Die Box-Familie

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Die Box-Familie
38
SPORT
Nummer 225
Donnerstag, 25. September 2008
Weltmeister Firat Arslan stellt sein Team vor
Die Box-Familie
Der Erfolg hat viele Väter –
auch bei Firat Arslan. „Mein
Team“, sagt der Weltmeister,
„ist wie eine Familie.“
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Er und Dietmar Poszwa gehören zu
den besten Box-Managern. Ohne
sie wäre ich nicht Weltmeister. Ich musste
dabei zwar auch Chancen nutzen, die nicht
für mich gedacht waren, aber das ist egal.
Dass ich in Hamburg, der Heimat von Universum, einen Hauptkampf mache,
zeigt, dass ich voll akzeptiert werde.
irat Arslan weiß, was ihn erwartet. „Das wird mein härtester
Kampf“, sagt der WBA-Weltmeister im Cruisergewicht vor dem
Duell gegen Guillermo Jones aus Panama am Samstag (23 Uhr/
ZDF live) in Hamburg. Doch wer den Mann aus Süßen kennt, der weiß:
Arslan war lange genug ganz unten, um nun alles dafür zu tun, möglichst lange an der Spitze zu bleiben. Das ist er sich selbst schuldig.
Und seinem Team. Seit 20 Jahren ist Arslan Profi, die Mannschaft um
ihn herum wurde immer größer – und hat ihren Charakter doch nie
verloren. „Ich habe zu keinem eine nur geschäftsmäßige Beziehung“,
sagt der Boxer, „das Vertrauen ist entscheidend – dieses Team ist wie
eine Familie.“ In guten wie in schlechten Zeiten. Das gilt für Luan
Krasniqi, den besten Freund, für Thomas Künzel, den Technischen Leiter, für Motivator Ted Lackner oder Dieter Wittmann, der vor den
Kämpfen den WM-Gürtel in die Halle trägt. „Sie alle leiden mit, sind
mit viel Herzblut dabei“, sagt Arslan, der sein Team exklusiv für unsere
Leser vorstellt, „und sie stehen zu mir, egal ob ich gewinne oder verliere.“
Am Samstag, gegen Jones, will der Weltmeister unbedingt siegen – und
danach mit seinen Jungs kräftig feiern. Die Titelverteidigung. Und seinen
Geburtstag: Am Sonntag wird Arslan 38 Jahre alt.
Jochen Klingovsky
F
Thomas Künzel (44),
der Technische Leiter
„
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Dieter Wittmann (36),
der Mann für alle Fälle
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„
Wir sind gemeinsam von ganz unten gekommen. Wo Luan hingeht, gehe ich auch hin, er
ist wie ein Bruder für mich – wir kennen uns in- und
auswendig. Es ist ein Geschenk Gottes, so einen
Freund haben zu dürfen. Ich glaube nicht, dass ich
in meiner Karriere ohne ihn so weit gekommen
wäre. Wir haben den Traum, gleichzeitig Weltmeister zu sein – ich glaube fest daran.
Mein ältester Freund. Niemand vertraue ich
mehr, er macht sogar meine Post, wenn ich
nicht zu Hause bin. Als Ex-Boxer springt er zudem
manchmal als Sparringspartner ein. Als ich 18
Jahre war, habe ich zu ihm gesagt: Ich werde Weltmeister. Zehn Jahre später, als ich Profi wurde, hat
er geantwortet: Bis es so weit ist, trinke ich keinen Alkohol. Wir haben beide Wort gehalten.
“
Valentin Silaghi (51),
der Trainer
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Er ist Kick- und Thaiboxtrainer, ein echter Wettkämpfer. Und ein langjähriger
Freund. Nizar ist ein lustiger
Typ, wir fahren auch gemeinsam in den Urlaub, haben immer viel Spaß. Er ist wichtig für mein Wohlgefühl.
“
Armstrong zum
Nulltarif zu Astana
Comeback des Radprofis
New York/Varese (sid) – Die ComebackTournee von Lance Armstrong steht: Mit
Starts auf mehreren Kontinenten will der
siebenmalige Tour-de-France-Sieger die
Radsport-Welt ein zweites Mal erobern.
Drei Jahre nach seinem Rücktritt greift der
Texaner im Astana-Team unter seinem alten Freund und Mentor Johan Bruyneel wieder ins Renngeschehen ein – zum Nulltarif.
Armstrong verzichtet auf ein Gehalt.
Auftakt soll die Tour Down Under in
Australien (18. bis 25. Januar) sein. Bei seiner Rückkehr geht es dem 37-Jährigen nicht
nur um sportlichen Erfolg. Armstrong, der
seine Pläne am Mittwoch in New York präsentierte, will vor allem den Kampf gegen
den Krebs in den Vordergrund stellen. Deshalb wird der Ausnahmeathlet, der einst
selbst den Hodenkrebs besiegt hatte, seine
Einsätze nicht nur auf Europa beschränken.
„Ich kann nicht garantieren, dass ich die
Tour zum achten Mal gewinne. Aber ich
kann garantieren, dass meine Botschaft zu
Herzen gehen wird“, sagte Armstrong bei
der von Bill Clinton geleiteten Pressekonferenz. „Ich freue mich darauf, wieder Rennen zu fahren.“ Dass Armstrong sein Comeback im Astana-Team gibt, ist keine Überraschung. Schließlich wird der von kasachischen Geldgebern gesponserte Rennstall
von Bruyneel geführt. Bei Astana trifft Armstrong auf seinen Nachfolger Alberto Contador, vor dem er Respekt hat: „Ich bin nicht
sicher, ob ich so schnell fahren kann wie er.“
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Volker Grill (57),
der Cutman
Es gab Zeiten, da hatte
ich keinen in der Ecke,
der eine Wunde stillen konnte.
Doch Volker ist nicht nur Cutman – er kümmert sich einfach
um alles, hält mir den Rücken
frei. Und er ist das Sprachrohr zu Universum.
„
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Früher habe ich ohne System trainiert, immer
nur Vollgas. Irgendwann hatte ich das Problem, meine eigenen Zeiten nicht mehr zu erreichen. Seit ich nach den Plänen von Alfred Segerer,
einem ehemaligen Marathonläufer, trainiere, toppe
ich meine Leistungen immer wieder aufs Neue.
Ich schaffe immer noch locker über 200 Puls.
Das habe ich auch seiner Arbeit zu verdanken.
Fotos: dpa (3), AP, StN (9)
Layout: Emmer
Er war Olympia-Dritter 1968 in Mexiko und ein
begnadeter Techniker. Als württembergischer
Auswahltrainer hat er mich zwar mitmachen lassen,
aber nie ein Talent in mir gesehen. Ich bin trotzdem
dabei geblieben, weil ich erkannt habe: Das ist der
Mann, von dem ich etwas lernen kann. Er hat mir
das Abc des Boxens beigebracht. Als ich Profi
wurde, hat er immer an mich geglaubt.
„
“
Alfred Segerer (37),
der Konditionstrainer
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Nizar Issa-Castro (35),
der Trainingspartner
Ted Lackner (61),
der Kraft- und Motivationstrainer
Ich wäre stolz, wenn ich mit 61 Jahren noch
das bringen würde, was er bringt – Ted ist
mein Fitness-Vorbild, väterlicher Freund und für
mich unersetzlich. Er ist in jeder Vorbereitung zehn
Wochen an meiner Seite, als Top-Experte fürs Krafttraining. Und als Spielpartner. Mühle, Abalone, Vier
gewinnt – er kann alles. Und das ist manchmal
ganz schön hart für mich.
Er stand bei meinem letzten Kampf in Stuttgart
erstmals alleinverantwortlich in der Ecke – und
hat einen tollen Job gemacht, ruhig, mit viel
Übersicht. Als wir uns kennengelernt haben, hat er
mich positivst überrascht. Er arbeitet viel mit mir an
Feinheiten, und das ist auch gut so:
Denn ich will nicht stehenbleiben. Ich will
mich immer weiter verbessern.
Günther Meier (67),
der Entdecker
“
Diesen Mann hat mir der liebe Gott
geschickt. Seit Jahren ist er mein
unersetzlicher Betreuer, auf ihn kann ich
mich zu 100 Prozent verlassen. Wenn ich
irgendetwas brauche, rufe ich ihn an –
egal, was es ist. ,Geht nicht’, gibt’s bei
ihm nicht. Dabei hat er zu Hause
eine eigene Spedition zu lenken.
Luan Krasniqi (37),
der beste Freund
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Klaus-Peter Kohl (64),
der Promoter
Roland Keil (52),
der Betreuer
Christoph Schickhardt (53),
der Manager
Ich war noch Amateur,
da hat er als Boxtrainer
mit mir schon Pratzenarbeit
gemacht. Egal, wann ich
ihn brauche – er ist da.
Früher war ich ein EinMann-Betrieb, einen Manager hatte ich lange nicht.
Christoph Schickhardt berät
mich in rechtlichen Dingen,
macht meine Verträge und
führt die Verhandlungen
mit meinem Boxstall.
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Schumacher träumt vom WM-Titel
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Radprofi aus Nürtingen einer der Sieganwärter in Varese – Duell mit Bettini
Stuttgart – Auf dem Podium stand Stefan Schumacher schon bei einer WM.
2007, als Dritter in Stuttgart. Nun will
er mehr. „Mein Traum ist es, Weltmeister zu werden“, sagt der Radprofi aus
Nürtingen vor dem Rennen am Sonntag (11.15 Uhr/Eurosport) in Varese.
VON JOCHEN KLINGOVSKY
Es ist so eine Sache mit Prognosen. Stefan
Schumacher gehört zu den Klassiker-Spezialisten, also erklärte er im Frühjahr, Siege
anzustreben. Er ging leer aus. Vor der Tour
de France kündigte der 27-Jährige an, zumindest eine Etappe gewinnen und ins
Gelbe Trikot fahren zu wollen. Gesagt, getan. Dann ging es nach Peking. Eine Medaille war das Minimalziel von Schumacher, doch strampelte er im Straßenrennen
und im Zeitfahren hinterher. Olympia sei
toll gewesen, meinte der Nürtinger anschließend – „bis auf diese beiden Rennen“.
Nun also steht die WM in Italien an. Und
die nächste Prognose. „Ein Rennfahrer meines Typs und meiner Klasse“, sagt Schumacher, „reist nicht zur WM, um nur mitfahren
zu wollen.“ Das hört sich selbstbewusst an –
aber der Nürtinger verspricht keine Medaille. Und erst recht nicht den Titel. Schumacher ist vorsichtig. Er weiß selbst nicht,
wo er steht. Nach Peking verlangte der Körper eine Pause, bei der Vuelta kam er nur
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gleich drei Sprinter im Aufgebot, für die der Kurs in Varese
zu schwer sein dürfte – es ist
nicht damit zu rechnen, dass
eine größere Gruppe ankommt.
Für Schumacher wird es dadurch nicht leichter. „Die
schwere, enge Rundstrecke liegt
mir zwar“, sagt der WM-Dritte
von 2007, „aber ich kann ja
nicht jedem Italiener oder Spanier hinterherfahren.“ Das Rennen wird zum Pokerspiel – eine
Pleite ist nicht ausgeschlossen.
Doch Schumacher denkt positiv. Bei der Tour de France hat
er beide Zeitfahren gewonnen,
in Varese verzichtet er auf den
Kampf gegen die Uhr am heutiDie Sicherheit fehlt: Stefan Schumacher
dpa gen Donnerstag. Bei einer WM,
sagt er, zählt vor allem der Titel
langsam in Tritt. Vor einem Jahr, bei der im Einzelrennen – und das RegenbogentriWM vor der Haustüre, war der Schwabe si- kot würde der 27-Jährige schon gerne mitcher, dass alles auf den Punkt passt. Dies- nehmen zum neuen Arbeitgeber Quick Step.
mal kann es klappen – aber die Sicherheit Darüber würde sich vor allem einer ärgern:
fehlt. „Ich habe das Gefühl, einen raus- Paolo Bettini, der Titelverteidiger. Der Itahauen zu können“, meint er, „aber ich kann liener hat bei dem belgischen Team keinen
nicht sagen, dass ich der Mann bin, über den neuen Vertrag bekommen – auch wegen der
das Rennen entschieden wird.“
Verpflichtung von Schumacher. „Zum Preis
Dazu ist auch die deutsche Crew, die den von Bettini“, sagt Teamchef Patrick LefeKapitän Schumacher unterstützen soll, vere, „habe ich vier Topleute geholt.“
nicht stark genug. Jens Voigt fehlt ebenso
Keine Frage: Für Brisanz ist gesorgt in Vawie Linus Gerdemann, dafür stehen mit Ge- rese – es wird eine spannende WM geben.
rald Ciolek, Erik Zabel und Andre Greipel Diese Prognose darf als sicher gelten.
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Rad-WM: Bronze
für Judith Arndt
Zweite Medaille für BDR
Varese (sid) – Zweiter Tag, zweite Medaille:
Weltcupsiegerin Judith Arndt ist im Zeitfahren bei der Straßenrad-WM im italienischen
Varese zu Bronze gerast und hat dem Bund
Deutscher Radfahrer (BDR) nach der Silberfahrt von Patrick Gretsch (U-23-Männer)
das zweite Edelmetall beschert. Die Leipzigerin musste sich in 34:13 Minuten der USAmerikanerin Amber Neben (33:51) und der
für Österreich startenden Remscheiderin
Christiane Soeder (33:58) geschlagen geben.
„Für mich ist das ein großer Erfolg, denn
ich bin eigentlich keine Spezialistin“, sagte
Judith Arndt: „Ein WM-Titel im Straßenrennen wäre natürlich noch schöner. Aber es ist
eine Genugtuung zu zeigen, dass ich was
draufhabe.“ Beim Straßenrennen am Samstag ist Arndt die Topfavoritin auf den Sieg.
Mit dem dritten Platz sprang Arndt
eindrucksvoll für die kranke Titelverteidigerin Hanka Kupfernagel aus Werder (Magen-Darm-Grippe) in die Bresche.
Die Titelkämpfe werden am heutigen
Donnerstag mit dem Zeitfahren der Männer
über 43,7 km fortgesetzt. Für das deutsche
Team gehen die Columbia-Profis Bert
Grabsch (Wittenberg) und Tony Martin (Erfurt) an den Start. Martin erlebte am Mittwoch eine Schrecksekunde. Er wurde beim
Training von einem Auto angefahren, blieb
aber unverletzt. Seine Rennmaschine
konnte er anschließend aber nicht mehr gebrauchen. Am Donnerstag wird er mit dem
Zeitfahrrad von Patrick Gretsch antreten.