KONZEPT BRECHT im GEMEINDEBAU

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KONZEPT BRECHT im GEMEINDEBAU
Einreichung Konzeptförderung
Kulturamt der Stadt Wien (25. April 2016)
4-JAHRESKONZEPT 2018-2021
„Zwischen noch nicht und schon nicht mehr “
4 JAHRE BRECHT IM GEMEINDEBAU
Karl Wrba Hof Wien Favoriten, (1972-1982)
Kernteam: Gesamtkünstlerische Leitung: Eva Brenner, Administration/PR: Andrea Munninger (A), Projektleitung: Ulli
Fuchs (A), Dramaturgische Mitarbeit: Elisabeth Falkinger (A), Heinz Leitner (A), Verena Rumplmair (A), Veronika MendesGmeindl (A), Felix Kristan (A), Technik/Ausstattung: Richard Bruzek; Performance: Rremi Brandner (A), Walter Nikowitz
(AR/A), Kari Rakkola (FIN), Maren Rahmann (D), Marta Gomez (E), Prinz ZEKA (Kongo), SAKINA (Kurdistan), Patricia
Hirschbichler (A), Dagmar Schwarz (A), Luise Ogrisek (A), u.a. sowie BewohnerInnen der Gemeindehöfe, Flüchtlinge.
Beratungsteam/ Künstlerisch-wissenschaftliche Partner: Ulla Schneider (SOHO-in-OTTAKRING), Walter Baier (Ökonom,
transform! europe), Michael Genner (Asyl in Not), Peter Fleissner (Mathematiker, Univ. Wien), Lisbeth N. Trallori
(Feministin, Historikerin, Univ. Wien), Leo Gabriel (Anthropologe, Journalist, Aktivist,), Didar Can (Beratungszentrums für
Migranten und Migrantinnen), Michel Cullin (Historiker, Dipl. Akademie Wien), Drr Imma Melzer (Historikerin, ehem. AKWien) u.a. Kooperationspartner: Bezirksvorstehungen, Wohnpartner, Gebietsbetreuungen 5., 10., 19., 22. Bezirk, NGOs.
Konzept „Zwischen noch nicht und schon nicht mehr“: 4 Jahre BRECHT im GEMEINDEBAU 2018-21
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INHALT 4-JAHRESKONZEPT 2018-2021
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BERÜHMTE GEMEINDEHÖFE WIENS & DETAILANSICHTEN
KURZÜBERBLICK
EINLEITUNG: WARUM BRECHT?
Aktionsorte: 4 Gemeindehöfe
Von der Notwendigkeit sozio-aktivistischer und dezentraler Kulturarbeit
Recherche der Aktionsorte in den Gemeindehöfen
Was ist politisches Theater heute
Dezentrale Kulturarbeit
Brecht neu entdecken
Was ist TRANSFORMANCE?
Excursus 1: „Proletarisch/Politisches“ Theater
Excursus 2: DAS „ROTE WIEN“
S. 3
S. 4
S. 5
S. 9
S. 10
S. 12
S. 13
S. 14
S. 15
S. 17
S. 22
S. 32
PROJEKTSTRUKTUR / ARBEITSFORMATE DES PROJEKTS
1. HAUPTSTÜCKE
S. 37
1. 2018: DIALOG mit MANN IST MANN, Karl-Wrba-Hof, 10. Bezirk
S. 43
2. 2019: DIALOG mit MUTTER COURAGE, Matteotti-Hof, 5. Bezirk
S. 45
3. 2020: DIALOG mit Der Untergang des Egoisten Fatzer, Karl-Marx-Hof, 19. Bezirk
S. 47
4. 2021: DIALOG mit TROMMELN IN DER NACHT, Goethe-Hof/WERKL, 22. Bezirk
S. 49
2. STÜCKWERKSTÄTTEN „ROCK THE SYSTEM“– für Jugendliche im Gemeindebau
- Schreibwerkstatt
- Stückentwicklung
- Aufführungspraxis: von der Probe zur Aufführung
S. 51
3. SOZIOTHEATRALE ARBEITSMODELLE der FLEISCHEREI_mobil
A AUF ACHSE: DORFPLATZ als Modell
B Kleinkunst: FLÜCHTLINGSGESPRÄCHE 21
C „C.C.“/Café CENTRAL – ständiger Betrieb
S. 53
S. 53
S. 56
S. 57
4. WORSKHOPS/DISKUSSIONEN
1 WORKSHOPS: TdU, Experimentaltheater reloaded, Dance & Music, Theater & Medien
2 PETER KREISKY-Gespräche im Gemeindehof (Beispiel für das 1. Jahr)
S. 58
S. 58
S. 63
ANHÄNGE
- Zeittafel des Roten Wien
- Geschichte Projekt Theater STUDIO/FLEISCHEREI_mobil
- Definition Gemeinwesenarbeit inklusive BASSENA als Beispiel
- Biografien Künstlerische MitarbeiterInnen / Auswahl
- Biografie Bertolt Brecht
S. 67
S. 68
S. 69
S. 70
S. 73
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BERÜHMTE GEMEINDEHÖFE WIENS & DETAILANSICHTEN
Von o.l. nach u.r.: Goethehof (1928-1930), Karl-Marx-Hof (1927-30), Reumannhof (1924-1926), Karl-Seitz-Hof (1926-1931)
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KURZÜBERBLICK – 4 JAHRE THEATER IM GEMEINDEBAU / 4 ARBEITSFORMATE
1. HAUPTPROJEKTE:
2018: DIALOG mit MANN IST MANN, Karl-Wrba-Hof, 10. Bezirk
2019: DIALOG mit MUTTER COURAGE, Matteotti-Hof, 5. Bezirk
2020: DIALOG mit DER UNTERGANG DES EGOISTEN FATZER, Karl-Marx-Hof, 19. Bezirk
2021: DIALOG mit TROMMELN IN DER NACHT, Goethe-Hof/WERKL, 22. Bezirk
2. STÜCKWERKSTÄTTEN „ROCK THE SYSTEM“ – für Jugendliche im Gemeindebau:
-
Schreibwerkstatt
-
Stückentwicklung
-
Aufführungspraxis: von der Probe zur Aufführung
3. SOZIOTHEATRALE PROJEKTE:
A STRASSENTHEATER AUF ACHSE/DORFPLATZ-„Fest der Vielfalt“
B Kleinkunst: FLÜCHTLINGSGESPRÄCHE 21
C „C.C.“/Café CENTRAL – ständiger Betrieb
4. WORKSHOPS/DISKUSSIONEN:
A SCHULE DES POLITISCHEN THEATERS:
1. WORKSHOP 1: TRANSFORMANCE lernen – soziotheatrale Improvisation mit Masken & Objekten
Leitung: Eva Brenner, Patrizia Hirschbichler, Markus Kuscher
Verwendete Texte: Bertolt Brecht, Jura Soyfer, Elfriede Jelinek
2. WORKSHOP 2: Theater der Unterdrückten (in Kooperation mit TdU Wien)
Leitung: Birgit Fritz (TdU Wien)
3. WORKSHOP 3: Musik, Tanz, Song & Improvisation
Leitung: Maren Rahmann, Walter Nikowitz, Sybille Starkbaum
4. WORKSHOP 4: BRECHT HEUTE? – Zur Dramturgie & Theaergeschichte für alle
B PETER KREISKY_Europa-Gespräche (4-6x/Jahr), mit OKTO.tv
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EINLEITUNG: WARUM BRECHT? – WARUM BRECHT IM GEMEINDEBAU?
Mich lähmt das Morgen und
die unverbindliche Heut!
So sitzend
Zwischen noch nicht und schon nicht mehr
Glaub ich nicht, was ich denk!
Klar! Warum also heut reden? Was
Nützt dies Bootbauen bei vertrocknendem Fluß?...
Aus euren großen runden Mäulern fallen
Große viereckige Worte, woher sind sie?
mir scheint, ich bin vorläufig
Aber was
Läuft nach? ...
- Bertolt Brecht, Fatzer, Suhrkamp SV, 1994, S. 54
Brecht ist der beste politische Dramatiker der letzten hundert Jahre, ein Einsamer, der wie ein erratischer Block in
der Dramen- und Theaterlandschaft des Jahrhunderts der Verzweiflung steht. Seine Stücke sind – trotz
Stückwerk(en), die er als Fragmente oder Prozesse versteht – die bis heute nicht eingeholten Werke eines
Giganten.
Das alleine wäre kein ausreichender Grund, ihm ein 4-Jahreskonzept zu widmen und vier Jahre lang sein Theater
im verminten Terrain der Gemeindebauten Wiens zu untersuchen – zugegeben, ein sehr spezieller Fokus im
freien Theater und im offenen Stadtraum, der allemal Zeichen setzen könnte in einer Zeit der multiplen
Krisenszenarien, in der politisches Theater neues Interesse gewinnt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten,
dass nach Brecht keiner seiner Nachfolger – etwa Heiner Müller mit marxistisch-revolutionären Theaterentwürfen
– über linke Zirkel hinaus ein Massenpublikum erreichen konnte. Ganz im Kontrast zum Meister! Heute muss
konstatiert werden: seit Langem schwächelt die zeitgenössische Dramatik und das Theater stagniert – ja selbst
der sich oft als radikal-politisch gerierenden Postmoderne gelingt nicht, die komplexen Krisenszenarien unsere
Zeit in den Griff und auf die Bühne zu bekommen, die heutige Realität analytisch hinreichend abzubilden. Es fehlt
an passenden neuen Dramen und Texten, an nötigen theatralen Reformen, Strukturen, Arbeitsweisen, die neue
ästhetische Vokabularien produzieren könnten und ein neues Publikum in die Theaterhäuser locken. Dieser
Befund reicht aus, sich die Stücke/Texte von Bertolt Brecht – die klassischen wie die weniger bekannten –
nochmals vorzunehmen, sie auf ihre Aktualität abzuklopfen, neu zu bearbeiten und für ein breites heutiges
Publikum in nicht-theatralen Räumen, d.h. jenseits der Hochkultur und des Avantgarde-Ghettos, aufzubereiten.
Brecht in die Gemeindehöfe zu transferieren und mit Menschen vor Ort zu arbeiten stellt eine große
Herausforderung dar, der es sich zu stellen gilt – in vier Arbeitsformaten, die wie aufeinander aufbauende Module
funktionieren und je andere Bevölkerungsgruppen ansprechen: Frauen, Jugendliche, MigrantInnen und die
Nachbarschaft aus dem nahe gelegenen Umfeld (Schulen, VHS, lokale Kulturorganisationen etc.).
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Which side are you on?
Was macht Bertolt Brecht und sein Theater bis heute attraktiv? Versuchen wir seine Errungenschaften und
Erfindungen wie das „epische Theater“, das den psychologischen Abbildungsrealismus seiner Vorgänger – von
Tschechow bis Stanislawsky – ablöste, in Begriffspaare zu fassen, die eine Reihe von (Anti-)Thesen/Synthesen
darstellen: politische Analyse und utopischer Gehalt, progressive Bildungsinhalte und Unterhaltung, epische
Distanz und revolutionäres Pathos, dramatische Form und Experiment, exakte Sprache und Poesie. Und über alle
dem schwebt Witz und Humor, der zeitgenössischen AutorInnen oft abgeht.
Bei Brecht wusste der/die ZuschauerIn immer, was heute besonders schmerzlich fehlt: unmissverständliche
Parteinahme! Nicht alle Theaterschaffenden finden das gut oder sind auch nur bereit dazu, klar Stellung zu
beziehen, selbst wenn sie wüssten, welche politische Richtung sie präferierten. Die heute übliche, weit
verbreitete Unwissenheit, ja Ignoranz vieler Theater- und Kunstschaffenden vis-á-vis politischer Entwicklungen
und sozialökonomischen Tatsachen, die unsere Gesellschaft und damit auch das Kulturleben prägen, produziert
eine Kunst- und Kulturlandschaft, die zunehmend an Relevanz und Aktualität verliert. Und sie resultiert in einem
prekär stagnierenden Diskurs, der beispielsweise gegenüber den realen Gefahren von Rechts blind zu sein
scheint. Die Notwendigkeit und Lust, sich als Theaterschaffender aktiv in die Gesellschaft einzubringen, ist
verkümmert. Das flächendeckende Schweigen produziert ein gefährliches Vakuum, welches von rechten Kräften
gefüllt wird – z.B. durch politische Basisarbeit und populistische Wahlzeitagitation im Wiener Gemeindebau.
Theater gegen Rechts!
Hier kommt die Frage nach Sinn und Zweck von Theater in den Gemeindehöfen ins Spiel, deren BewohnerInnen
bislang kein Publikum für modernes Theater und avantgardistische Performancekunst konstituierten; dieses aber
gilt es zu gewinnen für avancierte politische Stücke, Inhalte und Formen. Hier findet sich ein extrem
diversifiziertes und oft sozial zerklüftetes Publikum von Einheimischen und eine wachsende Gruppe neuer
ZuzüglerInnen mit Migrationshintergrund, ein Umstand, der zu starken sozialen Spannungen und
Gewaltpotenzialen führt. Erst kürzlich hat die säumige Wiener Sozialdemokratie dieses soziokulturelle Defizit
erkannt und angekündigt, verstärkte Aufmerksamkeit auf die Gemeindehöfe zu lenken, innovative soziale und
kulturelle Projekte zu lancieren, wo zuletzt massiver Wählerschwund zugunsten der FPÖ stattfand. Zudem wurde
angekündigt, dass nach jahrzehntelanger Pause erstmals wieder neue Gemeindebauten errichtet werden.
Hier besteht auch für die Kultur Aufholbedarf! Gerade an dieser Stelle kann Theater, selbst im freien Bereich, der
über weniger Strahlkraft als größere Bühnen verfügt, einen wichtigen Beitrag leisten. Denn es darf nicht sein, dass
dieses fruchtbare kulturpoltische Feld primär rechtslastigen Kräften und Parteien überlassen wird!
Eine augenfällige Antwort auf die Frage „Warum Brecht?“ ergibt sich zudem aus der eingehenden Durchsicht der
Genese der politischen Theaterarbeit seit den 70er und 80er Jahren, die sich auch in den Projekten der
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FLEISCHEREI/FLEISCHREI_mobil der letzten 15 Jahre niedergeschlagen hat. Hier wurde die Theaterarbeit von
klassischen Avantgarde-Performances im leeren STUDIO-Raum eines Hinterhofs (die sog. „naive Phase“, 19982003) konsequenterweise in die Auslagen eines Ladenlokals mitten im 7. Gemeindebezirk (die FLEISCHEREI ab
2004) auf die Straße verlegt und neue Arbeitsformate in Kooperation mit der Community entwickelt. Diese – von
radikalen Förderkürzungen im Zuge der „Wiener Theaterreform“ (2003) aufgezwungenen – kontinuierliche
Weiter-Entwicklung beförderte anderseits die Kristallisation „soziotheatraler Arbeitsmodelle“ im öffentlichen
Raum und führte zur aktiven Zusammenarbeit mit diversen, politisch orientierten Zielgruppen und NGOs, mit
Menschen im Bezirk, Laien, PensionistInnen, MigrantInnen und AsylwerberInnen – und das lange bevor die 2015
einsetzende Flüchtlingswelle auch Österreich erreichte. Im Brechtschen Sinn dialektisch gedacht stellt diese über
ein Jahrzehnt vollzogene Transformation die Neudefinition „politischen Theaters“ für zeitgenössische
Anforderungen dar. Sie war eine widerständige Reaktion auf aufgenötigte Budgetkürzungen, reduzierte
Erwartungshorizonte und veränderte Arbeitsbedingungen, die nun zunehmend prekär werkenden freien
KünstlerInnen stets neue Anpassungsleistungen an die sich zusehends verschärfende Krise abverlangte.
Nicht mehr das „Arme Theater“ eines Jerzy Grotowski, das „Environmental Theater“ eines Richard Schechner
oder das „Theatre of Images“ von Robert Wilson – Ansätze, mit denen die Truppe 1998 begonnen hatte –
bestimmten fortan den Handlungshorizont, sondern eine neue Realität des Prekariats, die von einer
ausländischen Kritikerin kürzlich als „impoverished theatre“ bezeichnet wurde, als sie das Projekt „Wir sind alle
MARIENTHAL“ für ein englisches Magazin rezensierte. In dieser schockierend lapidaren Reduktion stellt dieser
Befund jenen des AUGUSTIN-Gründers und Journalisten Robert Sommer in den Schatten, der über das
migrantische Straßentheaterspektakel AUF ACHSE als ein „Theater der Verblüffung“ schrieb:
Robert Sommer über die soziothaetrale Arbeit der FLEISCHEREI_mobil:
Für einen wie mich, für den das Theater lange Zeit tot schien, vermag die hier angewandte vagabundierende Form
des Theaters neues Interesse am Genre zu wecken. Der Bedeutungs-Mix des Brenner'schen Experiments verstärkt
meine Aufmerksamkeit. Erstens kann ihr Theater ‚Auf Achse’ als eine Demo im Sinn von ‚reclaim the streets’
verstanden werden. Zweitens ist es eine Stadtführung – ohne die Teilnahme an der Prozession wäre ich wohl nie im
Leben in die von Brenner bespielten Ecken des Bezirks geraten. Drittens verzaubert es die Stadt. Der reale alltägliche
Ort gewinnt durch das soziotheatrale Spaziergangsprojekt eine Aura, die sonst nicht wirksam ist: ein banaler
Innenhof jenseits jeder Disposition zum Idyllischen erscheint plötzlich mit Flair gefüllt und enigmatisch. Viertens ist
die Einbeziehung der Läden, Galerien, Cafés mitsamt deren Betreiberinnen und Stammkunden ein aufregendes
soziokulturelles Modell. Mauern zwischen Menschen, die sonst nie miteinander kommuniziert hätten, zerbröseln.
Fünftens ist es eine Hommage an Chaos und Zufall... das wandernde Theater der Verblüffung: ein Erlebnis! Was aber
ist daran so revolutionär, dass es sich gegen seine Inhalierung durch den kommerziellen Kunstbetrieb sperrt? Der
Kunstbetrieb redet über MigrantInnen, lässt sie aber nicht mitarbeiten und mitreden...
– AUGUSTIN, Nr. 279, 28.7.2010, S. 26-28
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Fotos © E. Handl, D. Schuberth, M. Rahmann, Roman Picha „AUF ACHSE 2010/2011, „Was draußen lag, war Fremde!“ 2011
o.: © E. Handl, ACHTUNGSECHZIG 2008, FLEISCHEREI, Elfriede Jelinek ROTWÄSCHE J. Schwarz, M. Rahmann
u.: Archiv FLEISCHEREI_mobil, R. Brandner, T. Jorde, M. Rahmann, L. Ogrisek, Wir sind alle MARIENTHAL! 2015
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Aktionsorte: 4 Gemeindehöfe in Wien
1. Karl-Wrba-Hof, 10. Bezirk (1979-1983)
3. Karl-Marx-Hof, 19. Bezirk (1926-1930)
2. Reumannhof, 3. Bezirk (1924-1926)
4. Goethehof, 22. Bezirk (1928-1930)
Karl-Wrba-Hof
Karl-Marx-Hof
Matteottihof
Goethehof
Die österreichische Sozialdemokratie der Zwischenkriegszeit ist eine demokratische Massenpartei, eine ‚Weltanschauungspartei‘ von
überaus hohem und dichtem Organisationsgrad. [...] In der ersten Republik hatte die Sozialdemokratie also eine absolut dominierende
Position in der Arbeiterschaft inne, bei den Kernschichten der Industriearbeiterschaft fast ein Monopol. Die imponierende Stärke der
österreichischen Sozialdemokratie, die sie zu einer Art Musterpartei innerhalb der Sozialistischen Internationale werden ließ, erklärt sich
nicht zuletzt aus der Fähigkeit zur Integration divergierender ideologischer Strömungen. [...] Unter diesen Prämissen entwickelte sich die
austromarxistische Theorie und Praxis, die späterhin als ‚Dritter Weg‘ zwischen Kautskyanismus und Leninismus oder, wenn man so will,
zwischen Reform und Revolution bekannt wurde. [...] Als gleichsam ‚Erbe‘ der liberalen Tradition in Österreich blieb die Sozialdemokratie
dem Prinzip der graduellen Machergreifung durch demokratische Wahlen hundertprozentig verbunden. Diktatur und
Gewaltanwendung lehnte sie ab. [...] ... seit ihren Anfängen [hatte sie sich] vor allem als Kulturbewegung gesehen und definiert. Die
Konzeption vor allem eines Victor Adler zielte auf die Schaffung politischer Symbole, auf die Institutionalisierung einer Reihe von
Parteifesten, die mit einem regelrechten Ritus ausgestattet wurde. Die alljährlichen Großdemonstrationen und Feste am 1. Mai stellen
das wohl bekannteste Beispiel für diese Versuche, über den politischen Alltag hinaus eine tiefe emotionale Bindung der Massen an die
Partei darzustellen“. - Wolfgang Maderthaner, „Die österreichische Sozialdemokratie 1918-1934“. in: Das Rote Wien, Historisches
Museum der Stadt Wien, 1993, S. 28-42
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Von der Notwendigkeit sozio-aktivistischer und dezentraler Kulturarbeit
Zu Beginn ist festzuhalten, dass ein Theaterprojekt sich dem wachsenden Anteil von BewohnerInnen mit
Migrationshintergrund zuwenden muss, um in der heutigen Landschaft und Infrastruktur der Wiener
Gemeindehöfe einen künstlerisch-pädagogisch nachhaltigen Effekt zu haben. Darunter sind „NeuÖsterreicherInnen“ bzw. GastarbeiterInnen (mehrerer Generation) aus der Türkei und Ex-Jugoslawien und neu
Zugezogene aus Ländern wie Syrien, Irak, Afghanistan und div. afrikanischen Staaten. Das Projekt kann nur Erfolg
haben, wenn die Unterstützung der Wiener Wohnpartner in den Gemeindehöfen, von Wiener Wohnen und von
befreundeten NGOs, die mit sozio-aktivistischer Nachbarschafts- und Gemeinwesenarbeit (wie etwa in der
Wiener Bassena am Schöpfwerk erfolgreich praktiziert) vertraut sind, gesucht wird. Ein Kooperationsabkommen
zwischen dem FLEISCHEREI_mobil Team, der Stadt Wien und den NGOs soll eine klare Aufgabenteilung mit
getrennten Budgets ermöglichen, damit diese Zusammenarbeit gewährleistet werden kann. Die im Kontext der 4Jahresförderung der Wiener Kulturabteilung geförderten Projekte – wie hier antizipierte - erfordert
Zusatzförderungen aus dem Sozial-, Frauen- und Migrationsbereich sowie sozio-pädagogische MitarbeiterInnen
vor Ort, für die sich das Team der FLEISCHEREI_mobil einsetzen und eigene Kontakte zur Verfügung stellen wird.
Die Demokratie existiert nur dann wirklich, wenn alle, die die Gemeinschaft ausmachen,
ihre innersten Wünsche frei und kollektiv, in der Autonomie ihrer persönlichen Sehnsüchte
und in der Solidarität ihrer Koexistenz mit anderen, äußern können und wenn es ihnen gelingt, das,
was sie als individuelle und kollektiven Sinn ihres Daseins erkennen, in Institutionen und Gesetze zu verwandeln.
- Jean Ziegler. Die neuen Herrscher der Welt
Sozio-aktivistische und dezentrale Kulturarbeit – vom Füllen der Leerstellen im Stadtraum
Mit der für die Umsetzung des Konzepts erforderlichen sozio-aktivistischen wie auch dezentralen Kulturarbeit
wird erstens gegen die ökonomische, soziale und kulturelle Benachteiligung protestiert, die heute alle als
„Bildungsferne Schichten“ apostrophierte Menschen und MigrantInnen betrifft, und werden zweitens alle
Interessierten in ein konkretes kulturelles Projekt, welches über längere Arbeitsphasen und nachhaltig konzipiert
ist, aktiv einbezogen. Durch den Weg dieser Interaktion findet soziale, sprachliche und kulturelle Bildung statt.
Neue Kultur-AkteurInnen können sich zu informierten KonsumentInnen weiterentwickeln. Zugleich wird auf die
Entleerung innerstädtischer Räume aufmerksam gemacht, die durch neue lokale Zusammenhänge und
Gemeinschaften ersetzt werden soll. Das theatrale Konzept der FLEISCHEREI_mobil beruht auf einem
„erweiterten Theaterbegriff“ und fokussiert Prozesshaftigkeit, Forschung und Entwicklung zur Schaffung
Bedürfnis-orientierter kommunaler Begegnungsorte für ein neues, nicht-Theater-gewohntes Publikum. Es
versteht sich als Experiment und „Brückenschlag“, d.h. als Beitrag zur Vernetzung und Etablierung pluralistischer
Kommunikationszentren nach dem Prinzip sozial-politischer Gemeinwesen- und Nachbarschaftsarbeit. Das
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Modell einer „künstlerischer Nahversorgung“ wird von der FLEISCHEREI seit über einem Jahrzehnt praktiziert, ob
in theatralen Cooking-Shows oder Straßentheaterprozessionen und -Festen mit Künstlern, MigrantInnen,
kleinen Gewerbetreibenden und Menschen im Bezirk. Die lokale Verankerung politischer Theaterarbeit folgt
dem aktivistischen Prinzip des Community building, das mit interkulturellen „Pilotprojekten“ die
Programmgestaltung der Gruppe seit ihrem Umzug aus dem geschützten STUDIO-Raum in das Ladenlokal der
FLEISCHEREI in Wien Neubau geprägt wurde. Es dient der Herausbildung einer neuer Alltagskultur – frei nach
dem Motto des Erfinders der „Sozialen Plastik“, Joseph Beuys: „Jeder Mensch ein Künstler“.
Entwicklung neuer soziotheatraler Arbeitsprozesse
Im Laufe der letzten 10-20 Jahren sind unübersehbar gewordene geografische, soziale und kulturelle
„Leerstellen“ im öffentlichen Raum der Stadt zu beobachten: Geschäftesterben, Bau von Großparkgaragen,
sukzessive Festivalisierung, Vertreibung kleiner, nicht-Marktförmiger Initiativen, Privatisierung öffentlichen
Raums durch Gentrifizierung. Diesem Prozess gilt es Einhalt zu gebieten, den kommunalen Stadtraum neu zu
besetzten und über innovative kommunitäre Kulturangeboten symbolisch umzucodieren. Sie begegnen diesem
Verlust öffentlichen Raums mit performativen Modellen um Alternativen zur wachsenden Zerstörung
mikrosozialer urbaner Strukturen zu schaffen. Soziotheatrale Experimente zielen auf die Aktivierung von Kunst
und KünstlerInnen in dem Versuch, ein neues und sozial engagiertes Publikum – jenseits der gebildeten 2-5% – für
zeitgenössisches Theater zu gewinnen. Die theatrale Forschungsarbeit gilt der Entwicklung von Arbeitsformaten
der Partizipation im lokalen Rahmen oder im öffentlichen Raum für Zielgruppen wie MigrantInnen, Arbeitslose,
Obdachlose, Jugendliche oder PensionistInnen in Projektvorschlägen mit niedriger Eintrittsschwelle.
Die Neuverortung politisch verantwortlicher Theaterarbeit im lokalen Rahmen und in direktem Kontakt mit
einem Zielpublikum wie den BewohnerInnen im Wiener Gemeindebau erfordert von KünstlerInnen die
Entwicklung eines kommunal verankerten Kunst- wie Arbeitsbegriffs und von der Kulturpolitik die Ermöglichung
neuer, Ressort-übergreifender Fördermodelle die zur Integration der Mehrheitsbevölkerung führen. Diese neuen
theatralen Arbeitsmodelle folgen einem präzisen Leitbild auf Basis fundierter Recherchen über Theorie und
Praxis soziokultureller Arbeit seit den 70er und 80er Jahren, die zuletzt von der Stadtpolitik vernachlässigt
wurde. Hier soll sie von einem interdisziplinären ExpertInnen-Team (KulturwissenschafterInnen, SoziologInnen,
SozialarbeiterInnen, VertreterInnen von NGOs und Stadtteilinitiativen) ergänzt werden, das beratend jeweils über
ein Jahr hinweg mitarbeitet. Voraussetzung ist die kritische Rezeption bereits vorhandener soziotheatraler
Theorien im In- und Ausland, um sie auf den aktuellen Stand der Herausforderungen zu bringen, sowie die
konkrete Bedürfniserhebung in den Communities durch Tiefeninterviews mit Betroffenen und Befragung lokaler
Initiativen aus Bereichen der Gemeinwesenarbeit, Gebietsbetreuung, der Wohnpartner und anderer
Nachbarschaftseinrichtungen in den Bezirken und Gemeindehöfen.
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Recherche der Aktionsorte in den Gemeindehöfen (Andrea Munninger, Stand 04/2016)
Aus heutiger Sicht lässt sich als vorläufiges Rechercheergebnis in Bezug auf unsere Suche nach passenden
Räumlichkeiten in Gemeindebauten Wiens mit für Theater interessanten Einrichtungen zusammenfassen:
- Als alternativer Spielort zum Karl-Marx-Hof, der zwar der größte und berühmteste aller Wiener
Gemeindebauten ist, jedoch über keine offenen Räume verfügt, wurde der Karl-Seitz-Hof in Floridsdorf
diskutiert – in einem Bezirk gelegen, der als einer der wichtigsten „Flächenbezirke“ Wiens gilt. Diesen kommt
derzeit besonderes Augenmerk der Wiener Stadtpolitik zu, weil sie in den letzten Jahren eine Mobilisierung
rechter Kräfte erlebt haben und der Stimmenanteil der FPÖ überdurchschnittlich zugenommen hat. Hier besteht
demnach akuter Handlungsbedarf für sozio-aktivistische und demokratiepolitisch relevante kulturelle Arbeit. Auf
dem Areal des Seitz-Hofes gilt als bester Spielort für Theater die Tanzschule Schwebach, die über schöne offene
Räume verfügt und seit Langem hier angesiedelt ist. Der Plan musste leider verworfen werden, weil die
Tanzschule nun an einen neuen Standort übersiedelt, der sich nicht in einem Gemeindebau befindet.
- Kürzlich wurde ein Gesprächstermin mit dem Vorsitzenden der Kulturkommission Margareten, Peter Neuwirth
absolviert (Café Rüdigerhof, Hamburgerstraße 15, 1050 Wien). Er war sehr interessiert, das Projekt zu
unterstützen und schlug den Matteotti-Hof – und dort primär das Jugendzentrum mit großen schönen offenen
Räumen – als den am besten geeigneten Spielort für Theater in allen Gemeindebauten des 5.Bezirks vor. Ebenso
war Wolf Jurjans, Bezirksrat der KPÖ in Margareten, zugegen und steuerte seine Ideen bei.
- Mit Dr. Lilli und Werner Bauer/Waschsalon im Karl-Marx-Hof („Rotes Wien“ Ausstellungen) fand ein
ausführlicher Gesprächstermin statt, der sehr positiv verlief und bei dem eine Kooperation vereinbart wurde.
Jedoch kann im Waschsalon wegen Platzmangels nicht Theater gespielt werden; in Aussicht genommen wurden
Lesungen, Diskussionen (wie die PETER KREISKY_Gespräche) und evtl. Workshops. Des Weiteren wollen Lilli und
Werner Bauer helfen, im 19. Bezirk Kontakte zu sichern, um andere, offene Räume zu mieten.
- Arno Rabl von den Wohnpartnern in Favoriten zeigt sich interessiert an einer Kooperation und will auch die
BewohnerInnen mit einzubinden. Es gibt im 10.Bezirk zwei BewohnerInnenzentren der Wohnpartner (Olof-PalmeHof und Karl-Wrba-Hof), wo das stattfinden kann. Ein Gesprächstermin wird erst dann als sinnvoll empfunden,
wenn bekannt ist, dass es eine Zusage zu einer Kooperation mit Wohnpartner gibt.
- Die Zentrale von WOHNPARTNER WIEN zeigt sich sehr interessiert, in den Gemeindehöfen Wiens mit dem
Team der FLEISCHEREI_mobil zusammenzuarbeiten. Die Rahmenbedingungen der Kooperation mit Wohnpartner
und BewohnerInnen der Gemeindehöfe werden demnächst in einem detaillierten Gespräch geklärt. TERMIN:
12.5.2016 um 15:00 mit Hrn. Josef Cser/Bereichsleiter Wohnpartner Wien im Café Eiles.
- Christian Schantl von der Wiener Wohnen Zentrale hat sich gemeldet. Er war sehr offen und erwähnte, dass
alle Objekte in Gemeindebauten über Wiener Wohnen anzumieten sind. Zu finden auf der Homepage
www.wienerwohnen.at. Das ist dann ratsam, wenn Aussicht auf Realisierung des Großprojektes besteht.
Insgesamt wurde empfohlen, mit div. sozialen Einrichtungen und Gruppierungen in den Wiener Gemeindebauten
zusammenzuarbeiten bzw. konkrete Kooperationen einzugehen. Hr. Schantl, der viele der Einrichtungen kennt, ist
bereit, diese Gruppen für das Projekt anzuschreiben und zu interessieren.
- Mit Dr. Michael Ludwig, Wiener Stadtrat für Wohnen, Wohnbau und Stadtentwicklung, den wir als Unterstützer
gewinnen wollen, wird demnächst ein Termin vereinbart.
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Was ist Politisches Theater heute?
Politisches Theater – für mich ist das eine Lebensaufgabe. Ich habe mit Brecht begonnen, als 16jährige, als Mädchen aus bürgerlicher Familie. Aus einer Familie, die am ersten Mai demonstrativ nicht
auf die Straße gegangen ist, was mich natürlich sofort dazu bewegt hat, zu schauen, was denn am
ersten Mai so Böses los ist auf der Straße. Das musste ich mir anschauen, denn ich war Rebellin. Wenn
die alle nicht aus dem Haus gehen, dann muss es ja ganz spannend draußen sein. Das bürgerliche
Schweigen über die jüngste Vergangenheit löste später ein ähnliches Gefühl aus. Das hat mich
besonders interessiert, was ständig verschwiegen wurde oder kleingeredet, verharmlost. So ein Typ
war ich immer. Dann kam ich auf der Uni sehr schnell in linke Kreise; später wurde dann Heiner Müller
interessant und Elfriede Jelinek und andere politische Autoren von Sam Shepard über Franz Xaver
Kroetz bis Dario Fo. Später begegnete mir mit Grotowski und dem Living Theatre eine ganz andere
Form desMar Theaters. Mir ist sehr klar geworden, nachdem ich Bühnenbild studiert hatte, dass das
Guckkastentheater kein Medium ist, um große Massen anzuziehen, dass es ein bürgerliches Setting ist
und dass wir das durchbrechen müssen. Ich habe mein ganzes Leben nach neuen
Formen, um Menschen zu erreichen, gesucht. Ich habe gar nichts gegen Hochkultur, aber mir war klar,
dass ich mich an ein Publikum wenden musste, das sich auf die Straßen traute. Ein Publikum, das jetzt
die Krise zu spüren beginnt, in der eindeutig nicht nur soziale, sondern auch kulturelle Chancen verloren
gehen. Es gibt kein Konzept der wirklichen Partizipation. Mir geht es um einen ganz humanen oder
radikal-demokratischen Anspruch. Leute mit diesem Anspruch werden von den Postmodernist_innen
zurechtgewiesen: «Na, die Brenner macht 70er-Jahre-Theater, das ist Geschichte, das brauchen wir
nicht mehr, jetzt brauchen wir postmodernes, postmigrantisches Theater!» Wenn schon migrantisches
Theater schwer zu fassen war, was bringt uns das «post-» hinter dem «migrantisch»? Ist zum Beispiel
ein Dario Fo oder ein Grotowski überhaupt angekommen in Österreich? Ist Richard Schechner hier
relevant, also spielt Environmental Theatre eine Rolle? Ich war ja selber Studentin der
Theaterwissenschaft. In diesem Studium bleibt das ganz andere Theater ein Randgebiet. Es wird
erwähnt in ein paar Seminaren, aber es spielt eigentlich keine Rolle. Nach fünf Jahren
Staatstheaterbetrieb, mit 23 Jahren, ging ich ins Ausland, wurde Bühnenbildassistentin und später
Bühnenbildnerin; damals war die Zeit, in der man noch relativ billig reisen konnte. Man konnte billig
mieten, man konnte leicht Jobs zum Überleben kriegen, es war alles möglich. Was heute beklagt wird,
und ich schließe mich der Klage an, ist, dass wir quasi eine Reduktion der Möglichkeiten erleben. Als wir
uns ins Theaterleben stürzten, schienen alle Türen geöffnet zu sein, vor allem die Türen in das andere
Theater. Es muss ein politisches Theater sein, sonst wäre es ja nicht ein «anderes Theater».
– Eva Brenner, aus: „Postaufklärerische Pseudointegration“, Das Unendliche Gespräch 1,
[Eva Brenner und Jenny Simanowitz], AUGUSTIN 312 , 11.1.2012, S. 23
Foto © Marlene Rahmann, Eva Brenner in AUF ACHSE Wien Neu 2012
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Dezentrale Kulturarbeit – ein politischer Imperativ
Besonders wertvoll in der Vorarbeit ist Kenntnisnahme, Aufarbeitung und Hinterfragung der Erfahrungen mit
Versuchen dezentraler Theaterarbeit in den Wiener Gemeindehöfen, darunter vorrangig jene des Fo Theaters,
das zwischen 1989 und 1995 mit zahllosen politisch motivierten Theaterproduktionen – Stücke von Dario Fo,
Franca Rame und österreichischen Autoren wie Peter Turrini – Tausende neue ZuschauerInnen ansprach, die
bisher kaum ins Theater gingen. Zu fragen wird sein, wie diese Aufbauarbeit gelang, welche Konzepte, Methoden
und Theatermittel angewendet wurden, wie sich im Laufe dieser 15 Jahre die politischen Rahmenbedingungen in
den Gemeindehöfen und die Lage ihrer BewohnerInnen sowie die Zuschauerstruktur veränderte, die am Ende zur
Aufgabe dieses wichtigen Experiments in der Wiener Freien Theaterszene zwang. Last but not least wird zu
untersuchen sein, ob die humanistische Zielsetzung einer interkulturellen und integrativen Theaterarbeit auch nur
annähernd erreicht wurde. Zu untersuchen gilt es, ob man nicht zu sehr von externen Beispielen wie dem linkspolitischen Theaterpädagogen Augusto Boal aus Brasilien oder dem Italienischen Modell des Anarcho-Clowns und
Volkstheaterimpresarios Dario Fo, die unter gänzlich anderen Voraussetzungen entstanden waren, ausging, was
letztendlich die erfolgreiche Integration und aktive Partizipation der Wiener Gemeindehof-BewohnerInnen
erschwerte. Dabei steht im Vordergrund, neue Modelle und Experimente zu entwickeln, die nicht mehr einer TopDown sondern Bottom-Up-Methode verpflichtet sind – ganz so, wie es das Team der FLEISCHEREI in
exemplarischen soziotheatralen Experimenten seit knapp 12 Jahren versucht (siehe weiter unten das Modell AUF
ACHSE). In diesem Kontext wird zentral die Raumfrage zu stellen sein bzw. die Öffnung der Guckkastenbühne –
die selbst auf der „Pawlatsche“ des legendären Wiener Fo Theaters (1979-1995) erhalten blieb. Die tradierten
räumlichen Strukturen wären radikal zu expandieren und hinein zu verlängern in den öffentlichen Raum der
Stadt, in die architektonische Struktur der Gemeindehöfe und umliegende Zonen. Dem Kontext einer
Theaterarbeit am Ende der Blütezeit der Sozialdemokratie, die gemeinhin mit der Kreisky-Ära (1970-1983)
assoziiert wird, in der alles möglich schien, steht die Praxis der FLEISCHEREI_mobil gegenüber, die am Ende dieser
Epoche ihre Arbeit begann und im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends mit Kürzungen öffentlicher Gelder,
die Diskreditierung breitgefächerter Förderstrukturen und einen steten Abschwung vielfältiger, dezentraler
Kulturarbeit miterleben musste. Einer Phase der unbegrenzten folgte die Phase schwindender Möglichkeiten, in
der nur jene überleben konnten, die konstruktiv auf die neuen Herausforderungen reagierten und neue
soziopolitische und ästhetische Modelle schufen. Daraus erklärt sich die Radikalisierung der Arbeit und die
Entwicklung des neuen transformativen Performance-Genres der „Transformance“ als Signal integrativer und
site-spezifischer Theaterarbeit mit sozialen Zielgruppen an der Peripherie der Stadt, mit Frauen, MigrantInnen,
AsylwerberInnen, Arbeitslosen, PensionistInnen und KMUs. Darin eingeschlossen ist der Auftrag, diese
soziotheatralen Arbeitsweisen zu entwickeln und zu verbinden mit den aktuellen Diskursen unserer Krisenzeit.
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Brecht neu entdecken!
Bertolt Brecht ca. 1954
© R. Picha, AUF ACHSE 2012, Margeret Carter, Maren Rahmann
Mit Brecht hatte meine Theaterkarriere in den frühen 70er Jahren begonnen – eine meiner ersten
Theaterarbeiten war das Bühnenbild für Brechts „Gewehre der Frau Carrar“ im Dramatischen Zentrum Wien –
und es erscheint nur folgerichtig, zu Brecht zurückzukehren, zumal zu einem historischen Zeitpunkt der multiplen
Krisen, ja schier unübersehbaren, sich tagtäglich multiplizierenden Krisenszenarien, die uns wie zu Zeiten des
Giganten Bertolt Brecht umgeben, und auf die wir dringende Antworten brauchen. Auch auf dem Theater!
Brecht ist der Dramatiker der Krise in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der Theatervisionär und Praktiker,
ein Mann exakter politischer Analyse auf marxistischer Basis, aber auch der Unterhaltung und der angewandten
Utopien. Sie stellen in Brechts Universum keine Widersprüche dar. Er verarbeitete und transformierte die
Krisenphänomene seiner Zeit auf theatraler Ebene, sprach neue, auch Theater-ferne Schichten an, bekannte sich
als deklarierter Linker zum Antifaschismus und erreichte dennoch ein Mainstream-Publikum, ohne seine
avantgardistischen Ansprüche und avancierten künstlerischen Ansprüche einzuschränken.
Brecht glaubte an die Kraft der Veränderung, zu der er mit seinem „Epischen Theater“ beitragen wollte,
zeitlebens werkte er an der Utopie einer vom Menschen zu schaffenden „besseren Welt“, die wir verloren zu
haben scheinen, die wir jedoch dringend wieder brauchen würden. Selbst wenn niemand bestreitet, dass Brechts
Illusionen in Bezug auf die Hoffnung auf einen kommenden Sozialismus/Kommunismus heute in Trümmern
liegen. Die politischen Optionen und künstlerischen Formensprachen müssen also andere sein!
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Genau davon ist heute angesichts neuer, in Europa aufflammender präfaschistischer Gruppen und Parteien
wieder zu lernen. Und es ist diese Brechtsche Vision, der sich früh schon das Team der FLEISCHEREI als
Versuchslabor des politischen Theaters verschrieben hat. Das lässt sich rückblickend demonstrieren an der
raschen Abfolge theatraler Zyklen, von PHANTOM: LIEBE, NICE TO MEAT YOU!, CAMOUFLAGE ANGST bis zu ART
OF SURVIVAL oder ART OF LIFE, neuen Arbeitsformaten wie dem Straßentheater AUF ACHSE und synthetischen
Experimenten wie die Herausbildung des neuen Genres der „Transformance“ (siehe im Folgenden).
Impressionen FLEISCHEREI/FLEISCHEREI_mobil, AUF ACHSE Strassentheaterspektakel, 2011-2013
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Was ist TRANSFORMANCE?
FLEISCHEREI & FLEISCHEREI_mobil – von Soziotheatralität zu „TRANSFORMANCE“
„Die FLEISCHEREI wurde im Jahr 2004 als alternativer und aktionistischer Protest-, Lern- und
Handlungsraum für „kulturelle Nahversorgung“ eröffnet. Seitdem lösten sich in rascher Folge neue
Performance Projekte und soziotheatrale Experimente mit Bezug zum Bezirk ab, wurden neue Spielformate
und Arbeitsweisen in Kooperation von KünstlerInnen, MigantInnen, AsylwerberInnen, NGOs und Menschen
im Bezirk entwickelt – u.a. das 1. Straßentheaterprojekt „FLEISCH_rezitation“, die Zyklen „NICE TO MEAT
YOU!“, „CREATING ALTERNATIVES“ oder ART OF SURVIVAL, ein Heiner Müller-Marathon von 10 Tagen/10
Nächten zu späten Texten und Gedichten, eine Else Lasker-Schüler Studie zum Orientalismus,
zwei Ingeborg Bachmann-Umsetzungen, der 68er Jubiläums-Marathon und
an die 30 Cooking-Shows mit KünstlerInnen und MigrantInnen.
Im Zentrum soziotheatraler Arbeiten seit 2004 steht nicht Einzigartigkeit und Hochstabsprung einzelner
KünstlerInnen und Projekte, sondern die Gruppe und die Vielfalt der Entwicklungen, womit die neue
Interkulturalität und Diversität der Stadt Wien (bis zu 44% migrantischer Herkunft) reflektiert, markiert und
gefeiert wurde. In der FLEISCHEREI und angrenzenden Projekten arbeiteten KünstlerInnen eng mit
MigrantInnen aus über 20 Ländern, mit AsylwerberInnen, kleinen Geschäftstreibenden, diversen Zielgruppen
wie Frauen über Fünfzig, Menschen aus den Community-Gruppen und Bezirksorganisationen zusammen,
wurden Projekte in lokalen Cafés, Restaurants, Geschäften realisiert, wurde der öffentliche Raum „besetzt“
bzw. ritualisiert – in Umzügen auf der Straße, über Performances in Auslagen, Hinterhöfen,
Parks und auf Märkten. Kurzum: Das Theater, das sich wandelt zur „Transformance“,
hat sich angeschickt, zu den Menschen zu gehen – dorthin, wo sie sind!
- Eva Brenner, „Transformance- Theater des Aufbruchs“
1. Manifest für Transformance 2011, Archiv FLEISCHEREI_mobil
© E. Handl: Maren Rahmann, ACHTZUNDSECHZIG, FLEISCHEREI 2008 Jura Soyfer Projekt 2011,
Von Theater – zu Perforamcne – zu „Transformance“
Die FLEISCHEREI wurde im Jahr 2004 als alternativer und aktionistischer Protest-, Lern- und Handlungsraum für
politisches Theater eröffnet. Zugleich bekannte sich das Team dazu, zuvor bestimmende Techniken des
internationalen Experimentaltheaters (1998-2003) kreativ in diese neue Arbeitphase zu integrieren, u.a. Jerzy
Grotowskis „Armes Theater“, Robert Wilsons „Theatre of Images“ oder Richard Schechners „Environmental
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Theatre“. Sie alle beeinflussten,, veränderten und bereicherten diese Arbeit an neuen soziotheatralen
Experimenten. Sie war von Anbeginn interkulturell und migrationspolitisch offensiv konzipiert, wobei Laien und
NGOs bewusst einbezogen und als gleichwertige Partner betrachtet im gemeinsamen Dialog und Spiel
zusammengebracht werden sollten. Ab 2004 wurde diese Arbeit ausgeweitet auf Menschen im Grätzel und kleine
Geschäftstreibende und nahm damit eine dezidiert lokal-politische, Basis-demokratische Dimension an.
Nach den Jahren erfolgreicher soziotheatraler Aufbauarbeit (2004-2011) wurde die Truppe überrascht von der
sog. „Wiener Theaterreform“, die 2011 mit dem durch Förderkürzungen ausgelösten Auszug des Künstlerteams
aus der FLEISCHEREI im 7. Wiener Gemeindebezirk mündete. Damit begann die nomadische Phase des Theaters
unter dem Namen FLEISCHEREI_mobil und erzwang eine markante Neuorientierung des fortan flexibel
produzierenden Ensembles. Dabei wurden nachhaltig konzipierte Projekte weitergeführt und ausgebaut, allen
voran das Signature-Projekt AUF ACHSE_DORFPLATZ, die bewährte Diskursschiene PETER KREISKY-Gespräche
mit OKTO.tv oder das Jura Soyfer-Jubiläumsprojekt WAS DRAUSSEN LAG, WAR FREMDE! nach dem Roman „So
Starb eine Partei“. Der Umbruch signalisiert eine radikale Öffnung zur Community mit Projekten im öffentlichen
Raum, die Gewinnung neuer Publikumsschichten und die Repolitisierung der Theaterarbeit nach Recherche und
Anbindung an frühere revolutionäre Experimente der 20er und 30er Jahre (z. B. jene des „Roten Wien“). iI)m
Mittelpunkt stehen seitdem Projekte in nicht-theatralen Räumen in Kooperation mit zivilgesellschaftlichen
Organisationen, die Suche nach neuen Räumen, Sponsoren und Partnern. Gespielt wird im Freien, auf der Straße,
in Cafés, Wirtshäusern und Lokalen benachbarter NGOs, z.B. in Schulen, VHS oder in der AK-Wien.
Zwischen 2004-2011 hatte sich die FLEISCHEREI zu einem interkulturellen Kristallisationspunkt neuer
soziotheatraler Entwicklungen und Begegnung, in ein neuartiges „Zentrum für kulturelle Nahversorgung“ mit
jährlich Tausenden diversitären BesucherInnen entwickelt. Ausgehend vom zwischen 2006-2009 entwickelten
Manifest für ein „THEATER OF EMPOWERMENT“ formulierte Eva Brenner das neue Konzept einer Kunst der
„Transformance“ und griff somit auch Einflüsse wachsender zivilgesellschaftlicher Bewegungen, die die
politische Landschaft Europas und Österreichs – ja der ganzen Welt – seit der Jahrtausendwende
kennzeichneten (u.a. ATTAC, SOS-Mitmensch, Global 2000, Republikanischer Club-Neues Österreich).
„Transformance“ – Manifest für ein Theater des Aufbruchs (2011)
Das Genre der Transformance intendiert eine politisch-motivierte „Performance“ auf dem Prüfstand realer
sozialer Verhältnisse, mit denen sich engagierte KünstlerInnen vertraut gemacht haben, um relevante Aussagen
zur Zeit treffen zu können – eine Performance die eingreift, Stellung nimmt, sich einmischt, neue Räume besetzt
und Öffentlichkeit schafft! Gemeint ist eine Performance, die Aktionen setzt, Laien aktiv einbezieht, Themen
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anreißt, Fragen formuliert, Thesen aufstellt, neue Netzwerke schafft, ein neues Publikum fürs Theater begeistert –
und die Menschen in den Akt des Kunst-Machens einbezieht. Ziel ist ein „théatre engagé“, d.h. ein Theater der
gemeinsamen Aktion – denn „eine bessere Welt ist möglich!“
Meine Antwort ist, dass eine andere Welt tatsächlich möglich ist – aber nur, wenn möglichst viele Menschen mit
unterschiedlichem Hintergrund, unterschiedlichen Standpunkten und Fähigkeiten sich zusammenschließen, um die
Veränderung zu erzwingen. Die Dinge ändern sich, wenn genügend Menschen dies fordern und dafür arbeiten. Niemand sollte
übergangen werden oder das Gefühl haben, er oder sie könnte keinen Beitrag dazu leisten. Niemand, der mithelfen möchte,
eine andere Welt aufzubauen, sollte aus Mangel an Überblick oder Wissen beiseite stehen müssen.
– Susan George, CHANGE IT!, Droemer, 2004/2006, S. 11.
Transformance setzt sich in soziokulturellen und integrationspolitischen Aufführungen, Festen, Feiern,
Performances, Workshops, Diskussionen und Theaterprozessionen mit Phänomenen gesellschaftlicher und
kultureller Brüche, Transformationen und Metamorphosen auseinander. Das neue Genre befasst sich nicht nur
mit dem gegenwärtigen Leben, sondern dem zukünftigen, den konkreten Utopien! Positiv besetzte Konzepte,
Experimente und Alternativprojekte sollen erarbeitet werden, die auf den Weg machen zu einem anderen,
besseren Leben und neue Formen der Koexistenz in allen Lebensbereichen erproben – in jenen des Wirtschaftens,
politischen Handelns, des Kunst-Schaffens, in der Flüchtlings- und Integrationsarbeit, in der Zusammenarbeit von
Menschen verschiedener Generationen und Kulturen.
Kurzum: Das Theater, das sich wandelt zur „Transformance“, schickt sich an, zu den Menschen zu gehen –
dorthin wo sie sind, ob auf der Straße, im Café, im Wirtshaus oder Gemeindebau!
Ziel einer solchermaßen neu konstituierten Kunst transformativer Performance oder Transformance ist –
ausgehend von Analyse und Wiederaneignung historisch tradierter Theorien und Formen „politischen Theaters“
eine Neubewertung und Aktualisierung des „Theatral-Politischen“. Das Ziel der Entwicklung neuer theatraler
Praktiken bedingt neue Arbeitstechniken, Spielmodelle, Texte und Strukturen. Transformance geht also über die
reine Reflexion des Politischen oder des Prozessualen vieler „post-dramatischer“ Ansätze hinaus und stellt sich
inmitten sozialer Bewegungen, sucht den direkten Kontakt mit der Community. Sie verharrt nicht im tradierten,
sei es avantgardistisch, postmodern, -dramatisch oder -migrantisch gewendeten symbolischen „Kunst“-Kontext.
Zentrale Kategorien und Funktionsweisen von Transformance sind: Diversität, Interkulturalität, Partizipation,
Pluralismus, Empowerment (ProduzentInnen-Selbstbestimmung), Umverteilung der Ressourcen, Inklusion statt
Exklusion, Rückgewinnung öffentlichen Raums!
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Fotos © Blind Spot E² „The Wandering Ghosts“, Jura Soyfer Performance 2007: Foto © E. Handl, ASYLCAFÉ 2008
© BlindSpot E², AUF ACHSE mexicana, Okt. 2009, Guanajuato Mexiko, UNRUHIGE ZEITEN; Wien-Premiere MUSA Wien, Mai 2011
Es geht darum, die Freiheit im Menschen zu befreien.
... Denn in einer Demokratie gibt es keine Ohnmacht.
Wenn einer hier rausgeht und sagt, ‚Ich kann nichts tun’, so irrt er sich total.
- Jean Ziegler, Der Standard, 25.11.2009, S. 5
Den weltweit herrschenden ökonomischen System ist nicht nur die Tendenz zur manchmal positiver Öffnung und
meistens negativer Nivellierung von Vielfalt inhärent, sondern auch die Neigung zum entsolidarisierenden
Ausspielen von Menschen als Arbeitskräfte inhärent, um Druck auf oft mühsam erkämpfte Einkommen, soziale und
ökologische Standards und Steuern auszuüben.“ - Peter Kreisky, „Linkssozialismus und die ‚neue Linke‘. Zwischen
Scylla und Charybdis im „Kalten Krieg, in: Die Fantasie und die Macht, 1968 und danach, Czernin Verlag, 2007,
S.349-372, S. 372.
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Der 2011 begonnene Weg führt nun folgerichtig zum neuen Konzept „„ZZw
wiisscchheenn nnoocchh nniicchhtt uunndd sscchhoonn nniicchhtt
m
meehhrr “ , das diese soziotheatralen Experimente der Vorjahre eröffnet aufgreift und ausweitet auf ein völlig neues
Aufgabenfeld wie das vorliegende eines Theaterprojekts in den Wiener Gemeindehöfe eröffnet. Die neue
„Arbeiterklasse“ muss nicht nur neu definiert werden, so sie als solche erkannt wird, also verstrickt in vielfältige
prekäre Arbeitsverhältnisse jenseits ausgedienter Fordistischer Produktionsweisen (s. Peter Kreisky), sondern soll
auch direkt einbezogen werden – dort, wo sie sich aufhält. Alternative Formen der Begegnung, des Austausches
und der kreativen Zusammenarbeit müssen geschaffen und erprobt werden, die sowohl auf bereits vorhandene
Modelle zugreifen (Gemeinwesenarbeit in den Gemeindebauten), als auch neue entwirft. Den Spannungen
zwischen „Einheimischen“ und „MigrantInnen“ in den Gemeindehöfen, die seit einigen Jahren dort „zugelassen“
aber kaum gut integriert sind, ist Rechnung zu tragen sowie der allgemeinen kulturellen Ausdünnung und dem
Absinken sozialen Bewusstseins und politischer Aktion in allen Schichten, besonders bei der Jugend, aber auch bei
KünstlerInnen der jüngeren Generation.
Der Weg zu einer neu politisierten Theaterarbeit muss konsequenterweise dorthin führen, wo die Krisen der Zeit
am meisten spürbar sind – und das ist kaum in den Kulturtempeln der Innenstadtbezirke der Fall, sondern eher in
(„Flächen“-)Bezirken an der Peripherie, in den Gebieten der sozialen Verwahrlosung und der kulturellen Isolation!
Nochmals der Journalist Robert Sommer zum soziotheatralen Modell der FLEISCHEREI_mobil (AUF ACHSE):
Jetzt endlich [kann] sich eine anarchistische Form von urbanem Handeln entfalten,
das sich jeglicher Zuordnung in Kategorien, „Straßenkunst“, „Reclaim the streets“,
„Partizipation“, „Prozession“, „Parade“, „Zirkus“, „Multikulti“, „Muladsag“,
„Agitation“ und „Slapstick“ verwehrt.
„Auf Achse“ heißt das Projekt, das von allem was hat. ...
– Robert Sommer, AUGUSTIN, Nr. 305; S.
Fotos l./r. © Marlene Rahmann, AUF ACHSE 2011, Mitte: FLEISCHEREI, Wir sind alle MARIENTHAL! 2015
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Excursus 1:
„Proletarisch/Politisches“ Theater revisited
BERTOLT BRECHT (1898-1956)
Sorgt doch, dass ihr die Welt verlassend
Nicht nur gut wart, sondern verlaßt
Eine gute Welt!
-
Brecht: Heilige Johanna der Schlachthöfe
Geb. 10. Februar 1898 in Augsburg, gest. 14. August 1956 in Berlin. Entstammt dem bürgerlichen Mittelstand,
Abitur 1917. Frühe Balladen unter Einfluss Wedekinds. Vordialektische Schaffensperiode: Lyrik; Dramenentwurf
Baal (1922); Trommeln in der Nacht (1922 uraufgeführt in München, Kleist-Preis); Im Dickicht der Städte (1924).
Die Bearbeitung von Christopher Marlowes Leben Eduards des Zweiten Von England, unter Mitwirkung von Lion
Feuchtwanger, vermittelt Brecht entscheidende dramatische Erfahrung und Kenntnis des elisabethanischen
Theaters (1924). Übersiedlung nach Berlin (1924), Dramaturg bei Max Reinhardt (bis 1926), Mann ist Mann,
Lustspiel. Beschäftigung mit Marx und Parteikommunismus (seit 1926): Bertolt Brechts Hauspostille, Gedichte,
didaktisch (1927); Die Dreigroschenoper, vertont von Kurt Weill, Erfolg, schon mit meisten Merkmalen des
„epischen“ Theaters (1928), Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (1929). Lehrstücke: Die Maßnahme (1931)
und Die Ausnahme und die Regel (1938). Die heilige Johanna der Schlachthöfe, ökonomische Thesen des
Marxismus illustrierend, mit Parodien auf Szenen und Pathos der Klassiker (1932).
Exil
„…öfter als die Schuhe die Länder wechselnd“: Österreich, Schweiz, Frankreich (1933), Dänemark (1934),
Schweden, Finnland, UdSSR, USA (1941), Rückkehr nach Europa, 1947. Mutter Courage und ihre Kinder (1941);
Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui (1941); Der gute Mensch von Sezuan (1942); Leben des Galilei (1943);
Furcht und Elend des Dritten Reiches (1945); Der kaukasische Kreidekreis (1947); Herr Puntila und sein Knecht
Matti (1948). Seit 1949 Niederlassung in Berlin (Ost). Gründung des »Berliner Ensembles« unter der Leitung von
Helene Weigel, Brechts Frau (1949, seit 1954 im Theater am Schiffbauerdamm).Theoretische Schriften zum
Theater. Lyrik.
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Brecht und Österreich
Erfolg und Boykott
Das erste Drama von Brecht in Österreich wurde auf Initiative von Ernst Fischer in Graz 1923 aufgeführt,
Trommeln in der Nacht. Bis 1933 wurde Brecht in einer sich zunehmend politisierenden Atmosphäre mit teilweise
großem Erfolg aufgeführt. So verkaufte die sozialdemokratische Kunststelle allein im Jahr 1929 fast 20.000 Karten
für die Vorstellungen der Dreigroschenoper in Wien. Nach einer Aufführung der Mutter im Konzerthaus kam es
Anfang 1933 sogar zu einer spontanen antifaschistischen Demonstration, die schließlich gewaltsam von der
Polizei auseinandergetrieben und aufgelöst wurde. Es sollte die letzte Aufführung eines Brecht-Stückes sein,
bevor es zu einem 13-jährigen Verbot von Brecht kam.
Brecht selbst war in zweiter Ehe mit der aus Wien stammenden Schauspielerin Helene Weigel verheiratet; er hielt
sich bis 1933, aus Berlin kommend, öfter in Österreich auf; nach dem Exil ab 1949 auch in Salzburg und 1953 in
Wien. Weigel und Brecht, 1935 aus Deutschland ausgebürgert, erhielten 1950 einen österreichischen Pass, mit
der Unterstützung des Komponisten Gottfried von Einem. Dies führte zu einem ersten erheblichen Skandal (im
Zuge dessen auch Gottfried von Einem aus dem Direktorium der Salzburger Festspiele entlassen wurde), der als
Auftakt zu dem zehn Jahre währenden Brecht-Boykott betrachtet werden kann. Diese antikommunistische
Kampagne erreichte nach dem Aufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR, welcher durch sowjetische Truppen
niedergeschlagen wurde, und der ideologisch verbrämten, undifferenzierten Darstellung der Haltung Brechts in
den Massenmedien seinen ersten Höhepunkt, welcher mit dem Mauerbau 1961 erneut aufflammte.
Initiatoren des Brecht-Boykotts waren die Publizisten Hans Weigel und Friedrich Torberg („Brecht, aus dem nun
freilich seit zehn Jahren nur noch die blanke Scheiße herauskommt [...]“) sowie der Burgtheaterdirektor Ernst
Haeussermann, publizistisches Organ war die politisch-literarische Zeitschrift FORVM, deren Geldgeber eine CIAVorfeldorganisation war, die den Auftrag hatte, intellektuelle Strömungen in Europa gegen den Kommunismus
einzunehmen. Neben dem Boykott Brechts gab es Anfang der 50er Jahre auch einen „Scala“-Boykott – das Neue
Theater in der Scala befand sich in der sowjetischen Besatzungszone und wurde von zurückgekehrten Emigranten,
welche engagierte Antifaschisten und vielfach Kommunisten waren, betrieben. Bevor das Theater 1956
niedergerissen wurde, fand noch eine letzte Aufführung von Brechts Leben des Galilei statt, welche aber von der
Presse ignoriert und totgeschwiegen wurde. Erst 1963 kam es zu einer ersten Brechung des Boykotts durch eine
Aufführung der Mutter Courage am Volkstheater unter der Regie von Gustav Manker, und dies obwohl dem
Theater für die Absage sogar Geld geboten wurde. (vgl. 100 Jahre Volkstheater. Theater. Zeit. Geschichte. 1989)
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Brecht und der Februar 1934
Nachdem Brecht am Tag nach dem Reichstagsbrand Deutschland verlassen musste, verbrachte er einige Tage in
Wien, welche ihn dazu veranlassten, ironisch mit der „österreichischen Mentalität“ abzurechnen. Er plante eine
Arbeit unter dem Titel „Wien oder das folgenlose Denken“ bzw. „Unpolitische Briefe“, das Fragment blieb – darin
hieß es unter anderem, wohl auch in Anspielung auf sein nunmehr kritisiertes Vorbild Karl Kraus:
Denke man von mir, wie man wolle, ich vermisste mehr und mehr bei diesem Denken der Vertriebenen und Bedrohten eine
einschneidende Überlegenheit über jenes der Vertreiber und Bedroher. Gut, das eine war die rohe Stimme der Barbarei, sie
war roh und dumm, das andere war die Stimme der Kultur, sie war wohltönend, aber auch dumm. Die einen hatten viele
Waffen und benutzten sie, die anderen hatten nur den Verstand als Waffe und benutzten ihn nicht. Ich fuhr
niedergedrückter weg aus dem Land der Kultur, als ich dort angekommen war – aus dem Land der Barbarei.
- Bertolt Brecht, GW 20, S. 184 ff.
Neben dieser Beschäftigung mit der politischen Situation in Österreich, unmittelbar nach der Machtergreifung
Hitlers in Deutschland, setzte sich Brecht Mitte der 30er Jahre im dänischen Exil auch intensiv mit dem
bewaffneten Widerstand der Arbeiterbewegung in Österreich auseinander, insbesondere mit den
Februarkämpfen in der Obersteiermark 1934. Zunächst wollte er einen Roman über den österreichischungarischen Arbeiterführer Koloman Wallisch schreiben, aus welchem schließlich ein antifaschistischer
Gedichtzyklus wurde, die Koloman-Wallisch-Kantate, die Hanns Eisler vertonen sollte – wozu es nicht kam. Er
wurde erst 1982 entdeckt und in den nachgelassenen Gedichten veröffentlicht. Die Okkupation Österreichs durch
Hitlerdeutschland im März 1938 nahm Brecht ebenso zum Anlass, um einen satirischen Text für den Rundfunk zu
schreiben: Mies und Meck. Darüber hinaus verfasste er zwei desillusionierende Einakter, Dansen und Was kostet
das Eisen?, um als Reaktion auf die Besetzung Österreichs aufzuzeigen, dass die Raubpolitik des deutschen
Faschismus nur dann beendet werden könne, wenn die Völker aktiv gegen diesen kämpfen. (vgl. Palm, Kurt: Vom
Boykott zur Anerkennung. Brecht und Österreich. 1983)
Brechts Neuerung des Theaters
Brechts grundlegendes Interesse galt den zwischenmenschlichen Beziehungen, sowie gesellschaftlichen
Tendenzen. Dem Theater sollte die Rolle einer „moralischen“ Anstalt zukommen, in der spielerisch soziale
Verhaltensweisen gezeigt werden sollten und dies in wissenschaftlich exakten Abbildungen, in der „schönen Logik
des Einmaleins“ – er sprach sich für das Lernen und gegen die Verachtung des Nützlichen aus, wohl darauf
bedacht, die Unterhaltung und die sinnlich/körperliche, sowie geistige Bewegung und Lust nicht hintanzustellen.
Mit dem Studium marxistischer Lehren (ab ca. 1926) vollzog er den Anfang einer marxistischen Ästhetik für das
Theater. „Als ich das Kapital von Marx las, verstand ich meine Stücke [...] Dieser Marx war der einzige Zuschauer
für meine Stücke, den ich je gesehen hatte [...]; es war Anschauungsmaterial für ihn.“ (SzL I, 81). Die
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materialistische Dialektik (stark von der Ästhetik Hegels beeinflusst), die für Brecht dem Fluss der Dinge und des
Lebens am meisten entsprach, wurde zum Vehikel gegen die herrschende irrational-faschistische Ideologie und
für die Umfunktionierung des Theaters – es galt ein eingreifendes Denken auf allen wissenschaftlichen,
politischen und künstlerischen Gebieten zu organisieren. Walter Benjamin sah den sich entwickelnden Brecht, als
den der „wie ein Ingenieur in der Wüste mit Petroleumbohrungen anfängt, in der Wüste der Gegenwart an genau
berechneten Punkten seine Tätigkeit aufnimmt“ (WB, GS II, 506). Brecht wandelte den herkömmlichen
Kunstbegriff hin zu einer „Kunst des Operierens, des Dozierens, des Maschinenbaus und des Fliegens“ (GW 19,
350). Einhergehend mit der Technisierung der literarischen Produktion ging die Aufgabe des selbstständigen
Kunstwerkcharakters und damit gehörte Brecht, mit Bezug auf Peter Bürger, durch die Arbeit im Kollektiv zur
Avantgarde, die mit striktem Wirklichkeitsbezug, doch, anders als die Naturalisten, mit stilistischen
Verfremdungen stets auf eine gesellschaftliche Veränderung abzielten. Brecht entwickelte neben praktischen
Versuchen folgende theoretisch zusammenfassende Werke: Anmerkungen zur Oper „Aufstieg und Fall der Stadt
Mahagonny“, das Messingkauf-Fragment, das Kleine Organon für das Theater und die „Katzgraben“-Notate.
Ästhetische und poetologische Neuerungen
Brecht geht es primär um eine Einsetzung des wissenschaftlichen Prinzips, der wissenschaftliche Blick, dem sich
die Natur unterwerfen musste, muss sich den Menschen zuwenden, welche die Natur unterworfen haben und
deren Leben nun ihre Ausbeutung bestimmt. Das Theater soll die zwischenmenschlichen Beziehungen, „die
Entzweiung der Menschen durch das gemeinsame gigantische Unternehmen“ abbilden (GW 16, 669). Damit muss
auf die dramatische, „aristotelische“ Form verzichtet werden, zugunsten einer „nicht-aristotelischen“-epischen.
D.h. nicht die schicksalsbedingte, bemitleidenswerte Handlung, die vermittels der Mimesis und Einfühlung zu
einer Katharsis führen soll, wie auch nicht, wie verstärkt im Sturm und Drang der vereinzelte Charakter (und dazu
die selbstbewusste Tat in der bürgerlivhe Klassik), sondern der Vorgang selbst und die (gesellschaftlichen)
Umstände werden zum Erzählgegenstand der Bühne. Der Zuschauer wird nicht suggestiv ins Spiel gerissen
(illudiert), sondern einer Situation beobachtend gegenübergestellt, die die Veränderbarkeit von Welt (und
Mensch) ersichtlich machen sollte:
Der Zuschauer des dramatischen Theaters sagt: Ja, das habe ich auch schon gefühlt.-So bin ich.-Das ist natürlich.-Das wird
immer so sein.-Das Leid dieses Menschen erschüttert mich, weil es keinen Ausweg für ihn gibt.-Das ist große Kunst: da ist
alles selbstverständlich.-Ich weine mit den Weinenden, ich lache mit den Lachenden.
- Der Zuschauer des epischen Theaters sagt: Das hätte ich nicht gedacht.- So darf man es nicht machen.-Das ist höchst
auffällig, fast nicht zu glauben.-Das muss aufhören.-Das Leid dieses Menschen erschüttert mich, weil es doch einen
Ausweg für ihn gäbe.-Das ist große Kunst, da ist nichts selbstverständlich.-Ich lache über den Weinenden, ich weine über
den Lachenden. – Bertolt Brecht, GW 2, 1, S. 106-116.
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Brecht und die Frauen
Liebe ist der Wunsch, etwas zu geben,
nicht zu erhalten.
- Bertolt Brecht
(http://natune.net/zitate/Bertolt%20Brecht)
Bertolt Brecht (1998-1956)
An Bertolt Brechts Seite zu arbeiten bedeutete für eine Frau nicht selten, sich auch auf eine Liebesbeziehung mit
dem Meister der gesellschaftskritischen Sprachgewalt einzulassen, sich gleichzeitig jedoch eingestehen zu
müssen, dass dieser sich nicht der Monogamie verschrieb. Das mag vielleicht das Gefühl erzeugen, dass es Brecht
nicht um Treue, um Liebe und vor allem nicht um ein Ehrgefühl gegenüber der Frau ging, doch lässt sich diese
Annahme von vielen seiner Liebschaften einerseits und seinen Gedichten und Dramen andererseits widerlegen.
Zwar macht seine Ausdrucksweise auch vor den Abgründen der weiblichen Verführungskunst nicht Halt, doch
wird eine Frau niemals als dümmlich naives Wesen gezeichnet – ganz im Gegenteil. Und so ist Brechts Aktualität
auch in der Hinsicht auf die Genderthematik noch heute bemerkenswert. Eine Brechtsche Frau wie die Mutter
Courage besticht männliche Mitstreiter durch Skrupellosigkeit, Intelligenz und nicht zuletzt durch mutig-erotische
Ausstrahlung. Es scheint, als sei besonders im Zusammenhang mit diesem Thema Brecht seiner Zeit um einiges
voraus gewesen, obwohl – und das muss betont werden – Brecht sich zu keiner Treue hinreißen ließ. Besonders
bezeichnende Frauenfiguren in Brechts Leben waren Elisabeth Hauptmann (1897-1973) und die Schauspielerin
Helene Weigel (1900-1971). Denen ging voraus eine Liebesbeziehung zu Paula Banholzer, welche jedoch durch die
Missgunst des Vaters gegenüber Brecht trotz des gemeinsamen Sohnes Frank einer Ehe mit Brecht nicht
einwilligte. Die Heirat mit Helene Weigel 1929 ist für viele Frauen um Brecht, aber besonders für Elisabeth
Hauptmann eine tiefe Enttäuschung. Die ohnehin schon labile Lektorin Brechts hat als eine der wenigen Frauen
ihm seine Eskapaden nicht verziehen. Helene Weigel, Schauspielerin und engagierte künstlerische parteilose
Linke, brachte die Situation um Brecht gegenüber der gemeinsamen Tochter Barbara mit folgenden Worten zum
Ausdruck: „Dein Vater war ein sehr treuer Mensch. Leider zu vielen.“ Helene Weigel blieb von Anbeginn ihres
gemeinsamen Lebens bis zu Brechts Tod ihm eine treue Begleiterin.
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Die Frauen in Brechts Dramen sind den Umständen nicht entrückt sondern durchaus angepasst, sich ihrer eigenen
Vorteile bewusst und doch wie die Polly in der „Dreigroschenoper“ eben gerade durch diese gefährdet. Zum
Träumen bleibt wenig Raum und wenn dann doch eine Frauenfigur sich dem Wunsch des „Gutmenschen“ hingibt,
scheint sie durch die Umstände zum Tode verurteilt zu sein. Die in dem Drama „Die heilige Johanna der
Schlachthöfe“ gezeichnete Hauptfigur, den Geist über die Materie beschwörenden Johanna, ist durch ihre naive
aber gute Art dem Tode näher als dem Leben. Nicht selten sind es Prostituierte, welche sich trotz ihres bewussten
Körpereinsatzes eine sentimentale und menschliche Art beibehalten, welche wie Inseln in einer lieblos
gewordenen kapitalistischen Gesellschaft zwar an den Rand gespült, aber regelmäßig von den teilweise völlig
verloren wirkenden Männern aufgesucht werden, um sich Halt zu holen.
Einerseits ist eine intensive Auseinandersetzung mit der Weiblichkeit eine Voraussetzung gewesen für eine solch
detaillierte Frauenanalyse, wie sie Brecht anstrebte, andererseits war der künstlerische Bereich des Verfassens
der Texte zum Teil einer Arbeitsteilung geschuldet. Kunst war somit für Brecht keine rein für individuelle Zwecke
dienliche Form der Selbstverwirklichung, sondern sollte gesellschaftlich nützlich sein und somit spannte er sowohl
Frauen als auch Männer in seine intellektuelle Arbeit mit ein. Die Gleichwertigkeit und intellektuelle Basis mit
welcher Brecht den Frauen begegnete, war für alle Beteiligten der Grund, besonders zu jener Zeit, sich auch
weiterhin und trotz Schwierigkeiten miteinander auseinander zu setzen und miteinander zu arbeiten. Nach Brecht
ist auf jeden Fall eines Schwarz auf Weiß zu lesen und zu sehen gewesen: die Frau steht dem Mann in nichts nach,
hat sogar in einigen Fällen durch dessen Schwäche zum weiblichen Geschlecht eine stärkere Position. Brechts
Werk weist neben seinen gesellschaftskritisch-politischen Äußerungen also auch philosophisches und
psychologisches Feingefühl und Vermittlungsvermögen auf.
Brechts Theaterkonzept – zentrale Begriffe (in eigenen Worten)
Einfühlung
Die Einfühlung (Identifikation), ein gesellschaftliches Phänomen, das für eine bestimmte geschichtliche Epoche
einen großen Fortschritt bedeutete, wird zunehmend ein Hindernis für die weitere Entwicklung der
gesellschaftlichen Funktion der darstellenden Künste. Das heraufkommende Bürgertum, das mit der
wirtschaftlichen Emanzipation der Einzelpersönlichkeit die Produktivkräfte zu mächtiger Entfaltung brachte, war
an dieser Identifikation in der Kunst interessiert. Heute, wo die „freie“ Einzelpersönlichkeit zum Hindernis einer
weiteren Entfaltung der Produktivkräfte geworden ist, hat die Einfühlungstechnik der Kunst ihre Berechtigung
eingebüßt. Die Einzelpersönlichkeit hat ihre Funktion an die großen Kollektive abzutreten, was unter schweren
Kämpfen vor unseren Augen vor sich geht. Vom Standpunkt der Einzelpersönlichkeiten aus können die
entscheidenden Vorgänge unseres Zeitalters nicht mehr begriffen, durch Einzelpersönlichkeiten können sie nicht
mehr beeinflusst werden. Damit fallen die Vorteile der Einfühlungstechnik, jedoch fällt mit der Einfühlungstechnik
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keineswegs die Kunst. (GW 15,244 f.) Die Einfühlung ist das große Kunstmittel einer Epoche, in der der Mensch
die Variable, seine Umwelt die Konstante ist. Einfühlen kann man sich nur in den Menschen, der seines Schicksals
Sterne in der eigenen Brust trägt, ungleich uns. (GW 15,300)
Fabel
Auf die Fabel kommt alles an, sie ist das Herzstück der theatralischen Veranstaltung. Denn von dem, was zwischen
den Menschen vorgeht, bekommen sie ja alles, was diskutierbar, kritisierbar, änderbar sein kann. Auch wenn der
besondere Mensch, den der Schauspieler vorführt, schließlich zu mehr passen muss als nur zu dem, was
geschieht, so doch hauptsächlich deswegen, weil das Geschehnis umso auffälliger sein wird, wenn es sich an
einem besonderen Menschen vollzieht. Das große Unternehmen des Theaters ist die Fabel, die
Gesamtkomposition aller gestischen Vorgänge, enthaltend die Mitteilungen und Impulse, die das Vergnügen des
Publikums nunmehr ausmachen sollen. (GW 16, 693)
Gestus
Unter einem Gestus sei verstanden ein Komplex von Gesten, Mimik und [Bewegungsmuster] für gewöhnliche
Aussagen, welchen ein oder mehrere Menschen an einen oder mehrere Menschen richten. Ein Mensch, der einen
Fisch verkauft, zeigt unter anderem den Verkaufsgestus. Ein Mann, der sein Testament schreibt, eine Frau, die
einen Mann anlockt, ein Polizist, der einen Mann prügelt, ein Mann, zehn Männer auszahlend – in alldem steckt
sozialer Gestus. Ein Mann, seinen Gott anrufend, wird bei dieser Definition erst ein Gestus, wenn dies im Hinblick
auf andere geschieht oder in einem Zusammenhang, wo eben Beziehungen von Menschen zu Menschen
auftauchen. (GW 15,409)
Nachahmung, Kopie
Man muss sich frei machen von der landläufigen Verachtung des Kopierens. Es ist nicht das „Leichtere“. Es ist
nicht eine Schande, sondern eine Kunst. Das heißt, es muss zur Kunst entwickelt werden, und zwar dazu, dass
keine Schablonisierung und Erstarrung eintritt. Um meine eigene Erfahrung mit dem Kopieren zur Verfügung zu
stellen: Ich habe als Stückeschreiber japanische, hellenische, elisabethanische Dramatik kopiert, als Regisseur die
Arrangements des Volkskomikers Karl Valentin und die Szenenskizzen Caspar Nehers, und ich habe mich nie
unfrei gefühlt. Geben Sie mir ein vernünftiges Modell des König Lear, und ich werde meinen Spaß darin finden, es
nachzubauen. Was macht es für einen Unterschied, ob Sie im Stücketext finden, die Courage habe den Bauern
Geld für die Beerdigung der stummen Kattrin gegeben, bevor sie wegzog, oder beim Studium des Modells auch
noch, sie habe es in der Hand abgezählt und eine Münze wieder zurück in die Ledertasche gesteckt? In der Tat
finden Sie im Stücktext nur das erstere, das zweite bei der Weigel im Modell. Sollen Sie das erstere behalten, das
zweite vergessen? Schließlich geben wir dem Theater überhaupt nur Kopien menschlichen Verhaltens. Die
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Gruppierungen und die Art, wie die Gruppen bewegt werden, sind, wenn sie etwas sind, Aussagen darüber. Unser
Theater ist schon deshalb nicht realistisch, weil es die Beobachtung unterschätzt. Unsere Schauspieler schauen in
sich hinein, anstatt auf ihre Umwelt. Sie nehmen die Vorgänge zwischen Menschen, auf die alles ankommt,
lediglich als Vehikel für die Zurschaustellung von Temperament und so weiter. Die Regisseure benutzen die Stücke
als Anregung für ihre „Visionen“, auch die neuen, welche nicht Visionen, sondern Berichtigungen der Wirklichkeit
sind. Damit sollten wir lieber heute als morgen aufhören. Natürlich muss das künstlerische Kopieren erst gelernt
werden, genau wie das Bauen von Modellen. (GW 16, 7I4 f)
Der Verfremdung, V-Effekt
Einen Vorgang oder einen Charakter verfremden heißt zunächst einfach, dem Vorgang oder dem Charakter das
Selbstverständliche, Bekannte, Einleuchtende zu nehmen und über ihn Staunen und Neugierde zu erzeugen. [ ... ]
Verfremden heißt also historisieren, heißt Vorgänge und Personen als historisch, also als vergänglich darstellen.
Dasselbe kann natürlich auch mit Zeitgenossen geschehen, auch ihre Haltungen können als zeitgebunden,
historisch, vergänglich dargestellt werden. (GW 15, 301 f.) Echte, tiefe, eingreifende Verwendung der
Verfremdungseffekte setzt voraus, dass die Gesellschaft ihren Zustand als historisch und verbesserbar betrachtet.
Die echten V-Effekte haben kämpferischen Charakter. (GW 16,706)
l. Fotos © FLEISCHEREI_mobil, l. AUF ACHSE 2012
Die Rolle des Lehrstücks von Bertolt Brecht im Konzept
Ein wichtiger Grundbaustein des Projekts „„ZZw
wiisscchheenn nnoocchh nniicchhtt uunndd sscchhoonn nniicchhtt m
meehhrr“ ist die kritische
Auseinandersetzung mit dem Brechtschen Lehrstück, der revolutionärsteen Phase Brechts, dem eine der
Produktionen – FATZER/MATERIAL (1926-30) – gewidmet ist. Dazu gesellt sich das wenig früher entstandene,
heute überraschend zeitgemäß wirkende Antikriegsstück MANN IST MANN (1924-26), in dem der Packer Galy
Gay, der ausgeht um Fisch für seine Frau zu kaufen, sich jedoch unterwegs in Abenteuer verstrickt und von
Soldaten der Britischen Armee zu einer Kampfmaschine umgebaut wird.
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Das wegen politischer Botschaften als kontroversiell kritisierte Brechtsche Lehrstück wird im Zuge des
Jahresprojekts eingehend studiert und in den Workshops und Stückwerkstätten diskutiert. Aus der Distanz von
knapp 100 Jahren sind viele der propagandistischen Inhalte zweitranging geworden, übrig bleibt ein spannendes
Theaterformat, das sich eignet, um mit KünstlerInnen und Laien neue theatrale Arbeitsweisen und ästhetische
Formen spielerisch zu erproben. Das gilt auch für MigrantInnen, die oft der deutschen Sprache noch wenig kundig
sind und aus Kulturkreisen ohne vergleichbare Kunst- und Theatertraditionen stammen.
Brecht entwickelte um 1930 in Zusammenarbeit mit den Musikern Kurt Weill, Paul Hindemith, Paul
Dessau und Hanns Eisler das avantgardistische Konzept der Lehrstücke, um aus dem klassischen Theater und
seinen Institutionen auszubrechen. Bewusst einfach in Struktur und Sprache gehalten, wendeten sich die
Lehrstücke vor allem an Laien, die sich durch eigenes Spiel oder Beteiligung an Aufführungen aktiv mit Problemen
der Zeit auseinandersetzten. Als „Schulopern“ verfolgten sie reformpädagogische Ziele – das gemeinsame
Musizieren und Spielen sollte Gemeinschaftserlebnisse und musikalische Schulung mit Unterhaltung verbinden.
Die experimentelle Form des „Lehrstücks“ sollte die Trennung von Musikern, Sängern und Zuschauern aufheben.
Während Laien die Stücke spielen, sollten die Zuschauer im Stil des epischen Theaters mitdenken und urteilen
lernen. Trotz Klarheit und Strenge des Konzepts waren Kreativität und Improvisationen der Darsteller erwünscht,
Diskussionen mit Laiendarstellern und Publikum spielten eine wichtige Rolle.
Thematisch beschäftigen sich die Lehrstücke mit dem Gegensatz zwischen Individuum und Gemeinschaft, häufig
dargestellt in Form von Reisen, auf denen das Individuum mit den Ansprüchen eines Kollektivs oder den Zwängen
von Natur und Gesellschaft konfrontiert wird. Aufgrund von Brechts Weiterentwicklung der Texte nach
Aufführungen und Kritiken bestehen für einige der von Brecht überarbeiteten Texte keine Vertonungen mehr.
Musikalische Realisierungen müssen meist auf die erste Version zurückgreifen oder neue Partituren erarbeiten.
An der Schnittstelle von „Transformance“ und Bertolt Brechts Ansatz für das Lehrstück trifft sich die Absicht
unseres Projekts, ein langfristiges Theaterexperiment mit 4 Brecht-Stücken in 4 ausgewählten Gemeindehöfen
Wiens zu entwickeln, u.a. um die sozio-politischen Zielen der Wiener Sozialdemokratie zu fokussieren, die dort
verlorenes Terrain wiedergewinnen will. Seit den Tagen des Fo-Theaters (s. oben) hat es in den Gemeindebauten
kein nachhaltiges Theaterprojekt mehr gegeben. Es erscheint wichtig, aus dessen Errungenschaften wie auch
Fehlern zu lernen, z.B. dass Kunst/Theater nicht von außen importiert werden sollte, sondern dass es gilt, eigene
Projekte mit den Menschen vor Ort zu erarbeiten. Zu diesem Zwecke soll mit dem „Café CENTRAL“ ein zentral
gelegener Arbeits- und Begegnungsraum eingerichtet werden, der als Probe- und Diskussionsstätte dient. Zudem
werden im Umfeld der Gemeinehöfe ansässige Jugendliche, Schüler und Zielgruppen der Bezirke einbezogen.
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FATZER/MATERIAL 1926-1978 [Bühnenfassung von Heiner Müller]
Fatzerdokument 10
Projektion: Brecht
Zerstörung des Zimmers
Der Zeit
Das Ganze, da ja unmöglich
Einfach zerschmeißen
für Experiment – ohne Realität
Zur Selbstverständigung
Alles, was heute gedacht wird, ist
Nur, damit gut erscheine, was alles gemacht
Wird! Alles, was heute gemacht wird, ist falsch, also ist
Alles, was
Heute gedacht
Wird, falsch
Der Zweck, wofür eine Arbeit gemacht wird, ist nicht
Mit jenem Zweck
Identisch, zu dem sie verwertet wird
Die Erkenntnis kann an einem anderen Ort gebraucht
Werden, als so sie gefunden wurde.
- Bertolt Brecht, Fatzer-Material 1978, Suhrkamp 1994, S.93.
Fotos Archiv FLEISCHEREI © M. Babapatl, M. Rahmann, R. Görnet, AUF ACHSE 2010-12, AUFSTAND DES GEWISSENS,
J. Ziegler E. Brenner, J. Simanowitz, M. Carter 2013
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Excursus 2:
Das „rote Wien“
Aber nicht nur ihren Gott, auch ihre Erde schaffen sich die Menschen nach ihrem Ebenbilde
Der Mensch versteht immer nur sich selbst; nach der Analogie seiner Tätigkeit,
seiner Arbeit, seiner Erlebnisse sucht er sich alles begreiflich zu machen, was er beobachtet.
Darum verändern sich mit seinen Lebensbedingungen
auch seine Vorstellungen von der Natur. - Otto Bauer
„Rotes Wien“ wird die österreichische Hauptstadt Wien in der Zeit von 1918 bis 1934 genannt, als die
Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) bei den Wahlen zu Landtag und Gemeinderat wiederholt die absolute
Mehrheit erreichte. Tatsächlich war Wien zu diesem Zeitpunkt die einzige von Sozialdemokraten regierte
Millionenstadt der Welt. Die sozialdemokratische Kommunalpolitik dieser Jahre war geprägt von umfassenden
sozialen Wohnbauprojekten und von einer Finanzpolitik, die neben dem Wohnbau auch umfangreiche Reformen
in der Sozial-, Gesundheits- und Bildungspolitik unterstützte. Die Sozialdemokratie bildete durch ihre Stellung in
Wien einen Machtfaktor, der einen Gegenpol zur Politik der Christlich-Sozialen Partei (CS) darstellte, die damals in
den anderen Bundesländern und auf Bundesebene regierte. Das „Rote Wien“ endete 1934, als Bürgermeister Karl
Seitz in Folge des österreichischen Bürgerkrieges seines Amtes enthoben und verhaftet wurde und die aus der CS
hervorgegangene Vaterländische Front (VF) auch in Wien die Macht übernahm.
Die Theorie des Austromarxismus
Die Vertreter des Roten Wien verfochten den Standpunkt der proletarischen Revolution und wollten die Ideen
von Marx auf alle politischen und wirtschaftlichen Erscheinungen anwenden. Die Entwicklung des
AUSTROMARXISMUS hing mit dem 1904 erschienenen 1. Band der "Blätter zur Theorie und Politik des wiss.
Sozialismus", den von M. Adler und R. Hilferding herausgegebenen "Marxstudien" und der Monatsschrift "Der
Kampf" (1907ff.) zusammen. Nach 1917 (russische Revolution) suchte der AUSTROMARXISMUS zwischen der II.
(Sozialist.) und der III. (Kommunist.) Internationale zu vermitteln, rückte aber später angesichts der Erfahrungen
in der Sowjetunion vom Bolschewismus ab. Austromarxismus ist die Bezeichnung der österreichischen Schule des
(Neu-) Marxismus, die nach 1900 entstanden ist. Prominente Vertreten waren die Theoretiker Max Adler, Rudolf
Hilferding, Karl Renner, Gustav Eckstein, Friedrich Adler und vor allem Otto Bauer, die den äußersten linken Flügel
in der Sozialistischen Internationale darstellten. Diese spezifische Ausprägung der theoretischen Anschauungen
unterschied die SDAP und deren Wirken zur Zeit des Roten Wien von den anderen Sozialdemokratischen Parteien.
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Gesellschaftliche Bedingungen und politische Errungenschaften
Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zusammenbruch der Donaumonarchie wurde in Österreich die Republik
ausgerufen. Beamte kehrten zu Tausenden in ihre Heimatländer zurück, Flüchtlinge aus dem zeitweise russisch
besetzten Galizien und ehemalige Soldaten der k.u.k. Armee kamen zumindest vorübergehend nach Wien. Die
neuen Staats- und Zollgrenzen zur Tschechoslowakei und Ungarn, woher Wien bis dahin versorgt worden war,
machten Lebensmittellieferungen nach Wien schwierig. Dazu kam die kriegsbedingte Hyperinflation, der erst
1925 die Währungsreform von der Krone zum Schilling folgte. In den überfüllten Mietwohnungen und
Notunterkünften mit spärlichen sanitären Einrichtungen grassierten Krankheiten wie Tuberkulose („Wiener
Krankheit“), spanische Grippe und Syphilis. Zur extremen Wohnungsnot kam die hohe Zahl der Arbeitslosen. Der
tristen materiellen Ausgangslage standen beachtliche intellektuelle Ressourcen gegenüber. Der später
weltbekannte Sigmund Freud, Arthur Schnitzler, Karl Kraus, Friedrich Torberg und viele andere Wissenschaftler,
Künstler, Publizisten und Architekten, die in Wien lebten, standen der Aufbauarbeit der sozialdemokratischen
Stadtverwaltung positiv gegenüber.
Die Bundespolitik der Rot-Schwarzen Koalition 1918–1920 brachte bereits sieben Tage nach dem Ausruf der
Republik den gesetzlich verankerten Achtstundentag und in der Folge die Arbeitslosenversicherung. Auch die
Arbeiterkammer, als gesetzliche Interessenvertretung der Arbeiter und Angestellten, entstand zu dieser Zeit. Die
Wiener Sozialdemokraten führten per Landesgesetz neue Abgaben ein, die zusätzlich zu den Bundessteuern
erhoben wurden. Luxus wurde speziell besteuert. Die neue Wohnbausteuer war ebenfalls progressiv ausgestaltet.
Die städtische Sozial- und Gesundheitspolitik wurde durch günstige Leistungen der städtischen Gas- und
Elektrizitätswerke und der Müllabfuhr verbessert. Zur Erleichterung der Berufstätigkeit der Mütter und um der
Verwahrlosung von Kindern auf der Straße vorzubeugen, wurden Horte, Kindergärten und Kinderfreibäder
eingerichtet. Die medizinische Versorgung der Bevölkerung war kostenlos. Es gab Angebote für Kuraufenthalte
und Ferienkolonien sowie öffentliche Bäder und Sportanlagen zur Körperertüchtigung. Trotz eingeschränkter
Kompetenzen, da Bildung Sache des Bundes war, begann Wien mit einer Schulreform. Otto Glöckel (von 1919 bis
1920 sozialdemokratischer Unterrichtsminister in Österreich), wurde als Leiter des Wiener Stadtschulrates ihre
treibende Kraft. Die Bildungsreform profitierte davon, dass das Wien Sigmund Freuds und Alfred Adlers eine
Hochburg der noch jungen Tiefenpsychologie war. Am „Schaltbrett der Erziehung“, in der Lehrerausbildung, in der
Elternberatung usw. wirkten vor allem individualpsychologisch ausgebildete Lehrer, Ärzte und Sozialarbeiter.
Neue Formen der Schulorganisation (Arbeitsschule), der Schülermitbestimmung und der Erwachsenenbildung
wurden erprobt; der kostenlose Schulbesuch und Stipendien sollten allen Schichten gleiche Bildungschancen
eröffnen, das Volk für die Demokratie schulen.
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Der Gemeindebau
Aufgrund der extremen Wohnungsnot wurde die Schaffung von neuen Wohnungen das wichtigste Ziel der
Sozialdemokraten. Aufgrund des noch in der Endphase des Ersten Weltkriegs eingeführten Mieterschutzes und
der nominell eingefrorenen, durch die Inflation entwerteten Mieten, war der vor 1914 dominierende private
Mietwohnungsbau zum Erliegen gekommen. Die Wohnbausteuer diente nun dazu, den Wohnungsbau seitens der
Gemeinde wieder anzukurbeln. Durch diese Maßnahmen wurden die niederen Einkommen entlastet und die
höheren belastet. Mangels Nachfrage von privater Seite waren Bauland und Baukosten für die Gemeinde günstig.
Von 1925 bis 1934 entstanden über 60.000 Wohnungen in Gemeindebauten.
Wohnen war ab sofort mehr als bloße Behausung: der „Gemeindebau“ verstand sich als räumlich konzentrierter
Ausdruck eines „neuen Menschen“ in einer neuen Gesellschaft mit breiten Angeboten an Infrastruktur sowie
Bildung und Gesundheit. Die Architektur wurde zum Träger dieser sozialen Utopie. Neben den zahlreichen
Gemeinschaftseinrichtungen und dem „Hof“ als zentralem Kommunikationsbereich sollte insbesondere auch die
ästhetische Gestaltung und architektonische Qualität den Anspruch auf gesellschaftlichen Fortschritt aufzeigen.
Die über das gesamte Wiener Stadtgebiet verteilten Bauten wurden zum Symbol der Stärke und dokumentieren
mit ihren Namensbezeichnungen (Marx-, Engels-, Adler-, Bebel-, Liebknecht-, Matteotti-Hof etc.) das Recht auf
Geschichte der Arbeiterklasse. Zum symbolträchtigsten Bau des Roten Wien wurde der Karl Marx-Hof (1930) in
Heiligenstadt, geplant vom Otto Wagner-Schüler und Beamten des Wiener Stadtbauamtes, Karl Ehn (1884 -1959).
Andere berühmte Beispiele sind der Jakob Reumann-Hof, der Karl-Seitz-Hof oder der George-Washington-Hof.
Die Wohnungen wurden nach einem Punktesystem vergeben, Familien oder Personen mit einem Handicap
erhielten Pluspunkte. Die neuen Wohnungen wurden zu 40 Prozent aus dem Ertrag der im Land Wien
eingeführten Wohnbausteuer und der Rest durch die Wiener Luxussteuer und Bundesgelder finanziert.
Arbeiteraufstand am 12. Februar 1934, zerschossener Gemeindebau in Wien Floridsdorf,
Kapitulation der letzten sozialistischen "Schutzbund"-Kämpfer.
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Die Kunst des Roten Wien: Architektur, Musik, Theater
Durch die Kriegsfolgen war die neue Regierung mit einer Reihe von Problemen – Lebensmittelengpässe, starke
Inflation, hohe Arbeitslosigkeit und grassierenden Krankheiten in überfüllten Quartieren – konfrontiert. Diese
Situation prägte die Kunst und insbesondere die Architektur: Der starke Wohnungsmangel und die Einstellung,
dass ähnliche soziale Gegebenheiten für jede/n BürgerIn geschaffen werden sollten, führte zum Bau von 382
Gemeindebauten, die von insgesamt 199 verschiedenen Architekten geplant wurden. Bis etwa 1922 wurden die
meisten Bauten vom Stadtbauamt entworfen, wo mehrere Otto Wagner-Schüler tätig waren. Später wurden
zunehmend auch freie Architekten beschäftigt. Durch diese Vielfalt sind wesentliche Stilrichtungen der damaligen
Epoche, wie etwa Historismus, Neoklassizismus, Wiener Sezessionismus, Jugendstil, "Neue Sachlichkeit" und
Konstruktivismus, zu erkennen. Prägende Merkmale waren gemeinschaftliche Sozialeinrichtungen, Waschküchen,
Badehäuser, Kindergärten, Lebensmittelgeschäfte, Bildungseinrichtungen, Fürsorge- und Gesundheitseinrichtungen, Arztpraxen etc., die eine eigene, autarke Infrastruktur bildeten. Durch die gravierenden
Veränderungen im Land konnten nun auch Frauen andere gesellschaftliche Positionen erreichen (z. B. die mit
ihrer „Frankfurter Küche“ bekannt gewordenen Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky, 1897 -2000).
Andere Kunstbereiche wie Theater oder Musik verzeichneten keine so große Vielfalt. Sie sollte den Kreativität und
Zusammenhang im Volk stärken und neuen Mut machen, dass die Probleme der Nachkriegszeit mit genügend
Fleiß und Arbeit zu bewältigen sein. Das wohl bedeutendste musikalische Werk dieser Zeit ist daher das „Lied der
Arbeit“. 1867 von Josef Zapf geschrieben und im Folgejahr von Josef Scheu mit Musik unterlegt, gilt es heute als
eines der bekanntesten deutschsprachigen Arbeiterlieder und als Hymne der österreichischen Sozialdemokratie.
Im Theaterbereich ist insbesondere das Arbeitertheater hervorzuheben, das einen bedeutenden Teil der
sozialistischen Fest- und Feierkultur gestaltete und sich seit den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts entwickelte.
1906 gründete der linke Publizist und Redakteur der Arbeiter-Zeitung, Stefan Großmann, mit
Unterstützung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei die "Freie Wiener Volksbühne"; ein Theaterverein ohne
festes Haus, dessen Ziel es war, der Arbeiterschaft den Zugang zu den Werken der deutschen Klassik und der
zeitgenössischen Moderne zu erschließen. Unter Großmanns Leitung genoss die Bühne bald großes Ansehen,
1910 zählte die Volksbühne bereits über 30.000 AbonnentInnen. 1932 wurden diverse Arbeiter- und
Bauerntheatergruppen zu den „Roten Spielern“ zusammengeschlossen, es erschien die Zeitschrift "Die politische
Bühne" als deren offizielles Organ. Zu ihren Autoren gehörte unter anderem auch Jura Soyfer (1912-1939).
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Nach 1945...
Während 1934 ein Zehntel der Wiener Bevölkerung in Gemeindebauten lebte, erreichte nach dem Krieg der
Wiederaufbau nur in seltenen Fällen die städtebaulichen und architektonischen Qualitäten der 20er und 30erJahre. Diese sollten erst später wieder entdeckt werden, als eine neue Architektengeneration Alternativen zu
einer als gesichtslos empfundenen Moderne suchte. Sie fand sie bei den Gemeindebauten des Roten Wien und
besonders bei den Otto Wagner-Schülern. Heute werden diese unter Denkmalschutz stehenden Bauten
aufwändig saniert und bilden innerhalb des kommunalen Wohnungsbestands einen architektonischen und
kulturpolitischen Höhepunkt. Die Versorgung mit leistbaren und qualitätsvollen Wohnungen ist eines der
wichtigsten Anliegen der Stadt Wien. Heute zählen zum sozialen Wohnbau rund 220.000 Gemeindewohnungen
und 200.000 geförderte Miet- und Eigentumswohnungen von gemeinnützigen und gewerblichen Bauträgern. Die
Stadt Wien achtet besonders auf die umfassende Qualität der geförderten Bauten. Ökonomische und ökologische
Eigenschaften sind gleichbedeutend mit architektonischen. Pilot-Projekte wie die autofreie Mustersiedlung,
Frauenwerkstatt I und II, Integrationsprojekte und Passivhäuser steigern die Qualität weiter. Durchschnittlich
entstehen so pro Jahr rund 5.500 neue Wohnungen.
In einer „globalisierten“ Welt und nach den totalitärem Schreckensregimen in Europa ist es, im weltweitem
Maßstab gesehen, erforderlich, aus Erfahrungen vielfachen Scheiterns sozialistischer,
kommunistischer, christlicher und humanistischer Ansprüche Lehren zu ziehen. [...]
Die Gegenwart ist charakterisiert durch andauernde und verschärfte Probleme sowie durch mangelnde
Bereitschaft, diese mittels tief greifender Reformen zu lösen. Damit weist sie deutliche Parallelen zur
Zwischenkriegszeit auf. Der heute weit verbreitete ökonomische Spielraum macht dieses Versagen, oder besser:
diesen Mangel an Bereitschaft noch skandalöser. [...] Jene, die zumeist unkritisch den Mund zu Gunsten der
Globalisierung vollnehmen, sind häufig auch jene, die ihre Mitverantwortung für negative Folgen dieses
ungebremsten Prozesses [der Kapitalisierung] zurückweisen. Die Überwindung wohlstandschauvinistischer,
biedermeierlicher Denk- und Verhaltensmuster (z.B. die Überbetonung eigener Luxusbedürfnisse oder einer
gesellschaftlich abgeschotteten Welt spezialisierter Hobbies) könnte angesichts dauerhafter Arbeitslosigkeit und
gesellschaftlicher Spaltungstendenzen Auswege aus der Sackgasse weisen.
Zugleich dient soziales Engagement der Überwindung allgegenwärtiger Sinnkrisen.
– Peter Kreisky, aus: „FÜR EIN BESSERES ÖSTERREICH IN EINEM BESSEREN EUROPA (Irene Harand und was man
von ihr lernen könnte)“, in: 100 Vorschläge für ein besseres Österreich, Ephelant Verlag 2006, S. 115-140
Diverse Ansichten eines Gemeindehofes
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PROJEKTSTRUKTUR / ARBEITSFORMATE
„„ZZw
wiisscchheenn nnoocchh nniicchhtt uunndd sscchhoonn nniicchhtt m
meehhrr “
Wer noch lebt, sage nicht: niemals!
Das Sichere ist nicht sicher.
So, wie es ist, bleibt es nicht.
Wenn die Herrschenden gesprochen haben
Werden die Beherrschten sprechen.
Wer wagt zu sagen: niemals?
An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns.
An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird? Ebenfalls an uns.
- Bertolt Brecht, Lob der Dialektik (1932)
Fotos © Archiv FLEISCHEREI, Straßentheater AUF ACHSE 2010
o.: J. Soyfer Projekt 2011, Was draußen lag, war Fremde!
AUF ACHSE 2011, Karmelitermarkt, Koproduktion Aktionsradius
Prämissen
„„ZZw
wiisscchheenn nnoocchh nniicchhtt uunndd sscchhoonn nniicchhtt m
meehhrr “ ist ein interkulturelles interdisziplinäres Kulturprojekt,
dass bewusst an der städtischen Peripherie von Wien angesiedelt ist und sich mit Methoden des Experimentellen
Theaters, der site-spezifischen Performance, der Social Art und der interkulturellen Begegnung mit Problemen,
Wünschen, Ängsten und Hoffnungen der heutigen BewohnerInnen in Wiens Gemeindehöfen beschäftigt, und
zwar in aktiver Auseinandersetzung mit der Zeit des Roten Wien – also den revolutionären Umbrüchen der 20er
und 30er Jahre des 20. Jahrhundert. Sowohl seine Siege als auch Niederlagen, die Errungenschaften wie die
Verwerfungen sollen untersucht und dargestellt werden. Im Zentrum stehen Inszenierungen von vier berühmten
Brecht-Stücken, Stückwerkstätten, Workshops, Diskussionen und soziotheatrale Feste mit Künstlern und Laien
in vier Wiener Gemeindehöfen, die sich mit den Umbrüchen der Epoche des Autors genauso wie den
Konzept „Zwischen noch nicht und schon nicht mehr“: 4 Jahre BRECHT im GEMEINDEBAU 2018-21
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Krisen unserer Zeit befassen: Finanz- und Wirtschaftkrise, Arbeitslosigkeit, Migration und Massenbewegungen,
soziale Utopien und die Dichotomie Individuum und Masse. Diese setzten sich ebenfalls auseinander mit der
Arbeiterbewegung und ihrer Verbürgerlichung sowie – zeittypisch von Brecht behandelt – konkreten Utopien und
dem Scheitern des bisher bekannten Sozialismus. Alle an dem Projekt Beteiligten sind gleichberechtigt involviert.
Die „Hauptstücke“ von Bertolt Brecht umfassen vier wichtige Themen seines Werkes, die wieder an Aktualität
gewonnen haben: Krieg und Anti-Kriegsdemonstration (MUTTER COURAGE), Revolution versus Reform
(TROMMELN IN DER NACHT), die Dichotomie Individuum und Masse (FATZER) und Radikalisierung der Jugend
(MANN IST MANN). Diese Stücke sollen auf zentrale Szenen und Positionen gekürzt als sog. „DIALOGE“ in den
ausgewählten Gemeindehöfen über ein Jahr hinweg erarbeitet werden, mit Proben von ca. 2-3 Monaten, an
denen Profi-SchauspielerInnen des Kernteams, Gäste, Laien und Gemeindehof-BewohnerInnen teilnehmen.
Diese Hauptstücke sind ihrerseits eingebettet in vier Ein-Jahresprojekte und über themenorientierte Workshops,
Diskussionen und Stückwerkstätten von breiter Reflexion und Kritik durchzogen, die anhand soziotheatraler
Events (Straßentheater, Cabaret, Kleinkunstprojekte) erweitert werden. Das Rote Wien stellt dabei einen breiten
Bezugsrahmen dar, der weit über die Wiener und österreichischen Grenzen wirksam ist, unsere Geschichte,
Politik und Kulturbewegung des sozialen Aufbruchs nach dem 1. Weltkrieg prägt und unbestreitbar die
Glanzperiode der österreichischen Sozialdemokratie darstellt, die bis heute unser Zusammenleben bestimmt:
soziale Wohlfahrt „von der Wiege bis zur Bahre“, das Recht auf Arbeit, leistbares Wohnen und Gesundheitswesen
für alle Altersgruppen, freier Schul- und Universitätszugang, aktive Gemeinwesen-Arbeit und Kultur für alle!
Ein 4-Jahresprojekt als „Work-in-Progress"
Den Zielsetzungen von „„ZZw
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meehhrr“ gemäß handelt es sich um ein
Work-in-progress Projekt, das sich gegen stagnierende Theaterformen genauso wendet wie gegen rechtspolitische Strömungen, indem eine neue Community geschaffen werden soll, die ihre Arbeitsergebnisse im Lauf
des Prozesses verifizierbar macht. Da kaum Vorbilder für diese Arbeit existieren, geht es darum, der
Zusammensetzung und kulturellen Vielfalt der „neuen Arbeiterklasse/n“ bzw. des neuen „Proletariats“ im
Gemeindehof Wiens, das als multikulturelle Community gefasst werden muss, Rechnung zu tragen. Diese
Community setzt sich aus Menschen verschiedenster Herkunft und Bildungsschichten zusammen und diese soll
ohne Romantisierung und 60er-Jahre Nostalgie im Projekt künstlerischen Ausdruck finden. Das Projekt stützt sich
auf Menschen, die oft jegliche Hoffnung in traditionelle Politik verloren haben und sich von existierenden
Parteien und Körperschaften verlassen fühlen. Dem gegenüber soll mit positiven Perspektiven reagiert werden
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und für ein gedeihliches Zusammenleben in den Gemeindehöfen mit kreativen Neu-Entwürfen für die Zukunft
reagiert werden. Hier sind insbesondere MigrantInnen und AsylwerberInnen einzubeziehen, die unter
verschärften Ausländergesetzgebungen und einer wachsenden Xenophobie leiden, deren Integration unter dem
Druck rechts-populistischer Parteien und Kräfte behindert und dem von Seiten der Stadt Wien zu spät
entgegengesteuert wurde. Aus diesen Gründen sind in vielen Bezirken Wiens, auch in Gemeindehöfen sog.
„Parallelgesellschaften“ entstanden, die den kulturellen Austausch und die Begegnung der Menschen
erschweren! Auch diesem Mangel – von Sprachbarrieren bis Bildungsferne – ist entgegen zu wirken, genauso wie
dem allgemeinen politischen Trend nach „Rechts“ und dem Abrutschen vieler Jugendlicher – selbst „AusländerInnen“ – ins Umfeld rechter Strömungen. Das Programm eines Jahres wird ergänzt vom Straßentheater AUF
ACHSE mit anschließendem, multikulturellem DORFPLATZ-Fest rund um einen benachbarten Markt der
Gemeindehöfe, ergänzt von Workshops und Dialogen im Bezirk, in Schulen, VHS und div. Kultureinrichtungen.
Aktionsorte
Site-spezifische Orte und „Spielräume“ des Projektzyklus sind vier Gemeindehöfe in vier Wiener Bezirken, die
unterschiedlicher nicht sein könnten: 1. Karl Wrba-Hof, 2. Matteotti-Hof, 3. Karl-Marx-Hof, 4. Goethe-Hof. Dies
stellt ein möglichst ausgewogenes Verhältnis von zentral und peripher gelegenen Höfen dar, um eine breit
Gruppe von Mitwirkenden und ein diversitäres Publikum zu erreichen. Das gilt besonders für soziotheatrale
Arbeitsformate (Straßentheater, Workshops, Kleinkunst), wofür speziell Jugendliche, Asylwerber und Laien aus
den Gemeindehöfen und ihrem Umfeld eingeladen werden sollen, aktiv and dem Projekt teilzunehmen.
Dazu kommen Orte in Schulen, Vereinslokalen und Gemeindezentren des umliegenden Bezirks innerhalb und
außerhalb der Gürtellinie, die nach wie vor eine Trennlinie der sozialen Schichten und Kulturen bedeutet. In den
Gemeindehöfen wird eine professionelle soziotheatrale und integrative Kulturarbeit mit divergenten Zielgruppen
etabliert, wobei über Wiener Wohnpartner sowie Gebietsbetreuungen, über bereits bestehende Kontakte in den
Bezirksvorstehungen und lokale Kulturvereine die wesentlichen Beziehungsstrukturen mit den Zielgruppen
aufgebaut werden: Jugendlichen, AslywerberInnen, Arbeitslose, PensionistInnen, Frauen.
Angewandte Arbeitsmethoden entstammen dem internationalen Kanon experimentellen Theaters, des TdU
(Theater der Unterdrückten), der Performance Kunst und sozio-kulturelle Vermittlungsmodelle bzw. pädagogischkünstlerische Umsetzungsformen, die speziell in den „Stückwerkstätten “ zum Tragen kommen: Parallel zur
Erarbeitung des Hauptstückes sollen von Zielgruppen wie Jugendlichen und AsylwerberInnen Kurzstücke neu
erstellt werden, die zeitgenössische Sichtweisen und Problemstellungen zu Themen des Jahresprojekts
fokussieren und dramatische Texte/szenische Collagen schaffen.
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Ausgehend vom Signature-Projekt AUF ACHSE (2009-2012) und auf Basis zuletzt erarbeiteter Projektzyklen wie
die Performance nach der Studie Die Arbeitslosen von Marienthal (1933), „Wir sind alle MARITENTHAL“
(2015/2016) , wendet sich das Team der FLEISCHEREI_mobil einer nachhaltig angelegte soziotheatralen
Prozessarbeit in Wiener Gemeindehöfen zu, das vorerst auf vier Jahre terminisiert vier Gemeindehöfe in vier
ausgewählten Bezirken Wiens bespielt– sowohl innerhalb als auch außerhalb der berühmten gläsernen Grenze
der Gürtellinie. Zentral ist das Ziel, das direkte Umfeld der Gemeindehöfe und ihre interkulturelleren
BewohnerInnen aktiv in die dezentrale Theaterarbeit einzubeziehen, wobei primäre Kooperationspartner neben
den Wohnpartnern auch Gebietsbetreuungen, Schule und bereits vorhandene Kulturpartnerschaften sind.
Fotos © R. Picha, J. Soyfer-Performance 2011-2013, AUF ACHSE 2011-15, Wir sind alle MARIENTHAL! 2015
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Arbeitsformate des Projekts
1. HAUPTPROJEKTE:
2018: DIALOG mit MANN IST MANN, Karl-Wrba-Hof, 10. Bezirk
2019: DIALOG mit MUTTER COURAGE, Matteotti-Hof, 5. Bezirk
2020: DIALOG mit FATZER/Der Untergang des Egoisten Fatzer, Karl-Marx-Hof, 19. Bezirk
2021: DIALOG mit TROMMELN IN DER NACHT, Goethe-Hof/WERKL, 22. Bezirk
BRECHT IM GEMEINDEBAU – Inszenierungsansatz
Die Hauptstücke werden jeweils am Ende des Jahres mit Profi-Ensemble und Laien aus den Gemeindehöfen
aufgeführt, wobei jedes Brecht-Stück als DIALOG konzipiert ist, um ein diskursiv-theatrales Spiel zwischen
AktuerInnen und Publikum herzustellen. Dabei leitet ein Spieleiter nach ca. 15-20 Minuten Spieldauer einen Bruch
ein und initiiert den Dialog über die Hauptthemen des Stückes, der in Variation des Forum Theater-Modells von
(„Theater der Unterdrückten“) en direkten Austausch zwischen AkteurInnen und Publikum herausfordert: SzenenAusschnitten aus den Brecht-Stücken werden Fragen und Kommentare des Publikums gegenübergesetzt, Laien
(Volontäre) sind eingeladen, an Endproben teilnehmen, in Stückwerkstätten ihre Dialogtexte gemeinsam mit der
Dramaturgie zu skripten, sodass die Hauptlinien der Argumentationen vorab erarbeitet sind.
Das Hauptstück wird jeweils in der letzten Jahresshälfte präsentiert und fasst die Ergebnisse der diversen
Arbeitsmodule inszenatorisch und inhaltlich zusammen. Die Brecht-Stücke, zumeist für größere Ensembles
verfasst, werden substantiell gekürzt und auf die Hauptszenen konzentriert mit maximal 5-8 DarstellerInnen.
Dazu kommt jeweils ein „Chor der Laien“, der sich aus den oben beschriebenen Gruppen aus den Gemeindehöfen
und Umgebung zusammensetzt. Die chorische Basisarbeit wird eingebaut in Workshops, die im jeweiligen Jahr
geplant sind. Die Auswahl der Stücke folgt aktuellen Debatten im gesellschaftspolitischen Kontext – mit dem
vorrangigen Ziel, den besorgniserregenden Rechtsrück in der österreichischen Gesellschaft zu reflektieren.
Fotos © R. Picha, Wir sind alle MARIENTHAL! 2015, Laienchor, J. Soyfer Projekt 2014
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„Transformance“ als verändernde Theaterpraxis im Gemeindehof
Neben den Hauptstücken, die am Ende jedes Jahres in einem offen Raum des Gemeindehofes oder im Freien
öffentlich gezeigt werden, wird jährlich ein neues Performance-Stück auf Basis der im Stück angesprochenen
Hauptthemen figurieren, das in den STÜCKWERKSTÄTTEN entsteht, auf brisante aktuelle Zeitprobleme bezogen
und angereichert mit den Erfahrungen der Gemeindehof-BewohnerInnen sein wird. So stehen die neuen
Anforderungen unserer Zeit – vorab die Flüchtlingsthematik, aber auch Ängste um die Zukunft, Arbeitslosigkeit
und Verlust von Demokratie – im Mittelpunkt, um im kreativen Arbeitsprozess ein gemeinsames Lernen zu
ermöglichen, sei es anhand eines literarischen Textes, in einem Workshop, Straßentheater oder Fest.
Menschen verschiedener Kulturen und Altersgruppen soll eine kreative und diskursive Plattform der Begegnung,
des Austausches und gemeinsamen Spiels geboten werden, wobei die FLEISCHEREI_mobil auf über 10 Jahre
Erfahrungen mit soziotheatralen Experimenten zurückblicken kann, die hier einzubringen sind. Dieses breite
Know-how wird ergänzt von einem eigens zusammengestellten Beratungsteam renommierter PolitologInnen,
SoziologInneen, KulturwissenschaftlerInnen und PädagogInnen in Kooperation mit sozialen und kulturellen
Organisationen ähnlicher Prägung (SOHO-in-OTTARKING, Asyl in Not, Verein Ute Bock oder Aktionsradius Wien).
Diese Methoden und Vorgehensweisen beziehen sich zurück auf historische Erfahrungen des „Roten Wien“, die
im Projekt „„ZZw
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meehhrr “ auf lustvolle, interaktive Weise und für ältere
wie jüngere österreichische und migrantische MitbürgerInnen neu erlebbar werden sollen. Die Einzelteile des
Projekts sind direkt auf die Bedürfnisse der Menschen in den Gemeindehöfen und Bezirken zugeschnitten, in der
Bemühung, diese zur praktischen Partizipation zu aktivieren. Ihre Stoffe sollen im Austausch mit historischen
Texten (wie die Kernthemen von Brecht) entwickelt und zur Darstellung gebracht werden. Der integrative
Arbeitsprozess spiegelt die Vielfalt dieser Absichten und stellt eine Serie von aufeinander aufbauenden
Arbeitsphasen vor, wobei historische wie aktuelle Themen genau recherchiert werden, um sie danach mit
Methoden interaktiver Workshops, Formen des Erzähltheaters, des „Theaters der Unterdrückten“, des Social
Design und der kollektiven Gestaltung von Performances umzusetzen. Zu je einem Hauptstück pro Jahr, das über
eine Zeit von 2-3 Monaten entwickelt wird, kommen lokale Ausstellungen, Konzerte, Cabaret-Performances und
Gemeindebau-Feste und Feiern nach dem „Transformance“-Modell, einer von der FLEISCHEREI_mobil seit 2001
in Entwicklung befindliches neues Genre an Schnittstellen zwischen theatralem Spiel und sozialer Aktion, das von
Eva Brenner seither in zahlreichen, Vorträgen, Workshops Publikationen und auf Symposien diskutiert wird.
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1. 2018: DIALOG mit MANN IST MANN (1926), Karl-Wrba-Hof, 10. Bezirk
Aber Herr Bertolt Brecht beweist auch dann
Daß man mit einem Menschen beliebig viel machen
kann.
Hier wird heute Abend ein Mensch wie ein Auto
ummontiert.
- Bertolt Brecht, Werke, Große kommentierte Berliner und
Frankfurter Ausgabe, Werner Hecht, Jan Knopf, Werner
Mittenzwei, Klaus-Detlef Müller (Hrsg.): Berlin und
Weimar (Aufbau-Verlag), Frankfurt/Main
(Suhrkamp Verlag) 1988, S. 123
In diesem „Zwischenspruch“ erklärt die Darstellerin der Leokadja Begbick „neben dem Bildnis des Herrn Bertolt
Brecht“ die Absicht des Stücks.
Mann ist Mann ist ein Lustspiel , das 1926 mit dem Untertitel „Die Verwandlung des Packers Galy Gay in den
Militärbaracken von Kilkoa im Jahre neunzehnhundert-fünfundzwanzig“ parallel in Darmstadt und Düsseldorf
uraufgeführt wurde. Es existieren verschiedene Fassungen und Vertonungen. Als Parabelstück schildert es die
Verwandlung der Hauptfigur, des einfachen Packers Galy Gay, in einen Soldaten. Thema ist die Austauschbarkeit
menschlicher Identitäten. In einer langen Kette von Verwicklungen wird deutlich, dass menschliche Identität erst
durch den sozialen Kontext, in Bezug auf andere Menschen definierbar wird. Auch Sergeant Charles Fairchild,
genannt Blutiger Fünfer, lässt sich aus erotischen Gründen auf einen Identitätswechsel ein, ist darüber aber so
entsetzt, dass er sich heimlich kastriert, um nicht noch einmal seine Identität als knallharter Sergeant aufs Spiel zu
setzen. Bis auf die Witwe Begbick durchlaufen alle Personen des Stücks Identitätswechsel. Das Stück zeigt die
Verluste der Individualität ironisch gebrochen. Erste Elemente des später von Brecht entwickelten
Theaterkonzepts werden sichtbar, wenn sich die Darsteller ans Publikum wenden, Songs die Handlung unterbrechen
oder der halbhohe Vorhang die Umbauten nur unvollständig verbirgt.
Mann ist Mann, von Brecht offiziell mit der anerkannten Mitautorin Elisabeth Hauptmann erarbeitet, beschäftigt
sich mit der Veränderbarkeit von Identität. Der harmlose Packer Galy Gay gerät auf Umwegen an drei
Militärsoldaten auf dem Weg nach Tibet, die auf der Suche nach einem Ersatz für ihren selbstverschuldeten
Verlust eines ihrer Kameraden sind. Ihnen kommt ein Mann, der nicht Nein sagen kann, wie gerufen; unter
Drohungen verleugnet dieser sogar seiner eigenen Frau gegenüber die Identität. Sie beschließen, Galy Gay
längerfristig „Umzubauen wie ein Auto“. Eine als Elefant der Armee dienliche Attrappe wird als Köder und Richter
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an den ahnungslosen Galy Gay verschenkt und noch bevor dieser über die Realität dieses Monstrums nachdenken
kann, findet sich in der Witwe Leokadja Begbick eine Käuferin. Nach Abhandlung der Geschäfte wird Galy Gay
jedoch verhaftet und beschuldigt einerseits des Betrugs, aufgrund des Verkaufs einer Attrappe, und andererseits
des Verbrechens der Armee dienliche Elefanten zu verkaufen. Zum Tode verurteilt wird Galy Gay „hingerichtet“
während der alte Galy Gay, nun Jeriah Jip, diesem seine Totenrede hält. In der Masse von 100.000 Soldaten bricht
die Armee nach Tibet auf, mit ihnen ein gewisser Jeriah Jip oder Galy Gay, der sich seiner Identität noch nicht
ganz sicher ist. Am Ende beschließt er, dass ein Name vielleicht doch nicht so wichtig ist und geht ganz in seiner
Rolle auf, ja er wird zum Anführer seiner Truppe, zu einer gefürchteten Kampfmaschine. Der wieder
auftauchende echte Jeriah Jip wird mit dem Pass des nun nicht mehr existierenden Galy Gay vertröstet…
Bertolt Brecht spricht hier humorvoll, makaber und präzise eine Realität an, die es dem Betrachter schwer macht,
weiterhin auf die Existenz der Individualität zu pochen. Diese muss indes infrage gestellt und in einen
gesellschaftlichen Kontext gestellt werden: Gesellschaft als Produzent von Individualität, Umstände als Tatsachen
erkannt werden, denen sich anpasst, wem das (eigene) und Überleben über alles geht.
Alles hat seine Ordnung, in dieser Armee besteht sie aus vier Mann pro Einheit und Mann ist Mann, kann beliebig
ersetzt werden und wird beliebig ersetzt. Anders scheint es für den Sergeant zu sein. Der Mann ein Name, ohne
Name kein Mann, so fürchtet er und bestraft seine Schwäche durch Selbstkastration. Und so bleibt kein Name,
kein Mann. Identität und kollektive Identitäten scheinen sich auszuschließen und mit ihr die persönlichen Werte.
Brechts zynisches Angebot [in seiner Militärklamotte „Mann ist Mann] von 1925 war, die menschliche
Geschichte endlich als den Irrwitz anzusehen, der sie ist, als eine endlose Kette von Handlungen, die
einfach unverständlich sind und denen er nur mit poetischem Unsinn begegnen konnte:
“Geschichten, die man verstehe, sind nur schlecht erzählt“, heißt es im „Baal“.
Die Geschichte von „Mann ist Mann“ ist fantastisch gut erzählt.
- Jan Knopf, „Weil kein Mann kein Mann ist“, SPECTRUM, Die Presse, 13. Feb. 2016, S. II
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2. 2019: DIALOG mit MUTTER COURAGE (1938/39), Matteotti-Hof, 5. Bezirk
Berliner Ensemble, Probenfotos Mutter Courage, 1978
Brecht schrieb das Anti-Kriegs-Stück im schwedischen Exil in den Jahren 1938/39 und behandelte in ihm die
aktuellen Themen Krieg, Armut und Klassengesellschaft. Historisch gilt das Stück als Warnung an der Beteiligung der
skandinavischen Mächte in die kriegerischen Auseinandersetzungen im 2. Weltkrieg, Kritik an Hitlers Polenfeldzug ist
ebenso vorhanden wie die Warnung an Menschen und Nationen, sich auf einen Handel mit dem Krieg einzulassen.
Wie häufig in Brechts Dramen scheitert die Moral an der Realität, hier am Kapitalismus, welcher als absoluter
Bestandteil des Krieges dargestellt wird. Mutter Courage ist sich dieser Moralumkehr bewusst, ist jedoch
gleichzeitig Förderin der Tugenden ihrer Kinder, die schlussendlich alle ihr Leben lassen müssen. Trotz absoluter
Erkenntnis über die Folgen ihrer Profitgier, welche nicht ohne mütterlichen Gefühle voranschreitet, repräsentiert
Mutter Courage die Einheit von Kaptialismus und Krieg, Tod und Geschäft.
Handlung:
Mutter Courage begleitet als Marketenderin mit ihren drei Kindern Kattrin, Eilif und Schweizerkas das 2. finnische
Regiment durch den 30ig-jährigen Krieg. In Dalarna, Schweden, wird der Mutter von einem Soldatenwerber und
Feldwebel der älteste Sohn Eilif abgeworben. Ein Jahre später begegnen sich Mutter und Sohn in einem Zeltlager
in Polen wieder und zur Verköstigung des vom Feldhauptmann hoch geschätzten Sohnes, ist es Mutter Courage
möglich, ihre eigene Ware zu einem hohen Preis an den Koch zu bringen. Es wird deutlich, mit welchem Mut die
Marketenderin Anna Fierling die eigenen Vorteile aus jeder Situation erkennt und verwertet.
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Auf ihrem Weg durch den Krieg begegnet der Familie ein Koch, ein Feldprediger und eine Lagerprostituierte,
Yvette Pottier, welche ebenso wie Mutter Courage vom Krieg lebt. Das von ihr vorgetragene Lied vom
Fraternisieren, deutet auf ihren gesellschaftlichen Abstieg durch die Liebe in Kriegszeiten hin.
Der Sohn Schweizerkas muss nach Übernahme des Ortes durch das katholische Heer – und aufgrund seine
Redlichkeit, die ihm seine Mutter eingebläut hat – sein Leben lassen. Mutter Courages Versuche, ihn frei zu
kaufen scheitern aufgrund ihrer langen Preisverhandlungen kläglich. Auch die Tochter kann sich dem
Kriegsgeschehen nicht mehr entziehen, wird auf dem Weg in die Stadt überfallen und misshandelt, ein Umstand,
der die Mutter den Krieg verfluchen lässt – nur, um ihn in den nächsten Sätzen wieder aufs höchste zu loben.
Ein vorübergehender Friedensausbruch bringt nun auch ihren Sohn Eilif in Schwierigkeiten. Seine Verurteilung
zum Tode ist darauf zurückzuführen, dass er aus Unwissenheit in Friedenszeiten dieselben Handlungen vollzog,
wie in Kriegszeiten, nämlich zu rauben und zu morden. Begleitet vom Feldprediger tritt er seinen Weg zur
Hinrichtung an. Koch, Mutter und Tochter ziehen weiter. Das Angebot des Kochs mit ihm ein Wirtshaus zu
übernehmen, dafür aber Planwagen und Tochter aufzugeben, weißt Mutter Courage entrüstet zurück. Sie
entscheidet sich für ihre Tochter, den Handel und den Krieg. Im Jahr 1636 muss nun auch ihre Tochter Kattrin ihr
Leben lassen, nach dem Versuch,e durch Selbstlosigkeit die Bevölkerung der Stadt Halle zu retten. Mutter
Courage zieht von hier ab mit dem Wagen alleine weiter.
Ich laß mir den Krieg von euch nicht madig machen.
Es heißt, er vertilgt die Schwachen, aber die sind auch hin im Frieden. Nur, der Krieg nährt seine Leut besser.
- Bertolt Brecht, Mutter Courage und ihre Kinder.
In: Brecht, Bertolt: Die Stücke von Bertolt Brecht in einem Band,
Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 1978, S. 567.
Die Uraufführung des Stücks fand 1941 am Schauspielhaus Zürich statt. Um Fehlinterpretationen des Stücks bei
Aufführungen zu vermeiden, entwarf Brecht ein verbindliches Modellbuch. Zwischen 1953 und 1963 wurde die
Aufführung der Mutter Courage aufgrund der vermuteten kommunistischen Propagandawirkung in Wien
vermieden und auch in der Bundesrepublik kam es zu Boykottbewegungen. Die Kinder der Courage, von
unterschiedlichen Männern, können als eine Mischung europäischer Geisteshaltungen interpretiert werden und
Kritik an Hitlers Polenfeldzug ist ebenso vorhanden wie Warnungen an Menschen und Nationen vor dem handel
mit dem Krieg. Die kapitalistische Grundhaltung der Mutter Courage war der westlichen Gesellschaftseinstellung
ein Dorn im Auge, während der sozialistische Grundgedanke die geforderten Heldenfiguren und positiven
Entwicklungen vermisste. Trotz der Startschwierigkeiten gelang dem Stück der Durchbruch und es wurde in Paris
und London und sogar Teheran (2008 unter Claus Peymann) vom Publikum gefeiert.
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3. 2020: DIALOG mit FATZER/Der Untergang des Egoisten Fatzer (1926-31),
Karl-Marx-Hof, 1190
Brechts Ringen um einen neuen, eingreifenden
„großen Stil“ äußert sich im Kommentar:
Die Erkenntnis kann an einem anderen Ort
gebraucht werden,
als wo sie gefunden wurde.
Alles, was heute gedacht wird, ist
Nur, damit gut erscheine, was alles gemacht
wird!
Alles, was heute gemacht wird, ist falsch,
also ist
Alles, was heute gedacht wird, falsch.
Der Zweck, wofür eine Arbeit gemacht wird,
ist nicht mit jenem Zweck Identisch, zu dem
sie verwertet wird.
Bertolt Brechts umfangreichstes Fragment aus 500 losen Manuskriptseiten ist ein monumentales Aggregat von
Fabelskizzen, Dialogen, Reflexionen, Schemata, das „in großen, rohen Blöcken“ (Brecht) besteht. Neben den die
Handlung skizzierenden Fatzer-Dokumenten stehen kommentierende und reflektierende Fatzer-Kommentare,
welche gleichwertig und als eigene ästhetische Form fungieren. Fatzer steht an der Schwelle zu den sich
allmählich im Exil formenden Methoden des parabolischen Lehrstückes und ist eine entscheidende Wegmarke in
der Entwicklung des epischen/dialektischen Theaters. Einzig im Heft I der Versuche hat Brecht 1930 zwei Szenen
und ein Gedicht (Fatzer komm) publiziert. Brecht hatte sein Experiment theaterästhetisch als „der höchste
standard technisch“ beziechent und den Zuschauer als Koproduzenten des Sinns gefordert! Heutige Aufführungen
stützen sich auf die Bühnenfassung von Heiner Müller (1978), ein Text-„Puzzle-Spiel“ aus dem Konvolut.
Die Handlung setzt im Jahre 1917 vor Verdun ein, vermittelt durch die kollektive Instanz des Chors: „Ihr noch wißt
/ Im zweiten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts / War ein Krieg aller Völker / Welche sich eingruben / Und ihre
unsinkbaren Schiffe versenkend ... “. In einem zerschossenen Gelände taucht ein Tank auf, dem drei Männer
entsteigen (Koch/Kaumann, Leeb, Büsching) und als einzigen Überlebenden auf den Soldaten Fatzer stoßen.
Depraviert und mit der Aussicht auf den sicheren Tod beschließen sie, angeführt von ihrem „besten Mann“
Fatzer, zu desertieren. Durch ihn erkennen sie ihre Lage als potenzielle Revolutionäre und dass der „Erbfeind“
nicht nur vor sondern auch hinter ihnen steht – die „Burschuasie“. Nachdem Fatzer auf den Tank „Scheiße“
zeichnet, fliehen sie in ihre Heimat, die Industriestadt Mühlheim an der Ruhr, um auf den Aufruhr zu warten.
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Als Grundmotiv etabliert sich bereits anfangs der Gegensatz zwischen dem „Egoisten“ Fatzer und den
„Gehorchenden“, welcher sich stets an den deutlich gekennzeichneten Haltungen entzündet: wohin und weshalb
fliehen, existenzielles nacktes Überleben oder gemeinsamer befreiender Kampf, Einzelschicksal oder
Masse/Klasse. Der Chor/Gegenchor sowie die Figur Koch, welche im Laufe des Stückes zu dem „Denkenden“
Keuner wird, mit deutlichen Bezügen zu dem pragmatischen, antianarchistischen Lenin, verdrängen zunehmend
den intellektuell Überlegenen, doch „asozialen“ Fatzer. So wird Keuner vom Chor empfohlen, den Weltkrieg in
einen Bürgerkrieg in den eigenen Ländern zu verwandeln, um sich gemeinsam als proletarische Klasse gegen die
dahinter stehenden Kriegstreiber zu wenden. Gebrochen wird die Handlung vom Chor, der das Schlussbild
vorwegnehmend ihren Untergang voraussieht, da sie mit dem Weggang von der Masse falsch gehandelt haben.
„Ich mache keine Krieg mehr … ich scheiße auf die Ordnung der Welt. Ich bin verloren.“
Der von Heiner Müller montierte Fortlauf schildert in groben Zügen, wie diese kleine Gruppe von Illegalen den
Krieg an der „Heimatfront“ erlebt. Dabei treten wie im Lehrstück elementare Stoffkomplexe im sozialen Kontext
zum Vorschein, die Dialektik von Liebe und Sexualität („Geschlechtskapitel“), Verstädterung („Rede vom
Massenmenschen“), gesellschaftliche Umwälzung und Gewalt („Zertrümmerung der Anschauungen durch die
Verhältnisse“), Tod und Sterben. Zentrales „Furchtzentrum“ des Stückes ist die Bildung eines Sowjets auf
verlorenem Posten und die Wut über das Ausbleiben der Revolution, die sich nach innen gegen Fatzer entlädt.
Dieser, dem „das Morgen und / Dies unverbindliche Heut“ lähmt, ist jedoch zugleich visionär und erkennt neue
Realitäten der Wirklichkeit: den Massenmenschen, das neue Tier, der falsche Zeitpunkt der Revolution und ihre
halluzinative Situation. Doch er bleibt ohne „Anschluss an Morgen“ ein Schwätzer und Spötter – in Reminiszenz
des Namens „fatzen“ (im 16 Jh. verspotten, täuschen) auch eine Kritik an der Figur des Nörglers in Karl Kraus’ Die
Letzten Tagen der Menschheit. Den infernalischen Kernpunkt bildet am Ende die Verbindung von Demut und
Töten – Koch will die „verlorene Sache“ ordnen, damit sie fertig ist, darum muss Fatzer sich ändern, indem er
stirbt. Schließlich werden alle vom Militär getötet... Brecht stellte den Fatzer deutlich in den Zusammenhang mit
der Ermordung von Luxemburg und Liebknecht, der Enthauptung der deutschen kommunistischen Partei. Fatzers
letzte Worte:“ Und von jetzt ab und eine ganze Zeit über / Wird es keinen Sieger mehr geben / Auf eurer Welt,
sondern nur mehr / Besiegte.“
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5. 2012: DIALOG mit TROMMELN IN DER NACHT, 22. Bezirk, Goethe-Hof, WERKL
In Trommeln in der Nacht gestaltet Brecht weniger Zeitereignisse als vielmehr atmosphärisches Zeitkolorit, das
jenseits aller stofflichen Aktualität ist. Zeitgeschichtlich bezieht er sich dabei auf den Spartakus-Aufstand in Berlin.
Die Spartakisten, Anhänger des am 1. Januar 1919 gegründeten Spartakus-Bundes, forderten zum Sturz der
demokratisch gewählten Regierung auf unter der Parole: "Alle Macht den Arbeiterräten!". Die Regierungstruppen
gingen mit brutaler Härte gegen die Aufständischen vor, verhängten den Belagerungszustand und schlugen den
Aufstand nieder. 1.200 Menschen fanden dabei den Tod.
Man könnte angesichts der Thematik und Fragestellung dieser ersten Stücke sagen: Wozu darauf zurückkommen?
Warum nicht da reinen Tisch machen? Warum nicht von heute reden? Aber der den großen Sprung machen will,
muss einige Schritte zurück gehen. Das Heute geht gespeist vom Gestern in das morgen.
Die Geschichte macht vielleicht einen reinen Tisch, aber sie scheut einen leeren.
- Bertolt Brecht, aus: „Bei Durchsicht meiner ersten Stücke“, Suhrkamp TB 201 1973.
v.l.n.r.: B. Brecht, Brecht & Helene Weigel vor dem BERLINER ENSEMBLE (1949) , r. Brech at the House of Unamerican Acitivities Committee, 1947/48
Von meinen ersten Stücken ist die Komödie ‚Trommeln in der Nacht‘ das zwieschlächtigste.
Die Auflehnung gegen eine zu verwerfende literarische Konvention
führt hier beinahe zur Verwerfung einer großen sozialen Auflehnung.
- Bertolt Brecht, aus: „Bei Durchsicht meiner ersten Stücke“
Trommeln in der Nacht ist Brechts 2. Stück nach „Baal“ und war bei seiner Uraufführung im September 1922 das
erste Brecht-Stück, das seinen Weg auf eine Bühne fand, im selben Jahr würdigte man Brecht dafür mit dem
Kleist-Preis. Literatur- und theater-geschichtlich markiert das Stück eine Wendepunkt: Brecht arbeitete mit
antiillusionistischen Techniken und bereicherte die dramatische Sprache um Elemente des Volkstheaters, die er
beim Komiker Karl Valentin (1882-1948) kennen gelernt hatte. In den Münchner Kammerspielen traten die beiden
gemeinsam auf. Trommeln in der Nacht setzte sich deutlich vom Theater der Naturalisten ab, die das
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Alltagsleben auf der Bühne vorspielen/widerspiegeln wollten. Auch war das Stück realistischer und aktueller als
die Theaterstücke des Expressionismus. Der Theaterkritiker Julius Bab (1880-1955) resümierte im Hannoverschen
Tageblatt: "In Brechts Dialog ist eine packende und beflügelnde Energie und bei allem sichtbaren Einfluss von
Strindberg, Wedekind und Georg Kaiser doch ein eigener Ton – ein rauer Schrei aus blutverschleierter Kehle (...)
Unfertig, unselbständig ist dieses Stück, doch der Erstling eines starken, zukunftsträchtigen Talents.“
Handlung - „Glotzt nicht so romantisch“
Unter Einsatz früher Mittel der Verfremdung spielt das Stück vor dem Hintergrund des Spartakusaufstandes im
Berlin des Jahres 1919. Anna Balickes Verlobter, Andreas Kragler, war Artillerist im Ersten Weltkrieg und wird seit
vier Jahren vermisst. Nach langem Zögern willigt Anna, wie von ihren Eltern gewünscht, in die Verlobung mit dem
Kriegsgewinnler Murk ein. Am Tag der Verlobung taucht plötzlich Kragler auf, der angibt, in Afrika in
Kriegsgefangenschaft gewesen zu sein. Annas Eltern und Murk behandeln den Habenichts als Störenfried; auch
Anna, die bereits von Murk schwanger ist, bittet Kragler zunächst zu gehen. Während dieser sich kurzzeitig den
Aufständischen anschließt, verlässt Anna schließlich den Murk und gesteht Kragler ihre Schwangerschaft. Kragler
entscheidet sich letztlich dagegen, sich an den Kämpfen zu beteiligen und für Anna. Seinen Platz unter den
Kämpfern einzunehmen lehnt er mit den Worten ab: „Mein Fleisch soll im Rinnstein verwesen, dass eure Idee in
den Himmel kommt? Seid ihr besoffen?“
Das Stück entstand in einer ersten, nicht mehr erhaltenen Fassung, im Februar 1919 unter dem Titel Spartakus.
Thematisch ist es eng mit den revolutionären Kämpfen in Deutschland 1918/1919 verknüpft. Detailreiche
Passagen und Dialoge im Schlagzeilenstil zeigen, dass Brecht hier unmittelbare persönliche Eindrücke wie auch
Presseberichte einbezog. Lion Feuchtwanger äußerte sich im März 1919 begeistert, er lobte besonders die „wilde,
kräftige, farbige Sprache, nicht aus Büchern zusammengelesen [...]“. Die Umbenennung des Stückes von
Spartakus zu Trommeln in der Nacht erfolgte auf einen Rat Marta Feuchtwangers hin. Das Stück wurde zunächst
nicht aufgeführt, Brecht unternahm mehrere erfolglose Versuche es zu überarbeiten. Am 29. September 1922
erfolgte als 1. aufgeführtes Stück Brechts die Uraufführung in den Münchner Kammerspielen (Regie: Otto
Falckenberg). Im Zuschauerraum hingen Plakate mit Aufschriften wie „Glotzt nicht so romantisch“.
Ist das nötige Geld vorhanden,
ist das Ende meistens gut.
Denn die einen sind im Dunkeln und die anderen sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte,
die im Dunkeln sieht man nicht.
- Bertolt Brecht, DREIGROSCHENOPER
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2. STÜCKWERKSTÄTTEN "ROCK THE SYSTEM“ – für Jugendliche im
Gemeindebau
Parallel zur Erarbeitung des jährlichen Hauptstückes von Bertolt Brecht werden mehrmonatige
STÜCKWERKSTÄTTEN eingerichtet, an denen junge Theaterschaffende und Laien aus dem Gemeindehof und
Umgebung zur kostenlosen Mitarbeit eingeladen sind. Dabei dient das Café CENTRAL als Angelpunkt dem
Erstkontakt und gemeinsame Kennen-Lernen. Die Arbeit baut auf die jahrelangen Erfahrungen der
FLEISCHEREI_mobil mit soziotheatralen Projekten wie AUF ACHSE (s. oben) und den ExperimentalTheaterworkshops auf: Die Leitung der Gruppen übernehmen je eine SozialarbeiterInnen vor Ort und ein/e
künstlerische/r MitarbeiterIn der Theatergruppe oder ein ausgewählter Gast wie beispielsweise die Leitung des
„Theaters der Unterdrückten“ (TDU Wien), Birgit Fritz.
In den STÜCKWERKSTÄTTEN arbeiten TeilnehmerInnen in je 6-wöchigen Sessions über das Jahr verteilt an
Texterstellungen und Stück-Collagen auf Basis der Brecht-Stücke, zentriert auf thematische Anliegen und
zeitgenössische Problemstellungen der Beteiligten. Sie sind interaktiv und richten sich in ihrem freien LaborCharakter vorranging an Jugendliche und junge Talente in den Gemeindehöfen, aber auch an Flüchtlinge und alle
TheaterInteressierten ohne Vorkenntnisse. Die Werkstattarbeit dient der Erweiterung der inhaltlichen
Auseinandersetzung mit den Brecht-Stücken bezogen auf brisante Themen der Gegenwart und integrieren
konkrete Erfahrungen der Jugendlichen in den Gemeindehöfen. Ergebnisse werden in Folge den Aufführungen
der Hauptstücke gegenübergestellt. Die Arbeit dient ebenso der Vermittlung von Schreib- und Sprach-Skills und
dem Erlernen sozialen Knowhows – dies kommt Flüchtlingen besonders zu Gute.
Die Supervision der Arbeit übernimmt das Künstlerteam der FLEISCHEREI_mobil. Neben dem Café CENTRAL, wo
Begegnung und Leserunden stattfinden, werden die Sessions in dafür geeigneten Räumen am Gelände des
Gemeindehofes bzw. auch in Einrichtungen der Nachbarschaft (Schulen, Kindergärten, VHS) abgehalten.
InteressentInnen melden sich formlos an und werden nach einer niederschwelligen „Audition“ in Arbeitsgruppen
(Labors) aufgeteilt, wobei sich diese ihre thematischen Folgeaufgaben selbst stellen. Jede Gruppe hat das Ziel,
Szenen nach den Themen und dramatischen Vorgaben des Hauptstücks von Brecht zu erarbeiten und diese
danach dem „Kollektiv“ vorzustellen. Dieses wiederum setzt aus ausgewählten Szenen ein Gesamtstück in eine
strukturierte Szenenabfolge („Collective Creation“) um, die in Form einer „Performativen Lesung“ im Café
CENTRAL präsentiert wird. Die Werkstätten finden am Samstag-Nachmittag über 6 Wochen hinweg statt.
Hauptziele sind die Vermittlung gruppendynamischer Prozesse, Teamfähigkeit und psycho-sozialem Knowhow in
kollektiven Performances, die in ein „Fest“ münden, das gemeinsam geplant, gestaltet und gefeiert wird. Die
praktische Erfahrung von Veränderung durch performatives Verhalten – in Haltungen, Gesten, Sprechmasken,
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Selbstdarstellungs- und Interaktionsformen – steht im Mittelpunkt, d.h. die TeilnehmerInnen erfahren sich als
„AkteurInnen“ ihres eigenen Lebens und als „PerformerInnen“ bzw. Mit-AkteurInnen permanenter LebensVeränderung. Das „Fest“ setzt mit einer geprobten Szene der TeilnehmerInnen ein und öffnet sich dann zum Publikum
als Community-Erlebnis, in das ästhetische Interventionen wie Lieder, Tänze oder Kurzberichte einbrechen.
Performative Einzelelemente entstammen der Arbeit in den Workshop wund sind spontan in das Fest als theatrales
Ritual „montiert“. Das Fest dient gleichzeitig als Plattform für Begegnung.
A
KENNEN- LERNEN, STÜCK-LESEN, THEMEN-AUSWÄHLEN
1. „Audition“: Informationsaustausch für alle Interessieren. Das Künstlerteam präsentiert Textauszüge aus dem
Brecht-Stück. Videos, Fotos etc. werden zur Verfügung gestellt.
2. Einführung in die Geschichte und Rahmen/Handlung des Stückes unter Einbezug des wissenschaftlichen
Beratungsteams, gefolgt von gemeinsamen Lesen des Stücks.
3. Theatrale Spiele und Improvisationen zum Stück mit Textauszügen in thematischen Blöcken.
Jede der Sessions endet mit Kaffee/Kuchen und Diskussion. Dieser Prozess fließt auch in andere Werkstätten des
Gesamtprojekts ein.
B
GRUPPEN-BILDUNG
1. Formierung der Gruppen nach Themen.
2. Schreibsessions unter Anleitung von je 2 KünstlerInnen, darunter eine zeitgenössisch/e AutorIn als Gast.
3. Gemeinsames Lesen der in den „Werkstätten“ ausgewählten Texte mit anschließender Diskussion.
C
PROBEN & SHOWINGS
Am Ende der 2. Arbeitsphase werden die fertigen Texte vor geladenem Publikum in „szenischen Lesungen“
vorgetragen. Anschließend daran beginnt die Probenarbeit mit selbstgewählten RegisseurInnen.
1. Beginn des praktischen Probenbetriebs: Wahl der Orte/Räume für Proben und Aufführungen,
Besetzung, Wahl von Bühne, Kostüm, Musik, Technik.
2. Probenbeginn (3 ganztags-Probesessions an 3 Samstagen); als LeiterInnen der Arbeitsgruppen fungieren
TeilnehmerInnen aus den Gemeindehöfen. Die FLEISCHREI_mobil stellt die benötige Projektinfrastruktur für
Planung, Assistenz, Technik und szenische Abwicklung der Aufführungen zur Verfügung.
3. Endproben und SHOWINGS – mind. 3x pro Gruppe, nach jeder Vorstellung Diskussion.
Während der gesamten Arbeit in und um die Gemeindehöfe stehen das Künstlerteam, SchauspielerInnen und das
organisatorische Kernteam dem Prozess und den InteressentInnen unterstützend zur Seite.
Konzept „Zwischen noch nicht und schon nicht mehr“: 4 Jahre BRECHT im GEMEINDEBAU 2018-21
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3. SOZIOTHEATRALE PROJEKTE
A) AUF ACHSE/DORFPLATZ „Fest der Vielfalt“
Basisprojekt für die Arbeit im Gemeindehof
Dann schieden sie voneinander und entfernten sich, jeder an seine statt.
- Bertolt Brecht, Flüchtlingsgespräche 1940/41
Fotos © M. Rahmann, R. Picha Straßentheater AUF ACHSE 2010/2011
„AUF ACHSE“ als soziotheatrales Modell
Das Signature-Projekt der FLEISCHEREI_mobil AUF ACHSE wird in diesen vier Jahren von Berthold Brechts
größtenteils 1940/41 in Finnland entstandenen `Flüchtlingsgespräche´ inspiriert und in Workshops mit den
Gemeindehofbewohner auf ihre Aktualität diskutiert und in Szene gesetzt. Das migrationspolitisch langfristig
angelegte Projekt basiert auf der engen und nachhaltigen Zusammenarbeit von und mit sozialen Gruppen, die
sich in den Gemeindehöfen bilden. In Workshops, die über das Jahr verteilt stattfinden, erarbeiten autonome
Künstlerteams und Gemeindehofbewohner theatrale Szenen, Tänze, Lieder und Musikstücke welche in Cafés und
Restaurants, Geschäften und Schaufenstern, in Hinterhöfen und Wohnungen des Gemeindehofs inszeniert
werden. Es ist ein Theater auf mehreren Schauplätzen welche an bekannten und versteckten Orten des
Gemeindehofes liegen und die Akteure das Publikum von einem Schauplatz zum nächsten führt. Das Publikum ist
eingeladen mitzusingen, mitzutanzen, mitzuspielen.
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Mit dem Projekt AUF ACHSE hat das Team der FLEISCHEREI_mobil eine lustvolle Demonstration von Diversität
und „Ko-Existenz“ in der multi-kulturellen Stadt Wien geschaffen, die inzwischen Modellcharakter gewonnen hat.
Es ist ein flexibles und attraktives Performance-Modell und lässt sich leicht auf verschieden Environments und
soziale wie kulturelle Milieus übertragen. Das Ziel ist es, eine interkulturelle Kooperation gleichberechtigter
PartnerInnen zu erfüllen: Ihre Sichtweise steht stellvertretend für Einheimische und AusländerInnen, für
EuropäerInnen, Schwarz-AfrikanerInnen und MigrantInnen aus verschiedenen Ländern, die nach Wien gekommen
sind in der Hoffnung auf ein neues, besseres Leben und nun im Bezirk bzw. im Gemeindehof Quartier bezogen
haben. Ihre Geschichten und Erzählungen, ihre Erfahrungen der Flucht bzw. des Asyl, ihre Ankommen und ihre
Aufnahme in Wien, ihre Integration und dazu gehörige Problemen können im gemeinsamen Spiel, Austausch und
Theater-machen auf neue, lustvolle Weise thematisierbar gemacht werden, ohne die gewöhnlichen Barrieren und
Schranken der Begegnung.
Das Projekt basiert auf 3 konzeptuellen Achsen:
1) Workshops
Diese finden an vier Wochenenden über das Jahr verteilt im Gemeindebau statt. Mit ihren Workshops schafft die
FLEISCHEREI_mobil eine Plattform, bei welcher die Gemeindehofbewohner aktiv mitwirken können. Der Fokus
liegt in der inhaltlichen Verdichtung auf Brechts `Flüchtlingsgespräche´ und ihre Kontextualisierung im Jetzt.
Jene die sich wie Ziffel und Kalle in einem `Beisl´ treffen und über die Umstände philosophieren und diskutieren.
Das geschriebene Werk von Bertolt Brecht versetzt uns in eine Situation während der des WW2. Dem gegenüber
steht die Situation heute. Wo/wie finden die Flüchtlingsgespräche heute statt?
Es sollen Szenen in und um Wiener Gemeindehöfe an mehreren Schauplätzen entstehen die den brechtschen
Inhalt transportieren und um die aktuelle Situation erweitern.
2) Aufführung
Aufbauend auf die Workshops werden die Szenen zu Aufführung gebracht und in Form einer Prozession, welche
das Publikum durch und um den Gemeindehof führt, gezeigt. Eine Öffnung des Gemeindehofes für seine
Bewohner und Interessierte. Eine Gegenüberstellung der Prinzipien von Überfluss und Mangel in sozialer,
ökonomischer und kultureller Hinsicht – einer Dichotomie, die vor allem Länder des Nordens (wie Europa) und
des Südens (vor allem Afrika) trennt. Aus dieser Spaltung resultieren soziale Verwerfungen, Menschrechtsverletzungen und gravierende soziale Probleme, die von Jahr zu Jahr zunehmen, besonders im Hinblick auf die
wachsende Migration vom Süden in den Norden. Sozial Schwache und sozial stärkere Stimmen, die in theatralen
Szenen, in Tänzen, Gesängen und Spielanordungen ihre Erfahrungen, Hoffnung und Wünsche artikulieren.
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3) DORFTPLATZ „Fest der Vielfalt“
Das Fest ist der Abschluss des jeweiligen Jahresprogramms. Es soll die Möglichkeit des Austausches eröffnet
werden für Personen die aktiv bei AUF ACHSE mitgewirkt haben und Personen welche das Angebot nicht
annehmen konnte. Ein Fest, ohne Verpflichtungen der Teilnehmenden, eines intensiven Diskurses der rund um
den Gemeindehof wiederhallt.
Fotos © R. Picha, AUF ACHSE 2015, Prinz ZEKA & Band & Ensemble, Wir sind alle MARIENTHAL!, UA Gramatneusiedl 2015
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B) Kleinkunst: FLÜCHTLINGSGESPRÄCHE 21
Nahe an den Grenzen – Selbstgespräch zu zweit [Variationen]
„Die Emigration ist die beste Schule der Dialektik“
Im Bahnhofsrestaurant zu Helsinki sitzen zwei Männer, ein Großer und ein Untersetzter, und unterhalten sich, ab
und zu vorsichtig um sich blickend, über Pässe (s. weiter oben).
Der Untersetze
Der Paß ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustand wie ein Mensch. Ein
Mensch kann überall zustandkommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Paß niemals. Dafür
wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird."
Der Große
Man kann sagen, der Mensch ist nur der mechanische Halter eines Passes. Der Paß wird ihm in die Brusttasche gesteckt wie
die Aktienpakete in das Safe gesteckt werden, das an und für sich keinen Wert hat, aber Wertgegenstände enthält.
Mit dieser Unterhaltung beginnt das Buch aus dem Nachlass Bertolt Brechts. In 18 Gesprächsfragmenten
behandelt es Fragen des Exils, den Alltag der aus Deutschland Vertriebenen vertreten durch den Physiker und
Intellektuellen Ziffel und den Arbeiter Kalle. In der Bahnhofsspelunke unterhalten sie sich über die internationale
Lage (deutsche Truppen haben Dänemark und Norwegen besetzt und rücken in Frankreich vor) und die eigene
Situation, tauschen sich aus über politische Verhältnisse und das Leben als Flüchtlinge aus.
Bei viel Bier und Zigarren durchleuchten sie herrschende Anschauungen und Denkklischees mit bayrischbäurischer Konsequenz und kauen auf den politischen und moralischen Schlagworten ihrer Zeit so lange herum,
bis die Phrasen wie leere Hülsen unter die traurigen Wartesaaltische fallen. Es sind scharfsichtige Gespräche
voller bösem Witz und abgründigem Humor. Sie bedienen sie sich des Brechtschen "Verfremdungseffektes" –
alles in eine Sprache zu packen, die sich zweideutig anhört. Das Politische ebenso wie das Biographische hat der
Autor sorgfältig verschlüsselt, aber zweifellos spiegeln sie Brechts Leben, das zeitweilig exemplarisch genug
verlief: einen Tag nach dem Reichstagsbrand verließ er Deutschland fluchtartig mit seiner Familie und Freunden,
hielt sich in Prag, Wien, Paris und in der Schweiz auf und nistete er sich schließlich in einem Bauernhaus bei
Svendborg an der dänischen Küste ein, möglichst "nahe an den Grenzen". Dort schrieb in einem Pferdestall, den
er als Arbeitsraum einrichtete, in den Jahren 1933 bis 1940 seine bedeutendsten Werke und begann Ende der
dreißiger Jahre die "Flüchtlingsgespräche". Die Gespräche, deren er so bedürftig war, hielt er mit sich selbst.
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Arbeitsansatz
Im Zentrum steht eine Staffel von „Cabaret-Performances“ in variabler Besetzung von Profis und Laien ,die auf
Basis der Brechtschen Flüchtlingsgespäche Szenen aus dem heutigen Alltag von Flüchtlingen, Flüchtlingshelfern,
Intellektuellen und KitikerInnen der neuen Flüchtlingskrise in Europa auf die Bühne des Café CENTRAL bringen.
Die Struktur der Brechtschen Gesprächsfragmente, die äußerst geschichtsträchtigen und zugleich humorvoll
verfremdet ist, erlaubt es, mit Zusatzkommentaren der Beteiligten Themen der heutigen Zeit anzusprechen und
zeitgemäße theatrale Umsetzungsformen zu finden. Ermutigt werden soll die Option, über kurze Cameo-Auftritte
von Experten auch Stellungsnahmen aus dem aktuellen politischen Geschehen einzubauen. Künstlerische
MitarbeiterInnen der FLEISCHEREI_mobil genauso wie geladene Gäste, BewohnerInnen aus den Gemeindehöfen
und Jugendliche aus den STÜCKWERKSTÄTTEN und Workshops sind aufgerufen, einmal/Monat eine Performance
zu realisieren, wobei die Texte jeweils unter Leitung einer Jury bestehend aus Projektleitung/Regie (Eva Brenner),
Dramaturgie (Felix Kristan, Heinz Leitner, Veronika Mendes-Gmeindl) ausgewählt und mit einem kleinen
Produktions-Kostenzuschuss bedacht werden. Eintritte/Spenden kommen jeweils Flüchtlingsorganisationen
zugute.
C) C.C.“/Café CENTRAL – ständiger Betrieb
Das „Café Central“ ist eine flexible gestaltete kommunikative Einrichtung konzipiert als
Begegnungsort im Gemeindehof und als zentrale Anlaufstelle für das Theaterprojekt.
Der Titel Café CENTRAL ist humorvoll gemeint, referiert er doch auf den beliebten Literatentreffpunkt „Café
Central“ in der noblen Wiener Herrengasse, der auch Begegnungsort der frühen Sozialdemokraten rund um Otto
Bauer war. Am Anfang jedes Jahres steht die Einrichtung eines eigenen Projekt- und Vermittlungsraumes der
Theatergruppe mit Projektpartnern mitten im Gelände des Gemeindehofes mit dem zentral situiertem „Café“.
Das Café CENTRAL dient der Begegnung, Diskussion und dem Austausch der KünstlerInnen, den Projektpartnern
und vor allem BewohnerInnen des jeweiligen Gemeindehofs und ist wochentags regelmäßig für einige Stunden
geöffnet. Hier kann diskutiert und gearbeitet werden, finden Ausstellungen, Workshops und Special Events statt.
Jeweils zu Jahresbeginn findet eine für alle zugängliche Einführung in das Brecht-Stück statt, werden im Team mit
Publikum die inhaltliche Problematik, das sozio-politische Umfeld, die Bezüge zur Gegenwart wie Fragen der
Aktualisierung diskutiert. Diese Arbeit ist bewusst offen konzipiert, wobei BewohnerInnen aus dem betreffenden
Gemeindehof sich mit dem Künstlerkollektiv und den gewählten Inhalten und Stücken vertraut machen können.
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4. WORKSHOPS/DISKUSSIONEN
A) WORKSHOPS/SCHULE DES POLITISCHEN THEATERS:
„Performing Change“ im Gemeindebau
1. WORKSHOP 1: TRANSFORMANCE lernen - soziotheatrale Improvisation mit Masken&Objekten
Leitung: Eva Brenner, Patrizia Hirschbichler, Markus Kuscher
Verwendete Texte: Bertolt Brecht, Jura Soyfer, Elfriede Jelinek
2. WORKSHOP 2: Theater der Unterdrückten (in Kooperation mit TdU Wien)
Leitung: Birgit Fritz (TdU Wien)
3. WORKSHOP 3: Musik, Tanz, Song & Improvisation
Leitung: Maren Rahmann, Walter Nikowitz, Sybille Starkbaum
4. WORKSHOP 4: BRECHT HEUTE? – Zu Dramaturgie & Theatergeschichte für alle
5. WORKSHOP 5 (für Kinder): Theaterspiel & Improvisation mit Kindern aus dem Gemeindebau
Ein Pilotprojekt als building community-Prozess
Transformative Theater- und Performance Arbeit richtet sich an alle Menschen – ob Frauen oder Männer, jung
oder alt, heimisch oder zugewandert. Voraussetzung ist das Interesse der Beteiligten, sich kreativ einzubringen,
und Hinschauen zu üben. Voneinander zu lernen ist die Einzigartigkeit jeder Person mit ihrer unverwechselbaren
körperlichen und musikalischen/stimmlichen Präsenz und die offene Kommunikation und Interaktion in der
Gruppe. Die Workshops werden vom interdisziplinären KünstlerInnen-Team der FLEISCHEREI_mobil geleitet und
finden in regelmäßigen Abständen über das Jahr verteilt in jedem der Gemeindehöfe statt, Basis der Arbeit sind
ausgewählte Brecht-Texte und Methoden des experimentellen-Theaters, wie es die Gruppe seit einem Jahrzehnt
erprobt. Die Workshops finden jeweils 2-tägig an aufeinander folgenden Wochenenden statt, jeweils am Freitag
spät Nachmittag (17-21 Uhr) und Samstag ganztägig ab Mittag bis 18 Uhr. Jede Session baut auf die vorherige auf
und bezieht Ideen, Themen und Texte der Beteiligten mit ein. Entscheidend für den Erfolg ist der freie Austausch
von Ideen, die Bezugnahme auf den Ort des Gemeindebaus sowie die Brecht-Texte mit ihrer Geschichte, Tradition
und Aufführungspraxis. Die Teilnahme ist gratis, sie erfolgt nach einem Vorgespräch mit der künstlerischen
Leitung, Arbeitsergebnisse sollen im Gemeindebau einem öffentlichen „Showing“ vor Publikum gezeigt werden.
Ziel ist es, dass möglichst viele TeilnehmerInnen alle Workshops besuchen um einen fruchtbaren
Entwicklungsprozess zu gewährleisten. Arbeitsräume sind das Café CENTRAL, div. Räumen im Gemeindehof wie
der „Waschsalon“, auch im Freien wird gearbeitet, Partner sind die Wiener Wohnpartner und
Bezirksorganisationen.
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Entwickelt werden freie Raum- und Bewegungsimprovisationen, Lieder und Musik, Techniken der bildenden
Kunst bzw. bildendes Arbeiten mit Masken und Objekten in Bezug zu Themen und Texten. So soll ein nachhaltiger
kreativer Prozess eingeleitet werden, der den Teilnehmern als Modell der Bewältigung von Alltagsproblemen mit
künstlerischen Mitteln in der Freizeitgestaltung auch nach dem Projekt zur Verfügung stehen.
DETAILBESCHREIBUNGEN
WORKSHOP 1: TRANSFORMANCE lernen - soziotheatrale Improvisation mit Masken & Objekten
Leitung: Eva Brenner/Regisseurin, Patrizia Hirschbichler/Schauspielerin, Markus Kuscher/Ausstatter
Verwendete Texte: Bertolt Brechts Stücke, die im Hauptprojekt vorkommen
Das Transformance-Modell: Wir „performen“ unseren Alltag
Wer auf die „Bühne“ tritt, handelt und ist präsent! Anders als in Wort und Bild als Dokumentation des Denkens
setzt „Theater“ oder Performance“ die körperliche Präsenz, Darstellung und Behauptung des Selbst vor Publikum
voraus. Ein „inszenierter“ Körper im Raum ist die Erklärung des Menschen als gesellschaftliches Wesen, die
Bewusstmachung körperlicher Fähigkeiten und die Anerkennung gesellschaftlicher Präsenz. Transformative
Prozesse mit Mitteln des Theaters künstlerisch zu hinterfragen und bearbeiten bedeutet eine „Inszenierung“
sozialer Prozesse, der Einsatz persönlicher Biografie/n ist Widerstandsarbeit gegen das Verschwinden des
Einzelnen, ein Heraustreten aus dem Schweigen. „Transformatives“ Handeln im Raum, mit Partnern, Objekten
und bewegten Bildern offenbart theatrale Prozesse als transformativ/jederzeit änderbar, schafft
Gruppenzugehörigkeiten, macht selbst gestellte Themen und Problemstellungen sinnlich erfahrbar.
Der Workshop setzt sich jeweils aus 2 Teilen zusammen (Theorie/Praxis) und umreißt die Transformationsgeschichte und improvisatorische Arbeitsmethode der FLEISCHEREI_mobil in ihrer Progression von Theater zu
Performance zu „Transformance“: Modelle gruppendynamischer Aktion und performativer Veränderung in der
theatralen Entwicklung von Szenarien und Spielanordnungen. Ausgehend von biografischen Themen auf Basis der
Brecht-Texte werden Szenen mit körpertheatralen Mitteln Bewegungsspuren („Parcours“) im offenen Raum
entwickelt. Als Grundlage dienen Theaterspiele und einführende Körper/Stimmübungen des experimentellen
Theaters, Elemente der Improvisations- und Kompositionsmethode „Six Viewpoints of Performance“, des
„Theaters der Unterdrückten“ und Objekt-Gestaltung mit div. Materialien (Papier, Karton und Farben).
Workshop-Inhalte sind u.a. Warm-up (Begegnungs- und Vertrauensübungen),Theaterspiele, kreativen Raum-,
Körper- und Improvisationstechniken (u.a. „Six Viewpoints of Performance“, „Parcours“) , sozio-theatrale
Spielformen, biografische Erzählung, Szenenarbeit in Duos, Trios, Song & Dance; partizipative Methoden der
politische Performance. Kreation einer gemeinsamen Performance mit Bewegung, Text, Objekten, Liedern.
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WORKSHOP 2: Theater der Unterdrückten (in Kooperation mit TdU Wien)
Leitung: Birgit Fritz (TdU Wien)
Die international tätige Theaterpädagogin und Theaterwissenschaftlerin BIRGIT FRITZ („Theater der
Unterdrückten“, Wien) leitet einen partizipativen Workshop, der auf die Bedürfnisse das Projekt zugeschnitten
ist. Der Schwerpunkt liegt auf dynamischer Gruppenbildung, Techniken des Forum-Theaters und dem
„Regenbogen der Wünsche“ sowie auf interkulturellen Themen, Gesten, Stimm- und Körperbildern, die bei AUF
ACHSE verwendet werden. Inhalte sind Techniken des „Theaters der Unterdrückten“ von August Boal für Profis
und Laien, Theaterspiele, Improvisation, Forum Theater, Regenbogen der Wünsche. Birgit Fritz beschäftigt sich
seit Jahren mit Methoden Brasilianischen Theatervisionärs Augusto Boal (1931-2009), hat mit ihm, seinem Sohn
und Experten seiner Methode in den USA, Lateinamerika und Europa studiert und gearbeitet. Jahrelang leitete sie
das „Theater der Unterdrückten Wien“ (beheimatet im WUK).
Ziel des Workshops ist eine kritische Betrachtung und Veränderung unserer Grundhaltungen im Alltag. Der
Arbeitsbegriff sowie die Mechanismen solidarischen Handelns werden als für alle Gruppen zentrale Punkte
beleuchtet. Fokussiert wird die kreative Zusammenarbeit von sozial wie kulturell diversifizierten Gruppen – ob
KünstlerInnen, Geschäftstreibende, Arbeitslose, MigrantInnen – die wenig bis kaum Berührung miteinander
haben und die lernen, sich mit Mitteln der Kunst des „Theaters“ und der Performance anzunähern. Es gilt
Vorurteile abzubauen, aufeinander zuzugehen, im kreativen Spiel Geschichten zu erzählen und theatral zu
entwickeln, Einzel- und Gruppenszenen zu gestalten, in kleinen Teams Themen und/oder Texte zu performativen
Abläufen zu bündeln und dann gemeinsam aufzuführen. Untersucht werden Erfahrungen des „Alltags“ zu
aktuellen Themen wie „Strategien gegen den Rechtsruck“ anhand konkreter Bilder, Erzählungen und Erlebnisse,
die autobiografische Bezüge haben und gesammelt, strukturiert und danach „performt“ werden. Die
abschließende Kurzperformance führt über in ein gemeinsames Essen. 1. Tag: Warm-up, Tanz und Bewegung,
Einführende Spiele aus dem Setting des TdU, Einführung, Forum-Theater, Story Telling und Szenenarbeit mit
ausgewählten Texten (Forum-Theater). 2. Tag: Warm-up, Tanz und Bewegung, Spiele Einführung „Regenbogen
der Wünsche“, Szenenarbeit mit Texten und Themen, die gemeinsam mit den Beteiligten bestimmt wurden.
Augusto Boal wurde 1931 in Rio de Janeiro, Brasilien, und verstarb im Jahr 2009 ebenda. Er war ein brasilianischer Regisseur,
Theaterautor und Theatertheoretiker und der Entwickler der Theaterformen „Theater der Unterdrückten“, „Forumtheater“
und „Unsichtbares Theater“ und zuletzt des „Legislativen Theaters“, die seitdem zu international weit verbreiteten und
angesehen Methoden des politischen Theater zählen. Boal, dessen Vorbilder u. a. Bertolt Brecht und Konstantin Stanislawski
waren, ging es um eine Veränderung der Realität durch Theater, um Lösungen sozialer Probleme und einer Demokratisierung
der Politik durch Theater. Er gilt als bedeutender Theaterpädagoge und wurde für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.
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WORKSHOP 3: Musik, Tanz & Song & Improvisation
Leitung: Maren Rahmann/Schauspielerin/Sängerin, Walter Nikowitz/Musiker, Sybille Starkbaum/Tänzerin
Aufbauender Workshop in zwei Teilen, der sich mit der kollektiven musikalischen Umsetzung von ausgewählten
poetischen Texten aus Stücken der Zwischenkriegszeit – u.a. von Jura Soyfer, Bertolt Brecht, Else Lasker-Schüler –
beschäftigt. Er ist offen für interessierte TeilnehmerInnen aus einem Wiener Gemeindebau und wendet sich an
alle, die entweder bereits Musik machen, machen wollen oder sich dafür erstmals engagieren wollen. Es besteht
am Ende die Möglichkeit, bei einem abschließenden öffentlichen Showings am Ort des Geschehens und vor/mit
den BewohnerInnen des Gemeindebaus, das den Workshop-Prozess beschließt, mitzumachen (z.B. im Chor
mitzusingen und/oder kurze Szene und Gedichte vorzutragen).
Den Workshop untermalen Beispiele musikalischer Umsetzung von Texten Bertolt Brechts anhand von Passagen
und aktuellen Musik- und Liedprogrammen von Maren Rahmann und Walter Nikowitz. Vorstellung eines
ausgewählten Textes, Besprechung des Inhalts, der musikalischen Struktur, Möglichkeiten der rhythmischen
Umsetzung. Etablieren eines gemeinsamen Rhythmus, mit Klatschen und Perkussion. Rhythmisches Lesen
(rappen) eines Gedichts von Bertolt Brecht über den etablierten Beat. Reflexion des kollektiv Erlebten. Aktuelle
Möglichkeiten der darstellenden Kunst als Sozialkritik. Abschließend figurieren Proben und Showings.
WORKSHOP 4: BRECHT HEUTE? – zur Dramaturgie und Geschichte des Brecht-Theaters
Leitung: Eva Brenner/Regisseurin/Theaterwissenschaftlerin, Julia Pennauer/Kulturwissenschaftlerin, Heinz
Leitner/Dramaturg, Veronika Gmeindl/Theaterpädagogin
Das erfahrene Team führt in die Prinzipien von Brechts epischem Theater ein, die auch für Laien zugänglich sind.
Anhand von Brecht-Texten, die im 4-Jahreskonzept vorkommen, werden die Prinzipien des Brecht-Theaters in
kurzen Szenen unter freiwilliger Teilnahme erläutert und exemplifiziert: Fabel, V-Effekt, Brecht-Bühne, usw. Wer
nicht schauspielerisch agiert, bringt sich als „Dramaturgen“ und „Kritiker“ aktiv ein. Die Arbeit wird ergänzt von
Ausschnitten aus Videofilmen und Fotobeispielen bekannter Brecht-Theater-Inszenierungen, um einen kollektiven
Reflexions-und Dialogprozess zur Anwendbarkeit epischer Theatertechniken heute einzuleiten.
Der Workshop vermittelt theoretische und praktische Erfahrungen im Theaterspiel nach Brechts Methoden, die
nach jeder Session in der Gruppe ausführlich diskutiert werden. TeilnehmerInnen werden ermutigt, ihre eigenen
szenischen Strukturen auf Basis der Brecht-Stücke zu erstellen und Ideen für eine fiktive Inszenierung zu
gestalten. ÜbersetzerInnen begleiten die Arbeit, die u.a. aus gezielten Gesprächen mit migrantischen
TeilnehmerInnen über ihre Herkunft, das Theater ihrer Kulturen, ihre Lebenssituation in Österreich und ihre
Wünsche für die Zukunft besteht.
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Speziell für Kinder
WORKSHOP 5: – Theaterspiel & Improvisation mit Kindern aus dem Gemeindebau
Leitung: Veronika Gemeindl (TdU/Theaterpädaodin) & Team (Schauspieler/Sänger/Musiker)
Prozessbegleitender Theaterworkshop mit Kindern des Gemeindebaus dient sowohl der internen Gruppenbildung
und dem Team als auch den Kindern selbst, die zu einem neuen Erlebnis des Miteinanders geführt werden sollen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass nicht auf das Endprodukt, sondern auf dem Prozess selbst und die
jeweiligen Bedürfnisse der Kinder fokussiert wird. Theaterspiele, gemeinsames Erleben und neue Erfahrungen
stehen hier im Mittelpunkt, eigene Erlebnisse aus dem Alltag können je nach Wunsch der Teilnehmenden in das
Gesamtprodukt einfließen oder eine eigenständige Bearbeitung der Thematik bilden. Es steht natürlich außer
Frage, dass für diese Arbeit prozessbegleitende Anleitung mit pädagogischem Schwerpunkt anwesend sein wird
mit einem Verhältnis von max. 8 Kindern zu je einem Erwachsenen. Angewandte Methoden beinhalten:
Aufwärmen, Zentrieren, Bewegen, Gruppenübungen – in Kontakt kommen. Einfache Theaterspiele zur
Sensibilisierung der Wahrnehmung. Einführung in die spielerische Improvisation. Erarbeitung der jeweiligen
Brecht-Schwerpunkte, wenn nötig mit Hilfe thematisch anlehnbarer Kindergeschichten und Erarbeitung dieser
mit verschiedenen Methoden der Theaterpädagogik. Ebenso soll die jeweilige Brecht-Thematik wie z.B. der
widerständische Mut einer Figur wie die Mutter Courage, auf spielerische Art und Weise einfließen. Am Ende
jeder Workshop-Einheit steht ein Fest der Bühne, auf welcher die Kinder ihre Erarbeitungen zeigen können. Den
Kindern wird das Theater als Medium selbst, positive Eigenschaften des Theaterspielens sowie der bewusste
Umgang miteinander näher gebracht.
Fotos © Roman Picha, AUF ACHSE 2015, AUFSTAND DES GEWISSENS 2013, Wir sind alle MARIENTHAL! 2015
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B) PETER KREISKY_Gespräche 2018-2021- „SPIEL MIT DEM FEUER”
oder wohin steuert Europa
(4-6x/jahr), mit OKTO.tv
Foto P. Kreisky © E. Handl, FLEISCHEREI, 2008, rechts: PETER KREISKY_Europa-Gespräche 2014, Kulturcafé 7*: Eva Brenner, Walter Baier,
Ari Rath, Viola Raheb, Marwan Abado, 12-2014 (Kulturcafé Siebenstern)
Kuratorium: Eva Brenner (A/USA), Walter Baier (A), Hannes Hofbauer (A), Video/Dokumentation: Bernhard
Riener (A), Organisation: Felix Kristan (A), PR- & Pressearbeit: Andrea Munninger (A), Filme: Bernhard Riener (A)
Die seit knapp 16 Jahren im Aufbau befindliche Gesprächsserie KUNSTimDIALOG der FLEISCHEREI/später
FLEISCHEREI_mobil, wurde seit den Anfängen 1998 im alten Projekt Theater STUDIO zur erfolgreichen und
weit beachteten diskursiven Plattform für radikale, offene, system-kritische Diskussionen zum Verhältnis von
Kunst, Kultur, Wissenschaft und Politik ausgebaut. Bei kulturpolitisch Interessierten hat sie mittlerweile
Kultstatus als alternative Diskursplattform. Seit 2012 finden die Gespräche unter dem Titel „Peter Kreisky
Gespräche“ – in Hommage an Peter Kreisky, Mit-Kurator, Ko-Moderator und Förderer des Formats, statt.
Konsistent, mutig und aktivistisch wird der gesellschaftliche Status-Quo Krisen und offen Kritik geübt,
sondern werden auch Wege in die Zukunft gesucht, um der heimischen Kulturszene neue Impulse zu geben,
die sich im Kontext des neo-liberalen Umbaus der Gesellschaft in einer fortschreitenden Krise befindet.
l.: PETER KREISKY_EUROPA-Gespräche 2015 und 2016, Café 7Stern, Di-Tutu Bukasa (geb. Kongo, lebt in Österreich, Jurist, Hsg. „Die
Bunte Zeitung“), Susan Zimmermann (Wirtschafts-und Sozialhistorikerin, Central European University, Budapest), DDr.
Amadou-Lamine Sarr (geb. SEN, Univ. Wien/Inst. für Geschichte), DDr. Werner Zips, (Univ. Wien Kultur- u.
Sozialanthropologie, Autor). Rechts: IN MEMORIAM Peter Kreisky, STUDIO Okto.tv. Mai 2011
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„Demokratie braucht einen langen Atem“,
schreibt Peter Kreisky in seinem Buchbeitrag
zu „Die Fantasie und die Macht, 1968 und danach“, Czernin Verlag, 2007, Hg. R. Löw
Nach dem unerwartet frühen Tod von Peter Kreisky (1944-2010) – Sozialökonom, Menschenrechtsaktivist,
langjähriger Mitarbeiter der AK Wien sowie Co-Kurator und Obmann des Theaters – wurden die Gespräche
umbenannt zu „PETER KREISKY_Gespräche“ und stehen im Zeichen seines – die aktive Vernetzung von Kunst,
Kultur mit demokratiepolitischer Basisarbeit. Seit dem Jahr 2014 widmet sich die Gesprächsserie unter dem
neuen Titel „PETER KREISKY_Europa-Gespräche“ den aktuellen Themen von Demokratie- und Kulturkrise/n vor
dem Hintergrund der laufenden „Großen Krise“, die nach 5 Jahren ihren Höhepunkt noch nicht erreicht zu haben
scheint. Dieser Fokus wird auch in den nächsten Jahren fortgesetzt – so sind in diesem Rahmen Diskussionen mit
prominenten ExpertInnen im Kulturcafé Siebenstern zum Metathema „Spiel mit dem Feuer oder wohin steuert
Europa?“ in Planung. Die Gespräche sind Kooperationen der FLEISCHEREI_mobil, des Kulturcafé Siebenstern, des
Europäischen Think-Tanks transform! europe, transform.at, dem Verlag Promedia und dem lokalen TV-Sender
OKTO.tv. Sie werden einerseits im lokalen Rahmen des Kulturcafé Siebenstern, in befreundeten Cafés,
Veranstaltungsorten der Bezirke oder bei OKTO.tv aufgezeichnet. In Kooperation mit OKTO.tv werden die
Gespräche regelmäßig mehrmals ausgestrahlt (Schnitt/Nachbereitung gesponsert von OKTO.tv). Die
Zuschauerzahl variiert zw. 5000-20 000 – jährlich ca.250 000 potentielle ZuseherInnnen!
Programm Gespräche – Themenauswahl
1) PETER KREISKY_Europa-Gespräch – Massenmigration nach Europa und wie weiter?
Jahr für Jahr ertrinken hunderte, wenn nicht tausende Menschen aus Afrika und Asien auf der Flucht vor Krieg und Not im
Mittelmeer. Hundertausende machen sich aus dem Nahen Osten auf nach Deutschland auf den Weg. Wir wollen der Frage
nachgehen, warum Millionen in Syrien, Afghanistan, Pakistan, aber auch auf dem Balken und in einer Reihe afrikanischer
Länder sich auf den Weg in EU-europäische Zentren machen. Inwieweit hat diese „Völkerwanderung“ mit - meist von der
NATO - geführten Kriegen zu tun und welche Rolle spielen liberale Handelsverträge, die Bauern und Fischer in ihrer
Existenzgrundlage bedrohen. Auch Gedanken über die gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Flucht-bewegungen in den
Herkunfts- und den Zielländern stehen im Mittelpunkt dieses Gesprächs.
Moderation: Eva Brenner, Hannes Hofbauer, TeilnehmerInnen: Alexander Novak (SOS Mitmensch), Michael Genner (Asyl in
Not), Anny Knapp (Asylkoordination), Richard Schuberth (Autor), Nancy Mensa-Offei (Schauspielerin).
2) PETER KREISKY_Europa-Gespräch – Neue Reproduktionstechnologien: Chancen – Grenzen – Risiken
In den vergangen Jahren war in Österreich eine Reihe von gesetzlichen Regelungen in Bezug auf die sog.
Fortpflanzungsmedizin ein heftiger öffentlicher Diskussion. Veränderungen wurden im Parlament bereits beschlossen, so
wird auch Adoption und Obsorge wurde teilweise neu geregelt. Der Zusammenhang all dieser Bereiche besteht in einer
weitreichenden gesellschaftspolitischen Frage: danach, wie liberalisiert oder geregelt, wie sehr der Natur überlassen oder
technisch bewerkstellig die menschliche Fortpflanzung sein soll, wie sehr Frauen von den neuen Regelungen betroffen sind,
und welche Rolle die Frauenbewegung in dieser Diskussionen spielt
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Moderation: Eva Brenner, Walter Baier, TeilnehmerInnen: Nadja Trallori (Univ. Wien, feministische Wissenschaftlerin,
Politologin, Autorin, Aktivistin), Bärbel Danneberg (A, Journalistin, Autorin, Feministische Aktivistin, Mitbegründerin
Plattform 20 0000 Frauen), Alexandra Weiss (Univ. Innsbruck, Politikwissenschaftlerin), Marlen Schachinger (Autorin),
Dr.med. Wolfgang Clementi (Arzt, Reproduktionsexperte).
3) PETER KREISKY_Europa-Gespräch – Das syrische Dilemma und unsere Ohnmacht
Aus lokalen Unruhen im März 2011 hat sich ein Bürgerkrieg entwickelt, der auch für intensive Beobachter der Szene immer
unübersichtlicher werden. Mittlerweile ist ein Flächenbrand durch das Land gezogen, der über 200.000 Menschen das Leben
gekostet und acht Millionen zur Flucht getrieben hat. Seit der Islamische Staat im Süden und Kurdenmilizen im Norden
autonome Verwaltungen etabliert haben, kann von einem einheitlichen syrischen Staat nicht mehr gesprochen werden. Wir
gehen der Frage nach, wie es zum rasend schnellen Zerfall der syrischen Staatlichkeit kommen konnte und welche
inneren/äußeren Faktoren dafür verantwortlich sind. Wer steht hinter den sich bekämpfenden Gruppen und welche
geopolitisch/wirtschaftlichen Interessen spielen dabei eine Rolle.
Moderation: Eva Brenner, Hannes Hofbauer, TeilnehmerInnen: Karin Kneissl (Nah-Ost Expertin), Leo Gabriel (Anthroprologe,
Journalist), Tyma Kraitt (Autorin, Journalistin).
4) PETER KREISKY_Europa-Gespräch – Wo geht’s hier zum Aufschwung?
Die aktuellen wirtschaftlichen Indikatoren zeigen, dass Europa, die EU und die Europagruppe die Krise keineswegs hinter sich
haben. Die Arbeitslosenraten bleiben in mehreren Ländern auf einem Rekordniveau. Betroffen ist vor allem die junge
Generation. Die Austeritätspolitik, die mehreren Ländern durch die EU-Kommission aufgezwungen wurde, hat die Nachfrage
drastisch reduziert und die Investitionen sinken lassen. Was droht, sind Deflation und wirtschaftliche Depression. Welche
Ursachen lassen sich für die Hartnäckigkeit der Krise benennen? Welche Auswirkungen auf Österreich sind absehbar und wie
sehen wirtschaftspolitische Alternativen aus?
Moderation: Eva Brenner, Walter Baier, TeilnehmerInnen: Margit Hahn (Autorin, Betriebsrätin), Gabriele Michalitsch (WU,
feministische Ökonomin), Stephan Schulmeister (A, Wirtschaftswissenschaftler), Birge Krondorfer (Philosophin, Autorin von
z.B. „Frauen und Ökonomie“), Pirmin Fessler (Nationalbank, linker Analytiker), ev. auch Phillip Ikrath (Jugendkulturforscher).
Fotos © Blind Spot E², KUNSTimDIALOG Gespräche Frühjahr, Herbst 2010, Jahreszyklus der FLEISCHEREI: “ART OF LIFE_transition”
Stephan Schulmeister, Marlene Streeruwitz, Peter Kreisky, Radovan Grahovac, Peter Kreisky, Wolfgang Petritsch, Radovan Grahovac
PETER KREISKY_Europa-Gespräch 3/2014: Das Erbe des 12. Februar 1934 und das Rote Wien, Publikumsdiskussion mit Zeitzeugen
Walter Stern und den Kuratoren des „Waschsalon“ im Karl-Marx-Hof, Lilli und Dr. Werner T. Bauer, Moderation: Eva Brenner
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ANHÄNGE
-
Zeittafel des Roten Wien
-
Geschichte Projekt Theater STUDIO/FLEISCHEREI_mobil
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Definition Gemeinwesenarbeit inklusive BASSENA als Beispiel
-
Biografien Künstlerische MitarbeiterInnen
-
Biografie Bertolt Brecht
l.: Karl-Marx Hof, Wien 1190, r.: Der WASCHSALON, ein zeitgemäßer Ausstellungsraum im Karl-Marx-Hof heute
Diverse Ansichten von Wiener Gemeindebauten
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ZEITTAFEL DES „ROTEN WIEN“ (1918-1934)
1917

26. Januar: Mieterschutz. „Kaiserliche Verordnung über den Schutz der Mieter“

Mai, November: erste große Aufstände österreichischer Arbeiter. Novelle zum
Krankenversicherungsgesetz.
1918




1919

März: Gesetz über die Vorbereitung der Sozialisierung.

Mai, Juli, Dezember: Gesetz über Errichtung von Betriebsräten. Arbeiterurlaubsgesetz
beschlossen. Gesetz über Einigungsämter und kollektive Arbeitsverträge.
1920


1921

11. Mai: Angestelltengesetz beschlossen

Dezember: Gesetz über den Abbau der staatlichen Lebensmittelzuschüsse.
Teuerungsdemonstrationen der Floridsdorfer Arbeiter.
1922
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Juni: 48std Streik der Verkehrsbediensteten. Gründung der Arbeiterbank
1923

Juni: Streik gegen den Lebenshaltungskostenindex
1924

Spekulationen führen zum Börsenkrach. Bankangestelltenstreik, Streik der
Metallarbeiter. Streik der Eisenbahner.

Dezember: Schilling- statt Kronenwährung
1926

1927

Überfall der Frontkämpfervereinigung auf eine Versammlung des republikanischen
Schutzbundes in Schattendorf. Zwei Tote.

Besserung der Wirtschaftslage. Inlandsarbeiterschutzgesetz beschlossen

Juli: Freispruch der Schattendorfer Frontkämpfer. Brand des Justizpalastes, 90 Tote,
1100 Verletzte.
1928

Mai: Sogenannte „Unabhängige Gewerkschaften“ gegründet.

3. Juni: deutsch-österreichischer Gewerkschaftskongress. Umwandlung der
Gewerkschaftskommission in den Bund der freien Gewerkschaften Österreich
1929

Herbst: Verfassungsreform
1931

Programm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird vorgelegt
1933



30. Januar: Machtübernahme Hitlers in Deutschland
4. März: Ausschaltung des österreichischen Parlaments
Notverordnungen verschlechtern sozialpolitische Gesetzgebung
1934

12. Februar: Erhebung des Rep. Schutzbundes: 118 Tote, 486 Verwundete bei der
Exekutive, 196 Tote, 319 Verletzte bei der Zivilbevölkerung.

Verbot der Sozialdemokratischen Partei.
Jännerstreik
3. März: Friedensvertrag mit der Sowjetrepublik
30. Oktober: F. Hanusch übernimmt das Staatsamt für soziale Fürsorge.
12. November: Ausrufung der Republik Österreich. Einstellung aller Feindseligkeiten.
26. Februar: Gesetz zu Errichtung von Kammern für Arbeiter und Angestellte.
Juni: Die Sozialdemokraten treten aus der Regierung aus
Krankenkassenorganisationsgesetz
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ZUR GESCHICHTE DES THEATERS (1998-2016) / Projekt Theater STUDIO/FLEISCHEREI_mobil
1998 eröffnete die 1991 als Verein PROJEKT THEATER / Wien - New gegründete interdisziplinäre Truppe freier Theaterschaffender ein
neuartiges Labor für experimentelle Theater- und Performancekunst in Wien Neubau. Ziel des Ensembles für kontinuierliche
Entwicklung interaktiver und internationaler Performancepraxen war das Aufgreifen gesellschaftskritischer Texte und Themen. Allen
voran Uraufführungen österreichischer Autorinnen (u.a. Marlene Streeruwitz, Elisabeth Reichart, Margit Hahn) und Bearbeitungen
nicht-theatraler Texte Ingeborg Bachmanns, Hanna Kralls, Werner Schwabs., Else Lasker-Schülers. Jährlich wurden je 2
Hauptproduktionen, Workshops mit ausländischen Trainern, Special Events und Gastspiele produziert. Es folgte das Theaterprojekt
„Auf der Suche nach Jakob“ 2003, der langfristig konzipierter Projektzyklus „ENDSPIEL in process” (1998-2000), sowie
„PHANTOM:LIEBE“ (2000-2003).
Anfang 2004 begann die konsequente Neuorientierung in Richtung soziotheatraler Arbeitsformate mit Künstlerinnen, Migrantinnen
und Menschen aus NGOs, Gewerbetreibenden und Menschen im Bezirk. Nach empfindlichen Budgetkürzungen in Folge der sog.
Wiener Theaterreform bezog die Truppe den neuen Aktionsraum FLEISCHEREI in Wien Neubau und setzte auf konsequent Expansion
in die Community. Projektzyklen inkludierten „NICE TO MEAT YOU!/Szenen im Zeitalter von TERROR & COOLNESS“ (2005-2007) oder
kultige Montagabend-Show-Serien mit KünstlerInnen, MigrantInnen aus über 20 Ländern und Marathon-Performances wie das 10
Tage/10 Nächte Polit-Spektakel HERZ.STÜCKE zum 10. Todestag von Heiner Müller. Weitere Projekte waren multikulturelle
Hochzeitsrituale mit MigrantInnen in Szenelokalen, „migration mondays : KITCHEN STORIES“, die einige Jahre lief und über 1500
TeilnehmerInnen zusammenbrachte, oder der Theater-Marathon „ACHTUNDSECHZIG… imagine all the people…“. Ab 2008 wurde der
internationale Austausch verstärkt und das Signatur-Projekt als Quintessenz soziotheatraler Arbeitsformen unter dem Titel „AUF
ACHSE“ erfunden, das in Zusammenarbeit mit KünstlerInnen, MigrantInnen, AsylwerberInnnen und KMUs entstand, seitdem jährlich
stattfindet (2010 Innovationspreis IG Kultur Wien, Kategorie Intl. Austausch).
2010 verstarb unerwartet der Obmann, Mentor und Kurator Peter Kreisky, worauf weitere Budgeteinbußen Mitte 2011 die
Schließung der FLEISCHEREI erzwangen. Daraufhin verpasste sich die Truppe eine radikale Neupositionierung als flexibel
produzierendes Theater mit Titel FLEISCHEREI_mobil, gespielt wird seither nomadisierend an Spielorten quer durch Wien. Es erfolgte
eine weitere Öffnung hin zur Community durch Bespielung öffentlicher Räume, die Inklusion von MigrantInnen und neuer, nicht
theatergewohnter Publikumsschichten. Ab 2009 wurde das Projekt UNRUHIGE ZEITEN nach Texten von Ingeborg Bachmann und Paul
Celan nach Valencia eingeladen, und wurde auf mehreren Tourneen präsentiert (Israel, The Arab-Hebrew Theater of Jaffa, Tel Aviv,
Universität Haifa). 2006 begann die langfristige dramatische Arbeit an dem Romanfragment von Jura Soyfer, „So starb eine Partei“
(1934), mit einer großen Bezirkstournee des Performancezyklus „Denn nahe, viel näher, als ihr es begreift“, die 2012 und 2014
wiederbelebt wurde „Was draußen lag, war Fremde!“, „Eine Fremde Stadt!“. Außerdem erfolgte die Expansion der Diskursserie
„KUNSTimDIALOG“ in Kooperation mit OKTO.tv, die jährlich mehrere hunderttausend ZuseherInnen erreicht (seit 2011 als „PETER
KREISKY_Gespräche“ und seit 2014 unter dem Titel „PETER KREISKY_Europa - Gespräche“). Seit 2011 erforscht Eva Benner ein neues
performatives Genre unter dem Label „Transformance“ als Schnittmenge von künstlerischer Performance/Kunst und sozialer Aktion,
das zu ungewohnten, sozial-politisch engagierten Arbeitsformen, der Integration neuer Akteure und internationalen Vorträgen und
Gastspielen führte (u.a. in den USA, China, Israel). 2014 gab es Aufführungen in über einem Dutzend Wiener Bezirken der erweiterten
Textfassung von Brenners Dramatisierungen des Jura Soyferschen Romanfragments SO STARB EINE PARTEI als mehrjähriger Zyklus
mit neuen Musikvertonungen. 2015 folgte eine Expansion laufender Projekte wie das migrationspolitische Straßentheaterprojekt AUF
ACHSE oder die PETER KREISKY_Europa-Gespräche in Kooperation mit OKTO.tv, die mittlerweile Kultstatus erlangt haben. Das war
gefolgt von der Uraufführung des Erinnerungsprojekts „DU SEI Wie DU, immer.“ nach Korrespondenzen von Ilana Shmueli und Paul
Celan (LICHTHOF, MUSA) und der Revitalisierung politischer Performance-Formate mit der Produktion „Wir sind alle MARIENTHAL“
auf Basis der legendären soziografischen Studie (1933) „Die Arbeitslosen von Marienthal“ von Jahoda/Lazarsfeld /Zeisel, ergänzt um
den Uraufführungstext „Fair und nachhaltig kündigen“ der jungen niederösterreichischen Autorin Margit Hahn. Diese
Erfolgsproduktion wurde bisher in mehreren Fassungen auf Wien-Tournee und Niederösterreich gezeigt, zog deutlich steigende
Zuschauerzahlen und mediale Aufmerksamkeit an und wird 2016 unter dem Titel BITTE WENDEN!, das als Pilotprojekt im WUK
PROJEKTRAUM 14 Tage Theateraufführungen der FLEISCHEREI_mobil nonstop zeigt, Workshops mit NGOs, OKTO.tv-Diskussionen,
Cabaret und das jährliche Straßentheaterspektakel AUF ACHSE.
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Seite 68
Definition von Gemeinwesenarbeit (GWA)
Gemeinwesenarbeit ist ein prozessorientiertes, partizipatives und interdisziplinäres Arbeitsprinzip der Sozialen
Arbeit, das darauf abzielt, gemeinsam mit den Menschen in Stadtteilen nachhaltige Verbesserungen ihrer
Lebenssituation zu erreichen. Die GWA zielt darauf ab, die Menschen in einem Grätzel/Stadtteil zu ermutigen, zu
fördern und zu unterstützen, für ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse aktiv zu werden (= Empowerment) und
damit ihre Lebensqualität zu erhöhen. Außerdem wird versucht die materielle Situation im Stadtteil, also die
öffentlichen Räume, die Wohn- und Arbeitssituation, die Verkehrssituation, die Spielplätze, das kulturelle
Angebot etc., zu verbessern; wie auch die immateriellen Faktoren zu stärken bzw. zu verbessern, also das soziale
Klima, die räumliche Identität, das bürgerschaftliche Engagement, das Demokratieverständnis etc. Die GWA trägt
auf diese Weise zur Stadt(teil)entwicklung bei. Die GWA setzt immer bei den Stärken und Ressourcen der
BürgerInnen und des Stadtteils an. Das kann methodisch auf sehr unterschiedliche Weise geschehen - je nach
Aufgabe und Zielgruppe und je nach Konflikten und Bedürfnissen im Gemeinwesen.
Quelle: http://www.partizipation.at/gemeinwesenarbeit.html
Beispiel für Gemeinwesenarbeit: Bassena - Wiener Stadtteilzentrum in der Siedlung Am Schöpfwerk
Die Bassena ist ein Wiener Stadtteilzentrum in der Siedlung Am Schöpfwerk, das seit Bestehen des Wohngebietes
(1982) das Schöpfwerkleben beeinflusst. Dabei wird der kontinuierliche Dialog zwischen unterschiedlichen
Interessensgruppen und AkteurInnen im Stadtteil organisiert, damit sich mit deren Ideen und Engagement sozial
nachhaltige Lösungen etablieren. Bei diesem Projekt wird Gemeinwesenarbeit als erprobtes Arbeitsprinzip
gesehen, mit dem die Wirkungen globaler Entwicklungen im Stadtteil zum sozialen Wohl der Menschen
bearbeitet werden. Das Stadtteilzentrum „Bassena Am Schöpfwerk“ ist mehr als nur ein Ort der Kommunikation.
Ziel der Bassena ist es, die Lebensqualität der BewohnerInnen im Gemeinwesen zu verbessern sowie den
gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Dafür werden Strategien und Lösungen mit den BewohnerInnen,
den Institutionen, der Kommunalpolitik und der Verwaltung entwickelt. In den Räumen der Einrichtung und im
öffentlichen Raum werden Aktivitäten und Prozesse inszeniert, in welchen die alltäglichen Themen der
BewohnerInnen dieser Großwohnanlage erkundet und bearbeitet werden. Die Vielfalt der Menschen und deren
Lebenswelten erfordern maßgeschneiderte methodische Konzepte, die sich jeweils an den Gegebenheiten und
Situationen prozesshaft orientieren. Die GemeinwesenarbeiterInnen haben die gesamte Diversität der
Bewohnerschaft des Stadtteils im Blickfeld. Das bedeutet, dass die unterschiedlichen Milieus, Geschlechter,
Generationen und Ethnien in ihrer komplexen Gesamtheit die Zielgruppe dieser Gemeinwesenarbeit darstellen.
Gerade in der bewussten Wahrnehmung des Reichtums der vielen Unterschiedlichkeiten der Menschen und
deren Lebenswelten eröffnen sich neue Perspektiven für vorhandene Ressourcen.
Quelle: http://www.bassena.at/
Konzept „Zwischen noch nicht und schon nicht mehr“: 4 Jahre BRECHT im GEMEINDEBAU 2018-21
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BIOGRAFIEN KÜNSTLERISCHE MITARBEITER/INNEN (Auswahl)
Andrea Munninger (A) / Kulturmanagerin, Projektleitung
Geboren 9.1.1963 in Gmunden,(Ö). Studium der Künste am New College of California in San Francisco (Usa) und 2-jähriger
Aufenthalt in Kalifornien. Studium der Völkerkunde in Wien. Danach 2-jähriger Aufenthalt in Berlin und politische Tätigkeit bei der
Antifa. Erste Erfahrung als Projektassistentin im Kunsttheater Wien und bei verschiedenen Kunstprojekten in Wien, Berlin, San
Francisco. Reisen nach Ägypten. Über 15 Jahre Tätigkeiten im Hotelmanagement, in der Verkaufsberatung und in der
Betriebswirtschaft. Seit Jänner 2012 Projektorganisation der Jura Soyfer Theatertournee 2012, 2014 im Projekttheater
FLEISCHEREI_mobil, Wien.
Bernhard Riener (A) / Filmemacher, Dokumentarist
Geboren 1980 in Altenberg bei Linz, Oberösterreich. 2001 – 2003 Studium an der FH Salzburg. 2003 – 2005 Studium an der
Southampton Solent University/Faculty for Media & Arts in Film Studies/Script & Directing bei Ken Russell und Jon Sanders. Seit
2005 freier Filmschaffender und Dienstnehmer bei verschiedenen Filmproduktionen. Projekte (Auswahl): Vater Unser –
Kurzfilmprojekt, Nancy Transit – Musikprojekt, QQPIN-Cans in the City – Fotoprojekt, Endspurt – Feature Filmprojekt. Werkliste
(Auswahl): Der Sohn & Sein Vater - Crossing Europe, Freischwimmer - Crossing Europe, Festival of Nations, AcTÚa Filmfestival in
Spain, Bloomy Ashtray - nominiert für den Diagonale Carl Mayer Drehbuchpreis, Auden – Southampton Filmfestival, Glastonbury
Filmfestival, Urban Filmfestival in Spain, Filmriss Filmfestival, Sebastian – Glastonbury Filmfestival
(http://vimeo.com/user10834808. Letzte Filme: Der Vater & sein Sohn, Freischwimmer (2012).
Dagmar Schwarz (A/IL) / Schauspielerin
Aufgewachsen in Wien und London, Mitwirkung in zahlreichen Fernsehproduktionen wie „Soku Donau“, „Schnell ermittelt“, „Sterne
leuchten auch am Tag“, „Schlosshotel Orth“ und vielen anderen. Sie arbeitete am TaT in Frankfurt/M, am Schauspiel Essen und
Bochum, beim Basler Theater, dem Ensemble Theater, dem Volkstheater Wien, dem Theater in der Josefstadt und dem Khan
Theater Jerusalem. Außerdem veranstaltete sie zahlreiche Lesungen und Soloprogramme.
Elisabeth Falkinger (A) / Künstlerin, Assistenz
Geboren 1988 Rohrbach/OÖ. Als ausgebildete Gärtnerin in die Vereinigten Staaten. War dort 2 Jahre zum Arbeiten und Reisen bis
zum Entschluss, das Studium Landschaftskunst auf der Universität für angewandte Kunst Wien zu besuchen und absolvieren.
Seitdem als freie Künstlerin zwischen Wien, Oberösterreich und Ukraine. Der Fokus ihrer Arbeiten liegt in der Zerpflückung
einzelner Motive/Inszenierungen von Landschaft und deren Wahrnehmung.
Eva Brenner (A/USA) / Regisseurin, Theaterwissenschaftlerin, Aktivistin
Geb. 1953 in Wien, ist seit 30 Jahren als freie Theaterschaffende und Produzentin sowie Theaterwissenschaftlerin in Wien und den
USA tätig. Lange Auslandsaufenthalte, u.a. Schweiz, Deutschland, Italien, Frankreich; 1980-1994 in New York (Studium der
Performing Arts und Performance Studies, Abschlüsse mit M.A. und Ph.D., Theaterarbeit Off und Off-Off Broadway als Regisseurin
und Bühnenbildnerin). Seit 1991 co-künstlerische Leiterin des Experimentaltheaters „Projekt Theater STUDIO“, seit 2004 des
Theater- und Kunstraums FLEISCHEREI in Wien. Regiearbeiten u.a. bei den Wiener Festwochen, im Stadttheater Klagenfurt, für Graz
2003 (Literaturhaus Graz), das Konzerthaus Wien, dietheater Wien, WUK. Entwicklung neuer Modelle soziotheatraler Arbeit mit den
Jahreszyklen „NICE TO MEAT YOU!, „CREATING ALTERNATIVES“, „ART OF SURVIVAL“ und „ART OF LIFE“ – theoretische und
praktische Erforschung eines „Theater of Empowerment“ in Kooperation mit StadtteilvertreterInnen, NGOs, neuen sozialen
Bewegungen und div. Zielgruppen (MigrantInnen, Jugendliche, Asylanten). 2002 Mitbegründerin des internationalen
SCHIELEfestivals Neulengbach (NÖ), das 2007 erstmals die Stadt Tulln (NÖ) einbezieht sowie 2003 ILéMOUVANTE auf der Insel
Korsika, Frankreich. Seit 2008 Entwicklung soziotheatraler Prozessionen im öffentlichen Raum, erstmals intensive Beschäftigung und
Zusammenarbeit mit AslywerberInnen. 2009 Regiearbeit zu Heiner Müllers „Hamletmaschine“ mit Schauspielerlern, schwarzen und
Latino Jugendlichen in New York (Castillo Theater). Seit 2007 ausgedehnte Reisen nach Israel, Polen und die USA für Vorarbeiten
kommender Austauschprojekte. 2010 Künstler. Leitung von „AUF ACHSE 2010: Alle kommen zu uns“, sozio-theatrales
Straßentheater und Fest (INNOVATIONSPREIS der IG KULTUR Wien und „UNRUHIGE ZEITEN“, Performance Installation nach Briefen
und Texten von I. Bachmann & P. Celan (Valencia; SP). Ende 2013 erschien ihr Buch „ANPASSUNG oder WIDERSTAND. Freies
Theater heute. Vom Verlust der Vielfalt“ (Promedia Verlag, Wien). Vorträge an Universitäten und für Kulturorganisationen zu
Fragen des politischen Theaters, der Performance und Theaterarbeit mit MigrantInnen.
Felix Kristan (A) / Politologe, Dramaturgie
1987 in Wien geboren. Dramaturg für die Theatervereine Fleischerei_mobil und PRO & CONTRA. Hat auf der Universität Wien
Politikwissenschaft studiert und sich in seiner Diplomarbeit mit Demokratietheorie beschäftigt. Diverse Praktika im Bibliotheks-,
Archiv- und Medienwesen. Schreibt freiberuflich Berichte für die Wiener Wohnbauforschung.
Konzept „Zwischen noch nicht und schon nicht mehr“: 4 Jahre BRECHT im GEMEINDEBAU 2018-21
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Heinz Leitner (A) / Regieassistenz
Geboren 1984 in Judenburg. Matura an der HTL für Automatisierungstechnik Wolfsberg. Studium der Theaterwissenschaften,
Philosophie und Deutsche Philologie in Wien. Tätig als Bühnen- und Veranstaltungstechniker bei den Wiener Festwochen,
Impulstanz, Viennale International Filmfestival und Theater Nestroyhof Hamakom, dort auch dramaturgische Mitarbeit in diversen
Projekten, Regieassistenz bei der Wiener Achse.
Kari Rakkola (FIN) / Schauspieler, Musiker
Arbeitete als Schauspieler und Regisseur auf allen wichtigen Bühnen in Finnland. Lebt und arbeitet seit 1993 als Schauspieler,
Regisseur in Österreich. Wichtige Stationen als Schauspieler Teatteri Pesä, Teatteri, Helsinki Sommertheater, Finnisches
Nationaltheater, Seinäjoki Stadttheater, Rauma Stadttheater, Turku Sommertheater, Kotka Stadttheater, Wien
Odeon/Serapionstheater, Zenith Productions, Theater Sägewerk Mariensee, Seinäjoki Stadttheater (Gastspiel), Helsinki Musikhaus /
Sibelius Akademie; weiters Arbeiten für Film, Fernsehen, Radio; Pädagogische Arbeiten.
Luise Ogrisek (A) / Schauspielerin & LebensTanzKünstlerin
Geboren in Wien. 2004 Schauspieldiplom an der Anton Bruckner-Universität, Linz. Seither freie Schauspielerin. Künstlerische Arbeit
auf der Bühne, im Tonstudio, beim Film, künstlerisch-wissenschaftlich transdisziplinäre Projektarbeit, Sprechunterricht für Kinder
und Erwachsene. Außerdem Körper- und Energiefeldarbeit, Dragon Dreaming Projektdesign, Entwicklung von ganzheitlichnachhaltigen Lebensräumen und Unternehmen(skultur); Unterstützung frauenpolitischer Anliegen; Netzwerkerinterproduktionen
Maren Rahmann (D) / Schauspielerin, Performerin, Clownin und Mutter
Geb. 1964 in Hamburg; 4-jährige Vollausbildung an der Theaterakademie Spielstatt Ulm. Tourneen durch Deutschland, Schweiz,
Kärnten, Südpolen. Langfristige Mitarbeit im Projekttheater Studio Wien-New York, Engagements bei: Klagenfurter Ensemble,
Studiobühne Villach, Theater Foxfire, Rabenhoftheater, Operntheater Sirene, Burgtheater u.a. Letzte Arbeiten: „Der hungrige
Suppentopf“ Erzähltheater zum Thema Armut, „Marie übt die Anarchie“ Musikperformance zum Thema Geld & Utopie, „Matilda“
anarchistisches Kinderstück (Coautorin + Musik), „Auf diesem dunkelnden Stern“ Solo-Performance über Ingeborg Bachmann. Seit
1998: Roten Nasen Clowndoctors, Auftritte in Kinderspitälern, Geriatrien, Rehabzentren, Asylheimen, Gefängnis, Straßenfesten,
Events, TV & Radio; Teilnahme an Festivals (Egon-Schiele-Festival/Neulengbach, I’le mouvante-Festival / Korsika, Rund-um-die-BurgLiteraturfestival / Wien, Lesofantenfest / Wien, Akkordeonfestival / Wien, SOHO in Ottakring, Shäxpir-Festival / Linz, Szene Bunte
Wähne / Horn); Gründungsmitglied von „Ewiges Kind“ tschechich-ungarisch-österreichische Musik-Multimedia-Gruppe; Gründung
von „Makoja“: Multimedia-Performancegruppe Gründung von „Manumi“: türkisch-deutsche Musik-/Performancegruppe Text-&
Lyrikvertonungen, Lesungen, Kindertheater, Moderationen, Coaching, Workshops/Fortbildungen, eigene Performances und
Konzerte. Musik: Akkordeon, Stimme, Kalimba, Flöte, Mundharmonika, Toys.
Markus Kuscher (A) / Kostümbildner, Ausstatter, Objektkünstler
widmet sich seit dem Kindesalter der Umsetzung künstlerischer Ausdrucksformen unter Gebrauch materieller als auch
vergänglicher Ausgangsstoffe. Er verwendet Restabfall und Überflussprodukte seiner Umwelt und verarbeitet diese zu einem
facettenreichen Spektrum imaginärer Bildimpressionen. Ein „found – garbage –artist“ der Bühnenkunst, der sich das Prinzip des
FINDENS und GEFUNDENEN zur obersten Prämisse macht.
Marta Gomez Martinez (ES) / Bildende Künstlerin, Performerin
Geboren 1973 im Baskenland, lebt und arbeitet in Wien. Studium der bildenden Künste an der Complutense
Universität in Madrid und an der Akademie der bildenden Künste in Wien.
Ausstellungen und Projekte in Wien, Madrid, San Sebastian, München, Belgrad, Venedig. Teilnahme an internationalen Workshops
u.a. „Performing Rights“, Wien, „Urban constructions“, San Sebastian, „Metodi. Methodologien der Kunst als soziale Praxis“,
Bologna. Forschungsarbeit: Künstlerische Interventionen in gesellschaftlichen Veränderungsprozessen. Derzeit u.a. Forschungen
und Lehrtätigkeiten zu „Social Art“ in San Francisco, USA.
Patricia Hirschbichler (A) / Schauspielerin
Spielte viele Jahre im Echoraum Wien ( u.a Arno Schmidt, Bouvard&Pécuchet von Flaubert/Pevny, Das Abendmahl von James
Joyce/Pevny),im Volkstheater Wien „Fluchtarien“ von Julia Rabinovic und „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ von Eugene
O’Neill. Sie wirkte u.a. in den Filmen „Gruber geht“ von Marie Kreutzer und „Vergeben und Vergessen“ von Michael Ramsauer mit.
Sie hat eine Lesereihe mit Büchern aus der Edition Splitter kreiert, bei der sie monatlich zu gesellschaftlich relevanten Themen liest.
Sie war Vorstandsmitglied des Vöfs und Fachgruppenvorsitzende der Kmsfb.
Konzept „Zwischen noch nicht und schon nicht mehr“: 4 Jahre BRECHT im GEMEINDEBAU 2018-21
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Prince Zeka (DRC) / Musiker, Songschreiber
Geboren im Osten der Dem. Rep. Kongo als Nachfahre eines Kamituga-Königs. Er maturierte am Institut Lumumba und begann seine
universitäre Ausbildung am Institut Pedagogique National de Kinshasa. In Europa studierte er weiter am Efec in Brüssel, sowie an
der Universität Wien. Schon bald gehört er zu den beliebtesten afrikanischen Musikern in Österreich. Von 2007-2012 produzierte er
3 Alben: „M’Zee Waka“, „Maturite“, „Ecoutez“. Mit seinem unverwechselbaren Stil des „Makoul“, der noch am ehesten in die
Weltmusik eingereiht werden kann, vermittelt er Botschaften der Solidarität für Afrika. Er wurde von der „Universal Peace
Federation“ zum „AMBASSADOR FOR PEACE“ ernannt.
Raimund Brandner (A) / Schauspieler
Geboren (1954) in Wien, Stationen: PupoDrom, Serapionstheater, Vienna Art Orchestra (Regie), Kiskillila Theater, Drama Wien,
Theater zum Fürchten, bluatschwitzblackbox (Bad Aussee), Theater Forum Schwechat, zahlreiche Lesungen, eigene Regiearbeiten
(Theater, Performances u.a.), Musik (Jazz), Lesungen, div. kleinere Filmrollen
Richard Bruzek (A) / Techniker, Lichtdesigner, Musiker
Arbeitet seit vielen Jahren an verschiedensten Mittelbühnen und in Off-Theaterbereichen als Techniker, Lichtdesigner und Musiker;
vor allem in der Brunnenpassage im 16. Bezirk. Seit einem halben Jahr ist er als technischer Leiter bei dem Projekt Theater
FLEISCHEREI und beim Theaterverein Pro und Kontra wo er das SCHIELE fest St. Pölten 2010 technisch betreut.
Songül Beyazgül alias SAKINA (KUR) / Sängerin, Journalistin und Schriftstellerin
Geboren 1973 in NordKurdistan, kam vor 5 Jahren, als politischer Flüchtling nach Wien. Sie tritt als Rednerin für die Rechte der
KurdInnen auf und gibt regelmäßig Konzerte in Österreich und Deutschland. Sakina und ihre BegleiterInnen schaffen mit regionalen
Gesangsstilen und experimentellen Techniken eine Synthese aus Tradition und Avantgarde. Auf den Spuren ihrer Vorfahren
entdecken Sie die Musik der Region neu und interpretieren sie zeitgemäß. Neben ihren zahlreichen Auftritten als Solistin, gründete
Sakina das „Trio Mara“, das klassische kurdische Musik, mit Fokus auf die kurdischen Frauen, interpretiert.
Ull Fuchs (A) / Volkskundlerin und Kulturarbeiterin, Projektleitung
Geboren 1966 in Wien. Organisatorin der Kritischen Literaturtage & des "Labor Alltagskultur". Generationenübergreifendes Spielen
& Lernen. DJ und Chorsängerin.
Verena Rumplmair (A) / Assistenz
Geboren und aufgewachsen in Wien. Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaften, Kunstgeschichte und Soziologie an
der Universität Wien. Regieassistenzen bei diversen Sprech- und Musiktheaterproduktionen. Einjähriger Aufenthalt in Stuttgart als
Assistentin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Theater Rampe (unter Eva Hosemann). Produktionsleitung und Maske für
mehrere Filmproduktionen sowie Mitarbeit in den Organisationsbüros diverser Festivals für zeitgenössische Musik, darunter Arcana
Festival und INNtöne Jazzfestival. Freie Tätigkeit als Lektorin, Texterin und Redakteurin, u.a. für das monatlich erscheinende
CreativeMornings Magazine.
Veronika Mendes -Gmeindl (A) / Assistenz/Theaterpädagogin, Musikerin
Abgeschlossenes Bachelorstudium der Kulturanthropologie (2013). Mitwirkende als Schauspielerin in der Theatergruppe
„theaterimfluss“ unter der Leitung von Regine Lepuschitz (2009-2014) in Graz und Stainz.
Leitung der Performance Inteam Papierfabrik Graz, Forumtheaterprojekt mit SchülerInnen der Modellschule (2015) Graz. Einzelne
Auftritte mit Cello und Band Marinski Combo (2013-2015) Graz, Wien. Seit Ende 2013 in Ausbildung zur Theaterpädagogin bei Lisa
Kolb, Wien.
Walter Nikowitz (A/AR) / Musiker, Komponist
geb. 1978 in Wien, aufgewachsen in Argentinien, studierte Klassische Gitarre, Tango und Latin Jazz bei einem Privatlehrer in Buenos
Aires. Seit 2002 arbeitet er als selbständiger Musiker für Live-Musik und CD-Aufnahmen; außerdem ist er als Musiklehrer für
Gitarre, E-Bass, Barockmusik und Laute in Wien tätig. Bisher hatte er diverse Auftritte im Bereich Barockmusik bis Pop-Musik in
Konzertsälen, auf Live-Bühnen und bei
Konzept „Zwischen noch nicht und schon nicht mehr“: 4 Jahre BRECHT im GEMEINDEBAU 2018-21
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BERTOLT BRECHT – Biographie
Bertolt (eigentlich: Eugen Berthold Friedrich) Brecht wurde am 10. Februar
1898 in Augsburg geboren. Nach dem Notabitur 1917 immatrikulierte er
sich in München für Medizin und Naturwissenschaften, ging aber
vorwiegend seinen literarischen Neigungen nach. 1922 wurde sein erstes
Stück »Trommeln in der Nacht« in München uraufgeführt. Sein Drama
»Baal« erschien in Buchform. Bei der Premiere von »Trommeln in der
Nacht« in Berlin lernte Brecht Helene Weigel kennen. 1924 siedelte Brecht
nach Berlin über, wo er am Deutschen Theater als Dramaturg für Max
Reinhardt arbeitete. Ab 1926 beeinflusste Brechts Hinwendung zum
Marxismus zunehmend sein Werk. Es entstanden sogenannte Lehrstücke.
1928 wurde »Die Dreigroschenoper« im Theater am Schiffbauerdamm
uraufgeführt. Damit führte Brecht das von ihm konzipierte »epische Theater« ein: Durch den Einsatz von
Verfremdungseffekten soll die Identifikation des Zuschauers mit dem Geschehen auf der Bühne erschwert werden.
Angestrebt wird stattdessen eine kritische Distanz. 1929 heiratete Brecht Helene Weigel. Die Uraufführung der Oper
»Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« endete – gestört von Anhängern der NSDAP – in einem Skandal. Ab 1933 lebte
Brecht im Exil in verschiedenen europäischen Ländern und in den USA. In dieser Zeit entstanden unter anderem »Mutter
Courage und ihre Kinder«, 1941 in Zürich uraufgeführt, und »Das Leben des Galilei«. 1949 siedelte Brecht nach Ost-Berlin
über, wo Helene Weigel mit der Gründung des »Berliner Ensemble« beauftragt worden war. Brecht wurde Künstlerischer
Leiter des Theaters und 1951 mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet. 1955 stellte Brecht sich an die Spitze des
Protests gegen die Aufnahme der BRD in die NATO. Am 14. August 1956 starb Bertolt Brecht an den Folgen eines
Herzinfarkts.
Quelle: https://www.inhaltsangabe.de/autoren/brecht/
Lob der Dialektik
Das Unrecht geht heute einher mit sicherem Schritt.
Die Unterdrücker richten sich ein auf zehntausend Jahre.
Die Gewalt versichert: So, wie es ist, bleibt es.
Keine Stimme ertönt außer der Stimme der Herrschenden.
Und auf den Märkten sagt die Ausbeutung laut:
Jetzt beginne ich erst.
Aber von den Unterdrückten sagen viele jetzt:
Was wir wollen, geht niemals.
Wer noch lebt, sage nicht: niemals!
Das Sichere ist nicht sicher.
So, wie es ist, bleibt es nicht.
Wenn die Herrschenden gesprochen haben,
Werden die Beherrschten sprechen.
Wer wagt zu sagen: niemals?
An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns.
An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird?
Ebenfalls an uns.
Wer niedergeschlagen wird, der erhebe sich!
Wer verloren ist, kämpfe!
Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?
Denn die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen,
Und aus Niemals wird: Heute noch!
Bertolt Brecht, 1932, Gesammelte Werke, Band XI, S. 273.f.
Konzept „Zwischen noch nicht und schon nicht mehr“: 4 Jahre BRECHT im GEMEINDEBAU 2018-21
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Künstlerische Leitung/Obfrau: Eva Brenner (A/USA)
Vereinsvorstand: Eva Brenner, Andrea Munninger, Richard Bruzek
PHOTOS: © Elisabeth Handl (A), Peter Korrak (A), Rainer Berson (D/BR), Marlene Rahmann (A),
Markus Sepperer (A), Derya Schuberth (A/TR), Günther Lichtenberger (A), Roman Picha(A), BlindSpot E².
Kernteam: Andrea Munninger (A, Administration, PR&Pressearbeit),
Eva Brenner(A/USA/Künstlerische Leitung, Regie), Richard Bruzek (A, Ausstattung/Technik), Hilde Grammel (A), Martin
Minarik (D/SK, Dramaturgische Beratung), Felix Kristan (A, Dramaturgie), Heinz Leitner (A/Regieassistenz), Assistenz: Veronika
Gmeindl (A), Elisabeth Falkinger (A), Verena Rumplmair (A); Bernhard Riener (A, Video), Beratung: Marta Gomez (ES),
Konstantin Kaiser (A).
Künstlerische MitarbeiterInnen: Patricia Hirschbichler (A, Schauspiel), Elfriede Hauder (A, Schauspiel), Hans Breuer (Musik),
Prince Zeka (Musik),Raimund Brandner(A, Schauspiel), Luise Ogrisek(A, Schauspiel), Tristan Jorde(A, Schauspiel), Mussa
Babapatl (NG, Gesang, Schauspiel), Michaela Grill (A, Schauspiel), Horst Hausleitner (A, Musik), Marta Gomez (ES,
Konzeptkunst), Susanne Kompast (A, Bühnenbild),Maren Rahmann (A, Musik, Schauspiel), Walter Nikowitz (A/AR, Musik), Kari
Rakkola (FIN, Schauspiel), Alexander Schlögl (A, Webdesign), Dagmar Schwarz (A, Schauspiel), Sybille Starkbaum (A, Gesang,
Schauspiel), Oliver Sowa (A, PC-Systeme), Evgenia Stavropoulos-Traska (GR, Schauspiel).
Kooperierende Theater und Ensembles: Castillo Theater/New York, Arab-Hebrew Theater of Jaffa Tourneegestaltung:
Annemarie Klinger (A), Heidi Riegler Media (NYC),
Dan Friedman/Diane Stiles (USA, Castillo Theater, NYC), Igal Ezartay (Arab-Hebrew Theater of Jaffa)
Danksagung: Laufende Projekte seit 2004 werden unterstützt von:
Öffentliche Stellen: Kulturamt der Stadt Wien Theater (Theater, Stadtteilkultur & Interkulturalität), BKA Kunst und
Kultur,,Bezirksförderungen, , Nationalfond der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, Zukunftsfonds der
Republik Österreich, Die Grünen-Grün Alternative Wien, Theodor Kramer Gesellschaft, Jura Soyfer Gesellschaft,
Wissenschafts- und Forschungsförderung, MUSA, transform!europe, VZA- Jugend– und Kulturzentrum Meidling, Stadt WienGeschäftsgruppe für Integration, Frauenfragen, KonsumentInnenschutz und Personal, KulturKontakt Austria, FSG der
MitarbeiterInnen der AK Wien, Akzent Theater, OKTO.tv, Radio ORANGE, Austrian Cultural Forum Madrid, Austrian Cultural
Forum Tel Aviv, Austrian Cultural Forum New York, SOHO-in-OTTARKING, Asyl in Not, Ragnar Hof, brunnen.passage,
Promedia Verlag.
Speziellen Dank an die Bezirksvorstehungen der Wiener Bezirke 2,3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 15, 17,16,18 und 20.
Freunde/Sponsoren (u.a.): Gissauer Wirtschaftstreuhand, THOMASTIK-Infeld/strings by THOMASTIK Vienna, Repekt.net,
PeterFuchs Direct Marketing, Die Wiener Einkaufsstraßen/IG der Kaufleute KIRCHENGASSE/SIEBENSTERNGASSE, Verein
PRO&CONTRA/SCHIELE fest NÖ, Copyshop Nowak, digitaldruck.at, REPA Copy, Teleprint, Gasthaus Adlerhof, Restaurant LUX,
Weinbau Pöschl, Café Espresso, Café Restaurant Berfin, Café Nil, Café 7*, Café KORB, Fania, Disaster Clothing, Zapateria,
Friseur Löwenkopf, Bush Doctor, Restaurant Maschu Maschu ,Lichthof, Brillen Giovanni, SU-REH Schmuckdesign, SCHUHE
FÜR FRAUEN, GEA, Friseur Peter Maritz, ARVINTE BERGER NEUGLAS oeg, Gemeinde Gramatneusiedl, Textilhandel Marei c/o
Schneiderei Barrie, GmbHaar, KORRAK Reisen, Restaurant Madiani/tewa, Café Einfahrt, Café Sperlhof, Restaurant décor.
Caritas Wien, Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich, Bezirksmuseum Josefstadt, Bezirksmusem Brigittenau ,
Kunsttankstelle Ottakring, Institut Dr. Schmida, AMS Landesgeschäftsstelle Wien, Kulturverein Zwischenwelt, WUK-Verein zur
Schaffung offener Kultur u. Werkstättenhäuser, Wohnpartner, Gebietsbetreuungen 5.,10.,19.,22.Bezirk, NGOs.
Konzept „Zwischen noch nicht und schon nicht mehr“: 4 Jahre BRECHT im GEMEINDEBAU 2018-21
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