- Robert Bosch Stiftung
Transcription
- Robert Bosch Stiftung
Junge Wege in Europa Zusammenarbeit zwischen Schüler- und Jugendgruppen aus Deutschland und Mittel- und Osteuropa Dokumentation Begegnung der Preisträger Projektjahr 2000 / 2001 ROB E RT BOSCH STI FTUNG Junge Wege in Europa Zusammenarbeit zwischen Schüler- und Jugendgruppen aus Deutschland und Mittel- und Osteuropa Dokumentation Begegnung der Preisträger, Projektjahr 2000 / 2001 Vorwort Vorwort Seit 1998 schreibt die Robert Bosch Stiftung jährlich den Förderwettbewerb „ Junge Wege in Europa“ aus, der die gemeinsame Projektarbeit von Schüler- und Jugendgruppen aus Deutschland und Mittel- und Osteuropa zum Gegenstand hat. Junge Menschen, die aus zum Teil sehr unterschiedlichen Lebenswelten stammen, haben hier die Möglichkeit, das zusammenwachsende Europa, das ihre Zukunft bestimmen wird, mitzugestalten. Einander besuchen, sich kennenlernen und zusammenarbeiten sind Schritte, um Vorurteile abzubauen und Offenheit, Neugier, interkulturelle Kooperationsfähigkeit und Urteilsvermögen zu stärken. Beispiele dafür sind die in dieser Dokumentation vorgestellten Projekte. Die Partner beschäftigen sich mit Themen, die den Alltag sowie die Vorstellungen und Erwartungen der Jugendlichen in einem zusammenwachsenden Europa widerspiegeln. Durch die Beschäftigung mit Kultur und Sprache des Partnerlandes bereiten sich die Teilnehmer auf die Begegnungen vor. Die Projektideen werden von den Partnergruppen gemeinsam erarbeitet, umgesetzt und öffentlich präsentiert. Dabei werden die jungen Menschen von Lehrern, Jugendleitern, aber auch von Eltern, kommunalen und regionalen Einrichtungen unterstützt. Die Projekte werden im Rahmen von Begegnungen, die mindestens 10 Tage umfassen, innerhalb eines Jahres durchgeführt, davon sind 4 Tage der Projektarbeit gewidmet. So bleibt genug Zeit für Gespräche mit Gasteltern oder Besuche von kulturellen Veranstaltungen. Eine unabhängige Jury wählt unter den eingegangenen Bewerbungen die besten aus und empfiehlt sie für eine Förderung. Zum Ende des Projektjahres werden die Ergebnisse der Arbeit durch gemeinsame Berichte dokumentiert. Die Jury wählt besonders gelungene und beispielhafte Projekte aus, die im Rahmen einer Festveranstaltung ausgezeichnet und der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Die so ausgewählten Teilnehmer hat die Robert Bosch Stiftung vom 31. Januar bis 2. Februar 2002 nach Berlin eingeladen. Diese Dokumentation gibt die Festveranstaltung am 1. Februar 2002 im Festsaal des Abgeordnetenhauses wieder und stellt die 15 prämierten Projekte vor. Stuttgart, im Juli 2002 Robert Bosch Stiftung 3 Inhalt Inhalt Begrüßung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Dieter Berg, Geschäftsführer der Robert Bosch Stiftung Festansprache .....................................................9 Tadeusz Mazowiecki, ehemaliger polnischer Ministerpräsident Die Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Crew meets TYCOBKY – eine deutsch-russische Schultheaterproduktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Székesfehérvár und Cottbus – Die Geschichte beider Städte von ihrer Gründung bis zur Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Umbau einer 500 Jahre alten Dorfkirche zu einer Begegnungsstätte für Jugendliche / Bau von Kirchenmöbeln . . . . . . . . 20 Menschen mit und ohne Behinderung begegnen sich in der Musik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Culture as a Bridgebuilding Medium in Europe Today and Yesterday . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Neubrandenburg und Kołobrzeg – umweltbewußte Städte!?. . . . . . . . 26 Rußlanddeutsche in Sachsen und Omsk – Perspektiven, Traditionen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Deutsch-polnische Zirkuswerkstatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Darstellung des Partnerlandes in den eigenen Unterrichtsmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Der Jugla-See Riga und der Sonthofer See – Eine vergleichende Untersuchung unter ökologischen, soziologischen und politischen Gesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Mit Musik über die Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4 Inhalt Demokratie in Europa – Wie gehen wir mit den Minderheiten in unseren Ländern um? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Erstellung eines Fachwörterbuches Holz mit Im- und Exportinformationen für holzverarbeitende Firmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Leben in Sibiu (Hermannstadt) und Leverkusen – ein Videofilm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Renovierung und Dekoration eines Freizeitraums / Gestaltung von Fachwerkgefachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Fotoimpressionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Anhang Programm der Festveranstaltung, Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Pressemitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Pressereaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Statistik Projektjahr 2000 / 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Die Mitglieder der Jury . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Die Robert Bosch Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 5 Begrüßung Begrüßung Dieter Berg, Geschäftsführer der Robert Bosch Stiftung Verehrter Herr Mazowiecki, sehr geehrte Damen und Herren der Vertretungen Polens, Rumäniens, Rußlands, Tschechiens und der Ukraine, sehr geehrte Damen und Herren der Jury, sehr geehrte Lehrer und Betreuer, liebe Schülerinnen und Schüler, verehrte Gäste, im Namen der Robert Bosch Stiftung begrüße ich Sie sehr herzlich hier im Berliner Abgeordnetenhaus zur Begegnung der Preisträger unseres Förderwettbewerbs „Junge Wege in Europa“. Ich grüße Sie auch im Namen von Herrn Dr. Gutberlet, dem Vorsitzenden unseres Kuratoriums. Mit dem Förderwettbewerb „Junge Wege in Europa“, dessen drittes Programmjahr wir mit der heutigen Veranstaltung abschließen, will die Robert Bosch Stiftung viele Dinge erreichen. Wir wollen, daß sich junge Menschen frühzeitig an dem Prozeß des politischen Zusammenwachsens Europas beteiligen. Wir wollen, daß sie gemeinsam in Richtung Europa aufbrechen und dabei in Freiheit voneinander lernen. Wir wollen, daß junge Menschen sich über Grenzen hinweg kennenlernen und in gemeinsamen Projekten zusammenarbeiten. Wir wollen, daß junge Menschen einen Teil der europäischen Vielfalt und Einheit unmittelbar erfahren. Wir wollen, daß sie ihre Partner aus den jeweils anderen Ländern kennen- und besser verstehen lernen und wenigstens teilweise auch die Sprache des jeweiligen Partners erlernen. Dies ist ein ganzes Bündel von Zielen, die wir mit unserem Programm verfolgen. Wir sind uns bewußt, daß wir sie nicht alle gleichermaßen und in Vollkommenheit werden erreichen können. Wenn wir aber nur einen Teil der genannten Ziele im Rahmen des Programms, in der Begegnung junger Menschen über Grenzen hinweg, verwirklichen können, haben wir viel erreicht. In einem solchen Programm kann die Robert Bosch Stiftung nur erfolgreich sein, wenn sie von Dritten unterstützt wird. Ich nenne hier zunächst die Mitglieder der Jury, die bei der Auswahl der Projekte und der Preisträger mitgewirkt haben. Ihnen ganz herzlichen Dank für die viele Arbeit, die sie sich machen mußten, für ihre Mühe in den Aus- 6 Begrüßung wahlverfahren, in welchen es galt, oft sehr schwierige Entscheidungen zu treffen, Entscheidungen für oder gegen ein Projekt, wo doch im Grunde genommen jede Initiative grenzüberschreitender Zusammenarbeit junger Menschen begrüßenswert und unterstützenswert ist. Unser Dank gilt natürlich auch den Lehrern und Schülern aus Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Rußland, Tschechien, der Ukraine, Ungarn und Deutschland, die sich an diesem Förderwettbewerb beteiligt haben. Ohne ihre Initiativen, ohne ihr Engagement und ihre Begeisterung gäbe es diesen Förderwettbewerb nicht, und wir könnten das Ziel der Verständigung im zusammenwachsenden Europa nicht erreichen. Die Phantasie, mit der sie bei ihren Projekten zu Werke gegangen sind, ist beeindruckend, hat es aber auch der Jury nicht leichter gemacht, sich zu entscheiden. Insgesamt hatte die Jury 258 Projekte zu bewerten; davon wurden 102 Projekte mit über 3 800 Schülern und rund 400 Lehrern und Begleitpersonen für Bewilligungen ausgewählt. Die Höhe der Bewilligungen beläuft sich auf insgesamt über 700 000 Euro. Das große Interesse, das wir hier feststellen, bestärkt uns in der Überzeugung, daß wir den richtigen Weg beschritten haben; es bestärkt uns auch darin, im Rahmen des Programms „Junge Wege in Europa“ weitere Werkstätten zur Qualifizierung der am Programm beteiligten Lehrer durchzuführen. Nach einer deutsch-tschechischen Werkstatt im Jahr 2000 und einer deutschungarischen Werkstatt im Jahr 2001 ist für dieses Jahr eine solche Veranstaltung in Polen vorgesehen. Ich bin zuversichtlich, daß sich all das sehr positiv in der demnächst anstehenden Evaluierung des Programms „Junge Wege in Europa“ niederschlagen wird. Nach dem Dank an die Jury und die Teilnehmer will ich noch einen ganz besonderen Dank aussprechen, nämlich an den heutigen Festredner, Herrn Ministerpräsidenten Mazowiecki. Lieber Herr Mazowiecki, Sie verkörpern in besonderer Weise die Ziele unseres Förderwettbewerbs. Sie engagieren sich für die Einheit Europas. Sie haben in Ihrem Land mitgewirkt, ein demokratisches Staatswesen zu verwirklichen. Schon früh haben Sie Grenzen überschritten und Grenzen überwunden. Sie haben sich mit den Lebensgewohnheiten der Menschen in den Nachbarländern auseinandergesetzt, und Sie sprechen deren Sprache. Lassen Sie mich vor allem für die jungen Menschen, die hier heute zusammengekommen sind, Ihren beruflichen und politischen Werdegang 7 Begrüßung zusammenfassen: Geboren wurden Sie 1927 in Plock an der Weichsel als Sohn eines Arztes und einer Lehrerin. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften begannen Sie eine Tätigkeit als Journalist. Schon im Alter von 25 Jahren wurden Sie Chefredakteur einer katholischen Zeitschrift in Breslau. Sie haben sich frühzeitig politisch interessiert und engagiert. Zwischen 1961 und 1971 gehörten Sie dem Sejm an. 1980 haben Sie sich beim Danziger Werftarbeiterstreik gemeinsam mit Bronisław Geremek und Lech Wałęsa aktiv engagiert, wurden Ende 1981 nach Verhängung des Kriegsrechts inhaftiert und erst Ende 1982 wieder freigelassen. Danach arbeiteten Sie wieder journalistisch und natürlich auch politisch. Im Jahre 1989 wurden Sie zum ersten nichtkommunistischen Regierungschef Polens seit Kriegsende gewählt. Dieses Amt hatten Sie bis Ende 1990 inne. Aber auch international waren Sie tätig. Vom Sommer 1992 bis 1995 waren Sie Sonderberichterstatter der UNO in Bosnien-Herzegowina. Von den vielen Auszeichnungen, Orden und Ehrenzeichen, die Sie in Ihrem Leben erhalten haben, will ich hier nur eine Auswahl nennen: 1989 Friedenspreis der Kurt-Schumacher-Stiftung, 1995 der polnische Orden „Weißer Adler“, 1999 Mitglied der französischen Ehrenlegion, 2000 Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband, 2001 Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung. Ich könnte die Reihe noch lange fortsetzen. Lieber Herr Mazowiecki, es ist für uns und für alle Anwesenden eine große Ehre, daß Sie bei der heutigen Veranstaltung zu uns sprechen werden. Besonders freuen wir uns, daß Sie Ihre Rede auf Deutsch und sogar frei halten werden, denn Sie setzen damit ein weiteres Zeichen des völkerverständigenden Umgangs miteinander. Ganz herzlichen Dank. Wir freuen uns auf Ihre Worte. 8 Festansprache Festansprache Tadeusz Mazowiecki, ehemaliger polnischer Ministerpräsident Verehrte Vertreter der Robert Bosch Stiftung, verehrte Damen und Herren, liebe jungen Freunde, ich bedanke mich sehr, daß ich hier an diesem Festakt teilnehmen kann und bei diesem Jugendfest – wenn man die Zahl der jungen Menschen betrachtet, sieht man, daß es ein Jugendfest ist – anwesend sein kann und zu Euch sprechen kann. Zuerst möchte ich meine große Hochachtung aussprechen für die Leistung, die die Robert Bosch Stiftung seit 1974 auf dem Gebiet der Verständigung mit Polen, vor allem bei der Begegnung Jugendlicher erbringt. Ich bewundere die großartige Arbeit und Unterstützung der Robert Bosch Stiftung für verschiedene Institutionen in den Staaten Mittel- und Osteuropas, vor allem in Polen. Ich möchte natürlich allen Teilnehmern dieses Förderwettbewerbs gratulieren, vor allem den Preisträgern aus Deutschland, der Ukraine, Rumänien, Rußland, Litauen, Lettland, Tschechien, Ungarn und Polen. Sehr herzliche Gratulation. Ich möchte auch, wie Herr Berg schon sagte, die große Leistung und große Mühe der Lehrer unterstreichen. Ohne Ihre Leistung wäre der Erfolg und die Wirkung Ihrer Projekte und dieser Wettbewerb nicht möglich. Sie können sich sagen, daß Sie als Lehrer beste Arbeit für das Zusammenleben und die gegenseitige Verständigung geleistet haben. Wir sind stolz darauf, daß sich so viele Lehrer im Rahmen dieses Wettbewerbs engagiert haben. Man hat mich gebeten und erwartet von mir, daß ich vor allem über die deutsch-polnischen Verhältnisse spreche. Kurz möchte ich über die Geschichte der Veränderung dieser Verhältnisse sprechen. Anschließend jedoch versuche ich, auf all die Fragen zu antworten, die ich selbst mir gestellt habe: Was sollte ein Politiker, ein alter Mann, dem jungen Publikum bei einer solchen Gelegenheit sagen und für die Zukunft mit auf den Weg geben? 9 Festansprache Die deutsch-polnischen Verhältnisse waren natürlich durch die Geschichte belastet, vor allem durch die grauenhaften Ereignisse des Zweiten Weltkrieges. Es war und ist nicht leicht, dies zu überwinden. Wir mußten lernen, den folgenden Satz zu verstehen, das Leitwort eines Buches der polnischen Schriftstellerin Sofia Naukowska über Auschwitz: „Die Menschen haben das den Menschen angetan.“ Sie schrieb nicht: „Die Deutschen haben das Polen oder Juden angetan“, sie schrieb: „Die Menschen haben das den Menschen angetan.“ Diesen Satz zu durchdenken und zu verstehen, bedeutete, daß nicht ewige Feindschaft zwischen unseren Völkern herrschen sollte, sondern, daß etwas Neues aufgebaut werden kann, was nicht leicht ist, aber notwendig für die Zukunft. Auf diesem Weg waren verschiedene große Meilensteine, könnte man sagen. Zu erwähnen sind solche Meilensteine, wie das Kirchenmemorandum der evangelischen Kirche, ein Memorandum der Gruppe, die sich Bensberger Kreis nennt, oder der Austausch der Briefe zwischen den Episkopaten der katholischen Kirche mit dem berühmten Satz der polnischen Bischöfe: „Wir vergeben und bitten um Vergebung.“ Ich erinnere an den sogenannten Kniefall von Willy Brandt vor dem Ghetto-Denkmal in Warschau. Außerdem erinnere ich an ein Ereignis, an dem ich selbst teilgenommen habe, das auch zu einem Symbol geworden ist, nämlich an den Friedensgruß, der zwischen mir als polnischem Premierminister und Bundeskanzler Kohl in Kreisau ausgesprochen wurde. Mit diesen Ereignissen, die im Zusammenhang stehen mit der Wende bei uns in Polen und nachher auch hier in Deutschland, änderten sich die Verhältnisse zwischen unseren Staaten und auch zwischen unseren Gesellschaften. Sie veränderten sich auch durch die vielen Gespräche im Jahr 1989 über Probleme, die gelöst werden mußten. Das waren keine leichten Gespräche zwischen mir und dem damaligen Bundeskanzler Kohl. Aber sie führten dazu, daß ein Grenzvertrag und nachher die Verträge über Freundschaft und Zusammenarbeit zustande kamen. Ich bin tief überzeugt davon, daß aufgrund dieser damaligen Regelungen, die guten Verhältnisse zwischen unseren Staaten heute schon Normalität geworden sind. Aber Normalität birgt auch Probleme, viele Probleme. Normalität soll nicht Gleichgültigkeit bedeuten. Auch in Zeiten der Normalität sollte man das Interesse füreinander und die gegenseitige Kenntnis pflegen. Ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis muß immer gepflegt werden. 10 Festansprache Und man sollte sich auch stets vor Augen halten, daß wir uns auf dem Weg in die Europäische Union befinden. Sie ist unsere gemeinsame Zukunft. Es ist wichtig zu verstehen, daß die Europäische Union nicht ganz Europa umfaßt. Die sogenannte Osterweiterung wird die Union verändern. Sie wird dann nicht nur eine westeuropäische Union sein, sondern eine gesamteuropäische, eine ausgeweitete Union. Aber sie schließt nicht ganz Europa ein. An unsere russischen und ukrainischen Freunde möchte ich mich mit den Worten von Papst Johannes Paul II. wenden, der immer betonte: „Europa muß mit zwei Lungen atmen, der westlichen und der östlichen.“ Auch das Schengener Abkommen soll uns nicht trennen. Im Hinblick auf unsere gemeinsame Zukunft muß noch viel geleistet werden. Was sollte ich also Euch Jugendlichen, die sich an den prämierten Projekten beteiligt haben, aus meiner Perspektive als Politiker sagen? Ich muß Euch nicht erst davon überzeugen, daß das, was ihr getan habt, wichtig ist. Zunächst aber möchte ich Euch sagen, daß ich schon viele Begegnungen mit polnischen Jugendlichen hatte, zum Thema Europa, die Zukunft und die Erweiterung der Union. Und ich versuche immer, die Jugendlichen darauf vorzubereiten. Stets sage ich: Ihr sollt keine Minderwertigkeitskomplexe haben und keinen Größenwahn. Beides ist schlecht. Benehmt Euch ganz natürlich. Das ist der erste Punkt. Dr. Heiner Gutberlet, Vorsitzender des Kuratoriums der Robert Bosch Stiftung, Dieter Berg und Tadeusz Mazowiecki (v. l.) 11 Festansprache Der zweite Punkt: Wenn sich Jugendliche schon engagiert haben, müssen weitere Schritte folgen. Was bedeutet das „weitere Schritte machen“? Das bedeutet: Vertiefung. Es sollte geschehen, wie die Vertiefung und Erweiterung in der Europäischen Union. Vertiefung, das bedeutet, „tiefer“, „mehr“, „gegenseitig“. Polnische, litauische, ukrainische, deutsche und Jugendliche aller Länder sollten sich gegenseitig besser kennenlernen, ihre Kulturen kennenlernen. Erweiterung, das bedeutet, Ihr müßt Euch einbringen, wie Eure Lehrer es getan haben. Ihr solltet Eure Freunde und Mitschüler davon überzeugen, sich füreinander zu interessieren. Das wichtigste ist aber, Vorurteile abzubauen. Vorurteile sind allgegenwärtig. Sie sind noch nicht überwunden, gegenüber Deutschen nicht, gegenüber Polen und gegenüber anderen Nationen nicht. Man soll nicht meinen, daß jeder Deutsche sehr laut ist im Ausland. Man soll nicht meinen, daß jeder Pole ein Auto stehlen wird. Vorurteile abzubauen ist sehr wichtig. Das könnt Ihr in Eurer Generation mit viel größerem Effekt tun als wir. Auch dies ist wichtig für unsere gemeinsame Zukunft. Dann Solidarität. Solidarität ist ein sehr bedeutender Begriff in Polen. Die Bereitschaft Solidarität zu praktizieren. Solidarität bedarf heutzutage einer gewissen finanziellen oder wirtschaftlichen Assymetrie. Wenn wir jetzt Hilfe bekommen, so werden wir später bereit sein, selbst auch gegenüber anderen Ländern in Europa, in der Welt, Solidarität zu praktizieren. Solidarität ist von großer Bedeutung, Solidarität in Europa, Solidarität zwischen unseren Völkern und Solidarität in der Welt. Wichtig ist auch die Bestätigung und die weitere Stärkung der Demokratie. Demokratie ist kein ideales System, sie hat Schwächen. Auch Churchill sagte: Demokratie ist ein schlechtes System, aber ein besseres gibt es nicht in der Welt. Man muß eine Demokratie stets pflegen und sie festigen gegenüber immer neuen Gefahren. Wir waren uns einig, auch Helmut Kohl sagte das seinerzeit, ein großer Wandel vollzieht sich dadurch, daß die junge Generation in Deutschland und in Polen den Krieg nicht mehr erleben wird. Das ist unsere Hoffnung. Nach dem 11. September sehen wir jedoch, daß es andere Gefahren gibt in der Welt. Es gibt den Terrorismus. Wir sehen, daß das 21. Jahrhundert nicht frei ist von Gefahren und auch nicht frei sein wird. Dies ist ein Problem, das Ihr auch sehen müßt. Die Gefahren, die der 11. September gezeigt hat, aber auch Gefahren, wie biologische Experimente und andere, vor welchen Menschen sich schützen müs- 12 Festansprache sen. Ihr müßt offen sein, um solche möglichen Gefahren zu erkennen, vor allem aber solltet Ihr füreinander offen sein, offen für die Zukunft und offen, Kontakte zu knüpfen. Władysław Bartoszewski, der berühmte polnische Schriftsteller und frühere Außenminister, hat ein Buch über sein Leben veröffentlicht mit dem Titel: „Es lohnt sich, anständig zu sein“. Ich möchte Euch sagen: Es lohnt sich, offen zu sein. Es lohnt sich gegenüber anderen Nationen, gegenüber anderen Menschen offen zu sein. Menschen, die offen sind, gehört die beste Zukunft. Ich gratuliere Euch, und hoffe, Ihr bleibt offen und macht den nächsten Schritt. Danke schön. 13 Die Projekte 15 Die Projekte Crew meets TYCOBKY – eine deutsch-russische Schultheaterproduktion Wochenlang war auf Plakaten, Flyern, Tafeln und sogar auf Bildschirmschonern an der Gesamtschule Lütjenmoor das Logo „C*M*T “ zu lesen. Die Schüler mutmaßten, was es wohl zu bedeuten hatte. Schließlich stellte sich heraus, daß es sich um den Titel eines Theaterstücks „Crew meets TYCOBKY “ handelte, das gemeinsame Projekt mit einer russischen Schule in St. Petersburg. In Kürze würde es aufgeführt werden. Die Werbekampagne war gelungen. Mit Neugier wurde das Ergebnis der Projektarbeit erwartet. Alle wollten herausfinden, worum es in diesem Stück wohl ging. Und der Titel stand wirklich für eine besondere Idee: die Begegnung der deutschen und russischen Jugendkultur. Die Begriffe „Crew“ und „TYCOBKA “ bedeuten im Jugendjargon „Jugendszene“, „Clique“ oder „Gruppe“. Was Jugendliche in beiden Ländern bewegt und interessiert, beantworteten viele Schüler, noch bevor die Handlung des Stücks festgelegt wurde, auf Fragebögen. Sie nahmen Stellung zu sehr persönlichen Themen wie „Was ist dir am wichtigsten – dein eigener Herr sein, hübsch sein, dich für andere engagieren...?“ oder „Beschreibe fünf Mißerfolge in deinem Leben.“, „Welche Musik entspricht deinem Lebensgefühl?“ Auch eine Liste der beliebtesten Bands und Musikvideos der Jugendlichen wurde zusammengestellt. Schüler und Projektleiter beschlossen, die Handlungen von Videoclips russischer und deutscher Bands im Stück theatralisch umzusetzen und weiterzuerzählen. Die Geschichten mehrerer kurzer Videos wurden collageartig zu einer neuen Handlung zusammengefügt. Die Umfrage in der Vorbereitungsphase des Theaterprojektes hatte ergeben, daß die Inhalte von Musikvideos und die typischen Verhaltensweisen der Darsteller in den Videoclips die Lebensgefühle, die Freizeit und Interessen von russischen und deutschen Jugendlichen prägen. Beim Theaterspielen wollten die Schüler herausfinden, inwiefern die Themen in den 16 Norderstedt • St. Petersburg Clips tatsächlich ihren Wünschen, Träumen, Ängsten und Sorgen entsprechen. Im Vordergrund der Aufführung standen Musik, Tanz, körperlicher Ausdruck, Bilder und Licht; die Sprachbarriere wurde als Chance gesehen, andere Wege der Kommunikation zu finden. Mit der Vorbereitung des Theaterauftritts begann eine anstrengende und manchmal nervenaufreibende Zeit. Allein Requisiten und Kostüme mit dem Flugzeug nach Rußland zu schaffen, der kalte Raum an der russischen Schule, in dem sich alle der Reihe nach erkälteten oder die langen Proben von manchmal über 10 Stunden, erforderten viel Ausdauer. Eine Schülerin: „Es gab einen Moment, da dachte ich daran, alles hinzuwerfen, nicht mehr weiter zu machen...“ Mit erstaunlichem Fleiß und Ehrgeiz machten sich die Schüler dennoch an die Arbeit. Schnell wuchs ihre Gruppe zusammen und die Neugierde für das Theater war geweckt. Unter der professionellen Leitung einer Regisseurin und eines Theaterpädagogen wärmten sich die russischen und deutschen Schüler bei Tanz- und Improvisationsübungen auf, entwickelten Choreographien und Texte für das Stück und probten ihre Rollen. „Das Schönste für mich war, eine fertige Szene anzugucken. Das gab einem immer neue Kraft.“ Die Aufführungen an der russischen und der deutschen Schule waren ein großer Erfolg. Viele Schüler in Norderstedt sahen sich das Stück zweimal an. In Rußland wurde es vom Fernsehen mitgeschnitten. Das Publikum war erstaunt, wie professionell die Schüler gearbeitet hatten und welche Talente zum Vorschein kamen. Wichtiger als der Erfolg der Vorstellung war den Schülern das Gefühl, während der Projektarbeit „gereift“ zu sein. Sie hatten die Chance, so berichten sie im Rückblick auf die Projektarbeit, etwas von sich zu zeigen und die eigenen Grenzen zu testen. Vor allem durch die Überwindung der Fremdheit gegenüber den Schülern der Partnerschule und durch die Annäherung so unterschiedlicher Gruppen von Jugendlichen, so fühlen sie, haben sie viel gelernt. Kontakt: Integrierte Gesamtschule Lütjenmoor Herr Andreas Weßling Lütjenmoor 7 22850 Norderstedt Tel. (040) 53 43 06-0 Schule Nr. 383 Frau Ludmilla Scholeninowa ul. Avangardnaja 21 RU-190205 St. Petersburg Rußland 17 Die Projekte Székesfehérvár und Cottbus – Die Geschichte beider Städte von ihrer Gründung bis zur Gegenwart Wie verwoben die Geschichte ihrer Herkunftsländer ist, erfuhren deutsche und ungarische Schüler, als sie sich im Rahmen eines Austauschprojektes mit der Geschichte ihrer Städte vom Beginn des Zweiten Weltkrieges bis zur Gegenwart befaßten. Zunächst machten sich so manche Schüler wahrscheinlich auf das langweilige, trockene Studieren von geschichtlichen Quellen gefaßt. Die Projektarbeit entpuppte sich jedoch schnell als eine spannende, lebendige Spurensuche, die die historischen Hintergründe ihrer Lebenswelten aufdeckte. Aufgeteilt in Gruppen nahmen sich die Schüler einzelne historische Perioden vor. Sie schlugen Ereignisse in ihren Geschichtsbüchern nach, besuchten das Stadtarchiv, das Heimatmuseum und stöberten in altem Bildmaterial, in Zeitungen und im Internet. Die Schüler erstellten Bilderreihen, die dokumentieren, wie sich Orte in den Städten über die Jahre verändert haben. In Ungarn hörten sie den Vortrag einer Soziologin zur Phase der Wende in der Stadt und besichtigten Betriebe, die die wirtschaftliche Situation der Stadt in der Vergangenheit und heute prägen. Die ungarischen Schüler nahmen all ihre Deutschkenntnisse zusammen und übersetzten Texte aus ihren Geschichtsbüchern und historischen Dokumenten. Gemeinsam mit den deutschen Partnern wurden sie analysiert und so zusammengestellt, daß sie ein stimmiges Bild der Stadtgeschichte von Székesferhérvár ergaben. So einiges kam da zum Vorschein, was sich allmählich zu einem Gesamtbild der Geschehnisse zusammenfügte. Vertraute und für die Schüler alltägliche Straßen und Plätze stellten sich als Schauplätze wichtiger Ereignisse heraus, plötzlich waren sie von Vergangenem erfüllt und hatten an Bedeutung gewonnen. In der Nebeneinanderstellung der Geschichten der deutschen und der ungarischen Stadt lernten die Schüler Bezüge herzustellen und den engen Wirkungszusammenhang von geschicht- 18 Cottbus • Székesfehérvár lichen Vorgängen an verschiedenen Orten zu sehen. Sie setzten sich mit den schmerzlichen und schwierigen Entwicklungen in der Zeit des Zweiten Weltkrieges auseinander und besuchten das ehemalige Konzentrationslager Sachsenhausen. Die Beschäftigung mit Parallelen und Unterschieden der gesellschaftlichen und politischen Enwicklungen in der Phase des Sozialismus erweiterte ihr Verständnis für die jüngste Vergangenheit und die Wege der Transformation, die die Länder eingeschlagen haben. Beiden Schülergruppen wurde bewußt, wie wertvoll es ist, heute offene ungezwungene Gespräche miteinander führen zu können. Das Ergebnis der Geschichtswerkstatt sind zwei Lesemappen, die die Stadtgeschichte von Cottbus und Székesfehérvár enthalten. Sie sollen künftige Austauschgruppen auf den Besuch in der Partnerstadt vorbereiten. Kontakt: Theodor-Fontane-Schule Frau Silvia Hobirk Kahrener Str. 16 03042 Cottbus Tel. (0 35 5) 71 50 08 Tatay Sándor Alapítvány Frau Ute Piroska Szakközépiskola Farkasvermi u. 40 8000 Székesfehérvár Ungarn 19 Die Projekte Umbau einer 500 Jahre alten Dorfkirche zu einer Begegnungsstätte für Jugendliche / Bau von Kirchenmöbeln Ein Bretterstapel vor einer Dorfkirche in Lettland inspirierte den Lehrer Reinhard Dreyer zu gemeinsamen Holzarbeiten seiner Berufsvorbereitungsklasse mit Schülern eines Gymnasiums in Jaunpils. Aus dem ungenutzten Material sollten Kirchenbänke für die kleine lettische Kirche gefertigt werden. Bereits während eines Vorbereitungstreffens legten die Schüler jedoch so einen Arbeitseifer an den Tag, daß sie ihr Vorhaben mit dem Bau von zehn Kirchenbänken und einem Altar für die Sakristei bereits mehr als erfüllten. Im Inneren des Altars durften sich alle Schüler, die so eifrig gearbeitet hatten, per Unterschrift „verewigen“. An weiteren Aufgaben für den Besuch im Sommer bestand kein Mangel. Kurzerhand verlegte man das Projekt in die 800 Jahre alte Burg des deutschen Ordens, wo die Schüler wohnten und arbeiteten. Für das dort befindliche Museum bauten sie rustikale Tische, ein fürstliches Himmelbett und für die Burgkirche eine weitere Kirchenbank. Der Burghof war ein paar Tage lang die Werkstatt; dort wurde gesägt, gehobelt, geschliffen und gebohrt. Für die Schüler, vor allem die Gymnasiasten aus Jaunpils, war das Projekt eine willkommene Praxiserfahrung in historischem Ambiente. Die deutschen Hauptschüler freuten sich darüber, ihre handwerklichen Fähigkeiten unter Beweis stellen zu können und an die lettischen Gymnasiasten weiterzugeben. Besonders schön war auch, sich wirklich nützlich zu machen „Es fühlte sich gut an, auf den selbst hergestellten Kirchenbänken zu sitzen“. Kirchengemeinde und die Stadt Jaunpils bedankten sich für das solide Mobiliar mit einer reich gedeckten Kaffeetafel und mit einer speziellen Führung durch die Burg. Auf dem Gelände der Schule in Jaunpils pflanzten die Schüler einen besonderen Freundschaftsbaum. Es handelt sich um einen direkten Nachfahren der dicksten Eiche Osteuropas – ein Symbol für das Fortdauern der Partnerschaft der beiden Schulen. 20 Hamburg • Janupils Neben der erstaunlich produktiven handwerklichen Arbeit blieb noch genug Zeit für Ausflüge nach Riga und an die Ostsee, für Lagerfeuer im Burghof und die Feier des lettischen Sonnwendfestes. In dieser Umgebung kamen unter den deutschen Schülern viele Fragen auf zur älteren und jüngeren Geschichte Lettlands und auch zu den deutschen Spuren in der lettischen Vergangenheit. „Warum tragen alle Grabsteine im Rigaer Dom deutsche Namen und warum kamen die Burgherren in Jaunpils aus Deutschland?“ Für den Gegenbesuch in Deutschland fand man eine weitere lohnende Aufgabe. Die Jugendlichen unternahmen die ersten „grundlegenden“ Schritte, um eine baufällige Kirche in Mecklenburg zu einer Jugendbegegnungsstätte auszubauen. Es wurden 120 Quadratmeter Kirchenfußboden hergestellt und zu diesem Zweck 40 Tonnen Steine und Lehm in die Kirche geschafft. Das war schon beinahe Schwerstarbeit. Für die Weiterführung der Projektarbeit beider Schulen gibt es schon einige Perspektiven. Die Begegnungstätte in Mecklenburg ist noch längst nicht fertiggestellt und in Jaunpils ist für die kommenden Jahre der Wiederaufbau einer hölzernen Festungsanlage vorgesehen, die vor 800 Jahren von deutschen Ordensrittern zerstört wurde. Ein Versöhnungsakt nach hunderten von Jahren. Kontakt: Staatliche Gewerbeschule Arbeitsund Werktechnik G8 Herr Reinhard Dreyer Sorbenstr. 15 20537 Hamburg Tel. (040) 42 88 24-0 Jaunpils Vidusskola Frau Dace Dišlere Tukuma rajons 3145 Janupils Lettland 21 Die Projekte Menschen mit und ohne Behinderung begegnen sich in der Musik Das Motto „Wir zusammen – MbI BMCETE “ zog sich wie ein roter Faden durch das Musikprojekt, berichten die Teilnehmer. Das galt vor allem für das Zusammenspiel in der Band, die aus Schülern von vier Schulen, aus behinderten und nicht behinderten, aus deutschen und russischen Schülern bestand. Ohne gegenseitige Unterstützung und den starken Willen, „zusammen“ etwas auf die Beine zu stellen, hätte die Gruppe ihr Ziel wohl nicht erreicht: Die Veranstaltung eines Benefizkonzertes zugunsten behinderter Kinder, die in der Region Pskow in Heimen leben. Dasselbe Motto „Wir zusammen“ gilt generell für die achtjährige Partnerschaft der beiden Schulen in Deutschland und Rußland. Die Rurtal-Schule war an der Entstehung, der pädagogischen Ausrichtung und der weiteren Entwicklung des Heilpädagogischen Zentrums in Pskow maßgeblich beteiligt. Das diesjährige Projekt stellte einen Höhepunkt in der Partnerschaft der beiden Schulen dar. Neun Monate lang hatte die deutsche Schülerband „Rur-Rock“ geprobt. Auch in Rußland wurde das Repertoire deutscher, russischer und englischer Pop- und Rocksongs in der jeweiligen Sprache regelmäßig geübt. In der Musikwerkstatt in Pskow kam es schließlich zum Zusammenspiel. Die Schüler sangen mitreißende Lieder, die sie selbst und ihre Lehrer auf Instrumenten begleiteten. Es zeigte sich in der Werkstatt, daß die Schüler mit und ohne geistige Behinderungen unbefangen und natürlich aufeinander zugingen. Die Musik bewährte sich dabei als das alles verbindende Element. Bei der sprachlichen Verständigung wurde die binationale Gruppe der Schulen für Geistigbehinderte von rußlanddeutschen Schülerinnen der Hauptschule in Oberbruch begleitet. Aus einer weiteren Pskower Schule kamen einige nicht behinderte Schüler hinzu, um die Band zu unterstützen und die Bühne des Konzertsaals zu dekorieren. Musiker aus der 22 Heinsberg • Pskow Stadt standen allen mit Rat und Tat zur Seite. Eine Hymne für die Werkstatt mit dem Titel „Wir zusammen – MbI BMECTE “ wurde komponiert, mit der der Pskower Radiosender immer wieder für das Konzert warb. Schließlich fand das große Benefizkonzert vor 800 Zuhörern in Pskow statt. Neben der Erfahrung der Begegnung und der gemeinsamen kreativen Arbeit war es den Projektleitern ein wichtiges Anliegen, die russische Bevölkerung mit den Behinderten in Kontakt zu bringen. Die Projektleiter hofften, so berichten sie, der gesellschaftlichen Ausgrenzung von Behinderten, wie sie in Rußland weit verbreitet ist, entgegenzuwirken, um Toleranz, Wertschätzung und Integration zu erreichen. Mit dem Benefizkonzert, bei dem sich die Zuhörer sichtlich bewegt zeigten, glauben sie, ist dies ein Stück weit gelungen. „Junge Menschen mit Behinderungen aus Deutschland und Rußland, von denen man glaubt, daß sie selber Hilfe brauchen, haben soziale Verantwortung für Menschen übernommen, die sich ganz bestimmt auf der Schattenseite der russischen Gesellschaft befinden.“ Noch lange nach dem Konzert erhielt die Schülerband immer wieder positive Reaktionen des Pskower Publikums. Durch dieses Konzert und ein weiteres in Deutschland konnte eine beachtliche Summe für die Heime in Pskow gesammelt werden. Kontakt: Rurtal-Schule des Kreises Heinsberg Schule für Geistigbehinderte Herr Bernd Schleberger Parkstr. 23 52525 Heinsberg Tel. (0 24 52) 60 30 E-mail: rurtal-schule @ t-online.de www.Rurtal-Schule.de Heilpädagogisches Zentrum für geistigbehinderte Kinder und Jugendliche Frau Swetlana Andrejewa ul. Jana Rajnissa 56 RU-180002 Pskow Rußland 23 Die Projekte Culture as a Bridgebuilding Medium in Europe Today and Yesterday Auf den Spuren des Mittelalters erforschten Schüler aus Liberec und Dortmund die Geschichte ihrer Herkunftsstädte. Der Briefkontakt zwischen den tschechischen und deutschen Schülern währte bereits zwei Jahre, als sie schließlich zur gemeinsamen Projektarbeit in Dortmund zusammentrafen. Die Tage der Begegnung standen ganz im Zeichen des Mittelalters. Zunächst erkundeten die Schüler in gemischt nationalen Kleingruppen verschiedene Stätten, die über die mittelalterliche Historie der Stadt Dortmund Auskunft gaben, wie etwa das Rathaus, das Museum für Kunst- und Kulturgeschichte, das Stadtarchiv und Kirchen. Nur das genaue gemeinsame Hinsehen, Nachfragen und Lesen erlaubte ihnen, vorbereitete Fragebögen in englischer Sprache zu beantworten. Die Ergebnisse der Erkundungstour dokumentierten die tschechischen und deutschen Schüler in einer Collage zur mittelalterlichen Geschichte Dortmunds. Anschließend schlüpften die Schüler der siebten Klassen selbst in die Rollen mittelalterlicher Handwerker, Marktschreier, Hexen und Gaukler und widmeten sich der Vorbereitung eines mittelalterlichen Jahrmarkts, der den Höhepunkt und das Abschlußfest der Projektarbeit darstellte. Die Schüler lernten auf spielerische Weise Alltag und Kultur des Mittelalters kennen. Sie arbeiteten in Werkstätten für Kalligraphie, Siegelgießen und zum Stadtmodellbau, sie töpferten, nähten Kostüme, goßen Kerzen und kochten mittelalterliche Gerichte. Alle Produkte wurden auf dem Markt ausgestellt und verkauft. Das eigens für das Fest gebaute Ritterzelt, ein Hexenprozeß, aufgeführt mit Stabpuppen, Tänze und Gesänge sorgten für mittelalterliche Atmosphäre. Gut unterhalten und beeindruckt durch das Spektakel zeigten sich Eltern und die Dortmunder Öffentlichkeit, die zum Fest eingeladen waren. Beim Besuch in Liberec machten die Schüler sich ebenso auf die Suche nach Zeugnissen der Stadtgeschichte im Mittelalter. Außerdem befaßten sie sich mit alten traditionellen Handwerkstechniken. Sie fertigten 24 Dortmund • Liberec Proben der Keramikmalerei, versuchten sich in verschiedenen Drucktechniken, bogen Figuren aus Blech und besichtigten eine Glasbläserei. Bei Besuchen in Prag und der kleinen Stadt Jicin lernten die Schüler die Architektur des Mittelalters kennen und erfuhren immer wieder, wie eng verknüpft die Geschichte ihrer Länder bereits vor Jahrhunderten war. Kontakt: Europaschule Dortmund Städtische Gesamtschule Frau Elke Schlichtenberg Am Gottesacker 64 44143 Dortmund Tel. (02 31) 56 22 75 11 www.europaschuledortmund.de Základní škola Frau Alena Muranová Husová ulice 44 46001 Liberec 5 Tschechien 25 Die Projekte Neubrandenburg und Kolobrzeg – umweltbewußte Städte!? Konkrete Anhaltspunkte für den lokalen Umweltschutz lieferte die Projektarbeit einer polnisch-deutschen Schülergruppe. Gemeinsam testeten sie die Qualität von Gewässern in der Umgebung ihrer Städte, nahmen Bodenproben in Grünanlagen und prüften die Effizienz von örtlichen Windkraftanlagen und Solarzellen. In Absprache mit verschiedenen Ämtern der Städte wählten die Schüler Seen, Flüsse und Grundstücke in Neubrandenburg und Kołobrzeg aus, die untersucht werden sollten; die Ergebnisse wollen die Gemeinden für Umweltschutzmaßnahmen nutzen. Über einen Zeitraum von neun Monaten nahmen die deutschen und polnischen Schüler die Messungen in ihren Städten vor. Für die Berufsschüler in Neubrandenburg war die Teilnahme am Projekt fester Unterrichtsbestandteil in der Ausbildung zum umweltschutztechnischen Assistenten. Beim Besuch der Schüler in der jeweiligen Partnerschule fand die Projektarbeit ihren Höhepunkt. Gemeinsam wurden weitere Messungen in unterschiedlichsten Stadtteilen vorgenommen. Die Ergebnisse wurden ausgewertet und diskutiert. Die polnischen Schüler lernten viel von den Neubrandenburger Auszubildenden, die schon fortgeschritten sind auf dem Gebiet der Umwelttechnologie. Gemeinsam entwickelten sie sich zu regelrechten Experten der unterschiedlichen Meßmethoden. „Die Gruppenarbeit war für uns sehr wertvoll. Trotz der sprachlichen Barriere konnten wir uns sehr gut verständigen“. An bestimmten Standorten in Neubrandenburg hatten die Schüler beispielsweise eine Verminderung der Bodenqualität festgestellt, die durch die Verwendung anderer Streusalze verbessert werden kann. Auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse wurden konkrete Empfehlungen und Hinweise zum Einsatz von Düngemitteln, dem Schutz der Gewässer und zum Potential alternativer Energiequellen ausgesprochen. Die Schüler übergaben die Ergebnisse der jeweiligen Stadtverwaltung, die die „Expertenberichte“ der Schüler gerne entgegennahmen und mit den Resultaten arbeiten wollen. 26 Neubrandenburg • Kołobrzeg Darüber hinaus stellten die Schüler Unterschiede in der ökologischen Situation in beiden Ländern fest. Beispielsweise fiel ihnen auf, daß die Gewässer in beiden Städten belastet sind, die Werte des polnischen Flußes jedoch bereits in einem kritischen Bereich liegen. Ein Besuch im Wasserwerk der Stadt Kołobrzeg ermöglichte den Berufsfachschülern, die sich auf Wasserwirtschaft spezialisieren, den Vergleich mit der deutschen Trinkwasserversorgung und den Richtlinien für Wasserqualität. Eine willkommene Abwechslung zu den chemischen und biologischen Untersuchungen war unter anderem die Besichtigung der Sternwarte, die sich in der Kołobrzeger Kopernikus-Schule befindet. Die Schüler nahmen am Unterricht in ihren Partnerschulen teil und lernten den Schulalltag im Nachbarland kennen. In Gesprächskreisen unterhielten sie sich über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Schulsysteme. Mit dem diesjährigen Projekt wurde das Engagement der polnischen und deutschen Schüler im Umweltschutz bereits das zweite Mal von der Jury mit einem Preis ausgezeichnet. Kontakt: Bildungsinstitut für Umweltschutz und Wasserwirtschaft Neubrandenburg e.V. Höhere Berufsfachschule für Technik Herr K. Quaschning Helmut-Just-Str. 8 17036 Neubrandenburg Tel. (03 95) 7 69 31 26 Zespół Szkoł Ogólnokształcących im. M. Kopernika ul. Lopuskiego 42-44 Frau Dżega-Matuszczak PL-78-100 Kołobrzeg Polen 27 Die Projekte Rußlanddeutsche in Sachsen und Omsk – Perspektiven, Traditionen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede Lebensgeschichten von Flucht, Vertreibung und Neuanfang hörten russische und deutsche Schüler in den kleinen Dörfern bei Omsk und in Aussiedlerwohnheimen in Leipzig. Die Schüler der Gymnasien in diesen Städten hatten sich zusammengefunden, um in Rußland der Geschichte der Rußlanddeutschen und ihren heutigen Lebensumständen sowie in Deutschland der Situation und den Schwierigkeiten ausgesiedelter Rußlanddeutscher auf den Grund zu gehen. Das breitangelegte Rechercheprojekt war in der Vorbereitungsphase ausgetüftelt worden. Sprachund Geschichtsunterricht sowie Schülerreferate führten in die Materie ein. In Leipzig trafen sich die Schüler in national gemischten Gruppen dann zu Gesprächskreisen mit Bewohnern in Aussiedlerheimen. Sie erfuhren viel über deren Lebensbedingungen und hörten die Geschichten ihrer Auswanderung. Um Einblicke in die Rechtslage und Aufnahmestrukturen für Rußlanddeutsche zu bekommen, sprachen die Schüler mit der Aussiedlerbeauftragten der Stadt und mit Einrichtungen, die sich mit der Integration von Spätaussiedlern befassen. Vertreter der drei Fraktionen im sächsischen Landtag standen Rede und Antwort zum Brennpunktthema. Wichtig war den Schülern auch, viel über die Probleme jugendlicher Rußlanddeutscher im neuen Lebensraum zu erfahren. Bei einer gemeinsamen Disko kamen sie mit rußlanddeutschen Jugendlichen ungezwungen ins Gespräch und befragten sie zu ihrem Alltag. Beim Gegenbesuch in deutschen Dörfern bei Omsk erkundete die Schülergruppe die Lage bei den dort Verbliebenen. So besuchten sie beispielsweise eine deutsche lutherische Kirchengemeinde, eine deutschsprachige Schule und die Verwaltung des deutsch-nationalen Rayons. Im Heimatmuseum waren sie überrascht, wie Traditionen, die in Deutschland selbst schon nicht mehr anzutreffen sind, in Rußland über viele Generationen hinweg aufrechterhalten wurden und noch 28 Leipzig • Omsk heute den Alltag prägen. Eindrucksvoll und bewegend waren die leidvollen Lebensgeschichten von Deportation, Hunger und Zwangsarbeit, die ältere Dorfbewohner bei einer Tasse Tee und selbstgemachtem Kompott in ihren bescheidenen Küchen erzählten. Die Schüler lernten den wissenschaftlichen Umgang mit den gewonnenen Erkenntnissen, die sie dadurch nicht minder lebensnah empfanden. Sämtliche Gespräche, Besuche und historische Recherchearbeiten wurden aufgenommen, schriftlich dokumentiert und gefilmt. Daraus ergab sich eine spannende und lebendige Ausstellung, die in der Galerie des Rathauses in Leipzig zu sehen war. Die Jugendlichen kamen sich näher bei dieser Entdeckungsreise in die Lebenswelt der Rußlanddeutschen. Sie erkannten, daß dort Elemente ihrer beider Kulturen, der russischen und der deutschen, zusammentreffen. Kontakt: Gymnasium Neue Nikolaischule Frau Dr. Jana Schubert Schönbachstr. 17 04299 Leipzig Tel. (03 41) 87 80 27-0 Mittelschule Nr. 73 ul. Jermolajewa 5a 644084 Omsk Rußland 29 Die Projekte Deutsch-polnische Zirkuswerkstatt Vorhang auf für Jongleure, Clowns und wilde Tiere! Bunt, lustig und lebendig ging es zu bei der Zirkuswerkstatt mit deutschen und polnischen Artisten. Jeweils 30 Jugendliche trafen sich in Magdeburg und in dem kleinen Ort Kasina bei Krakau und übten Kunststücke, Tricks und kleine Szenen. In beiden Ländern hatten sich die Jugendlichen freiwillig für dieses Projekt gemeldet und auch im Vorfeld Anregungen und Wünsche für die Arbeit in Gruppen geäußert. Auf polnischer Seite wurden von den Jugendlichen bereits Requisiten und Kostüme hergestellt. Hochmotiviert trafen die Zirkusinteressierten dann zusammen – einige von ihnen brachten schon Erfahrungen aus kleinen Zirkusinitiativen mit und wollten eine zeitlang ganz in diese Welt eintauchen. Inhaltlich war die Werkstatt an den Charakter kleiner Revuetheater aus den 30er Jahren angelehnt. Große Gesten, übertriebene Ankündigungen und der Vorhang wurden als Stilmittel und wichtige Elemente der Inszenierung eingesetzt. Viel Spaß hatte die Zirkusgruppe beim Spielen von humorvollen, skurrilen Kurzdramen des Krakauer Autors Galszynski aus den 40er Jahren. Für Abwechslung neben den schauspielerischen Übungen sorgten Werkstätten für Jongleure, Seiltänzer und Akrobaten. Requisitenbauer, Masken- und Kostümbildner lieferten die aufsehenerregende Garderobe der Artisten und bereiteten die Kulissen für den Auftritt vor. Betreut wurden die Jugendlichen von freischaffenden Künstlerinnen, Musik- und Theaterpädagogen. Sprachmittler sprangen ein, wenn Deutsch-, Polnisch- oder Englischkenntnisse an Grenzen stießen. Das war aber im Rahmen der Projektarbeit, die größtenteils in der Sprache der Gestik und Pantomime stattfand, nicht oft der Fall. Die Jugendlichen waren selbst überrascht, wie schnell sie Kunststücke erlernen konnten. Manege frei für die Künstler und Clowns hieß es dann schließlich beim Weltkindertag in Magdeburg, wo die Jugendlichen unter der Kuppel eines Zirkuszeltes vor vielen Kindern ihr Können zeigten. In Polen gab die Truppe zwei Vorstellungen vor dem begeisterten Publikum des 30 Magdeburg • Kraków Ortes Kasina und in einer Krakauer Schule. Nach der intensiven kreativen Arbeit miteinander, die von starker Motivation und einem guten Teamgeist der Gruppe geprägt war, wollen viele der Jugendlichen gerne wieder nach Polen oder Deutschland reisen – vielleicht um an einem ähnlichen Projekt teilzunehmen. Kontakt: Zirkuswerkstatt der Landesvereinigung kulturelle Jugendbildung Sachsen-Anhalt e.V. Frau Birgit Bursee Lübecker Str. 23a 39124 Magdeburg Tel. (03 91) 24 45 16-0 Centrum Wolontariatu Frau Iwona Pantak Oś. Stalowie 31922 Kraków Polen Preisträger mit Jurymitgliedern Erich Ott (rechts) und Pavel Cink (links). 31 Die Projekte Darstellung des Partnerlandes in den eigenen Unterrichtsmaterialien Was lernen eigentlich polnische Schüler über Deutschland und uns Deutsche in der Schule? – fragten sich die Schüler des Gymnasiums in Kiel. Stimmt das, was in polnischen Lehrbüchern steht, mit unseren Sichtweisen überein? Und wie ist es umgekehrt – wird uns ein realistisches und ausgewogenes Bild von Polen vermittelt? Diesen Fragen wollten die polnischen und deutschen Schüler des Kieler Gymnasiums und eines Lyzeums in Częstochowa auf den Grund gehen. Die Schüler wälzten also ausgiebig polnische und deutsche Schulbücher und legten jede Darstellung des Nachbarlandes, sei es zu politischen, geographischen, historischen oder gesellschaftlichen Themen auf die Waagschale. Auch Unterrichtsfilme, Dia-Reihen und Foliensammlungen wurden gesichtet. Für die Phase der gemeinsamen Projektarbeit in Kiel wurde in einem Unterrichtsraum eine Werkstatt eingerichtet. Dort konnten Bücher, Arbeitspapiere und Wandkarten nach Lust und Laune ausgebreitet werden. In national gemischten Gruppen setzten sich die Schüler mit Funden in den Unterrichtsmaterialien auseinander. Zentrale Themen waren bespielsweise Familienentwicklung und die Situation Jugendlicher im Vergleich, Demokratie in Deutschland, die Einführung des Euro oder Polens EU-Beitritt. Die guten Deutschkenntnisse der polnischen Teilnehmer vereinfachten die Diskussion. In den offenen Gesprächen zu wichtigen aktuellen Themen in beiden Ländern erfuhren die Schüler viel über die Sichtweisen ihrer Partner und die Hintergründe zu einzelnen Entwicklungen. Texte, Schaubilder und Plakate für eine Ausstellung, die die Ergebnisse der Recherchearbeiten dokumentierte, wurden angefertigt. Die Sichtung der Materialien fiel positiv aus. So finden sich „in den gängigen aktuellen Unterrichtsmaterialien sehr objektive und nach unserem Beurteilungsvermögen auch sachlich inhaltlich zutreffende Texte, 32 Kiel • Częstochowa Preisträger mit Jurymitglied Pavel Cink Bild- und Grafikdarstellungen über das jeweilige Partnerland.“ Bemängelt wurde allerdings, daß z.B. die Erdkundebücher in beiden Ländern sich „so gut wie gar nicht mit den Partnerländern beschäftigen“. Schüler machten auch eigene Vorschläge, wie Themen in Lehrbüchern anschaulich dargestellt werden könnten oder welche weiteren Aspekte unbedingt vertieft werden sollten. Im Rahmenprogramm erkundeten die Schüler gemeinsam Kiel, Hamburg und den Nordseestrand. Eltern beteiligten sich maßgeblich an der Freizeitgestaltung und bemühten sich, den polnischen Schülern ähnlich gastfreundlich zu begegnen, wie es beim Besuch in Częstochowa der Fall gewesen war. Daß sie sich von den begeisterten Erzählungen ihrer Kinder haben anstecken lassen, zeigt sich darin, daß nun auch eine „Elternreise“ nach Częstochowa vorgesehen ist. Kontakt: Ernst-Barlach-Gymnasium Herr Ulrich Becker Charles-Ross-Ring 53 24106 Kiel Tel. (0 43 1) 3373-76 1. L. O. im. Juliusza Słowackiego Frau Ewa Falborska ul. Kościuszki 8 42-200 Częstochowa Polen 33 Die Projekte Der Jugla-See Riga und der Sonthofer See – Eine vergleichende Untersuchung unter ökologischen, soziologischen und politischen Gesichtspunkten Das elfte Austauschjahr des Gymnasiums Sonthofen und des Rigaer Jugla-Gymnasiums verlief anders als zuvor. Neben den üblichen Ausflügen und Besichtigungen verbrachten die Schüler in diesem Jahr mehrere Tage mit spannender und aufschlußreicher Projektarbeit. Sie nahmen den Sonthofer See und den Jugla-See, die Naherholungsgebiete ihrer Herkunftstädte unter die Lupe, untersuchten deren ökologische Situation und recherchierten soziologische und politische Zusammenhänge. Die Biologen unter den Schülern scheuten das Wasser nicht, um so manchem Flohkrebs oder einer Wasserassel nachzuspüren. Sie untersuchten den Bestand an Flora und Fauna und beurteilten die Verschmutzung der Uferbereiche. Die Chemiker nahmen sich die Wasserqualität vor. Die Untersuchungen am See und die anschließende Auswertung der Funde war mit praktischem Umweltschutz verbunden: Die Schüler führten eine gemeinsame Müllsammelaktion an den Seeufern durch. Im Labor und vor allem bei der Arbeit in der Natur fanden die Schüler schnell zueinander. In Umfragen unter Badegästen und Anliegern am Sonthofer See und am Jugla-See wurde die Bedeutung der Seen als Naherholungsgebiete in Erfahrung gebracht und Rückschlüsse auf das Bewußtsein für die ökologische Gefährdung der Gewässer und die Bereitschaft der Stadtbewohner, schonend mit dem Stück Natur umzugehen, gezogen. Eine weitere Schülergruppe widmete sich den Standpunkten der örtlichen Parteien, Verbände und der Verwaltung zur Situation und der Zukunft der Seen. Auch wenn die Befragten nicht immer bereitwillig antworteten, ergaben sich doch interessante Ergebnisse der Recherchearbeit, die sich im lettischen und deutschen Fall deutlich unterschieden: Während in Riga von manchen Befragten kein Anlaß zur Umweltschonung gesehen wurde, ist das Umweltbewußtsein in Sonthofen bereits unter der jungen Bevölkerung stark ausgeprägt. Soziale und wirt- 34 Sonthofen • Rīga schaftliche Probleme des Landes haben meist Vorrang vor den ökologischen. Im Laufe der Projektarbeit lernten die Schüler nicht nur Ansätze des wissenschaftlichen Arbeitens kennen, bei ihren Untersuchungen konnten sie auch theoretisch Erlerntes an der Realität erproben und direkte Bezüge herstellen. Bei der Zusammenführung verschiedener Fachbereiche wurden deren Überschneidungen und enge Verbindung deutlich, wie sie in der Praxis die Regel sind. Sämtliche Ergebnisse und der Verlauf der Arbeit der jungen Forscher wurde von einer Schüler-Pressegruppe auf Fotos dokumentiert. Aus dem gesammelten Müll entstand eine Skulptur, die zusammen mit den Auswertungen der Untersuchung ausgestellt wurde. Nach der positiven Erfahrung und angesichts der guten Ergebnisse, möchten die beiden Schulen auch künftig Projektarbeit in ihren jährlichen Austausch einbinden. Kontakt: Gymnasium Sonthofen Frau Andrea Schröder Albert-Schweitzer-Str. 21 87527 Sonthofen Tel. (0 83 21) 61 57-0 Jugla-Gymnasium Herr Filipsons Kreles iela 64 LV-1064 Rīga Lettland 35 Die Projekte Mit Musik über die Grenzen Daß Musik keine Grenzen kennt und durch sie Verständigung ohne viel Worte möglich ist, zeigte das Projekt der St. Hildegard-Schule für gesundheitsgeschädigte Kinder in Berlin-Marienfelde mit den Partnerschulen in Koszalin und Prag. 53 Schüler mit und ohne Behinderungen, begleitet von ihren Betreuern, nahmen an einer zehntägigen Musikwerkstatt in Brandenburg-Kirchmöser teil. Unter Anleitung von Musikpädagogen lernten die Schüler Lieder aus vielen Ländern der Welt kennen und spielten sie auf Instrumenten. Der Einsatz von Orffschen Instrumenten ermöglichte auch behinderten Schülern, bei der Liedbegleitung mitzuwirken. So gingen die Schüler neugierig und ungezwungen mit den Instrumenten um. Sie konnten improvisieren und im Umgang mit dem Klangmaterial experimentieren. Das gemeinsame Konzert einer Prager und einer Berliner Band war der Stimmungshöhepunkt. Bereits nach einer knappen Woche gab das neu entstandene trinationale Schülerorchester seine erste Vorstellung und sorgte für die musikalische Begleitung eines Gottesdienstes in Kirchenmöser. Darauf folgten weitere zwei Konzerte in Brandenburg und Berlin. Der starke Beifall des Publikums zeigte, daß die intensiven Proben sich gelohnt hatten und die Darbietung den Gästen Freude machte. Verständigungsschwierigkeiten und anfängliche Scheu konnten bei gemeinsamem Spiel, Gesang und Tanz leicht überwunden werden. Behinderte und Nichtbehinderte, Polen, Tschechen und Deutsche fühlten sich als zusammengehörige Gruppe. Trotz einiger Schwierigkeiten machten Lehrer und Schüler die Erfahrung, daß Behinderungen keine Einschränkung bedeuten müssen. Auch hatte das Musikprogramm für alle Altersgruppen unter den Schülern etwas zu bieten. „Mit der Überzeugung, daß mit Musik Verstehen beginnt, konnten wir die Sprachbarrieren reduzieren“. Die Schüler lernten die Sprachen 36 Berlin • Koszalin • Prag ihrer Nachbarländer in Liedern kennen und konnten manchmal auch einige Worte, die sie in einem dem Projekt vorangegangenen Schnuppersprachkurs gelernt hatten, anwenden. Jeder Tag schloß mit einem Gespräch über die Zukunft Europas. Da äußerten die Jugendlichen ihre Wünsche und Träume für das friedliche Zusammenleben in Europa und entwarfen bunte Fahnen und Symbole, die für sie die Verbundenheit ihrer drei Herkunftsländer zum Ausdruck bringen. Kontakt: Katholische Schule Sankt Hildegard Malteserstr. 171 a 12277 Berlin Tel. (0 30) 72 13 09 0 Jedlickuv ústav a školy pro telesne postizcne V pevnosti 4 12841 Prag 2 Tschechien Szkoła Podstawowa Nr. 9 Im. M. Kopernika ul. Powstanców Wlkp. 23 75-100 Koszalin Polen 37 Die Projekte Demokratie in Europa – Wie gehen wir mit den Minderheiten in unseren Ländern um? Eine gewöhnliche Urlaubsreise wäre den engagierten Jugendlichen aus Polen, der Ukraine und Deutschland in ihren Ferien zu langweilig gewesen. Statt am sonnigen Strand zu liegen oder vielleicht ein paar Städte zu besichtigen, wollten sie sich lieber einem wichtigen, interessanten Thema widmen und scheuten auch nicht Einsatz und Arbeit. Wie gehen wir mit Minderheiten in unseren Länder um? – oder – Wie funktioniert das Zusammenleben verschiedener Kulturen in Polen, der Ukraine und Deutschland? – das war das Thema der dreiwöchigen Reise nach Quern, Oświęcim und Lviv, für die sich interessierte Jugendliche anmeldeten. Gemeinsam befragte die Gruppe an diesen Orten ethnische und religiöse Minderheiten zu ihrem Alltagsleben, ihren Perspektiven und Schwierigkeiten und erfuhren die Hintergründe für ihr Leben in einer anderen Kultur. Die Inhalte der Projektarbeit gestalteten die Jugendlichen sehr selbständig. In gemischten Gruppen erarbeiteten sie Fragenkataloge als Grundlage für die Gespräche. „Wir wollten wissen, wie sie behandelt werden, und ob sie in die Gesellschaft integriert sind“. So erhielten die jungen Menschen ein lebendiges Bild der Situation von Kurden, Libanesen und Dänen in Deutschland oder der armenischen Kirche und der evangelischen Minderheit in Polen. In jedem der drei besuchten Ländern trafen sie mit Vertretern der jüdischen Gemeinden und der Sinti und Roma zusammen. Neben Lebensgeschichten von Einzelpersonen hörten die Jugendlichen auch von der Arbeit der Interessenvertretungen und Initiativen innerhalb der Minderheitengruppen. Nach diesem Seminar werden sie Minderheiten im eigenen Land mit mehr Verständnis und Aufmerksamkeit betrachten, versichern die Jugendlichen. Sie fühlen sich sensibilisiert für deren teilweise schwierige 38 Quern • Lviv • Oświęcim Situation und wollen helfen, Vorurteile abzubauen. Der direkte Vergleich regte auch eine lebendige Diskussion über Möglichkeiten der sozialen Integration von Minderheiten an. Neben der Projektarbeit erteilten die nationalen Gruppen in Eigenregie den übrigen Seminarteilnehmern einführende Sprachkurse. Am Ende jeder Woche stellten sie ihr Land jeweils in kleinen unterhaltenden Theaterstücken oder Rollenspielen vor. Eine hitzige Diskussion entstand vor allem zum Thema der EU -Osterweiterung und zum Begriff des „Nationalstolzes“. Eine Seminarzeitung, die inzwischen bereits im Internet zu finden ist, dokumentiert die gewonnenen Erkenntnisse aus der Projektarbeit und die persönlichen Eindrücke der Jugendlichen auf ihrer Reise. Die fröhlichen Berichte über das gegenseitige Kennenlernen lassen ahnen, wie sehr die gemeinsame Arbeit zusammengeschmiedet hat. „Wenn das Seminar noch einmal stattfindet“, so die Jugendlichen, „gibt es eine große Konkurrenz um die freien Plätze.“ Kontakt: Jugendhof Scheersberg Deutscher Grenzverein e.V. Herr Horst Röper 24972 Quern www.scheersberg.onlinehome.de/zipzap.html „Ukraine – Europe“ Regional Foundation Herr Wasyl Khim’yak Valova ul. 31 290008 Lviv – 8 Ukraine Międzynarodowy Dom Spotkan Młodzieży w Oświęcimiu Internationale Jugendbegegnungsstätte in Auschwitz Frau Aneta Bulkiewicz ul. Legionów 11 32-600 Oświęcim Polen 39 Die Projekte Erstellung eines Fachwörterbuches Holz mit Im- und Exportinformationen für holzverarbeitende Firmen Für die bessere Verständigung zwischen tschechischen und deutschen Holzfachleuten kann künftig ein Fachwörterbuch zur Hand genommen werden, das Ergebnis eines Schulprojektes in der Euroregion Bayern und Tschechien ist. Viel Einsatz und Konzentration erforderte die Arbeit an dem tschechisch-deutschen Wörterbuch, das die Schreinerlehrlinge und angehenden Holzfachleute aus Sušice und Waldkirchen gemeinsam erstellten. Das Nachschlagewerk enthält Vokabular zu Bereichen rund um das Holzhandwerk und die Holzindustrie: Holzarten, Wald, Werkzeuge, Maschinen, Holzbehandlung, Arbeitssicherheit, Innenausbau etc. In gemischten Gruppen erarbeiteten die Berufsschüler die Übersetzungen. Die Handwerkskammer formulierte für das Wörterbuch eine leicht verständliche Version der Importund Exportbestimmungen. Auch Phrasen, die im Werkstatt-Alltag vorkommen, wurden übertragen und ins Wörterbuch aufgenommen. Den berufsspezifischen Teil ergänzten die Auszubildenden durch Redewendungen, die bei künftigen Arbeitsaufenthalten im Nachbarland zu einem höflichen und netten Umgangston verhelfen. Ohne die sehr guten Deutschkenntnisse der tschechischen Lehrlinge und das fachliche Wissen beider Gruppen wäre das Projekt nicht ausführbar gewesen. Die Berufsschüler sammelten Illustrationen und nahmen Fotos auf, die die Begriffe bildlich darstellen – wenn Begriffe in beiden Sprachen nicht geläufig sind, hilft die Bildinformation weiter. Im Laufe des Projektes erweiterten die angehenden Schreiner ihr Wissen in vielen Sparten – sie lernten die Nachbarsprache besser kennen, faßten Lehrinhalte in Form des Vokabulars zusammen und lernten einiges über Bildbearbeitung am Computer. Neben der gemeinsamen Projektarbeit besuchten die Schüler auch die Holzwerkstätten der Partnerschule, erhielten gemeinsamen Praxisunterricht und besuchten 40 Waldkirchen • Sušice holzverarbeitende Betriebe, Forstgebiete und auch eine Zollbehörde im Partnerland. Ein starkes Bedürfnis, viel über Sicherheitsvorkehrungen in diesen Betrieben zu erfahren, entwickelten die Lehrlinge, als während ihres Besuchs in einer Holzverarbeitung drei Lagerhallen abbrannten. Zu Schaden kam zum Glück keiner von ihnen. Nicht nur das Interesse des Fernsehens erregte das gelungene Austauschprojekt – das Team der Abendschau filmte die Projektarbeit einen ganzen Tag lang – auch die ersten Bestellungen für das Fachwörterbuch von Betrieben und Institutionen sind bereits eingetroffen. Das Projekt, so die Teilnehmer, soll ein kleiner Schritt zu noch besseren Wirtschaftsbeziehungen zwischen Ostbayern und Tschechien sein. Einige der tschechischen Berufsschüler möchten aufgrund der guten Erfahrungen während der Projektarbeit bald Praktika in deutschen Betrieben machen. Die deutschen Lehrlinge „nehmen in ihre Arbeit mit, daß Tschechien ein Absatzmarkt ist, den eine Firma nutzen muß, wenn sie überleben will.“ „Unser Engagement für fachliche Verständigung über die Grenzen hinaus hat sich gelohnt.“ Das ist das Fazit der Schüler nach der intensiven Arbeit außerhalb des regulären Unterrichts. Im nächsten Jahr soll das Buch in einer erweiterten Version neu aufgelegt werden. Kontakt: Staatliche Berufsschule Waldkirchen Herr Thomas Hochleitner Freyunger Str. 8 94065 Waldkirchen Tel. (0 85 81) 96 41-0 Email: h.stobinski @ bs-waldkirchen.de www.bs-waldkirchen.de Střední odborné ucilište a odborné ucilište Poštovní ul. 9/I 342 11 Sušice Tschechien 41 Die Projekte Leben in Sibiu (Hermannstadt) und Leverkusen – ein Videofilm Daß Projektarbeit nicht immer genau so verläuft, wie sie geplant war und am Ende manchmal unerwartete Ergebnisse und Erkenntnisse stehen, das ist den Schülern aus zwei Lyzeen in Sibiu, Rumänien, und einem Berufskolleg aus Leverkusen klar geworden. Die Schüler hatten sich vorgenommen, die Lebensbedingungen in Rumänien und Deutschland in einem Videofilm zu dokumentieren und zu vergleichen. Sie wollten eine Antwort finden auf die Frage, was es bedeutet, in Sibiu bzw. in Leverkusen zu leben. Da die rumänischen Schüler deutschsprachige Schulen besuchen, bestanden keine sprachlichen Barrieren – eine Chance, die im Projekt genutzt werden konnte. Der Videofilm sollte auf der Grundlage eines intensiven Erfahrungsaustauschs, Gesprächen und Rollenspielen zur Identitätsfindung, der Kommunikation und Auseinandersetzung zwischen den Schülern entstehen. Sie wollten herausfinden, was für die anderen wichtig ist im Leben, ihre Hoffnungen und Ängste kennenlernen. Ein weiteres Ziel des Projekts war, den Schülern im Umgang mit der Kamera die Angst vor der Technik zu nehmen. Sie sollten lernen, selbständig Filme herzustellen sowie Sensibilität für Bildaufbau und Kameraführung zu erlangen. Ausgerüstet mit Videokameras nahmen die Schüler ihre Herkunftsstädte ins Visier. Im Mittelpunkt des Filmens standen Menschen im alltäglichen Leben, auf der Straße, beim Einkaufen, Kinder, alte Menschen, Schüler. In der Gruppe beobachtete man sich auch gegenseitig durch die Kamera. Mit wachen Augen für die Besonderheiten der Städte, nahmen sie die Umgebung wahr. Schnell legte man allerdings das vorgesehene Drehbuch zur Seite und ließ sich von den Eindrücken leiten. 42 Leverkusen • Sibiu Beim Aufenthalt in Leverkusen machten sich die Schüler an das Schneiden und Bearbeiten des Filmmaterials. Anfänglich herrschte Ratlosigkeit, wie die einzelnen Impressionen zu einem Film werden sollten. Beim Nebeneinanderstellen der einzelnen Szenen zeigte sich, daß diese nicht geeignet waren das „Leben“ in Sibiu und Leverkusen wirklich zu erfassen und eine Antwort auf die Fragen, die sie sich gestellt hatten, zu geben. Es enstand eine Dokumentation des Projektes als Videofilm, die die Schüler als Erinnerung an die gemeinsame Arbeit mit nach Hause nahmen. Gelernt hatten die Schüler, daß die Aufgabe, die sie sich gestellt hatten, nämlich innerhalb von wenigen Tagen dahinter zu kommen, was es bedeutet im Partnerland zu leben, ein schwieriges Unterfangen ist. Wohl hatten sie sich an beiden Orten gefühlt, ganz unabhängig von den dortigen unterschiedlichen strukturellen Gegebenheiten. Lebensglück, so schien es ihnen, ist nicht von materiellen Äußerlichkeiten abhängig. Aber die jeweilige Lebenswelt des Partnerlandes schien zu komplex, um sie in so kurzer Zeit authentisch in einem Film wiederzugeben. Eine wichtige Erfahrung. Kontakt: Berufskolleg Opladen Fachrichtung Erziehung Herr J. Lonnemann Düsseldorfer Str. 10 51379 Leverkusen Tel. (0 21 4) 40 64 31 8 Email: juergen.lonnemann @ t-online.de Liceul Teoretic Brukenthal Herr G. Hermann 2400 Sibiu Rumänien Colegiul Pedagogic „A. Saguna“ Str. General Magheru nr. 36 RO-2400 Sibiu Rumänien 43 Die Projekte Renovierung und Dekoration eines Freizeitraums / Gestaltung von Fachwerkgefachen Bleibende Erinnerungen entstanden bei der gemeinsamen Projektarbeit von 22 Auszubildenden aus Karben und Radviliskis. Die angehenden Raumausstatter, Maler und Tischler des Berufsbildungswerks Südhessen machten sich auf die Reise nach Litauen, um mit Auszubildenden der langjährigen Partnerschule einen „Europa-Raum“ in der Ausbildungsstätte zu gestalten. Anhand von Raumplänen, die ihnen aus Litauen zugeschickt wurden, übten die Karbener Berufsschüler an einer Modellwand bereits kräftig, was sie dann gemeinsam mit den Litauer Auszubildenden umsetzen wollten. Es entstand der Entwurf für eine Wandbemalung. Die Anfänge und Entwicklungen der Europäischen Gemeinschaft wurden anhand der wichtigsten Daten und einer Landkarte an einer Wand der Litauer Berufsschule dargestellt. In den Boden desselben Raumes arbeiteten die Schüler eine Intarsie des Europa-Emblems, ein Kreis aus zwölf Sternen auf blauem Grund. Während durch die Raumgestaltung die Einheit Europas symbolischen Einzug in die Litauer Schule hielt, konnten die Auszubildenden bei der freundschaftlichen Zusammenarbeit und bei begleitenden Freizeitaktivitäten gute Kontakte knüpfen. Auch handwerklich konnten sie viel voneinander lernen. Glücklich und zufrieden mit ihrer geleisteten Arbeit übergaben die Jugendlichen den gestalteten Raum im Rahmen eines Schulfestes an das Berufsbildungswerk in Radviliskis. Auch um eine gute Öffentlichkeitsarbeit hatten sich die deutschen und lettischen Projektleiter bemüht: Die Einweihung des Raumes fand im Beisein der Presse, des Fernsehens und politischer Prominenz statt, die die „gelungene Arbeit“ der Auszubildenden lobten. Einer weiteren gestalterischen Aufgabe widmeten sich die Auszubildenden beim Besuch der lettischen Partner in Karben. Das Arbeitsobjekt war diesmal ein altes Fachwerkhaus, die „Steinmühle“ in OberErlenbach. Die Jugendlichen sanierten die gesamte Fachwerk-Fassade 44 Karben • Radviliskis des Gebäudes und dekorierten sie mit Schmuckbändern, den Wappen der Städte Radviliskis und Karben sowie dem Europa-Emblem. Der Schriftzug „Junge Wege in Europa“ ziert einen der horizontalen Fachwerkbalken. Auch dieses gemeinsame handwerkliche Projekt war von beiden Seiten in wochenlanger Vorarbeit detailliert geplant und vorbereitet worden. 45 Karben • Radviliskis Neben der intensiven Arbeit, die solche augenfälligen Ergebnisse entstehen ließ, blieb noch Zeit für begleitende Sprachkurse und Ausflüge in die Umgebung. Für die Jugendlichen stand jedoch das gegenseitige Kennenlernen im Vordergrund, schon beim zweiten Projekt hatten sie das Gefühl, „alte“ Freunde wiederzutreffen. Kontakt: Berufsbildungswerk Südhessen GmbH Herr Gerhard Kohtz Am Heroldsrain 1 61184 Karben Tel. (0 60 39) 4 82-0 46 Lietuvos Reabilitacinis Profesinio Rengimo Centras Herr Romas Elinauskas Gediminio 81 5120 Radviliskis Litauen Fotoimpressionen 47 Fotoimpressionen 48 Fotoimpressionen 49 Fotoimpressionen 50 Fotoimpressionen 51 Anhang Anhang Programm der Festveranstaltung Begegnung der Preisträger, Projektjahr 2000 / 2001 31. Januar bis 2. Februar 2002, Berlin Donnerstag, 31. Januar 2002 bis 16.00 Uhr Anreise der Teilnehmer Hotel Kolumbus, Genslerstraße 18, Berlin bis 17.00 Uhr Aufbau der Ausstellung und Imbiß 17.15 Uhr Begrüßung Günter Gerstberger, Robert Bosch Stiftung 17.30 Uhr Projektpräsentation Die Preisträger stellen ihre Partnerschaftsprojekte vor Preisverleihung Auswahl der Gruppen, die bei der Festveranstaltung im Abgeordnetenhaus präsentieren Eröffnung der Projektausstellung 20.00 Uhr Kennenlernen und Nachfragen Buffet Freitag, 1. Februar 2002 ab 7.00 Uhr 52 Frühstück 8.15 Uhr Einführung in den Tag 8.45 Uhr Abfahrt mit Bussen zum Abgeordnetenhaus Programm der Festveranstaltung 10.30 Uhr Festveranstaltung im Abgeordnetenhaus Berlin Begrüßung Dieter Berg Geschäftsführer der Robert Bosch Stiftung Festrede Tadeusz Mazowiecki ehemaliger polnischer Ministerpräsident Präsentation ausgewählter Projekte Ungarischer Speedfolk mit den „Transsylvanians“ Rundgang durch die Projektausstellung mit Tadeusz Mazowiecki 13.00 Uhr Imbiß im Abgeordnetenhaus 14.00 Uhr Stadtrundgang in Gruppen 17.30 Uhr Rückfahrt zum Hotel Kolumbus 18.30 Uhr Festvorbereitung 19.30 Uhr Fest der Begegnung Buffet Samstag, 2. Februar 2002 ab 7.00 Uhr Frühstück, individuelle Abreise 53 Anhang Pressemitteilung, 1. Februar 2002 Brückenbauer in Europa: Robert Bosch Stiftung zeichnet beispielhafte Schüler- und Jugendprojekte zwischen Deutschland und den Ländern Mittel- und Osteuropas aus Über 3800 Jugendliche aus Deutschland und Mittel- und Osteuropa haben mit ihren rund 400 Lehrern und Betreuern im Schuljahr 2000/ 2001 „Junge Wege in Europa“ beschritten. Sie nahmen am dritten Durchgang des gleichnamigen Förderwettbewerbs der Robert Bosch Stiftung teil. Dessen Ziele sind der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Schüler- und Jugendgruppen aus Deutschland und Mittelund Osteuropa. In 102 Partnerschaften (79 Schulprojekte und 23 Jugendprojekte) trafen die Jugendlichen zu gemeinsamer Projektarbeit zusammen; dabei waren die Länder Polen, Rußland und Tschechien am häufigsten vertreten. Die Partnerschaften sollen auch über die erste Zusammenarbeit hinaus Bestand haben. In Berlin werden die 15 besten Begegnungsprojekte des Durchgangs 2000 / 2001 heute in einer Festveranstaltung im Berliner Abgeordnetenhaus ausgezeichnet. Die Festrede hält der frühere polnische Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki. Stiftungsgeschäftsführer Dieter Berg betonte bei diesem Anlaß: „Ohne das Engagement motivierter Lehrer und interessierter Jugendliche würde unsere Förderung das Ziel der Verständigung im zusammenwachsenden Europa nicht erreichen“. Die Preisträger haben sich in ihrer Projektarbeit mit unterschiedlichen Themen beschäftigt, die ihren Alltag sowie ihre Erwartungen und Vorstellungen im zusammenwachsenden Europa widerspiegeln. Sie verglichen Lebensweise und Kultur ihrer Heimatregionen, setzten sich mit der Geschichte ihrer Heimatländer und der gemeinsamen europäischen Zukunft auseinander, formulierten ihre Wünsche und Perspektiven nach dem Ende der Schulzeit oder betätigten sich als Umweltexperten. Aus der gemeinsamen Arbeit sind auch verschiedene künstlerische oder handwerkliche Erzeugnisse hervorgegangen. Neben der Beschäftigung mit einem Thema stand vor allem die persönliche Begegnung im Mittelpunkt. Aufenthalte in Gastfamilien und gemeinsame Schullandheimaufenthalte taten das ihre, den anderen und seine Umgebung kennenzulernen und so mancherlei wechselseitige Vorurteile abzubauen. 54 Pressemitteilung Die Ausschreibung des Förderwettbewerbs „Junge Wege in Europa“ für das Schul- bzw. Projektjahr 2002/2003 läuft bereits. Teilnahmeberechtigt sind alle Schularten (Klassen, Arbeitsgemeinschaften, Schulclubs) sowie Jugendgruppen. Das Alter der Teilnehmer soll zwischen 13 und 21 Jahren liegen. Für Reise und Begegnung sind mindestens zehn Tage einzuplanen; vier davon entfallen auf die partnerschaftliche Projektarbeit. Bewerbungsunterlagen sind bei der Robert Bosch Stiftung erhältlich und im Internet unter www.bosch-stiftung.de, Rubrik „Aktuell“ abrufbar. Einsendeschluß ist der 1. März 2002. In den ersten vier Durchgängen des Wettbewerbs „Junge Wege in Europa“ wurden bisher rund 380 Partnerschaften mit insgesamt 2,6 Millionen Euro gefördert. Die Robert Bosch Stiftung ist eine der großen unternehmensverbundenen Stiftungen in Deutschland und wurde 1964 gegründet. Sie setzt Schwerpunkte, entwickelt innovative Programme und fördert modellhafte Projekte. Die Förderung konzentriert sich auf folgende Gebiete: Wissenschaft in der Gesellschaft, Gesundheit und Humanitäre Hilfe, Internationale Beziehungen, Völkerverständigung mit Mittel- und Osteuropa sowie Jugend, Bildung, Bürgergesellschaft. Im Jahre 2000 wurden rund 35 Millionen Euro für Förderungsvorhaben bereitgestellt. 55 Anhang Pressereaktionen Norderstedter Zeitung, 4. Februar 2002 Kieler Nachrichten, 5. Februar 2002 56 Pressereaktionen Leipziger Volkszeitung, 6. Februar 2002 57 Anhang Passauer Neue Presse, 8. Februar 2002 58 Pressereaktionen Erkelenzer Volkszeitung, 18. Februar 2002 Heinsberger Zeitung, 18. Februar 2002 59 Anhang Statistik Projektjahr 2000 / 2001 Bundesländer Land Bayern Brandenburg Berlin-West Berlin-Ost Bremen Baden-Württemberg Hessen Hamburg Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Sachsen-Anhalt Sachsen Schleswig-Holstein Thüringen Bewerbungen Bewilligungen* 34 18 11 6 1 26 18 3 15 25 36 7 8 24 11 15 17 8 6 – 1 5 7 1 5 14 13 3 5 7 6 4 Bewerbungen Bewilligungen 11 16 90 7 26 23 9 3 8 38 4 15 11 – Schulart Art Hauptschule Real-, Regel-, Mittelschule Gymnasium Förderschule Berufliche Schule Gesamtschule Sonstige 60 Statistik Partnerländer Land Bulgarien Estland Kroatien Lettland Litauen Polen Rumänien Rußland Slowakische Republik Slowenien Tschechien Ukraine Ungarn Weißrußland Tri-/multilateral Bewerbungen Bewilligungen* 4 6 2 11 10 74 12 43 5 1 37 11 19 6 17 1 1 1 7 5 26 4 17 1 – 15 3 7 4 10 Bewerbungen Bewilligungen* 182 76 79 23 Institution Art Schule Jugend Erreichte Teilnehmer Schüler / Jugendliche Lehrer / Begleitpersonen 3.852 400 * davon 6 storniert 61 Anhang Die Mitglieder der Jury Dr. Eva Burmeister, Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien, Bad Berka Dr. Pavel Cink, Ministerium für Bildung, Jugend und Sport der Tschechischen Republik, Prag Dietrich R. Gross, Studiendirektor, freier Berater für internationalen Bildungsaustausch, Bonn Ursula Oehring-Haferkorn, Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, Kiel Erich Ott, Oberstudienrat und Schulleiter, Heidenheim Jerzy Waldemar Rasala, Journalist, Warschau 62 Die Robert Bosch Stiftung Die Robert Bosch Stiftung Die Robert Bosch Stiftung verkörpert die sozialen Bestrebungen des Firmengründers und Stifters Robert Bosch (1861-1942). Sie wurde 1964 gegründet und ist heute eine der großen unternehmensverbundenen Stiftungen in Deutschland. Rund 92 % des 1200 Millionen Euro betragenden Stammkapitals der Robert Bosch GmbH gehören der Robert Bosch Stiftung GmbH, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt. Die Dividende der Robert Bosch GmbH fließt der Robert Bosch Stiftung GmbH anteilig zu. Von 1964 bis 2001 stellte die Stiftung 536,7 Millionen Euro für Förderungsvorhaben bereit. Im Jahr 2001 wurden 40,1 Millionen Euro bewilligt. Die Robert Bosch Stiftung setzt Förderungsschwerpunkte, entwickelt innovative Programme und greift modellhafte Einzelprojekte auf in den Gebieten: Gesundheitspflege (mit den stiftungseigenen Einrichtungen Robert-Bosch-Krankenhaus, Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut für Klinische Pharmakologie und Institut für Geschichte der Medizin in Stuttgart), Völkerverständigung, Wohlfahrtspflege, Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur, Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften. ROB E RT BOSCH STI FTU NG Robert Bosch Stiftung GmbH Heidehofstraße 31 70184 Stuttgart Telefon: (0711) 4 60 84-0 Telefax: (0711) 4 60 84-94 E-Mail: [email protected] www.bosch-stiftung.de Ansprechpartner „ Junge Wege in Europa“: Beate Bernauer, Telefon: (0711) 4 60 84-49 Corinna Dommes, Telefon: (0711) 4 60 84-131 E-Mail: [email protected] 63 Impressum Impressum Herausgegeben von der Robert Bosch Stiftung, Stuttgart Redaktion: Karen Hauff Fotos: Susanne Kern Juli 2002 Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Junge Wege in Europa : Zusammenarbeit zwischen Schüler- und Jugendgruppen aus Deutschland und Mittel- und Osteuropa ; Dokumentation, Begegnung der Preisträger, Projektjahr 2000/2001 / [Robert-Bosch-Stiftung]. - Stuttgart : Robert-Bosch-Stiftung, 2002 ISBN 3-922934-82-X © 2002 Robert Bosch Stiftung GmbH, Stuttgart Alle Rechte vorbehalten 64