgrund der mangelnden Hygiene und der schlechten Ernährung starben Hunderte, ihre Leichen verscharrte man auf einem nahegelegenen jüdischen Friedhof. Unterlagen aus dem Archiv des Internationalen Suchdiensts in Bad Arolsen dokumentieren die Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma während des NS-Regimes. Die Akten belegen aber auch, wie die Täter und Helfershelfer des Genozids nach 1945 ihre Karrieren in Österreich und Deutschland unbehelligt fortsetzen konnten. Etwa Robert Ritter, der als Leiter des „Rassehygenischen Instituts“ mehr als 20.000 „Zigeuner“ rassisch begutachtet hatte, arbeitete ab 1947 für das Jugendamt der Stadt Frankfurt und betätigte sich weiterhin in der „Zigeunerforschung“. Die Überlebenden Sinti und Roma musste dagegen Jahrzehnte um ihre Anerkennung als NS-Verfolgte kämpfen – sie galten weiterhin als „asozial und arbeitsscheu“ und somit als zurecht inhaftierte Bevölkerungsgruppe. Ihre Diskriminierung endete auch nach 1945 nicht, wie beispielsweise die zunächst als „Zigeunerstelle“, später als „Landfahrerstelle“ bis in die 1970er Jahre bestehende Abteilung des Bayerischen Landeskriminalamtes zeigt. Das österreichische „Zigeunerlager Lackenbach“ wurde erst 43 Jahre nach dem Krieg einem Konzentrationslager gleichgestellt. Mit dem ersten Band der Reihe „Fundstücke“ will der ITS Verfolgten eine Stimme geben und wenig bekannte, aber historisch bedeutsame Zeugnisse aus den Jahren des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit der Öffentlichkeit vorstellen. Dabei sei es auch beabsichtigt, Bezüge zur Gegenwart herauszustellen, wie Susanne Urban, Herausgeberin der Reihe und Leiterin der Abteilung „Forschung und Bildung beim ITS“, unterstrich. Denn: „Europa hat offenbar noch immer nicht gelernt, Antiziganismus zu ächten und gegen diese gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit vorzugehen“. nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 34 Patricia Pientka, Das Zwangslager für Sinti und Roma in Berlin-Marzahn. Alltag, Verfolgung und Deportation, Metropol Verlag, Berlin 2013, 239 S., € 19,-- Foto © DW nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Die hier anzuzeigende Publikation beruht auf der Magisterarbeit der Verfasserin. Patricia Piontka studierte in Berlin Neuere und Neueste Geschichte, Mittelalterliche Geschichte und Philosophie. Seit Oktober 2012 ist sie Mitglied der Graduiertenschule des Zentrums Jüdische Studien. Sie arbeitet zur Zeit an einer Dissertation zu den deutsch-jüdischen Beziehungen zwischen Berlin und Tel Aviv seit dem beginnenden 20. Jahrhundert bis heute. gehört der Minderheit der deutschen Sinti an. Die Entscheidung zum Thema ihrer Magisterarbeit erkläre sich, sagt sie, auch familienbiografisch. Das „Zigeunerlager Marzahn“ am Rand der Reichshauptstadt Berlin war das mit Abstand größte einer ganzen Reihe kommunaler Lager, die in den ersten Jahren des NS-Regimes entstanden. Zwischen 1936 und 1945 wurden dort schätzungsweise 1.200 Roma festgehalten. Bislang gab es dennoch nur erst einige wenige Aufsätze dazu. Pientkas Arbeit geht darüber in Inhalt und Umfang weit hinaus. Die Historikerin stellte sich die Aufgabe, die Geschichte des Zwangslagers auf der Basis bislang nicht genutzter archivalischer Quellen und der Angaben in Erinnerungsberichten ehemaliger Insassen umfassend zu rekonstruieren. Dabei ordnet sie die lokalen Entwicklungen in den allgemeinen Prozess einer schrittweisen Verlagerung der Initiative von der kommunalen auf die zentralstaatliche Ebene ein. Pientka beschreibt die Gründungsphase des Lagers im Vorfeld der Olympischen Spiele 1936. Sie hebt hervor, dass die Festnahmeaktion im Juli 1936 sowohl in Wohnwagen auf privaten Standplätzen als auch die zahlreichen in Normalwohnungen lebenden Berliner Roma betraf. Sie schildert die äußerst eingeschränkten Wohn-, Ernährungs- und Gesundheitsbedingungen in Marzahn und wendet sich dabei ganz besonders den Kindern und Jugendlichen des Lagers zu. Sie schildert die Forschungsaktivitäten des Rassenhygienikers Gerhart Stein. Dabei kommt sie auf den „modernen“ kulturalisierten Rassismus zu sprechen, den Stein vertrat, wenn er meinte, nicht „angeborene Kriminalität im Sinne der Minderwertigkeit“ bewirke kollektive Kriminalität von „Zigeunern“, sondern „dass der Zigeuner als Sammler einen anderen Eigentumsbegriff hat“. Das können wir nach wie vor genauso bei „Zigeunerforschern“ wie Bernhard Streck und Barfußforschern wie Thilo Sarrazin finden, die sich frei von Rassismus wähnen, weil sie – verbal – zum erbbiologischen AltRassismus Abstand halten. Eine bizarre Episode bildete die Verwendung von Roma aus Marzahn als „Südländer“ bei der Filmproduktion. Von besonderer Bedeutung in den Erinne- Patricia Piontka rungen von Zeitzeugen war dabei der RiefenstahlFilm „Tiefland“. Leider ist es nur ein Fußnote, mit der Pientka darauf eingeht, dass Riefenstahl deshalb noch 2002 gezwungen wurde, dazu und zur anschließenden Deportation der Statisten nach Auschwitz Stellung zu nehmen (der Rom e. V. spielte dabei als Initiator eine wichtige Rolle). Von der Zentralisierung und Radikalisierung der Verfolgung leitet Pientka über zu den Deportationen eines großen Teils der Insassen in die Vernichtung in Auschwitz-Birkenau im März 1943. Dabei verliert sie nicht den Blick auf die Lebenssituation der wenigen in Marzahn Zurückgebliebenen, etwa die Hälfte von ihnen Kinder und Jugendliche. Sie dokumentiert die verzweifelten Versuche der Verschonten, verschleppte Familienmitglieder freizubekommen oder doch wenigstens Hafterleichterungen zu erwirken. Auch das Lager Marzahn war vom Luftkrieg betroffen. Schutzmöglichkeiten wie Luftschutzkeller oder -bunker waren allerdings den Angehörigen der deutschen Volksgemeinschaft vorbehalten. Die Marzahner Roma versuchten, sich mit selbst gegrabenen Erdlöchern zu behelfen. Pientkas Darstellung endet nicht mit der Befreiung der überlebenden zwei Dutzend Lagerbewohner durch die Rote Armee Ende April 1945. Die Autorin fragt nach der Nachgeschichte des Zwangslagers und nach Anerkennung und Entschädigung für die Betroffenen. Marzahn lag im Berliner Osten. Hier galten die Regelungen der SBZ bzw. der DDR für die Anerkennung und Unterstützung von Opfern des Faschismus (OdF). Dabei ist nicht zu übersehen, dass zu diesem Zeitpunkt Selbstorganisationen fehlten, wie sie erst Jahrzehnte später nicht zuletzt im Kontext der NSAufarbeitung entstanden. Das war ein ganz entschei- nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 35 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Weitere zehn Jahre brauchte es, bis der Senat von Westberlin die in Marzahn Internierten als rassisch Verfolgte anerkannte, was für das Bundesgebiet ohne Bedeutung blieb. Erst 2001 wurde das Lager durch Beschluss der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ in deren Haftstättenverzeichnis aufgenommen und somit nach dem Tod nahezu aller Internierter offiziös als Haftort anerkannt. Ähnliches wie für die rechtliche Anerkennung gilt – wenngleich mit erheblicher Zeitverschiebung – im Vergleich der beiden Staaten auch für die Erinnerungs- und Gedenkpolitik. Pientka verweist dabei auf die bedeutende Rolle des DDR-Bürgerrechtlers Reimar Gilsenbach. Mit ihrer gründlichen Studie hat Patricia Pientka historisches Wissen für ein würdiges Gedenken bereitgestellt und mit den von ihr wiedergegebenen Familiengeschichten der in Marzahn Festgehaltenen und von dort Deportierten einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über Verfolgung und Vernichtung deutscher Sinti und anderer Roma aus deren Perspektive geleistet. Ulrich F. Opfermann dender Unterschied zu den politisch Verfolgten (die im Westen allerdings schon bald unter einen linken Generalverdacht gestellt wurden) und zur jüdischen Minderheit. Zu den ohnehin schon bestehenden Schwierigkeiten – schwere Traumatisierung, tiefes Misstrauen gegenüber staatlichen Instanzen, mangelnde formale Kompetenzen angesichts unzureichender Schulbildung, Unkenntnis von und Ungeübtheit im Umgang mit administrativen und juristischen Regelungen – kam, dass allein bei der Verfolgtengruppe der als „Zigeuner“ Deklarierten die OdF-Anerkennung an „den Nachweis eines festen Wohnsitzes und einer Beschäftigung“ geknüpft war. Am 8. und 9. November 2013 hatte der Rom e.V. zusammen mit der Evangelischen Akademie im Rheinland eine Tagung ausgerichtet zum Thema „Roma eine unerwünscht Minderheit in Europa“. Die Dokumentation der Beiträge der Referenten dieser Tagung ist jetzt vor Kurzem erschienen. Sie kann beim Rom e.V. für 5 € bezogen werden. Die Autorin bleibt nicht bei der Beschreibung der unzureichenden Bedingungen für die so genannte Wiedergutmachung und für die Restitution enteigneter Werte stehen. Sie benennt als Ursachen die Fortexistenz der bekannten antiziganistischen Zuschreibungen. Die blieben ungeachtet der jeweiligen grundsätzlichen politischen Neupositionierung in der BRD und in der DDR über die nationalsozialistischen Verbrechen hinaus weiterhin auf allen Ebenen unbefragt lebendig und wirksam. Deutlich früher als in der BRD verbesserte sich die rechtliche Lage in der DDR. Dort wurde 1967 mit den entsprechenden entschädigungsrechtlichen Konsequenzen das Zwangslager Marzahn als KZ-ähnliches Lager anerkannt. Dass der Aufenthalt dort Haftcharakter gehabt habe, akzeptierte ein Westberliner Gericht erst zehn Jahre später. Das hatte wie die ganze Entschädigungsdiskussion im Westen viel damit zu tun, dass für die Juristen die Aussagen der früheren Verfolger mehr zählten als die der Verfolgten. nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 36 „Lo real – le réel – the real“ Foto © loreal_israelgalvan_5797fulljavierdelreal nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. im Kölner Schauspielhaus Israel Galván: Lo real, le réel, the real Compañía Israel Galván aus Spanien im Juni zu Gast bei den Internationalen Tanzgastspielen der Bühnen Köln Was ist wahr, was ist real? Der Flamencotanz ist real und wahr. Gesang, Rhythmus, Tanz und Gitarrenbegleitung, all das steht für die Explosion südländischer Leidenschaft. Das Bild von Flamenco tanzenden »Zigeunern« ist nicht nur in Deutschland seit Jahrzehnten fest in die Köpfe eingebrannt. Real – und grausam – sind die Verfolgung, die Deportation und die Ermordung der Sinti und Roma in den deutschen Konzentrationslagern. Israel Galváns hochpolitisches Tanzstück ist inspiriert von Leni Riefenstahls Film »Tiefland«, dessen Dreharbeiten zwischen 1940 und 1944 stattfanden. Für diese wurden 68 Sinti und Roma wegen ihres südländischen Aussehens aus dem Konzentrationslager zur Arbeit als Komparsen verpflichtet und anschließend wieder ins Lager zurückgebracht. menten der Ruhe und der Stille, nimmt Galván im Flamenco eine Vorreiterrolle ein. Unterrichtet von Vater José Galván und Mutter Eugenia de los Reyes, wurde er sozusagen in den Flamenco-Tanz hineingeboren. 1994 wurde er Mitglied der Compañía Andaluza de Danza unter Mario Maya und erhielt während des folgenden Jahrzehnts fast jeden wichtigen Flamencopreis, u.a. den Giradillo-Preis bei der FlamencoBiennale Sevilla, den Hoy-Flamenco-Kritikerpreis als bester Tänzer des Jahres 2001 und 2005, den Spanischen Nationalpreis für Tanz und 2008 den Premio Ciutat de Barcelona. Seit der Gründung seiner Company und der ersten eigenen Produktion im Jahr 1998, wächst sein Ruf als waghalsiger und riskofreudiger Künstler mit jeder neuen Arbeit. Weitere Infos: http://www.seedance.org Den unauflösbaren Widerspruch, hier die Faszination der Nationalsozialisten für »Zigeunerromantik« und den Flamenco, dort die gnadenlose rassische Verfolgung und Ermordung durch dieselben Nationalsozialisten, verdeutlicht Galván mit dem Mittel der Montage. Gleichzeitig bricht er mit dem Klischee des Flamenco, befreit ihn aus diesem Gefängnis, ohne ihn dafür zu verdammen. Israel Galvan Man beschrieb ihn als „revolutionär“, „Avantgarde“ und einfach „ein Genie.“ Bekannt für seine komplexe ‚Schnellfeuer‘ – Beinarbeit, unterbrochen von Mo- nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de 37 nevipe – Nachrichten und Beiträge aus dem Rom e.V. Kultur-Highlight am 22. August: Großes Konzert der Roma und Sinti Philharmoniker in Brauweiler oft bis zu über 100 Musiker, die verstreut in großen Orchestern spielen, immer wieder zusammen und führen unter der Leitung Sahitis klassische Werke großer Komponisten auf. Es sind vor allem Werke, die durch die Musiktraditionen der Roma und Sinti inspiriert wurden. Programm : Classic Nights I Kálmán Csèki Falling Dance Béla Bartók Rumänische Volkstänze für Streicher Leo Weiner Divertimento 1 und 5 Rodion Schtschedrin Carmen-Suite nach Georges Bizet für Streichorchester und 5 Schlagzeuger Datum: Zeit: Ort: Freitag, 22. August 2014 20.00 Uhr Marienhof der Abtei Brauweiler Riccardo Sahiti, Roma Musiker und Dirigent, floh 1999 vor den Mordbanden der UCK nach Deutschland. Diese hatten unter ihrem damaligen Anführer Hashim Tahciheute Ministerpräsident des Kosovo) ein „ethnisch reines“ Kosovo schaffen wollen. Eintritt: I. Rang 40 Euro/II. Rang 30 Euro zzgl. System- und Vorverkaufsgebühren Karten ausschließlich erhältlich über KölnTicket und den angeschlossenen Vorverkaufsstellen, Tel. (02 21) 28 01 und unter www.koelnticket.de In Frankfurt gründete er den Philharmonischen Verein der Sinti und Roma. Aus ganz Europa kommen Weitere Infos: http://www.abtei-brauweiler.de Roma und Sinti Philarmoniker nevipe•Neue Folge•Heft 2/2014•Rom e. V.•Venloer Wall 17•50672 Köln•0221.242536•[email protected]•www.romev.de