Qualitative Risk Assessment: HPAI (H5N1) in Russia

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Qualitative Risk Assessment: HPAI (H5N1) in Russia
Bewertung des Risikos zur Einschleppung von hochpathogenem aviären Influenzavirus
H5N1 in Hausgeflügelbestände in Deutschland
Stand: 05. September 2006
Zusammenfassung
Seit dem erstmaligen Nachweis von hochpathogenem aviären Influenzavirus (HPAIV) des Typs
H5N1 Asia bei Wildvögeln in Deutschland am 15. Februar 2006 wurden bis Anfang September 2006
344 infizierte einheimische Wildvögel entdeckt. Auf Grund weit reichender Schutzmaßnahmen kam
es aber nur in einem Fall zu einem Ausbruch in einem Nutzgeflügelbestand. Obwohl in den Monaten
Juni und Juli keine Nachweise von HPAIV H5N1 Asia-Infektionen bei Wildvögeln in Deutschland
geführt wurden, zeigten jüngste Nachweise des Virus bei Wildvögeln in Spanien (Juli 2006, Haubentaucher) und in Deutschland (August 2006, Trauerschwan aus dem Bestand des Dresdner Zoos) die
weiterhin jederzeit gegebene Gefahr einer Einschleppung von HPAIV H5N1 Asia in Nutzgeflügelbestände. Vor diesem Hintergrund wird das Risiko einer Infektion von Nutzgeflügelbeständen mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen in Risiko- und Restriktionsgebieten weiterhin als hoch eingestuft.
Eine Abkehr vom grundsätzlichen Aufstallungsgebot wird für diese Gebiete nicht empfohlen. Jedoch
sollten die derzeit ausgewiesenen Risikogebiete im Hinblick auf die im Herbst/Winter zu erwartende
erhöhte Dichte an Wildvögeln hinsichtlich ihrer Ausdehnung überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.
Neben der Gefährdung durch Wild- bzw. Zugvögel wird auch das Risiko des Eintrags über den illegalen Handel aus Ausbruchsländern weiterhin mit hoch bewertet. Auf Grund bestehender Handelsbeschränkungen ist das Risiko über legalen Handel vernachlässigbar. Die Gefahr einer Einschleppung über den Personen- und Fahrzeugverkehr erscheint auf Grund der gegenwärtigen Verbreitungslage in Europa gering.
1. Aktuelle Situation (ab Juni 2006)
a) Aktuelle Situation in Asien
Neben dem kontinuierlichen Auftreten von HPAIV H5 N1 in einigen Ländern Asiens (Russland, asiatischer Teil; China, Indonesien) und Afrikas (z. B. Nigeria, Sudan, Ägypten) kam es ab Juli in einzelnen
Ländern Südost-Asiens (Thailand, Vietnam, Laos und Kambodscha), in denen zunächst keine Fälle mehr
gemeldet wurden, zu Neuausbrüchen von HPAIV H5N1. Insbesondere in Thailand traten großräumig Ausbrüche in mehreren Regionen auf, wobei die erste Meldung eine Infektion beim Menschen betraf, die dann
zu umfangreichen Probennahmen im Geflügelsektor und zahlreichen Nachweisen führte.
b) Aktuelle Situation in Europa
Seit dem Erstnachweis im Oktober 2005 wurden bisher in 15 Ländern Europas Infektionen von Wildvögeln
mit HPAIV vom Typ H5N1 Asia gefunden. Zusätzlich kam es zu Infektionen in Hausgeflügelbeständen in
Albanien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Rumänien, Russland, Serbien/Montenegro, der Ukraine,
Ungarn, und der Türkei. Nach einer zunächst großräumigen Verbreitung im Frühjahr 2006 gingen die gemeldeten HPAIV H5N1-Infektionen ab Mai 2006 deutlich zurück. Im Juli und August 2006 wurden einzelne Fälle bei Wildvögeln in Spanien (07/2006, Haubentaucher) und Deutschland (08/2006,Trauerschwan,
Zoobestand) gemeldet, wobei der Nachweis in Spanien den Erstnachweis für dieses Land darstellt.
c) Aktuelle Situation in Deutschland
Die schon in der letzten Risikobewertung des FLI dokumentierte deutliche Abnahme von HPAIV H5N1Nachweisen in Deutschland mit dem vorerst letzten Fall am 12.05.2006 setzte sich mit dem Ausbleiben
positiver Befunde in den Monaten Juni und Juli 2006 fort. Am 03.08.2006 kam es zu einem weiteren
Nachweis von HPAIV H5N1 bei einem verendeten Schwan aus dem Bestand des Dresdner Zoos. Es handelte sich um einen Trauerschwan aus eigener Nachzucht, der einige Tage zuvor vom Personal des Zoos tot
aufgefunden worden war. Der Zoo befindet sich im Stadtzentrum von Dresden. Eine Beprobung weiterer
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Vögel aus dem Bestand des Zoos (einschließlich der Elterntiere des verendeten Schwans), als auch von im
Zoo gefangenen Wildvögeln ergab keine weiteren positiven Befunde auf HPAIV H5N1.
Einzelheiten zu Ausbrüchen und Verdachtsfällen mit HPAIV sind dem vom FLI herausgegebenen Epidemiologischen Bulletin mit dem Lagebericht zur Aviären Influenza zu entnehmen. Grundlage dieser Risikobewertung ist das Epidemiologische Bulletin Nr.39/2006 vom 04.09.2006. Eine Zusammenfassung der
gegenwärtigen epidemiologischen Situation in Deutschland, Europa und Asien findet sich in der nachfolgenden Tabelle, wobei nur Meldungen (bestätigte und unbestätigte Fälle/Ausbrüche) der letzten drei Monate Berücksichtigung finden.
(Datenquelle: Epidemiologisches Bulletin des Friedrich-Loeffler-Instituts)
Meldungen (Juli-Sept.)
Kontinent/Land
Kommentar
Wildvogel, Dresden, Zoo
Am 03.08.2006 wurde HPAIV H5N1 bei einem
Deutschland
Trauerschwan aus dem Zoobestand festgestellt
Europa
Spanien Wildvogel, Region Navarra Am 10.07.2006 wurde bei einem Haubentaucher
HPAIV H5N1 festgestellt
Asien
Russland (Mittel- und Hausgeflügel & Wildvögel Bei Hausgeflügel kontinuierliches Geschehen
Südsibirien)
seit März 2006. Wildvögel: Regionen Omsk (an
mehreren Seen), Tyva und Krasnoyarsk
Thailand
Hausgeflügel
Neue Meldungen ab Juli 2006 in mehreren Provinzen
Laos
Hausgeflügel
Neue Meldungen ab Juli 2006
Kambodscha
Hausgeflügel
Neue Meldungen ab Mai 2006
China Hausgeflügel & Wildvögel Kontinuierliches Geschehen
Indonesien
Hausgeflügel
Kontinuierliches Geschehen
Vietnam Hausgeflügel & Wildvögel Neue Meldungen ab Aug 2006
Afrika
Nigeria
Hausgeflügel
Kontinuierliches Geschehen
Sudan
Hausgeflügel
Letzte Meldung: Juli 2006
Ägypten
Hausgeflügel
Neue Meldungen am 03.09.2006
2. Hazard Identifizierung
Als Hazard wird in dieser Bewertung hochpathogenes aviäres Influenzavirus (HPAIV) vom Typ H5N1
Asia bezeichnet.
3. Risikobewertung
3.1
Abkürzungen und Begriffsbestimmungen
Abkürzungen
HPAI: hochpathogene aviäre Influenza/ highly pathogenic avian influenza
HPAIV: hochpathogenes aviäres Influenzavirus
Begriffsbestimmungen
HPAI “… notifiable avian influenza (NAI) is defined as infection of poultry caused by any influenza virus
A of the H5 or H7 subtypes or by any AI virus with an intravenous pathogenicity index (IVPI) greater than
1.2 (or as an alternative at least 75% mortality…” (OIE, 2005b).
Inkubationszeit für HPAI:
maximal 21 Tage (OIE, 2005b)
Die folgenden Begriffe werden in Anlehnung an die Terminologie des OIE-Handbuches für Importrisikoanalysen verwendet (OIE, 2004).
Wahrscheinlich:
ein Umstand, der eintreten, wahr sein oder vernünftigerweise erwartet werden kann
Hoch:
über das normalerweise oder im Mittel zu erwartende Maß hinausgehend
Mäßig:
normalerweise oder im Mittel zu erwartendes Maß
Gering:
unterhalb des normalerweise oder im Mittel zu erwartenden Maßes
Vernachlässigbar: keiner weiteren Betrachtung bedürftig
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3.2
Bewertung von Einschleppungsursachen
a) Ausgehend von Wild- und Zugvögeln
Die Wahrscheinlichkeit eines Eintrags von HPAIV H5N1 ausgehend von Wildvögeln in die Hausgeflügelbestände Deutschlands mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen wird in Restriktions- und Risikogebieten
(entsprechend § 1 Abs. 2, Satz 1 und 2 der Geflügel-Aufstallungsverordnung vom 9.05.2006) weiterhin als
hoch eingeschätzt.
Die nach dem Ersteintrag im Februar von HPAIV H5N1 zunächst bis April 2006 beobachtete großräumige
Ausweitung der betroffenen Gebiete in Deutschland aber auch in anderen Teilen Europas scheint sich seit
Mai 2006 nicht im vorherigen Umfang fortzusetzen. Jedoch zeigen jüngste Nachweise von HPAIV H5N1
bei Wildvögeln in Spanien und Deutschland weiterhin die Präsenz des Erregers in der Wildvogelpopulation
an. Die Infektion des Haubentauchers in Spanien trat dabei in einem bisher nicht betroffenen Land und
zudem zu einem Zeitpunkt auf, in dem zumindest großräumige Vogelzüge als abgeschlossen gelten. Ein
Eintrag über große Entfernungen scheint demnach zu diesem Zeitpunkt und für die betroffene Vogelart
nicht wahrscheinlich. Bei dem Fall im Dresdner Zoo überrascht, dass die sofort eingeleiteten Beprobungen
von Zoovögeln bzw. auf dem Gelände des Zoo gefangenen Wildvögeln keine weiteren Nachweise von
HPAIV H5N1-Infektionen erbrachten.
Diese Befunde unterstreichen, dass das stichprobenartige Wildvogelmonitoring, so wichtig es auch für
orientierende Untersuchungen zum Vorkommen des Virus ist, bei fehlenden H5N1-Nachweisen nur eine
sehr begrenzte Aussagekraft hinsichtlich einer möglichen Erregerfreiheit besitzt. Daher ist von einer weiteren Verbreitung von HPAIV über Wildvögel und andere belebte und unbelebte Vektoren auszugehen. Folglich wird das Risiko einer Einschleppung von HPAIV H5N1 in Hausgeflügelbestände in definierten Risikogebieten unverändert als hoch bewertet.
Dabei ist zu beachten, dass die Intensität der Überwachung in Deutschland derzeit weiter rückläufig ist.
Anhand des vorliegenden Zahlenmaterials ist ersichtlich, dass im Rahmen des aktiven (Anteil ca. 10%) und
passiven Wildvogelmonitorings im Juli 2006 nochmals deutlich weniger Wildvögel als im Vormonat untersucht wurden. Auf einen möglichen kausalen Zusammenhang zwischen dem Rückgang bzw. dem Ausbleiben von HPAIV H5N1-Nachweisen und den geringeren Stichprobenzahlen wurde bereits hingewiesen.
Grundlage des Rückgangs an Untersuchungen tot aufgefundener Wildvögel ist hierbei neben einer generell
geringeren Untersuchungsdichte auch ein allgemeiner, saisonal bedingter Rückgang der Mortalität bei
Wildvögeln, sowie eine vegetationsbedingte deutlich erschwerte Auffindbarkeit toter Wildvögel.
Zur Erstellung dieser Risikobewertung fand am 25.08.2006 eine Abstimmung mit ornithologischen Experten über die Rolle von Wild- und Zugvögeln beim Eintrag von HPAIV H5N1 in Hausgeflügelbestände
sowie die gegenwärtigen Handlungsoptionen statt. Es bestand Konsens darüber, dass:
o für den Eintrag und die weitere Verbreitung von HPAIV H5N1 derzeit eher die Wildvogeldichte (z.B.
temporäre Konzentration an Mauserstandorten) als ein Eintrag über Zugvögel aus aktuellen Ausbruchsgebieten (z. B. Südsibirien) von Bedeutung zu sein scheint. Die aktuellen Nachweise von
HPAIV H5N1 in Spanien und Deutschland zu einem Zeitpunkt verringerter Zugvogelaktivität lassen
vielmehr vermuten, dass das Virus in bestimmten Regionen Europas, darunter auch in Deutschland,
bzw. in bestimmten Wildvogelarten weiterhin vorhanden ist. Folglich könnten Gebiete mit hoher Vogeldichte zur Erregervermehrung und -verbreitung beitragen.
o sich das bereits als hoch eingestufte Risiko einer Einschleppung von HPAI in Nutzgeflügelbestände
Deutschlands über Wildvögel auf Grund des Wegzugs bzw. Durchzugs von Zugvögeln aus den Brutgebieten in die Überwinterungsgebiete nicht grundlegend verändern wird.
o in Deutschland keine Fakten für ein Abgehen von der gegenwärtigen Maßnahme zur Verhinderung des
Eintrags von HPAIV H5N1 (Aufstallung in Risikogebieten entsprechend GeflügelpestAufstallungsverordnung) sprechen, auch nicht hin zu einer flächendeckenden Aufstallung, wie sie z.B.
für die Niederlande ab 01.09.2006 in Kraft getreten ist.
Hinsichtlich der Möglichkeit des Eintrages über Zugvögel aus aktuellen Ausbruchsgebieten in Mittel- und
Südsibirien nach Deutschland wird auf die ausführliche Darstellung in einer früheren Risikobewertung des
FLI (vom 08.08.2006) hingewiesen. Eine direkte Einschleppung aus diesen Regionen erscheint nicht wahrscheinlich.
3
Am 09.05.2006 trat die neue Geflügel-Aufstallungsverordnung in Kraft. Die Verordnung geht auf Grund
der Risikolage von einem grundsätzlichen Aufstallungsgebot aus, enthält aber auch standortspezifische
Parameter zur Möglichkeit der Erteilung von Ausnahmen von der Stallhaltung. Eine Analyse des Umfanges
der erteilten Ausnahmen vom grundsätzlichen Aufstallungsgebot zeigt, dass in den Bundesländern in unterschiedlichem Umfang von Allgemeinverfügungen und großräumigen Ausnahmen von der Stallpflicht
Gebrauch gemacht wird. In Abbildung 1 (Anhang) werden die festgelegten Risikogebiete mit obligatorischer Aufstallung den Nachweisorten von HPAIV H5N1 Infektionen bei Wildvögeln für das Bundesgebiet
gegenübergestellt. Um Unterschiede in den Digitalisierungsmaßstäben zwischen der punktgenauen Darstellung der Fundorte und denen der Gebietskulissen auszugleichen, wurde um die Gebietskulissen ein zusätzlicher Puffer von jeweils 5 km gelegt. Bei der Auswertung zeigt sich, dass die Mehrzahl der Nachweise von
HPAIV H5N1 von den ausgewiesenen Risikogebieten bzw. den Pufferzonen abgedeckt werden. Einzelfälle, die außerhalb der Risikogebiete lokalisiert sind, betreffen häufig keine Wassergeflügelarten, sondern
beispielsweise Beutegreifer. Allerdings gibt es auch Regionen, in denen gehäufte Fundorte von HPAIV
H5N1 nicht entsprechend in den Risikogebieten Berücksichtigung finden. Hier wird eine Überprüfung der
ausgewiesenen Risikogebiete dringend empfohlen.
Zusätzlich zum bisherigen Geschehen bei Wildvögeln in Deutschland bestehen weiterhin die nachfolgend
beschriebenen Einschleppungsmöglichkeiten nach Deutschland. Diese stehen vor dem Hintergrund der
möglichen Anwesenheit von HPAIV H5N1 Asia in der Wildvogelpopulation insgesamt gegenwärtig in
ihrer Bedeutung für den Eintrag in die Hausgeflügelbestände zurück. Dennoch sollten auch diese potenziellen Einschleppungsursachen beachtet bewertet werden.
(b) Legaler Handel mit Vögeln und von Vögeln stammenden Produkten:
Die Wahrscheinlichkeit einer Einschleppung von HPAIV H5N1 Asia aus betroffenen Ländern nach
Deutschland über den legalen Handel mit lebendem Geflügel und Geflügelprodukten sowie anderen Vögeln und von Vögeln stammenden Warengruppen ist aufgrund der bestehenden Einfuhrrestriktionen und –
verbote und der Voraussetzung der Einhaltung der Schutzmaßnahmen vernachlässigbar.
(c) Illegale Importe
Die Wahrscheinlichkeit einer Einschleppung von HPAIV aus betroffenen Ländern nach Deutschland über
illegale Importe von lebendem Geflügel und Geflügelprodukten sowie anderen Vögeln und von Vögeln
stammenden Warengruppen kann der Höhe nach nicht bestimmt werden. Deshalb wird davon ausgegangen,
dass für diese Länder die Wahrscheinlichkeit hoch ist. Vor diesem Hintergrund wird auf die Fälle von geschmuggelten Wildvögeln (z.B. Haubenadler nach Belgien) verwiesen. Des Weiteren wurde trotz eines
bestehenden Importverbotes in den USA im Juni etwa 800 kg gefrorenes Geflügelfleisch (Enten, Hühner
und Gänse einschließlich Eingeweide) aus Ausbruchsgebieten in China in einem Warenlager in Michigan
beschlagnahmt. Dieses Fleisch war für ca. 300 China-Restaurants bzw. Kleingeschäfte bestimmt. HPAIV
H5N1 Virus konnte in dieser Lieferung nicht festgestellt werden, da das Fleisch vor einer virologischen
Untersuchung vernichtet worden war. Ferner zeigen Kontrollen von Reisenden aus den südostasiatischen
Ausbruchsländern auf dem Frankfurter Flughafen, dass die illegale Einfuhr von Geflügel bzw. Geflügelprodukte sowie von Vögeln stammenden Warengruppen ein nicht zu unterschätzendes Risiko darstellen
könnte.
(d) Personen- und Fahrzeugverkehr
Die Wahrscheinlichkeit einer Einschleppung von HPAIV nach Deutschland über eine Kontamination der
Bekleidung und des Schuhwerks aus anderen europäischen Ländern wird gegenwärtig als gering eingeschätzt. Diese Bewertung ergibt sich, da gegenwärtig mit Ausnahme von Spanien und Deutschland keine
aktuellen Meldungen für HPAIV H5N1 Infektion bei Wildvögeln bzw. Hausgeflügel für Europa vorliegen.
Gleichwohl kann nicht ausgeschlossen werden, dass die tatsächliche Verbreitung weiträumiger sein könnte
als gegenwärtig bekannt.
3.3
Handlungsoptionen zur Verhinderung der Einschleppung in Geflügelbestände
und der Weiterverbreitung
3.3.1
Präventivmaßnahmen im Hausgeflügelsektor
Aufstallungsgebot
Ein Abgehen von den geltenden Rechtsvorschriften im Sinne der Abkehr von konsequenter Stallhaltung in
Restriktions- und Risikogebieten (§ 1 Abs. 2, Satz 1 und 2 Geflügel-Aufstallungsverordnung vom
09.05.2006) bzw. in Regionen mit einer hohen Geflügeldichte (§ 1 Abs. 2, Satz 3 Geflügel-
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Aufstallungsverordnung vom 09.05.2006) wird nicht empfohlen. Gleiches gilt für Schutzmaßnahmen entsprechend der Verordnung beim Auftreten der Geflügelpest bei wildlebenden Vögeln vom 19.02.2006.
Festlegung von Risikogebieten mit Aufstallung
Die Gebiete, in denen Ausnahmen vom generellen Aufstallungsgebot möglich sind, sollten entsprechend
den Regelungen der Geflügel-Aufstallungsverordnung vom 09.05.2006 in regelmäßigen Abständen unter
Berücksichtigung der aktuellen epidemiologischen Situation und in enger Abstimmung mit ornithologischen Experten überprüft und gegebenenfalls kurzfristig angepasst werden. Insbesondere sollten die ausgewiesenen Risikogebiete mit praktizierter Aufstallung, wenn nicht schon geschehen, mit den bisherigen
Nachweisen von HPAIV H5N1 abgeglichen werden Hierbei sollten Nachweise von HPAIV H5N1 bei
Wasservögeln außerhalb der Gebiete mit obligatorischer Aufstallung unbedingt berücksichtigt werden.
Schutzimpfung
Auf der Basis der derzeit verfügbaren Impfstoffe und Nachweissysteme und der sorgfältigen Abwägung der
Vor- und Nachteile wird eine Schutzimpfung von Nutzgeflügel nicht empfohlen. Für Zootiere (einschließlich vom Aussterben bedrohte Rassen) wird eine Schutzimpfung entsprechend den geltenden Verordnungen
mit den verfügbaren Impfstoffen trotz aller Vorbehalte am ehesten als sinnvoll eingeschätzt, da sowohl ein
Einstiegs- (individuelle Kennzeichnung der Tiere, Verfolgbarkeit, Sicherstellung einer korrekt durchgeführten zweimaligen Immunisierung) als auch ein Ausstiegsszenario (Freiprüfen jedes Individuums durch
virologische Nachweisverfahren, in der Regel PCR) genau definiert werden kann. Die verfügbaren Impfstoffe sind allerdings an exotischen Vogelspezies nicht ausreichend geprüft. Somit ist ungewiss, ob die
Impfung jederzeit einen akzeptablen Schutz vermittelt.
Jüngste Erfahrungen in den Niederlanden zeigen, dass die Akzeptanz für eine Impfung von Nutzgeflügel
(einschließlich Hobbyhaltungen) auf Grund der bekannten Nachteile (hier vor allem Handelrestriktionen,
aber auch hohe Kosten der Impfung, Notwendigkeit der mehrfachen parenteralen Verabreichung des Impfstoffs etc.) gering ist.
Weitere Handlungsoptionen:
ƒ Konsequente Durchsetzung der Rechtssetzung, besonders der Nutzgeflügel-Geflügelpestschutzverordnung vom 10.08.2006
ƒ Zugang von betriebsfremden Personen zu Geflügel haltenden Betrieben auf ein unerlässliches Minimum beschränken.
ƒ Beim Betreten der Ställe Einwegschutzkleidung oder eine gesonderte betriebseigene Kleidung anlegen.
Diese ist nach Gebrauch entsprechend (Desinfizieren bzw. Waschen) behandeln.
ƒ Bei tot aufgefundenen Wildvögeln auf dem Betriebsgelände oder dem Grundstück direkten Kontakt
meiden und unverzüglich die Behörden informieren.
ƒ Desinfektionsmatten an der Hofgrenze (Zufahrt, Tor) und vor den Ställen auslegen und mit einem geprüften Desinfektionsmittel (laut Liste der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft e.V.) nach
Angaben des Herstellers tränken.
ƒ Das Verbot der Verfütterung von Speise- und Küchenabfällen beachten. Auch keine Eierschalen verfüttern.
ƒ Bei Leistungsminderung bzw. bei täglichen Verlusten von mindestens 3 Tieren bei einer Bestandgröße
von bis zu 100 Tieren oder mehr als 2 Prozent bei einer Bestandsgröße von mehr als 100 Tieren unverzüglich durch einen Tierarzt die Ursache feststellen lassen. Dabei ist immer unverzüglich auch auf Influenza-Viren der Subtypen H5 und H7 zu untersuchen.
ƒ Kein Zugang von Katzen und Hunden in Geflügelställe.
ƒ Unterbinden des Einfluges von kleineren Vogelarten (z.B. Spatzen, Schwalben) in Geflügelhaltungen.
ƒ Schutz von Futter und Einstreu vor Kontamination durch Wildvögel durch Abdecken oder Lagerung in
geschlossenen Gebäuden.
ƒ Eierkartons nur einmal verwenden.
ƒ Schadnagerbekämpfung.
3.3.2
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Zusätzliche Maßnahmen zur Verhinderung der Einschleppung von HPAI H5N1 in deutsche
Nutzgeflügelbestände über die Außengrenzen
Einfuhrverbote für lebendes Geflügel und Geflügelprodukte sowie andere Vögel und von Vögeln stammenden Warengruppen durch die EU aus betroffenen Drittländern.
Verstärkte Gepäckkontrollen bei Einreisenden aus betroffenen Ländern.
Verstärkte Kontrollen des Güterverkehrs im Handel.
Unterbinden illegaler Einfuhren.
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Verstärkung des Informationsangebots an allen Grenzübergangsstellen zur aktuellen Situation und zu
den Einfuhrbestimmungen.
Intensivierung der Kontrollen an den Außengrenzen der EU und Unterstützung der Mitgliedsstaaten
mit EU-Außengrenzen zu Osteuropa.
Eigendeklaration von Reisenden bei der Einreise aus Ausbruchsländern über mitgeführte verbotene
Waren und zu möglichen Kontakten zu Geflügel innerhalb der letzten 7 Tage vor der Einreise.
Erfassung der Reisetätigkeit von in der deutschen Landwirtschaft Tätigen aus den genannten Ländern
sowie Aufklärung dieses Personenkreises.
Nachverfolgungsuntersuchungen zu den Sendungen von Vögeln stammender Warengruppen aus betroffenen Drittländern.
3.3.3
Maßnahmen bei Wildvögeln
Das bestehende Monitoring bei Wildvögeln und die Erfassung der Daten in einer Datenbank sollte mit den
vom FLI benannten Schwerpunkten fortgesetzt werden. Hierzu entwickelte das FLI ein Diskussionspapier
und stellte es den Ländern am 16.05.2006 bei einem Koordinierungstreffen zum Wildvogelmonitoring vor.
Auf Grund der Bedeutung der Untersuchungsdaten bei Haus- und Wildvögeln für eine aussagekräftige
Risikobewertung, aus der praktikable und akzeptable Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung der
aviären Influenza abgeleitet werden können, ist eine zeitnahe und vollständige Meldung dieser Ergebnisse
der Bundesländer von größter Bedeutung.
Weiterhin sollte im vollem Umfang gelten:
ƒ Meldung verendeter oder kranker Vögel an das Veterinär- oder Ordnungsamt zum sofortigen Einsammeln.
ƒ Einhaltung von Hygiene bei Kontakt mit gesunden Wildvögeln oder mit Material, das mit diesen Vögeln in Kontakt gekommen ist.
ƒ Vermeidung von direktem Kontakt von Personen und Haustieren zu toten oder kranken Vögeln.
ƒ Verbot der Fütterung von Wasservögeln.
Wildlebende Säugetiere
Zusätzlich in Gebieten mit gehäuften Nachweisen von HPAIV H5N1 bei Wildvögeln: Beprobung von
Tierarten die möglicherweise infizierte Wildvögel gefressen haben (z.B. Füchse, Marderartige, Waschbären, Marderhunde, Wildschweine).
3.3.4
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Besondere Maßnahmen der zuständigen Veterinärbehörden
Umfassende Kontrolle der Einhaltung des Aufstallungsgebotes in den Risikogebieten
Keine Genehmigung von Ausnahmen von der Stallpflicht in Restriktions- und Risikogebieten.
Genehmigung von Ausnahmen von der Stallpflicht für Nutzgeflügel nur unter strengen Auflagen und
bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen.
Schnelles Einsammeln von verendeten Vögeln (vollständig ausgefüllter Probenbegleitschein möglichst
mit Speziesangabe, Fundort und –zeit).
Obligatorische Einweisung von Hilfskräften bei der Krankheitsüberwachung und -bekämpfung bezüglich ihres Schutzes vor Kontakt mit Virus. Bei der Arbeit mit möglicherweise kontaminiertem Material
ist die empfohlene Schutzkleidung zu tragen. Auch die mögliche Gefahr der passiven Weiterverschleppung der Erreger in Zusammenhang mit der Tätigkeit sollte vermittelt werden. Bei möglicher Kontamination von Bekleidung, Schuhwerk und Fahrzeugen/Reifen in der Nähe von Fundorten toter Wildvögel die Erregerverschleppung verhindern (Kleiderwechsel, Desinfektion von Schuhwerk und Fahrzeugen).
Vermeidung von Menschenansammlungen (z.B. Medien, Schaulustige) an möglicherweise viruskontaminierten Stellen, wie Fundorten von toten oder positiv getesteten Vögeln.
Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Situation und die notwendigen Maßnahmen.
Überprüfung der Durchführbarkeit der in den Krisenplänen für den Seuchenfall vorgesehenen Maßnahmen und Aktualisierung der Pläne, soweit erforderlich.
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ANHANG
Abbildung 1:
Gegenüberstellung der festgelegten Risikogebiete mit Aufstallung (entsprechend
Geflügel-Austallungsverordnung vom 09.05.2006) und der Nachweisorten für
HPAIV H5N1 Infektionen in Wildvögeln seit dem Ersteintrag am 15.02.2006
Um Unterschiede in den Digitalisierungsmaßstäben zwischen der punktgenauen Darstellung der Fundorte
(grün) und den Gebietskulissen (rot) auszugleichen wurde um diese ein Puffer (rot transparent) von jeweils
5 km gelegt. Die Gebietskulissen und Nachweise für Mecklenburg Vorpommern (schraffiert) sind nicht dargestellt. Laut Angaben des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei des Landes
Mecklenburg-Vorpommern wurde das Aufstallungsgebot zum 01.09.2006 wesentlich erweitert. So besteht es
unter anderem für die Inseln Rügen, Usedom, und Poel, die Halbinsel Darss-Zingst einschließlich eines 3 km
Küstenstreifens sowie für weitere Gewässer mit besonderem Wildvogelaufkommen. Die aktualisierte kartographische Darstellung befindet sich in der Erstellung.
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