Pressebericht 2

Transcription

Pressebericht 2
Product Story
Biomechanik und Bewegungswissenschaften
Die Uni Salzburg hat vor geraumer Zeit eine Untersuchung im Bereich der Rennrollstuhlsysteme gemacht.
Eine Seminararbeit über den Einfluss unterschiedlicher Rennrollstuhlsysteme bezogen auf die Leistungsfähigkeit von Rennrollstuhlfahrern.
Zur Untersuchung wurde kein geringerer als der mehrfache Olympiamedaillen
Gewinner und mehrfache Weltmeister im
Rennrollstuhlfahren Thomas Geierspichler als Proband eingesetzt. Natürlich ist auch das besondere persönliche
Interesse des Spitzenathleten nicht ganz
unwichtig, denn wie bei den meisten
Randsportarten sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse eher gering.
Der Rennrollstuhlfahrer Thomas Geierspichler aus Anif im Salzburgerland hat
1. Plätze bei verschiedenen Marathons
und Halbmarathons. 2008 erfüllte sich
schliesslich zum zweiten Mal der grosse
Traum von Thomas, olympisches Gold
beim Marathon in Rekordzeit. Beeindruckende Leistungen für einen Mann,
der im Rollstuhl sitzt. Manche würden
sagen, das gibt es nicht. Doch Thomas
Geierspichler selbst bezeichnet seine
herausragenden Leistungen als einen
Sieg über sich selbst. Es ist die Ironie
des Schicksals, dass sein Erfolg den
Ursprung in der wahrscheinlich gröss-
Thomas Geierspichler bei den Tests an der Uni Salzburg
bereits zum dritten Mal olympisches
Gold errungen. 2004 in Athen war es
zum ersten Mal soweit, der Ausnahmeathlet holte Gold über 1.500 m in
Rekordzeit.
In den folgenden vier Jahren gewann
er Gold bei der Europameisterschaft in
Finnland, eine Silbermedaille bei den
Weltmeisterschaften in Taipeh und einige
44
Fitness Tribune 117
ten persönlichen Katastrophe hat. Am
04. April 1994 geschah der schreckliche
Unfall auf dem Nachhauseweg von der
Disco.
Erst 3 Jahre nach seinem Unfall begann
er 30 Tage lang zu fasten, trainierte, las
und betete. „Dann hat Gott begonnen
meine Seele zu heilen“, sagt der Athlet.
Er hat gelernt, sich selbst zu akzeptie-
ren. Und schon wenig später bekommt
er die Möglichkeit an einem Trainingscamp für Rennrollstuhlfahrer teilzunehmen. Schon nach seinem dritten offiziellen Wettkampf in Berlin schafft er
die notwendige Zeit, um an den Olympischen Spielen teilnehmen zu dürfen.
Doch einmal eine Spitzenzeit zu fahren
genügt nicht. So wird trainiert, trainiert
und nochmal trainiert. Die harte Arbeit
wird im folgenden Sommer belohnt und
er bringt die notwendige Norm zehnmal. Also heisst es Koffer packen und
ab nach Sydney. Und nur 2 Jahre nach
seiner ersten Rennrollstuhlfahrt holt er
in Sydney (2000) die Bronzemedaille
im Marathon. Inmitten des Freudenrausches formt sich bereits das nächste
konkrete Ziel: die Goldmedaille bei den
Olympischen Spielen in Athen (2004).
Dazu sind wieder mal eiserne Disziplin
und harte Arbeit nötig. Da kam die Seminararbeit an der Uni Salzburg gerade zur
rechten Zeit, denn die Studien rund um
den Rennrollstuhlsport sind nicht gerade
üppig und Thomas ist auf Erfolgskurs
und will seine Arbeit und sein Training
optimieren.
Thomas Geierspichler wurde bei den
Tests auf einem Rennrollsystem mit
zwei unterschiedlichen Treibringgrössen im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit bei zwei Geschwindigkeitsstufen untersucht. Die Treibringe mit den
Durchmessern 34 und 36 cm wurden
in einer Laborsituation am Laufband bei
der durchschnittlichen Geschwindigkeit
in der Disziplin 800m und dem Marathon
getestet. Die Einstellungen am h/p/cosmos Laufband saturn 300/100 r und der
speziell dafür gefertigten Stahlschiene,
in der der Rennrollstuhl geführt wurde,
wurden den Rahmenbedingungen der
Disziplin entsprechend angepasst. Um
die Bedingungen beim 800 m möglichst
naturgetreu der Tartanbahn anzupassen, wurde beim Laufband die Steigung
mit einem Grad bei einer Geschwindigkeit von 26 km/h gewählt. Der Rollwiderstand des Strassenbelages hingegen
Product Story
Olympisches Gold im Härtetest
h/p/cosmos saturn 300/100 r mit speziell gefertigter Stahlschiene zur Rollstuhlführung.
wurde mit einer Steigung von 0,7° und
einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 24 km/h angenommen. Erhoben wurden dabei physiologische als
auch biomechanische Parameter, um
herauszufinden, welcher Treibring für die
dementsprechende Disziplin der beste
und ökonomischste ist. In der Disziplin Marathon waren die Ergebnisse der
physiologischen Parameter wie Laktat,
Herzfrequenz und maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit beim Treibring
mit dem Durchmesser 34 cm niedriger.
Es ist hierbei davon auszugehen, dass
diese Einstellung am Rennrollstuhl den
Athleten auf metabolischer Ebene weniger intensiv belasten und er somit ökonomischer antreibt.
Sowohl die längeren gemessenen Kontaktzeiten pro Zyklus als auch die abgeleitete integrierte EMG (Elektromyographie) ergaben signifikante Unterschiede
zugunsten des kleineren Treibrings. Die
kleineren Ellbogenwinkel, die der Athlet
während der Antriebsphase aufwies,
zeigen, dass er beim kleineren Treibring
den Arm weniger stark beugen muss
und das Drehmoment somit ebenfalls
kleiner wird. Auch die gemessenen Winkelgeschwindigkeiten gaben Aufschluss
darüber, dass der Athlet den Arm
schneller streckt bei insgesamt längeren
Kontaktzeiten. In der Disziplin Marathon
sprechen die Ergebnisse alle für den
kleineren Treibring, da es dem Athleten
möglich ist, diese Einstellung zugunsten
der Leistungsfähigkeit und der Antriebseigenschaften ökonomischer zu nutzen.
Bei den Ergebnissen aus der 800 m Disziplin kehren sich die Werte, betrachtet
man die Kontaktzeiten, eher um und
sprechen für den grösseren Treibring.
Die Verhältnisse der Ellbogenwinkel sind
annähernd gleich wie beim Marathon.
Allerdings ändert sich die Amplitude der
46
Fitness Tribune
Schulter wesentlich, da der Athlet seinen
Oberkörper durch die höhere Geschwindigkeit beim grösseren Treibring vermehrt als Schwungmasse nützt. Es
zeigte sich auch, dass die integrierten
EMG-Werte ein höheres Aktivierungsniveau bei den aktiven Muskeln während
der Antriebsphase aufweisen. Nimmt
man die Startphase bei der Disziplin 800
m noch hinzu, ist davon auszugehen,
dass sich der Rennrollstuhl mit dem grösseren Treibring schneller beschleunigen
lässt. Deshalb sollte hierbei der grössere
Treibring verwenden werden.
Nicht nur sein Engagement in der Wissenschaft und sein ständiges Bestreben
seine Technik zu optimieren, sondern
auch seine harte Arbeit und sein Ehrgeiz
haben ihn auch 2008 in Peking wieder
Gold im Marathon mit einem Weltrekord
und Bronze bei den 800 m gewinnen
lassen.