Analyse - Hu
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Feministische Popmusikanalyse – Auf der Suche nach Worten Magisterarbeit von Lena Müller im Fach Musikwissenschaft – Humboldt-Universität zu Berlin Abgabedatum: 21.11.2013 Erster Gutachter: Prof. Dr. Peter Wicke Zweite Gutachterin: PD Dr. Dorothea Dornhof Inhalt 1. Klang, Körper, Stimme und Sprache – Eine Einleitung...................................................1 2. Rahmen................................................................................................................................11 2.1 Feministische Grundlagen........................................................................................11 2.1.1 Simone de Beauvoir – Die Positionierung von Frauen als unwesentliche Subjekte........................11 2.1.2 Judith Butler – Die Einverleibung des heterosexuellen Körpers.................15 2.2 Popmusik als Dispositiv und Mimesis als Weltzugang............................................19 3. Werkzeuge...........................................................................................................................26 3.1 Möglichkeiten sich dem Klang zu nähern................................................................26 3.1.1 Assoziation...................................................................................................26 3.1.2 Homologie....................................................................................................30 3.1.3 Intertextualität..............................................................................................32 3.1.4 Materialität...................................................................................................36 3.1.5 Psychoanalyse..............................................................................................40 3.2 Körperliche Klangproduktion: Die Stimme .............................................................45 4. Analysen..............................................................................................................................54 4.1 Die „echte“ Stimme..................................................................................................55 4.1.1 Nirvana: „Smells Like Teen Spirit“..............................................................57 4.1.2 Robbie Williams: „Feel“..............................................................................63 4.1.3 Michael Jackson: „Billie Jean“....................................................................65 4.1.4 Zusammenfassung: Die „echte“ Stimme als männliche Performanz ..........66 4.2 Andere Stimmen ......................................................................................................69 4.2.1 Kate Bush: „Feel It“.....................................................................................70 4.2.2 Kylie Minogue: „Can't Get You Out of My Head“......................................78 4.2.3 Björk: „All Is Full Of Love“........................................................................86 4.2.4 Birdy: „People Help The People“................................................................91 4.2.5 Zusammenfassung: Die Fragmentierung der Anderen und der semiotische Stimmklang .......100 5. Klangliche Körperproduktionen – Ein Fazit ................................................................106 5.1 Worte.......................................................................................................................106 5.2 Verschiedene Modi auditiver Lust..........................................................................107 5.3 Eigenes und Anderes...............................................................................................109 5.4 Intelligibilität und Reproduktion............................................................................109 5.5 Feministische Konsequenzen..................................................................................110 ANHANG..............................................................................................................................114 Quellenverzeichnis ...............................................................................................................115 Literatur [Internetquellen zuletzt abgerufen am 7.11.2013].........................................115 Musik............................................................................................................................119 Internetseiten [Zuletzt aufgerufen am 16.11.2013].......................................................119 Songtexte...............................................................................................................................121 Nirvana: „Smells Like Teen Spirit“..............................................................................122 Robbie Williams: „Feel“...............................................................................................124 Michael Jackson: „Billie Jean“.....................................................................................126 Kate Bush: „Feel It“......................................................................................................128 Kylie Minogue: „Can't Get You Out of My Head“.......................................................130 Björk: „All Is Full Of Love“.........................................................................................132 Birdy: „People Help The People“.................................................................................134 Trackliste der beigefügten CD............................................................................................136 Selbstständigkeitserklärung................................................................................................137 1. Klang, Körper, Stimme und Sprache – Eine Einleitung „The thing with women, they're not real. They're not real at all. And that's really hard to accept, and I don't think that I should have to accept it.“1 „Consider, for example, the discursive and stylistic segregation of «rock» and «pop». In this schema, rock is metonymic with «authenticity» while «pop» is metonymic with «artifice». Sliding even further down the metonymic slope «authentic» becomes «masculine» while «artificial» becomes «feminine».[...] Real men aren't pop and women, real or otherwise, don't rock.“2 In dieser Arbeit möchte ich mich aus einer feministischen Perspektive mit dem Klang von Popmusik auseinandersetzen. Die mich antreibenden Fragen sind dabei, wie Sexismus klingt, wie Geschlecht klingt, aber auch wie Feminismus klingt oder klingen könnte. Meine Motivation für diese Arbeit ist dabei nicht nur ein Interesse, diese Zusammenhänge zu verstehen, sondern vor allem auch eine ziemliche Unzufriedenheit mit etwas, was ich in meinem Studium als eine Art Sprachlosigkeit gegenüber diesem Themengebiet wahrgenommen habe. Im Gegensatz zur Betrachtung anderer Medien, beispielsweise Literatur, Film oder Photographie, für die es je eigene Werkzeuge zur Analyse sexistischer Strukturen gibt, scheint ein entsprechendes Werkzeug in der Musikanalyse zu fehlen. Während ich so z.B. in meinem zweiten Studienfach, Kulturwissenschaft, fast selbstverständlich nebenbei einen „männlichen Blick“3 in bildlichen und filmischen Darstellungen zu erkennen lernte oder eine sich als objektiv gebärdende Zentralperspektive in der westlichen Wissenschaft als Ausdruck einer privilegierten gesellschaftlichen Position interpretieren konnte, 4 waren entsprechende Analysen des Klangs von Popmusik in meinem Studium selten und oft enttäuschend, obwohl die Relevanz von Sexualität, Geschlecht, Sexismus oder Begehren in diesem Medium andererseits offensichtlich erscheint: 1 2 3 4 Shepherd (1991), S.183: Zitat einer jungen Frau (Diana) in einem qualitativen Interview. Coates (1997), S.52. Mulvey (1994), S.55. Vgl. beispielsweise Haraway (1995b), S.79. 1 So lässt sich beim Hören von zahlreichen Popsongs, beispielsweise „Naughty Girl“ von Beyoncé, kaum von der Hand weisen, dass auch im Klang sexualisierte Darstellungen von Sängerinnen stattfinden. Und dass Geschlecht auch in der dominanten musikalischen Ausdrucksform der gegenwärtigen westlichen Kultur eine relevante Rolle einnimmt, ist grundsätzlich eine durchaus naheliegende These. Ich denke, es lohnt sich, angesichts dessen, was ich hier als Sprachlosigkeit bezeichnet habe, kurz zu überlegen, weshalb die Analyse von Sexismus in Musik und vor allem im Klang so viel schwerer zu sein scheint als in Bildern oder Texten. Ein Grund hierfür liegt wahrscheinlich bereits darin, dass ein Popsong nur schwer für den untersuchenden Blick, als primäres westliches Erkenntnisorgan, zugänglich ist: Die dabei im Blick implizit enthaltene Distanz vom betrachteten Gegenstand lässt sich auf das Hören nicht einfach übertragen; vielmehr scheint Distanzlosigkeit gerade eine zentrale Eigenschaft des Mediums Musik zu sein.5 Dabei lässt sich aber bereits diese unterschiedliche Bewertung der verschiedenen Sinne aus einer feministischen Perspektive kritisch hinterfragen, denn der erkennende wissenschaftliche Blick kann als eine Spielart einer männlich konnotierten sich selbst immer im Zentrum einer objektiven Weltbetrachtung imaginierenden Perspektive gedeutet werden.6 Der Musikwissenschaftler John Shepherd kritisiert die Abwertung des Hörens gegenüber dem Sehen sogar ganz explizit als Ausdruck einer patriarchalen Weltordnung: Die Nutzung der anscheinend neutralen Kategorien harmonischer und tonaler Beziehungen und das Ausklammern emotionaler und körpernäherer Aspekte von Musik interpretiert er, als eine Reduktion von Musik auf Notentext und damit eine Distanzierung vom Körper, die er wiederum als musikalische Bestätigung patriarchaler die Welt und den Körper objektivierender Herrschaftsansprüche ansieht.7 5 Vgl. Shepherd/Wicke (1997), S.164: „The presentation of sonic matter recognized as musically significant cannot help but evoke states of awareness whose degree and manner of affectivity are related to the characteristics of the sound presented. The sounds of music cannot help, in other words, but reaffirm the present existence of the individual, and reaffirm it with a concreteness and directness not required for reaffirmation through the sounds of language. The material character of sound in music speaks directly and concretely through its technology of articulation to the individual's awareness and sense of self, an awareness and sense, it should be remembered, that is pervasively social and discursive in its mediation and constitution.“ [meine Hervorhebung]. 6 Haraway beschreibt ihrem Aufsatz Situiertes Wissen „den erobernden Blick von nirgendwo“ [Haraway (1995b), S. 80] , der für sie klar mit patriarchalen Machtstrukturen verbunden ist. „Dieser Blick schreibt sich auf mythische Weise in alle markierten Körper ein und verleiht der unmarkierten Kategorie die Macht zu sehen, ohne gesehen zu werden sowie zu repräsentieren und zugleich der Repräsentation zu entgehen.“ 7 Vgl. Shepherd (1991), S.154-164: Die Privilegierung des Sehens gegenüber dem Hören geht für ihn einher mit der Vorstellung der Welt als objekthaft und vom eigenen Körper getrennt, während bei der 2 Schon die Frage, wie und was in Musik analysiert und beschrieben wird, kann auf dieser Basis aus feministischer Perspektive nicht als neutral angesehen werden, sondern sollte kritisch reflektiert werden. Bei näherer Betrachtung erscheinen Musik und Klang dabei insgesamt an vielen Stellen von einer Geschlechtersymbolik durchzogen. Die feministische Musikwissenschaftlerin Susan McClary beschreibt dies folgendermaßen: „The charge that musicians or devotees of music are «effeminate» goes back as far as recorded documentation about music, and music's association with the body (in dance or for sensuous pleasure) and with subjectivity has led to its being relegated as a «feminine» realm. Male musicians have retaliated in a number of ways: by defining music as the most ideal (that is, the least physical) of the arts; by insisting emphatically on its «rational» dimension; by laying claim to such presumably masculine virtues as objectivity, universality and transcendence, by prohibiting actual female participation altogether.“8 Die hier angedeutete starke Verbindung von Musik mit Körper und Subjektivität ist dabei sicher ein weiteres Hindernis für die wissenschaftliche sprachliche Auseinandersetzung darüber, da sie einer bewussten Reflexion nur schwer zugänglich ist. Wenn außerdem, wie McClary implizit nahe legt, gerade hier nach den Momenten einer musikalischen Geschlechterproduktion gesucht werden müsste, so ist ersichtlich, weshalb diese Thematik in einer Disziplin, die ihren Gegenstand als „tönend bewegte Formen“9 versteht, nur schwer eine Sprache findet. Gerade Popmusik ist allerdings im musikanalytischen Denken dieser akademischen Disziplin immer noch mit besonderen Problemen konfrontiert: Susan McClary und Robert Walser beschreiben dies in einem Aufsatz von 1988 recht ausführlich und listen einige grundlegende Probleme für die wissenschaftliche Popmusikbetrachtung auf. Diese beginnen bei der „feindseligen“ Ablehnung von Popmusik durch die traditionelle Musikwissenschaft und enden mit der Entwicklung einer stichhaltigen Argumentation zur Beziehungen zwischen Musik und Gesellschaft.10 Popmusik bezeichnen sie dabei als Erfahrung von Klang die Beziehung des hörenden Individuums zur Welt, seine Einbindung in die soziale und physische Wirklichkeit, nicht verleugnet werden kann. Diese distanzierende Sicht der Welt versteht Shepherd dabei als männlich („They [=Männer] quickly thought themselves into the entirely mythical position of being separate from the world“[ders. S.158]), während er eine Gleichsetzung zwischen Frauen, sozialen Beziehungen und Musik vornimmt: „Women, as emotional nurturers, […] come to stand for the very process – social relatedness“ [ders. S.155] und „The existence of music, like the existence of women, is potentially threatening for men to the extent that it sonically insists on the social relatedness of human worlds“ [ders. S. 159]. Schließlich idealisiert er ein Bild des Ausgleichs oder der Vervollständigung zwischen den in dieser Form postulierten männlichen und weiblichen Subjektivitäten in einem sich ergänzenden vollen Obertonspektrum [ders. S.168]. 8 McClary (1991), S.17. 9 Hanslick (1982), S.74. 10 Vgl. McClary/Walser (1996): S.281-293. 3 „uncharted areas for which there is no shared critical apparatus of language“ 11 und verorten ihre Analyse „in a methodological vacuum“12 und auch wenn an dieser Stelle in den letzten 25 Jahren Entwicklungen stattfanden, so beinhaltet jede Analyse von Popmusik immer noch zugleich die Aufgabe Fragestellungen, Methoden und Werkzeuge mitzuentwickeln. Glücklicher Weise entwickeln sich jedoch dadurch nach und nach auch theoretische Modelle und analytische Werkzeuge, mit denen sich gerade den körperlichen und subjektiven Aspekten von Klang genähert werden kann, ohne die ein Verständnis wesentlicher Prozesse der Popmusik nicht möglich wäre. Freya Jarman-Ivens Arbeit zu „Queer Voices“ erscheint mir diesbezüglich bemerkenswert. Jarman-Ivens beschäftigt sich, wie ihr Titel schon sagt, mit der Stimme und versucht unter anderem die Beziehungen zwischen Körper und Stimme zu entschlüsseln, wobei sie eine gegenseitige Abhängigkeit feststellt: „[I]t is possible to think of the voice not only in terms of its production by the body, but its implications for the body – its production of bodies.“13 Sie meint damit, dass wir einer gehörten Stimme auch eine körperliche Quelle zuschreiben, wobei diese jedoch durchaus auch „an imagined body for a disembodied voice“14 sein kann. Auf der anderen Seite kann diese Produktion von Körpern durch Stimmen aber auch noch anders verstanden werden. In einer der ersten Auseinandersetzungen zu der Beziehung von Geschlecht und Popmusik, formulierten Simon Frith und Angela McRobbie bereits 1978 in ihrem Aufsatz „Rock and Sexuality“ die These, dass Rockmusik wesentlich an der Konstruktion von Sexualität beteiligt ist15. Dabei werden vor allem auch Geschlechterunterschiede beständig reproduziert: „The recurrent theme of this essay has been that music is a means of sexual expression and as such important as a mode of sexual control. Both in its presentations and in its use, rock has confirmed traditional definitions of what constitutes masculinity and femininity, and reinforces their expression in leisure pursuit.“16 Insofern lässt sich argumentieren, dass das Erleben des eigenen Körpers durch Musik beeinflusst, wenn nicht regelrecht konstruiert wird. Musik ließe sich somit als ein Medium 11 12 13 14 15 16 McClary/Walser (1996), S.282. Dies., S.280. Jarman-Ivens (2011), S.7. Dies., S.8. Vgl. Frith/McRobbie (1996), S.373. Dies., S.387. 4 verstehen, das vielleicht weniger die äußere Wahrnehmung, als die innere Selbstwahrnehmung von Körpern beeinflusst. Was mich nun vor allem interessiert, ist, wie eine solche Konstruktion von Körpern in Musik stattfindet und wie sie insbesondere in der Musik analysiert werden kann. Dabei denke ich, dass die Stimme einen besonders guten Ansatzpunkt bietet, diesen Prozess zu verstehen, da sie bereits selbst körperlich ist. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch Shepherd, der vorschlägt, sich in der Musikanalyse von den tradierten Kategorien der musikalischen Notation abzuwenden und andere Ebenen, insbesondere das von ihm als körpernah eingestufte Timbre der Stimmen, in die Analyse miteinzubeziehen. Auch ich halte die Analyse von spezifischer Klanglichkeit und vor allem dem Einsatz der Stimme für viel versprechend für eine feministische Popmusikkritik, doch für eine solche Betrachtung von Musik fehlen schnell die Worte: Während sich eine Quarte oder eine Dominante begrifflich sehr klar fassen lassen, ist die Unterscheidung von Klangeigenschaften durchaus komplizierter. Der Grund hierfür ist allerdings nicht, dass die hörende Unterscheidung hier schwer fallen würde, sondern viel mehr, dass es schnell an Vokabeln fehlt, um diese zu beschreiben. Das Fehlen von Worten bedeutet jedoch nicht, dass solche klanglichen Unterschiede kulturell bedeutungslos wären, im Gegenteil: Jarman-Ivens beschreibt diese Eigenschaft von Stimmklang als „under-assimilated“17. Sie meint damit: „[A]n audible inhalation, or diction […] do signify something, but that «something» is not often explicitly identified, nor is there an established culture in the analysis of music of wanting to identify them.“18 Es besteht daher für eine klangzentrierte Musikanalyse die Notwendigkeit, Begriffe zur Beschreibung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Stimmklängen zu entwickeln. Diese Begriffe sind dabei zugleich Werkzeuge, die es ermöglichen, nicht nur Unterschiede zu beschreiben, sondern auch diese Unterscheidungen überhaupt erst vorzunehmen, d.h. sie für andere wahrnehmbar, sie übertragbar und diskutierbar zu machen. Schließlich bilden nachvollziehbare Unterscheidungen auch die Voraussetzung für sinnvolle Interpretationen und damit für die Thematisierung der kulturellen Bedeutung dieser Unterschiede. In dieser Arbeit werde ich einige solcher Unterscheidungen vornehmen, um auf dieser Basis Thesen zur Darstellung von Geschlecht in Popmusik zu erarbeiten. 17 Jarman-Ivens (2011), S.7. 18 Ebd. 5 Mein Ziel ist es dabei jedoch nicht, schlicht akustische Attribute von Männlich- oder Weiblichkeit zu finden, sondern vor allem zu einer Betrachtung von Popmusik insgesamt als ein von sexistischen Dynamiken strukturiertes Feld zu kommen. Ähnlich wie die These der feministischen Filmwissenschaftlerin Laura Mulvey, dass im Kino eine Identifizierung des Publikums mit dem männlichen Helden unterstützt wird, während Frauen als betrachtbares Spektakel von außen angesehen und objektiviert werden, 19 denke ich, dass die Geschlechter auch musikalisch in ein asymmetrisches Verhältnis zueinander gesetzt werden, bestimmte Perspektiven privilegiert und andere abgewertet werden. Zwar halte ich grundlegende Analogien zwischen den Geschlechterdarstellungen im Film und in Popmusik für wahrscheinlich, eine einfache Übertragung dieses als „male gaze“ [=männlicher Blick] bekannten Modells erscheint mir aber nicht zielführend, denn dies würde die Unterschiede zwischen den Sinnen, Hören und Sehen, negieren. Außerdem ist die mit der Stimme verbundene sprachliche Interaktion, in der Sprechen und Hören aufeinander treffen und sich gegenseitig als sprachfähige Subjekte anerkennen müssen, ambivalenter, als die einseitige Betrachtung des „male gaze“, durch den der, die oder das Betrachtete mehr oder minder in die Position eines Objekts gebracht wird. Wer oder was schließlich im Klang einzelner Popsongs aktiv oder passiv, Subjekt oder Objekt ist, ist eine noch kompliziertere Frage und ließe sich nicht einfach mit einer übertragenen Idee eines „männlichen Gehörs“ erklären. Ich möchte in dieser Arbeit jedoch genau dieser Frage in der analytischen Betrachtung einzelner Musikbeispiele nachgehen. Dabei werde ich außerdem die einzelnen Songs miteinander in Beziehung setzen bzw. sie in Popmusik als einem gemeinsamen kulturellen Raum verorten, über den ich hoffe, mithilfe der in den Beispielen gewonnenen Erkenntnisse allgemeinere Aussagen machen zu können. Mein Ziel ist es so weniger zu einer Kritik einzelner Songs zu kommen, als zu einer Kritik der Machtstrukturen 20, die die Popmusik insgesamt durchziehen. Da ich allerdings nur sehr wenige Songs im Rahmen dieser Arbeit ausführlicher betrachten kann, sind meine Ergebnisse als Thesen zu 19 Mulvey geht es in ihrer Filmanalyse weniger darum, dass Männer im Film Helden und Frauen Opfer, jeweils mit entsprechenden Eigenschaften, sind, sondern dass der Aufbau der Filme, die Struktur der Erzählung usw. den männlichen und weiblichen Figuren bereits deutlich voneinander unterschiedene Positionen auch im Bezug zur Erzählung und zu dem den Film betrachtenden Publikum zuweisen. Diese Positionierungen stehen für Mulvey mit psychoanalytischen Mustern, v.a. der Kastrationsdrohung, in Beziehung, wodurch sie besonders überzeugend wirken [Vgl. Mulvey (1994), insbesondere S.55]. 20 Ich beziehe mich auf Michel Foucaults Machtbegriff; vgl. z.B. Foucault (1983), S.83-102. 6 verstehen, die mit weiterem musikalischem Material belegt oder verändert werden müssten. Meine Methode ist die exemplarische Musikanalyse und Interpretation einzelner Songs, die einen großen Teil meiner Arbeit ausmacht. Ausgehend von der in den Eingangszitaten geäußerten Position, dass Geschlecht in irgendeiner Weise etwas mit Authentizität oder „realness“ zu tun hat, werde ich zuerst drei von Sängern[sic] gesungene Songs betrachten, bei denen ich auf eine gemeinsame stimmlich-klangliche Eigenschaft hinweisen möchte, die ich die „echte“ Stimme nenne. Damit bezeichne ich sowohl einen bestimmten Stimmeinsatz als auch ein bestimmtes ästhetisches Kommunikationsmodell, das sich verbunden mit einem spezifischen Subjekt- und Körperbild an der Stimme festmachen lässt. Daraufhin werde ich mich vier von Sängerinnen gesungenen Popsongs zuwenden, deren hauptsächliche Gemeinsamkeit es ist, nicht nach dem zuvor entwickelten Modell der „echten“ Stimmen verständlich zu sein. Die hier präsentierten Körper- und Subjektbilder lassen sich dabei nach jeweils anderen ästhetischen Kommunikationsmodellen entschlüsseln, die ich jedoch abschließend miteinander und mit dem zuvor entwickelten Modell der „echten“ Stimme in Beziehung setzen werde. Ich konzentriere mich bei meinen Analysen dabei ausschließlich auf die Musik, lasse Kontexte, wie Musikvideos, Images der Sänger_innen oder Interviews, unberücksichtigt und werde auch die Bedeutung der Songtexte nur sehr eingeschränkt betrachten. Allerdings erscheint es mir, wie ich bereits dargestellt habe, aus einer feministischen Perspektive notwendig, vor der Analyse die Analysemethoden und die zu betrachtenden Ebenen der Musik zu reflektieren. Ich werde aus diesem Grund meinen Analysen eine ausführliche theoretische Darstellung von möglichen Analysewerkzeugen, ihrem Potenzial und ihren Vor- und Nachteilen für eine feministische Musikbetrachtung voranstellen. Außerdem erscheint es mir sinnvoll, die menschliche Stimme genauer zu verstehen, um klangliche Unterschiede genauer beschreiben zu können. Die Stimme ist eine komplizierte körperliche Aktivität und der Klang von Stimme ermöglicht Aussagen über den singenden Körper, der an verschiedenen Stellen angespannt, verschlossen oder offen erscheinen kann. Ich halte daher ein Wissen über die körperlichen Komponenten der Stimme für meine Musikanalysen, die zu einem großen Teil Analysen solcher Körperklänge darstellen werden, für hilfreich. 7 Diese Reflexionen über die Möglichkeiten von Musikanalyse und die körperlichen Aspekte der Stimme stellen dabei die Werkzeuge für die anschließenden Musikanalysen bereit. Im ersten Abschnitt der Arbeit möchte ich jedoch die Rahmenbedingungen klären unter denen meine Analysen stattfinden. Ich werde darin näher auf zwei zentrale Begriffe des Titels – Feminismus und Popmusik – eingehen. In diesem ersten Teil entwickle ich den theoretischen Raum, in dem ich mich bewegen möchte und den ich theoretisch abstecke, um mich anschließend darin orientieren zu können. Ich beginne meine Arbeit dabei mit der Darstellung zweier wichtiger feministischer Theorien – weniger weil ich fürchte, dass diese in der Musikwissenschaft eventuell immer noch unbekannt sein könnten, sondern viel mehr, weil die Theorien über Geschlecht und Sexismus von Simone de Beauvoir und Judith Butler eine Art grundlegende und sich durchziehende Basis für diese Arbeit darstellen. Dabei werde ich Feminismus nicht nur als eine politische Position betrachten, sondern vor allem als theoretische Grundlage für meine Arbeit. Diese hat meiner Meinung nach auch ein gewisses musikanalytisches Potential, das ich versuchen werde in meiner Arbeit zu nutzen. Außerdem bildet dies eine notwendige Bedingung für die Formulierung einer über einzelne Songs hinausgehenden Kritik an Sexismus in Popmusik. Des Weiteren werde ich ein Modell von dem formulieren, was ich unter Popmusik verstehe: Weniger eine spezielle aktuelle Musikform, als ein dynamischer gesellschaftlichkultureller Sozialisierungs- und Machtmechanismus, für den ich die Verwendung des Foucaultschen Dispositivbegriffs vorschlagen möchte. Ein solcher differenzierterer Begriff von Popmusik erscheint mir ebenfalls erforderlich, um zu einer feministischen Kritik zu gelangen, die Popmusik insgesamt als sexistisch strukturierten Machtkomplex versteht. Dabei re-/produziert dieses Popmusikdispositiv allerdings nicht nur Geschlecht und Sexismus, sondern auch viele weitere gesellschaftlich wirksame Diskriminierungen, insbesondere Rassismus, auf die ich jedoch in dieser Arbeit nicht eingehen werde. Hierbei ist allerdings kritisch anzumerken, dass fast alle von mir analysierten Songs von Weißen gesungen werden. Diese Auswahl ist dabei nicht ganz zufällig und basiert vor allem darauf, dass ich die Position weißer Männlichkeit als eine Art gesellschaftliche Zentralposition ansehe, gegen die sich weiße Weiblichkeit, nicht-weiße Männlichkeit und nicht-weiße Weiblichkeit jeweils anders abgrenzen. In einer solchen Matrix stellt nicht-weiße Weiblichkeit eine 8 mehrfach diskriminierte Position dar, die sich negativ gegen alle anderen Kategorien (also auch weiße Weiblichkeit und nicht-weiße Männlichkeit) abgrenzt. Ich bewege mich in meiner theoretischen Betrachtung der Popmusik als einem machtvoll strukturierten Raum vom Zentrum ausgehend, weshalb ich als ersten Schritt die nur „einfache“ Diskriminierung weißer Weiblichkeit analysieren werde. Das zusätzliche Miteinbeziehen weiterer Diskriminierungen erschien mir hingegen zu kompliziert für die Entwicklung eines ersten Ansatzes, weshalb ich mich insbesondere ausschließlich für die Untersuchung von Songs weißer Frauen entschieden habe.21 Außerdem werde ich in dieser Arbeit ziemlich klar eine feministische Perspektive einnehmen, was nicht nur theoretische, sondern auch politische und ethische Grundsätze bezeichnet. Dies meint nicht, dass ich meine Positionen nicht rechtfertigen werde, sondern vielmehr, dass sie sich an einem feministischen Wertesystem orientieren werden. Auf der politischen Ebene bedeutet das, dass ich diese Arbeit als Teil einer politischen Auseinandersetzung ansehe und deshalb die Entwicklung eines Ansatzes anstrebe, der gut anwendbar und übertragbar ist und der so eine kraftvolle feministische Kritik ermöglicht. Ich positioniere mich damit außerdem auch in einem feministischen Diskurs, weshalb ich versuchen möchte, in meinen Musikanalysen eine möglichst interdisziplinär verständliche Sprache zu verwenden. Eine feministische Perspektive bedeutet für mich aber auch, die Reproduktion sexistischer Stereotype, Ausschlussmechanismen und anderer sexistischer Logiken auf allen Ebenen zu vermeiden. Aus diesem letzten Grund werde ich in dieser Arbeit kein generisches Maskulinum zur allgemeinen Bezeichnung von Männern, Frauen und allen weiteren Menschen verwenden, die sich in diesen beiden Kategorien nicht wiederfinden, sondern stattdessen einen Unterstrich, das sogenannte „Gendergap“, verwenden.22 Mit „Sänger_innen“ meine ich somit Sängerinnen, Sänger sowie – symbolisiert durch die mit dem Unterstrich entstehende Lücke – alle weiteren denkbaren geschlechtlichen Identitäten. Ebenso werde ich bei Pronomen und Artikeln vorgehen. 21 Da ich insgesamt Hautfarbe als Kategorie nicht in den Musikanalysen reflektiere, halte ich es auch nicht für sinnvoll diese explizit mit zu bezeichnen; das soll heißen, dass ich mich dagegen entschieden habe, explizit von weißer Weiblichkeit zu sprechen, da ich keine Aussage dazu machen kann, inwieweit die Hautfarbe Auswirkungen auf die klangliche Darstellung hat. Mir ist bewusst, dass ich so möglicherweise die machtvolle Position und Normierung von weißen Körpern reproduziere, indem ich im Folgenden ohne weitere Benennung der Hautfarbe von Weiblichkeit und Männlichkeit sprechen werde. 22 Vgl. Antje Kirschnings „Hinweise und Empfehlungen für geschlechtergerechte Sprache an der ASH“, die einen guten Überblick über verschiedene Möglichkeiten geschlechtergerechter Sprache gibt. [Kirschning (2012)] 9 Da diese Verwendung einschließender Sprache aber leider noch immer eher die Ausnahme als die Regel darstellt, erscheint es mir notwendig, die Verwendung des Maskulinums zusätzlich zu markieren. Wenn ich also ausschließlich Sänger[sic] meine, so bezeichne ich dies jeweils nochmals ausdrücklich mit einem nachgeschobenen [sic]. Dies erscheint mir einerseits sinnvoll um Missverständnissen vorzubeugen, ist aber auch als eine kritische Intervention gegen das männliche Privileg, sich als unmarkierte „Normalform“ des Menschen darstellen zu können, zu verstehen. 10 2. Rahmen 2.1 Feministische Grundlagen An dieser Stelle ist es nicht mein Ziel zu erklären, was Feminismus ist. Dies zu versuchen wäre angesichts der vielfältigen unterschiedlichen aktuellen und historischen Strömungen wahrscheinlich ohnehin nicht sehr erfolgversprechend. Stattdessen möchte ich einige theoretische Positionen darstellen, die im Kontext des Feminismus stehen und für das Verständnis dieser Arbeit grundlegend sind. Vor allem auf die beiden Autorinnen Simone de Beauvoir und Judith Butler möchte ich dabei näher eingehen. 2.1.1 Simone de Beauvoir – Die Positionierung von Frauen als unwesentliche Subjekte Schon in ihrem Titel „Das andere Geschlecht“ deutet Simone de Beauvoir ihre Kernthese an, dass nämlich sexistische Diskriminierung nicht einfach nur eine mehr oder minder symmetrische Aufteilung der Welt bezeichnet, sondern eine Hierarchie zwischen den Geschlechtern, bei denen den einen (Männern) das Privileg zukommt sich selbstverständlich als Norm zu verstehen, während die anderen (Frauen) von dieser Position ausgeschlossen und negativ dagegen abgegrenzt werden. Sie schreibt beispielsweise: „[D]er Mann vertritt so sehr zugleich das Positive und das Neutrale[...]. Die Frau dagegen erscheint als das Negative, so daß jede Bestimmung ihr zur Einschränkung gereicht, ohne daß die Sache umkehrbar wäre.“23 Diese Aufteilung hat weitreichende Folgen, nicht nur für die gesellschaftliche Berücksichtigung der Interessen der jeweiligen Geschlechter, sondern auch für die Bildung der Subjektivität, die sich an dieser unterschiedlichen Bewertung der gesellschaftlichen Positionen als einer[sic] oder andere ausrichtet. 23 Beauvoir (2012), S.11. 11 Beauvoir spricht in ihrem Buch von einer „männliche[n] Naivität“24 und meint damit, dass aus einer (unreflektierten) männlichen Perspektive die männliche Subjektivität als normative, als normale selbstverständliche und objektive erscheint. Dass es überhaupt eine andere ebenso legitime Weltsicht geben könnte, wird aus dieser Position ausgeblendet: „Er [= der Mann] begreift seinen Körper als direkte, normale Verbindung zur Welt, die er in ihrer Objektivität zu erfassen glaubt“.25 Aus der in diesem System privilegierten männlichen Perspektive erscheint die eigene Weltsicht dabei so selbstverständlich, dass sie, ebenso wie die Legitimität anderer Perspektiven, regelrecht unsichtbar wird. Die weibliche Subjektposition hingegen wird in einen inneren Konflikt „zwischen dem fundamentalem Anspruch jedes Subjekts, das sich immer als das Wesentliche setzt, und den Anforderungen einer Situation, die sie als unwesentlich konstruiert“26 getrieben. In der Folge kann sich weibliche Subjektivität nicht in derselben Einfachheit oder „Naivität“ entwickeln, sondern beinhaltet immer eine gewisse Doppelposition. Dabei ist eine wirkliche Identifikation mit der „anderen“ Position nicht möglich, da diese eigentlich eine positive Subjektsetzung ausschließt. Entsprechend ist eine weibliche Subjektposition eigentlich nur als ein innerer Konflikt zu denken, der zwischen einer Identifikation mit dem als männlich konstruierten wesentlichen Subjekt und einer Identifikation mit der als anderes konstruierten Weiblichkeit, die in dieser Konstruktion eher als Objekt und nicht als Subjekt verstanden werden muss, wechselt und so eigentlich nicht zur Ruhe kommen kann: „Wenn sie [= die Frau] spielt ein Mann zu sein, muß sie natürlich scheitern; aber auch wenn sie spielt eine Frau zu sein, ist dies eine Illusion: Frau sein hieße das Objekt, der Andere sein; und der Andere bleibt in seiner Selbstaufgabe unterworfen.“27 [Hervorhebung im Original] Dieser Konflikt ist für Beauvoir eigentlich für jede Subjektivität grundlegend, denn „[d]as Subjekt setzt sich nur, indem es sich entgegen-setzt: es hat den Anspruch sich als das Wesentliche zu behaupten und das Andere als das Unwesentliche, als Objekt zu konstituieren.“28 In einem gleichberechtigten Austausch miteinander würde jedes Subjekt also immer wieder in einen Konflikt zwischen eigener Setzung und der Betrachtung durch den_die Andere_n, geraten. Durch Gesetze, Mythen, Diskurse und kulturelle Artefakte aller Art werden diese beiden Pole aber mit den Geschlechtern, also männlich (d.i. Wesentliches, Subjekt) und weiblich 24 25 26 27 28 Dies., S.22. Dies., S.12. Dies., S.26. Dies., S.76. Dies., S.13. 12 (d.i. Unwesentliches, Objekt), mehr oder minder fest verbunden,29 was für die männliche Subjektivität den Vorteil bringt, die eigene Position weniger hinterfragen zu müssen. Diese kann sich somit selbstverständlich als wesentlich und normativ wahrnehmen, während eine weibliche Perspektive regelmäßig damit konfrontiert ist, dass die eigene Position von anderen Subjekten, aber auch von verschiedenen Kulturprodukten, nicht als wesentlich anerkannt wird. Verschiedene Feministinnen haben dieses Dilemma in unterschiedlichen Bereichen belegen können, wie beispielsweise die schon in der Einleitung erwähnte Filmwissenschaftlerin Laura Mulvey, die erklärt, dass sich auch die Zuschauerin im Kino30 mit dem männlichen Helden[sic] identifiziert und so zwischen den Geschlechtern oszilliert.31 Während Sehen dabei zu einer männlichen Aktivität wird, konstruieren die von ihr betrachteten Filme Weiblichkeit dem Blick gegenüber als passiv und als Symbol für ein exhibitionistisches „Angesehen-werden-Wollen“.32 Dies ist jedoch nicht die Position der Zuschauerin, die den Film betrachtet und sich schließlich einerseits zwar in diesem Bild von Weiblichkeit wiedererkennen kann, sich aber zugleich, um dem Film folgen zu können, mit dem Helden[sic] und seinem[sic] Blick identifiziert. Wie die Film- und Medienwissenschaftlerin Mary Ann Doane am Beispiel einiger offensichtlich für eine männliche Perspektive produzierter Bilder herausarbeitet, ist eine weibliche Perspektive auf solche kulturelle Artefakte ein Paradox, das nur durch die ambivalente Identifikation entweder mit dem Objekt des Blickes oder der männlichen Perspektive lösbar erscheint.33 Insgesamt sind in vielen verschiedenen kulturellen Produkten, wie z.B. Photographien, Kleidung und Werbung, gesellschaftliche Machtverhältnisse eingeschrieben, indem sie permanent eine männliche Perspektive privilegieren. Diese wird damit als neutrale normalisiert und legitimiert, während jede andere Perspektive mit der eigenen Abweichung konfrontiert wird, was schließlich auch zu einer anderen Selbst- und Weltwahrnehmung führt. Simone de Beauvoirs viel zitierter 29 Vgl. Dies., S.86 -189. 30 Mulvey betrachtet vor allem Hollywood-Klassiker, als Beispiele bezieht sie sich unter anderem auf Hitchcock und Sternberg . 31 Vgl. Mulvey (1994), S.39-40 und Mulvey (2009), S.34-35: „for women (from childhood onwards) transsex identification is a habit that very easily becomes second nature. However, this Nature does not sit easily and shifts restlessly in its borrowed transvestite clothes.“ [S.35]. 32 Mulvey (1994), S.55. 33 Vgl. Doane (1994), S.86: „Die Wirksamkeit von Maskerade liegt genau in ihrem Vermögen eine Distanz zum Bild herzustellen, eine Ungewißheit zu erzeugen, in der das Bild manipulierbar, produzierbar und für Frauen lesbar gemacht wird. Dosineaus Photo kann vom weiblichen Zuschauer nicht gelesen werden – nur im Masochismus kann sie es genießen. Um den Witz zu verstehen, muß sie wiederum die Position der Transvestitin einnehmen.“ 13 Satz „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ 34 ist dabei auch so zu verstehen, dass sich diese Gesellschaftsverhältnisse auf die individuelle weibliche Subjektivität auswirken, die somit immer bedeutet, einen eigenen Umgang mit dieser Diskriminierung zu finden. Ich möchte nun über ein paar mögliche Konsequenzen für die Popmusik nachdenken: Es liegt hier die These nahe, dass eine männliche Perspektive auch in der Popmusik immer wieder normalisiert und privilegiert wird. Einige Texte haben solche Privilegierungen bereits auf verschiedenen Ebenen belegt. Z.B. beschreiben Vaughn Schmutz und Alison Faupel, dass in der Bewertung von Rockmusik die Musik von Frauen als weniger normativ, wichtig oder relevant eingestuft wird und ihr Wert nicht allgemein, sondern spezifisch für eine angebliche Tradition weiblicher und damit als anders markierter Musik diskutiert wird.35 Ebenso gibt es Aufsätze, die sich mit den Problemen von Frauen in verschiedenen musikalischen Aktivitäten beschäftigen36 oder die Situation von Frauen als (diskriminierter) Zielgruppe diskutieren.37 Außerdem ist die Dominanz von Männern in vielen Musikgenres, beispielsweise Rock, Metal, HipHop usw., offenkundig.38 Mein Projekt ist es allerdings, hier auf der Ebene des Klangs zu bleiben und einer impliziten männlichen Perspektive in der Musik selbst auf die Spur zu kommen. Darüber hinaus können sich aber auch die beiden mit dem Geschlecht verbundenen unterschiedlichen Subjektpositionen in der Musik niederschlagen: Sowohl eine männliche Perspektive, die sich selbst unhinterfragt als Wesentliches ansieht, als auch die Schwierigkeiten einer weiblichen Perspektive, die versucht sich innerhalb eines kulturellen Zusammenhangs musikalisch auszudrücken, der ihre Position als unwesentliche zurückweist und abwertet, könnten sich in der der Musik zeigen. Diese Unterschiede in der musikalisch ausgedrückten Subjektivität könnten sich außerdem bereits so verfestigt haben, dass sie zu klanglichen Mustern für die Präsentation eines Geschlechts geworden sind. 34 Beauvoir (2012), S.334. 35 Vgl. Schmutz/Faupel (2010). 36 Vgl. beispielsweise Mavis Bayton (1996), der die geschlechtsspezifischen Hürden der Musikpraxis für Frauenbands beschreibt, und Will Straws (1997), der sich mit geschlechtsspezifischem Plattensammelverhalten beschäftigt. 37 Vgl. Garratt (1996): „On the whole, the word „fan“, when applied to women, is derogatory. It is always assumed, that they are attracted to a person for the «wrong» reasons, that they are uncritical and stupid. As an audience, they are usually treated with contempt by both bands and record companies. The «real» audience is assumed to be male, and advertisements, record sleeves, and even stage presentations are nearly always aimed at men.“ [S. 409]. 38 Vgl. O'Brien (1995), S.1-6, Gaar (1994), S.15-19, Litzbach (2011), S.9 oder Binas (1992). 14 2.1.2 Judith Butler – Die Einverleibung des heterosexuellen Körpers Damit möchte ich zur zweiten für diese Arbeit grundlegenden Theorie kommen: Judith Butlers Performanztheorie. Performativität meint die ständige Re-/Produktion des Subjekts innerhalb des Intelligibilitätsrahmens, eines zugleich einschränkenden wie hervorbringenden Sets an zitierfähigen und gesellschaftlich als solche Zitate verständlichen (=intelligiblen) Verhaltensmustern. Für Butler entsteht das Subjekt dabei nicht nur einmal in der Kindheit, sondern es muss sich in gesellschaftlichen Prozessen laufend als solches behaupten. Hierzu ist es notwendig, von außen als Subjekt erkennbar zu werden, was dadurch geschieht, dass auf die allgemein bekannten Muster des Intelligibilitätsrahmens Bezug genommen wird. Der Intelligibilitätsrahmen strukturiert dabei die Möglichkeit von Subjekten und Körpern, indem er diese innerhalb der heterosexuellen Matrix in eine durch Begehren strukturierte Beziehung setzt und anordnet, wobei Geschlecht als Basis für das normativ heterosexuelle Begehren rückwirkend naturalisiert wird. Anders gesagt ist Geschlecht damit nur eine Funktion des vorweg als heterosexuell normierten und damit auf einem grundlegenden Dualismus basierenden Begehrens.39 Geschlecht ist also keine statische Eigenschaft, sondern ein wiederholendes und wiederholtes Handeln, das als zitierende Reproduktion des Intelligibilitätsrahmens gesellschaftlich verständlich wird. Dies beschränkt Butler ausdrücklich nicht auf das soziale Geschlecht (d.h. gender) sondern besteht darauf, dass auch das biologische Geschlecht (sex) sich so erst materialisiert; da „es keine Bezugnahme auf einen reinen Körper gibt, die nicht zugleich eine weitere Formierung dieses Körpers wäre“.40 Es gibt also nicht vorweg einen natürlichen Körper, auf dem kulturelle Prozesse aufbauen würden, sondern der Körper selbst ist ein kulturell geprägtes Artefakt, zu dessen Natur es eigentlich keinen Zugang gibt. Es existiert somit auch kein unveränderlicher Kern in oder eine unveränderliche Wahrheit über irgendein beliebiges Subjekt oder ein Geschlecht. Der Eindruck eines solchen ist ein Resultat der erfolgreichen Performanz. In ihrem stark von der Psychoanalyse geprägten zweiten Kapitel von „Das Unbehagen der Geschlechter“ beschreibt Butler dabei den Prozess der Annahme eines körperlichen Geschlechts als „Einverleibung“.41 Sie bezieht sich dabei auf Sigmund Freuds 39 Vgl. Butler (1991), S.120-122. 40 Butler (1997), S.33. 41 Butler (1991), S.108. 15 Melancholie, die einen emotionalen Verlust verleugnet, indem sie das verlorene Objekt als Introjektion in den Körper aufnimmt und dort als „radikal Unnennbares bewahrt“. 42 Dies bezieht sie auf die heterosexuelle Matrix, die ein homosexuelles Begehren so sehr verleugnet, dass es vom Subjekt selbst nicht zugelassen werden kann und noch vor jeder Verdrängung verleugnet wird. Dadurch wird insbesondere eine Beziehung dieses Verlusts zur Sprache unmöglich, die ihm eine Bedeutung geben könnte. Die Introjektion ist also außersprachlich. Es geht so „nicht nur das Objekt verloren, sondern das Begehren wird vollständig verneint“.43 Die Introjektion bzw. Verschiebung des Liebesobjektes in den Körper ist dabei Basis für die vergeschlechtlichte Identifizierung oder Einverleibung des Geschlechts. Dies beinhaltet vor allem auch die somatische speziell erotische Selbstbeziehung des vergeschlechtlichten Subjekts: „[B]estimmte Körperteile werden genau deshalb zu Vorstellungszentren der Lust, weil sie dem normativen Ideal eines solchen, für die Geschlechtsidentität spezifischen Körpers entsprechen. In bestimmtem Sinne werden die Lüste durch die melancholische Struktur der Geschlechteridentität determiniert, die manche Organe für die Lust abtötet, andere wiederum zum Leben erweckt.“44 Nun sollte hieraus aber nicht eine vorgängige Bisexualität aller Menschen geschlossen werden. Unter Rückgriff auf den produktiven Machtbegriff von Foucault45, legt Butler dar, wie auch dieses vollständig verdrängte homosexuelle Begehren erst durch das Verbot hervorgebracht wird. Gewissermaßen wird in diesem Prozess überhaupt erst die Spaltung der Menschheit in zwei Geschlechter vorgenommen, ja regelrecht „erzwungen“,46 indem das Verbot alle Menschen in Begehrenswerte und Unbegehrbare unterteilt. Die Annahme einer vorgängigen Bisexualität würde qua Begriff diese Zweiteilung vorwegnehmen. Die Einverleibung darf aber nicht als ein einmaliger vergangener Prozess vorgestellt werden, so wie es die Psychoanalyse im Ausagieren von Kastrations- und Ödipuskomplex im frühkindlichen Alter47 postuliert, sondern ist der fortwährenden Performativität unterworfen. Anders gesagt: Die melancholische Einverleibung wird ständig wiederholt und das eigene Geschlecht damit ebenso bestätigt und reproduziert, wie die diesen Prozess ermöglichende heterosexuelle Matrix.48 42 43 44 45 Butler (1991), S.108. Butler (1991), S.109. Butler (1991), S.111. Vgl. Foucault (1983), S. 94: „Die Machtbeziehungen bilden nicht den Überbau, der nur eine hemmende oder aufrechterhaltende Rolle spielt – wo sie eine Rolle spielen, wirken sie unmittelbar hervorbringend.“ 46 Butler (1991), S.110. 47 Vgl. Freud (1925). 48 Vgl. Butler (1991), S.199. 16 Die körperliche Annahme deines Geschlechts ist dabei die Vorraussetzung für das Subjekt: „Die «Aktivität» dieses Geschlechtlich-Werdens kann streng genommen kein menschliches Handeln oder menschlicher Ausdruck sein, keine willentliche Aneignung, und ganz sicher ist sie keine Frage einer Maskierung; sie ist eine Matrix, durch die alles Wollen erst möglich wird, sie ist die kulturelle Bedingung seiner Möglichkeit.“49 [Hervorhebung im Original] Der Intelligibilitätsrahmen wirkt jedoch nicht nur produktiv sondern auch repressiv. Er erhält seine Macht durch den verwerfenden Ausschluss, mit dem Körper bestraft werden, die nicht intelligibel – also nicht sinnvoll in die heterosexuelle Matrix einfügbar – sind, und deren „Menschsein selbst [...] fraglich wird“.50 Dabei ist dieses Außen konstitutiv für das Funktionieren des Intelligibilitätsrahmens und der heterosexuellen Matrix. Indem Menschen nicht nur nach Geschlecht sondern zusätzlich in legitime und illegitime Identitäten eingeteilt werden,51 erklärt sich denn auch die Wirksamkeit des fortwährenden Zwanges zur reproduzierten und reproduzierenden Annahme eines Geschlechts, die durch die zitierende Wiederaufrufung des Intelligibilitätsrahmens ebenfalls zur Kollaboration mit diesem umfassenden Zeichensystem und seiner verwerfenden Macht zwingt.52 Dennoch schafft es Butler, gerade aus dieser zwanghaften wiederholten Performanz des Geschlechts eine politische Handlungsoption abzuleiten. Da die Hervorbringung vergeschlechtlichter Körper und Identitäten niemals abgeschlossen ist und auch nie vollständig oder perfekt möglich ist, es sich also immer nur um imperfekte Abbildungen eines impliziten aber unmöglichen Ideals handelt, lässt sich durch gezielt abweichende Reproduktion einerseits der Rahmen verschieben oder erweitern, andererseits das implizite Ideal als Unmögliches angreifen. Die Natürlichkeit von Geschlecht wird somit als scheinbare entlarvt und dekonstruiert, während zuvor ausgeschlossene queere 53 Körper und Identitäten Handlungsfähigkeit erwerben, indem sie in die Intelligibilität und damit in das System symbolischer Repräsentation eintreten. In meinen Musikanalysen werde ich die einzelnen Songs als performative Akte betrachten, in denen ein singendes Subjekt, samt Geschlecht und Körper, entsteht, wobei der Klang über die spezifische Konfiguration diese Körper-Subjekts Auskunft gibt. Dabei entsteht 49 50 51 52 Butler (1997), S.29. Butler(1997), S.30. Vgl. Butler (1997), S. 30 Vgl. Butler (1997), S. 39: „Der Prozeß jener Sedimentierung oder das, was wir auch Materialisierung nennen können, wird eine Zitatförmigkeit sein, ein Erlangen des Daseins durch das Zitieren von Macht, ein Zitieren, das in der Formierung des «Ichs» ein ursprüngliches Komplizentum mit der Macht herstellt.“ [Hervorhebung im Original]. 53 Butler findet im Queeren schließlich einen nicht normativen Kollektivbegriff. Queer sind Körper die die Intelligibilität durchkreuzen. Vgl. Butler (1997), S.307. 17 dieses Subjekt nur temporär im Rahmen des Songs, und lässt keine automatischen Rückschlüsse auf die tatsächlichen Charaktere der Sänger_innen zu. Ich betrachte die Songs dabei als kurze fixierte klangliche Performanzen, die zu zitierbaren Verhaltensmustern im Intelligibilitätsrahmen werden können und die das Potential haben nicht nur die klangliche Präsentation von Geschlecht innerhalb der Popmusik zu beeinflussen, sondern über diese hinaus zu allgemeinen gesellschaftlichen Mustern von emotionalem, subjektivem und körperlichem Ausdruck zu werden.54 Dabei ist der Intelligibilitätsrahmen grundsätzlich wandelbar, so dass diese Muster nicht als unveränderliche, sondern als temporärer Ausdruck weiblicher oder männlicher Subjektivität verstanden werden müssen. Eine historische Untersuchung der Veränderung in der klanglichen Darstellung von Männern und Frauen wäre hier perspektivisch sinnvoll, ich werde in dieser Arbeit jedoch die historische Perspektive ausklammern, da das Material, mit dem ich arbeite, keine Aussagen über eventuelle Entwicklungen zulässt. Außerdem werde ich mich darauf beschränken ausschließlich Geschlechterbilder von Männern und Frauen zu analysieren. Auf die Möglichkeiten von intersexuellen, uneindeutigen und queeren musikalischen Performanzen werde ich im Rahmen dieser Arbeit nicht ausführlich eingehen. Mein Ziel ist es hier, nicht Musik zu untersuchen, die Geschlecht dekonstruiert, sondern zuerst einmal die Konstruktion von Geschlecht in Popmusik zu verstehen. Ich denke, alle in den von mir ausgewählten Songs präsentierten stimmlichen Performanzen erscheinen eindeutig als männlich oder weiblich und ich werde von dieser Annahme ausgehend versuchen herauszufinden, wie das Geschlecht jeweils klanglich hergestellt wird. 54 Einen bemerkenswerten Versuch für die Anwendung der Performanztheorie Butlers auf Gesang hat bereits die Musikwissenschaftlerin Suzanne Cusick vorgelegt. Für sie steht dabei die Position der Stimme als Vermittlungsmoment zwischen dem einem Innen und Außen des Körpers im Fokus „it[=Song] literally crosses the body's borders, defining and performing them as it does so. [...] it is often taken to express or represent an interior truth: the truth from within the body's borders moved by breath […] beyond those borders. […] Song […] is always a performance of the idea of subjectivity.“ [Cusick (1999), S.30] Sie formuliert schließlich die These, dass Geschlecht in der Stimme vor allem über eine hörbare Anpassung (weiblich) oder eben Nicht-Anpassung (männlich) an kulturelle Normen geschieht [Vgl. S.38], wobei sie jedoch vor allem die kulturellen Normen des Singens in einem wahrscheinlich eher traditionellen Verständnis meint [Vgl. S.34]. Diese kulturelle Normierung dringt dabei mehr (weiblich) oder weniger (männlich) tief in den Körper ein, was durch die geöffneten oder geschlossenen Resonanzräume hörbar wird. 18 2.2 Popmusik als Dispositiv und Mimesis als Weltzugang „...wäre da nicht der begründete Verdacht, daß die populären Musikformen gerade deshalb so allgegenwärtig geworden sind, weil die von ihnen produzierten Werte, Bedeutungen und sozialen Erfahrungen einen ganz entscheidenden kulturellen Reproduktionsfaktor moderner Industriegesellschaften darstellen, der mit den subtilen Mechanismen kulturelle Machtausübung ebensoviel zu tun hat wie mit der Entwicklung von Subjektivität, von sozialer und persönlicher Identität.“55 Ich möchte nun darstellen, was ich unter Popmusik verstehe. Dabei ist wahrscheinlich bereits klar geworden, dass ich mit Popmusik nicht nur eine bestimmte aktuelle Musikform bezeichne, sondern ein um diese Musikform organisiertes machtvolles gesellschaftliches Sozialisierungssystem. In Anlehnung an Michel Foucault verstehe ich Popmusik als ein Dispositiv. Ein Dispositiv nach Foucault ist kurz gesagt eine strategische Formation von Macht, 56 die aus einer Vielzahl heterogener, diskursiver und nicht-diskursiver Elemente besteht. 57 Diese können beispielsweise sein: „Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philanthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebenso wohl wie Ungesagtes“58 Bezogen auf Popmusik lassen sich hierunter Musikindustrie, Radio, Charts, populäre und akademische Diskurse, Tanz, Fangemeinden, Stars, musikzentrierte Subkulturen und ihre Wertesysteme, Diskotheken, Popsongs, Popmusik-Genres, die Strukturen des Musikmarktes, der «Mainstream» und vieles mehr fassen. All diese vielfältigen Elemente funktionieren innerhalb der machtvollen Strategie des von mir an dieser Stelle postulierten Popmusik-Dispositivs als taktische59 Momente. Als übergreifende Strategie dieses Dispositivs lässt sich dabei, so meine These, die Sozialisierung und damit auch die 55 56 57 58 59 Wicke (1998), Absatz 10. Vgl: Foucault (1983), S.95. Foucault (1978), S.119/120. Ebd. Foucault differenziert zwischen Taktiken und Strategien: Die Strategie verfolgt ein globales Ziel mithilfe verschiedener temporärer und lokaler einzelner Taktiken. Die Strategie und ihr Ziel lassen sich dabei aus der Wirkung der Taktiken aus ihrem „Kalkül“ [Foucault (1983): S. 95] erschließen. In der „Regel des zweiseitigen Bedingungsverhältnisses“[Foucault (1983): S.99/100] führt Foucault weiter aus, wie sich Taktiken und Strategie gegenseitig bedingen; eine Strategie nur aus einzelnen Taktiken besteht und einzelne Taktiken nur innerhalb der Strategie ihre Macht entfalten können. Einzelne Taktiken können dabei durchaus temporär oder scheinbar der Strategie zuwiderlaufen [Vgl. Foucault (1983) S.101]. 19 Aktualisierung der gegenwärtigen Gesellschaft im Bewusstsein ihrer Individuen60 beschreiben. Popmusik als Medium gesellschaftlicher Sozialisierung zu sehen, ist dabei keine neue These, sie durchzieht die Popmusikforschung unter verschiedenen Gesichtspunkten seit ihrem Beginn. Darunter lässt sich bereits Theodor W. Adornos Manipulationsthese61 fassen, ebenso, wie die von einer subversiven Sozialisation in der Subkultur ausgehenden Texte des Birmingham Center for Contemporary Cultural Studies [CCCS],62 wobei aber bemerkt werden muss, dass hierbei zwei antagonistisch gedachte Gruppen (bei Adorno die Kulturindustrie, im CCCS die Konsument[_innen]63 in der Subkultur) jeweils als Handelnde erscheinen und Popmusik in der einen Theorie repressives Manipulationsinstrument ist, in der anderen Mittel subversiver Veränderung darstellt. Bereits Paul Willis Text „Symbolism and Practice“ von 1974 geht dabei von einer wechselseitigen Beziehung zwischen der Musik und ihren Konsument_innen aus, in dem sich strukturelle Ähnlichkeiten zwischen der Alltagserfahrung und den Werten einer Subkultur und ihrer Musik ausbilden. Es wird also davon ausgegangen, dass es eine enge homologe Beziehung zwischen Musik und Wertesystemen gibt. Ich gehe im Dispositiv ebenfalls von einer wechselseitigen Beziehung aus, in der die Popmusik ein kontinuierlich von der Gesellschaft hervorgebrachtes Mittel zur eigenen Aktualisierung ist.64 Diese Beziehung ist zirkulär, so dass sich sowohl die Gesellschaft, als 60 Ich denke dabei, dass Popmusik insbesondere die globale und kapitalistische Organisationsform der gegenwärtigen Gesellschaft transportiert. Gerade das Medium Musik scheint mir besonders gut für eine internationale Zirkulation geeignet zu sein und damit globale kulturelle Verbindungen zu schaffen. Daraus folgt allerdings nicht automatisch eine global einheitliche Musikkultur, sondern eher ein globaler Bezugsrahmen, mit jeweils unterschiedlichen lokalen Ausprägungen. Ebenso erscheint mir die Funktion von Popsongs, die zugleich Waren und symbolträchtige Kulturprodukte sind, besonders geeignet eine kapitalistische Weltordnung zu naturalisieren. 61 Für Adorno wird das Publikum durch den Konsum von populärer Musik so manipuliert, dass es die autoritären Gesellschaftsverhältnisse akzeptiert und zu einer passiven Haltung, statt aktiver Analyse und Bewertung von Musik, verführt. Vgl. Adorno (1941), Abschnitt III, „Theory about the listener“, Absatz 27-34. 62 Vgl. Willis (1974), Abschnitt I, Absatz 22. 63 Ich setze den weiblichen Term hier in Klammern, da mir dies die (Nicht-)Berücksichtigung von Frauen in den Texten des CCCS am besten widerspiegelt. Für eine entsprechende Kritik siehe Angela McRobbie (1996). 64 Diese Rückkopplunglässt sich beispielsweise an der ökonomischen Funktionsweisen von Popmusik in der Werbung darstellen: Insbesondere im kommerziellen Radio, aber nicht nur dort, wird durch Musikauswahl eine spezifizierte Zielgruppe produziert – damit ist aber nicht nur die Zielgruppe der Musik, sondern auch die Zielgruppe der Werbung gemeint, die auf diesem Radioprogramm geschaltet wird. Eine homogene und bestimmbare Gruppe von Hörer_innen ermöglicht es den werbenden Unternehmen ihre Produkte zielgerichteter zu präsentieren. Schließlich bekommt die Zielgruppe auch durch den Konsum ähnlicher Produkte, ja, schon durch ein in der Werbung gewecktes vergleichbares Begehren Substanz [Vgl. z.B. Buxton (1996)]. In der Konsequenz wird dieses Konsumverhalten jedoch auch symbolisch, d.h. in der medialen 20 auch die Popmusik als Klang wie als Dispositiv, d.h. mit all ihren institutionellen, diskursiven, praktischen und musikalischen Teilaspekten, kontinuierlich verändern. Das Dispositiv erscheint mir außerdem ein geeigneter Begriff, da es damit möglich ist auch scheinbare Widersprüche sinnvoll einzuordnen, so dass sich beispielsweise auch die paradoxen Positionen verschiedener musikalischer Subkulturen zwischen Affirmation und Ablehnung von Gesellschaft und Konsumverhalten theoretisch fassen lassen. Die mögliche Subversivität von musikalischen Subkulturen kann so beispielsweise auf einer Ebene anerkannt werden, ohne dass dies einen Widerspruch zu anderen Ebenen darstellt, auf denen ihre Mitglieder dennoch gesellschaftliche Grundwerte bestätigen oder sinnvoll gesellschaftlich integriert werden. Ebenso lassen sich verschiedene ästhetische oder ideologische Werte, beispielsweise die regelmäßig praktizierte Abgrenzung vom sogenannten «Mainstream» oder das Verlangen nach Authentizität oder Echtheit der musikalischen Präsentation, als Momente eines Dispositivs fassen. Dabei sind solche ideologischen oder ästhetischen Kategorien nicht isolierbar, sondern können in vielfältiger Weise innerhalb des Dispositivs wirken. Auch die Darstellung von Geschlecht im Popmusikdispositiv lässt sich als mit anderen Kategorien sowie deren ideologischer Bewertung verwoben verstehen und wird sich auch nur in Verbindung mit diesen vollständig erschließen. Das Dispositiv soll dabei als ein Modell für die gesellschaftliche Funktion von Popmusik verstanden werden, wobei es mir insbesondere wichtig ist, Popmusik als ein Ganzes zu verstehen, das zwar immer nur in Teilaspekten konkret begegnet, die jedoch in einen größeren Zusammenhang eingeordnet werden müssen, um verständlich zu werden. Beispielsweise ist für die Entwicklung einer Identität die negative Abgrenzung ebenso wichtig wie eine positive Identifikation.65 Ausschließlich positive Bezugnahmen auf Repräsentation, privilegiert, wodurch wiederum Normierungsprozesse in Gang gesetzt werden: Wer durch die Werbung angesprochen werden soll, wird in den kommerziellen Medien stärker repräsentiert, was bezogen auf Popmusik bedeutet, dass deren_dessen Interessen stärker berücksichtigt werden, und erhält eine normalere und symbolisch privilegierte gesellschaftliche Rolle. Dabei zeigt sich nicht nur die einordnende Wirkung der Popmusik, sondern vor allem eine privilegierte Rückkopplung für diejenigen, die von Werbung angesprochen werden sollen: Veränderungen in den von Unternehmen anvisierten Zielgruppen oder in den ökonomischen Möglichkeiten einzelner Schichten haben folglich Auswirkungen auf die produzierte und besonders stark beworbene Popmusik und deren mediale Präsenz. 65 Vgl. Hall (1996), S.4-5: „Above all, and directly contrary to the form in which they are constantly invoked, identities are constructed through, not outside, difference. This entails the radically disturbing recognition that it is only in relation to the Other, the relation to what it is not, to precisely what it lacks, that what has been called its constitutive outside that the «positive» meaning of any term – and thus its identity – can be constructed.“ oder Wicke (1993), Absatz 21: „Identität setzt Differenz voraus, ohne Abgrenzung sind auch kulturelle Identitäten nicht möglich.“ 21 Popmusik zu betrachten, reicht also zum Verständnis dieses Prozesses nicht aus. Die Abgrenzung nur als Negativbild mit einzubeziehen, erfasst jedoch auch noch nicht, dass sowohl die gewählte Identität, als auch die abgelehnte, sich in einem gemeinsamen Rahmen bewegen und sich unter anderem dadurch gegeneinander abgrenzen, dass sie sich innerhalb desselben verschieden platzieren. Bezogen auf Popmusik wird durch die Wahl eines Stars, einer Band oder eines Genres nicht nur anderes abgelehnt, sondern das Eigene und das Abgelehnte auch in Beziehung zueinander gesetzt und in einem gemeinsamen Kontext verortet. Zwar blende ich in dieser Arbeit zur Vereinfachung meiner Fragestellung außermusikalische Zusammenhänge weitgehend aus, aber auch auf der musikalischen Ebene lässt sich die Popmusik als ein übergreifender Kontext verstehen, in dem die einzelnen Songs miteinander in Beziehung stehen. Damit meine ich hier allerdings nicht nur musikästhetische Kriterien, wie die musikalischen Attribute einzelner Genres, sondern, wie später klar werden wird, vor allem die musikalisch produzierten Bilder von Subjektivität und Körper, sowie die möglichen Beziehungen zwischen singendem Subjekt und Publikum, die ich für relevant für die musikalische Produktion von Geschlecht halte. Meine These ist es, dass darüber auch der Klang von Popmusik durch normative Bilder von Geschlecht strukturiert wird und so andererseits normative akustische Geschlechterbilder entstehen. Wie im Intelligibilitätsrahmen von Butler bilden sich hierbei, so meine These, zitierbare Muster sowohl für die musikalische Präsentation von Geschlecht als auch für die rezipierende Beziehung zum Song heraus, die eine normative Wirkung entfalten und dabei diskriminierende Gesellschaftsverhältnisse auf einer musikalisch-emotionalen Ebene mithervorbringen, legitimieren und verstärken. Zugleich könnten allerdings dieselben Muster innerhalb des Popmusik-Dispositivs auch Ausgangspunkt für Gegenstrategien und Veränderungen sein und zu positiven Momenten für eine feministische Veränderung werden. Diese Produktion von gesellschaftlichen Strukturen geschieht dabei mithilfe der Musik vor allem auf einer nonverbalen Ebene. So schreibt beispielsweise Simon Frith: „«Frauenmusik» zum Beispiel interessiert dort [in den special charts von Billboard] nicht als Musik, die irgendwie «Frauen» ausdrückt, sondern als Musik, die versucht, diese zu definieren, genauso wie «schwarze Musik» dazu da zu sein scheint, eine bestimmte Vorstellung davon, was «schwarz» ist, hervorzubringen“66 66 Frith (1992), Absatz 13. 22 Musik produziert also gesellschaftlich relevanten Sinn ohne dabei auf Worte zurückzugreifen. Um dies zu verstehen, muss Musik als eine körperlich-emotionale, d.h. eine somatische Erfahrung verstanden werden. Die Tanzwissenschaftlerin Gabriele Klein hat hierfür einen äußerst produktiven Ansatz zur Analyse geliefert, indem sie den von Christoph Wulf und Gunter Gebauer entwickelten Mimesis-Begriff auf Popmusik anwendet.67 Gebauer und Wulf beschreiben Mimesis als ein kreatives Nachformen der Welt im Innern des Individuums: „In mimetischen Akten erzeugt das Subjekt durch seine eigene Formgebung die vorgefundene Welt noch einmal.“68 Dieser Prozess nimmt zwar Bezug auf das Gegebene, wiederholt es aber nicht passiv, sondern erzeugt etwas Eigenes. Es entsteht so eine zweite mimetische Welt im Subjekt, die von der äußeren Welt durchaus abweichen kann, aber immer in Beziehung zu dieser steht. „Das Weltverhältnis des Menschen kann beschrieben werden als eine Verschränkung wechselseitiger Aktivitäten: Ein Subjekt, das sich machen muss, nimmt Beziehungen zu einer Welt auf, die es als geformte und strukturierte schon gibt und die ihrerseits das Subjekt macht.“69 Dabei sehen Gebauer und Wulf mimetische Prozesse als basale vorbewusste 70 Weltzugänge des Menschen, die sowohl das symbolische Weltverständnis als auch die Körper der Subjekte prägen und dabei schließlich auch die Basis für jede Erkenntnis darstellen.71 Es gibt also ein mimetisches Verhältnis zwischen einer vorgefundenen äußeren Welt, die bereits durch das Handeln anderer symbolisch kodiert ist, und einer darauf im Innern des Subjekts nachgebildeten Welt, über die sich dieses die Welt und damit Handlungsfähigkeit in der derselben erschließt. Dabei lässt sich die Mimesis insofern als performativ im Sinne Butlers verstehen, als dass auch das Nachgebildete seine symbolische Bedeutung für das Subjekt erst durch die Nachbildung erhält.72 Für mein Vorhaben ist dieses Konzept auf einigen Ebenen interessant: Es dient erst einmal als ein Konzept, das die Vermittlung zwischen einer im Popmusik-Dispositiv präsentierten symbolischen Weltordnung und dem individualisierten Weltverständnis einzelner 67 Klein (2004): S.244-262: „Das Konzept der Mimesis eignet sich um eine Antwort auf die Frage nach dem Wie, also der Art und Weise der Aneignung von Kultur zu geben.“ [Klein, S.261] 68 Gebauer/Wulf (2003), S.7. 69 Dies., S.101. 70 Dies., S.28. 71 Vgl. Dies., S.75. 72 Vgl. Dies., S.8. 23 Personen herstellt, die sich aus verschiedenen Perspektiven mit dieser Welt in Beziehung setzen und sie in ihrem Innern mit Abweichungen nachbilden. Aber auch der Umgang mit einzelnen Popsongs hat auf vielen Ebenen mimetische Züge: Vom empathischen Nachempfinden der Musik, über das Tanzen oder Luftgitarre spielen, bis hin zur imitierenden eigenen Musikpraxis, dem Mitsingen oder dem Spielen von Cover-Songs. Der Körper spielt dabei eine entscheidende Rolle: Er ist einerseits das Medium der musikalischen Erfahrung, andererseits ist er durch den Habitus, der sich als Folge der mimetischen Nachbildung im Körperinnern auf das soziale Handeln überträgt, auch ein Ergebnis, wie Klein mit Rückgriff auf Bourdieu deutlich macht.73 „Da der Habitus leiblich strukturiert ist wird es zudem möglich, den Vorgang zu verstehen, wie leibliche Erfahrung sich körperlich darstellt und nach «außen» getragen wird. Auch dieser nach «außen» gerichtete Prozeß ist ein mimetischer Akt, ein Angleichen der «inneren Erfahrung» an die «äußere Realität» in sozialen Handlungen, die sich körperlich vollziehen.“74 Die Nähe dieser mimetischen Körperherstellung zur Performanztheorie Butlers ist hier auffällig. Beide Theorien lassen sich meines Erachtens verbinden, wenn die scharfe Trennung von innerem und äußerem Körper, d.h. Leib und Körper, auf die Klein ihre Theorie basiert, berücksichtigt wird. Für Klein erklärt die Mimesis die Einschreibung der symbolischen Welt in den Leib, also die innere Körperwahrnehmung, die sich im zweiten mimetischen Schritt erst an der Oberfläche äußert und so zum Habitus wird. 75 Bei Butler scheinen die beiden Schritte in eins zu fallen: Mit der als mimetische Nachahmung auffassbaren Performanz wird zugleich der eigene Körper performativ erzeugt. Dabei gehe ich davon aus, dass diese beiden Schritte zwar zeitlich in eins fallen, allerdings lässt sich durch die theoretische Trennung dieser beiden Schritte die innerliche bzw. leibliche Musikerfahrung eher fassen, als wenn diese immer nur in ihrem nach außen wirkendem performativem Ergebnis betrachtet würde, weshalb mir diese Zweiteilung auf der theoretischen Ebene sinnvoll erscheint. Das Popmusik-Dispositiv wirkt dabei, so meine These, vermittelt über mimetische Beziehungen zwischen dem Klingenden und dem Selbst- und Weltbild der Hörenden insbesondere auf die somatische und emotionale Selbstwahrnehmung von Menschen und bringt diese hervor. Auf Basis dieser These ist es notwendig auch in der Musikanalyse die Beziehung zwischen Klang und Körper zu verstehen. So schreibt auch Susan McClary: 73 Vgl. Klein (2004), S.262. 74 Ebd. 75 Klein (2004), S.261. 24 „A more productiv approach to music – not just pop, but all music, including the ostensible cerebral classical canon – would be to focus on its correspondences with the body. […] I want to propose, that music is foremost among cultural «technologies of the body», that it is a site where we learn how to experience socially mediated patterns of kinetic energy, being in time, emotions, desire, pleasure and much more.“76 Das Popmusikdispositv wirkt somit nicht nur ideologisch (im Sinne von mehr oder minder bewussten Vorstellungen) sondern körperlich. Popmusik, als konkrete Klangerfahrung, kann dabei als eine Technologie zur Strukturierung und Produktion von Körpern angesehen werden. Im nächsten Abschnitt werde ich daher nach Methoden für eine feministische Betrachtung von Popsongs suchen, wobei mein besonderes Anliegen Werkzeugen gilt, die einer solchen körperzentrierten Annäherung an die Popmusik gerecht werden können. Ich werde dabei nicht nur etablierte Methoden betrachten, sondern auch versuchen, neue Vorgehensweisen aus den Ansätzen anderer Autor_innen zu entwickeln. 76 McClary (2007), S.205. 25 3. Werkzeuge 3.1 Möglichkeiten sich dem Klang zu nähern Was mich in diesem Abschnitt interessiert ist zuerst einmal eine Darstellung von gegebenen musikanalytischen Werkzeugen, als auch die Weiterentwicklung derselben und die Suche nach neuen Methoden zur analytischen Musikerfassung. Mein Ziel ist es dabei, vor allem methodische Werkzeuge zu finden, die die innere wie äußere Kodierung der Körper durch Musik fassen und beschreiben können. Wie bereits klar sein sollte, erscheint mir eine harmonische oder formale Analyse von Musik wenig erfolgversprechend, wenn nicht sogar hinderlich. Diese Ebene der Musik werde ich allenfalls als Bezugspunkt zur besseren Orientierung verwenden. Für die eigentliche Musikanalyse erscheinen mir ganz andere Ebenen des Klangs relevant. Ich möchte dabei fünf Gruppen von Methoden zur Interpretation von Musik differenzieren, die ich für die feministische Musikanalyse produktiv machen möchte. Ich unterscheide zwischen Assoziationen, Homologien, Intertextualität, Materialität und Psychoanalyse, die ich jeweils als analytisches Werkzeug im Folgenden darstellen möchte. Diese Werkzeuge haben dabei jeweils ihre Grenzen, bilden aber gemeinsam ein produktives Set an Möglichkeiten, sich dem Klang diskursiv zu nähern. Entsprechend werde ich sie in meinen Analysen auch nicht getrennt, sondern in Kombination verwenden. Da es jedoch mein Ziel ist, in dieser Arbeit nicht nur Musik zu analysieren, sondern auch die Möglichkeiten der Analyse zu reflektieren, erscheint es mir sinnvoll und notwendig, mein analytisches Werkzeug zuerst einmal getrennt und theoretisch zu beschreiben. 3.1.1 Assoziation Unter einer Assoziation verstehe ich jede Interpretation von Musik oder musikalischen Elementen, die auf etwas außerhalb des jeweils betrachteten Musikstücks verweist. Ein sehr naheliegendes Beispiel wäre eine Fanfare, die als Zeichen für höfisches Zeremoniell 26 oder aber für militärische Manöver gedeutet werden kann. Die Popmusik ist von solchen Assoziationen regelrecht durchdrungen, sie verweist permanent: So können bestimmte Instrumente auf Orte hinweisen, wie z.B. der Einsatz einer Sitar mit Indien assoziiert wird, oder bestimmte deutlich erkennbare Tanzrhythmen, wie die Samba, zusammen mit einer entsprechenden Instrumentation, Assoziationen an Südamerika und Afrika oder einfach nur „Exotik“ weckt. Diese Assoziationen können dann aber wieder weiterführen, so dass die indische Sitar weitere Assoziationen an die Hippie-Subkultur der 60er weckt und die exotische Assoziation zur Samba dann mit Sonnenschein und guter Laune verbunden wird – oder mit der schwingenden Hüfte einer Tänzerin, wie sich wahrscheinlich beim Hören von Shakiras Song „loca“ recht gut nachvollziehen lässt. Aber auch ganze Popsongs, Stars bzw. Bands oder sogar Genres können einen solchen Zeichencharakter erhalten und auf Generationen, bestimmte Zeiträume, Ereignisse, Städte oder Subkulturen hinweisen, die den historischen oder gesellschaftlichen Kontext für die mit ihr assoziativ verbundene Musik bilde(te)n.77 Die Samplingtechnik des frühen HipHop arbeitete beispielsweise direkt mit diesen Assoziationen, indem Ausschnitte aus bekannten Popsongs eingespielt, neu kontextualisiert und dabei von der Subkultur angeeignet wurden78 und auch in Coverversionen bekannter Popsongs werden in ähnlicher Weise Assoziationen wachgerufen und musikästhetisch verwendet. Da schließlich Musikpraxis immer Beziehung auf vorangegangene Musikpraxis nimmt und nehmen muss, um verständlich zu sein, sind Assoziationen innerhalb des popmusikalischen Raumes allgegenwärtig: Jeder Popsong erinnert irgendwie an vorangegangene Popsongs. Allerdings ergeben sich in der Musikanalyse einige Probleme, denn Assoziationen sind nicht innermusikalisch. Die Bedeutungen dieser musikalischen „Zeichen“ können also nicht unmittelbar aus der Musik abgelesen werden. Außerdem sind sie sehr wandelbar 79 und damit nur in einem bestimmten kulturellen Kontext zu einer bestimmten Zeit anwendbar und müssen nicht von allen Menschen in der gleichen Weise verstanden 77 Dies ist allerdings kein einseitiger Prozess. Indem bestimmte Popsongs gewählt werden, um eine Zeit oder ein Ereignis zu repräsentieren, wird das Repräsentierte auch interpretiert. Über Popmusik funktioniert auf diese Weise auch eine gesellschaftliche Ausdeutung des Geschehenen, ja schon das Gegenwärtige wird mit der jeweils aktuell präsenten Popmusik verbunden und kann entsprechend interpretiert werden. So kann Popmusik als Speicher gesellschaftlicher Bedeutungsfelder verstanden werden. 78 Toop (2000), S.25: „ [Man] wird […] sprachlos angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Elemente einer Collage aneinandergesetzt werden, die einen vergeblich nach fixen musikalischen Bezugspunkten suchen lässt. Die Schönheit solcher Zergliederung liegt darin, wie Vertrautes aus dem Zusammenhang gerissen wird.“ 79 Viele Popmusikbeschreibungen in Musikzeitschriften lassen sich als ein kontinuierliches Weiterschreiben und Umkodieren von solchen musikalischen Zeichen verstehen. 27 werden. Sie sind nicht eindeutig. Aber sie sind deshalb auch nicht beliebig, sondern durch kulturelle Kodierung mehr oder minder stark vorgegeben. Viele Klänge sind also kulturell kodiert. Um musikalische Assoziationen aber in der wissenschaftlichen Musikanalyse zu rechtfertigen, müssen diese „Zeichen“ historisch oder kontextuell rückgebunden werden. Es muss also eigentlich eine Genealogie ihrer Kodierung gemacht werden, d.h. ihr Auftreten in Filmen oder Oper dargestellt werden oder die historische oder mediale Verbindung des Klangs oder Songs mit einer bestimmten Thematik - ein äußerst aufwendiges Verfahren also. Wie McClary und Walser darstellen, ist das Fehlen einer popmusikalischen Semiotik eines der zentralen Probleme der Popmusikanalyse: Es gibt keinen Rahmen, in dem die assoziativen Bedeutungen von Musik Raum hätten und an dem eine entsprechende Argumentation halt fände. „[T]o try to make the case that a particular configuration sounds mournful […] is to have to invent a philosophical argument for meaning in music and to try to reconstruct forgotten codes out of centuries of music.“80 Dieses Problem trifft dabei auf emotionale Assoziationen besonders stark zu, denn die Kodierungen sind hier oft viel älter, als die assoziative Verbindung von Sambarhythmus mit tanzenden Hüftbewegungen und lassen sich nur schwer dekodieren, da die Darstellung von Gefühlen auch in Sprache und Film oft nur indirekt geschieht. Dass etwas verführerisch, traurig, gruselig oder fröhlich klingt, mag offenkundig erscheinen, es basiert dennoch auf der kulturellen Kodierung vieler einzelner musikalischer Zeichen, deren Bedeutung wir bereits unbewusst verinnerlicht haben. Das schlichte Aufzählen von Assoziationen, wie es manchmal betrieben wird, kann aus kritischer Perspektive nicht ausreichen, denn mindestens müssen die musikalischen Elemente benannt werden, die diese Assoziationen auslösen, eher noch sollten diese historisch hergeleitet werden. Das aus solchen assoziativen Musikbeschreibungen resultierende Problem ist dabei weniger, dass solche Darstellungen keinen Aussagewert hätten, denn den haben sie trotzdem, als dass der Grund für die Assoziation nicht benannt wird. Die einfach nur geäußerten Assoziationen lassen sich damit nicht auf andere Songs übertragen, was auch Vergleiche zwischen verschiedenen Songs erschwert. Um das Problem aus feministischer Sicht zu beschreiben, möchte ich auf Simon Frith und Angela McRobbies Aufsatz „Rock and Sexuality“ eingehen, in dem sie die These 80 McClary/Walser (1996), S.283. 28 formulieren, dass die Hörer_innen von Kate Bushs Song „Feel It“ in eine voyeuristische Position versetzt werden. Sie rechtfertigen dies, indem sie auf die mädchenhafte Stimme („voice of a little girl“), die intime Instrumentation (nur Stimme und Klavier), die Unregelmäßigkeit von Rhythmus und Melodie in beiden Instrumenten und eine beunruhigende Betonung (unsettling stress) hinweisen. Sie erklären nicht, was die Stimme so kindlich oder mädchenhaft macht oder wodurch die Betonung so beunruhigend wird (beides sind Assoziationen). Wie genau musikalisch die voyeuristische Position entsteht, wird ebenfalls nicht deutlich. Bei genauer Lektüre wird außerdem klar, dass sie die sexuelle Konnotation in dieser kurzen Beschreibung ausschließlich aus dem Text ableiten. Es bleibt unklar (wenn es nicht sogar implizit verneint wird), ob es auf der musikalischen Ebene überhaupt eine sexuelle Konnotation vorliegt, oder ob der Song genauso gesungen und gespielt mit einem anderen Text komplett frei von sexuellen Assoziationen wäre. Damit sind die Ergebnisse nicht übertragbar und jede neue Musikanalyse entwickelt ein neues assoziatives Vokabular für musikalischen Voyeurismus, ohne dass Beziehungen zwischen diesen Ergebnissen hergestellt werden können81. Wenn es aber einen solchen gibt, so wäre es aber aus feministischer Sicht sehr hilfreich, analytisches Wissen über das Funktionieren eines musikalischen Voyeurismus zu entwickeln. Mein Anspruch ist es in meinen Analysen Assoziationen am Klang zu belegen und so die Quelle meiner Assoziation möglichst genau zu bestimmen, sowie nach Möglichkeit zu erklären, wieso ein bestimmtes musikalisches Element diese Assoziationen weckt. Hierzu kann neben einem musikhistorischen Rückbezug auf ältere Klangdarstellungen, die ich in dieser Arbeit nicht leisten kann, auch die Anwendung anderer musikanalytischer Werkzeuge sinnvoll sein, wie ich sie im Folgenden vorstellen werde. Außerdem werde ich mich unter Umständen auf die in anderen Musikbetrachtungen geäußerten Assoziationen beziehen und versuchen die klangliche Basis derselben zu identifizieren. Aus diesem Grund habe ich mich insbesondere entschieden, den von McRobbie und Frith betrachteten Song „Feel It“ von Kate Bush in dieser Arbeit selbst noch einmal zu untersuchen, um den von ihnen geäußerten Eindruck des Voyeurismus zu überprüfen. 81 Beispielsweise verweist auch Nikola Dibben auf einen Voyeurismus in „Ohh, Ahh... Just a little bit“ von Gina G, ohne diesen musikalisch genauer zu fassen („Gina G forms the visual and musical focus in a voyeuristic display“) [Vgl. Dibben (1999), S.336]. Dabei sind beide Songs extrem unterschiedlich. Ob es überhaupt Parallelen zwischen beiden gibt, wie das Wort suggeriert, ist unklar. 29 3.1.2 Homologie Als zweite grundlegende Methode der Musikinterpretation möchte ich die Homologie betrachten. Der Begriff wurde für die Popmusikforschung in der ersten Hälfte der 70er Jahre von Paul Willis geprägt. Die Methode, Bedeutungszusammenhänge durch strukturelle Ähnlichkeiten herzustellen, ist jedoch älter. Sie ist mindestens präsent in den Musikinterpretationen Adornos82 und lässt sich auch Arnold Schönberg 83 unterstellen, sofern seine Vergleiche zwischen der Tonalität und der hierarchischen Struktur einer Monarchie in seiner Harmonielehre nicht nur als Illustrationen zum besseren Lernen angesehen werden. Dabei ist die homologe Struktur insbesondere in der Analyse sozialer Bedeutungen von Musik relevant, denn sowohl Adorno als auch die Vertreter_innen des CCCS nutzten Homologie, um die soziale Wirkmächtigkeit von Musik zu beschreiben. Paul Willis beschreibt sein Konzept folgendermaßen: „Essentially it[=Homologie] is concerned with how far, in its structure and content, the music parallels and reflects significant values and feelings of the particular social group involved with it. Such analysis is homological because it investigates what are the correspondences, the similarities of internal relation, between a style of life and an artefact or object. Basic homologies are best understood in terms of structure and style, though it may be possible at times to identify homologies of content. […] One can understand this partly as communication, but much more profoundly it should be understood as a process of cultural resonation, and concretization of identity.“84 Auch John Shepherd analysiert Musik in Homologien, wenn er Ähnlichkeiten zwischen der grundsätzlichen Organisation von Gesellschaft oder sozialen Gruppen (z.B. Feudal) und der grundsätzlichen Organisation von Klang (Pentatonik) herausstellt. 85 Die Homologie arbeitet dabei oft auf einem unbewussten Level, ist aber im Gegensatz zur Assoziation nicht unbedingt intuitiv verständlich, sondern basiert analytisch auf einer Abstraktion, die mit einer anderen Abstraktion in Beziehung gesetzt wird. Auch wenn dies zunächst eher unintuitiv erscheint, wird eine solche Beziehung plausibler, wenn die im 82 Vgl. Adorno (1978), S.20: Adorno arbeitet beispielsweise mit einer Homologie zwischen Tonalität und Kapitalismus: „Die zweite Natur des tonalen Systems ist historisch entsprungener Schein. Sie hat die Würde des geschlossenen und exklusiven Systems der Tauschgesellschaft zu verdanken, deren eigene Dynamik auf Totalität hinauswill und mit deren Fungibilität die aller tonalen Elemente aufs tiefste übereinstimmt.“ Zahlreiche weitere Beispiele ließen sich hierfür anführen. 83 Vgl. Schönberg (2003), S.34: „es sei gleich erwähnt, daß vieles von dem, was ich über die Werte der Stufen mit Rücksicht auf ihre Fähigkeit, Folgen, Akkordfolgen zu bilden, sagen werde, auf dieser Erkenntnis beruht, nämlich, daß die Tonika die beherrschende und die Dominante die beherrschte ist. [..] Und wenn die Tonika der Dominante folgt, so ist das nur so, wie wenn ein König seinen Vasallen, Zeremonienmeister, Quartiermacher voranschickt“, Schönbergs diesbezügliche Anmerkungen sind vor allem bemerkenswert, da sich entsprechende Analogien zwischen der von ihm entwickelten 12-Tonmusik und der sich durchsetzenden Demokratie anbieten. 84 Willis (1974), Abschnitt II, 2. „The Homological Level of Cultural Relation“, Absatz 1. 85 Vgl. Shepherd (1991), S.107-111. 30 letzten Abschnitt erwähnten mimetischen Weltzugänge und die Ziele des postulierten Dispositivs berücksichtigt werden.86 Der Vorteil dieser Interpretationsebene ist es insbesondere auf diese Weise Zugang zu einer unbewussten Vermittlung zwischen Musik und Gesellschaft zu finden. Gerade die unbewusst mitkonsumierten Grundstrukturen erscheinen mir dabei für meine Zwecke vielversprechend, da hierüber eben kein bewusstes Verständnis besteht, gleichzeitig aber durch die strukturelle Ähnlichkeit gesellschaftliche Verhältnisse bestätigt und naturalisiert werden. Auch McClary arbeitet in ihrer Einleitung zu „Feminine Endings“ ein analytisches Hilfsmittel aus, das als Homologie verstanden werden kann und das für meine Zwecke besonders spannend ist: das Begehren („desire“). McClary betrachtet die von der Tonalität erzeugte harmonische Spannung (durch Entfernung von Grundton oder von der Grundtonart) als Homologie zu einem Begehren, das ständig nach Befriedigung, d.h. klanglich nach einer Kadenz in der Grundtonart, strebt.87 McClary sieht hierin eine homologe Darstellung von Sexualität und vorwärts strebender Subjektivität. Popmusik wird allerdings, im Gegensatz beispielsweise zu einer Sonate, nicht grundlegend durch harmonische Entwicklungen organisiert, entsprechend möchte ich McClarys Ansatz etwas weiter fassen, indem ich ihn auf jede Art der musikalischen Erzeugung einer Erwartungshaltung anwende. Begehren kann also auch auf rhythmischer, melodischer, dynamischer, formaler oder klanglicher Ebene entstehen. In Musik ließen sich so Formen der Befriedigung, des Aufschubs oder der Enttäuschung von Erwartungen analysieren. Ich sehe dies ebenfalls in enger homologer Beziehung zu sexuellem Begehren, wobei sich allerdings jeweils am konkreten Song die Frage stellt, von wem ein solches Begehren ausgeht, auf wen oder was es sich richtet und wie es genau 86 Eine weitere Anwendung dieses Konzepts liefert Susanne Binas in ihrer kurzen Untersuchung des Heavy Metal, die die homologe Resonanz zwischen subkulturellem Stil und musikalischer Darstellung heldenhafter kämpferischer Männlichkeit überzeugend darlegt [Vgl. Binas (1992)]. Die Untersuchung folgt dabei zwei Schritten, die Willis in seiner theoretischen Entwicklung des Homologie-Konzeptes entwickelt: Zuerst wird die Subkultur selbst mit ihren zentralen Werten und Artefakten dargestellt, dann erst wird die Musik untersucht, wobei musikalische Mittel, die relevante Ähnlichkeiten oder Resonanzen zu den bereits herausgearbeiteten Werten der Subkultur aufweisen, identifiziert werden. Solche Parallelstrukturen lassen sich dabei oft viel leichter belegen, als eine Assoziation. Es genügt strukturelle Ähnlichkeiten zwischen symbolisch aufgeladenen Objekten, Grundwerten oder Verhaltensweisen und der Musik aufzudecken. 87 Vgl. McClary (1991), S.12: „Music itself often relies heavily upon the metaphorical simulation of sexual activity for its effects. I will argue […] that tonality itself – with its process of instilling expectations and subsequently withholding promised fulfillment until climax – is the principal musical means during the period from 1600 to1900 for arousing and chanelling desire.“ 31 organisiert ist. Dieses musikalische Begehren arbeitet jedoch in jedem Fall mit der Produktion einer Abwesenheit, die in der Spannung zwischen erwartetem und eingetretenem musikalischem Verlauf entsteht. Die Abwesenheit setzt die Hörer_innen dabei in eine aktive involvierte Beziehung zu Musik. Das Begehren ist hier allerdings nicht nur eine abstrakte homologe Struktur, sondern erzeugt tatsächlich Gefühle in den Hörer_innen, die mit homologen Gefühlen von sexueller Anziehung in Beziehung gesetzt werden können. Diese musikalische Produktion von Begehren geschieht dabei eher unbewusst, sie erscheint also, da die musikalischen Gründe für das produzierte Begehren in der Regel nicht erkannt werden, als unmittelbare emotionale Reaktion, die dann auf Außermusikalisches, beispielsweise den Körper der_s Sänger_in projiziert werden kann. Gerade die scheinbar unmittelbare emotionale Reaktion ist dabei aus feministischer Sicht interessant, da die so unter Umständen stattfindende Reproduktion und Naturalisierung von Geschlechterbildern kaum reflektiert wird und damit auch nur schwer diskursiv angreifbar ist. Neben diesen Homologien, die sich eher auf die größer angelegte Organisation von Klang beziehen, lassen sich Ähnlichkeiten zwischen einem musikalischen und einem außermusikalischen Element aber auch für einzelne Details analytisch anwenden. Hohe Töne können so als Homologie für räumliche Höhe interpretiert werden, was wiederum Assoziationen, wie z.B. himmlisch, Luft, fliegen oder göttlich, hervorrufen kann. Homologe Beziehungen zwischen musikalischen und außermusikalischen Elementen können so ein hilfreiches Werkzeug sein, um auch auf der assoziativen Ebene vom Klang erzeugte Eindrücke zu verstehen. Grundsätzlich sind dabei auch Homologien kulturell geprägt und keinesfalls interkulturell unmittelbar verständlich. Eher im Gegenteil, folgt man Willis, so entfalten sie ihren Sinn ausschließlich vor dem Hintergrund der sie hervorbringenden (Sub-)Kultur.88 3.1.3 Intertextualität Die intertextuelle Musikanalyse setzt die Musik mit anderen Medien in Beziehung. Besonders üblich sind hierbei der Text eines Songs, das zugehörige Musikvideo, der Entstehungskontext oder eine Aufführung im Konzert. Ein Vorteil dieses 88 Vgl. Willis (1974), Abschnitt II, 2. The Homological Level of Cultural Relation, (ii)The Music, Absatz 4: „They [=Homologien] only come alive and become capable of holding meaning when they are rubbed against the real life experience of a particular group.“ 32 Analysewerkzeugs ist es insbesondere, dass Assoziationen nicht musikalisch gerechtfertigt werden müssen, sondern aus dem sich sprachlich oder bildlich erschließenden Vokabular abgeleitet werden können, das mit dem Song in Beziehung gesetzt wird. Wie ich schon erwähnte, möchte ich in dieser Arbeit jedoch den Kontext der Musik ausblenden, Videos und Aufführungssituationen werde ich also nicht berücksichtigen. Allein der Text, der sich auch im Klang des Songs entfaltet, wird als weiteres Medium in dieser Arbeit eine Rolle spielen. Daher werde ich im Folgenden über mögliche Analysemethoden für den Songtext nachzudenken, wobei ich diesen jedoch nicht vom Song trennen möchte, sondern als Teil der Klanglichkeit betrachte. Zwar haben Sprache und Musik einige Gemeinsamkeiten – sie funktionieren beide akustisch und entwickeln sich in der Zeit – dennoch handelt es sich beim Text um ein von der Musik verschiedenes Medium, für das andere „Gesetze“ gelten. Worte haben Bedeutungen und Sprache wird durch Grammatik organisiert, d.h. die Worte stehen in einer bedeutungsvollen Beziehung zueinander. Durch Grammatik bildet Sprache Sinneinheiten, wie zum Beispiel Sätze, für die relativ feste Regeln gelten. Sprache als Medium der Verständigung zu verstehen, bedeutet die Klanglichkeit der Worte nicht primär durch ästhetische Kriterien sondern durch Bedeutung strukturiert anzusehen. Der sehr spezifische aus Konsonanten und Vokalen bestehende Klang der Sprache ist für die Verständigung relevant und bedeutet ein ständiges Abgrenzen dieser Laute innerhalb des sprachlichen Raums. In anderen Worten: Für das akustische Verstehen eines Wortes ist es notwendig, es von anderen Worten zu unterscheiden, es mit diesen in Beziehung zu setzen und in einem sprachlichen Gesamtkontext zu verorten.89 Sprache produziert so eine involvierende Aktivität des Verstehens und Dekodierens, die für Musik nicht in der Form angenommen werden kann.90 Die sprachliche Organisation in Sinneinheiten, d.h. in Worten, Nebensätzen und Sätzen, verlangt dabei immer eine Vervollständigung. Beginnt also der Gesang mit einer langgezogenen Silbe, wie z.B. „Sü-“, so mag das ganze Wort zwar schon erahnt werden, dennoch produziert die Silbe eine Erwartung, die sich erst in der Vervollständigung „ßer“ löst. Aber dieses Wort verlangt grammatisch eine Fortführung, es kann nicht alleine für sich stehen bleiben, da es keinen Satz bildet. So produziert Sprache auf einer eigenen 89 Vgl. Wicke/Shepherd (1997), S.25: Sie argumentieren auf Saussure bezugnehmend: „we only recognize sounds as meaningful in terms of their relationship of difference from other sounds recognized as well as meaningful by the structure of language.“ 90 Zur kognitiven Worterkennung vgl. Wendt (2007), S.20ff. 33 Ebene Erwartung und Erfüllung; es ließe sich so auch auf der sprachlichen Ebene das Aufrufen und Auflösen von Begehren im Sinne McClarys analysieren. Schließlich hat der Text durch den heterogenen Lautvorrat der Sprache auch die Möglichkeit ganz besondere eigene Rhythmen, z.B. durch Wortwiederholungen, Reime oder Alliterationen, zu produzieren. Diese können wiederum in Beziehung zu den sprachlichen Sinneinheiten und zu den verschiedenen Ebenen der musikalischen Organisation eines Songs stehen. Was ich an dieser Stelle nahe lege, ist Sprache als ein zweites sich innerhalb der Zeit eines Songs entwickelndes System zu betrachten, das jenseits der semantischen Bedeutung emotionale Effekte hervorrufen kann. Das Publikum wird dabei, beispielsweise durch die Art und Weise, in der es angesprochen wird, in eine bestimmte Beziehung zum Song (hier verstanden als bestehend aus sprachlichem Text und Musik) gesetzt oder mehr noch, es setzt sich selbst in Beziehung, indem es beispielsweise gespannt auf das Ende eines Satzes wartet, der für einen halben Takt unterbrochen wurde. Das, was ich hier beschrieben habe, weist einige Ähnlichkeiten zu dem auf, was Julia Kristeva als Genotext bezeichnet91 und gegen die bedeutungstragenden Schichten der Sprache, die sie Phänotext nennt, abgrenzt.92 Mit dem Genotext verbunden ist für Kristeva das Semiotische (in Abgrenzung zum Symbolischen, das mit dem Phänotext korrespondiert), das sie unter anderem als „«Musik» in den Buchstaben“93 bezeichnet und auch an anderer Stelle mit Musik vergleicht. 94 Diese Ebene der Sprache steht für sie außerdem mit dem Körper in Beziehung: Sie produziert Lust95 und ist insgesamt eng mit der eigenen Körperempfindung verbunden.96 Kristeva bezieht sich in ihrer Begriffswahl auf die Bedeutung des griechischen Wortes «σημειον», das sie mit „Unterscheidungsmal, Spur, Kennzeichen, Vorzeichen, Beweis, 91 Vgl. Kristeva (1978), S.94-5 „Wollte man in einem Text den Genotext bloßlegen, so müßte man die Energieschübe der Triebe freilegen, wie sie sich beobachten lassen im phonematischen Apparat (Phonemhäufung und -wiederholung, Reim ect.) und im melodischen Apparat (Intonation, Rhythmus ect.), aber auch in der Anlage der semantischen und kategoriellen Felder, wie sie sich in syntaktischen und logischen Feldern oder in der Ökonomie der Mimesis (Phantasma, Aufschub der Denotation, Erzählung ect.) zu erkennen gibt.“ [Hervorhebungen im Original] 92 Vgl. dies., S.95: „Darunter [ = unter Phänotext] verstehen wir jene Sprache die der Kommunikation dient“ 93 Dies., S.72. 94 Vgl. dies., S.35: „Die sogenannte «natürliche» Sprache läßt verschiedene Artikulationsweisen des Semiotischen mit dem Symbolischen zu. Andererseits gibt es nicht-verbale Zeichensysteme, die ausschließlich auf dem Semiotischen aufbauen (wie die Musik z.B.)“ 95 Vgl. dies., S.90-91. 96 Vgl. dies., S.35-42. 34 graviertes oder geschriebenes Zeichen, Aufdruck, Hinweis, Gestaltung“ übersetzt. 97 Sie leitet hieraus eine Bedeutung von Semiotisch ab, die nicht symbolische Bedeutung impliziert, wie dies in der Semiotik als Wissenschaft vom Zeichen verstanden wird, sondern dem Symbol vorangehende Unterscheidungen nicht von Bedeutungen, sondern von Strukturierungen eines noch unstrukturierten Raumes, in dem sich später die Zeichen mit ihren Bedeutungen bilden können.98 Es lässt sich vielleicht als die Unterscheidung zwischen einem O und einem A verstehen, das klanglich differenziert werden muss, bevor ein Unterschied zwischen „Hase“ und „Hose“ auf der Bedeutungsebene überhaupt verständlich wird, ja bevor Worte überhaupt möglich werden. Dabei sind die Vokale A und O, bevor sie bedeutungstragende Elemente der Sprache werden, Körperzustände oder mehr noch Spielzeuge99 von klanglicher Selbst- und Welterfahrung, die dem Spracherwerb vorangehen. Barbara Bradby hat bereits gezeigt, wie Kristevas Semiotisches für die Popmusikanalyse produktiv gemacht werden kann. Sie analysiert damit insbesondere den Rhythmus und den nonverbalen Text von Hintergrundstimmen und kommt so zu sinnvollen Interpretationen von „Aah“-Klängen oder „Dum-de-dum-dum“-Stimmen: „Kristeva's «semiotic» is a material aspect of language, bound up with musical features that continually recall the rhythms and melodies of pre-verbal communication with the mother.“100 „«Aah», for instance, is a «word» that passes between mother and baby (in my experience as young as three months) as a kind of verbal transformation of the smile that is the earliest reciprocal communication.“101 Auch ich möchte den Begriff des Semiotischen von Kristeva übernehmen. Diesen halte ich, wie ich später zeigen werde, auf die musikalische oder allgemein klangliche Ebene des Gesangs für sinnvoll anwendbar. 97 Dies., S.35. 98 Kristeva geht es dabei insbesondere auch um die Entwicklung von Subjektivität und Körperlichkeit in einem vorsprachlichen Raum. Ihre Unterscheidungen beziehen sich vor allem auf energetische Aufladungen des Körpers, der in diesem Prozess überhaupt erst sozial, so wie für das Kind selbst hervorgebracht wird. Die Kommunikation zwischen Bezugsperson (bei Kristeva immer die Mutter) und Kind geschieht dabei in dieser Zeit durch Gesten, Laute oder Stimmklang, die noch keine symbolische Bedeutung haben. Vgl. dies., S.35-42. 99 Vgl. dies., S.37: „Weder Modell noch Abbild geht sie [= die chora, d.h. der frühkindliche Zustand von Einheit mit der Mutter] der Gestaltgebung und insofern auch der Spiegelung voraus, denen sie später zugrunde liegt, und sie duldet keine andere Analogie als den Rhythmus von Stimme und Geste. Erst wenn diese Beweglichkeit wieder im Lichte des Gebärden- und Stimmspiels sieht […], eines Spiels, das sie auf dem Register des sozialisierten Körpers vollführt, wird dieser Körper von der Ontologie und der Leblosigkeit befreit, in die Platon ihn versetzte, wohl um ihm den Rhythmus zu nehmen, den Demokrit ihm noch zugedacht hatte.“ 100Bardby (2002), S.70. 101Bracby (2002), S.72. 35 In meinen Musikanalysen werde ich insgesamt die textliche und die musikalische Ebene nicht explizit trennen. Ich habe hier auf die Besonderheiten der sprachlichen Organisation gegenüber der musikalischen hingewiesen, werde diese beiden Ebenen aber später gemeinsam und in enger Beziehung zueinander, als analytische Betrachtungen des zugleich sprachlichen wie musikalischen Klangs bearbeiten. Emotionale Effekte können dabei insgesamt sowohl in der sprachlichen, als auch in der musikalischen Ebene und in der Beziehung zwischen beiden ihren Grund haben. 3.1.4 Materialität Als nächstes Analysewerkzeug möchte ich einen Begriff einführen, der zuerst ungewohnt erscheinen mag: Die Materialität von Musik. Worauf ich damit verweisen möchte, ist eine Ebene der Musik, die sich nicht auf eine Assoziation oder eine homologe Ähnlichkeit mit etwas anderem reduzieren lässt. Der Klang selbst hat Eigenschaften, die scheinbar direkt und unmittelbar Bedeutungen oder Informationen transportieren können. Ein plakatives Beispiel für das, was ich hier bezeichnen möchte, ist der Klang einer aggressiven Stimme, die als solche erkennbar ist, ohne dass hier offenbar der Umweg über eine Homologie, ein Symbol oder eine Assoziation gemacht wird. Vielmehr scheint bei dieser Kommunikation eine Art mimetischer Identifikation relevant zu sein oder eine Spiegelung, in der das hörende Subjekt die innere Verfasstheit der gehörten Stimme in sich nachbildet oder zumindest körperliches Wissen darüber hat. Freya Jarman-Ivens sieht hier sogar eine Beziehung zu Lacans Spiegelstadium,102 worauf ich im nächsten Teil eingehen werde. Die als Beispiel genannte aggressive Stimme transportiert viele körperliche Informationen, beispielsweise Anspannung von Zwerchfell, Stimmlippen, Rachen, Hals, der Resonanzräume in Kopf und Brust, sowie Bewegungen der Zunge, des Kiefers und der Lippen, die offenbar – ob kulturell erlernt oder tatsächlich aufgrund biologischer Dispositionen möchte ich hier nicht diskutieren – wiederum mit emotionalen Zuständen verbunden werden. Diese Form der emotional-körperlichen Kommunikation möchte ich ab jetzt somatisch nennen. Dabei lässt sich annehmen, dass sich diese somatische Materialität des Klangs auch auf Musikinstrumente übertragen lässt, wobei sicherlich nicht nur (aber auch) die Ähnlichkeit des Instrumentalklangs zur menschlichen Stimme, sondern auch die mit diesem 102Vgl. Jarman-Ivens (2011), S.30-31. 36 Instrument verbundenen Spielweisen, die auf diese Weise hörbaren Körperbewegungen, die verwendete Kraft, Anspannung und Entspannung, somatische Informationen transportieren.103 Ich übernehme den Begriff „Materialität“ dabei einerseits von Jarman-Ivens, die damit die körperliche Anbindung der Stimme bezeichnet,104 und andererseits von John Shepherd und Peter Wicke, die in ihren theoretischen Ausführungen über Bedeutungskonstruktion in und durch Musik in „Music and Cultural Theory“ von klingender und musikalischer Materie („sonic matter“105bzw. „musical matter“106) sprechen. Offenbar geht es letzteren dabei ebenfalls um eine Beziehung zwischen Klanglichkeit und Körper: „the experience of sound in music is based upon a dialectical interaction between sounds material characteristics and the human body as itself a material site for the mediation of cultural and subjective processes.“107 Und später erklären sie zur Beziehung zwischen Körper und Klang: „it [=music] resonates powerfully within the lived, corporeal and somatic experience of the listener. To hear a voice, a musical sound, is to «have knowledge» of the corporeal and somatic state wich produced it. The reaction is both sympathetic and empathetic.“108 Mit Bezug auf Jarman-Ivens möchte ich hier davon ausgehen, dass die Stimme in ihrem Klang einen Körper produziert.109 Dieser Körper erhält dabei im Stimmklang nähere Bestimmungen, z.B. Anspannung usw., die sich in Popsongs analysieren ließen. Allerdings ist die Frage nach der Verwendung oder genauer der Anwendbarkeit dieses Analysemittels noch nicht beantwortet: Insbesondere eine Abgrenzung zwischen einer somatischen Materialität, die scheinbar unmittelbar und direkt Informationen über den körperlichen Zustand des singenden Subjekts transportiert, und einer Assoziation, die diesen Zustand nur über kleinere oder größere Umwege mitteilt, lässt sich nicht immer eindeutig vornehmen. Aus pragmatischen Gründen habe ich mich entschieden, von somatischer Kommunikation nur dann zu sprechen, wenn der singende oder musizierende Körper im Klang eindeutig identifizierbar, begrifflich fassbar und nachvollziehbar ist. 103Beispielsweise Luftgitarrenwettbewerbe ließen sich als ein Beleg für die Realität einer solchen Beziehung anführen, indem die somatischen Informationen des Gitarrenklangs wieder in Körperbilder zurückübersetzt werden. 104Vgl. Jarman-Ivens (2011), S.4: „The (material) voice can be a mediator between body and language; it gives language meaning, in its inflections, its accent, its bodiliness, but it is also an object apart from language. It speaks more of the body than of syntax“. 105Shepherd/Wicke (1997), S.164. 106Dies., S.163. 107Dies., S.147. 108Dies., S.180. 109Vgl. Jarman Ivens (2011), S. 7-8. 37 Die Materialität der Klangs lässt sich aber auch auf einer anderen Ebene anwenden: als Bezeichnung der klanglichen Eigenschaften, also des Timbres einer Stimme oder des genauen Klangs eines Instruments und der Spielweise. Shepherd unternimmt in seinem Buch „Music as Social Text“ einen Versuch, das Timbre von Gesangsstimmen in Popmusik zu interpretieren. Er kommt dabei zu vier Typen, die er auch in einer zweigeschlechtlichen Matrix in Beziehung zueinander setzt.110 Dieses System möchte ich hier kurz vorstellen, da es als Referenzpunkt hilfreich sein wird: Shepherd übernimmt zuerst zwei bereits von McRobbie und Frith entworfene Kategorien des „cock rock“ und „teenybop“ bzw. „soft rock“, denen er jeweils archetypische Timbres zuweist und die er mit den weiblichen Timbres der „woman-asnurturer“ und „woman-as-sex-object“ ergänzt. Diese Timbres beschreibt er wie folgt: „The typical «cock» rock vocal sound is hard and rasping […] produced overwhelmingly in the throat and mouth, with a minimum of recourse to the resonating chambers of the chest and head.[...] The sound relies on a highly constricted use of the vocal chords, presumably reproducing physiologically the tension and experiencial repression encountered as males engage with the public world.“111 „The typical sound of the woman-as-nurturer […] is soft and warm, based on much more relaxed use of the vocal chords and using the resonating chambers of the chest in particular in producing a rich resonating sound. The physiology of sound production in this case seems to speak to a person more fully aware of her inner experiential being in offering herself as a source of emotional nourishment.“112 „The typical sound of «the boy next door» [=softrock][...] is also soft and warm by comparison with the hard and rasping «cock» rock sound, but the softness and warmth here depends […] on the use of head tones. The sound is consequently much more open than the typical «macho» voice. However, the physiology of the sound production still reflects an experiential emptiness in avoiding the resonating chambers of the chest cavity[…]. The music of the vulnerable male is thus essentially «head» music, an appeal for emotional nurturance that does not, however, abdicate the supposed supremacy of traditional rationality.“113 „The typical sound of the woman-as-sex-object involves a similar comparison. The softer, warmer hollower tones of the woman singer as emotional nurturer becomes closed off with a certain edge, a certain vocal sheen that […] are essentially head tones“114 Dabei argumentiert Shepherd weiterhin, dass die verschiedenen Timbres bestimmte Reaktionen beim Publikum hervorrufen, wobei die Idee eines vollständigen harmonischen Obertonspektrums für ihn ein Ideal darstellt, zu dem die Abweichungen in Beziehung gesetzt werden müssen: Für ihn lösen unvollständige Obertonspektren beim Publikum das Bedürfnis aus, diese zu vervollständigen.115 Außerdem verwendet er das Timbre 110Vgl. Shepherd (1991) S. 167-168 111Ders., S.167. 112Ebd. 113Ebd. 114Shepherd (1991) S.167-168. 115Vgl. ders., S.165: „«Dirty» or «un-pure» timbres, as heard in various genres of «popular» music […] only use some of the harmonics inherent in the ideally pure sound of the voice or the instrument. This, it can be argued, renders such timbres immediately implicit or «writerly» because they invite completion 38 offensichtlich als Quelle für Homologien, beispielsweise zwischen Kopfstimme und Rationalität (woman-as-sexobject und boy-next-door), zwischen angespannten Stimmlippen und gesellschaftlicher Unterdrückung («cock» rock) und zwischen einem vollständigen Obertonspektrum und emotionaler Fülle (woman-as-nurturer). Insgesamt kommt Shepherd somit zu einer Möglichkeit das Timbre jenseits einer empathischen Nachempfindung in seinen spezifischen Eigenschaften zu interpretieren. Wesentlich ist dabei in dem hier betrachteten Kontext vor allem, dass für Shepherd der Klang selbst beim Publikum eine Reaktion, den Wunsch das unvollständige Spektrum zu ergänzen, auslöst. Auch hier, auf der Ebene der klanglichen Materialität, wäre es damit möglich ein Begehren im Sinne McClarys zu analysieren. Welche Momente des Klangs auf welche Weise hier eine solche Wirkung hervorrufen, möchte ich allerdings an den Musikbeispielen selbst analysieren.116 Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass ich in diesem Abschnitt zwei Arten der Materialität differenziert habe: eine somatische, die Informationen über den Körper transportiert, sowie eine klangliche, die sich z.B. auf das Timbre, bezieht. Da in beiden Formen der Materialität der Klang nach wie vor bedeutungstragend ist, sollte Materialität dabei nicht mit der akustischen Physik verwechselt werden. Allerdings ist diese Bedeutungsebene der Musik nun nicht mehr in einem (homologen oder assoziativen) Verweis auf anderes zu suchen, sondern vielmehr ist es nötig, den Klang selbst in seinen spezifischen Eigenschaften als bedeutend zu verstehen. Dabei bleibt allerdings noch zu klären, wie dieses Bedeuten ohne Verweis funktioniert. Hierauf scheint mir mein letztes Analysewerkzeug, die Psychoanalyse, geeignete Antworten zu geben. from the outside.“ 116Ich bin durchaus skeptisch, was Shepherds konkretes Modell angeht: Bezeichnenderweise wird das Ideal eines vollständigen Timbres vor allem von dem weiblichen Typ („woman-as nurturer“) erfüllt, der dem Bild einer idealisierten Mutter am nächsten kommt. Schon in seinen Bezeichnungen der Stimmtypen fällt außerdem auf, dass weibliche Stimmen für ihn nur in Bezug zu einem männlichen Publikum gedacht werden, für das Frauen begehrte Objekte sexueller Erfüllung (woman-as-sexobject) oder emotionaler Zuwendung (woman-as-nurturer) sind. Für die männlichen Timbres gilt dies dabei nicht im selben Maße. Zwar denkt Shepherd offensichtlich auch den „boy-next-door“ in Bezug zu einem weiblichen Publikum, das ihn „vervollständigt“, aber dies drückt sich nicht wie bei den Frauen in der Bezeichnung aus. Außerdem erscheint das unvollständige Timbre hier dennoch weit mehr als eine emotionale Selbstdarstellung des eigenen Mangels, während er das weibliche Timbre jeweils als ein Sich-Anbieten („offering herself“) bzw. orientiert an einer männlichen Perspektive („male-appropriated“) interpretiert wird [Vgl. S.167]. 39 3.1.5 Psychoanalyse Die Psychoanalyse, die ich nun auf ihre Tauglichkeit zur Musikbetrachtung untersuchen möchte, ist bekanntlich kein musikanalytisches Werkzeug im engeren Sinne. Außerdem war und ist die Psychoanalyse aus feministischer Sicht einiger Kritik unterworfen, die auf der Reproduktion oder Rechtfertigung patriarchaler Hegemonie basiert.117 Allerdings bietet sich die Psychoanalyse andererseits gerade deswegen als Quelle zur Analyse gesellschaftlich relevanter aber tendenziell unbewusster Prozesse an. Daher kann, wie Laura Mulvey es formuliert, „die psychoanalytische Theorie in ihrer gegenwärtigen Version wenigstens dazu beitragen, den Status quo, die patriarchalische Ordnung, in der wir gefangen sind, zu erhellen.“118 Insbesondere ermöglicht die Psychoanalyse aber Aussagen über unbewusste Reaktionen, was sie gerade für meine Betrachtung von Musik, Geschlecht und Körper interessant macht. Ich halte es somit für hilfreich, mir an dieser Stelle einige psychoanalytische Vorstellungen bewusst zu machen, von denen ich mir vor allem ein tieferes Verständnis möglicher Hörweisen verspreche. Ich möchte dabei im Folgenden drei Aspekte näher beschreiben, die mir für meine Arbeit relevant erscheinen: Zuerst möchte ich mich mit Jacques Lacans Konzept des Begehrens, insbesondere mit seinem Objekt a, befassen. Dann möchte ich auf eine Interpretation des Kastrationskomplexes von Kaja Silverman eingehen und schließlich das ebenfalls von Lacan entwickelte Spiegelstadium betrachten. Für Lacans Verständnis von Begehren ist es wichtig, dass sein psychoanalytisches Denken wesentlich von Verschiebungen strukturiert ist.119 Damit ist gemeint, dass ein Gegenstand oder ein Wort im Unbewussten einfach symbolisch mit einem anderen ersetzt werden kann, sofern auf irgendeiner Ebene, die von Mensch zu Mensch eine andere sein kann, Ähnlichkeiten oder ein Zusammenhang zwischen den beiden Worten oder Gegenständen bestehen.120 Diese Verschiebungen betreffen dabei für Lacan unter anderem das Begehren, 117 Sie orientiert sich beispielsweise implizit immer wieder an einem männlichen Subjekt, wie Simone des Beauvoir schreibt [vgl. Beauvoir (2012), S. 76] und nimmt in der Regel auf die heterosexuelle Kleinfamilie Bezug, die sie damit normiert und idealisiert. Andererseits gibt es auch zahlreiche feministische Texte die positive Impulse aus der Psychoanalyse übernommen haben, wie beispielsweise die ausführlich in dieser Arbeit zitierten Judith Butler, Julia Kristeva und Laura Mulvey. Siehe hierzu auch Mulvey (1994), S. 48-50. 118Mulvey (1994), S.50. 119Vgl. Pagel (2012), S.40-47. 120Musikalisch ließe sich diese vielleicht mit Assoziationen und Homologien vergleichen. Das Musikalische steht dabei jeweils für etwas anderes, ohne dass es dieses andere im verbalen Sinne bezeichnet. 40 so dass das eigentlich Begehrte immer wieder durch anderes gewissermaßen „vertreten“ wird.121 Dieses Vertretungsobjekt nennt Lacan Objekt a.122 Das Objekt a ist dabei nicht das begehrte Objekt, das das Begehren stillen oder befriedigen würde, sondern ein Objekt, das das Begehren erzeugt, in Bewegung hält und dabei eigentlich seine Erfüllung verhindert.123 An einem Bikini lässt sich dies vielleicht erklären: Dieser repräsentiert die Nacktheit durch die minimale Verhüllung, und erzeugt so überhaupt erst den Wunsch oder das Begehren nach Nacktheit, verhindert die Erfüllung aber ebenso, indem er eben verhüllt. Das Begehren wird dabei für Lacan ursprünglich durch einen „Mangel an Sein“ erzeugt, 124 womit er meint, dass sobald das Subjekt in die Sprache eintritt, 125 es grundsätzlich von sich selbst entfremdet ist, sich sprachlich immer nur als ein fremdes Bild, als ein_e andere_r, repräsentieren kann.126 Dieser Mangel kann dabei als eine körperliche Amputation verstanden werden bzw. als „symbolische Kastration“, 127 der bei Lacan beide Geschlechter unterliegen.128 Der dabei vom Subjekt symbolisch abgetrennte oder verlorene Teil wird nun verschoben, d.h. von anderen Objekten repräsentiert, die als Objekt a das Begehren produzieren. 121Vgl. Pagel (2012), S.77-78. 122Krips beschreibt das „ursprüngliche“ Objekt a folgendermaßen: „the object a is not merely […] a substitute for a specific other object. Rather, it is a catachresis, a substitute for an object constituted retrospectively through the act of substitution.“ [Krips (1999) S. 21] 123Vgl. ders., S.29. 124Adam (2006), S.48. Vgl. außerdem Braun (2007), S.87. 125Und eigentlich beginnt dies bereits in der imaginären Verkennung des Spiegelstadiums. Vgl. Braun (2007), S.87 126Vgl. Adam (2006), S.61 und Pagel (2012), S.67. 127Vgl. Braun (2007), S.126-127. „Sie (=Die Kastration] ist symbolisch in dem Sinne, in dem das Symbol der «Mord am Ding» ist“ [S. 126]. Dies lässt sich auch so fassen: mit dem Eintritt in die Sprache müssen die eigenen Bedürfnisse sprachlich artikuliert werden. Da das Subjekt jedoch in der Sprache entfremdet ist, spricht es seine Bedürfnisse mit Worten aus, die nicht die Seinen sind, womit er auch sein Bedürfnis als eigenes verliert. Vgl. Lacan (1991), S.4: „Es ist dies [= Die Entfremdung von den eigenen Bedürfnissen] nicht die Folge seiner realen Abhängigkeit […], sondern vielmehr die Folge der signifikanten Ausformung als solchen und des Umstands, daß seine Mitteilung vom Ort des Anderen aus ergeht.“ 128Vgl. Braun (2007), S.140. Hier wäre eigentlich auf die besondere Funktion des Phallus für das Begehren in Lacans Denken einzugehen. Dieser lässt sich als Symbolisierung des mit dem Eintritt in die Sprache vollzogenen Verlust (Mord am Ding) verstehen. Der Phallus ist damit ein Signifikant für eine Abwesenheit, bzw. der Unmöglichkeit (Phallus oder das Begehren der Mutter [vgl. Lacan (1991), S.6]) zu sein. Insofern löst dieser eigentlich in Lacans Denken das Begehren aus [Vgl. Lacan (1991), S.5-6]. Die Beziehung zwischen Phallus und Objekt a lässt sich dabei in etwa so denken, dass der Phallus die hinter dem Objekt a verborgene Leere (da das Begehren nie erfüllt werden kann) repräsentiert. 41 Das Objekt a lässt sich dabei wie ein Köder oder eine Verlockung („lure“) 129 verstehen, die die Vervollständigung des Subjekts verspricht, aber nie erfüllt, auch gar nicht erfüllen kann oder soll. Wie Jochen Adam schreibt, ist „[d]as Begehren, als «Metonymie des Seinsverfehlens», [...] nicht Beziehung zu einem Objekt, sondern Beziehung zu einem Mangel“.130 Das Objekt a ist dabei wie ein Platzhalter der Vervollständigung, der aber eben als Platzhalter den Mangel bzw. die Lücke, die er kennzeichnet, auch hervorruft, betont (so dass Begehren nach dem Fehlenden entsteht) und zugleich dennoch schließt. Insgesamt lässt sich mit dem Objekt a auch McClarys harmonisch-tonales Begehren nach der Kadenz nochmals differenzierter verstehen: Nicht die Kadenz produziert das Begehren und damit den Spaß an der Musik, sondern der ständige Aufschub und die Vermeidung. Das eigentliche Ziel der Musik ist dabei nicht ihr Ende auf dem Grundton, sondern die Zeit davor, wobei die die Kadenz aufschiebenden Harmonien, Modulationen oder Trugschlüsse als Objekte a verstanden werden können. Übertragen auf die bereits angedeuteten anderen Ebenen musikalischen Begehrens lassen sich so auch unvollständige Obertonspektren oder unterbrechende Pausen als Objekte a verstehen, die ein Begehren produzieren. Dabei entsteht jeweils eine Beziehung zu etwas, was gerade im Klang nicht präsent ist. Allerdings entsteht Mangel für Lacan nicht erst durch die symbolische Ordnung (obwohl diese den Mangel stark verändert), sondern ist eine zentrale Erfahrung der frühkindlichen Lebenswelt, in der der Säugling aufgrund seiner körperlichen Unselbstständigkeit vollständig auf seine Eltern/Bezugspersonen angewiesen ist.131 Die Filmwissenschaftlerin Kaja Silverman entwickelt hiervon ausgehend einige Theorien zur Darstellung von Geschlecht im Klang von Filmen. Sie vertritt die These, dass die einseitige Projektion der Kastration auf Frauen, wie sie insbesondere von Freud vorgenommen wird,132 ein Verdrängungsmechanismus ist, der männliche Subjekte davor schützt, die existenzielle Spaltung der Subjektivität, d.h. den eigenen Mangel an Sein, in sich selbst anerkennen zu müssen. Silverman argumentiert, 129Vgl. Krips (1999), S.25-27: Krips erklärt, dass dieser Köder dabei eine doppelte Täuschung verfolgt. Am Beispiel der Maske oder visuellen Täuschung (Trompe l'oeil) macht er deutlich, dass die eigentliche Faszination oder die Lust (Pleasure) darauf basiert, dass die Täuschung der Maske durchschaut wird, d.h. die Maske wird als unecht erkannt. Dennoch symbolisiert sie gewissermaßen einen Blick oder ein Gesicht, das hinter der Maske steckt, auch wenn die Maske an der Wand hängt und offenkundig leer ist, so dass eine zweite Täuschung entsteht. Ebenso erklärt Krips den von Parrhasios gemalten Schleier im Mythos, der ein Bild hinter dem Schleier als Täuschung verspricht, das jedoch überhaupt nicht existiert. 130Adam (2006), S.61. 131Vgl. Braun (2007) S. 44. 132Vgl. Freud (1925), Absatz 17. 42 dass die Erkenntnis des anatomischen Unterschieds deshalb von Freud als „unheimlich“ 133 (uncanny) bezeichnet wird, da es an etwas bereits bekanntes erinnert: eine Amputation, die allen Menschen gleichermaßen widerfährt, so dass der anatomische Unterschied nur, weil er daran erinnert, überhaupt Angst macht und machen kann. Die einseitige Projektion der Kastration auf Frauen ist für Silverman Resultat eines kulturellen Prozesses, der zugunsten einer Verdrängung der Spaltung oder Unvollständigkeit für Männer funktioniert.134 Aus dieser Interpretation folgt dann die Notwendigkeit Mangel kontinuierlich durch verschiedene Kulturprodukte auf der weiblichen Seite zu fixieren, was Silverman am Beispiel des Films belegt.135 Dabei geht sie von einer zweiseitigen Interpretation des vorsprachlichen Zustandes des Kleinkindes aus: Einerseits produziert dieses Urbild Ängste, da das Kind absolut abhängig ist. Dies sieht Kaja Silverman im Zusammenhang mit dem im Film oft von Frauen zu hörenden Schrei, den sie mit dem Schrei eines Kleinkindes assoziiert, das mit dieser Äußerung gerade den eigenen Mangel mitteilt.136 Das frühkindliche Bild hat jedoch auch eine andere positivere Seite: als sorgloser Zustand vor der Spaltung des Subjekts, als regelrechtes Paradies.137 Dieser Idealzustand ursprünglicher Vollständigkeit wird dabei im Film ebenfalls für das Publikum wiedererfahrbar, wobei dies erneut durch die weibliche Stimme ermöglicht wird. Als „sonorous envelope“138 bezeichnet Silverman eine Art klangliche Umarmung oder Einhüllung, in der die Stimme nicht mehr als bedeutungstragend und sprachlich, sondern als reiner Klang relevant wird.139 Diese Stimme hat damit die Aufgabe den erfahrenen Mangel wieder gut zu machen,140 wobei sich auch diese Stimme als ein Objekt a verstehen lässt, das hier Vervollständigung suggeriert. Ich möchte nun auf das Spiegelstadium eingehen. Das Spiegelstadium ist für Lacan eine Situation der Subjektbildung, die einen imaginären Ausweg aus der Mangelsituation des Säuglings darstellt. Das Kind erkennt sich im Spiegel (oder auch in einem anderen Menschen) als ganzen oder vollständigen Menschen und verkennt sich damit, denn seine reale Situation ist immer noch durch Unselbständigkeit und Abhängigkeit von Versorgung 133Freud (1927), Absatz 6. 134Vgl. Silverman (1988), S.14-18. 135Vgl. beispielsweise dies., S.78-79. 136Vgl. dies., S.77. 137Vgl. dies., S.72-73. 138Dies., S.72. 139Vgl. dies., S.85. 140Ebd. 43 geprägt. Im Spiegelbild antizipiert es hingegen sich selbst als vollständig und selbstständig, als ein Ideal seiner Selbst, das jedoch nie schon erreicht ist.141 Dieses (V)Erkennen ist dabei nicht symbolisch zu verstehen, d.h. das Spiegelbild steht nicht symbolisch für das sehende Subjekt, sondern ist imaginär das Subjekt.142 Für das Kind ist zuerst kein Unterschied zwischen sich und seinem Spiegelbild auszumachen. Das Spiegelbild oder die Person, in der es sich selbst wiedererkennt, ist das Bild des Selbst, das damit gewissermaßen von außen betrachtet wird und sich somit auch auf einer anderen Ebene entfremdet, indem es sich an einen Ort verschiebt, an dem es nicht ist.143 Schließlich erlernt das Kind letztlich durch die symbolische Ordnung, sich von diesem anderen im Spiegel zu trennen.144 Die imaginäre Verkennung des eigenen und anderen endet aber damit nicht vollständig, sondern wiederholt sich beispielsweise in der Verliebtheit:145 Der_die Liebende (v)erkennt sich selbst in der_dem (idealisierten) anderen.146 Kaja Silverman deutet nun bereits mit dem Titel ihres Buches „the acoustic mirror“ an, dass auch die Stimme als ein solcher Spiegel funktionieren kann, was für die Musikanalyse von Freya Jarman-Ivens produktiv gemacht wird. Mit Bezugnahme auf Silverman entwickelt sie die theoretische Annahme einer Hörweise, die sie als Identifikation bezeichnet. Sie argumentiert: „at one level, the voice [= die eigene Stimme] – being both spoken and heard at the same time – forces an oscillation between subject and object that crosses crucial thresholds. Identification [mit der gehörten Stimme], though, takes this into another realm, as we place ourselves in the space behind the voice with which we identify – wanting, in a sense, to make that voice – at the same time as also hearing that voice“147 141Vgl. Adam (2006), S.45-51. 142Vgl. Gerome Taillandier in Adam (2006): „Wenn der im Spiegel von mir wahrgenommene andere mir meine Statur und Erscheinungsform gibt, so heißt dies auch, daß er im transitiven Sinne mein Ich ist: Ich ist der andere, es gibt eine imaginäre Übereinstimmung zwischen i(a) und i'(a), zwischen Ichlibido (Libido zum eigenen Körper) und Objektlibido (insofern das das Objekt der andere ist).“[Adam, S.46], sowie Braun (2007), S. 38: „Die sich aufdrängende Frage, wie der Unterschied, zwischen sich und dem anderen bzw. zwischen dem Ich und dem Bild vom anderen, i(a) geartet ist, beantwortet Lacan dahin gehend, daß eben die Beobachtung des Transitivismus lehrt, daß Kinder zwischen sich und dem Spielgefährten zunächst keinen Unterschied machen“. 143Vgl. Adam (2006), S. 52: „Lacan hat in seiner Darlegung des Spiegelstadiums gezeigt, wie es dazu kommt, dass das Subjekt ein vorgängig-substanzhaftes Ich supponiert, das durch das Spiegelbild lediglich abgebildet werde. Tatsächlich aber gibt es nur die ursprüngliche Bildwahrnehmung, von der aus der (Trug)Schluss auf ein zugrundeliegendes Ich gemacht wird. Dem Bild jedoch liegt nichts Substanzielles zugrunde, das ihm entspräche, wovon es Abbild wäre; das substanzhafte Hypokeimenon ist etwas Eingebildetes. Das Subjekt imaginiert sich somit als Einheit gerade dort, wo es nicht ist.“ 144Vgl. Braun (2007), S.39. 145Vgl. ders., S.38. 146Vgl. Lacan (1990), S.182-3. 147Jarman-Ivens (2011), S.32. 44 Identifikation werde ich in dieser Arbeit als Begriff für eine spiegelhafte Vermischung von hörender und sprechender bzw. singender Position verwenden. Während Jarman-Ivens in ihrer Untersuchung queerer Stimmen dieses Oszillieren als einen subversiven Ansatzpunkt für Queerness und Instabilität ansieht,148 will ich in meinen Musikanalysen die einer Stimme eingeschriebenen Möglichkeiten zur Identifikation genauer untersuchen. Die im Stimmklang enthaltene (Un-)Möglichkeit zur Identifikation wird dabei im Folgenden ein relevanter Faktor für eine nach Geschlecht differenzierende Struktur im Klang von Popmusik werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es mit der Psychoanalyse möglich erscheint verschiedene unbewusste Prozesse, die möglicherweise im Hören von Musik eine Rolle spielen, näher zu bezeichnen und gegeneinander abzugrenzen. Grundsätzlich möchte ich dabei noch auf die Position der Stimme an der Grenze zwischen Körper und Sprache hinweisen: „The voice is the side of perhaps one of the most radical of all subjective divisions – the division between meaning and materiality. […] The sounds the voice makes always exceed signification to some degree, both before the entry into language and after. The voice is never completly standardized, forever retaining an individual flavour or texture.“149 Diese beiden Funktionen, die die Stimme sowohl in Beziehung zum eher sprachlich organisierten Subjekt wie zum Körper oder, anders gesagt, zum symbolischen Allgemeinen und zum Individuellen des Stimmklangs, setzen, lassen es sinnvoll erscheinen die körperlichen Aspekte des Stimmklangs näher zu untersuchen. Im Folgenden möchte ich mich also mit der körperlichen Klangerzeugung auseinandersetzen. 3.2 Körperliche Klangproduktion: Die Stimme Nachdem ich in meiner bisherigen Entwicklung von Werkzeugen bereits mehrmals dem Körper als Entstehungsort der Stimme begegnet bin, möchte ich nun diese körperliche Klangproduktion näher betrachten.150 Diese Betrachtung wird auch eine begriffliche Basis für die Differenzierung der gehörten Stimmklänge liefern. Da ich davon ausgehe, dass der_die Leser_in nicht notwendigerweise mit den akustischen Grundlagen der Schallerzeugung und dem recht technischen Vokabular von Phonetik und 148Vgl. dies., S.33-37 149Silverman (1988)., S.44. 150Dabei lässt sich auch die Physik als ein Modell begreifen, das versucht die Realität abzubilden und sie so zugleich konstruiert. Auch Atomkerne sind so gesehen wie Dispositive: nichts anderes als ein kulturell produziertes Modell zum Verständnis und Umgang mit der Wirklichkeit. 45 Sprachwissenschaften vertraut ist, versuche ich hier, die Prozesse menschlicher Lautbildung möglichst einfach zu erklären und auf Fachbegriffe weitgehend zu verzichten. Soweit ich diese dennoch für notwendig halte, bemühe ich mich um eine leicht nachvollziehbare Erklärung. Zur beispielhaften Beschreibung werde ich dabei häufig auf den Klang von Buchstaben oder Worten verweisen, die ich für allgemein verständlicher halte als die streng genommen korrektere Phonemschrift. Außerdem beschränke ich mich auf dasjenige, was mir für das Verständnis meiner auf die Stimme fokussierenden Musikanalysen wichtig erscheint. Klang ist, physikalisch betrachtet, bewegte Luft, deren Bewegung sich als eine Summe einzelner Sinusschwingungen mit unterschiedlichen Frequenzen und unterschiedlicher Lautstärke [=Amplitude] verstehen lässt. Dabei sind Frequenzen etwa zwischen 20 Hz und 20.000 Hz für das menschliche Gehör wahrnehmbar. Diese Luftbewegungen lassen sich grundsätzlich in harmonisch, d.h. alle enthaltenen Frequenzen [=Obertöne] sind ein ganzzahliges Vielfaches der tiefsten Schwingung [=Grundfrequenz], und rauschhaft, d.h. es gibt keine regelmäßige Struktur im Frequenzspektrum, unterteilen. Von der menschlichen Stimme werden sowohl harmonische Klänge (Vokale und Nasale) als auch rauschhafte (viele Konsonanten) produziert, sowie außerdem Mischklänge, wie stimmhafte Konsonanten (W, J, ...), die sowohl harmonische als auch rauschhafte Anteile haben. Eine Aufschlüsselung aller in einem Klang enthaltenen Frequenzen mit zugehöriger Lautstärke wird Frequenzspektrum genannt. Das Frequenzspektrum kann in bestimmten Frequenzbereichen besonders laut und in anderen besonders schwach sein. Die Ausprägung solcher Maxima und Minima [=Hüllkurve] im Frequenzspektrum ist verantwortlich für die klanglichen Unterschiede zwischen einzelnen Vokalen (zwischen A und O zum Beispiel) oder unterschiedlichen Rauschklängen (SCH, F und CH151). Im menschlichen Körper, der diese unterschiedlichen Klänge produziert, bietet es sich an, zwischen primärer Klangerzeugung und Resonanz- bzw. Filtereffekten zu differenzieren: In der primären Schallerzeugung ist für die musikalische Klangerzeugung wohl die Glottis [oder auch Stimmlippen] am relevantesten. Eigentlich jeder harmonische Klang152 wird 151Wie in „ich“. Die Buchstabenkombination „CH“ bezeichnet im Deutschen nicht nur einen sondern zwei Laute, die ich jeweils mit Verweis auf die Worte „ich“ und „ach“ differenzieren werde. 152Es gibt darüber hinaus weitere Formen harmonischer menschlicher Lauterzeugung, beispielsweise das Pfeifen, Bauchreden, etc., die jedoch für meine Analysen keine weitere Rolle spielen werden und bei denen sich jeweils fragen lässt, ob diese unter dem Begriff „Stimme“ zu fassen sind. 46 von den Stimmlippen erzeugt, die durch periodisches Verschließen und Öffnen der Luftröhre in der Lage sind eine regelmäßige harmonische Schwingung, also einen Grundton mit Obertönen, zu produzieren. Diese periodische Schwingung wird dabei nicht durch Muskeln, sondern durch den Luftstrom selbst erzeugt: Durch einen Überdruck werden die Stimmlippen geöffnet und einen durch die Strömung der Luft entstehenden Unterdruck153 wieder verschlossen. Mit Muskeln lässt sich jedoch die longitudinale Spannung der Stimmlippen und damit deren Trägheit und Abstand zueinander beeinflussen, wodurch es möglich ist, die Tonhöhe zu kontrollieren.154 Das so erzeugte Obertonspektrum wird physikalisch gerne mit einer Sägezahnwelle verglichen; diese hat ein vollständiges harmonisches Obertonspektrum, wobei die Obertöne nach oben hin an Lautstärke abnehmen. Allerdings ist dies nur eine idealisierte Abstraktion und das konkrete erzeugte Spektrum hängt von der Tonhöhe ab, sowie vom spezifischen Einsatz der Stimmlippen, wie ich weiter unten erklären werde. Während die Sprechstimme dabei vor allem die Tonhöhen im unteren Drittel des Tonumfangs [=Ambitus155] verwendet, da hier Eigenresonanzfrequenz der Glottis liegt, also der Bereich an dem mit der geringsten Energie der lauteste Klang erzeugt werden kann, wird im Gesang ein weitaus größeres Tonspektrum verwendet. Der bei Männern 156 in der Pubertät stärker wachsende Kehlkopf führt zur Ausbildung einer deutlich tieferen Stimme, so dass die tiefsten von Männern gesungenen und gesprochenen Frequenzen durchschnittlich knapp eine Oktave tiefer liegen als bei Frauen. Dieser Unterschied ist dabei vor allem bei der Sprechstimme relevant. Der Kommunikationswissenschaftler Joachim Neppert gibt in „Elemente einer Akustischen Phonetik“ bei Frauen eine Sprechgrundfrequenz von 190 bis 250 Hz an, was etwa den Tönen fis157 bis c' entspricht, und bei Männern von 100 bis 150 Hz, was etwa Gis 153Physikalisch ist dies der Bernoulli Effekt: Der Luftstrom ist in der durch die Glottis gebildeten Verengung der Luftröhre schneller, produziert so einen Unterdruck und zieht die Seiten der Glottis, also die Stimmlippen wieder zusammen. Vgl. Hierzu: Neppert (1999), S.119 ff. 154Außerdem hat aber auch der Luftdruck Anteil an der Tonhöhe, so dass bei gleicher Spannung der Stimmlippen, aber unterschiedlichem Luftdruck unterschiedlich hohe Töne erzeugt werden können. Vgl. ders., S.121. 155Ambitus bezeichnet den Tonumfang, also den Abstand vom tiefsten zum höchsten Ton. Dies kann sich auf die Möglichkeiten der Singstimme ebenso beziehen, wie auf die Melodie eines Musikstückes. 156In Ermangelung besserer Begriffe spreche ich in diesem Abschnitt von Männern und Frauen als physiologische Kategorien. Diese lassen sich in diesem Abschnitt als zwei verschiedene Typen durchschnittlicher Werte von Körper- und Kehlkopfgröße verstehen deren kulturelle Bedeutung im Klang ich im Folgenden untersuchen werde. 157Ich verwende Tonbuchstaben zur Beschreibung absoluter Tonhöhen, da diese im musikwissenschaftlichen Kontext vertrauter sind als Frequenzangaben. Eine gute Darstellung der Beziehung von Tonbuchstaben und Frequenzen ist: www.sengpielaudio.com/Rechner-notennamen.htm 47 bis d entspricht.158 Da zur Bestimmung des Abstands zwischen Frequenzen nicht die Differenz sondern das Verhältnis gemessen werden muss, ist diese Abweichung (knapp 2:1) sehr auffällig und ein insbesondere bei der Sprechstimme deutliches akustisches Geschlechtsmerkmal. Ein weiterer Unterschied zwischen Sprech- und Singstimme besteht in der Kontrolle der Tonhöhe, die in der Sprechstimme kontinuierlich variiert, während sie im Gesang zeitlich auf einzelnen Tonhöhen konstant bleibt. Notwendig hierfür ist neben der kontrollierten Spannung der Glottis auch die Kontrolle des Luftstroms. In der Gesangspraxis wird hier von Stütze gesprochen, was einen möglichst konstanten stabilen Luftdruck unterhalb der Stimmlippen bezeichnet. Dieser Luftdruck wird unterhalb der Lunge mit Hilfe einer nach unten gerichteten Spannung des Zwerchfells erreicht, die eigentlich für das Einatmen typisch ist, aber beim Singen auch beim Ausatmen beibehalten wird. 159 Dadurch kann die Luft langsam gleichmäßig und über einen relativ langen Zeitraum entweichen, was den von der Glottis produzierten Ton stabilisiert. Im unteren Bereich des Tonumfangs schwingen dabei die gesamten Stimmlippen voll, d.h., dass die in den Stimmlippen enthaltenen Muskeln mit ihrer relativ großen Masse in entspanntem Zustand am periodischen Öffnen und Schließen beteiligt sind, bei höheren Tönen sind aber nur noch Teile der Stimmlippen an der Schwingung beteiligt, da sich die Muskeln nach und nach anspannen und dann nicht mehr frei schwingen, bis sich schließlich nur noch die Schleimhäute der Stimmlippen ohne das darunter liegende Gewebe bewegen.160 Die Unterschiede zwischen diesen einzelnen Einstellungen der Glottis sind dabei beeinflussbar und durchaus hörbar: Die Vollschwingung ist durch einen vollen obertonreichen Klang gekennzeichnet, während die Randschwingung der Schleimhäute vor allem den Grundton ohne viele Obertöne produziert. 161 Wegen ihres klanglichen Unterschieds werden sie als Stimmregister differenziert und mit den etwas irreführenden Begriffen Kopf-, Mittel- und Bruststimme bezeichnet. 162 158Neppert (1999) S.125. 159Vgl. Göpfert (2002), S.96. 160Vgl. Barth in Haefliger (1993), S.65f sowie Göpfert (2002), S.135. 161Vgl. Göpfert (2002), S.135. 162Die Bezeichnungen der Register ist in der Musikpraxis nicht einheitlich: Insbesondere gibt es Unterschiede in der Bezeichnung zwischen Männer und Frauenstimmen, sowie Uneinheitlichkeit insbesondere bei der Verwendung des Begriffs Falsettstimme bei Männern, der sowohl für das Pfeifregister (oberhalb der Kopfstimme), als auch für die Kopfstimme bei Männern verwendet wird [Vgl Göpfert, S.138]. Ich stelle die Begriffe hier so vor, wie ich sie im Folgenden verwenden werde. Dabei ist eine einheitliche Begrifflichkeit vor allem notwendig, da männliche und weibliche Stimmen im Folgenden miteinander verglichen werden sollen. Die von mir verwendeten Begriffe stützen sich auf eine Systematik der körperlichen Prozesse, die für beide Geschlechter weitgehend analog angenommen werden. 48 Die sogenannte klassische Gesangsausbildung, die sich am Repertoire von Oper und Kirchenmusik orientiert, strebt dabei im allgemeinen danach, die Übergänge zwischen den einzelnen Bereichen möglichst unhörbar zu machen, so dass mit viel Übung schließlich nur ein einziges möglichst bruchloses Stimmregister entsteht.163 In der Popmusik werden die Unterschiede zwischen den einzelnen Registern jedoch, wie wir sehen werden, oft deutlich hörbar eingesetzt und die Kontraste zwischen Brust-, Mittel- und Kopfstimme als musikalische Stilmittel verwendet. Es ist daher notwendig, sich die Lagen dieser Übergänge zu vergegenwärtigen: Der Wechsel von einem Register in ein anderes geschieht dabei nicht immer auf demselben Ton sondern ist steuerbar. Die Vollschwingung bzw. das Brustregister endet für Männer zwischen H und f, bei Frauen eine Oktave höher zwischen h und f'.'164 Eine reine Randschwingung, bzw. das Kopfregister, tritt bei Frauen bei Tönen höher als es'' bis f'', bei Männern eine Oktave tiefer ab es' bis f' auf. Die Glottis kann aber auch andere Geräusche als harmonische Töne erzeugen. Hierfür ist es notwendig zu verstehen, dass die Stimmlippen nicht nur longitudinal angespannt werden können, sondern auch das Öffnen und Schließen der Stimmlippen, sowohl durch Muskeln als auch durch bewegliche Knorpelstücke, im Kehlkopf kontrolliert werden kann.165 Hierdurch gibt es mehrere Möglichkeiten der Stimmgebung, beispielsweise die Flüsterstimme, bei der durch das sogenannte Flüsterdreieck 166 gesprochen wird und kein periodisches Öffnen und Schließen stattfindet, so dass das Flüstern nur aus einem Rauschen besteht. Indem die Stimmlippen andererseits leicht offen gehalten werden und somit bei der Klangerzeugung nicht vollständig schließen, wird der harmonische Anteil gedämpft und mit einem Rauschen ergänzt. Diese Stimmgebung wird in der Phonetik als „behaucht“ bezeichnet. Weiterhin kann die Glottis die sogenannte „Knarrstimme“ erzeugen: Klanglich ist dies tatsächlich mit dem Knarren einer Tür vergleichbar. Dieser wird erzeugt, indem die Glottis verschlossen wird, die Stimmlippen jedoch zugleich longitudinal relativ entspannt bleiben, so dass sie mit relativ wenig Luft bewegt werden können. Dabei entsteht ein nur teilweise periodisches Geräusch, das mitunter Schwingungsanteile weit unter dem eigentlichen Ambitus der Stimme enthält und kein harmonisches Spektrum enthält.167 163Vgl. Göpfert (2002), S.136. 164Vgl. ders., S.141. 165Eine sehr ausführliche Darstellung der Funktionsweise der Glottis und der verschiedenen möglichen Stimmgebungen findet sich bei Kienast (2002), S.18ff. 166Vgl. dies., S.20. 167Vgl. dies., S.21. 49 Die menschliche Stimme kann jedoch noch an anderen Stellen Geräusche erzeugen, beispielsweise hinter den Zähnen, mit der Zunge am Gaumen oder im Rachen. Dort ist es jeweils möglich eine Enge zu bilden, die dann zu Luftverwirbelungen führt, was ein rauschhaftes Frequenzspektrum produziert.168 Obwohl das Spektrum eines Rauschens zufällig ist, gibt es dabei hörbare Unterschiede je nach Erzeugungsort. Außerdem ist es möglich, Geräusche durch ein Verschließen des Luftstroms und anschließendes explosives Öffnen zu erzeugen,169 wodurch plosive Konsonanten (P, T, K, B, ...) entstehen. Das dabei erzeugte Geräusch zeichnet sich durch ein einmaliges plötzliches lautes Auftreten und schnelles Abschwellen aus. Nachdem der menschliche Körper auf diese unterschiedlichen Weisen einen Klang erzeugt hat, ist es ihm weiterhin möglich, dessen Frequenzspektrum zu verändern. Es ist hilfreich, sich hierfür den menschlichen Körper als einen kontrollierbaren und äußerst komplizierten Resonanzraum vorzustellen, der einzelne Frequenzbereiche verstärken und andere dämpfen kann. Umso weiter vorne eine primäre Schallerzeugung stattfindet, desto weniger ist sie jedoch veränderbar, d.h. ein an den Lippen oder Zähnen produziertes Geräusch, wird kaum noch durch den Resonanzraum des Körpers verändert, während die relativ weit hinten im Körper produzierten Klänge der Glottis recht starken akustischen Veränderungen unterliegen. Jeder Resonanzraum hat eine oder mehrere Resonanzfrequenzen, die er verstärkt, während andere Frequenzbereiche gedämpft werden. Im menschlichen Körper gibt es viele verschiedene differenzierbare Resonanzräume, beispielsweise im Brustraum und in den verschiedenen Nebenhöhlen im Kopf, deren Mitschwingen mehr oder minder stark kontrolliert werden kann. Die schon erwähnten Begriffe Brust- und Kopfstimme beziehen sich dabei auch auf das Mitschwingen dieser verschiedenen Resonanzräume, wobei der Brustraum bei eher tiefen Frequenzen mitschwingt und diese verstärkt, während die verschiedenen Hohlräume im Kopf mit je unterschiedlichen höheren Frequenzbereichen resonieren. Die dabei verstärkten Frequenzbänder im Obertonspektrum werden Formanten genannt. In der klassischen Gesangsausbildung wird dabei ein Mitschwingen möglichst vieler dieser Räume angestrebt, da dies den Ton insgesamt verstärkt. Besondere Bedeutung kommt jedoch dem Resonanzraum in Mund und Rachen zu, der an der Glottis beginnt und an den Lippen endet, das sogenannte Ansatzrohr. Das Ansatzrohr 168Vgl. Neppert (1999), S.94f zum Friktionsrauschen. 169Vgl. ders., S.93f zum Explosionsschall. 50 lässt sich mit einem einseitig offenen Rohr vergleichen, in dem schwingende Luft Resonanzfrequenzen mit einer Wellenlänge von jeweils ungradzahligen vielfachen der vierfachen Länge des Ansatzrohres aufweist.170 Das menschliche Ansatzrohr wird von Neppert mit 17,5 cm bei Männern und „15 % kürzer“ 171 (also ca. 14,875 cm) bei Frauen angegeben, was zu Formantfrequenzen von 500 Hz, 1500 Hz, 2500 Hz 172 usw. bei Männern und näherungsweise 600 Hz, 1800 Hz, 3000 Hz173 usw. bei Frauen führt.174 Für Kinder liegen die Formanten, je nach Größe und Alter, nochmals deutlich höher. Etwa um diese Frequenzen herum werden also die von der Glottis erzeugten (Ober-)Töne und Rauschfrequenzen verstärkt, während andere Frequenzen gedämpft werden. Die Resonanzfrequenzen des Ansatzrohres sind individuell verschieden, aber für den einzelnen Menschen konstant, da sie von der Anatomie abhängen.175 Diese Konstanz ist allerdings nur relativ, denn wir sind in der Lage zumindest die unteren beiden Formanten, durch Verengungen an verschiedenen Orten des Ansatzrohres nach oben oder unten zu verschieben, sowie durch Bewegung der Lippen und des Kehlkopfes das Ansatzrohr insgesamt leicht zu verkürzen oder zu verlängern. Diese Verschiebungen sind für die Sprache äußerst relevant, da sie die Klangfarben der einzelnen Vokale produzieren: Ein stark nach oben verschobener zweiter und stark nach unten verschobener erster Formant erzeugt beispielsweise ein I, ein nach unten verschobener zweiter und nach oben verschobener erster Formant erzeugt ein A.176 Bleiben die beiden Formanten unverändert, entsteht ein Vokal zwischen E, Ä und Ö. 170Vgl. ders., S.129ff: Die Resonanzfrequenzen sind außerdem von der Schallgeschwindigkeit, und damit vom Luftdruck abhängig. Der hier beschriebene physikalische Prozess ist eventuell vertraut von bestimmten Flöteninstrumenten, beispielsweise Klarinetten oder gedackten Orgelpfeifen [vgl. Briner (2003), S.142ff. und S.200]. 171Neppert (1999), S.132. Neppert setzt an viele Stellen die männliche Stimme als Norm und dann weibliche und Kinderstimmen als entsprechende Abweichungen in Relation. Eine durchaus kritikwürdige Praxis. 172Entspricht ca. h', fis''' und dis''''. 173Entspricht ca. d'', a''' und fis'''' 174Die Formel für die Frequenz f ist: ungeradzahliges Vielfaches der Schallgeschwindigkeit (c) dividiert durch die vierfache Länge (L) des Ansatzrohres: (2n-1)c/4L =f. Bei Körpertemperatur wird bei Neppert eine Schallgeschwindigkeit von 350 m/s angegeben. 175Die bei Neppert praktizierte Zweiteilung in Geschlechter erscheint mir dabei an dieser Stelle weniger relevant als beim Tonumfang der Glottis: Insgesamt stehen die Resonanzfrequenzen mit der Körper- und Kopfgröße in Bezug. Durchschnittlich liegen sie wahrscheinlich bei Frauen vor allem deshalb etwas höher, weil diese körperlich im Durchschnitt etwas kleiner sind. Der durchschnittliche Unterschied ist außerdem hier außerdem deutlich geringer als bei der Sprechtonlage: Während der Abstand zwischen den Sprechtonlagen knapp einer Oktave entspricht, liegen die beiden ersten Formanten mit 500Hz bzw. 600 Hz, entsprechend etwa ein h' (=494 Hz) bzw. einem Ton zwischen d''(=587Hz) und dis''(=622Hz), nur etwas mehr als eine kleine Terz auseinander. 176Vgl. Neppert (1999), S.134. 51 Bisher habe ich vor allem die für die Produktion von phonetischen Lauten, also der akustischen Entsprechung von Buchstaben, und Tönen relevanten Funktionen der Stimme beschrieben. Darüber hinaus liefert die Stimme jedoch noch eine Vielzahl weiterer Informationen; akustische Informationen zu Geschlecht und Körpergröße habe ich hier bereits erwähnt. Außerdem liefert die Stimme über die Atmung, den sich auf die Formantstruktur von Vokalen auswirkenden Gesichtsausdruck177 und die hörbaren Resultate der An- oder Entspannung verschiedener Muskeln insbesondere in und um Hals, Mund, Nase, Rachen und Brustkorb Informationen über den körperlichen und emotionalen Zustand der_des Sprecher_in.178 Bisher vorliegende Untersuchungen zu Emotion und Stimme beziehen sich, soweit mir bekannt, ausschließlich auf die Sprechstimme. Untersuchungen von emotionalem Ausdruck in Gesang scheinen bisher nicht vorzuliegen und eine Übertragung ist, da beim Gesang nicht (nur) die sprachliche Verständigung, sondern insbesondere der Klang der Stimme im Fokus der bewussten Beeinflussung steht, durchaus problematisch. Dennoch halte ich die Ergebnisse analytischer Betrachtungen emotionaler Sprechweisen für hilfreiche Anhaltspunkte, um nicht einer Singstimme eine bestimmte Emotion zuzuschreiben, sondern anders herum ein in dieser Stimme wahrgenommenes Gefühl auf bestimmte klangliche Charakteristika zurückzuführen, sowie über diese Klangcharakteristika körperliche Zustände, beispielsweise die Anspannung bestimmter Muskelbereiche, identifizieren und belegen zu können. Schließlich muss für die Analyse von Stimmen in Popsongs berücksichtigt werden, dass der Klang dieser Stimmen nicht nur durch den sie erzeugenden menschlichen Körper, sondern auch durch Aufnahme- und Klangbearbeitungstechnologien geprägt ist. Es sollte dabei klar sein, dass jede Aufnahme auch, wenn sie natürlich erscheint, eine Veränderung des Klangs bedeutet. Es gibt aber auch auffällig hörbare Bearbeitungen, wobei ich davon ausgehe, dass sich auch auf dieser Ebene Geschlechterunterschiede feststellen lassen. Dabei erscheint mir das Bezeichnen der verwendeten Effekte und Geräte (Delay, Dopplung, Vocoder, Filter, Kompression) weniger sinnvoll, als das möglichst genaue 177Beispielsweise die beim Lächeln eingesetzte Spreizung der Lippen sorgt für ein Ansteigen des zweiten Formanten, ähnlich dem Vokal I. Vgl. Kienast (2002), S.131. 178Miriam Kienast beschäftigt sich insgesamt mit den hörbaren Auswirkungen von Emotionen. Einen guten Überblick liefert sie in ihrem dritten Kapitel [Vgl. Kienast (2002) S.17-39]. Die Notwendigkeit einer geraden Körperhaltung, die in manchen Gesangsschulen betont wird, legt außerdem nahe, dass über den Klang der Stimme Rückschlüsse auf diese möglich sind. Vgl Haeflinger (1993), S.109ff und Göpfert (1988), S.94. 52 Beschreiben des akustischen Eindrucks (distant, hallig, gedämpft ect.), da dieser zum einen leichter nachvollziehbar ist, und zum anderen, da die akustische Bearbeitung jeweils zu einem Zweck eingesetzt wird, dem ich mit meinen Analysen auf die Spur kommen möchte. Da mein Thema dabei der erzeugte Eindruck eines fertigen kulturellen Artefaktes ist und nicht die technologischen Werkzeuge, die zu dessen Erzeugung eingesetzt wurden, erscheint mir dieses Vorgehen stimmig. 53 4. Analysen Nach dieser umfangreichen theoretischen Einführung möchte ich in diesem Abschnitt die dargestellten Mittel zur Musikanalyse anwenden und eigene Thesen zu popmusikalischen Inszenierungen von Männlich- und Weiblichkeit anhand von Musikbeispielen entwickeln. Meine Auswahl basiert dabei auf einem persönlichen Eindruck, den ich vor allem aus Radioprogrammen (Spreeradio, BBRadio, FluxFM jeweils als Internetradio) gewonnen habe. Dabei erschienen mir bestimmte Muster sehr verbreitet, für die ich im Folgenden mir typisch erscheinende Beispiele zur näheren Untersuchung gewählt habe. Ich arbeite dabei in zwei Teilen, wobei ich mit der Darstellung von Sängern[sic] beginne, da ich denke, dass diese auch in der Popmusik eine Norm definieren. Die musikalischen Darstellungen von Frauen funktionieren, wie ich zeigen möchte, vor diesem Hintergrund als Abweichungen, als Andere im beauvoirschen Sinne. Meine Thesen sind als ein Modell zu verstehen, das versucht die Beziehungen zwischen verschiedenen klanglichen Darstellungen in der Popmusik abzubilden und zu deuten. Ich denke dabei nicht, dass sämtliche Popmusik sich in meinem Modell erschließen lässt; ich habe jedoch versucht, vor allem dasjenige zu beschreiben, was ich als normative Klangdarstellungen empfinde. Meine Annahme normativer Klangdarstellungen bedeutet, dass andere Darstellungen möglich sind, aber auch, dass diese anderen Darstellungen nicht unabhängig sind. Sie stehen mit den normativen in (einer wahrscheinlich negativen) Beziehung. Es ist aber zu beachten, dass diese Arbeit anhand weniger Songs nur eine erste möglichst konkrete These entwickelt, die durch weitere Beispiele aus der Popmusik bestätigt, verändert oder widerlegt werden müsste. Um den Nachvollzug meiner Analysen zu erleichtern, befinden sich im Anhang jeweils am Text orientierte kurze formale Übersichten der Songs. Diese sind dabei nicht als eigener Analyseschritt zu fassen, sondern sollen lediglich als visuelle Stützen dienen, um die von mir bezeichneten Details schneller im Klang zu finden. Außerdem erscheint es mir sinnvoll, kurz die von mir zur Analyse verwendete Technik zu beschreiben: Alle analysierten Songs wurden von mir im MP3-Format verwendet und über Kopfhörer (AKG K530, weiß) von meinem Laptop (lenovo ThinkPad X200 mit dem 54 Abspielprogramm Audacious) ohne jede Veränderung der Equalizer- oder anderer Voreinstellungen abgehört. Ich gehe davon aus, dass alle von mir gemachten Beobachtungen auch über andere Abspielsysteme nachvollziehbar sind, habe aber schon die Erfahrung gemacht, dass unter ungünstigen Bedingungen, z.B. große kahle Räume, Störgeräusche, PC-Boxen, Kopfhörer mit sehr eingeschränktem Frequenzbereich oder Geräte mit speziellen an anderem akustischen Material orientierten Voreinstellungen, der akustische Eindruck sehr verfälscht werden kann, so dass mitunter Details verschwinden oder nur sehr schwer auszumachen sind. 4.1 Die „echte“ Stimme Die der Einleitung vorangestellten Zitate suggerieren, dass es in der Popmusik eine Beziehung zwischen Echtheit oder Authentizität und Männlichkeit gibt. Diese möchte ich nun auf der musikalischen Ebene näher betrachten. Ich werde hierbei der Frage nachgehen, was auf der Ebene des Klangs genau mit „Echtheit“ gemeint ist und wie diese in der Musik entsteht. Hierzu möchte ich nochmals ein paar theoretische Quellen betrachten, die dem Zusammenhang von Klang und „Authentizität“ formulieren. Dabei ist Authentizität als ein ideologischer Wert des Popmusikdispositivs zu verstehen, der sich vor allem in den populären Auseinandersetzungen über Popmusik entfaltet. Terry Bloomfield beschreibt dies etwas polemisch, aber für meine Zwecke gut geeignet, folgendermaßen: „The illusion of the availability of the singer as artist is spelt out - when it is acknowledged at all - as an ideology of authenticity. It is a discourse that takes over key elements of Romanticism to structure the listener's common sense into a (naive-)realist (proto)theory of song production and consumption. To list its main components: (1) the singer reflects on personal experience that resonates with emotion, (2) embodies the results of that reflection in a musico-narrative form, (3) delivers a performance of (2) which serves to bring out fully its (inner) meaning. The process is complete when (4) the listener reads this emotional meaning by bringing his or her personal experience to bear on the performance. “179 Der_die Sänger_in präsentiert also in der Musik einen emotionalen Inhalt. Der Popsong ist in diesem Denken folglich eine Form emotionaler Kommunikation, in der Gefühle der_des Sänger_in zum Publikum transportiert werden. 179Bloomfield (1993), S.17. 55 In diesem Kommunikationsmodell entsteht so die Möglichkeit, dass Musik wahr oder falsch, bzw. echt oder unecht sein kann. Die Musik tritt dabei in eine Beziehung zu einer Realität, die sie angeblich wahrheitsgemäß abbildet. David Pattie stellt in seinem Aufsatz „4 Real: Authenticity, Performance, and Rock Music“ dar, dass diese Wahrheit vor allem in der Musik konstruiert wird. Er erklärt: „[A] standard rock trope: the music contains within itself a pre-existing truth, and that it is the task of both performer and audience to rediscover and re-express that truth. The music, or rather the myth constructed around the music, is the fixed element in an otherwise infinitely transformable set of relations between the star and the audience. [...] in rock music [...] both the audience and the performer look to the music to provide the ultimate validation, the ultimate proof of authenticity. It is as though the music itself contains, beyond the meanings attached to a particular chord structure and rhythm, a single set of lyrics or a specific delivery, the ability to organise the audience’s and the star’s perception of it as inherently truthful.“180 Diese besondere authentische Wirkung von Musik lokalisiert Pattie in der durch die Musik hergestellten Erfahrung („experience“181), die er als eine intime Erfahrung der Nähe, ja der „communion“,182 mit dem Rocksänger[sic] beschreibt.183 Diese Vereinigung von Publikum und Performer[sic], „where the boundary between the performer and the audience no longer seems to exist“,184 wird dabei durch den Körper des Sängers[sic] ermöglicht. Pattie stellt dies am Beispiel Richard Ashcrofts mit Verweis auf eine Konzertkritik dar: „he (and the audience alongside him) sings with his eyes closed, his head thrown back, his «throat muscles tense with the sweet pain of singing.»“185 [meine Hervorhebungen] Pattie geht leider auf diesen körperlichen Einsatz in der Präsentation der Musik nicht explizit ein (obwohl er in seinem Text weitere und noch extremere Beispiele selbstzerstörerischen Körpereinsatzes als Garant für Authentizität liefert), ich halte diesen jedoch für äußerst relevant für die Konstruktion musikalischer Wahrheit, denn er stellt die scheinbar unmittelbare Beziehung zwischen dem Körperinnern des Sängers[sic], das ja im Song ausgedrückt bzw. abgebildet werden soll, und dem Inhalt des Songs her. Für die dabei entstehende besondere Erfahrung der Gemeinschaft mit dem Sänger[sic] möchte ich den Begriff der Identifikation von Jarman-Ivens verwenden: Das Publikum identifiziert sich mit dieser extrem körperlichen Stimme („throat muscles tense“), so dass 180Pattie (1999), Abschnitt 2, Absatz 5. 181Ders., Abschnitt 3, Absatz 7 und Absatz 9. 182Vgl. ders., Abschnitt 3, Absatz 16. 183Vgl. ders., Abschnitt 3, Absatz 9:„ it is profoundly private: we [...] share this experience with Richard [Ashcroft]“ 184Ders., Abschnitt 3, Absatz 8. 185Ders., Abschnitt 3, Absatz 9. 56 sogar die Grenze zwischen Richard Ashcroft und dem Publikum kurzzeitig aufgehoben zu sein scheint. Da dieser Körpereinsatz hörbar ist, muss er sich auch im Klang identifizieren und analysieren lassen. Besonders körperliche Klänge halte ich dabei für klangliche Einladungen zu einer solchen Identifikation mit der Stimme, die auch eine Identifikation mit dem Körper darstellt, der diese Stimme produziert. Dabei sollte allerdings nicht vergessen werden, dass diese Authentizität und die Idee einer musikalischen Wahrheit eigentlich kulturelle Konstruktionen sind. Beispielsweise argumentiert Simon Frith: „Der wohl irreführendste Terminus in der Kulturtheorie ist «Authentizität». Was zu untersuchen ist, das ist nicht, wie «wahr» ein Musikstück in Bezug auf etwas anderes ist, sondern wie es die Vorstellung von «Wahrheit» als Moment des Musikalischen überhaupt erst hervorbringt“186 Authentizität ist demnach ein Mythos, ein Konstrukt, das aber die ästhetische Rezeption der Popmusik strukturiert. Ich möchte nun im Folgenden versuchen, diese Konstruktion von Echtheit im Klang von einigen Männerstimmen genauer nachzuvollziehen. Hierzu werde ich die Präsentation der Stimme in drei Songs, „Smells Like Teen Spirit“ von Nirvana, „Feel“ von Robbie Williams und „Billie Jean“ von Michael Jackson analysieren. 4.1.1 Nirvana: „Smells Like Teen Spirit“ Als erstes Beispiel betrachte ich nun „Smells Like Teen Spirit“ von Nirvana. Sehr schnell fällt beim Hören des Songs eine erhebliche Rauheit in der Stimme 187 insbesondere im Refrain auf. Dies meint hier ganz konkret eine Geräuschlastigkeit, die sich mit einem klassischem Gesangsverständnis – dem Ideal einer eindeutigen Tonhöhe, mit rein harmonischem Obertonspektrum, weichen Übergängen, ausgehaltenen Vokalen und der klaren Verständlichkeit des Textes – nicht vereinbaren lässt. Recht deutlich lässt sich hier hingegen hören, was Shepherd als „«cock» rock vocal sound“ beschrieben hat: „hard and rasping […] produced overwhelmingly in the throat and mouth, with a minimum of recourse to the resonating chambers of the chest and head.“188 186Frith (1992), Absatz 11. 187Dies ist nicht mit der „Rauheit der Stimme“ bei Roland Barthes zu verwechseln. Barthes Begriff des Genogesangs scheint, so wie ich ihn verstehe, sowohl Teile dessen zu bezeichnen, was ich in dieser Arbeit als semiotisch bezeichne, wie auch das Somatische. Ich habe ihn daher für meine Zwecke verworfen, da er zu unbestimmt ist und genau die Einteilung nicht vornimmt, die mir in meinen Betrachtungen wichtig erscheint [Vgl. Barthes (1990)]. 188Shepherd (1991), S.167. 57 Dieser raue Klang des Rachens lässt sich vor allem an einem Reibelaut, phonetisch ein uvularer (also im Rachen erzeugter) Frikativ, der sich klanglich als ein Geräusch zwischen einem R und einem CH189 beschreiben lässt, erkennen. Im Song lässt sich dies sehr gut in der Textstelle „A mulatto, An albino, A mosquito, My libido“ und beim wiederholten „a denial“ am Ende des Songs hören, da alle diese Worte eigentlich kein R oder CH enthalten, aber dennoch ständig eine entsprechende Reibung in der Stimme hörbar ist. Der Effekt ist, wie schon erwähnt, sehr geräuschhaft, wodurch nicht nur das Obertonspektrum mit harmoniefremden Frequenzen (=Rauschen) „verunreinigt“ wird, sondern auch die Verständlichkeit der Worte erschwert wird. Um diesen Effekt zu erzielen, ist eine dauernde Anspannung des Kehlkopfes erforderlich, 190 was diese Gesangstechnik anstrengend macht, sie aber mehr noch äußerst angestrengt klingen lässt (wohingegen klassische Gesangstechnik zwar ebenfalls anstrengend ist, aber danach strebt diese Anstrengung zu verstecken und am Ende nicht hörbar zu machen.). Ich möchte nun den Refrain etwas genauer untersuchen: Melodisch lässt sich der Refrain in kurze sequenzartige191 Abschnitte unterteilen, die jeweils aus einer Tonwiederholung mit anschließender absteigender Sekunde192 bestehen, aber auf unterschiedlichen Tonhöhen beginnen. Jede zweite Sequenz beginnt dabei auf dem Spitzenton b: „it's less dangerous“, „entertain us“, „and contagious“, „entertain us“, „An albino“ und „My libido“. Diese wechseln sich mit tieferen Passagen, entweder zwischen as und f („with the lights out“) oder etwas tiefer zwischen f und es („Here we are now“), ab. Während Cobain in der Strophe und vor allem in der der Strophe folgenden Überleitung („Hello, Hello, ...“) noch größtenteils recht entspannt und ruhig in eher tiefer Lage singt,193 springt er im Refrain in ein relativ hohes Register, zwischen es und b,194 wobei er zugleich die Lautstärke erhöht. 189Wie in „ach“. 190Vgl. Kienast (2002), S.22: „Strenggenommen handelt es sich bei der rauen Anregung nicht um einen eigenen Phonationsmodus, sondern um eine Modifikationsweise der übrigen Phonationsarten. Charakteristisch ist eine überstarke Anspannung aller im Kehlkopf wirkenden Muskeln, was zu einem unperiodischen Anregungssignal führt, das starken Mikroperturbationen hinsichtlich Amplitude und Frequenz unterworfen ist.“ 191Mit Sequenz werden in der Musikanalyse aufeinanderfolgende kurze melodische Abschnitte bezeichnet, die sich sehr ähneln. Oft sind es genau Wiederholungen auf unterschiedlichen Tonhöhen. 192Es sind bei den Passagen, die auf as beginnen („with the ligths out“ und „I feel stupid“), zwei absteigende Sekunden, dadurch wird aber der sequenzartige Eindruck nicht gemindert. 193Der Ambitus reicht von G bis f. 194Kontrastiert wird die Vehemenz des hohen Registers bei „Here we are now“ sowie bei „A mosquito“ mit einer anderen Stimmeinstellung, die eine Quarte tiefer (zwischen f und es) liegt als der übrige Refrain. Dabei wird die starke Anspannung kurz aufgelöst (entspanntere Stimmlippen sowie weniger Luftdruck), wodurch die jeweils nachfolgenden Passagen durch den Sprung nach oben und die plötzlich wieder einsetzende Spannung besonders betont werden. 58 In den tiefsten Passagen des Refrains (zu „Here we are now“ und „A mosquito“) ist dabei ein gewisses Flackern oder Flattern in der Stimme hörbar, vor allem beim R von „here“ und „are“, das ein wenig an Heiserkeit erinnert. Dieses Geräusch entsteht dabei ganz offensichtlich im Rachen und hat damit klar im Innern des Körpers des Sängers[sic] seinen Ursprung. Die hohen Abschnitte des Refrains wirken dabei besonders rau, angestrengt und regelrecht schmerzhaft. Grund dafür ist wahrscheinlich, dass Cobain hier in einer Vollschwingung bleibt und somit seine Bruststimme in einer Tonhöhe einsetzt, in der diese eigentlich nicht mehr möglich ist, bzw. als stimmschädigend gilt und von Bernd Göpfert sogar als „gewaltsam“ benannt wird.195 Aber auch der hohe Luftdruck, mit dem dieser schreiende laute Klang im Refrain erzeugt wird, kann für diesen schmerzhaften Eindruck verantwortlich sein, da auch dieser mit Stimmschädigungen in Beziehung gesetzt wird.196 Cobain scheint hier also mit vollem Körpereinsatz für seine Mitteilung und gegen die zugleich intensivierte Lautstärke der Band zu kämpfen. Er scheint sich dabei regelrecht selbst zu verletzen. Ein ähnlicher Eindruck entsteht auch bei hohen Tönen in der Strophe, beispielsweise bei „bring“, „over bored“, „I“, „little“, obwohl diese etwas tiefer sind als die Spitzentöne im Refrain. Auffällig ist beim Stimmeinsatz in der Strophe außerdem das kurze Abgleiten der Stimme in die Kopfstimme, jeweils kurz vor Ende der ersten beiden Strophen bei „Oh no“197 und „And al-“. Dies erinnert regelrecht an ein Aufheulen und erscheint unkontrolliert, wie ein Ausrutschen der Stimme, obwohl der Einsatz dieses Effekts jeweils an derselben Stelle der Strophe nahelegt, dass dieser Stimmeffekt bewusst eingesetzt wird. Zwar ist die Gesangstechnik in diesem Song damit noch nicht erschöpfend behandelt, aber die bisher herausgestellten Details reichen aus, um daran einige Funktionsweisen dessen zu erläutern, was ich als „echte“ Stimme bezeichnen möchte. Ich denke, es lässt sich nachvollziehen, dass der Körper Kurt Cobains in seinem Gesang deutlich hörbar ist und dass die innerkörperlichen Erzeugungsorte der Stimme im Klang präsent sind. Die Frage, 195Vgl. Göpfert (2002), S.140f: „Das isolierte Höherziehen des Brustregisters stellt einen gewaltsamen stimmschädigenden Akt dar (Forcieren)“. 196Buchholz, S.7-8:„Ist der Luftdruck und damit die Luftmenge zu groß, arbeitet der SchildRingknorpelmuskel nicht. Damit „flattern“ die ungespannten Schleimhäute wie Fahnen im Sturm. Sie können sich zunächst wund reiben, was zu Heiserkeit und Hustenreiz führt, da die Sekretproduktion der Schleimdrüsen der Schleimhaut zunimmt. Bei dauernder und stärkerer Beanspruchung können die Schleimhäute reißen und über die Vernarbung der Risse sogenannte Polypen bilden. Das führt dann zu einer chronischen Heiserkeit, weil die Stimmritze nicht mehr richtig schließen kann.“ 197Oder „and all“. 59 der ich hier nachgehen möchte, ist nun, was für ein Körper uns hier klanglich präsentiert wird und in welcher Beziehung er zum Inhalt des Songs sowie zum Sänger[sic] als Subjekt dieser Kommunikation steht. Ich möchte nun zuerst den Inhalt des Songs lokalisieren. Ein solcher lässt sich kaum im Text verorten, da dieser im Klang fast nicht verständlich ist. Stattdessen denke ich, dass ein Inhalt vor allem im Klang der Stimme zu finden ist: Der Inhalt des Songs entsteht gewissermaßen performativ durch die Vehemenz der Artikulation; er entsteht dadurch, dass wir glauben, dass Kurt Cobain etwas, und zwar auch etwas wichtiges, mitzuteilen haben muss, wenn er sich in dieser Weise körperlich dafür anstrengt. Dieser Inhalt entsteht dabei performativ durch den zitierenden Rückgriff auf emotionale Sprechweisen, durch die hörbare körperliche und emotionale Involviertheit. 198 Die Unverständlichkeit des Textes unterstützt dabei die somatische, also körperlich-emotionale Komponente, da sie einerseits hohe emotionale Erregung suggeriert und andererseits nicht vom Klang der Stimme ablenkt. Schließlich ist gerade die Rauheit der Stimme, d.h. der Rachenklang und das heisere Flackern in der Stimme, klangliches Moment, das deutlich hörbar vor allem aus dem Innern des Körpers des Sängers[sic] stammt. Dieser Inhalt steckt also nicht im Text, er ist keine Mitteilung im semantischen Sinne, sondern eine Mitteilung des körperlichen Zustandes, eine somatische Mitteilung. Kurt Cobain teilt uns somit auch nicht wirklich etwas über die Welt mit, sondern etwas über seinen Körper.199 Cobain drückt damit nicht etwas aus, das außerhalb seiner selbst liegt; die somatische Mitteilung ist im Gegensatz zum traditionellen Kommunikationsmodell kein Etwas, kein Drittes, kein Zeichen. Sie ist im Körper, sie ist der Körper. Auf diesen Körper wird in dieser Kommunikation nicht verwiesen, der Körper selbst wird in der klanglichen Materialität mitgeteilt. Voraussetzung hierfür ist allerdings die Annahme einer Gleichzeitigkeit von Empfindung und Mitteilung derselben. Das singende Subjekt drückt also nicht etwas aus, was es zuvor empfunden hat, was somit bereits vergangen ist und zu dem eine Distanz besteht, sondern es transportiert unmittelbar nach draußen, was es gerade im Moment des Singens fühlt. Dabei kann ich aber selbstverständlich keine Aussagen darüber treffen, was wirklich in Cobains Körper passiert. Ich meine damit eher eine Annahme, die allerdings für das 198Vgl. Paeschke (2003), S.242-243. 199Unabhängig davon kann es einen Inhalt im Text, einen verbalen Inhalt, geben und dieser wird im Normalfall mit der somatischen Mitteilung in Beziehung stehen. Außerdem ist es möglich, Cobains somatische Präsentation auf einen persönlichen oder gesellschaftlichen Kontext zu projizieren, so dass sie scheinbar eine Aussage enthält, die über seinen Körper hinaus geht und Allgemeinheit erhält, indem Nirvana beispielsweise als Ausdruck einer ganzen Generation interpretiert wird. 60 Funktionieren dieser somatischen Kommunikation notwendig erscheint, da die Aufführung sonst nicht mehr das Kriterium der Wahrheit erfüllen würde. Mit diesem distanzlos präsentierten körperlichen Gefühl der somatischen Mitteilung kann sich das Publikum, wie mit dem idealisierten Spiegelbild identifizieren, indem es empathisch nachempfindet, was in der Stimme transportiert wird. Diese Identifikation200 verstehe ich als eine distanzlose Erfahrung, in dem Sinne, dass vor allem die von mir erwähnten besonders körperlich erscheinenden Details des Gesangs für die hörenden Subjekte zu kurzen Momenten einer beide Körper vereinigenden Erfahrung führen. Die in der Stimme transportierten somatischen Informationen können dabei im eigenen Körper nachempfunden werden und die gehörte Stimme kann damit nicht mehr klar vom eigenen Körper getrennt werden. Der Körper des Sängers[sic] und der des_der Hörenden fallen für einen Moment in eins. Der Körper des Sängers[sic] ist dabei ein Produkt der Stimme, denn wir erhalten nur über den Klang einen Eindruck von ihm. Allerdings entsteht eben nicht der Eindruck eines von außen betrachtbaren Körpers, sondern eines von innen nachempfindbaren Leibs, im Sinne Gabriele Kleins, zu dem die somatische Mitteilung keine Distanz zulässt. Dabei lässt sich der gesamte Prozess als komplexe performative Produktion eines körperlichen Subjekts im Sinne Butlers verstehen. So gesehen entsteht Cobain als Subjekt erst durch die emotionale Mitteilung seiner Stimme. Er entsteht als authentisches Subjekt durch die (scheinbare) Wahrheit seiner Mitteilung. Diese Wahrheit entsteht jedoch wiederum – da sie sich nicht objektiv an etwas messen lässt – durch die emotionale Involviertheit, die sich klanglich in den von mir erwähnten somatischen Informationen in der Stimme wiederfinden lässt. Ich möchte an dieser Stelle von einem somatischem Subjekt sprechen, einem Subjekt, das sich performativ als fühlendes und innerkörperliches und weniger als denkendes und sprechendes produziert – einem Subjekt, das notwendig in einem Körper verortet ist. Körper und Subjekt lassen sich dabei jedoch eigentlich kaum trennen: Einzig die Mitteilung als Handlung des Subjekts unterscheidet dieses von seinem Körper, so dass eine diskursive Trennung möglich ist, obwohl es keine eigentliche Distanz zwischen Körper und somatischem Subjekt gibt. Durch die Mitteilung überschreitet das Subjekt allerdings seinen Körper, es richtet sich nach außen auf das Publikum und wird eben dadurch Subjekt, dass es in, mit und gegenüber dieser äußeren Welt agiert. Im analysierten Song lässt sich diese Intention 200Vgl. auch S.45 dieser Arbeit. 61 klanglich vor allem an der Vehemenz, also der hörbaren Anspannung und der scheinbar selbstverletzenden Lautstärke, des Gesangs ablesen, der vor allem im Refrain regelrecht darum zu kämpfen scheint, beim Publikum Gehör zu finden. Insbesondere die dabei gegen den eigenen Körper gerichtete Kraft legt einen Willen nahe, die eigenen Empfindungen mithilfe der Stimme über den eigenen Körper hinauszutragen. Mit diesem Willen möchte ich nun auf einen letzten Aspekt eingehen, den ich im Zusammenhang dieses Stimmklangs und der spiegelnden Identifikation mit diesem für bedeutsam halte: Die intentionale Mitteilung suggeriert eine Handlungsfähigkeit des singenden Subjekts. Cobains Anstrengungen im Refrain wirken, wie schon erwähnt, kämpferisch, wobei das Ziel dieses Kampfes das erfolgreiche Transportieren der somatischen Mitteilung an das Publikum ist. Bloomfield formuliert dies wie folgt: „This (hyper)reality coexists today with the pursuit of the ever more soulful vocal, as if in a doomed attempt to crack open the reified commodity, by dint of the singer's passion to force something human across the gulf between exchange value and use value.“201 Diese Art des emotional-sängerischen Kampfes für die Vermittlung der somatischen Mitteilung erscheint dabei regelrecht heldenhaft, wobei die erfolgreiche Identifikation des Publikums mit der Stimme des Sängers[sic] damit zugleich eine Identifikation mit dem siegreichen Heros[sic] dieser Vermittlung bedeutet. Wie in Lacans Spiegelstadium erscheint damit das Spiegelbild idealer als das Selbst, verkörpert es doch gesellschaftliche Handlungsfähigkeit, und entschädigt den kurzen Selbstverlust positiv mit einem machtvollen Gefühl. Ich möchte nun zusammenfassen: Die „echte“ Stimme, von der ich hier spreche, ist nicht natürlich oder ursprünglich, sondern suggeriert Echtheit (daher auch die Anführungszeichen), indem sie scheinbar eine unmittelbare Verbindung zum somatischen Innern des Sängers[sic] herstellt. Diese „echte“ Stimme ist, wie deutlich geworden sein sollte, ein äußerst komplexes Konstrukt; sie existiert nur innerhalb einer ästhetischen Ideologie, die ihr einen durch Begriffe wie Authentizität und Echtheit strukturierten Rahmen gibt. In ihr verschwimmen Körper, Subjektivität und Mitteilung miteinander, wobei diese drei Terme auch als ständig ineinander umschlagende Momente der Stimme, als Quelle, Vermittler_in und Inhalt, erscheinen, die sich zwar diskursiv differenzieren, aber nicht grundsätzlich voneinander trennen lassen. Körper, Subjekt und Mitteilung sind Effekte des Stimmklangs. Ihr Entstehen im performativen Prozess ist am Ende von der erfolgreich suggerierten „Echtheit“ der 201Bloomfield (1993), S.13. 62 Stimme abhängig. Notwendig für die erfolgreiche Performanz dieser „echten“ Stimme ist dabei in meiner Deutung, dass der somatische Körper hörbar wird und über diesen die Wahrheit des ästhetischen Ausdrucks generiert und gewissermaßen „körperlich beglaubigt“ wird. Ich habe nun die These, dass diese Art der musikästhetischen Kommunikation in der Popmusik für die klangliche Herstellung von Männlichkeit verwendet wird. Als Beleg möchte ich nun zwei weitere von Sängern[sic] gesungene Songs betrachten, in denen ebenfalls eine „echte“ Stimme zu hören ist. Ich habe dazu bewusst zwei Beispiele ausgewählt, die wahrscheinlich nicht unbedingt sofort mit Echtheit verbunden werden. Da mein Fokus dabei ausschließlich die „echte“ Stimme sein soll, werde ich jeweils auf eine ausführliche Analyse der Songs verzichten und nur auf bestimmte, vor allem stimmliche, Details eingehen, die ich für die Produktion einer „echten“ Stimme als relevant erachte. Ich möchte damit zeigen, dass die „echte“ Stimme ein verbreitetes Phänomen ist und außerdem weitere Gesangstechniken darstellen, die den Eindruck eines direkten Zugangs zum Innenleben des Sängers[sic] unterstützen. 4.1.2 Robbie Williams: „Feel“ Zuerst möchte ich mich mit „Feel“ von Robbie Williams beschäftigen. In diesem Song ist die Stimme des Sängers größtenteils sehr zentral und nah im imaginären Klangraum platziert; die in der ersten Strophe eher leichte Stimme hat keine Schwierigkeiten sich gegen die sparsame Instrumentation (Klavier und sehr wenig Perkussion) durchzusetzen und scheint so leise zu singen, dass sie in einer imaginären Aufführungssituation ohne künstliche Verstärkung nur in einem sehr kleinen Kreis hörbar wäre. Es lässt sich hier leicht eine eher persönliche Szene assoziieren. Gerade bei den tieferen Tönen der Strophe, wie bei „gi-ven“, und bei den absteigenden Melismen,202 z.B. auf „Not sure I understa-a-and“, „my pla-ans“, ist dabei ein Vibrieren hörbar, das wie aus dem tiefsten Körperinnern zu kommen scheint. Die jeweils nach unten gleitenden Töne bekommen so eine deutlich hörbare körperliche Komponente und erzeugen eine extreme Nähe zum singenden Körper, dessen Vibration regelrecht spürbar wird. 202Ein Melisma bezeichnet eine Silbe, die über mehrere Gesangstöne hinweg ausgehalten wird. Der Gegenbegriff zu Melisma ist Syllabik, d.h. jeder Note ist genau eine Silbe zugeordnet. 63 Besonders markant an diesem Song erscheint mir der Refrain, der allerdings bei jedem neuen Auftreten klanglich deutlich von seinen vorherigen Versionen abweicht. Wie schon bei „Smells Like Teen Spirit“ wird auch hier im Refrain der Tonumfang der Strophe deutlich nach oben hin überschritten (bei: „feel real lo-“) und dabei die Lautstärke, genauer die Energie des Luftstroms, erhöht, so dass der Stimmklang bei „I just wanna feel“ an ein Rufen erinnert. Ich möchte nun vor allem den Klang des äußerst auffälligen Wortes „feel“ untersuchen. Mit einem f erklingt dieses Wort auf dem bis dahin höchsten Ton des Songs, der im nachfolgenden „real love“ noch kurz nach oben überschritten wird. Der Konsonant F, mit dem das Wort beginnt, entsteht als Geräusch an den Lippen, also sehr weit vorne im Sprechtrakt, er wird allerdings mit viel Luft und Spannung produziert, so dass die Kraft der Lungen ebenfalls hörbar ist. Dieses Lungenvolumen erschöpft sich jedoch scheinbar auf dem folgenden Vokal, so dass das das Wort abschließende L regelrecht aus dem Körper heraus gepresst zu werden scheint. Der Konsonant bildet sich dabei auch nicht mehr wirklich aus, sondern verbindet sich mit dem Geräusch des erschöpfenden Ausatmens; statt „feel“ erklingt also vielmehr etwas wie „fee-hl“. Wie in der schmerzhaft hochgezogenen Stimme in „Smells Like Teen Spirit“ wird dabei eine Anstrengung gegen den eigenen Körper unternommen; der Körper wird für die Mitteilung eingesetzt. Mitgeteilt wird dabei aber vor allem die Anspannung des Körpers, genauer des Atmungsapparates, die zur Erzeugung dieses Klangs notwendig ist. Ich möchte nun noch auf die äußerst auffällige an den zweiten Refrain anschließende Passage mit dem Text „And I need to feel Real love, And a life ever after“ (etwa ab 2:05 Minuten) eingehen, in der die Stimme deutlich den bereits bei Kurt Cobain analysierten rauen Rachenklang aufweist, so dass das L von „feel“ z.B. mehr wie ein R klingt und mit dem nach folgenden „real“ verschwimmt. Diese Passage ist dabei relativ hoch und erreicht mit b den absoluten Spitzenton des Songs, wobei die Stimme wie im Refrain in „Smells Like Teen Spirit“ ziemlich laut singt und regelrecht zu schreien scheint. Auch hier wirkt der singende Körper sehr angespannt und die Stimmgebung regelrecht schmerzhaft, auch wenn dieser Eindruck kürzer und weniger intensiv ist als bei Cobain. Der Eindruck entsteht auch hier wahrscheinlich durch das Hochziehen der Bruststimme. Auch Robbie Williams ist also hörbar körperlich involviert, um sich seinem Publikum mitzuteilen. Durch die Stimme erscheint sein Körper dabei von Innen erfahrbar; die Vibration der tiefen Basstöne, ebenso, wie die Anspannung der Atmung können nicht nur 64 gehört, sondern regelrecht gefühlt werden. Relevant hierfür scheint mir vor allem das regelmäßige akustische In-Erscheinung-Treten von Körperregionen, z.B. Rachen oder Brustraum, die unter der Haut liegen. 4.1.3 Michael Jackson: „Billie Jean“ Als weiteres Beispiel möchte ich mich außerdem mit „Billie Jean“ von Michael Jackson beschäftigen. Schon kurz bevor die erste Strophe beginnt, sind leise aber dennoch deutlich vernehmbar glucksende Stimmgeräusche hörbar. Diese klingen wie stimmhafte kurze Atemstöße und erinnern leicht an einen Schluckauf oder ein Schluchzen. Solche und ähnliche Geräusche produziert Jackson nach fast jedem Zeilenende; sie haben meist einen U-artigen stimmhaften und einen an ein G, KH, H oder CH203 erinnernden Geräuschanteil, haben keine genaue Tonhöhe und bilden fast immer einen sehr kurzen Impuls, der wahrscheinlich vom Zwerchfell ausgeht. Teilweise klingen sie aber auch eher wie ein entspannendes Ausatmen (z.B. nach „movie scene“). Diese lassen sich sowohl als Ausdruck von Trauer als auch von Anstrengung deuten; es sind in jedem Fall nonverbale Äußerungen, die vor allem somatische Informationen, wie Anspannung und Atmung, transportieren. Jacksons Gesang in der Strophe ist äußerst abwechslungsreich, spiegelt aber generell ein hohes Maß an Erregung wieder, was sich beispielsweise in der ersten Zeile an der hohen Stimmlage (vom cis'(!) absteigend) den relativ häufigen Betonungen und dem schnellen Sprechtempo ablesen lässt.204 So hat beispielsweise gleich die erste Zeile „She was more like a beauty queen from a movie scene“ 13 Silben und drei Betonungen in nur zwei Takten. Relevant ist für diesen Eindruck jedoch auch die hörbare Körperspannung, die notwendig ist, um für die relativ langen Phrasen ausreichend Luft zu haben. Auffällig ist in der Strophe auch ein häufiger schneller Wechsel zwischen einer fast heulenden und einer stark angespannten Aussprache, was besonders in der Zeile „She told me her name was Billie Jean, as she caused a scene“ deutlich wird. Bei „She told me her name“ rutscht die Stimme weiter ins Kopfregister, sie klingt relativ dünn und hoch. Dies lässt sich dabei besonders gut im Kontrast zum folgenden „was Billie Jean, as she caused a scene“ wahrnehmen, bei dem Jackson wieder das mittlere Stimmregister verwendet. Mit dem Aussprechen des Namens wechselt er außerdem in eine sehr angespannte 203Wie in „ach“. 204Vgl. Wendt (2007), S.226: Emotionen mit hoher Erregung [Siehe Paeschke (2003), S. 57 und 65] zeichnen sich durch hohes Sprechtempo aus. 65 Artikulation, die fast perkussiv klingt und in der die Konsonanten von einem Zwerchfellimpuls verstärkt werden. Dadurch scheint der Gesang ähnlich aus dem Körper herausgepresst zu werden, wie bei dem Wort „feel“ bei Robbie Williams. Vergleichbar betont klingt auch die sich regelmäßig wiederholende Zeile „Who will dance on the floor in the round“, wobei der Impuls besonders gut zu hören ist beim abschließende Zischlaut von „dance“. Während sich bis hierhin Anstrengung vor allem am Zwerchfell und in der Atmung zeigt, gibt es im weiteren Verlauf des Songs außerdem einige Passagen, die sich durch eine angestrengt hochgezogene Bruststimme auszeichnen. Insbesondere der mit „People always told me...“ beginnende Formteil, der eigentlich mit dem Tonraum von f bis a im Kontext dieses Songs eher tief ist, erscheint angestrengt hoch, da hier die schon aus den anderen Beispielen bekannte schreiend-schmerzhafte hochgezogene Bruststimme eingesetzt wird. Vor allem am Ende dieses Abschnitts, bei den Worten „the lie becomes the truth“ bzw. „She called me to her room“, ist dies sehr gut zu hören. Außerdem sind in diesem Abschnitt die K-Laute bei dem wiederholten „careful“ auffällig: Sie werden mit einem starken plosiven Impuls mit viel Luft gebildet, so dass sie regelrecht aus dem Körperinnern hervorzustoßen scheinen. Sie klingen sehr rau und wirken ebenfalls schmerzhaft. 4.1.4 Zusammenfassung: Die „echte“ Stimme als männliche Performanz In allen drei Songs wird der Körper des Sängers[sic] somatisch hörbar, d.h., dass sich die körperlichen Anspannungen und Anstrengungen im Klang abbilden. Sie können so nachempfunden werden, was zu einer spiegelhaften Identifikation mit dem Körperzustand des Sängers[sic] und seinen Gefühlen führt oder zumindest führen kann. Diesen emotional-somatischen Körperzustand halte ich dabei für eine zentrale Mitteilung der Songs, deren Wahrheit und Echtheit vom Sänger[sic] jeweils durch extreme teilweise schmerzhaft erscheinende Anstrengung körperlich bezeugt wird. In Bezug auf eine Männlichkeit produzierende Performanz in diesen Songs fallen dabei die mit Männlichkeit assoziierten Attribute, wie die in der stimmlichen Anstrengung enthaltene Kraft oder der heldenhafte Kampf um die Mitteilung, auf. Im Vordergrund stehen für mich allerdings außerdem die in der Stimme transportierte Einheit von Körper 66 und Subjekt und die mitteilende Aktion, in der sich die somatische Selbstwahrnehmung direkt als Mitteilung sozial transzendiert. Die Emotionalität des männlichen Subjekts wird dabei im gesamten Prozess der Präsentation und Anerkennung dieser Musik nicht nur als mitteilungswürdig, also gesellschaftlich relevant, bestätigt, sondern auch mit dem Siegel der Wahrheit oder Echtheit geadelt. Auch wenn in diesem Prozess sich einzelne Sänger[sic] nicht erfolgreich als authentisch und echt präsentieren können oder ihnen von ablehnenden Hörer_innen diese Authentizität aberkannt wird, so ist die Präsentation einer „echten“ Stimme dennoch eine, die einen Anspruch auf Wahrheit erhebt. Der Sänger[sic] ist dabei nicht fragmentiert, sondern bildet eine Einheit, die nicht einmal von der sonst so üblichen Bias von Körper und Geist beeinträchtigt zu sein scheint. Als solche agiert er[sic] auch in der sozialen Welt; seine[sic] Handlungsfähigkeit basiert auf dieser Ganzheit, in der somatische Regungen quasi sofort zu sozialen Aktionen werden. Was er[sic] tut, ist ebenso wie, was er[sic] fühlt: richtig, wahr, echt und authentisch. So drückt sich noch in den „unmännlichsten“ Expressionen eines Popsängers[sic] 205 ein Anspruch auf die Welt aus, das heißt auf Anerkennung seiner[sic] Subjektivität, seiner[sic] Emotionalität und seiner[sic] Handlungen. Diese kann jedoch bereits als Ausdruck einer privilegierten gesellschaftlichen Position interpretiert werden, in der das Subjekt nicht in Frage steht, sondern sich ganz selbstverständlich als Wesentliches annehmen und setzen kann. Dabei liegt es nahe, sich an die von Simone de Beauvoir beschriebene „männliche Naivität“206 zu erinnern, also die Unfähigkeit oder den Unwillen die eigenen Privilegien, insbesondere die Selbstverständlichkeit männlicher Subjektivität und Zentralität, überhaupt wahrzunehmen. Eine solche Position wird, so meine These, in der analysierten Popmusik auf einer somatischen Ebene bestätigt und reproduziert. 205Shana Goldin-Perschbacher beschreibt Jeff Buckleys Stimme in einem Aufsatz mit dem Titel „«Not With You But of You» - «Unbearable Intimacy» and Jeff Buckleys Transgendered Vocality“ mit deutlichem Schwerpunkt auf dem hörbaren Körper: „the presence of tongue and mouth sounds (especially singing the words „touch my skin“) makes him appear very close (close to the microphone and thus to the listener) and reveals the source of the words and sounds emerging from his body. Using a vulnerable voice to remind the listeners of the excesses and unconrollability of the body is certainly an unusual way to evoke masculinity in popular music.“ Zwar vertritt die Autorin die Position, dass diese Gesangstechnik, eben weil sie verletzlich und tendenziell unkontrollierbar ist, eher unmännlich und sogar „transgendered“ ist, wie sie im Titel ihres Aufsatzes ankündigt, gerade die Verletzlichkeit und der drohende Kontrollverlust produziert jedoch meiner Meinung nach den Eindruck extremer körperlicher Involviertheit, der für die „echte“ Stimme so typisch ist. Weniger die Körperlichkeit als im Gegenteil die Loslösung der Stimme vom Körper, die in Teilen des Songs geschieht, erscheint mir eher Auslöser für die geschlechtliche Uneindeutigkeit zu sein, die Goldin-Perschbacher hier empfindet [Vgl. GoldinPerschbacher (2007) und der Song „Mojo Pin“, von Jeff Buckley]. 206Vgl. S.12 dieser Arbeit. 67 Die Mitteilung als Handlung sichert dabei den Subjektstatus des Sängers[sic], so dass weder er[sic] noch seine[sic] Stimme zum Objekt wird. Schließlich entsteht durch das empathische Nachempfinden der in der Stimme transportierten somatischen Empfindungen eine emotionale Gleichheit zwischen Sänger[sic] und Publikum. In der Identifikation mit dem Sänger[sic] wird dessen Position vom Publikum geteilt, wodurch er[sic] leicht in die Position einer emotionalen Identifikationsfigur für eine Gesellschaft, eine Generation, eine Subkultur o.ä. erhoben werden kann. Fast automatisch können „echte“ Stimmen so zur gesellschaftlich relevanten emotionalen Repräsentation des Eigenen und zum normierten kulturellen Selbstbild werden. Allerdings habe ich das Publikum bisher nicht differenziert: Bisher war meine These, dass alle Hörer_innen sich mit der Stimme identifizieren, nun möchte ich das Publikum nach Geschlecht aufschlüsseln. Hierfür möchte ich auf Butlers These der Einverleibung gleichgeschlechtlicher Körperlichkeit durch Verdrängung des Begehrens nach derselben zurückkommen.207 Norma Coates, die selbst zugibt, die Rolling Stones zu mögen, befragte einige Frauen weshalb sie deren Musik hören: „[S]ome respondents, when asked why they like the stones, reply «because they are sexy». In this case «they're» does not necessarily refer to the manly beauty of Mick, Keith or even Bill or Charlie. It refers to the sound of the Stones, the totality of the mix and the beat, the way the music hits the body and the hormones instantaneously. [..] This sound, perhaps some of the most definitional sound of ultimately undefinable rock, is coded as unmistakably phallic, and masculine.“208 Auch wenn dieses Zitat nicht direkt auf die Stimme eingeht, so wird hier eine Beziehung zwischen Musik und Körper aufgemacht, wobei beides als „sexy“ und „phallic“ erscheint. Die Identifikation mit der „echten“ Stimme, die zu einer kurzzeitigen Undifferenzierbarkeit von Eigenem und Anderem führt, kann dabei durchaus als ein erotisches Moment gedeutet werden, wobei sicherlich auch die starke Präsenz des Körpers in der Stimme eine Rolle spielt. Mit Bezug auf Lacan ließe sich hier außerdem auf die Verliebtheit verweisen, die er als eine Wirkung imaginärer Spiegelung betrachtet.209 207Vgl. S.15 dieser Arbeit. 208Coates (1997), S.50. 209Vgl. S.44 dieser Arbeit. 68 Somit lässt sich gegenüber der „echten“ Stimme durchaus auch ein Begehren 210 annehmen, das von Frauen innerhalb der heterosexuellen Matrix legitim verspürt werden kann, das jedoch für sich als heterosexuell verstehende Männer zu einer verstärkten Materialisierung des in der Musik vermittelten Körperbewusstseins als Schutz gegen ein Empfinden dieser homoerotischen Konnotation führen müsste.211 Es ließe sich damit erklären, dass die bisher in der „echten“ Stimme festgestellten Attribute, wie Ganzheit und Aktivität, sich – das normative Funktionieren der heterosexuellen Matrix und einen affirmativen Musikkonsum vorausgesetzt – verstärkt in männlichen Körpern materialisieren, für Frauen hingegen eher die auf einen Wunschpartner[sic] projizierten erotischen Idealbilder formt. Insbesondere der musikalische Ausdruck von Sexualität in der „echten“ Stimme könnte einen solchen Prozess der Materialisierung erotischer Körperbilder vorantreiben. Bemerkenswerterweise wird bei diesem Begehren jedoch der männliche Körper nicht zum Objekt. Notwendig ist nach wie vor die Kommunikation somatischer Innerlichkeit und damit die erfolgreiche Produktion des Sängers[sic] als somatisches Subjekt.212 All diese Effekte wirken dabei absolut natürlich, entspringen sie doch (scheinbar) dem physischen Körper und dem angeblich authentischen Gefühl des Sängers[sic]. Sie sind jedoch dennoch Resultat der stimmlichen Performanz des Sängers[sic] und der ästhetischen Ideologien der Popmusik (die hier als Intelligibilitätsrahmen funktionieren), in denen diese Performanz stattfindet. 4.2 Andere Stimmen In diesem Abschnitt möchte ich nun einige Songs von Sängerinnen analysieren, wobei ich mich ebenfalls der Beziehung zwischen Stimme und hörbarer Performanz von Körper und 210Es ist durchaus diskutierbar, ob hier der Lacansche Begriff des Begehrens angemessen ist, da die imaginäre Spiegelung der symbolischen Ordnung vorangeht, die das Begehren produziert. Einerseits verwendet Lacan diesen Begriff jedoch selbst zur Beschreibung seiner Verliebtheit [Vgl. Lacan (1990) S.182] andererseits lässt er sich rechtfertigen, wenn der illusorische Charakter der Spiegelung in Betracht gezogen wird, der nur für einen Moment etwas suggeriert, von dem jedoch auch im Spiegelmoment klar ist, dass es eine Täuschung darstellt. Damit entsteht auch in der Spiegeltäuschung keine wirkliche Anwesenheit sondern eigentlich die Erfahrung einer unüberwindbaren Abwesenheit. Der Spiegelmoment selbst könnte dabei als Objekt a verstanden werden, der ein Begehren erzeugt. 211Dies erklärt vielleicht auch einen Teil der Ängste, mit denen in den manchmal entsprechender Musik begegnet wird. 212Auch dies lässt sich mit Lacans Konzeption der Verliebtheit verstehen: Dieses Begehren geht vom spiegelhaften Moment der Identifikation aus und ist somit immer mit einem Verwechseln des anderen mit dem eigenen verbunden. Lacans Liebe erscheint als eine „Unterwanderung des Symbolischen“ [Lacan (1990), S.182] und führt zu einer Vermischung von imaginärem Ideal-Ich und symbolischem IchIdeal [S.183], so dass sich auch diese beiden Ebenen (imaginär und symbolisch) vermischen. Der_die Begehrte wird dabei nicht Objekt, sondern bleibt als idealisiertes Selbstbild ein Subjekt. 69 Subjekt zuwende. Dabei werde ich hier nicht, wie bei der „echten“ Stimme von einem ästhetischen Paradigma ausgehen. Stattdessen werden die einzelnen Songs den Ausgangspunkt bilden, um ihre jeweils eigenen Funktionsweisen zu entschlüsseln. Aus diesem Grund werden die Analysen im Folgenden auch umfangreicher, da ich die Songs nicht auf ein bereits bekanntes Muster hin untersuchen kann, sondern anhand des musikalischen Materials Thesen über die ästhetische Wirkungsweise entwickeln werde. Ich habe hierzu vier Songs ausgewählt, die ich für repräsentativ für verschiedene verbreitete Muster weiblicher Stimmpräsentationen in der Popmusik halte und die mir zudem geeignet erschienen an ihnen entsprechende Theorien und Methoden zu entwickeln. Ich beginne mit „Feel It“ von Kate Bush, wobei ich die bereits erwähnten Assoziationen und Positionen von Frith und McRobbie aufgreifen werde. 4.2.1 Kate Bush: „Feel It“ Ich möchte mit dem Song „Feel It“ von Kate Bush beginnen, der bereits von Frith und McRobbie in ihrem Aufsatz „Rock and Sexuality“ besprochen wurde. Wie ich bereits erklärt habe, ist die Analyse von Frith und McRobbie nicht sehr ausführlich und kommt sehr schnell zu dem Schluss, dass hier das Publikum in eine voyeuristische Position versetzt wird, ohne dass diese These meines Erachtens ausreichend am musikalischen Material belegt wird. Ich möchte nun in einer ausführlicheren Betrachtung dieses Songs und insbesondere des Einsatzes von Kate Bushs Stimme die Ansichten von Frith und McRobbie überprüfen und hinterfragen. Zunächst ein kurzer Überblick: Der Song folgt einer relativ einfachen Form, 213 das Tempo ist recht langsam,214 wobei das Metrum nicht stabil ist, sondern bisweilen langsamer und schneller wird und der eigentlich zugrunde liegende 4/4-Takt manchmal durchbrochen wird. Die Tonart schwankt ebenfalls (zwischen g-Moll im Refrain und d-Moll in der Strophe). Der Song ist nur mit Klavier und Gesang instrumentiert. Die Melodie ist ziemlich kompliziert, d.h. sie verwendet tonartfremde Töne, enthält teilweise große Sprünge und komplexe Rhythmen. Sie lässt sich keinesfalls einfach nach- oder mitsingen, und umfasst einen Tonumfang von fast zwei Oktaven von g bis f''. Frith und McRobbie beschreiben Bushs Stimme in ihrer kurzen Analyse als „the voice of a little girl“, ein Eindruck, der wohl vor allem auf Bushs Einsatz einer hohen Kopfstimme basiert. Dabei beziehen sich Frith und McRobbie vor allem auf die erste Strophe, die mit 213Etwa AABAB, wobei A die Strophen und B den Refrain bezeichnet. Siehe Anhang 214Etwa 75 bpm = „beats per minute“, d.h. die Anzahl von Viertelnotenschlägen pro Minute. 70 einem Tonumfang von d' bis f'' auch recht hoch ist. Da Kinderstimmen wegen der geringeren Körpergröße insgesamt höher sind als erwachsene Stimmen und außerdem aufgrund des proportional größeren Anteils des Kopfes an der gesamten Körpergröße die Resonanzräume im Kopf einen stärkeren Anteil am Klang haben als der Brustraum, 215 ist diese Assoziation nicht unbegründet und von der Sängerin wahrscheinlich auch intendiert. Ich halte diese Beschreibung aber dennoch nicht ganz für zutreffend, denn ich bezweifle, dass irgendjemand diese Stimme tatsächlich mit einer wirklichen Kinderstimme verwechseln würde. Unterschiede im Timbre zwischen Bushs Stimme und einer realen Kinderstimme lassen sich an einigen Stellen deutlich ausmachen, beispielsweise klingt die Stimme deutlich erwachsen bei „Feel it! See what you're doing to me“ am Ende des Refrains. Die Stimme in der ersten Strophe klingt im Vergleich verstellt, wie ich kurz an den ersten beiden Tönen darstellen möchte: Bush beginnt ihren Gesang relativ hoch auf dem d'' von dem aus sie sofort eine Oktave abwärts zum d' springt. Auf diesem zweiten Ton behält sie die gesangstechnische Einstellung des ersten Tons, also eher eine Kopfstimme oder hohe Mittelstimme, weitgehend bei, so dass es fast klingt, als würde bei diesem Ton bereits das untere Ende ihres Ambitus erreicht sein, obwohl sie am Ende des Refrains bei „see what you...“ noch deutlich tiefere Töne erreicht. Diese klingen jedoch auch auffällig anders, haben einen stärkeren Klang und erscheinen überhaupt nicht mehr kindlich. Eindeutig hörbar und alles andere als kindlich ist außerdem die Kontrolle, die Bush über ihre Stimme hat: Sie singt eine äußerst anspruchsvolle Melodie mit einem großem Tonumfang, einem komplexen Rhythmus und plötzlichen harmonisch-tonalen Modulationen (vor allem gut hörbar und sehr auffällig ist das des' über B-Dur bei „It would be wonderful“) und setzt deutliche Veränderungen in ihrem Stimmklang ein. Mit solchen Veränderungen des Klangs arbeitet Bush im Song sehr viel, so dass regelmäßig deutliche und äußerst auffällige Unterschiede im Stimmklang auftreten. Gut hören lässt sich dies auf dem lang gezogenen Wort „floor“ an dessen Ende, nach dem Melisma, die Formantstruktur vom O zum A verändert wird, so dass sich die Klangfarbe deutlich aufhellt. Auffällig sind aber auch die häufigen und äußerst starken Wechsel der 215Vgl. Mohr (2008), S. 5-7: „Das Größenverhältnis von Kopf und Rumpf ist beim Kind enormen Veränderungen unterworfen. Findet man beim Neugeborenen fast ein Verhältnis von 1:1, so wachsen im Verlauf der kindlichen Entwicklung der Rumpf und die Extremitäten erheblich mehr als der Kopf. Beim ausgewachsenen Menschen beträgt schließlich das Größenverhältnis zwischen Kopf und Rumpf etwa 1:5 bis 1:9. Die schwingungsbeeinflussenden Kopfräume sind also beim Kind dominant, die Räume des übrigen Körpers (vor allem der Brustraum) sind dementsprechend weniger klangprägend. Dies macht sich akustisch bemerkbar in der deutlich stärkeren Helligkeit der Kinderstimme. Die Stimmen von Kindern klingen «körperloser», «schwebender», «leichter» als die von Erwachsenen. “ 71 Klangfarbe im Refrain, in dem sie mindestens drei deutlich unterscheidbare Gesangseinstellungen einsetzt.216 Dieser Umgang mit dem Timbre ist dabei offenkundig ein bewusst eingesetztes musikalisches Stilmittel und die verschiedenen Klangfarben des Gesangs in diesem Song sind folglich Resultat eines intentionalen Einsatzes der Stimme. Dieser Einsatz der Timbres wirkt dabei ein wenig wie ein kreatives Spielen oder Experimentieren mit dem Klang der Worte, deren klangliche Möglichkeiten erkundet werden. Einerseits unterstützt dieses Spielen dabei die Assoziation von Kindlichkeit 217 und bildet einen Gegensatz zur kämpfenden Ernsthaftigkeit der „echten“ Stimme, andererseits wird die Aufmerksamkeit in dieser Gesangstechnik auf den Wortklang und sowohl vom Wortsinn als auch vom Körperklang weg gerichtet. Ich möchte diesen Gesangsstil dabei mit Bezug auf Kristeva als semiotisch bezeichnen. Damit meine ich einen Gesangsstil, in dem der Klang der Stimme zu einem kontrollierten vom Körper und vom semantischen Sinn getrenntem Objekt wird, zu einer Art Klanggestalt.218 Die von Bush verwendete „Kinderstimme“ ist dabei keine Täuschung, die überzeugend ein anderes Alter suggerieren würde, sondern eher mit einer Art Maske vergleichbar, an deren Künstlichkeit kein Zweifel besteht und die niemals mit etwas Echtem verwechselt werden würde. Diese künstliche Kinderstimme hat dabei zwei Wirkungen: Sie erzeugt einerseits Assoziationen, die eben mit Kindlichkeit verbunden werden, und produziert so eine Phantasiewelt, an deren irrealem Charakter aber dennoch kein Zweifel besteht. Andererseits verweist diese Maske auf etwas Verborgenes, das dahinter versteckt wird, denn hinter dem künstlichen Stimmklang steckt notwendig ein Subjekt, das diese Stimme kontrolliert und bewusst einsetzt, das sich aber nicht direkt zeigt. Auch diese zweite Ebene des maskenhaften Stimmklangs ist jedoch eigentlich phantastisch, da das verborgene Subjekt, das sich hier performativ produziert, nicht eindeutig fixierbar ist und so ebenfalls nur eine Projektionsfläche für unsere Phantasien bildet. 216Im Refrain arbeitet Bush mit mindestens drei deutlich von einander zu unterscheidenden Einstellungen, die ich hier in kursiv, fett und kursivfett markiere: Oh, feel it. Oh, oh feel it, feel it, my love. Oh, feel it. Oh, oh feel it, feel it, my love. Oh, I need it. Oh, oh, feel it, feel it, my love. Feel it! See what you're doing to me? See what you're doing to me? 217Er erinnert auch an den Prozess des Spracherwerbs, denn dem bedeutungsvollen Sprechen geht eine solche Phase des spielenden Erprobens der stimmlichen Möglichkeiten voran (Lallphase im ersten Lebensjahr) [Vgl. Bockmann (2006/07), S. 3]. 218Es mag vielleicht irritieren, dass ich den Begriff „semiotisch“ hier genau für dasjenige verwende, was nicht Zeichen ist. Ich möchte daher an Kristevas Übersetzung von «σημειον» mit unter anderem „Gestaltung“ erinnern [Vgl. S.35 dieser Arbeit], was einen recht guten Ansatzpunkt für meine Begriffsverwendung bildet . 72 Die verschiedenen Stimmeinstellungen, mit denen Kate Bush arbeitet, lassen sich dabei insgesamt als wechselnde Masken verstehen; die „kindliche“ Stimme, die vielleicht Unwissenheit, Zerbrechlichkeit oder Unvollständigkeit suggeriert, wird so kontrastiert mit dem weichen erwachsenen Stimmklang bei „Feel it! See what you're doing to me“, der einen tieferen Tonraum nutzt, dabei eine Brusttoneinstellung verwendet und relativ voll und obertonreich klingt. Dies ließe sich nach Shepherds Einteilung der Stimmregister mit emotionaler Fürsorge oder übertragen mit Mütterlichkeit assoziieren. Die häufigen und plötzlichen Wechsel im Stimmklang (wie beispielsweise „flo-ar“) schließlich lassen sich, insofern sie die Bedeutung und damit die Logik der Sprache in Frage stellen, sogar mit Wahnsinn in Verbindung bringen. Bush präsentiert somit verschiedene weibliche Klischees, die aber alle offenkundig nicht real sondern maskenhaft sind. Ein Kontrast zur „echten“ Stimme besteht außerdem darin, dass sich das Subjekt nicht mit seiner Emotionalität in der Stimme zeigt, sondern sich hinter offenkundig falschen und künstlichen Stimmklischees „versteckt“. Bemerkenswert ist neben dem Einsatz des Timbres aber auch die Melodie, die immer wieder stockt und unterbrochen wird: Schon nach dem ersten Wort „after“ schweigt Bush für über zwei Taktschläge, obwohl sowohl das Wort als auch die Melodie mit ihrem eröffnenden Oktavsprung eine Fortführung erwarten lassen. Solche auffälligen Pausen wiederholen sich im Song mehrfach (nach: „the party“, „Locking the door“, „My stockings fall“, „Nobody else“, „can share this“, …). Jeweils werden dabei durch den Text und die oft an solchen Stellen ansteigende Melodie Fortführungen angedeutet, die aber erst verzögert kommen. Damit wird selbst in Abwesenheit der Stimme der Fokus der hörenden Wahrnehmung auf dieselbe gerichtet und ein ständiges Warten erzeugt. Andererseits wird an Stellen, die vielleicht eine Pause nahelegen würden, wie insbesondere das Ende der ersten Strophe nach „Desperate for more“, nicht unterbrochen, sondern das nächste Wort („nobody“) direkt angeschlossen. Die komplexe Melodie scheint dabei mögliche Ruhepunkte regelrecht zu vermeiden,219 so dass sich über die gesamten ersten beiden Strophen ein langer Phrasierungsbogen spannt, der auch bei „wonderful“ am Ende der zweiten Strophe noch keinen wirklich überzeugenden Abschluss findet.220 219Insbesondere am Ende der Strophen weicht die Begleitung jeweils plötzlich aus: Am Ende der ersten Strophe nach B-Dur, am Ende der zweiten überraschend nach Es-Dur. Die Tonart bleibt dabei unbestimmt, es könnte sowohl d, als auch g-Moll sein. 220Obwohl hier eine melodische Kadenz erreicht wird, ist diese nach dem vorangegangenen überraschenden Anstieg bei „it would be“ und mit dem weiter treibenden Klavier nicht überzeugend. 73 Da sich damit die Melodie dem scheinbaren Naturgesetz der westlichen Tonalität, der Kadenz, nicht unterwirft und nicht naheliegenden sprachlichen Phrasierungen folgt, erzeugt sie auch auf dieser Ebene den Eindruck von Künstlichkeit. Der komplexe und extrem lange Spannungsbogen produziert des Weiteren eine Erwartungshaltung, die sich mit McClary wiederum als Begehren nach der verweigerten Kadenz bzw. nach einem melodischen Ruhepunkt verstehen lässt. Abwesenheiten produziert Bush außerdem auch auf der klanglichen Ebene, indem sie in ihrer künstlichen Kinderstimme beispielsweise die Bruststimme und damit die tieferen Frequenzen ihres Timbres ausspart. Auch generell lässt sich die offenkundig verstellte maskenhafte Stimme als Abwesenheit der „echten“ Stimme interpretieren, die damit ein Begehren weckt. Das ästhetische Paradigma der „echten“ Stimme tritt somit nicht wirklich außer Kraft, sondern wirkt im Konsum dieser Musik weiter, indem in diesem Song eine „echte“ Stimme und damit das Subjekt zu fixieren versucht wird. In Bezug zu Lacans Psychoanalyse lässt sich hierbei Bushs Stimme insgesamt als Objekt a verstehen, das ein Begehren ködert und produziert und in seiner offenkundig maskierten Form auf eine Abwesenheit verweist. Bushs Gesangstechnik legt dabei für mich nahe, dass sie mit einem solchen suchenden Hörverhalten rechnet und es gezielt anregt. Bush scheint solche begehrenden Erwartungen in ihrem Gesang beispielsweise zu verstärken, indem sie in der Passage „Locking the door, my stockings fall, Onto the floor“ nach und nach, aber immer nur sehr kurz, einen volleren Stimmklang zulässt. Der steigende Brusttonanteil in den O-Vokalen in „stockings“, „fall“ und „onto“ erreicht auf dem Melisma von „floor“ einen kurzen «Höhepunkt»221, wobei aber die bereits mehrfach erwähnte Vokalveränderung vom O zum A – und dann noch mehr beim folgenden noch höheren und sich ebenfalls vom O zum A verändernden „mo(-a-)re“ – wieder in die Kinderstimmenmaske zurückführt. Ich habe dabei den Eindruck, dass Bush hier regelrecht kurze verheißungsvolle akustische „Einblicke“ in ihren volleren Bruststimmklang ermöglicht, ohne dass dabei jedoch ein wirklich klarer klanglicher Eindruck entstehen kann. So komme ich nebenbei zu einer Erklärung für Frith und McRobbies auf Voyeurismus hinweisende Interpretation des Songs: Eben dieses in die Sängerin Hineinhorchen und das kurze Aufschimmern einer versteckten „echten“ Stimme weist starke Gemeinsamkeiten zum aufdringlichen ins Private eindringenden voyeuristischen Blick und dem damit verbundenen Wunsch nach Insgesamt ließe sich eigentlich nur die wiederholte Zeile am Ende des Refrains als plausibler Ruhepunkt werten. 221Gemeint ist hier eine Art „O“-Maximum. 74 Enthüllung auf. Die sexuelle Konnotation, die Frith und McRobbie hier hören, lässt sich damit auch auf der klanglichen Ebene fassen. Allerdings ist Kate Bush dabei kein passives Opfer, da die Sängerin mit ihrem bewussten Einsatz von Gesangstechniken genau diese Situation erschafft. Während Frith und McRobbie zu dem Schluss kommen „Kate Bush's aesthetic intentions are denied by the musical conventions she uses“,222 habe ich eher das Gefühl, dass sie uns in der voyeuristischen Position ertappt, deren musikalische Konventionen sie absichtlich verwendet. Sie ist nicht das passive Objekt eines Blicks, sondern strukturiert aktiv die Blickrichtung. Sie ist eigentlich vollkommen unerreichbar, lockt aber unser Interesse mit der ständigen Andeutung einer Enthüllung, die jedoch nicht stattfindet. Das Zitat von McRobbie und Frith deutet jedoch noch etwas anderes an: Sie unterstellen eine Intention, die sie im Aufbau ihrer kurzen Betrachtung des Songs im Songtext verorten. Dabei stellen sie ganz richtig eine Diskrepanz zwischen dem sprachlichen Inhalt, den die beiden Autor_innen ganz treffend als das Feiern sexueller Lust („a celebration of sexual pleasure“)223 beschreiben, und der musikalischen Darstellung fest. Zwar ist es bereits schwierig, dass die beiden Autor_innen die Intention des Songs unhinterfragt auf der sprachlichen und nicht der musikalischen Ebene suchen, ich finde jedoch schon den Versuch, hier überhaupt eine Intention der Sängerin zu fixieren, bemerkenswert, denn hinter diesem Versuch verbirgt sich die Annahme einer Ausdrucksästhetik, die von einer einzigen eindeutigen Wahrheit des Songs ausgeht und somit die Ideale einer „echten“ Stimme anwendet, in der Intention und Emotion in eins fallen. Was in diesem Song jedoch meines Erachtens nach passiert, ist eben die Produktion von Widersprüchen und Uneindeutigkeiten, die die Projektion von Phantasien ermöglichen, aber keine Aussage über die „wirkliche“ Intention der Sängerin zulassen. Meine persönliche Interpretation des Songs ist dabei, dass Kate Bush nicht einfach nur affirmativ eine sexualisierte Pose reproduziert, sondern dem Publikum kritisch sein voyeuristisches Interesse spiegelt. Für diese Interpretation spricht dabei vor allem das Unbehagen, das in dem Song durch die uneindeutige Molltonalität, das unregelmäßige und damit sehr verunsichernde Metrum, die wie immer wieder in ihrer Linie abgebrochen klingende Klavierbegleitung und nicht zuletzt die Ambivalenz der Stimme erzeugt wird, und dabei einen beachtlichen Widerstand gegen eine entspannt affirmative Hörweise 222Frith/McRobbie (1996), S.386. 223Ebd. 75 aufbaut. Vor allem die letzte Zeile „See, what you do to me“, erscheint mir hierbei wie eine Aufforderung zu sehen, was wir selbst zu diesem Song beitragen und wie, also mit welchem Interesse, wir die Stimme hören. Ich höre also in diesem Song übertragen auch eine (feministische) Kritik an einer gesellschaftlichen Situation, in der Frauen generell als Projektionsflächen für eigene Wünsche dienen. Allerdings halte ich diese Interpretation nur für eine Möglichkeit, die wahrscheinlich sehr viel über meine persönlichen Wünsche aussagt, die ich selbst auf den Song projiziere. Der Song ist jedoch grundästzlich uneindeutig, und zwar nicht nur auf der Ebene, auf der musikalische Äußerungen grundsätzlich nicht über sprachlich-semantische Eindeutigkeit verfügen. Vielmehr haben die Widersprüchlichkeiten von beispielsweise Text und Musik, dem schwankenden Tempo, der tonalen Ambiguität oder der verschiedenen eingesetzten Stimmklänge eine negierende Wirkung, die sämtliche scheinbaren emotionalen und sprachlichen Mitteilungen des Songs mit einer ironischen Note – mit der impliziten Frage „Meint sie das wirklich so?“ oder mehr noch „Was meint sie wirklich?“ – versieht. Kate Bush produziert musikalisch wie inhaltlich Ambivalenzen und Widersprüche und spielt dabei mit unseren Erwartungen und Wünschen. Offensichtlich wollen wir sie fixieren und suchen nach einer Eindeutigkeit – in der Stimme, der Aussage oder den musikalischen Parametern (Tonalität und Tempo) – welche Bush jedoch immer wieder verweigert. Während die „echte“ Stimme danach strebt, eine eindeutige emotionale Wirklichkeit und Wahrheit zu produzieren, zu der das Publikum einen unmittelbar erscheinenden Zugang finden kann, wird von Kate Bush ein solcher Zugang verhindert. Die Annahme, dass es dennoch eine zwar verborgene aber wirkliche Intention geben müsse, produziert dabei nicht nur diese abwesende „Wirklichkeit“ sondern auch den Wunsch, diese zu entdecken und zu enthüllen. Wir erfahren jedoch im Song nichts unmittelbar über Kate Bushs „echte“ Gefühle oder Intentionen. Bestenfalls ist es möglich, hier eine verweisende Beziehung zwischen der musikalischen Darstellung und den Gefühlen der Sängerin anzunehmen, d.h., dass die maskenhaften Verstellungen der Stimme zu einem bestimmen Zweck, beispielsweise Verführung oder aber Kritik, eingesetzt werden, woraus dann ein bestimmtes Gefühl, wie sexuelles Begehren seitens der Sängerin oder Wut auf die kritisierte Situation, geschlossen werden kann. Diese Kette von Verweisen ist jedoch, wie ich denke gezeigt zu haben, alles andere als eindeutig, denn meine Interpretation, dass es sich hier um ein kritisches Bewusst-Machen gesellschaftlicher Projektionen sexueller Wünsche auf Frauen handelt, 76 geht mit ganz anderen Annahmen über die Intentionen und Gefühle von Kate Bush einher als die Idee, sie würde aufgrund eigenen Begehrens verführen wollen. Auch erzeugen solche Verweise eine Distanz, die mit der Funktionsweise der „echten“ Stimme nicht zu vereinbaren ist, denn das Subjekt und seine Emotionen sind nur vermittelt zugänglich: Wir hören nicht scheinbar unmittelbar die Gefühle eines Subjekts, sondern schließen aufgrund einer verstellten Stimme auf ein Subjekt, das diese Stimme intentional einsetzt. Da diese angebliche „Wirklichkeit“ von Kate Bushs Subjektivität somit aber nicht zugänglich ist, können wir diesen Ort selbst mit unserer Phantasie füllen, wozu uns die verschiedenen maskenhaften oder scheinbar natürlichen Einstellungen der Stimme eine Auswahl an Ansatzpunkten bieten. Was sie fühlt, was sie uns mitteilen möchte und wer sie ist, bleibt letztlich unserer Phantasie überlassen. Der bewusst intentionale Einsatz der Stimme führt jedoch zu einem weiteren entscheidenden Unterschied zur „echten“ Stimme, den ich hier abschließend ausführen möchte: die Trennung von Stimme und Subjekt. Indem das Subjekt die Stimme bewusst, kontrolliert und intentional einsetzt, ist die Stimme im Bezug zum Subjekt ein funktionales Objekt, wohingegen im ästhetischen Paradigma der „echten“ Stimme Subjekt Mitteilung und Stimme eine Einheit ohne funktionale Beziehungen bilden. Während in der „echten“ Stimme das Subjekt mit dem Körper verbunden ist, entsteht mit dem funktionalen Einsatz der Stimme eine Distanz zum Subjekt, das sich nun nicht mehr in der Stimme zeigt, sondern hinter der Stimme versteckt. Dies hat Auswirkungen auf den Ort dieses Subjekts, das sich nun eben nicht im körperlichen Stimmklang offenbart. Da der bewusste Einsatz der Stimme auch eine entsprechende bewusste Kontrolle des diesen Stimmklang erzeugenden Körpers beinhaltet, lässt sich diese Distanz zwischen Subjekt und Stimme auch auf die Beziehung zwischen Körper und Subjekt übertragen. Das Subjekt der „echten“ Stimme zeigt sich in einer körperlichen Stimme, die scheinbar ungefiltert die Gefühle mitteilt, und bewohnt damit den eigenen Körper; die funktionale Beziehung zur Stimme verschiebt das Subjekt an einen anderen Ort. Das Subjekt ist also niemals wirklich da, es ist in der Stimme nicht anwesend, sondern an einem transzendenten Ort, der nicht greifbar ist und in Form von körperlicher Ausdehnung eigentlich auch nicht existiert. Kate Bush ist also so gesehen nicht ihr Körper, sondern besitzt ihren Körper, sie kontrolliert ihn und setzt ihn ein. Auch der Körper wird dabei, wie ihre Stimme zu einem Objekt. 77 Das Subjekt erhält so jedoch ebenfalls eine problematische Position: Es wird performativ hergestellt, indem es sich hinter der Stimmmaske versteckt. Während dem sich in der „echten“ Stimme offenbarenden körperlichen Subjekt mit empathischem Interesse, also dem Wunsch zu verstehen und die Gefühle nachzuempfinden, begegnet wird, ist das Interesse an diesem versteckten Subjekt auf Enthüllung gerichte. Dieses enthüllende Interesse will das versteckte Subjekt aber eigentlich nicht primär verstehen, sondern entdecken. Paradoxer Weise wird das Subjekt dabei zugleich anerkannt und negiert, denn zur Entfaltung dieser Dynamik ist zuerst die Annahme der Existenz notwendig. Wenn sich das Interesse jedoch nicht auf das Verstehen des Subjekts richtet, so wird es in der Kommunikation eigentlich nicht als solches anerkannt. Die vielfache und widersprüchliche Stimme Kate Bushs macht es also unter Umständen unmöglich etwas mitzuteilen, da weder den Worten noch dem Stimmklang geglaubt wird, sondern etwas „Echtes“ angenommen und gesucht wird, das sowohl darin als auch außerhalb zu sein scheint. Dieses „Echte“ ist jedoch das performativ produzierte Subjekt oder die Innerlichkeit der Sängerin. In dem auf Enthüllung gerichteten Interesse an dieser Subjektivität wird jedoch letztlich auch das Subjekt und nicht nur sein Körper potenziell zum (begehrten) Objekt. 4.2.2 Kylie Minogue: „Can't Get You Out of My Head“ Ich möchte nun übergangslos ein anderes Musikbeispiel betrachten: Kylie Minogues Erfolgshit „Can't Get You Out of My Head“. Es lassen sich in diesem Song vier verschiedene Formteile differenzieren, die jeweils mit eigenen Stimmklängen einhergehen und die ich hier kurz in der Reihenfolge ihres Auftretens darstellen möchte: Nach einem kurzen Intro beginnt nicht nur eine, sondern gleich mehrere Frauenstimmen beginnen mit „Lalala...“, wobei dieser imaginäre Chor durch die mehrfache Überlagerung von Minogues Stimme entsteht. Einige hohe und sehr dünne Stimmen vermischen sich mit tieferen, von denen allerdings keine einen sonoren Brustklang nutzt; allein schon diese Fülle der Stimmen erzeugt dabei einen relativ weichen Gesamtklang, da rhythmische Schärfen verloren gehen und verschwimmen, sowie harmonische Obertöne verstärkt werden. Vor allem aber wirken diese Stimmen phantastisch, da ein solcher vervielfachter und wieder mit sich selbst vermischter Stimmklang nur künstlich erzeugt werden kann und nicht „natürlich“ klingt. 78 Die Melodie ist dabei recht einfach und besteht größtenteils aus rhythmischen Wiederholungen224, wobei ein klarer, gut tanzbarer Rhythmus 225 entsteht. Der Einsatz von Kopfstimmen, die Tonhöhe mit dem geringen Ambitus und der nicht sprachliche Text legen dabei auch hier die Assoziation von maskenhaften Kinderstimmen226 nahe, wobei der Rhythmus der Melodie mit den nicht ganz so anspruchslosen Offbeats dieser Assoziation widerspricht. Es folgt der Einsatz des Refrains mit einer einzigen zentralen Stimme und dem Text „I just can't get you out of my head...“ in einem mechanisch klingenden Rhythmus, der das Viertelmetrum deutlich betont. Die Stimme klingt dabei leicht gepresst und knarrend, was sich u.a. an dem deutlich hörbaren Knarrgeräusch festmachen lässt, welches regelmäßig bei „I“ z.B. bei „I just can't...“ auftritt. Die Knarrstimme wird hier nicht rein eingesetzt, sondern der Stimme als Klangfarbe beigemischt; außerdem scheint die Klangbearbeitung die Knarrgeräusche so zu verstärken, so dass sie sich klanglich an das perkussive ClapGeräusch auf der zweiten und vierten Zählzeit annähern. Dieser Einsatz der Knarrstimme klingt einerseits verschlossen, durch die verschließende Anspannung der Stimmlippen, 227 presst aber andererseits immer noch Luft und Klang durch diesen selbst aufgebauten Widerstand. Als knarrender Widerstand werden damit die Stimmlippen körperlich hörbar.228 Auch hier ließe sich ein voyeuristisches Interesse annehmen, das durch das gleichzeitige Verschließen und Öffnen der Stimmlippen hervorgerufen wird, so dass hier gewissermaßen die Stimmlippen als eine Homologie zum Zugang zum Inneren der Sängerin erscheinen können. Es liegt außerdem eine klangliche Nähe zum Stöhnen vor. Insgesamt erscheint mir dieser Stimmklang dabei stark sexuell konnotiert, die Melodie mit ihrem klarem Rhythmus bleibt jedoch relativ mechanisch, was eher Distanz erzeugt, die sich aber wiederum auch als Begehren erzeugende Abwesenheit interpretieren ließe. 224Auf den Tönen f' und e'. 225 Etwa:│♩♩♩.♪│7 ♩♪♩♩│♩♩♩.♪│7 ♩♪♩♩│ Gute Tanzbarkeit zeigt sich in diesem Song auch in der klaren viertaktigen Gliederung. 226Auch hier meine ich eine erkennbar maskenhafte Kindlichkeit. 227Zur Knarrstimme siehe S.49 dieser Arbeit. Diese Stimmgebung wird in der Popmusik relativ häufig eingesetzt und ist beispielsweise der typische Stimmklang von Britney Spears [Vgl. Spears: „...Baby One More Time“]. 228Die Stimmlippen sind in jedem stimmhaften Klang hörbar, aber für gewöhnlich ist der Klang der Stimmlippen so selbstverständlich, dass er kaum als solcher in Erscheinung tritt. Durch das Knarren, also gewissermaßen durch diese bewusst eingesetzte „Fehlfunktion“ werden die Stimmlippen jedoch als eigener Körperteil hörbar. 79 Nach einer fast unveränderten Wiederholung dieser beiden Abschnitte 229 folgt erneut ein mehrstimmiger Abschnitt mit dem Text „Every night, Every day, Just to be there in your arms.“. Der hier eingesetzte Stimmklang ist mit dem bei „Lalala...“ vergleichbar: Mehrere Stimmen vermischen sich zu einem gemeinsamen Klang, der vor allem im Kontrast zum direkt vorhergehenden knarrenden Refrain sehr weich und harmonisch klingt. Dabei ist der Rhythmus der Melodie deutlich langsamer als in den vorangegangenen Abschnitten, in denen der Viertelnotenpuls des Metrums durch den Gesang unterstützt wurde. Der vergleichsweise kurze Text (13 Silben) verteilt sich auf insgesamt sieben Takte,230 wobei deutliche Längen vor allem in der ersten Hälfte auftreten: „E-v'ry nigh-t, E-very da-y“. Auch hier wird durch die Längen der Effekt eines gespannten Wartens bei gleichzeitiger Fokussierung auf die Stimme erzeugt. Ein solcher Fokus wird auch dadurch unterstützt, dass die Stimmen in der zweiten Hälfte dieses Abschnitts, bei „Just to be there...“ sehr nahe erscheinen; insbesondere unter Kopfhörern entsteht dabei der Eindruck, als würden die Stimmen auf beiden Seiten der_m Hörenden direkt ins Ohr flüstern. Vor allem an dem direkt an den Lippen erzeugten auffällig zischenden S-Laut in „just“ lässt sich dies gut nachvollziehen. Die Stimmen klingen dabei in diesem Abschnitt insgesamt leicht behaucht und fast wie ein Seufzen. Im folgenden Abschnitt fällt ein nochmals veränderter Stimmklang auf. Die Melodie mit dem Text: „Won't you stay, Won't you lay, Stay forever and ever, and ever and ever“ liegt im Tonraum von g' bis c'' und damit etwas höher als in den vorangegangenen Abschnitten, die sich bisher zwischen c' und f' bewegten.231 Nach wie vor hören wir an dieser Stelle mehrere Stimmen, die hier sehr stark behaucht sind. Behauchung wird mit den Stimmlippen erzeugt, die bei der behauchten Stimmgebung nicht vollständig schließen, wodurch ein Klang entsteht, der an ein Flüstern oder den Konsonanten H erinnert. 232 Der Klang klingt dadurch in diesem Abschnitt nochmals deutlich weicher, da das weiche Anlauten behauchter Worte für ein Verwischen rhythmischer Impulse sorgt. Die hohen Kopfstimmen scheinen dabei in dem ganzen Abschnitt, aber vor allem auf dem extrem 229Es sollte erwähnt werden, dass der erste der beiden Abschnitte zu „lalala“ nur halb so lang ist. Da dieser jedoch bei seinem ersten Auftreten in sich exakt wiederholt wird, kann an dieser Stelle von einem einmaligen Auftreten dieses Formteils und beim ersten Auftreten von einem wiederholten gesprochen werden. Im Gesang ist die Wiederholung so genau, dass hier wahrscheinlich erneut dieselben Aufnahmen [=Takes] verwendet wurden. 230Der Abschnitt ist insgesamt acht Takte lang, wobei aber im letzten Takt nicht mehr gesungen wird. 231Die Tonangabe bezieht sich in den mehrstimmigen Abschnitten auf die tiefste Stimme. Insgesamt ist der Ambitus des Songs relativ gering und leicht mitzusingen. 232Vgl. Kienast (2002), S.20. 80 langgezogenen (über drei Takte) „sta-ay“ und „la-ay“ körperlos zu schweben – einer Assoziation, die sich an mehreren akustischen Merkmalen festmachen lässt: Zunächst ist die Behauchung eigentlich nichts anderes als rauschhaft hörbare Luft, was eine assoziative Nähe zu Schweben oder „sich-in-Luft-Auflösen“ aufweist. Dann sollte die Kopfstimme bedacht werden, die hier eingesetzt wird und sich als ein Lösen vom körperlicheren Brustklang interpretieren lässt, sowie die insgesamt höhere Tonlage, die in eine direkte homologe Beziehung zu Höhe gesetzt werden kann. Außerdem lassen sich die vermischten Stimmen auf den langgezogenen Vokalen von „stay“ und „lay“ nicht fixieren, d.h. sie sind so sehr vermischt, dass es nicht möglich ist, sie zu differenzieren. Aber zugleich können sie nicht in einem einzigen Ort im akustischen Raum zur Deckung gebracht werden; es ist eher so, dass der Klang den Raum füllt und von überall her kommt. Schließlich suggeriert die häufige textliche und melodische Wiederholung des Phrasenendes „ever and ever and ever...“ eine gewisse Endlosigkeit. Im gesamten Song wird schon durch die synthetische Instrumentierung ein phantastischer Raum erzeugt und allein die Vervielfältigung der Stimme in weiten Teilen des Songs ist weit von jedem Anspruch auf Echtheit entfernt, sondern verortet die Stimme(n) in einer Phantasiewelt. Allein der knarrende Stimmklang erscheint dabei materiell oder körperlich, ganz im Gegensatz zu den nicht fixierbaren vervielfältigten Stimmen im übrigen Song. Allerdings wirkt dieser Stimmklang dennoch deutlich künstlich und vor allem im Vergleich zum offenen Zugang, den die „echte“ Stimme bietet, eher verschlossen, so dass ich diese klangliche Materialität des Körpers hier weniger als Präsenz des singenden Subjekts, sondern eher als Ansatzpunkt für eine taktile Phantasie, also den vorgestellten Zugang zum Körper der Sängerin, interpretieren würde. Das Entschweben der Stimme(n) und das Verschließen der Stimmlippen in der Knarrstimme lassen sich dabei einerseits als verschiedene maskenhafte Stimmklänge interpretieren, die jeweils andere Phantasien ermöglichen, aber andererseits auch als Zeichen der eigentlichen Unerreichbarkeit der Sängerin, die sich in Luft auflöst oder uns zurückweist, damit aber unseren Wunsch nach einem entsprechenden Zugang nur verstärkt. Insgesamt scheint dabei aber weniger ein Subjekt, sondern eher der Körper Ansatzpunkt für ein begehrendes Hören zu sein: Dieser ist im Stimmklang zugleich anwesend, als taktile Phantasie, wie abwesend, als reale Unberühr- und Unerreichbarkeit der Sängerin. 81 Der imaginäre Chor der Stimmen platziert dabei den_die Hörer_in im Zentrum, was besonders bei dem extrem nah erscheinenden Flüstern im Abschnitt nach „Every night, Every day...“ gut nachzuvollziehen ist. Die vielfachen singenden Stimmen vermeiden außerdem die Individuierung eines identifizierbaren singenden Subjekts; die Stimmen kreisen vielmehr um den_die Hörende_n, der_die somit zum eigentlich relevanten Subjekt des Songs wird. Die deutlichen klanglichen Unterschiede in den einzelnen Abschnitten lassen sich dabei verschiedenen Einsätzen der Stimmlippen als Klanggeneratoren zuordnen. Im Bezug zu einer „echten“ Stimme erscheinen die unterschiedlichen Einsätze der Stimmklänge (behaucht, knarrend) dabei weniger vom emotionalen Empfinden produziert, sondern eher als bewusste und intendierte Zuordnungen zu den Abschnitten. Der jeweilige Klang wird nicht aufgrund eines zu transportierenden Inhalts, sei dieser somatisch oder auch textlich, erzeugt, sondern durch eine übergeordnete Entscheidung kontrolliert. Wie bei Kate Bush lässt sich dieser Stimmklang dabei ebenfalls als semiotisch bezeichnen: Zwar wird hier nicht mit dem Klang einzelner Worte gespielt, aber die Abhängigkeit der Stimme vom Abschnitt (statt vom Inhalt) macht die Stimme ebenfalls zu einem kontrollierten eigenständigen Objekt, das sich von den Empfindungen des Körpers und vom sprechenden Subjekt trennt. Die Unterschiede zu Kate Bushs Song sind dabei dennoch auffällig, denn Kylie Minogues affirmativere Darstellung von sexualisierter Weiblichkeit wird hier nicht durch ungewohnte Harmonien oder instabile Metren beunruhigend in Frage gestellt. Die klare Trennung zwischen den jeweils eigenen Formabschnitten zugeordneten verschiedenen Klangfarben lässt sich sicherlich leichter konsumieren als der ständige Wechsel, mit dem Kate Bush uns konfrontiert. Und es ist dabei wahrscheinlich auch leichter sich auf die produzierten Phantasien zu konzentrieren, da diese sich in einem konventionelleren musikalischen Umfeld eher stabilisieren können, statt ständig durch Unterbrechungen und Wechsel verunsichert zu werden. Angesichts des künstlichen Klangs der Stimme ist die Annahme eines sich performativ produzierenden Subjekts hier problematischer, denn wenn wir davon ausgehen, dass dieses wie bei Kate Bush vor allem durch die Kontrolle entsteht, die über die Stimme ausgeübt wird, so ist die Stimme hier hörbar Objekt technischer Bearbeitung und unterliegt damit nicht der alleinigen Kontrolle des singenden Individuums. Es fällt mir schwer in diesem Song ein performativ entstehendes Subjekt zu hören. Vielmehr erscheint 82 mir die Stimme als vollständig vom jedem Subjekt getrenntes Objekt, als ein rein künstliches Phantasiegebilde. Dieses Stimmobjekt ist dabei eine reine Oberfläche, ohne eine dahinter liegende versteckte somatische Tiefe. Der Körper dieser Stimme lässt sich dabei ebenso nur als Oberfläche interpretieren, über den visuelle oder taktile Phantasien entstehen können, dessen somatisches Innenleben jedoch in diesem Klang nicht auftaucht.233 Es fällt nun leicht, diese klangliche Darstellung als objektivierende Sexualisierung von Frauen zu kritisieren und eine solche Kritik ist durchaus angebracht, aber sie würde der Heterogenität möglichen Konsumverhaltens nicht gerecht werden. Ich möchte nun einen möglichen Umgang mit diesem Song skizzieren, der für Frauen ein nicht nur negatives Potential birgt. Hierzu möchte ich zuerst vorschlagen, diese klangliche Darstellung von Weiblichkeit als eine akustische Entsprechung der allgegenwärtigen Präsenz von in der Regel namenlosen und weitgehend entblößten gut aussehenden Frauenkörpern in der Werbung zu sehen. Ich denke, dass die Parallelen zwischen diesen beiden Darstellungen auf der Hand liegen; der weibliche Körper bzw. die weibliche Stimme wird entsubjektiviert und zum idealisierten Objekt von Phantasie und Begehren gemacht. Überhaupt wird der weibliche Körper dabei zu einem Objekt, das eher von außen betrachtet, bewundert und begehrt wird, als von einem Subjekt bewohnt. Dabei ist vor allem die Allgegenwart dieser Darstellungen in unserer Kultur zu berücksichtigen, die aus diesem idealisierten Frauenkörper nicht irgendein begehrtes Objekt macht, sondern das begehrte Objekt schlechthin.234 233In Bezug auf Lacans Theorie des Objekt a lässt sich der Einsatz von Minogues Stimme als Fetisch bezeichnen, indem das Objekt a das begehrte Objekt ersetzt bzw. die Beziehung zu diesem angestrebt wird, statt ein wirkliches Subjekt oder einen wirklichen Menschen hinter der Stimme zu suchen, der z.B. Liebe oder Begehren erwidern könnte [Vgl. Krips (1999), S. 28-32]. Ich möchte die Pathologisierung gesellschaftlicher Zustände in dieser Arbeit vermeiden und habe mich daher gegen die Verwendung dieses Begriffs im Fließtext entscheiden. Allerdings erzeugt diese Lesart Beziehungen zu anderen Analysen von Fetischisierungen weiblicher Körper, beispielsweise in Mulveys Filmtheorie [Vgl. Mulvey (1994)], die für eine tiefere Betrachtung durchaus produktiv sein könnten. 234Erneut würde sich hier die Interpretation als Fetisch anbieten, in der das das Begehren erzeugende Objekt a selbst begehrt wird. Die dahinter liegende Leere (= die Abwesenheit eines realen Menschen in der entsubjektivierten Darstellung) wird durch das Objekt selbst versteckt, wobei die Lust daraus entsteht, die eigentlich offensichtliche Leere, für die das Objekt einsteht, möglichst lange zu verleugnen, so dass das Begehren verlängert wird. Vgl. hierzu Krips (1999), S. 29: „ The sacrifice [= des eigentlich Begehrten] is not without its compensation, since the suitor's engagement with the object a yields a return of pleasure by stabilising his libido. Under such a regime, the object a takes on the role of what Freud calls «the fetish».“ [Hervorhebung im Original] und ders. S. 32: „Fetishists are «irrational» in the sense of not pursuing their desires. Instead, they attend perversely (as we say) to something else, the fetish, which thereby functions as an impediment, a delaying mechanism, with respect to the attainment of their desire. […] Nevertheless […] their actions, specifically their engagement with the fetish, produces pleasure“. 83 Allerdings gibt es einen bedeutenden Unterschied zwischen einem Werbespot oder einem Plakat und einem Popsong: Zu Musik kann getanzt werden. Damit meine ich, dass die Beziehung zum Song tendenziell weniger distanziert ist, als zu einem Plakat, sondern im Umgang mit Popmusik körperliche Aneignung zum Beispiel durch Tanzen, aber auch durch andere körperliche Praxen, z.B. Mitsingen, möglich und wahrscheinlich ist.235 Gabriele Klein versteht Tanz als mimetische Aneignung der Musik, die dabei im eigenen Körper aktualisiert und mit einem persönlichen Sinn versehen wird. Dieser ist zwar von der Musik beeinflusst, aber nicht vollständig von ihr determiniert.236 Sicherlich gibt es dafür bei diesem Song (wie bei jedem Song) unendliche Möglichkeiten, eine davon ist jedoch sicherlich die verkörpernde Aneignung der sexualisierten und objektivierten Stimme durch Frauen. Dies stellt eine aus feministischer Sicht sehr problematische Reproduktion eines sexistischen Stereotyps dar, die den sexualisierten medialen Frauenkörper in reale weibliche Körper einschreibt und so aktualisiert – und ich halte es für notwendig diese Wirkungsweise von Popmusik, diese Vermittlung zwischen einem medialen Stereotyp und realen menschlichen Körpern, als einen relevanten Faktor in der gesellschaftlichen Reproduktion von Geschlecht zu erkennen und zu thematisieren. Doch sollten wir ernst nehmen, dass diese Verkörperung aus den tanzenden Frauen nicht automatisch passive Objekte macht, sondern es sich hierbei ganz im Gegenteil zuerst einmal um eine körperliche Aktivität handelt, die freiwillig unternommen wird und wahrscheinlich auch noch Spaß macht. Diese Verkörperung eines sexualisierten und objektivierten Klischees von Weiblichkeit bietet also eine positive Körpererfahrung, die sich nicht nur mit reinem Spaß an der Bewegung erklären lässt – da dies für Sport in jeder Form zutreffen würde. Vielmehr möchte ich die These vertreten, dass diese Verkörperung, die sich als eine bestimmte kulturelle Kodierung des eigenen Körpers, konkret als eine Sexualisierung und Verobjektivierung, verstehen lässt, auch eine Aneignung dieses kulturellen Kodes beinhaltet, der damit nicht mehr äußerlich ist, sondern auch vom Individuum, das in der Reproduktion Anteil an der Produktion des Intelligibilitätsrahmens hat, mitkontrolliert wird. Anders gesagt wird der sexualisierte und objektivierte weibliche Körper als begehrtes Objekt schlechthin von einem tanzenden Subjekt angeeignet, das damit über 235Ich denke nicht, dass dies bei visuellen Darstellungen unmöglich ist. Popmusik ist jedoch auch für den körperlichen Umgang geschaffen worden und es gibt kulturelle Kontexte (Beispielsweise Diskotheken), die ganz einem entsprechenden Konsum gewidmet sind. Daher ist es wohl angebracht, eine körperliche Aneignung für einen Popsong als wahrscheinlicher anzunehmen, als für ein Plakat. 236Vgl. Klein (2004), S.260: „Aneignungsprozesse zwischen Leib und Wirklichkeit verlaufen auch im Tanz als mimetische Vorgänge.“ 84 dieses Objekt verfügen kann. Ich möchte also vorschlagen, diese tanzende Verkörperung als Aneignung des eigenen Körpers in einer bestimmten kulturell geprägten Form zu verstehen, oder, um es mit Butlers Performanztheorie zu sagen, die zitierende Performanz von Weiblichkeit, die damit jedoch nicht nur einen objektivierten Körper sondern auch und zugleich ein gesellschaftlich anerkanntes Subjekt herstellt, das diesen Körper besitzt. Ich trenne hier also zwischen dem Körper, der tatsächlich zum Objekt wird, und dem Subjekt, das zwar in diesem Körper steckt, aber nicht auf das Objekt reduzierbar ist. Was hier meines Erachtens im Tanz entsteht, ist eine Handlungsfähigkeit, die zwar auf einer den Körper objektivierenden Performanz von Weiblichkeit innerhalb der Grenzen des Intelligibilitätsrahmens beruht, aber zugleich Macht und Kontrolle über diesen Körper in seiner kulturell kodierten und damit gesellschaftlich lesbaren Form produziert. Während also im Song ein phantastisches Objekt ohne Subjekt entsteht, so wird dieses auf der Tanzfläche in wirklichen Körpern aktualisiert und von Subjekten angeeignet, die nach Butlers Performanztheorie so überhaupt erst entstehen und dabei die symbolische Macht dieses Objekts, insbesondere das gesellschaftliche Begehren danach, im eigenen Interesse einsetzen können. Tanzen kann also, als eine Möglichkeit unter anderen, die Erfahrung des eigenen sexuell kodierten Körpers als Quelle gesellschaftlicher Handlungsfähigkeit bedeuten. So entsteht eine positive Körpererfahrung, Lust oder Spaß, als Resultat der Reproduktion einer objektivierenden Distanzierung vom eigenen Körper.237 Diese positive Erfahrung ist dabei sicherlich aufschlussreich für ein Verständnis der weiblichen Beteiligung an der Reproduktion von Geschlecht. Ich möchte aber vorschlagen, hier auch die Möglichkeit eines kritischen Potentials zu sehen, denn hier steht die Erfahrung des eigenen Körpers, zwar als gesellschaftlich kodiertes Objekt, aber dennoch als eigener, im Zentrum. Gerade vor dem Hintergrund der Geschichte feministischer Kämpfe um diesen Körper wird vielleicht klar, wie wertvoll die Erfahrung sein kann, selbst – und sei es nur im Tanz – über diesen Körper zu bestimmen.238 Die Aneignung dieses sexualisierten Körpers und damit die Beteiligung an den gesellschaftlichen Spielregeln einer bestimmten Geschlechterperformanz kann dennoch für individuelle Tänzerinnen einen Zuwachs an Handlungsmöglichkeiten und einen selbstbewussteren Umgang mit dem eigenen Körper bedeuten. Anders gesagt Frauen beteiligen sich an der Reproduktion gesellschaftlicher Geschlechterperformanz, aber nicht 237Es stellt sich hier die Frage, ob diese positive Körpererfahrung nicht schließlich die Objektivierung des Körpers überwinden kann. Die Frage lässt sich jedoch meines Erachtens nicht mehr anhand der hier betrachteten Musik beantworten, weshalb ich ihr hier nicht weiter nachgehe. 238Die Bestimmung über den eigenen Körper, insbesondere der Kampf um sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung, ist eines der nach wie vor wichtigsten feministischen Themen. 85 als passive Objekte sondern als selbstbewusst Handelnde, was aus feministischer Perspektive sicherlich kritisch zu sehen ist, aber aus individueller Perspektive einen möglichen Umgang mit der problematischen gesellschaftlichen Positionierung als Frau darstellt, die nicht entwertet werden sollte. 4.2.3 Björk: „All Is Full Of Love“ Ich möchte mich nun erneut einer anderen Sängerin und einer anderen akustischen Subjekt- und Körper-Performanz zuwenden. Mein neuer Gegenstand ist der Song „All Is Full Of Love“ von Björk. Auch hier lässt sich die Klanglichkeit des Songs als fiktiv beschreiben: Es werden größtenteils synthetische Klänge eingesetzt sowie irreal wirkende Echoeffekte. Die Instrumentation ist insgesamt relativ sparsam. Das Tempo ist recht langsam (ca. 70 bpm), ein Viervierteltakt, der rhythmisch nur mit synthetisierten Bassund Perkussionsklängen markiert ist. Formal lässt sich der Song nicht so einfach gliedern, zumindest erscheint mir eine Differenzierung in Strophe und Refrain nicht sinnvoll. Als auffällige Zäsur bietet sich das Einsetzen einer zweiten zuerst höheren Stimme etwa in der Mitte des Songs (bei 1:45 Minuten) an, die zwar nur eine Zeile „All is full of love“ wiederholt, aber im zweiten Teil des Songs zunehmend dominiert. Im ersten Teil des Songs, also vor dem Einsetzen der zweiten Stimme, bewegt sich die erste Stimme im Ambitus von b bis as', der dann mit dem Einsatz der zweiten Stimme im Tonraum von f' bis des'' überschritten wird. Dabei ist das häufig wiederholte melodische Motiv der zweiten Stimme zu „All is full of love“ [b'-des''-f'-as'-b'] sehr markant, das bereits zu Beginn des Songs transponiert und in abgewandelter Form [f'-as'-b-des'-f] zu „You'll be given love“ auftritt. Der Rhythmus der Melodie ist allerdings schwer zu fixieren: Björk verzögert oft Töne (beispielsweise bei „taken care of“) und singt insbesondere häufig gleichmäßige Tonfolgen, die aber triolisch239 („Maybe not from the sources“) oder sogar quintolisch240 („Maybe not from the directions“) sind und somit dem Vierviertelmetrum der Begleitung widersprechen. Achtel werden nur sehr sparsam (z.B. bei „All is full of love“) eingesetzt und kürzere Notenwerte werden im Gesang gar nicht verwendet. So wirkt die Melodie ruhig und gleichmäßig, aber dennoch unvorhersehbar und relativ unabhängig von der Begleitung, die dem klaren Vierermetrum folgt. 239Eine Triole ist ein Dreierrhythmus, der in der Regel einen erwarteten Zweierrhythmus ersetzt. 240Eine Quintole ist ein Fünferrhythmus, der einen geraden (Vierer- oder Zweierrhythmus) ersetzt. 86 Die Aussprache Björks erschwert dabei oft die Fixierung eines melodischen Rhythmus: Worte werden hörbar in Silben und diese in Laute unterteilt, deren einzelne Klänge so deutlich zu hören sind, dass eine auf sprachlichen Silben basierende Rhythmik die wesentlichen Impulse des Gesangs zu verfehlen scheint. Beispielsweise in der Phrase „It's all around you“ werden die Worte „around“ und „you“ klanglich miteinander verbunden und die Konsonantenkette N-D-Y wird so langsam gesungen, dass jeder Laut einzeln hörbar wird und es schwerfällt, einen einzigen rhythmischen Zeitpunkt für den Silbenwechsel festzulegen. Ähnlich wird bei „You are staring at“ das S von „staring“ so lange ausgehalten, dass das folgende T zu einem getrennten musikalischen Ereignis wird. Der Rest des Wortes hingegen wird so undeutlich und unbetont ausgesprochen, dass es fraglich ist, ob die zweite Silbe „-ring“ als eigener rhythmischer Moment zählen kann. Insgesamt bietet sich auch hier die Bezeichnung semiotisch an, um diese Fokussierung auf die Laute zu beschreiben. Diese ruhige Langsamkeit erzeugt dabei außerdem auch hier ein begehrendes Warten, auf den nächsten Buchstaben, die nächste Silbe, das nächste Wort... . Auffällig ist des Weiteren die häufig hörbare Atmung: Ein leises Einatmen (im folgenden symbolisiert mit: [<]) ist häufig vor Zeilenbeginn hörbar, z.B. vor dem zweiten „You'll be given love“, vor „You are staring at“, vor „Trust you head around“ und regelmäßig vor „All is full of love“ im Gesang der ersten Stimme. Es tritt aber auch als verzögerndes Moment innerhalb von Zeilen auf, z.B. beim zweiten „You'll be given [<] love“, bei „It's all [<] around you“ und bei „All is full of [<] love“. Hierbei entwickelt sich durch die hörbare Einatmung, an deren Ende körperliche Spannung steht, und die Unterbrechung des Satzes eine Anspannung, die im singenden Ausatmen des jeweils nachfolgenden Wortes gelöst wird, so dass sich hier beim Hören mit großer Wahrscheinlichkeit ein Gefühl der Entspannung einstellt. Der Klang der Sprache wird insgesamt häufig durch die Klangbearbeitung hervorgehoben, z.B. bei „You'll be taken care of“ werden die Plosive bei „taken care“ mit einem Echoeffekt betont, der auch im Folgenden häufig, vor allem bei plosiven und S-Lauten, eingesetzt wird. Dabei ist bei diesem Echoeffekt seine Ähnlichkeit zur Klanglichkeit der Begleitung zu bemerken. Vor allem in dem Abschnitt bei „Maybe not from the sources ...“ vermischt sich der Klang dieses Effekts mit der synthetischen Begleitung, die ebenfalls einen leicht S- oder T-artigen Geräuschanteil in derselben Tonlage hat. Solche klanglichen Verbindungen von Begleitung und Gesang lassen sich auch zwischen den O-Vokalen von „all“, „around“ und „love“ und den sonoren Basstönen der Begleitung feststellen. Schließlich, in der zweiten Hälfte des Songs nach dem Anstieg der 87 ersten Stimme in den Tonraum der zweiten, scheint sich der Gesang zunehmend mit der nun dichteren Begleitung zu vermischen, so dass oftmals nicht klar zu unterscheiden ist, welcher Klang von der Stimme und welcher von der Begleitung stammt.241 Die zweite Stimme, die nur ihre eine Zeile „All is full of love“ scheinbar endlos wiederholt, entsteht dabei aus einer klanglichen Vorbereitung in der Instrumentation und ist schon bei ihrem Einsetzen deutlich synthetisiert und klanglich mit der Begleitung verbunden, so dass sie auch zuerst eher als Teil der instrumentalen Umgebung wahrgenommen wird. Relevant für diesen Eindruck ist sicher auch, dass die erste Stimme zentral und relativ nahe im akustischen Raum positioniert ist, während die zweite weiter entfernt, nach links verschoben und wie durch eine Art akustisches Hindernis verändert zu hören ist. Die zweite Stimme erscheint klanglich stark behaucht und gewissermaßen sphärisch, womit ich meine, dass ein h-artiges Geräusch im Klang präsent ist, der harmonische Anteil gedämpft wirkt und ein starkes Echo die rhythmischen Impulse der Sprache verwischt; dabei ist hier aber kaum entscheidbar, was von diesem Effekt durch den Gesang und was durch die starke Bearbeitung entstanden ist. Diese Stimme ist zuerst noch relativ leise, wird aber im weiteren Verlauf lauter. Schließlich setzt die erste Stimme zunehmend aus, so dass am Ende des Songs diese zweite Stimme übrig bleibt und somit die erste Stimme ersetzt. Ab etwa 3:30 gehen die Echos des Gesangs der nun alleine übrig gebliebenen zweiten Stimme so in die Hintergrundklänge über, dass Beginn und Ende der Phrasen kaum hörbar sind bzw. fehlende Worte (wie das teilweise fehlende „All is“) oder Laute (das Ende von „love“) in die Begleitung projiziert werden können. Stimmklang und Instrumente erscheinen wie vollständig miteinander verschmolzen und der sprachliche Inhalt des Satzes „All is full of love“ scheint sich musikalisch durch die Allgegenwart des Wortes „love“, dessen Ende schließlich nicht mehr auszumachen ist und das echoartig von einer Seite zur anderen durch den imaginären akustischen Raum pulsiert, auszudrücken. Auch hier scheint mir die Bezeichnung semiotisch für diesen Einsatz der Stimme, in der der Klang der Worte die Musik zu strukturieren scheint, angemessen. 241Auch der melodische Anstieg bei „Impeding me laying down“ gibt für diese Vermischung ein sehr gutes Beispiel, denn der mit „down“ erreichte Zielton b' fällt mit dem Einsatz mehrerer synthetischer Instrumente zusammen, von denen viele sehr weich streicher- oder klarinettenartig klingen und sich gut mit dem ausgehaltenen Ton der Gesangsstimme vermischen, mit der sie eine Lage teilen. Auch der Klang der ersten Stimme wird dabei stärker bearbeitet, er wirkt behauchter und scheint sich der synthetischen Begleitung anzunähern. 88 Die Beziehung der beiden Stimmen zueinander lässt sich dabei zuerst – in den acht Takten nach dem Einsatz der zweiten Stimme und vor dem Anstieg der Ersten – als eine starke antagonistische Spannung, basierend auf der Nutzung unterschiedlicher Tonräume, Stimmklänge und Melodien, beschreiben. Diese Spannung wird dann mit dem Anstieg der ersten Stimme bei „Impeding me laying down“ und der nachfolgenden Übernahme von Melodie, Ambitus und Text der zweiten Stimme gelöst. Ab diesem Zeitpunkt, der etwa bei 2:10 Minuten liegt, also noch vor der Hälfte des Songs, und den ich als musikalischen Höhepunkt des Songs bezeichnen möchte, tritt eigentlich kein neues musikalisches oder textliches Material auf, so dass in der gesamten zweiten Hälfte ein Zustand der Entspannung nach dieser Entladung bestehen bleibt. Der Song baut sich ab diesem Punkt nach und nach ab, Instrumente und die Gesangstimmen setzen aus bzw. werden leiser und schließlich klingt der Song im Nichts aus, wobei die Klanglichkeit des Outro an das instrumentale Intro erinnert, das sich ebenso langsam aufgebaut hat. Der Song erhält so auch einen zyklischen Charakter und hat keinen wirklichen Abschluss sowie keinen wirklichen Anfang; stattdessen scheint er immer schon bzw. noch da zu sein. Der in diesem Song performativ produzierte Körper ist erneut phantastisch: Die synthetische Klanglichkeit des Songs, die Bearbeitung des Gesangs, Echoeffekte und das zunehmende Verwischen der Grenze zwischen Gesang und Instrumenten verorten die Stimme im Fiktiven, wobei jedoch im Gegensatz zu der sexualisierten Phantasiewelt, die Kylie Minogue präsentiert, der Körper weniger zur Projektionsfläche wird, sondern sich viel mehr aufzulösen scheint. Die Stimme hat keine menschlich-körperliche Quelle mehr, sondern verschmilzt mit ihrer akustischen Umwelt, und diese körperlose Stimme weckt Assoziationen einer Art göttlichen Stimme oder der Stimme der Natur, welche nicht von dieser Welt zu sein scheint. Diese Stimme ist nicht die Stimme eines einzelnen menschlichen Individuums, sondern die akustische Verkörperung eines absolut Anderen, das hier wahrscheinlich nicht zufällig in einer weiblichen Stimme zu uns spricht. Diese Stimme formuliert eine sprachliche Botschaft, „All is full of love“, die sie ständig wiederholt und die im Gegensatz zur individuell emotionalen Mitteilung der „echten“ Stimme durch die übermenschliche Klanglichkeit der Stimme den Charakter einer absoluten unumstößlichen und überindividuellen Wahrheit erhält. Diese verbale Botschaft materialisiert sich zunehmend im Klang: Die sprachlichen Laute werden musikalisch von der Instrumentation übernommen und das Wort „love“ erscheint schließlich überall im 89 Klang, was dem semantischen Sinn der Botschaft entspricht. Materiell wird hierbei jedoch vielmehr die Sprache als der Körper der Sängerin, denn es ist hier der Klang der Worte und nicht der eines Körpers, der im Zentrum der musikalischen Präsentation steht. Ich bezeichne den sprachlichen Inhalt dabei nicht zufällig als Botschaft, denn Björks Stimme erhält in diesem Song tatsächlich eine Art vermittelnde Position; sie transportiert und verkörpert die Mitteilung einer dritten transzendenten und absoluten Subjektivität, die allerdings auch nur durch diese spezielle musikalische Präsentation performativ entsteht. Die Botschaft wird dabei mit einer entsprechenden Autorität ausgestattet; sie ist nicht die emotionale oder subjektive Mitteilung einer einzelnen Person, sondern erhält den Charakter einer objektiven Wahrheit. All dies geschieht jedoch auf Kosten eines menschlichen individuellen Subjekts, das in diesem Song zum reinen Kanal für die transzendente Botschaft wird. Während ein solches menschlich individuelles Subjekt im Song tendenziell negiert wird, entsteht eine Art übermenschliches Subjekt, dem sich Attribute, wie körperlos (durch die wie beschrieben körperlos klingenden Stimmen) ewig (durch die zyklische Struktur des Songs, die scheinbare Endlosigkeit und die ständige Wiederholung der Botschaft) und Allgegenwart (durch das Verschmelzen mit der musikalischen Umwelt) zuordnen lassen. Die Spannungsdynamik des Songs, die sich auf kleinem Raum in der entspannenden Betonung von auf ein Einatmen folgenden Worten wie „love“ und „around you“ präsentiert und sich auf den gesamten Song bezogen in der affirmativen Bestätigung und Wiederholung von „All is full of love“ durch beide Stimmen ausdrückt, enthält dabei eine Art musikalisches Erfüllungsversprechen: Die körperlose Stimme einer belebten Umwelt verspricht uns immer und überall Liebe. Dabei erinnert diese Figur sehr an das in der Psychoanalyse verbreitete kulturelle Idealbild ursprünglicher Ganzheit mit der Mutter. Kaja Silverman beschreibt dies in „The Accoustic Mirror“ mit Bezug auf den Einsatz weiblicher Stimmen im Film folgendermaßen: „the trope of the maternal voice as sonorous envelope grows out of a powerful cultural fantasy, a fantasy which recent psychoanalytic theory shares with classic cinema. The fantasy in question turns upon the image of infantile containment – upon the image of a child held within the environment or sphere of the mother's voice.“242 Björks nicht mehr in ihrem Körper lokalisierbare und entgrenzte Stimme lässt sich als eine Spielart dieser Klanghülle („sonorous envelope“), die hier nicht ein fiktives Kind sondern ein wirkliches Publikum umgibt, verstehen. Mutter und Kind bilden dabei in diesem 242Silverman (1988), S. 72. 90 frühkindlichen Idealbild eine Einheit, wobei die Mutter eine, aus der Perspektive des Kindes, noch nicht wirklich von dem Kind getrennte Umwelt bildet. Im analysierten Musikbeispiel fiel bereits die Entkörperung des Stimmklangs auf. Wenn wir den Song als klangliche Reminiszenz an einen angeblichen ursprünglich infantilen Idealzustand interpretieren, so erscheint die Entkörperung der Stimme hier regelrecht notwendig, da nur in der Grenzenlosigkeit des körperlosen Stimmklangs dem Publikum die bruchlose vollständige Einheit und Einhüllung in die (mütterliche) Stimme vermittelt werden kann, die das kulturelle Klischee der ursprünglichen Ganzheit mit der Welt verspricht. Die Unmöglichkeit zwischen der Stimme und den Instrumenten eindeutig zu unterscheiden, deutet außerdem eine weitere Homologie zur Ununterscheidbarkeit von eigenem und anderem sowie der Unfähigkeit weiterer Differenzierung der Umwelt in dieser idealisierten infantilen Vor-Subjektivität an. Mit den Körpergrenzen verschwindet jedoch auch die Möglichkeit die „Mutter“, wenn wir diese entkörperte sphärische Stimme vorübergehend so nennen wollen, als Individuum wahrzunehmen. Sie wird dabei zugleich zum anderen, nämlich zu etwas Körperlosem eigentlich nicht mehr Menschlichem aber dennoch Idealisierten, und zu etwas eigenem – zuerst einmal als Umgebung, dann jedoch im nächsten Schritt zu einer Art Extension des eigenen Körpers über dessen Grenzen hinaus. Diese zauberhafte Vereinigung mit der Musik geschieht hier anders als bei der „echten“ Stimme nicht durch emotionale Empathie mit der mitgeteilten somatischen Empfindung, sondern durch die Offenheit der körperlosen Stimme, die eben, da sie sich ohne somatische Tiefe und ohne feste physische Körpergrenzen präsentiert, das Phantasma einer solchen Verschmelzung zulässt. 4.2.4 Birdy: „People Help The People“ Ich möchte nun als letztes den Song „People Help The People“ von Birdy betrachten. Der Song beginnt ähnlich wie „Feel It“ von Kate Bush allein mit Klavier und Gesang und erzeugt somit eine eher intime Atmosphäre, es kommen jedoch im Verlauf des Songs weitere Instrumente und Stimmen hinzu, die vor allem im letzten Refrain den Eindruck von Kollektivität vermitteln. Der Song enthält damit eine sehr starke Entwicklung, die ich in ihrer Bedeutung untersuchen möchte. Zunächst jedoch ein Überblick: Der formale Aufbau lässt sich vor allem anhand der Instrumente recht einfach heraushören: Nach einem kurzen instrumentalen Intro (Klavier 91 alleine) folgt die erste Strophe „God knows..“, die ebenfalls nur vom Klavier begleitet wird. Im ersten Refrain „People help the People...“ wird das Klavier mit Bass und Cello ergänzt, die jedoch in der anschließenden kurzen Überleitung „Oh and if I had...“ wieder aussetzen. Diese Struktur von Auf- und Abbau wiederholt sich in der zweiten Strophe und im zweiten Refrain, wobei die Instrumentation jedoch insgesamt voller ist: Mit der zweiten Strophe setzen zusätzlich zum Klavier Bass, E-Gitarre, Schlagzeug und Streicher ein. Und im folgenden Refrain wird der Gesang von einem Hintergrundchor unterstützt. In der nachfolgenden Überleitung wird erneut die Instrumentation zurückgenommen; die Stimme ist wieder ohne Hintergrundchor, das Schlagzeug setzt aus und die übrigen Instrumente sind stärker zurückgenommen. Es folgt nun ein instrumentales Zwischenspiel, in dem zuerst Streichinstrumente (Celli und höhere Streicher in Oktaven) melodisch dominieren, die dann aber in der Wiederholung weitgehend unisono mit der Gesangsstimme („Nana Nanana Uhhh...“) ergänzt werden. Es folgt ein weiterer Refrain – erneut mit starker instrumentaler Besetzung und Hintergrundchor und eine letzte Überleitung, die wieder sparsamer instrumentiert ist und in der alle Instrumente nach und nach aussetzen, bis ganz zum Schluss, wie zu Beginn des Songs, nur noch das Klavier übrig ist und ein paar letzte Töne spielt. Birdys Gesangstechnik verändert sich in den einzelnen Abschnitten ebenfalls. In der ersten Strophe, deren wellenartige vor allem aus Terzbewegungen in entspannter Lage (b bis f') bestehende Melodie bereits stark an «Seufzer» erinnert, wird von der Sängerin diese in der Melodik enthaltene Assoziation durch besonders starke Betonung der hohen Noten auf der jeweils ersten und dritten Zählzeit und sehr starke dynamische Rücknahme der tieferen Noten dazwischen unterstützt. Des Weiteren werden einige dieser «Seufzer», beispielsweise auf dem ersten „weak“, auf „kissed“ und „angels“ leicht verzögert, was vor allem durch die entsprechende verzögerte Reaktion des Klaviers gut zu hören ist und den durch das Seufzen erweckten Eindruck von Trauer weiter verstärkt. Auf Worten wie „what“, „weak“ und „hearts“ ist außerdem eine Art kurzes Vibrato, eine Art Zittern der Stimme, im Wort hörbar, das eine leichte Unterbrechung im Wort erzeugt: „w-hat“, „weak“ und „he-arts“. Der dabei entstehende Effekt erinnert an eine unkontrollierte Atmung, wie sie auch beim Weinen entsteht und unterstützen damit ebenfalls die Assoziation von Trauer. Im Refrain ändert sich die Melodie, die nun in einem deutlich höheren Tonraum bis b' liegt und sehr stark das wiederholte Wort „people“ betont. Dieses Wort wird auf den 92 Tönen as', b' und f' gesungen. Die kurze Verzierung der ersten Silbe zum b' nach oben wird dabei jedoch nicht melismatisch gebunden gesungen, sondern wie eine eigene Silbe behandelt: „pe-he-ple“ [statt: „pe-e-ple“]. Diese Artikulation erinnert an das hörbar stoßweise und unkontrollierte Atmen beim Schluchzen,243 was durch die hohe Tonlage zusätzlich unterstützt wird. Diese Assoziation, die erneut Weinen suggeriert, wird außerdem durch die sehr häufig hörbare Atmung244 und den erneuten Einsatz des schon erwähnten Vibratos beispielsweise auf „h-and“ und „dra-ag“ verstärkt. So entsteht auch hier der starke Eindruck mangelnder Kontrolle über die Atmung – wie im emotionalen Zustand von Schmerz und Trauer. Auch in der Überleitung, die melodisch insgesamt von einem wellenartigen Oktavabstieg vom b' zu b geprägt ist, wird das schon erwähnte Vibrato beispielsweise auf „h-ad“ , „tuurned“ und „he-arts“ eingesetzt. Melodische Seufzer, wie bei „if I“ und dem gleich folgenden „had a“ werden auch hier von der Sängerin mit einer deutlichen laut-leiseDynamik unterstützt. Insbesondere am Ende der Überleitung scheint dabei die leiser werdende Stimme regelrecht zu versagen, wenn beispielsweise der abschließende Konsonant von „goo[d]“ verschluckt wird, das Vibrieren in der Stimme auf „turned“ und „hearts“ deutlich zunimmt und die abschließende Silbe von „a-wa-hy“ ebenso mit einem erneuten Ansetzen unterbrochen wird, wie „pe-he-ple“. Trotz des insgesamt einheitlichen Eindrucks von Schmerz und Trauer bis hierhin möchte ich dennoch ein paar Veränderungen herausarbeiten: In der Strophe dominiert ein leises Zögern, das sich vor allem in knackend knarrenden Unklarheiten am Ansatz der Worte, Behauchung und insgesamt recht starkem Vibrato zeigt (wie bei „g-hod“ und „w-hat“). Im Refrain, bei „Pe-he-ple“, wird dieses Zögern von einem sehr klaren plosivem Ansatz in höherer Lage abgelöst, der deutlich mehr Körperspannung beansprucht. Während die Strophe so einen eher introvertierten Eindruck vermittelt, ist der Einsatz des Refrains stärker nach außen gerichtet; er wirkt deutlich appellativer und energischer, bleib aber dennoch durch das scheinbar unkontrollierte Schluchzen im Zustand der Trauer gefangen. Das singende Ich scheint hier verzweifelt um Hilfe zu bitten, weinend, schluchzend und schreiend zugleich. Der Übergang von einem zum anderen Zustand passiert dabei nicht abrupt, sondern wird in der Strophe nach und nach vorbereitet und im Refrain nach dem expressiven „pe-he-ple“ auch schnell wieder abgebaut. 243 Ebenso: „Nothing will drag you-hu down.“ 244 > = hörbare Einatmung: „> Peheple > help the peheple, >And if your homesick, > Give me your hand and I'll hold it. > Peheple > help the peheple, > Nothing will drag you down.“ 93 Auch in der zweiten Strophe lassen sich deutliche Zeichen von Trauer festmachen, beispielsweise im schon erwähnten Vibrato auf „w-orld“, „th-ousands“, „he-arts“, „leoneliness“ und der auch im Vergleich zur ersten Strophe sehr häufigen hörbaren Atmung, die teilweise innerhalb der Phrasen auftritt245 und ebenfalls an ein Schluchzen oder Seufzen erinnert. Die zweite Strophe ist jedoch vor allem durch den Einsatz der vollständigeren Instrumentation, insbesondere dem nun zum ersten Mal einsetzenden Schlagzeug, geprägt. Der Rhythmus geht nun gleichmäßig bis zum Ende der Strophe durch. Auch die Stimme klingt kraftvoller, als in der ersten Strophe, was sich vor allem in der Lautstärke und dem nun klaren Rhythmus zeigt. Sie erscheint dabei wie von den Instrumenten getragen, wobei vor allem die halbtaktige Aufwärtsbewegung der E-Gitarre zu erwähnen ist, da sie einen starken vorwärts treibenden und aufwärts strebenden Gegenpol zur traurigen abwärts gerichteten Melodie bildet, während sie zugleich die halbtaktige Unterteilung der melodischen Wellenbewegung unterstützt. Es entsteht so ein tröstender Eindruck: Die Instrumente rahmen die Stimme harmonisch, bieten ein stabiles rhythmisches Gerüst und eine aufwärts gerichtete Alternative zur traurigen Melodie. Im zweiten Refrain schließlich wird die schon recht volle Instrumentation mit einem Hintergrundchor ergänzt, der zwar mit Birdy unisono singt, aber klanglich schwächer ist, so dass der Sologesang weiterhin im Vordergrund steht. Der Klangeindruck ist des Weiteren von einem eher flächenartigen Streicherklang geprägt, der mit dem sehr weich klingenden Chor246 verschwimmt. Birdys Gesang weicht auch hier vom ersten Refrain ab, sie klingt insgesamt leicht kraftvoller und atmet deutlich weniger. 247 Die neu angesetzte Silbe in „pe-he-ple“ erhält nun eine neue Bedeutung, denn sie erinnert im veränderten klanglichen Kontext weniger an ein Weinen, sondern das weiche anlautende h verschmilzt mit dem Hintergrundchor und den Streichern, was eher einen tröstenden Eindruck hinterlässt: Die zuvor einsame Stimme wird von einem klanglichen Kollektiv, der vollen harmonischen Einheit aus instrumentalem und Chor-Klang, aufgenommen. In der nachfolgenden Überleitung fällt die Stimme jedoch wieder in die Einsamkeit zurück: Schlagzeug und Chor setzen aus und die Instrumentation wird sparsamer. 245 > = Einatmen: „> God knows what is hiding, In this world of little consequence. > Behind the tears, > inside the lies, A thousand slowly dying sunsets. God knows what > is hiding, > In those weak and drunken hearts. > 'guess the loneliness came knocking, No one needs to be > alone, oh singing,“ 246Dieser weiche Klang entsteht, weil das Anlauten nicht exakt ist, d.h. durch die nicht gleichzeitig einsetzenden verschiedenen Stimmen verwischt. 247Nur nach „homesick“ und vor dem zweiten „People help the people“. 94 Es folgt der instrumentale Zwischenteil. Die zuerst von Streichern in Oktaven gespielte Melodie wird zweimal wiederholt, wobei die höheren Streicher in den Wiederholungen teilweise vom Gesang unisono ergänzt werden. Dabei wird kein Text gesungen, sondern kaum verständliche Silben, zuerst wird die Melodie dabei syllabisch mit „Nana..“ oder „Lala..“ ergänzt, dann folgt ein langgezogener melismatisch absteigender „Uhh“-Laut. Die Stimme erscheint dabei offensichtlich bearbeitet, sie ist deutlich weiter entfernt, als bisher im Song und klingt wie durch ein Hindernis hindurch, sie ist außerdem behaucht und mit einem Halleffekt versehen. Der Klang der Stimme ist dabei teilweise, vor allem beim „Uhh“, nur schwer von den Instrumenten zu unterscheiden und vermischt sich mit dem oktavierten Klang der Streichinstrumente. Die Sängerin erscheint dabei wie in Trance und ich möchte auch hier von einem sphärischen Klangeindruck sprechen. Der hier verwendete leichte Stimmklang im Ambitus f' bis b' scheint sich dabei ebenfalls vom Körper zu lösen und zu schweben. Im anschließenden letzten Refrain tritt erneut der Hintergrundchor hinzu, der nun aber etwas lauter ist, als im zweiten Refrain. Birdys Stimme scheint dadurch viel stärker mit dem klanglichen Kollektiv des Chors verbunden; beide scheinen nun eine Einheit zu bilden und Birdys Stimme ist nun Teil dieses trostspendenden Kollektivs. Schließlich endet der Song mit einer letzten Überleitung, in der die Stimme wieder alleine ist, das Schlagzeug aussetzt und auch die übrigen Instrumente nach und nach verstummen, so dass letztlich das an den Anfang erinnernde Klavier alleine übrig bleibt. Die Stimme wird dabei zunehmend leiser und fällt ebenfalls in den durch häufigen Vibratoeinsatz geprägten zögernd-traurigen Stimmklang des Anfangs zurück. Ich möchte diesen Song nun als klangliche Narration einer Verwandlung interpretieren, an deren Beginn ein einsames Subjekt empfundenen Schmerz mitteilt, das dann aber in eine trostspendende Figur transformiert wird, die stark an die im letzten Teil besprochene „mütterliche“ Klanghülle erinnert. Dabei wird zuerst das traurige singende Subjekt von den trostspendenden Instrumenten klanglich eingehüllt, um dann im nächsten Schritt selbst zum Teil dieses Kollektivs zu werden, das seine emotionale Unterstützung schließlich dem Publikum anbietet. Die einsame Stimme zu Beginn des Songs lässt sich dabei durchaus als „echte“ Stimme verstehen; sie ist geprägt durch somatischen unbewusst und unkontrolliert erscheinenden Ausdruck. Wie bei den männlichen Beispielen der „echten“ Stimme lädt diese Darstellung zum empathischen Nachempfinden und zur Identifikation ein, was die gerade beschriebene narrative Dynamik beschleunigt, denn das sich identifizierende Publikum 95 wird bereits ab der zweiten Strophe gemeinsam mit dem singenden Subjekt von den trostspendenden Instrumenten umhüllt und verschmilzt mit beiden. Bevor ich mich jedoch dieser Transformation zuwende, möchte ich zuerst auf die im ersten Teil des Songs präsente „echte“ Stimme eingehen und diese mit den zuvor analysierten Beispielen dieses Stimmeinsatzes vergleichen. Dabei fällt auf, dass Birdy in ihrem Song vor allem Trauer und Schmerz mitteilt. Ihr Gesang und insbesondere ihre Atmung erscheint dabei stark von ihrem emotionalen Zustand beeinflusst zu sein und nicht mehr ihrer bewussten Kontrolle zu unterliegen. Zwar sind die hierfür verantwortlichen musikalischen Mittel, das Vibrato, die hörbare Atmung, die starke Betonung der Seufzerbewegung usw., sehr wahrscheinlich bewusst für den beabsichtigten Effekt eingesetzt worden, wie ich aber bereits argumentiert habe, ist die Glaubwürdigkeit der somatischen Mitteilung notwendig für die „echte“ Stimme; wenn wir also Birdy die Echtheit ihrer Trauer glauben, so glauben wir ihr auch, dass sie ihre Stimme und ihre Atmung aufgrund ihres emotionalen Zustandes nicht bewusst kontrollieren kann, d.h., dass die Stimme bricht, weil sie traurig ist. Sie erscheint dabei hilfloser, als die behandelten Beispiele männlicher „echter“ Stimmen, die vor allem durch körperliche Anspannung die Ernsthaftigkeit und Echtheit ihrer emotionalen Zustände betonen. Birdy scheint demgegenüber ihren Gefühlen viel mehr ausgeliefert zu sein, sie kann ihre für die Atmung notwendige Körperspannung scheinbar nicht mehr kontrollieren. Ihre Expressivität erscheint weniger als eine selbstbewusste emotionale Mitteilung, sondern als ein verzweifelter Hilferuf. Ich möchte dies gerne auf einer anderen Ebene beleuchten und daher auf einen anderen Song und eine Analyse von Laurie Stras verweisen: „Will You Still Love Me Tomorrow“ von den Shirelles ist ein Song aus den frühen 60er Jahren, dessen Erfolg Stras sehr überzeugend auf die jugendlichen Schwächen der Stimme von Sängerin Shirley Owen zurückführt.248 Stras schreibt in Bezug auf die äußerst auffällige Bridge des Songs:249 „The plaintive quality of her edged-up throat resonance accurately dates her voice without exposing it too cruelly, but the comfortable, lower-pitched hook on the song's title phrase allows the memory to retain the pleasanter sound of her relaxed chest voice. The way this record exploited Owen's teenage vocal vulnerability to its best advantage, rather than disguising it or avoiding problem areas, appears to have been something of a revelation.“250 248Vgl. Stras (2011), S.47 – 49. 249Mit dem Text: „Tonight with words unspoken, you said that I'm the only one, but will my heart be broken, when the night meets the morning sun“. 250Dies., S.49. 96 Die stimmliche Schwäche wird hier zur Attraktion des Songs. Stras' Wortwahl ist dabei bemerkenswert: Die Stimme wird ausgestellt („expose“), ausgenutzt („exploit“) und schließlich zur Offenbarung („revelation“). Offenbart und ausgestellt wird dabei vor allem das jugendliche Alter und die Verwundbarkeit der Sängerin, 251 die sich in der stimmlichen Schwäche zeigen. Owen hat dabei weder die Kontrolle über ihre Stimme noch über ihre klangliche Selbstdarstellung, die wie Stras' Worte nahelegen, von dritter Seite inszeniert wird. Gerade das Unbeabsichtigte der Schwäche erscheint dabei als Garant für die sich offenbarende „Echtheit“. Einen ähnlichen Zusammenhang beschreibt Kaja Silverman im Bezug zum Schrei im Film: „What is demanded from woman – what the cinematic apparatus and a formidable branch of the theoretical apparatus will extract from her by whatever means are required – is involuntary sound, sound that escapes her own understanding“252 Dieses Zitat legt nahe, dass die unkontrollierte Äußerung nicht nur ein schlichtes kulturelles Attribut für Weiblichkeit ist, sondern auf ein gesellschaftliches Interesse oder eine kulturelle Erwartungshaltung antwortet. Wie ich bereits dargestellt habe, interpretiert Silverman den Freudschen Kastrationskomplex als die einseitige Projektion von Kastration bzw. Mangel auf Frauen.253 Auch dieser Song kann als Unterstützung dieser kulturellen Projektion von Mangel, Unvollständigkeit oder Schwäche auf den weiblichen Körper gelesen werden.254 Wesentlich erscheint mir dabei, dass es offenkundig ein unbewusstes Vergnügen an der Darstellung machtloser Frauen gibt, die darauf basiert, dass dieser Mangel in einer_m anderen zugleich als Zeichen der eigenen Vollständigkeit bzw. Verdrängung der eigenen Unvollständigkeit funktioniert.255 Birdys hilflose Verzweiflung lässt sich damit als eine weitere kulturelle Darstellung und Bestätigung weiblicher Machtlosigkeit ansehen, die neben Empathie beim Publikum auch das positive Gefühl eigener Überlegenheit (was auch die Assoziation, ihr helfen zu können oder wollen, einschließt) auslösen kann. 251Vgl. auch dies., S.47: „Owen's teen voice could be heard for what it was: developing, vulnerable, sweet, real.“ 252Silverman (1988), S.77. 253Vgl. S.43 dieser Arbeit. 254Vgl. dies., S.75-79. Silverman argumentiert hier, dass die kindliche Erfahrung von Unvollständigkeit und Bedürftigkeit auf die Mutter projiziert wird und beide so ihre Rollen vertauschen. D.h. im Schrei (aber auch in der sinnlosen Stimme des „sonorous envelope“) wird die Mutter «sprachlos» und damit in der sprachlich organisierten Welt hilflos, was eigentlich der alptraumhafte Zustand des Kindes ist. 255Vgl. auch Mulvey (1994), S.58/59 zum Sadismus. 97 Dazu möchte ich noch auf die akustische Repräsentation dieser Machtlosigkeit eingehen: In den beiden Zitaten von Silverman und Stras war jeweils das Unkontrollierbare der akustischen Expression relevant für die Faszination an der weiblichen Stimme. Wie ich bereits erwähnte, produziert Birdy keine selbstbewusste emotionale Mitteilung, wie dies bei der von den drei Sängern[sic] produzierten „echten“ Stimme tendenziell der Fall war, sondern ihre Gefühle scheinen ihre Stimme zu kontrollieren und sich somit selbst mitzuteilen. Hierbei findet eine Umkehrung statt, in der die eigentliche Aktivität den Gefühlen und nicht mehr dem singenden Subjekt zugeschrieben wird. Die Gefühle offenbaren sich regelrecht selbst. Ein Reiz dieser Stimme könnte also durchaus auch darin liegen, dass sie ein Verraten der Gefühle gegen den Willen der Sängerin suggeriert. Der Eindruck von „Echtheit“ würde damit weniger durch den heldenhaften Kampf für die Mitteilung bezeugt, sondern entsteht, weil sich der fühlende Körper gegen die Sängerin durchsetzt. Es geht damit um eine unbeabsichtigte und unfreiwillige Expression, die dem weiblichen Körper scheinbar unbewusst oder unwillentlich entweicht, statt einer selbstbewussten Präsentation der eigenen somatischen Empfindungen, wie sie in den männlichen Beispielen der „echten“ Stimme zu finden waren. Wenn diese Darstellung dabei auch als Bestätigung des Mangels oder der Kastration auf weiblicher Seite funktionieren soll, so erscheint es außerdem plausibel, dass gerade für diese Inszenierung eine „echte“ Stimme in Erscheinung tritt, denn die Bestätigung des Mangels muss für diesen Zweck überzeugend, d.h. „echt“ oder wahr, sein. In ihrer Eigenschaft eine körperlich-somatische Wahrheit mitzuteilen, produziert die „echte“ Stimme Birdys Verzweiflung und die Unkontrollierbarkeit ihres Körpers also überzeugend als wahr und real und funktioniert als Bestätigung der angeblichen Realität eines weiblichen Mangels. Indem dieser Mangel schließlich als Unfähigkeit zur Kontrolle in den Körper eingeschrieben wird, so wird er zugleich naturalisiert. Die hier präsentierte Machtlosigkeit ist damit nicht einfach nur Verzweiflung gegenüber einer vielleicht änderbaren externen Situation, sondern im Versagen der Körperkontrolle auch Machtlosigkeit gegenüber dem eigenen Körper. Wesentlich an dieser Hörweise ist es jedoch, dass sich der_die Hörende nicht mit der Stimme selbst identifiziert, sondern dagegen abgrenzt. Die Abgrenzung kann dabei durchaus empathisch sein, d.h. den Wunsch der verzweifelten Birdy helfen zu wollen einschließen, widerspricht dabei aber einer spiegelhaften Identifikation. Ich möchte damit andeuten, dass es wahrscheinlich verschiedene Hörweisen für die hier inszenierte „echte“ 98 Stimme gibt. Eine Identifikation mit Birdys Verzweiflung halte ich dabei ebenso für möglich, wie eine sich selbst aufwertende Abgrenzung gegen diese Stimme. Die Vermutung liegt nahe, dass sich Hörerinnen eher identifizieren, während Hörer[sic] sich eher abgrenzen, es ist aber ebenso möglich, dass dieses Hörverhalten vom jeweils aktuellen emotionalen Zustand der Hörer_innen abhängt. Ich möchte mich nun noch der im Song inszenierten Verwandlung dieser hilflosen unkontrollierten Stimme in die tröstende „mütterliche“ Klangumarmung zuwenden. Wie ich bereits beschrieben habe, wird diese durch die Instrumente und den Hintergrundchor motiviert, die die verzweifelte Stimme ab der zweiten Strophe klanglich einhüllen. Die am Beispiel von Björks „All Is Full Of Love“ besprochene „mütterliche“ Klanghülle ließe sich hier zuerst einmal auf diese klangliche Umgebung der Stimme projizieren, wobei insbesondere die weiche leicht mit der Stimme und übrigen Instrumenten verschmelzende Klanglichkeit von Chor und Streichinstrumenten einen relativ entkörperten und entgrenzten Klangteppich bilden. Im instrumentalen Zwischenteil bemüht sich nun die Stimme um Verschmelzung mit dem Streicherklang. Das mit sphärischer Stimme singende Subjekt scheint dabei die physische Welt zu verlassen und in dem phantastischen Raum aufzugehen, aus dem zuvor die Instrumente und der Chor als tröstende Kollektivität auftauchten. Dabei wird jedoch die (physische) Individualität aufgegeben und die Stimme geht im klanglichen Kollektiv auf. Das sich zuvor möglicherweise mit der Stimme identifizierende Publikum hat, denke ich, zwei Möglichkeiten mit dieser Passage umzugehen. Entweder die Identifikation wird hier abgebrochen und das hörende Individuum auf seine eigene Situation zurückgeworfen, wobei es dennoch in der „mütterlichen“ Klanghülle, in der nun Chor, Instrumente und Stimme eine Einheit bilden, Geborgenheit finden kann. Andererseits ist es möglich, die Identifikation beizubehalten und Birdys Transformation und Selbstauflösung mitzumachen, so dass der_die Hörer_in sich selbst schließlich als Teil der klingenden Kollektivität begreifen kann. Hierbei entsteht der tröstende Effekt eher durch die Auflösung des Körpers, was in der Konsequenz praktischerweise von somatischen Beschwerlichkeiten wie Trauer und Verzweiflung enthebt: Das im klingenden Kollektiv von Chor und Instrumenten aufgehobene Individuum wird selbst zu einem Teil desselben, wodurch es unempfindlich gegen die physischen und psychischen Schrecken dieser Welt wird. Diese Verwandlung hat dabei durchaus positive Momente, da sie zuerst einmal überhaupt einen Ausweg 99 aufzeigt und weiterhin da die von Birdy präsentierte Entkörperung mit einer gewissen Macht, der Macht zu trösten und emotionale Verletzungen zu heilen, aber auch einer gewissen übermenschlichen Unberührbarkeit, ausgestattet ist. Der Preis für diese Machtposition, die wiederum mit der Verkörperung eines kulturellen Klischees von Weiblichkeit – Mutter als Umgebungsklang – einhergeht, ist auch hier der Verlust des eigenen Körpers. Die emotionale Bedürftigkeit, die Birdy zu Beginn des Songs mitteilt, wird ersetzt mit körperlicher und emotionaler Bedürfnislosigkeit, was angesichts der zu Beginn des Songs vermittelten Trauer und Verzweiflung als ein durchaus verführerischer Ausweg erscheint. Und wieder ist dies eine Verführung zur Reproduktion hochgradig problematischer Bilder von Weiblichkeit: Zwar vermittelt die im Song präsentierte Auflösung des Individuums in der klanglichen Umhüllung einen durchaus überzeugenden Trost, sie versetzt das Individuum aber schließlich selbst in die Position der_des Tröstenden und negiert dessen eigenen emotionalen Bedürfnisse, was an die Selbstentsagung eines Idealbilds von Hausfrau und Mutter erinnert: ohne eigene Bedürfnisse immer emotional verfügbar für ihre Familie. Die im Song präsentierte Verwandlung ließe sich dabei auch als eine Art emotionales Muster verstehen, das die Überwindung eigener Gefühle durch Loslösung vom eigenen Körper demonstriert.256 Zwar ist dies sicherlich als Reproduktion eines aus feministischer Sicht abzulehnenden Verhaltens anzusehen, andererseits bietet es auch eine hilfreiche emotionale Überlebensstrategie, die eine gewisse Unabhängigkeit von der emotionalen Unterstützung anderer erzeugt. 4.2.5 Zusammenfassung: Die Fragmentierung der Anderen und der semiotische Stimmklang Ich möchte nun diese vier untersuchten Beispiele miteinander in Beziehung setzen. Dabei ist es nicht mein Ziel die Heterogenität dieser Songs zu reduzieren und auf eine gemeinsame Formel zu bringen. Vielmehr lassen sie sich als Orientierungspunkte in einem 256Sicherlich imitiert auch der Song diesen emotionalen Umgang mit Trauer. Indem er diesen emotionalen Prozess jedoch klanglich darstellt, wird dieser öffentlich zugänglich gemacht und damit auch als allgemeines Muster, statt eines individuellen Umgangs erkennbar. Dabei ist dieser Song sicher nicht die erste kulturelle Darstellung dieses Verhaltens, sondern ließe sich bei näherer Betrachtung sicherlich in eine ganze Reihe klanglicher, literarischer oder filmischer Darstellungen dieses emotionalen Prozesses einordnen. Simone de Beauvoir [Beauvoir (2012), S.260-362] beschreibt beispielsweise ähnliches: Durch Märchen (Aschenputtel, Dornröschen) und religiöse Demut lernen weibliche Kinder Verzicht, Warten und Leid als weibliche Heldentaten zu begreifen: „Ganz gleich, ob es um Gott oder einen Mann geht, das Mädchen merkt, daß es durch die Bereitschaft zu unbedingter Demut allmächtig werden kann“ [S.362] 100 musikästhetischen Feld außerhalb der „echten“ Stimme verwenden. Sie sollen dabei als Beispiele verstanden werden und sollten, obwohl ich diese Songs gewählt habe, da ich die darin auftretenden Dynamiken für relativ gängige Muster in der Popmusik halte, nicht dazu verführen, sie als ein Raster zur Einteilung von Musik zu verwenden. Allerdings gibt es Gemeinsamkeiten zwischen allen vier Songs, die sich vor allem im Gegensatz zur „echten“ Stimme erschließen. Hierbei erscheinen mir zwei Faktoren relevant: die Positionierung der Sängerin als Andere im Verhältnis zur_zum Hörenden und die Fragmentierung von Stimme, Körper und Subjekt. Diese beiden Faktoren möchte ich nun nacheinander ausführlicher betrachten: Wird die „echte“ Stimme als normative Expression eines emotionalen Selbstbildes des Publikums angesehen, so sind die hier behandelten vier Beispiele als unterschiedliche Formen des Anderen interpretierbar. Vor allem in den Beispielen von Bush, Minogue und Björk lässt sich erkennen, dass hier keine emotionale Kongruenz zwischen singendem Ich und Publikum angestrebt wird, sondern die Sängerinnen in einer antagonistischen Position zum Publikum stehen: Sie erscheinen als Reaktionen auf emotionale und erotische Wünsche des Publikums. Musikalisch wird dabei das hörende Subjekt vom singenden getrennt und im Zentrum des Songs platziert, was vor allem an Kylie Minogues „Stimmchor“ gut nachvollziehbar ist, der sich um ein imaginäres hörendes Individuum herum anordnet. Aber auch Kate Bushs Verführungen und die sphärische Klanghülle, mit der Björks Stimme uns umgibt, orientieren sich klanglich auf ein hörendes Subjekt, das in der Organisation des Songs die Position des eigentlich Wesentlichen einnimmt. Birdys traurige somatische Expression, die als „echte“ Stimme angesehen werden kann, weist ebenfalls einige relevante Unterschiede zu den vorher analysierten Beispielen der männlichen Sänger[sic] auf. Insbesondere funktioniert ihre Stimme nicht als Mittel sozialer Handlungsfähigkeit, die sich in den männlichen Beispielen der „echten“ Stimme vor allem durch den im körperlichen Kampf um die Mitteilung präsentierten Willen ausdrückt, sondern eher als Zeichen körperlicher Ohnmacht und Hilfsbedürftigkeit. Schließlich löst sich ihre Stimme im instrumentalen Zwischenspiel sogar regelrecht vom Körper, was eine somatische Nachempfindung fast unmöglich macht, und steht dem emotionalen Trostbedürfnis des Publikums damit ebenfalls als Gegenpart zur Verfügung. Der Song „People Help The People“ kann also auch als ein Wechsel von der einen in die andere Rolle angesehen werden. 101 Insgesamt werden in den vier Songs dabei verschiedene Klischees von Weiblichkeit aufgerufen. Die präsentierten Frauenfiguren lassen sich überspitzt als undurchschaubare Femme Fatal, als verfügbares Sexobjekt, als übernatürliche Mutter und als hilfloses Opfer interpretieren. Schon diese Klischees positionieren den_die Hörer_in dabei als einen antagonistischen Gegenpol, statt in der spiegelhaften somatischen Gleichheit, die in der Identifikation mit der „echten“ Stimme entsteht. Die dabei entstehenden Subjekte der Stimmen erscheinen außerdem in ihrer Handlungsfähigkeit jeweils auf den_die Hörer_in hin ausgerichtet, indem sie verführen, trösten oder Botschaften überbringen. Einzig Birdys „echte“ Stimme fällt zuerst durch Ohnmacht auf, die sie allerdings in ihrem Verschmelzen mit dem Hintergrundchor überwindet: Nun kann auch sie tröstend helfen, statt hilflos um Trost zu bitten. In Bezug zu Butlers Performanztheorie lässt sich dabei die These formulieren, dass in diesen Beispielen ein handlungsfähiges und intelligibles Subjekt jeweils entsteht, wenn es sich auf eine_n andere_n als Zentrum ihres Tuns hin orientiert. Selbst die so entstehenden Subjekte erscheinen dabei als unwesentlich gegenüber der_dem Hörer_in im Zentrum des Songs. Damit möchte ich auf den zweiten Faktor, die Fragmentierung eingehen, die sich im Gegensatz zur Einheit von Subjekt, Körper und Stimme im somatischen Stimmklang zeigt: Hierbei erscheint mir vor allem der Einsatz des Semiotischen bemerkenswert, das ich jetzt als Gegenbegriff zum in der „echten“ Stimme präsenten Somatischen vorschlagen möchte. Ich habe das Semiotische beschrieben als einen Gesangsstil, in dem der Klang zu einem kontrollierten, vom Körper und vom semantischen Sinn getrennten Objekt wird.257 Die Stimme wird dabei zu einer Art Klanggestalt, die sich als solche eigenständig materialisiert, d.h. sie erhält Präsenz und ist nicht auf eine verweisende Funktion reduziert. Die Klanggestalt steht also nicht, wie ein Zeichen für etwas Drittes abwesendes, sondern ist in seiner eigenen Anwesenheit bedeutend.258 Die semiotische Stimme lässt sich dabei als ein vom singenden Subjekt getrenntes Objekt verstehen. Dabei habe ich bereits argumentiert, dass diese Beziehung zwischen Stimme und Subjekt sich auch auf den Körper übertragen lässt, der als Klanggenerator ebenfalls zum kontrollierten Objekt des Subjekts wird. Es entsteht so eine Distanz zwischen dem 257Vgl. S.72 dieser Arbeit 258Dabei kann die Lautfolge der Klanggestalt auch als Wort verständlich und damit ein Zeichen sein, doch ihr bewusster semiotischer Einsatz als Klanggestalt produziert etwas, das deutlich über diese Zeichenfunktion des Wortes hinausgeht. Dieses Zusätzliche ist es, worauf ich hier hinaus will. 102 singenden Subjekt und seiner Stimme bzw. seinem Körper. Insofern „Echtheit“ oder Authentizität, wie ich bei der „echten“ Stimme argumentiert habe, den Ausdruck innerkörperlicher oder somatischer Wahrheit bedeutet und damit auf einer distanzlosen Beziehung zwischen Stimmklang und Körperempfinden basiert, so ist diese in einem semiotischen Stimmklang nicht mehr möglich. Dabei halte ich genau diese hörbare Distanz für einen wesentlichen Aspekt des Semiotischen: Die Präsenz und Materialität des Semiotischen basiert darauf, dass es eine eigenständige Existenz erhält, die nur in der Loslösung vom Subjekt entstehen kann. Gerade vom weiblichen Körper wird so jedoch wiederholt etwas abgetrennt, wobei gerade das Abgetrennte, d.h. die Stimme, sich als vom Körper abgelöstes und das Begehren antreibende Objekt a im Lacanschen Sinne verstehen lässt. Indem die Stimme den Körper verlässt und nicht mehr an diesen gebunden scheint, spricht sie aus einem Ort im nirgendwo, der sich vor allem in Björks und Minogues Stimme auch sehr gut hörend nachvollziehen lässt: Es können keine bestimmbaren somatischen Körper mehr als Klangquelle dieser Stimmen fixiert werden. Insgesamt möchte ich darauf hinweisen, dass diese Fragmentierung nur eine Untergliederung, nicht aber automatisch eine Negation des singenden Körper-Subjekts bedeutet. Wie ich am Beispiel von Kate Bush deutlich gemacht habe, kann dieses gerade hinter der (und damit produziert durch die) Maske der semiotischen Stimme entstehen. Auch die trostspendende Kollektividentität von Birdy oder die Autorität von Björks Botschaft sind Formen der Handlungsfähigkeit, die gerade durch das Trennen der Stimme vom eigenen somatischen Körper zu entstehen scheint. Ebenso habe ich den Tanzspaß, den ich zu Kylie Minogues „Can't Get You Out of My Head“ beschrieben habe, als Freude über die mit der Aneignung des Körpers verbundene Handlungsfähigkeit interpretiert, was auch hier eine Handlungsfähigkeit auf Basis von Fragmentierung, d.h. der eigene Körper wird als Objekt vom Subjekt angeeignet, bedeutet. Im Rahmen der Performanztheorie lässt sich hiermit die These aufstellen, dass gesellschaftlich intelligible handlungsfähige weibliche Subjekte vor allem entstehen, indem sie eine distanzierte Haltung zu ihrem eigenen Körper einnehmen und diesen nicht als Teil ihrer selbst, sondern als Objekt ansehen und einsetzen. Der weibliche Körper wird damit nicht nur auf einer gesellschaftlichen oder ideologischen Ebene, sondern selbst für Frauen zur Ressource. Er ist dabei immer schon ein kulturell kodiertes Objekt, in das 103 verschiedene Bedeutungen eingeschrieben sind, die es von einer zentralen (männlichen) Perspektive zum begehrten Anderen machen. In Bezug zu Butlers Einverleibungsthese lässt sich auch hier argumentieren, dass dieses Objekt, da es als begehrenswert kodiert ist, vor allem von sich als heterosexuell verstehenden Frauen in den eigenen Körper aufgenommen wird, womit zugleich eine fragmentierte Selbstbeziehung im eigenen Körper reproduziert wird. Zur Abgrenzung möchte ich für einen letzten Punkt hier nochmals auf die „echte“ Stimme in den Beispielen der männlichen Sänger[sic] eingehen: In dieser entstehen intelligible und anerkannte Handlungsfähigkeit und Subjektivität gerade auf Basis einer somatischen Artikulation. Insofern die „echte“ Stimme auch als ein Prozess der kulturellen Produktion der somatischen Empfindungen und ihrer Verarbeitung angesehen werden kann, so produziert sie hier eine Einheit, in der eine Trennung von Stimme, Subjekt und Körper nicht einmal denkbar erscheint. Der so konstituierte männliche Körper ist dabei aber nicht weniger kulturell kodiert und geformt, allerdings geschieht diese Kodierung des Körpers auf einer anderen Ebene: Es werden Gefühle und somatische Körperlichkeiten samt ihrer gesellschaftlich intelligiblen Artikulationsform in einer spontan erscheinenden Gleichzeitigkeit produziert, wobei dieser Prozess, da er auf die Einheit von Subjekt und Körper wirkt, das Subjekt notwendig auf einer Ebene formt, die ihm unbewusst bleiben muss. Hier wird nicht nur eine Handlungsweise, sondern der dieser Handlung zugrunde liegende somatische Impuls, um nicht zu sagen „Wille“,259 als Teil des Selbst mit erzeugt. Eine solche natürlich und spontan erscheinende Verbindung zwischen Innen und Außen kann jedoch in der durch die semiotische Stimme produzierten Fragmentierung nicht entstehen. Indem Subjekt und Körper voneinander getrennt werden, erfolgt die Kommunikation von Innen nach Außen gewissermaßen über den Körper als ein Medium, das vom Subjekt zu diesem Zweck eingesetzt wird. Während das somatische Subjekt der „echten“ Stimme im Körper und damit in der Welt ist, erscheint das Subjekt der fragmentierten Stimme außerhalb; sein Körper bzw. seine Stimme nimmt eher eine stellvertretende Position ein. In der Musik wird so die Stimme zu einem Zeichen für ein Subjekt, das nicht unmittelbar zugänglich wird, wie in der „echten“ Stimme, und damit eher abwesend als anwesend ist. 259Es ist nicht mein Ziel zu klären, was Wille ist, aber ich denke, dieses Wort macht die Distanzlosigkeit zwischen subjektiver und somatischer Empfindung besonders klar. 104 Die semiotische Stimme oder die Stimme als Objekt lässt sich dabei insgesamt sehr unterschiedlich einsetzen. Das Semiotische bietet eine Vielzahl ästhetischer Möglichkeiten, die in dem Objekt „Stimme“ und seiner Beziehung zur Sprache angelegt sind und die der bewussten Formung durch ein Subjekt unterworfen werden. Die semiotische Stimme erscheint damit aus feministischer Sicht durchaus ambivalent: Einerseits stellt sie die Reproduktion einer Fragmentierung des weiblichen Körpers dar und produziert eine klare Abgrenzung zur „echten“ Stimme mit ihrer scheinbaren Einheit. Andererseits bietet sie auch Möglichkeiten des ästhetischen Ausdrucks, die sich als Aneignungsprozesse, d.h. Aneignung von Stimme und Körper (als Objekte), verstehen lassen. Vor dem Hintergrund von Butlers Performanztheorie kann sie dabei auch einen produktiven Ansatzpunkt für Veränderungen sein, in denen der angeeignete Körper oder seine Stimme neu kodiert werden. Eine grundsätzliche Ablehnung dieses Stimmklangs halte ich daher für ebenso falsch, wie ein Ignorieren der potentiellen Möglichkeiten von Handlungsfähigkeit und Selbstwahrnehmung, die in einer positiven und selbstbewussten weiblichen „echten“ Stimme enthalten wären.260 260Ein spannender Song für eine weitere Analyse und ein gutes Beispiel für einen äußerst interessanten und kreativen Umgang mit der semiotischen Stimme scheint mir „One way or another“ von Blondie zu sein, in dem der Gesang teilweise klar semiotisch ist, aber dennoch oft sehr körperlich klingt. 105 5. Klangliche Körperproduktionen – Ein Fazit „Wir alle sind zutiefst verletzt worden.“261 5.1 Worte Ein Ziel in dieser Arbeit war es, nach Begriffen für die bessere Differenzierung von Unterschieden in der Musikerfahrung zu suchen, die für eine feministische Musikbetrachtung produktiv sein können. Ich denke, es ist mir gelungen, verschiedene distanzlose Musikerfahrungen gegeneinander abzugrenzen. Während in der „echten“ Stimme Distanzlosigkeit durch die emotionale Identifikation mit der Stimme entsteht, produzieren die hier dargestellten anderen Stimmen ebenfalls Distanzlosigkeit. Diese basiert allerdings demhingegen auf der körperlichen Auflösung der Stimme als „sonorous envelope“, die zur Umgebung der_s Hörenden wird, auf der eindringlichen Penetranz einer voyeuristischen Hörweise, die der Stimme ihre inneren Geheimnisse zu entlocken trachtet, oder auf einer taktilen Phantasie, die durch die Präsenz körperlicher Klanglichkeit erzeugt wird. In der scheinbaren Unmittelbarkeit einer distanzlosen Musikerfahrung lassen sich so bei näherer Betrachtung verschiedene Modi differenzieren, die ich in dieser Arbeit auch verbal gegeneinander abgegrenzt habe. Dabei habe ich ein Vokabular entwickelt, das beispielsweise zwischen einer empathischen Identifikation mit der „echten“ Stimme und der tanzenden Verkörperung einer objekthaften Stimme differenziert. Ich habe die Mitteilung, die somatische und emotionale Informationen mit dem Publikum teilt, gegen eine transzendente Botschaft abgegrenzt, die das singende Subjekt nur als Medium oder eben Bot_in zu nutzen scheint. Außerdem habe ich Unterschiede zwischen der somatischen Präsenz des Körpers und der damit verbundenen Wahrheit des Gefühls in der „echten“ Stimme, der Stimme als phantastischer Projektionsfläche ohne Anspruch auf Echtheit und einer scheinbar körperlosen Vervollständigung versprechenden stimmlichen Klanghülle herausgearbeitet. Auf der klanglichen Ebene habe ich zudem insbesondere zwischen somatischen und semiotischen Einsätzen der Stimme unterschieden. 261Haraway (1995a), S.71. 106 Die verschiedenen Modi distanzloser Musikerfahrung ließen sich in Anlehnung an Laura Mulveys „visual pleasures“ vielleicht als verschiedene auditive Lüste oder verschiedene Formen von auditivem Vergnügen bezeichnen. Wie bei Mulvey lassen sich diese verschiedenen unbewussten „Pleasures“ dabei mit Geschlecht in Beziehung setzen. Ich möchte einen kurzen Vergleich zwischen Mulveys visuellen und meinen hier entwickelten auditiven Lüsten versuchen. 5.2 Verschiedene Modi auditiver Lust Mulvey arbeitet vor allem mit zwei verschiedenen visual pleasures, die sich allerdings mit zwei der von mir erarbeiteten auditiven Lüsten in Beziehung setzen lassen: Mit Bezugnahme auf Freud wiederholt sie sein Konzept der Schaulust oder Skopophilie, die Lust bereitet, indem „andere Leute zu Objekten gemacht werden, dem kontrollierenden und neugierigen Blick ausgesetzt werden“262 und von Freud in Beziehung gesetzt wird, zu den „voyeuristischen Aktivitäten von Kindern, ihr Bedürfnis, das Private und Verbotene zu entdecken“.263 Dieser Skopophilie setzt sie das Spiegelstadium von Lacan entgegen, bei dem die Identifikation mit einem idealisierten Selbstbild Freude bereitet. Während Frauen dabei im Film zu schaulustig betrachteten Objekten der Skopophilie werden, identifiziert sich das Publikum im Film spiegelhaft mit dem Helden, aus dessen Perspektive sich die Erzählung entwickelt. Diese beiden visuellen Lüste lassen sich dabei recht gut auf zwei der von mir differenzierten verschiedenen lustvollen Hörweisen übertragen: Die im Spiegelstadium präsentierte Identifikation lässt sich auf die Identifikation mit der „echten“ Stimme anwenden; insbesondere da in den männlichen Beispielen diese Stimme unter anderem mit Attributen wie Ganzheit und sozialer Handlungsfähigkeit ausgestattet ist, die sich mit der Verkennung des Spiegelbildes als perfekterem Selbst in Beziehung setzen lässt. Der objektivierende Blick der voyeuristischen auf neugieriges Entdecken gerichteten Schaulust hingegen lässt sich leicht in Beziehung mit der Stimme als einer Art entsubjektiviertem Klangobjekt sehen, wie es vor allem in „Can't Get You Out of My Head“ entsteht. Aber auch der Einsatz einer semiotischen Klanggestaltung, wie sie bei Kate Bush und Björk zu hören ist, kann als eine Betonung der Klangfarbe der Worte und der Stimme interpretiert werden, in der Worte wie Stimme aus einer distanzierten 262Mulvey (1994), S.51. 263Mulvey (1994), S.52. 107 Perspektive zu Objekten bzw. zu „betrachtbaren“ Klangereignisse werden, nicht zu bedeutenden Mitteilungen eines Subjekts. Für Mulvey werden schließlich aufgrund des durch den Kastrationskomplex ausgelösten Unbehagens beim Anblick der Frau zwei psychische Reaktionen auf den weiblichen Körper aufgezählt: die zur Fetischisierung oberflächlicher Schönheit führende Leugnung oder die entmystifizierende Wiederholung des Traumas der Entdeckung weiblicher „Unvollständigkeit“.264 Auch diese beiden ließen sich klanglich einerseits mit der auf die durch das Semiotische entstehende oberflächliche Klanggestalt und andererseits mit dem Entdecken vor allem ungewollter und unkontrollierter Laute, wie dem Schluchzen bei Birdy und den scheinbaren akustischen Einblicken in Kate Bushs Inneres in Beziehung setzen und produzieren dabei jeweils ein Begehren nach einer entsprechenden Offenbarung. Allerdings lässt sich für die Musik eine weitere Form der auditiven Lust feststellen, die sich in Mulveys Aufsatz direkt nicht wiederfinden lässt: die mit Mütterlichkeit konnotierte Klanghülle. Auch diese lässt sich mithilfe von Kaja Silverman mit der feministischen psychoanalytisch beeinflussten Filmtheorie verbinden, wie ich im Kontext meiner Interpretation von Björks „All Is Full Of Love“ dargestellt habe. Die Ähnlichkeit meiner Beobachtungen zu den am Film analysierten Darstellungen von Männern und Frauen legt dabei nahe, dass Film und Popmusik in einem gemeinsamem kulturellen Rahmen von wahrscheinlich unbewussten Vorstellungen von Geschlecht verortet werden können, der sich zumindest teilweise mit psychoanalytischen Begriffen beschreiben lässt. Dabei wäre eine ausführlichere Betrachtung psychoanalytischer Konzepte und ihrer möglichen Anwendungen auf die Musik sicherlich ein viel versprechendes Thema, um sich weiter aus feministischer Perspektive mit Popmusik auseinanderzusetzen. Insbesondere Lacans Begehrens- und Subjekttheorie und die Verwendung seines Objekt a scheinen mir dabei noch ein großes Potenzial für ein tieferes Verständnis unbewusster Prozesse bei der Musikrezeption zu haben. 264Vgl. Mulvey (1994), S.58. 108 5.3 Eigenes und Anderes Auf einer allgemeinen Ebene ließ sich in dieser Arbeit sehr gut zeigen, dass Simone de Beauvoirs theoretisches Konzept der Einteilung in die privilegierte und normative Position des Einen bzw. Eigenen und die davon abgegrenzte und als Abweichung markierte Position der Anderen sich auch in der klanglichen Gestaltung von Popmusik wiederfinden lässt: Die von Männern gesungene „echte“ Stimme nimmt ganz selbstverständlich eine zentralisierte gesellschaftliche Position ein, indem sie als unfragmentierte Einheit den Anspruch auf allgemeine Wahrnehmung und Anerkennung ihrer subjektiven somatischen Mitteilung erhebt und damit den eigenen Körper und die eigene Subjektivität sozial transzendiert. Die verschiedenen anderen Stimmen, die ich in dieser Arbeit analysiert habe, nehmen jeweils nicht die Position dieser selbstbewussten Subjektivität ein, die auf dem eigenen Körper und eigenem Gefühl basiert, sondern erscheinen in verschiedener Weise dezentralisiert. Sie sind fragmentiert, körperlos, künstlich, objekthaft, unkontrolliert oder manipulierend und reproduzieren tendenziell sexistische Frauenbilder. Schließlich lädt die „echte“ Stimme das Publikum zur Identifikation ein, während vor allem Kylie Minogue, Kate Bush und Björk die Hörenden in eine antagoistische Positionierung zu ihrer Stimme treiben. 5.4 Intelligibilität und Reproduktion Mit Judith Butlers Performanztheorie lässt sich argumentieren, dass das Reproduzieren von aus dem Intelligibilitätsrahmen bekannten Formeln für die gesellschaftliche Anerkennung als Subjekt notwendig ist. Da für Butler jedes Subjekt auch ein Geschlecht hat, wären die hier festgestellten stimmlichen Stilmittel, als zitierbare Performanzmuster eines popmusikalischen nach Geschlecht differenzierenden Intelligibilitätsrahmens zu verstehen. Die zitierende Reproduktion dieses Intelligibilitätsrahmens durch Sängerinnen ist dabei einerseits einschränkend, sie gibt ihnen aber zugleich die Möglichkeit gesellschaftlicher Handlungsfähigkeit, indem sie wiedererkennbare Muster ästhetisch einsetzen, so dass beispielsweise Björk ihrer Aussage den Anstrich einer absoluten transzendenten Wahrheit geben kann oder Kate Bushs vielfältiger Einsatz widersprüchlicher Klischees auch als Kritik am Konsum von sexualisierten Frauenbildern interpretierbar wird. 109 Am Beispiel Kylie Minogues habe ich außerdem argumentiert, dass auch die Präsentation des weiblichen Körpers als Sexobjekt auf Basis der sexualisierten Aufladung dieses kulturellen Artefaktes für Frauen als den Besitzenden dieses Körpers Quelle von Macht und Kontrolle über den Zugang zu diesem Objekt sein kann, die im verkörpernden Tanz lustvoll angeeignet und erfahren wird. Gerade im Kontext von Musik als ästhetischer Praxis lassen sich dabei auch die im Intelligibilitätsrahmen vorgegebenen Verhaltensmuster als Material verstehen, aus dem weitere neue und komplexere Bedeutungen entwickelt werden können, die auch den ursprünglichen repressiven Tendenzen von stereotypen Klischees entgegenstehen können. All diese Argumentationen basieren dabei auf der Annahme, dass die performative Produktion singender Subjektivität durch Sänger_innen in der Popmusik durch einen Intelligibilitätsrahmen strukturiert ist, dessen Funktionsweise ich in dieser Arbeit allerdings nur anhand weniger Beispiele thesenhaft skizzieren konnte. Ich bin grundsätzlich überzeugt, dass ein solcher Mechanismus in der Popmusik existiert, ob meine hier präsentierten Ansätze diesen insgesamt korrekt abbilden, müsste anhand weiterer Musikbeispiele verifiziert werden. 5.5 Feministische Konsequenzen Eine sinnvolle feministische Kritik an Popmusik sollte, wie ich in der Einleitung erklärt habe, eher auf der strukturelle Ebene ansetzen und die Auswirkungen des Intelligibilitätsrahmens als Ganzem kritisieren, statt einzelne vor allem weibliche Performanzen als Reproduktionen sexistischer Klischees abzuwerten. Auf dieser Ebene erscheinen mir aufgrund meiner Ergebnisse folgende Punkte relevant: Ersteinmal lässt sich „Echtheit“ als allgemeiner impliziter oder expliziter ästhetischer Bewertungsmaßstab kritisieren, da eine Formel, die behauptet nur „echte“ Musik sei auch gute Musik, in einem Kontext, der von Frauen deutlich weniger „echte“ Musik erwartet und fordert, ziemlich automatisch zu asymmetrischen ästhetischen Bewertungen zu Ungunsten von Frauen kommt und die ästhetischen Äußerungen von Männern als qualitativ besser bewerten würde. Demgegenüber möchte ich vorschlagen, die verschiedenen in dieser Arbeit betrachteten Stimmgebungen als verschiedene gleichberechtigte ästhetische Möglichkeiten der singenden Äußerung zu betrachten. Die Annahme eines den akustischen Raum der Popmusik strukturierenden Intellgibilitätsrahmens hat außerdem Folgen für die Bewertung von ästhetischen 110 Innovationen, da, wenn davon ausgegangen werden muss, dass verschiedene Äußerungsmöglichkeiten nur nach Geschlecht differenziert zur Verfügung stehen, die Verwendungen von für das eigene Geschlecht untypischen Stimmgebungen als ästhetische Innovationen zu verstehen sind, die zudem den Intelligibilitätsrahmen verschieben könnten. Dies wirft auch die Frage nach musikgeschichtlichen Veränderungen in diesem Feld auf, insbesondere wann sich die geschlechterbezogene Aufteilung verschiedener Stimmgebungen in der Popmusik entwickelt hat und in welche Richtung sie sich seitdem verändert. Auch eine Differenzierung in verschiedene Musikgenres sollte bei einer solchen detaillierteren Betrachtung mit einbezogen werden. Aus einer feministischen Perspektive ist insgesamt jedoch nicht eine ästhetische Bewertung von Musik anzustreben, sondern eine politische. Eine feministische Betrachtung von Musik zielt also eher darauf, ob im Klang patriarchale gesellschaftliche Strukturen bestätigt und reproduziert, oder ob positive Veränderungen ermöglicht werden. Dabei erscheint mir vor allem eine Kritik der von Männern gesungenen „echten“ Stimme wichtig, da hier die männliche Perspektive im Zentrum der Popmusik als gesellschaftlicher Praxis beständig reproduziert wird. Insbesondere das in der von den analysierten Sängern[sic] in der „echten“ Stimme präsentierte Körpergefühl, die selbstverständliche subjektive Haltung und das Selbstbewusstsein in der Mitteilung eigener Befindlichkeiten, wiederholt dabei einen Anspruch auf die Welt, der hier erneut in einem männlichen Körper aktualisiert wird. Der von Männern gesungenen „echten“ Musik kommt dabei außerdem das Attribut der Wahrheit zu, d.h., dass die artikulierten Positionen einen Anspruch darauf erheben, als Realitätsabbildungen zu gelten.265 Es gilt diese Position als Konstruktion zu erkennen und gegenüber ihren naturalisierenden Konsequenzen ein kritisches Bewusstsein zu entwickeln. Die verschiedenen von Sängerinnen eingesetzten Stimmgebungen, die ich in dieser Arbeit untersucht habe, sind dabei nicht nur Ausdruck einer dezentrierten Position, sie konstruieren insgesamt eine verkomplizierte Beziehung zum eigenen Körper, der regelrecht erst als durch gesellschaftliche Kodierung entfremdetes Objekt vom Subjekt angenommen werden kann. Dies sollte aus feministischer Perspektive gleichzeitig als Reproduktion einer problematischen Realität, wie auch als eine Strategie zum Umgang mit und in dieser verstanden werden. 265Auch wenn die abgebildete Realität nur die innere Welt des Sängers[sic] ist. 111 Verstehe ich die Rolle von Frauen in Popmusik dabei als Reproduktionen einer entfremdeten Beziehung zum eigenen Körper, so lässt sich dies insgesamt als eine Verletzung ansehen, die für Frauen einen somatischen Zugang zum eigenen Körper negiert oder zumindest erheblich erschwert. Ihr eigener Körper ist in dem Moment, in dem er von ihnen angeeignet wird, bereits kulturell kodiert und zum anderen gemacht. Insofern dieser Zustand der Fragmentierung jedoch immer auf bereits vorhandenes Bezug nimmt und damit jedem einzelnen Popsong bereits vorangeht, lässt sich der einzelne Song jeweils als auch als Ausdruck der damit bereits vorhandenen Verletzung (Birdys „echte“ Trauer) oder als produktiver Umgang damit (insbesondere Bushs negatives Infragestellen jeder Mitteilung) interpretieren. Schließlich halte ich es für wahrscheinlich, dass die verschiedenen mit den Gesangstechniken verbundenen Haltungen auch über die Popmusik hinaus eine Wirkung entfalten, indem sie den allgemeinen über die popmusikalischen Performanzmuster hinausgehenden Intelligibilitäsrahmen beeinflussen und somit ganz allgemein normative Beispiele für legitimes und intelligibles gesellschaftliches Verhalten von Frauen bzw. Männern produzieren. Da sich dies vor allem auf die Stimme bezieht, halte ich dabei insbesondere Auswirkungen auf die realen gesellschaftlichen Artikulationsmöglichkeiten von Männern und Frauen für möglich, indem bestimmte Sprechweisen ermöglicht oder verworfen werden. Dabei ist aber weniger die schlichte Existenz dieser verschiedenen Stimmgebungen und Haltungen in der Popmusik ein Problem, als die Bindung derselben an Geschlechter. Wünschenswert wäre es aus feministischer Perspektive sicherlich, wenn sich die verschiedenen Modi der Stimmgebung von ihrer geschlechtlichen Konnotation lösen würden und damit unabhängig vom Geschlecht zur Verfügung stünden. Allerdings erscheint mir ein solcher Zustand von der aktuellen Popmusik, als Klang wie als Dispositiv, recht weit entfernt. Es stellt sich außerdem die Frage, wie feministische und queere Musik klingt oder klingen könnte. Ich verstehe Queerness und Feminismus dabei als politische Gegenstrategien im Kontext hegemonialer Geschlechtervorstellungen. Insbesondere Queerness überschreitet dabei tendenziell normative Bilder, übertreibt diese und greift sie damit insgesamt an. Sie geht damit in verschiedenen Ebenen über das Bekannte und Hegemoniale hinaus. Ich halte daher aber ein Verständnis der normativen Klangbilder von Männlichkeit und Weiblichkeit 112 für notwendig, um musikalische Performanzen, die subversive oder uneindeutige Abweichungen darstellen, auch im Klang konkret analysieren zu können. Jenseits eines Wunsches nach neuer feministischer Musik ist es jedoch auch möglich, die eigenen Hörweisen zu reflektieren. Die von mir betrachteten Modi einer auditiven Lust, lassen sich durch bewusstes Hören und durch Analysieren der zu ihrem Entstehen notwendigen musikalischen Stilmittel „entzaubern“. Gerade die „echte“ Stimme lässt sich dekonstruieren, wenn ihre akustischen Eigenschaften als Stilmittel und nicht mehr als somatische Mitteilungen gehört werden. Die „echte“ Stimme wirkt damit nicht mehr authentisch und natürlich, sondern lässt sich als komplexe kulturelle Konstruktion erkennen. Eine bewusste Hörweise zerstört dabei allerdings, indem es eine reflexive Ebene integriert, die scheinbare Unmittelbarkeit der unbewussten auditiven Erfahrung und damit einen bedeutenden Teil der darin enthaltenen Lust, sie erzeugt jedoch Selbstbestimmung. Die Analyse von Popmusik wäre dabei insgesamt für die feministische Forschung eine Bereicherung, da das Medium Musik, eine größere Nähe zum Körper aufweist als viele andere Medien und sich somit als Quelle für die Betrachtung kultureller Konstruktion von Gefühlen und anderen körperlichen Empfindungen anbietet. Die feministische Auseinandersetzung mit Klang und Stimmen halte ich angesichts der dargestellten klanglichen Kräfte für die Reproduktion von männlichen und weiblichen Körpern, Stimmen und Subjekten für sehr wichtig. 113 Anhang 114 Quellenverzeichnis Literatur [Internetquellen zuletzt abgerufen am 7.11.2013] Adam, Jochen (2006): „Ich und das Begehren in den Fluchten der Signifikanten – Eine Vernähung der Lacan'schen Psychoanalyse mit dem Zen-Buddhismus“, Oldenburg. Adorno, Theodor W. (1941) (with the assistance of George Simpson): „On Popular Music“, veröffentlicht in: Institute of Social Research: Studies in Philosophie and Social Sience, S.17-48, New York [url: http://www.icce.rug.nl/~soundscapes/DATABASES/SWA/On_popular_music_1.shtml]. Adorno, Theodor W. (1978): „Die Philosophie der Neuen Musik“, Frankfurt am Main. Barthes, Roland (1990): „Die Rauheit der Stimme“ in: ders. Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn – kritische Essays III, Frankfurt am Main. 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Björk (06.11.2002): „All Is Full Of Love“ (Original Mix), MP3 [320 kbit/s], Polydor, Dauer: 04:44. Blondie (03.03.2003): „One Way or Another“, MP3 [320 kbit/s], Parlophone UK, Dauer: 03:28. Buckley, Jeff (30.08.2013): „Mojo Pin“, MP3 [320 kbit/s], Columbia, Dauer: 05:43. Bush, Kate (27.07.1988): „Feel It“, MP3 [320kbit/s], Parlophone UK, Dauer: 03:03. Jackson, Michel (01.01.1982): „Billie Jean“ (Single Version), MP3 [320 kbit/s], Epic, Dauer: 04:54. Minogue, Kylie (14.02.2002): „Can't Get You Out of My Head“, MP3 [320 kbit/s], EMI UK, Dauer: 03:52. Nirvana (23.09.2011): „Smells Like Teen Spirit“ (Album Version), MP3 [320 kbit/s], Universal Music International, Dauer: 05:02. Shakira (15.10.2010): „Loca“ (Featuring Dizzee Rascal), MP3 [320 kbit/s], Sony Music Latin/Epic, Dauer: 03:13. Spears, Britney (01.01.1999): „...Baby One More Time“, MP3 [320 kbit/s], Jive, Dauer: 03:31. The Shirelles (25.03.2011): „Will You Still Love Me Tomorrow?“, MP3 [320 kbit/s], AudioSonic Music, Dauer: 02:46 Williams, Robbie (01.03.2003): „Feel“ (Album Version), MP3 [320 kbit/s], Parlophone UK, Dauer: 04:25. Internetseiten [Zuletzt aufgerufen am 16.11.2013] Webradio: BB Radio: http://bbradio.radio.de/ Flux FM: http://www.fluxfm.de/player/# Spreeradio: http://webradio.spreeradio.de/ 119 Lyrics: A-Z Lyrics: www.azlyrics.com http://www.azlyrics.com/lyrics/nirvana/smellsliketeenspirit.html, http://www.azlyrics.com/lyrics/robbiewilliams/feel.html, http://www.azlyrics.com/lyrics/michaeljackson/billiejean.html, http://www.azlyrics.com/lyrics/katebush/feelit.html, http://www.azlyrics.com/lyrics/kylieminogue/cantgetyououtofmyhead.html, http://www.azlyrics.com/lyrics/bjork/allisfulloflove.html, http://www.azlyrics.com/lyrics/birdy/peoplehelpthepeople.html Lyricsfreak: www.lyricsfreak.com http://www.lyricsfreak.com/k/kate+bush/feel+it_20077236.html, http://www.lyricsfreak.com/n/nirvana/smells+like+teen+spirit_20101055.html, http://www.lyricsfreak.com/b/bjoumlrk/all+is+full+of+love_20018850.html, Magistrix: www.magistrix.de http://www.magistrix.de/lyrics/Michael%20Jackson/Billie-Jean-11266.html, Metrolyrics: www.metrolyrics.com http://www.metrolyrics.com/cant-get-you-out-of-my-head-lyrics-kylie-minogue.html, http://www.metrolyrics.com/feel-it-lyrics-kate-bush.html, Songtexte.com: www.songtexte.com http://www.songtexte.com/songtext/nirvana/smells-like-teen-spirit-73d0c625.html, http://www.songtexte.com/songtext/robbie-williams/feel-5bd6ab80.html, http://www.songtexte.com/songtext/michael-jackson/billie-jean-53da73f1.html, http://www.songtexte.com/songtext/birdy/people-help-the-people-1b9595d0.html Youtube: www.youtube.com http://www.youtube.com/watch?v=JSuUjqVXAD8, Sonstige Quellen: Sengpiel, Eberhard: Internetseite zur Tonhöhenumrechnung. Url: http://www.sengpielaudio.com/Rechner-notennamen.htm 120 Songtexte 121 Nirvana: „Smells Like Teen Spirit“266 Form Text/Stimme Zeit Load up on guns, bring your friends It's fun to lose and to pretend She's over bored and self-assured Oh, no, I know a dirty word 0:34 Hello, Hello, Hello, How Low Hello, Hello, Hello, How Low Hello, Hello, Hello, How Low Hello, Hello, Hello 0:51 With the lights out, it's less dangerous Here we are now, entertain us I feel stupid and contagious Here we are now, entertain us A mulatto, An albino A mosquito, My libido 1:06 Yeah Hey! 1:30 Intro Strophe Refrain Yeay! Strophe I'm worse at what I do best And for this gift I feel blessed Our little group has always been And always will until the end 1:48 266Ich habe zum Erstellen des Textblattes auf folgende Internetseiten zurückgegriffen: http://www.lyricsfreak.com/n/nirvana/smells+like+teen+spirit_20101055.html, http://www.songtexte.com/songtext/nirvana/smells-like-teen-spirit-73d0c625.html, http://www.azlyrics.com/lyrics/nirvana/smellsliketeenspirit.html Bei Unstimmigkeiten zwischen den Quellen habe ich mich für dasjenige entschieden, was meinem eigenem Höreindruck am nächsten kommt. Ebenso habe ich nach eigenem Höreindruck Nebenstimmen und -geräusche ergänzt. Die Textblätter sollen nur zur leichteren Orientierung im Song dienen und stellen keine eigenen Analyseschritte dar. Es fokussiert außerdem auf die Stimme und differenziert daher die rein intrumentalen Passagen weniger genau. Zeitangaben orientieren sich entsprechend auch am Gesangseinsatz. 122 Refrain Hello, Hello, Hello, How Low Hello, Hello, Hello, How Low Hello, Hello, Hello, How Low Hello, Hello, Hello 2:04 With the lights out, it's less dangerous Here we are now, entertain us I feel stupid and contagious Here we are now, entertain us A mulatto, An albino A mosquito, My libido 2:20 Yeah Hey! 2:44 Yeay! Solo Strophe 2:53 And I forget just why I taste Oh, yeah, I guess it makes me smile I found it hard, it's hard to find Oh well, whatever, nevermind 3:34 Hello, Hello, Hello, How Low Hello, Hello, Hello, How Low Hello, Hello, Hello, How Low Hello, Hello, Hello 3:50 Refrain With the lights out, it's less dangerous Here we are now, entertain us I feel stupid and contagious Here we are now, entertain us A mulatto, An albino A mosquito, My libido 4:05 Outro A denial! A denial! A denial! A denial! A denial! A denial! A denial! A denial! A denial! 4:30 123 Robbie Williams: „Feel“267 Form Text/Stimme Zeit Come on hold my hand I wanna contact the living Not sure I understand This role I've been given 0:09 I sit and talk to God And he just laughs at my plans My head speaks a language I don't understand 0:28 Refrain I just wanna feel real love Feel the home that I live in 'Cause I got too much life Running through my veins, going to waste 0:48 Strophe I don't wanna die But I ain't keen on living either Before I fall in love I'm preparing to leave her 1:08 I scare myself to death That's why I keep on running Before I've arrived I can see myself coming 1:27 I just wanna feel real love Feel the home that I live in 'Cause I got too much life Running through my veins, going to waste 1:47 Intro Strophe Refrain 267Ich habe zum Erstellen des Textblattes auf folgende Internetseiten zurückgegriffen: http://www.songtexte.com/songtext/robbie-williams/feel-5bd6ab80.html, http://www.azlyrics.com/lyrics/robbiewilliams/feel.html Bei Unstimmigkeiten zwischen den Quellen habe ich mich für dasjenige entschieden, was meinem eigenem Höreindruck am nächsten kommt. Ebenso habe ich nach eigenem Höreindruck Nebenstimmen und -geräusche ergänzt. 124 And I need to feel Real love And a life ever after I cannot get enough268 2:06 Solo [Instrumentales Zwischenspiel und Gitarrensolo] 2:19 Refrain I just wanna feel real love Feel the home that I live in I got too much love Running through my veins, to go to waste 2:46 I just wanna feel real love In a life ever after, there's a hole in my soul You can see it in my face It's a real big place 3:05 Frauenstimme! Feel [unverständlich] [unverständlich] Feel 3:26 Strophen-artig Come and hold my hand I want to contact the living Not sure I understand This role I've been given 3:34 Outro 3:54 Not sure I understand Not sure I understand Not sure I understand Not sure I understand 268Auch gehört wurde hier: „I cannot give it up“ 125 Michael Jackson: „Billie Jean“269 Form/ Text/Stimme Zeit Hintergrundstimmen Intro ('ugkh) Strophe She was more like a beauty queen from a movie scene (ech) ab 0:29 I said don't mind, but what do you mean I am the one (ukh) Who will dance on the floor in the round (ukh) She said I am the one will dance on the floor in the round (che) 0:53 [Dopplung] [Dopplung] She told me her name was Billie Jean, as she caused a scene (he) Then every head turned with eyes that dreamed of being the one (ukh) Who will dance on the floor in the round (uk) [Dopplung] 1:10 People always told me be careful of what you do And don't go around breaking young girls' hearts And mother always told me be careful of who you love And be careful of what you do 'cause the lie becomes the truth (he-e-ey) Refrain Billie Jean is not my lover (ukh) ab 1:26 She's just a girl who claims that I am the one But the kid is not my son (uuh!) She says I am the one, but the kid is not my son (no no, ukh) 1:50 2:15 For forty days and forty nights Law was on her side (eh) But who can stand when she's in demand Her schemes and plans 'Cause we danced on the floor in the round (hey ugk) So take my strong advice, just remember to always think twice (Do think twice!) (Do think twice!) She told my baby we'd danced till three, then she looked at me Then showed a photo my baby cried his eyes were like mine 'Cause we danced on the floor in the round, baby he-e-e oh oh oh oh [Dopplung] Oh babe [Dopplung] Oh babe eh-eh-eh [Dopplung] [Dopplung] oh, no! [Dopplung],eheh-eh 269Ich habe zum Erstellen des Textblattes auf folgende Internetseiten zurückgegriffen: http://www.azlyrics.com/lyrics/michaeljackson/billiejean.html http://www.magistrix.de/lyrics/Michael %20Jackson/Billie-Jean-11266.html, http://www.songtexte.com/songtext/michael-jackson/billie-jean53da73f1.html Bei Unstimmigkeiten zwischen den Quellen habe ich mich für dasjenige entschieden, was meinem eigenem Höreindruck am nächsten kommt. Ebenso habe ich nach eigenem Höreindruck Nebenstimmen und -geräusche ergänzt. 126 2:31 People always told me be careful of what you do (dah) And don't go around breaking young girls' hearts (dah) She came and stood right by me Then the smell of sweet perfume This happened much too soon She called me to her room Don't break no hearts oh, oh no oh, uhh 2:48 Billie Jean is not my lover (uhh!) She's just a girl who claims that I am the one (ugk) But the kid is not my son, (nono no no no) (nono no no no) [Dopplung] [Dopplung] [Dopplung] 3:05 Billie Jean is not my lover She's just a girl who claims that I am the one But the kid is not my son (no, no!) She says I am the one, but the kid is not my son (no) [Dopplung] [Dopplung] [Dopplung] oh jeah Solo ab 3:29 Hi hi hi uh uh 3:43 She says I am the one, (eck) but the kid is not my son (no no no!) (uh!) [Dopplung] 3:54 (De) Billie Jean is not my lover (ugk!) She's just a girl who claims that I am the one But the kid is not my son (no no) (nonono!) She says I am the one, but the kid is not my son nonono [Dopplung] (..dance to me, babe) no no Uhh! No no 4:15 She says I am the one You know what you did! She says he is my son breaking my heart, babe! She says I am the one Outro Billie Jean is not my lover (ugk) ab 4:27 Billie Jean is not my lover (ugk!) Billie Jean is not my lover (ugk) Fade Billie Jean is not my lover (ugk) out Billie Jean is not my lover... (Unverständlich) 127 Kate Bush: „Feel It“270 Form Text/Stimme Zeit Strophe I [A] After …. the party You took me back .. to your parlour. A little nervous laughter .. Uuh! Locking the door. My stockings fall Onto the floor. Desperate for more. 0:11 Strohe II [A] Nobody else .. can share this. Here comes one and one makes one, The glorious union. Well it could be love, Or it could be just lust, But it will be fun. It will be wonderful. 0:37 Refrain [B] Oh, feel it. Oh, oh feel it, Feel it, my love. Oh, feel it. Oh, oh feel it, Feel it, my love. Oh, I need it. Oh, oh, feel it, Feel it, my love. 1:08 Feel it! See what you're doing to me See what you're doing to me 1:27 Intro 270Ich habe zum Erstellen des Textblattes auf folgende Internetseiten zurückgegriffen: http://www.azlyrics.com/lyrics/katebush/feelit.html, http://www.metrolyrics.com/feel-it-lyrics-katebush.html, http://www.lyricsfreak.com/k/kate+bush/feel+it_20077236.html Bei Unstimmigkeiten zwischen den Quellen habe ich mich für dasjenige entschieden, was meinem eigenem Höreindruck am nächsten kommt. Ebenso habe ich nach eigenem Höreindruck Nebenstimmen und -geräusche ergänzt. 128 Strophe III [A] God, but you're .. beautiful, aren't you? Feel your warm hand walking around. I won't pull away. My passion always wins. Keep on a-moving in. So keep on a-tuning in. Synchronise rhythm now. 1:43 Refrain [B] Oh, feel it. Oh, oh feel it, Feel it, my love. Oh, feel it. Oh, oh feel it, Feel it, my love. Oh, I need it. Oh, oh, feel it, Feel it, my love. 2:13 Feel it! See what you're doing to me See what you're doing to me See what you're doing to me. 2:32 129 Kylie Minogue: „Can't Get You Out of My Head“271 Form Text/Stimme(n) Zeit Lalala, Lala Lalala Lalala, Lala Lalala Lalala, Lala Lalala Lalala, Lala Lalala 0:15 I just can't get you out of my head Boy your loving is all I think about I just can't get you out of my head Boy it's more than I dare to think about 0:29 Lalala, Lala Lalala Lalala, Lala Lalala 0:45 I just can't get you out of my head Boy your loving is all I think about I just can't get you out of my head Boy it's more than I dare to think about 0:52 Every night Every day Just to be there in your arms 1:08 Won't you stay Won't you lay Stay forever and ever and ever and ever 1:22 Intro Refrain Refrain 271Ich habe zum Erstellen des Textblattes auf folgende Internetseiten zurückgegriffen: http://www.azlyrics.com/lyrics/kylieminogue/cantgetyououtofmyhead.html, http://www.metrolyrics.com/cant-get-you-out-of-my-head-lyrics-kylie-minogue.html Bei Unstimmigkeiten zwischen den Quellen habe ich mich für dasjenige entschieden, was meinem eigenem Höreindruck am nächsten kommt. Ebenso habe ich nach eigenem Höreindruck Nebenstimmen und -geräusche ergänzt. 130 Refrain Refrain/ Outro Fadeout Lalala, Lala Lalala Lalala, Lala Lalala Lalala, Lala Lalala Lalala, Lala Lalala 1: 46 I just can't get you out of my head Boy your loving is all I think about I just can't get you out of my head Boy it's more than I dare to think about 2:01 There's a dark secret in me Don't leave me locked in your heart 2:17 Set me free Feel the need in me Set me free Stay forever and ever and ever and ever 2:31 Lalala, Lala Lalala Lalala, Lala Lalala Lalala, Lala Lalala Lalala, Lala Lalala 3:02 I just can't get you out of my head Lalala, Lala Lalala, Lalala, Lala Lalala I just can't get you out of my head Lalala, Lala Lalala, Lalala, Lala Lalala I just can't get you out of my head Lalala, Lala Lalala, Lalala, Lala Lalala Uuhhh.... Uuhhh I just can't get you out of my head Lalala, Lala Lalala, Lalala, Lala Lalala Uuhhh.... Uuhhh 3:17 131 Björk: „All Is Full Of Love“272 Form/Zeit Text / 1. Stimme Text / 2. Stimme Intro, Instr. [A] ab 0:30 Min. You'll be given love You'll be taken care of You'll be given love You have to trust it [B] ab 0:56 Min. Maybe not from the sources You have poured yours Maybe not from the directions You are staring at [A'] ab 1:20 Min. Trust273 your head around It's all around you All is full of love All around you Einsatz 2. Stimme ab 1:45 All is full of love You just ain't receiving All is full of love Your phone is off the hook All is full of love Your doors are all shut All is full of love impeding me laying down [Höhepunkt] 2:12 274 All is full of love 272Ich habe zum Erstellen des Textblattes auf folgende Internetseiten zurückgegriffen: http://www.azlyrics.com/lyrics/bjork/allisfulloflove.html, http://www.lyricsfreak.com/b/bjoumlrk/all+is+full+of+love_20018850.html, http://www.youtube.com/watch?v=JSuUjqVXAD8 Bei Unstimmigkeiten zwischen den Quellen habe ich mich für dasjenige entschieden, was meinem eigenem Höreindruck am nächsten kommt. Ebenso habe ich nach eigenem Höreindruck Nebenstimmen und -geräusche ergänzt. 273Hier wird häufig auch „twist“ gehört, meinem Höreindruck entspricht „trust“ jedoch eher. 274Umstrittene Zeile. Auf vielen Lyrics-Seiten wird die Zeile ausgespart, teilweise wird sie als „Be my lil'angel“ interpretiert, „Impeding me laying down“ wird auf wenigen Seiten gehört, entspricht aber eher meinem Höreindruck. 132 2:14 All is full of love All is full of love All is full of love All is full of love A-a-all All is full of love 2:32 All is full of love All is full of love Ju-ust All is full of love 2:45 All is full of love All is full of love All is full of love All is full of love Instr. ab 3:14 Ab 3:25 All is full of love All is full of love ...full of love ...full of love Outro, Instr. ab: 3:52 133 Birdy: „People Help The People“275 Form/Zeit Text/Stimme Instrumente Intro Klavier Strophe ab 0:21 0:36 Refrain ab 0:50 God knows what is hiding In that weak and drunken heart I guess you kissed the girls and made them cry Those Hardfaced Queens of misadventure [kurze Pause!] God knows what is hiding In those weak and sunken eyes A Fiery throng of muted angels Giving love and getting nothing back Klavier People help the people Klavier, And if your homesick, give me your hand and i'll hold it Streicher, People help the people Bass And nothing will drag you down Überleitung Oh and if I had a brain, Oh and if I had a brain ab 1:13 I'd be cold as a stone and rich as the fool That turned, all those good hearts away Klavier Strophe ab 1:37 God knows what is hiding, In that world of little consequence Behind the tears, inside the lies A thousand slowly dying sunsets Streicher, Schlagzeug, Gitarre, Bass, Klavier 1:50 God knows what is hiding In those weak and drunken hearts I guess the loneliness came knocking No on needs to be alone, oh singing276 275Ich habe zum Erstellen des Textblattes auf folgende Internetseiten zurückgegriffen: http://www.songtexte.com/songtext/birdy/people-help-the-people-1b9595d0.html, http://www.azlyrics.com/lyrics/birdy/peoplehelpthepeople.html Bei Unstimmigkeiten zwischen den Quellen habe ich mich für dasjenige entschieden, was meinem eigenem Höreindruck am nächsten kommt. Ebenso habe ich nach eigenem Höreindruck Nebenstimmen und -geräusche ergänzt. 276Auch gehört wird hier: „save me“ . 134 Refrain ab 2:04 People help the people And if your homesick, give me your hand and i'll hold it People help the people Nothing will drag you down Hintergrundchor, Klavier, Streicher, Schlagzeug, Gitarre, Bass Überleitung Oh and if I had a brain, ab 2:25 Oh and if I had a brain I'd be cold as a stone and rich as the fool That turned, all those good hearts away Klavier, Gitarre, Streicher, Bass Instr. Zwischenspiel ab 2:42 [Instr: Streicher-Solo] Nana Nanana277 Uhhh Nana Nanana Uhhh Schlagzeug, Bass, Streicher, Klavier, Refrain ab 3:26 People help the people And if your homesick, give me your hand and I'll hold it People help the people Nothing will drag you down Hintergrundch or, Streicher, Schlagzeug, Klavier, Gitarre, Bass Überleitung Oh and if I had a brain, Oh and if I had a brain ab 3:48 I'd be cold as a stone and rich as the fool That turned, all those good hearts away Klavier, Gitarre, Streicher, Bass [nach und nach aussetzend] 277Es lässt sich für mich nicht entscheiden, ob hier auf „Nana..“ oder „Lala..“ gesungen wird. 135 Trackliste der beigefügten CD 1. Nirvana Smells Like Teen Spirit 5:01 2. Robbie Williams Feel 4:24 3. Michael Jackson Billie Jean 4:54 4. Kate Bush Feel It 3:03 5. Kylie Minogue Can't Get You Out of My Head 3:51 6. Björk All Is Full Of Love 4:44 7. Birdy People Help The People 4:16 136 Selbstständigkeitserklärung Selbstständigkeitserklärung nach § 23 (7) der Magisterprüfungsordnung der HumboldtUniversität zu Berlin: Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Ich erkläre ausdrücklich, dass ich sämtliche in der Arbeit verwendeten Quellen als solche kenntlich gemacht habe. Mir ist bekannt, dass Verstöße gegen die Grundsätze der Selbstständigkeit als Täuschung betrachtet und entsprechend der Allgemeinen Satzung für Studien- und Prüfungsangelegenheiten der HU (ASSP) geahndet werden. Die Arbeit wurde in gleicher oder ähnlicher Form bisher bei keiner anderen Institution eingereicht. Berlin, den _____________ ___________________________ Lena Müller Postfach 65 03 44 13303 Berlin [email protected] 137 Inhalt 1. Klang, Körper, Stimme und Sprache – Eine Einleitung...................................................1 2. Rahmen................................................................................................................................11 2.1 Feministische Grundlagen........................................................................................11 2.1.1 Simone de Beauvoir – Die Positionierung von Frauen als unwesentliche Subjekte........................11 2.1.2 Judith Butler – Die Einverleibung des heterosexuellen Körpers.................15 2.2 Popmusik als Dispositiv und Mimesis als Weltzugang............................................19 3. Werkzeuge...........................................................................................................................26 3.1 Möglichkeiten sich dem Klang zu nähern................................................................26 3.1.1 Assoziation...................................................................................................26 3.1.2 Homologie....................................................................................................30 3.1.3 Intertextualität..............................................................................................32 3.1.4 Materialität...................................................................................................36 3.1.5 Psychoanalyse..............................................................................................40 3.2 Körperliche Klangproduktion: Die Stimme .............................................................45 4. Analysen..............................................................................................................................54 4.1 Die „echte“ Stimme..................................................................................................55 4.1.1 Nirvana: „Smells Like Teen Spirit“..............................................................57 4.1.2 Robbie Williams: „Feel“..............................................................................63 4.1.3 Michael Jackson: „Billie Jean“....................................................................65 4.1.4 Zusammenfassung: Die „echte“ Stimme als männliche Performanz ..........66 4.2 Andere Stimmen ......................................................................................................69 4.2.1 Kate Bush: „Feel It“.....................................................................................70 4.2.2 Kylie Minogue: „Can't Get You Out of My Head“......................................78 4.2.3 Björk: „All Is Full Of Love“........................................................................86 4.2.4 Birdy: „People Help The People“................................................................91 4.2.5 Zusammenfassung: Die Fragmentierung der Anderen und der semiotische Stimmklang .......100 5. Klangliche Körperproduktionen – Ein Fazit ................................................................106 5.1 Worte.......................................................................................................................106 5.2 Verschiedene Modi auditiver Lust..........................................................................107 5.3 Eigenes und Anderes...............................................................................................109 5.4 Intelligibilität und Reproduktion............................................................................109 5.5 Feministische Konsequenzen..................................................................................110 ANHANG..............................................................................................................................114 Quellenverzeichnis ...............................................................................................................115 Literatur [Internetquellen zuletzt abgerufen am 7.11.2013].........................................115 Musik............................................................................................................................119 Internetseiten [Zuletzt aufgerufen am 16.11.2013].......................................................119 Songtexte...............................................................................................................................121 Nirvana: „Smells Like Teen Spirit“..............................................................................122 Robbie Williams: „Feel“...............................................................................................124 Michael Jackson: „Billie Jean“.....................................................................................126 Kate Bush: „Feel It“......................................................................................................128 Kylie Minogue: „Can't Get You Out of My Head“.......................................................130 Björk: „All Is Full Of Love“.........................................................................................132 Birdy: „People Help The People“.................................................................................134 Trackliste der beigefügten CD............................................................................................136 Selbstständigkeitserklärung................................................................................................137