K3 5/2013 Schwerpunkt
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K3 5/2013 Schwerpunkt
Gender Auch wenn junge Paare zunächst alles anders als ihre Eltern machen wollen, finden sie sich trotzdem später häufig in eben diesen „verhassten“ Rollen wieder. Zwischen geschlechtlicher Eindeutigkeit und gelebter Vielfalt Gene oder Gesellschaft? Wer diese Frage so stellt, trifft heute in allen Bereichen der Wissenschaft auf Unverständnis. Die Frage ist nicht, ob uns die Gene oder die Gesellschaft allein zu einem bestimmten gesellschaftlichen Geschlecht machen – vielmehr interessieren Wissenschaftler/innen wie Prof. Dr. Paula-Irene Villa, Inhaberin des Lehrstuhls „Soziologie/Gender-Studies“ am Institut für Soziologie der LMU München, was mit dem biologischen Körper passiert, wenn er verschiedenen Reizen ausgesetzt wird. Welche Botschaft geht vom „Barbie-Haus“ in Berlin oder TV-Sendern wie DMAX aus? Solche Erscheinungen belegen, dass Werbung und Populärkultur in den letzten Jahren geschlechtsdifferenter geworden sind. Einerseits kann man das „Barbie-Haus“ mit einem Augenzwinkern kommentieren. Andererseits steht es für eine Tendenz, die über die reine Produktplatzierung hinausgeht. Wir haben es seit einiger Zeit mit einer Verunsicherung und gleichzeitig zunehmenden Freiheitsgraden in Bezug darauf zu tun, was Männer und Frauen im Alltag sind oder sein sollen. Ich würde dabei zwar nicht von Angleichung der Geschlechter sprechen – aber es gibt immer weniger Bereiche des Alltags, in denen unhinterfragt klar ist, was Männer- und was Frauensache ist. Vor diesem Hintergrund gibt es wohl ein Bedürfnis, die Geschlechterdifferenz zu dramatisieren. „Barbie-Haus“ und DMAX verfestigen aber Stereotypen, oder? Wenn etwas mit einer derart massiven Holzhammer-Methode daherkommt, ist es karnevalesk. Daneben sehe ich allerdings Erscheinungen, die mich beunruhigen. In München gibt es beispielsweise den ersten Schönheitssalon nur für Mädchen zwischen zwei und 12 Jahren. Durch sogenannte Beauty-Behandlungen wird dort ein idealisiertes – an erwachsenen Frauen orientiertes und sexualisiertes – Geschlechterbild 5|13 hergestellt. Anderes Beispiel: Wenn ich mir aktuelle Kinderbücher ansehe, werden darin heute Geschlechterdifferenzen viel stärker als etwa vor 30 Jahren betont. In der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen muss man sich damit unbedingt auseinandersetzen: Was Geschlechtergerechte Sprache Sprache ist ein Mittel, unsere Gesellschaft und unser Zusammenleben kennenzulernen, zu beschreiben und zu verstehen. Was wir sprachlich nicht benennen (können), bleibt oft unsichtbar. Das führt dazu, dass Leserinnen und Leser vielfach nicht daran denken, dass in einem Text über Pädagogen, Lehrer oder Sozialarbeiter auch Frauen mitgemeint sein können, ebenso wie bei Erzieherinnen oder Krankenschwestern kaum jemand auf die Idee kommt, hier könnten auch Männer vertreten sein. Uns ist es ein Anliegen, dass Frauen und Männer in unseren Texten nicht nur mitgemeint, sondern angesprochen und sichtbar gemacht werden. Deshalb sind wir gerade dabei, für den KJR einen Leitfaden zur geschlechtergerechten Sprache zu entwickeln. In diesem K3 haben wir unsere Texte im Schwerpunktteil bewusst in unterschiedlichen sprachlichen Formen gestaltet, um so bei denjenigen, die sie lesen, eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Schreib- und Sprachmöglichkeiten und deren Effekten anzustoßen. heißt es, Mädchen/Junge zu sein, bin ich richtig oder falsch, unterscheidet sich mein individuelles Leben von den mir verfügbaren Bildern und Geschichten? Ist die Frage, ob biologische oder gesellschaftliche Gründe uns zu dem machen, was man als typisch weiblich oder typisch männlich bezeichnet, angebracht? Nein, in der Entgegenstellung ist das schon lange die falsche Frage. Ab dem Zeitpunkt der Geburt kann man nicht mehr zwischen biologisch und gesellschaftlich vermittelten Faktoren trennen. Die Wissenschaft hat dieses unselige Entweder-Oder-Dogma längst überwunden. Interessanter und produktiver ist die Frage, was es mit dem biologischen Körper macht, wenn er verschiedenen Reizen ausgesetzt ist. Mehr noch: Menschliche Körper und Personen sind in der Lage, Reize – also Erfahrungen – selber zu produzieren. Wir werden also nicht passiv geformt – auch nicht in biologischer Hinsicht. Man kann es auch so erklären: Auch wenn es um den plastischen Organismus geht, wirken Gene nicht per se. Sie wirken je nach Lebensweise, Alter und Umständen. Die gesellschaftliche Zuschreibung von Eigenschaften ist also das Problem? Zuschreibungen an sich sind nicht falsch, sie helfen uns bei der Bewältigung des Alltags. Aber aus Zuschreibungen werden verobjektivierte Strukturen. Dabei geschieht das meist nicht absichtsvoll. Diese Zuschreibungen entstehen im Kontext von Geschichte und vorhandenen Institutionen. Im Ergebnis steht dann: „Das ist halt so“. Noch ein Beispiel: Die Deutsch-Lehrerin meines Sohnes hält es für überraschend und Foto: W.R. Wagner, pixelio.de 14 15 Gender fast unmöglich, dass er Aufsätze schreibt, in denen das Emotionale der Figuren hervortritt. Er sei doch schließlich ein Junge. Ich kann die Zweifel der Lehrerin nicht verstehen und diese Äußerungen nur als ein Festhalten an geschlechtlichen Stereotypen deuten – entgegen eigener Erfahrung. In der Soziologie nennen wir das Ideologie. Viele Unterschiede kommen nicht so sehr durch die Trennung in Männer und Frauen zustande, sondern durch andere Faktoren, die mit der Geschlechtlichkeit verschmelzen – Elternhaus, formale Bildung, Stadt – Land, Alter, soziales Milieu. Es scheint, als gäbe es einen Boom bei der Etablierung von Gender Studies im akademischen Bereich? Diesen Eindruck kann ich nicht bestätigen. In ganz Bayern gibt es beispielsweise genau einen Lehrstuhl – nämlich meinen hier in München. Es gibt allerdings eine Reihe von Kolleg/inn/en, die dieses Thema in ihre Arbeit einfließen lassen. Ich würde sagen, dass sich die interdisziplinären Gender Studies zwar verbreitert haben – von einem Boom kann man aber nicht sprechen. Gender Studies sind zum Thema geworden, weil es die Disziplinen he- rausfordern. Beispiel Soziologie: Die Debatte um Prekarisierung von Arbeit ist eigentlich nicht neu. Sie blendet allerdings aus, dass seit über 100 Jahren die eine Hälfte der Menschen schon immer in prekären Erwerbsbiografien tätig war. Für Frauen ist Prekarisierung nichts Neues. Stichwort Re-Traditionalisierung. Welche Rolle spielt dieser Begriff in Ihrer Arbeit? Der Begriff ist ein bisschen unglücklich, weil er mit einer bestimmten Konnotation verbunden ist. In der sozialwissenschaftlichen Geschlechterforschung untersucht man unter anderem, wie Paare oder Familien funktionieren; inwieweit Wünsche und Realität auseinanderklaffen. Dabei stellt man häufig fest, dass es zu einer sogenannten Re-Traditionalisierung kommt. Bevor diese Paare Kinder bekommen, sagen sie, dass sie anders als ihre Eltern sein wollten. Die gleichen Paare finden sich zehn Jahre später in ziemlich ähnlichen Situationen wie ihre Eltern wieder. Je formal gebildeter die Paare sind, desto weniger nehmen sie die selbst gemachte Ungleichheit wahr. Am Ende steht eben doch eine Ungleichheit der Geschlechter, die erneut eine Generation weitergetragen wurde. Kein Entrinnen aus diesem Automatismus? Doch, selbstverständlich. Aber eben weniger und weniger einfach als viele meinen. Die Forschung spricht von einer körperlich eingeschriebenen Trägheit, die die guten Absichten torpediert. Das hat nichts mit Genetik zu tun – eher mit subtiler Erziehung. Betrachten wir den Alltag, sind viele solcher Beispiele zu finden. Architektur hat Einfluss auf Rollenzuschreibungen, wenn Eltern von der Kita oder der Schule angeschrieben werden, wird in der Regel nur die Mutter benannt, auf den Kinderspielplätzen finden sich überwiegend Frauen. Aber auch hier interagieren Milieu und der formale Bildungsgrad mit dem Geschlecht. Haben wir die Freiheit, zu sein und zu tun, was wir wollen? Wir haben es in unserer Gesellschaft mit deutlichen Freiheitsgewinnen und fortschreitender Pluralisierung zu tun: auch in Bezug auf das Mädchen- bzw. Junge-Sein. Konflikte, die es gibt, sind Ausdruck dieser Freiheit und sie können eine Chance für mehr Individualität sein. Die Rolle der Gender Studies ist die der Aufklärung. Wir geben keine moralischen Begriffsklärungen zum Thema Gender Das muss mal gesagt werden … Geschlechterreflektierte Pädagogik wird deutlich in einer Haltung der einzelnen Pädagog_innen und ihrem Wissen, dass jedes Denken und Verhalten durch Rollenvorstellungen und Erwartungen geprägt ist. Die Pädagog_innen versuchen vor diesem Hintergrund, ihr eigenes Denken und Verhalten zu reflektieren und ihre Arbeit so zu gestalten, dass ungleiche oder benachteiligende Geschlechterverhältnisse bzw. -stereotypen abgebaut werden. Geschlechtsbewusste Koedukation in der Jugendarbeit findet in einem geschlechtsheterogenen Setting statt und beinhaltet ein bewusst pädagogisch gestaltetes gemeinsames (Lern- und) Erfahrungsumfeld für Mädchen und Jungen, in dem gleichberechtigtes, alltägliches Miteinander geübt und unterschiedliche Sichtweisen, Erfahrungen, Lebenslagen und Interessen ausgetauscht und ihnen Raum gegeben werden kann. Crosswork bezeichnet die Arbeit von Pädagoginnen mit Jungen bzw. von Pädagogen mit Mädchen. Ziel der „Über-Kreuz-Pädagogik“ ist es, die tradierten Rollenvorstellungen von Mädchen und Jungen zu irritieren Transparente Begriffsdefinitionen fördern auch beim Thema Gender fruchtbare Diskussionen. und zu erweitern. Von den Pädagog_innen erfordert dies sowohl ein großes Maß an Reflexionsfähigkeit, die eigene Geschlechterrolle als auch die pädagogische Haltung gegenüber Jungen und Mädchen betreffend. Mädchenarbeit sind spezielle Angebote, Zeiten, Räume bzw. Veranstaltungen, die ausschließlich für Mädchen reserviert und angeboten und von einer Pädagogin betreut werden. Sie findet in einem geschlechtshomogenen Setting statt. Jungenarbeit sind spezielle Angebote, Zeiten, Räume bzw. Veranstaltungen, die ausschließlich für Jungen reserviert und angeboten und von einem Pädagogen betreut werden. Sie findet in einem geschlechtshomogenen Setting statt. Queere Pädagogik setzt sich kritisch mit Foto: Maclatz, pixelio.de Beim Thema Gender entstehen nicht zuletzt deshalb mitunter Verunsicherungen, weil die entsprechenden Begrifflichkeiten falsch oder unvollständig verwendet werden. Ein kleiner Leitfaden. der Aufteilung der Welt in zwei Geschlechter auseinander mit dem Ziel, Offenheit für Differenzen innerhalb der Geschlechter und geschlechtliche Zwischenformen zu schaffen. Sie wird auch eingesetzt, um LGBT-Mädchen und -Jungen (= Lesbian, Gay, Bisexual und Trans) adäquat in ihrer sexuellen Identitätsentwicklung zu unterstützen. Parteilichkeit in der koedukativen Arbeit heißt für eine Pädagogin, bewusst und besonders den Blickwinkel von Mädchen einzunehmen und für deren Position und Belange einzutreten (gilt umgekehrt natürlich auch für einen Pädagogen und den Blickwinkel und die Belange der Jungen). Dr. Manuela Sauer, Referentin für Grundsatzfragen, KJR 5|13 16 Gender Richtlinien heraus – auch keine Handlungsanweisungen. Vielmehr können wir forschend feststellen, dass Dinge so oder so sind. Was man daraus macht, muss die Gesellschaft – respektive die Politik entscheiden. Oder frei nach Karl Marx: „Menschen machen sich ihre Geschichte selbst – wenn auch nicht immer aus freien Stücken.“ Das „Barbie-Haus“ macht Ihnen also keine Angst? Nein. Doch wenn es nur das „Barbie-Haus“ wäre ... Schlimmer wiegen die zunehmende Pornofizierung des Alltags oder die Tatsa- che, dass immer mehr Jugendliche massive Diäterfahrungen machen. Es gibt eine große Angst vor Uneindeutigkeiten in geschlechtsrelevanter Hinsicht. Und es gibt gleichzeitig einen starken Rückgriff auf vermeintliche Sicherheiten. Die so entstehenden und sich verfestigenden Ideologien versperren aber die Sicht auf das reale Leben. Das empfinde ich als massiver als das hier oft zitierte „Barbie-Haus“. Wie werden Gender Studies in zehn Jahren aussehen? Einerseits wird es im Alltag immer unklarer, was Frauen und Männer sind und machen. Gleichzeitig wird die Gestaltung der Geschlechterdifferenz dramatisch wichtiger. Heute machen wir bereits den Trend nach Herstellung einer künstlich erzeugten ästhetischen Eindeutigkeit aus. Das Problem könnte die Vermischung beider Tendenzen im Alltagserleben werden: Uneindeutigkeit und Freiheit hier – Sicherheit und Zuschreibung dort. Ich finde aber, dass es ein Gewinn ist, dass die Dinge uneindeutiger werden. Interview: Marko Junghänel Geschlechterrollen in Migrant_innen-Familien Mindestens eingeschränkt gleichberechtigt Diese Zuschreibungen betreffen auch das Thema Gleichberechtigung in den Migrant_ innen-Familien. Die Diskussion um die Geschlechterrollen von Mädchen und Jungen, Frauen und Männern mit Migrationserfahrung ist stark von stereotypen Bildern geprägt. Demnach würden die aus den Herkunftsländern mitgebrachten Werte die „geschlechtlich markierten“ Einstellungen und Rollen bestimmen. In diesem Bild würden die Männer wie Patriarchen über ihre Familien und insbesondere über ihre Frauen und Töchter herrschen. Es wird geschlussfolgert, dass eine solche Machtstruktur die gesellschaftliche Teilhabe von Frauen nicht zuließe. Inzwischen gibt es einige wichtige Studien, die die Lebensentwürfe von jungen Menschen mit Migrationserfahrung und ihre Vorstellungen über Partnerschaft, Familie und Beruf differenziert erforscht haben. Diese Studien bieten zudem die Möglichkeit, die mit Geschlecht verbundenen Rollenerwartungen im 21. Jahrhundert zu analysieren. Wer macht was in der Familie? Die im Jahr 2007 durchgeführte SinusStudie 1 zeigt, dass die oben erwähnten pauschalen Zuschreibungen nicht stimmen. Im Gegenteil: Menschen mit Migrationserfahrung leben genauso wie Menschen ohne Migrationsgeschichte mit unterschiedlichen Orientierungen, Einstellungen, Werten und Zielen in vielfältigen Lebenswelten und bilden daher keine homogenen Gruppen. Anknüpfend an diese Erkenntnisse haben das Bundesministerium für Familie, Seni5|13 Die junge Generation von Zuwanderern hat meist ein sehr modernes Lebens- und Familienbild. oren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und die Landesregierung Nordrhein-Westfalen im Jahr 2010 eine qualitative Kurzzeitstudie in Auftrag gegeben2. Untersucht wurde, welche Vorstellungen von Geschlechterrollen und familiärer Arbeitsteilung Frauen und Männer mit und ohne Zuwanderungsgeschichte tatsächlich haben, welche Modelle sie im Alltag leben und welche Faktoren ihre Wertevorstellungen beeinflussen. Im Fokus standen dabei zwei Generationen – Mütter und Väter mit ihren Töchtern und Söhnen. Damit fragte die Studie auch nach Einflüssen auf die Haltungen und Werte sowie die Zukunftsvorstellungen junger Frauen und Männer. Eine Frage des Alters und von Bildung Basierend auf den Aussagen der Befragten wurden drei Familienmodelle identifiziert, die die Geschlechtervorstellungen der jeweiligen Familienmitglieder prägen. Dies sind traditionelle, eingeschränkt gleichberechtigte und gleichberechtigte Familienmodelle. Die Befragten wurden jeweils dem Modell zugeordnet, zu dem sie die größte inhaltliche Nähe aufwiesen. Im Einzelnen lassen sie sich wie folgt beschreiben: a) Traditionelles Modell: Der Mann ist Alleinverdiener und Ernährer der Familie, die Frau ist nicht oder maximal geringfügig erwerbstätig und allein für den Haushalt und die Kinderbetreuung verantwortlich. b) Eingeschränkt gleichberechtigtes Modell: Beide Partner_innen sind erwerbstätig – in diesem Modell arbeitet die Frau oft in Teilzeit. Der Mann arbeitet nennenswert in Haus- und Familienarbeit mit. Er arbeitet der Frau zu, die den größeren Teil der Arbeit erledigt. c) Gleichberechtigtes Modell: Beide Partner_innen leisten gleichermaßen Erwerbs- sowie Haus und Erziehungsarbeit. Die „geschlechtstypische“ Festlegung von Arbeitsbereichen wird durchbrochen. Foto: Goethe-Institut Kulturelle Vielfalt wird in Deutschland nicht mehr als Bedrohung, sondern Bereicherung des täglichen Lebens wahrgenommen. Trotzdem werden den zugewanderten Menschen und ihren Familien häufig pauschale Einstellungen und Rollen zugeschrieben, die sie von außen als eine homogene Gruppe mit weitgehend ähnlicher Lebensweise erscheinen lassen. Gender Zentrale migrationsspezifische Forschungsergebnisse sind: Die Befragten der älteren Generation bevorzugen eine traditionelle Rollenaufteilung zwischen Männern und Frauen in der Familie. Demgegenüber favorisiert die jüngere Generation gleichberechtigte oder zumindest eingeschränkt gleichberechtigte Modelle. Die Studie zeigt außerdem, dass es die jeweiligen aktuellen sozialen Rahmenbedingungen sind, die das geschlechtsspezifische Rollenverständnis von Frauen und Männern prägen. Kulturelle Einflüsse und Traditionen der Herkunftsländer spielen eine untergeordnete Rolle für die Gestaltung des eigenen Familienlebens. Bis auf wenige Ausnahmen vertreten die befragten jungen Frauen und Männer eine mindestens eingeschränkt gleichberechtigte Position, die von Gerechtigkeit in der Arbeitsund Aufgabenaufteilung in der Partnerschaft von Frauen und Männern geprägt ist. Für sie gilt, dass eine qualifizierte Berufstätigkeit beider Geschlechter ein fester Bestandteil ihrer langfristigen Lebensplanung ist. Die jüngeren Frauen und Männer nehmen Erfahrungen ihrer Eltern vorweg, die durchweg davon berichten, dass deren Familienmodelle sich im Zeitablauf verändert haben. Ob traditionelle oder eher gleichberechtigte Familienmodelle bevorzugt und gelebt wer- 17 den, hängt vor allem von der Generationenzugehörigkeit, dem persönlichen Bildungsniveau, dem aktuellen sozialen Umfeld und bedeutenden biographischen Ereignissen im Leben der Befragten ab. Cumali Naz, Beauftragter für interkulturelle Arbeit im KJR „Migranten-Milieus – Qualitative Untersuchung der Lebenswelten von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“, 2008 2 Die Rolle annehmen? In der Rolle bleiben? Neue Rollen leben?, BMFSFJ 2010 1 „Uns geht’s ums Ganze – Mädchen und Frauen für Selbstbestimmung“ Liegt man bequem auf einer Kühlerhaube? Fachfrauen der Mädchenarbeit entwickelten daraus konkrete Forderungen, die im Münchner FachForum (FaFo) für Mädchenarbeit vorgestellt und diskutiert wurden. Das FaFo entschied sich, eine Kampagne zu den Themen Schönheitswahn, Sexualisierung, und Pornofizierung zu entwickeln. Die Aktion „Uns geht’s ums Ganze“ war geboren. Der Kreisjugendring München-Stadt (KJR) beteiligte sich von Beginn an in Form personeller bzw. finanzieller Unterstützung und engagierte sich bei Konzeptentwicklung und Durchführung von Kongress und Kampagne. Ziele der Kampagne Die Kampagne richtet sich gegen die Pornofizierung und Sexualisierung unserer täglichen Lebenswelt. Durch die massenhafte Verbreitung von Handys und des Internets finden sexualisierte, pornografische, frauenverachtende und gewaltverherrlichende Darstellungen und Inhalte in allen Medien schnell und ungefiltert den Weg zu Mädchen und Jungen. Dem soll etwas Positives entgegengesetzt werden – „Mädchen und Frauen für Selbstbestimmung“ lautet daher der zweite Teil des Kampagnen-Namens. Wir wollen Frauen und Mädchen sensibilisieren, ermutigen und Postkartenmotiv der Aktion im Rahmen der Kampagne „Uns geht’s ums Ganze“ Die Kampagne „Uns geht's ums Ganze” ist eine Weiterentwicklung des bundesweiten Mädchenkongresses zur Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen, der 2011 in München stattfand. Damals wurden dort aktuelle Chancen und Risiken von Mädchen unter den Aspekten Bildung, Gesundheit, kultureller Hintergrund, Mediennutzung beleuchtet. Kernstück des Kongresses war, aufzuzeigen, wie Sexismus und Pornofizierung des Alltags auf die Identitätsentwicklung von Mädchen und Frauen wirken. Beides trägt maßgeblich zur Stabilisierung alter hierarchischer Geschlechterverhältnisse bei. ermächtigen, Manipulationen zu erkennen, Zusammenhänge zu durchschauen und ihre Stimme zu erheben. Voraussetzung dafür, dass Mädchen und Frauen Gegenkonzepte zu den einseitigen medialen Vorbildern entwickeln und leben können, bildet eine stärkende und ressourcenorientierte Arbeit mit Mädchen. Selbstbestimmung als Ziel umfasst deshalb folgende Punkte: n Vielfalt von Mädchen und Frauenbildern sichtbar machen und wertschätzen n gegen die Vermarktung des weiblichen Körpers n gegen die Beschränkung auf enge weibliche Schönheitsideale n Raum zur Entfaltung selbstbestimmter Sexualität jenseits pornografischer Normvorstellungen n Mädchen und junge Frauen sollen in jeder Beziehung echte Wahlmöglichkeiten ha- ben: im Beruf, der Familienplanung; politische und persönliche Lebensgestaltung sind wählbar. Projekte im Rahmen der Kampagne n Als Grundlagen- und Methoden-Input wurde ein Diskussionsleitfaden erarbeitet und an die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Referate und Multiplikatorinnen verschickt. n Im Rahmen der Projektwochen „echt schön“ zu Schönheit und Pornofizierung wurden zwei Workshops durchgeführt. n Die Website www.uns-gehts-ums-ganze.de wurde im Mai 2012 ins Netz gestellt und wird laufend ergänzt. n Die Kampagne wurde auf den beiden Streetlife-Festivals vorgestellt: mit Interviews zu Schönheit, Selbstbestimmung und Pornofizierung. 5|13 18 Gender n Die Mädchenprojektetreffen „Girlz4Girlz“ und „Respect Girls“ aus Berlin zum Thema Selbstbestimmung fanden im Jugendtreff am Biederstein statt – ebenso … n das Theaterprojekt „Catwalk der anderen Art“ vom Kinder- und Jugendtreff Jump In. n In einem Stadtrats-Hearing im Januar ging es um „Pornofizierung: Frauenverachtung in neuer Dimension?“ Ziel war es, rechtliche, politische und mediale Spielräume der Stadt auszuloten und Pornofizierung entgegenzuwirken. Die Initiative wurde in Zusammenarbeit mit der Gleichstellungsstelle und vielen städtischen Referaten durchgeführt. Forderungen n Die Landeshauptstadt München soll ihre Möglichkeiten, gegen sexistische Werbung vorzugehen, ausschöpfen, beispielsweise bei der Ausschreibung und Neuverhandlung öffentlicher Werbeflächen. n Es sollen öffentlichkeitswirksame Werbeaktionen für die Kampagne „Uns geht’s ums Ganze“ ins Leben gerufen und umgesetzt werden, zum Beispiel auf städtischen Fahrzeugen der Müllabfuhr. n Schulung von Lehrerinnen, Pädagoginnen in Kindertagesstätten, Schulen und/oder Einrichtungen zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen gegen die Auswirkungen von Pornofizierung. n Finanzielle Unterstützung für Projekte, Aufklärungs-und Öffentlichkeitsarbeit zur Kampagne. n Themenverankerung in der PädagoginnenAusbildung und den Schulungen für Auszubildende. n Professionelle Sexualpädagogik für Jungen und Mädchen unter dem Blickwinkel der Was macht eigentlich eine Mädchenbeauftragte? Wer ist denn Heidi Klum? Stecken hinter Mädchenarbeit Angebote für konkrete Zielgruppen oder politische Arbeit? Heidi Kurzhals: Beides. Natürlich gibt es konkrete Angebote für Mädchen. Daneben weisen wir in der politischen Arbeit auf weiter bestehende Ungleichheiten hin. In der Projektarbeit geht es darum, Mädchen und jungen Frauen eigene Erlebensräume anzubieten. Sie sollen erkennen, dass es Möglichkeiten für sie gibt, die sie bis dahin nicht im Blick hatten – Stichwort Berufsorientierung. Stehen strukturelle Benachteiligungen hinter diesem Phänomen? Ich denke schon. Das beginnt allerdings oft schon im Elternhaus und bei den Erwartungen, die – aus einem traditionellen Rollenverständnis heraus – an sie gerichtet werden. Mädchen werden darauf trainiert, sowohl optisch als auch verhaltensmäßig einem Ideal zu entsprechen. In der Schule werden Mädchen zudem selten in naturwissenschaftlichen Fächern gefördert. Sie landen in den typischen Ausbildungsberufen und schlussendlich in schlecht bezahlten Jobs. Und auch wenn sie es sich vornehmen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen, scheitern sie damit spätestens dann, wenn Kinder kommen und sie sich als Alleinverantwortliche für ihre Familie wiederfinden. Wie sieht deine tägliche Arbeit aus? Wir wollen, dass möglichst viele Mädchen zu uns in die offenen Einrichtungen kommen. Das ist manchmal nicht leicht, weil wir auch die Eltern überzeugen müssen. Die Gruppenangebote für Mädchen, die einen geschützten Raum bieten, haben sich grundsätzlich be5|13 der Gleichstellungsstelle und verschiedenen städtischen Referaten oder eine Petition gegen sexualisierte Außenwerbung in der Stadt erarbeitet. Abgerundet wird das alles durch einen regelmäßigen Austausch unter Fachfrauen und in verschiedenen Gremien beziehungsweise Arbeitsgruppen. Heidi Kurzhals ist Mädchenbeauftragte im KJR. währt. Bei Mädchen mit Migrationserfahrung ist es aber oft schwer, dass wir sie für unsere Angebote gewinnen. Irgendwann kommt die Zeit, wo Mädchen keine gesonderten Angebote nur noch für sich haben wollen, weil sie keine „Sonderbehandlung“ möchten. Wer von den Mädchen aber erlebt hat, wie schön und entspannt eine Mädchengruppe sein kann, bleibt meist auch dabei. Im politischen Bereich entwickeln wir trägerübergreifend im Fachforum Münchner Mädchenarbeit eine Kampagne. Aktuell läuft die Aktion „Uns geht’s ums Ganze – Mädchen und Frauen für Selbstbestimmung“. Die Kampagne beschäftigt sich mit den Themen Schönheit, Pornofizierung und der Sexualisierung von Mädchen- und Frauenbildern sowie deren medialer Ausbeutung. Wir haben dabei Postkarten- und Plakataktionen entwickelt und ein Stadtratshearing in Zusammenarbeit mit Unterscheiden sich Jungen- und Mädchenarbeit eigentlich in ihren Methoden und Zielen? In der Mädchenarbeit machen wir auf bestimmte Benachteiligungen aufmerksam und vermitteln den Mädchen, dass das eventuelle Scheitern unter diesen Benachteiligungen nichts mit ihrer Person zu tun hat, sondern gesellschaftlich begründet ist. Wir setzen an ihren Ressourcen an und wollen ihnen ein positives Körperbild und Selbstachtung vermitteln. Das ist das Kernstück unserer Arbeit. Insofern gibt es schon Unterschiede zur Jungenarbeit. Wird es weiter eine Notwendigkeit für Mädchenarbeit geben? Mädchen- und Jungenarbeit bleiben Querschnittaufgaben. Ich würde mir wünschen, dass wir die geschlechtersensible Arbeit auf weit mehr Facetten ausweiten. Denn für mich ist klar, dass die Welt nicht so polar ist, wie wir denken – es gibt weit mehr Geschlechtervarianten als Mädchen und Jungen. Und eines wird wohl leider auch künftig bleiben: die Vermarktung von Schönheit, die sich in der fortschreitenden Pornofizierung und Sexualisierung ausdrückt. Wir zeigen den Mädchen, dass es absolut unsinnig ist, angeblichen Idealen wie Heidi Klum zu folgen. Heidi Kurzhals ist Mädchenbeauftragte im KJR Postkartenmotiv der Aktion im Rahmen der Kampagne „Uns geht’s ums Ganze“ Gender Stärkung sexualitätsbezogener Medienkompetenz. 19 den Methoden, Angebote und Konzepte für Mädchen und Jungen entwickelt, die deren kritisches Medienbewusstsein ermöglichen, Selbstachtung fördern. Darüber hinaus wird damit ein positives Körperbild vermittelt und alternative Rollenbilder für Mädchen und Jungen aufgezeigt. Die Kampagne „Pinkstinks“ aus Hamburg veröffentlichte in diesem Zusammenhang eine Petition an den Deutschen Werberat. Die Forderungen beziehen sich insbesondere auf die Einflussnahme des Gremiums auf sexistische und pornografische Werbung. Der Vorstand des KJR unterzeichnete diese Petition umgehend, die im September im Rahmen der Veranstaltung „Konzert und Worte gegen Sexismus in der Werbung“ übergeben werden soll. Das Anliegen der Kampagne, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, wurde vor allem durch das Stadtrats-Hearing in den politischen Raum transportiert. Ein erster wichtiger Schritt auf kommunalpolitischer Ebene ist damit getan. Die Forderungen und Ziele bilden die Grundlage für eine nachhaltige Auseinandersetzung mit den Auswirkungen von Pornofizierung – ein wichtiges Teilziel im Ringen um ein gleichberechtigtes, gewalt- und sexismusfreies München. Die Dokumentation des Hearings soll im Herbst 2013 vorliegen. Die Einrichtungen des KJR arbeiten intensiv an den Themen Schönheitswahn, Sexualisierung, Pornofizierung – sie informieren und sensibilisieren Kinder und Jugendliche bzw. die allgemeine Öffentlichkeit. Dazu wer- Heidi Kurzhals, Mädchenbeauftragte des KJR München-Stadt Was macht eigentlich ein Jungenbeauftragter? Jungs dürfen … Was bedeutet Jungenarbeit? Jonas Stecher: … dahinter verbirgt sich die Arbeit von männlichen Fachkräften mit jungen Männern. Es ist kein Gegenpol zur bereits länger bestehenden Mädchenarbeit – eher eine Erweiterung. Ursprüngliche Ideen gehen auf feministische Themen zurück, wonach Mädchen (vor Jungen) geschützt werden müssen. Heute geht es darum, bestehende patriarchale Männerbilder aufzubrechen. gebot, das Jungs anspricht – klassisches Fitnessangebot, Kampfspiele oder Toben. Dann sind sie schon mal in der Einrichtung. Man kann dann die gemeinsamen Aktivitäten ausweiten – mal zum Rafting fahren, ins Kino gehen oder auch gemeinsam Plätzchen backen und Ostereier bemalen. Es geht also um Mann-Sein-Dürfen und Mann-Sein-Können? In den 1970er Jahren hatte man versucht, durch Koedukation Gleichberechtigung unter den Geschlechtern herzustellen. In der Jungenarbeit versuchen nun männliche Pädagogen, die Rollen von Jungen und jungen Männern aufzuarbeiten. Wir stellen den jungen Männern verschiedene Entwürfe und (Selbst-)Zuschreibungen zur Verfügung. Grundsätzlich ist es von Bedeutung, Jungen männliche Orientierungspunkte in der Grundschule oder im Freizeittreff aufzuzeigen. Wie reagieren die Jungen darauf? Für sie ist es schön, bei einer Aktion unter sich sein zu können. Mit unseren Angeboten holen wir sie bei ihren Interessen ab: Aktivitäten also, die irgendwie wettkampforientiert sind. Neben klassischen Spielen gibt es dann auch mal eine sogenannte Haushaltsrallye, bei der man nähen oder bügeln muss. Auch Musik eignet sich für solche Projekte. Wie sieht die Lebenswirklichkeit für junge Männer in München heute aus? Viele wachsen als Einzelkind oder bei alleinerziehenden Eltern auf. Das verfestigt ein Jonas Stecher holt die Jungen bei ihren Interessen ab. traditionelles Männerbild, weil die Jungen in dieser Situation die Führungsrolle übernehmen müssen. Wie sich vor diesem Hintergrund die Jungen finden, liegt an ihrem Umfeld. Die Medien tragen leider dazu bei, dass sich bestimmte Vorstellungen verfestigen: Männer müssen stark sein, dürfen nicht weinen … Fotos: Marko Junghänel Was sind deine Aufgaben dabei? Zum einen entwickle ich zusammen mit dem Jungenarbeitskreis verschiedene Angebote und koordiniere sie. Darüber hinaus bin ich als Jungenbeauftragter in vielen Gremien auf lokaler, regionaler und bayernweiter Ebene vertreten. Dadurch gibt es einen regelmäßigen Austausch zwischen Theorie und Praxis der Jungenarbeit. Nicht zuletzt dienen diese Gremien auch der politischen Lobbyarbeit – unter anderem dann, wenn es um die Finanzierung von Aus- und Fortbildungsangeboten geht oder die Durchführung von „Jungenaktionen“. Wann bist du erfolgreich mit deiner Arbeit? Wir spüren, dass das Platzhirsch-Gehabe bei und nach solchen Aktionen deutlich nachlässt und die Jungen keine Profilneurosen ausleben. Das liegt ganz sicher daran, dass keine Mädchen dabei sind und sie sich nicht ihre Rollen erkämpfen müssen. Letztlich geht es in der geschlechtssensiblen Jungenarbeit darum, seinen Lebensentwurf als Mann zu finden, der grundsätzlich multioptional ist. Wir stellen überlieferte Traditionen im Rollendenken infrage. Das umfasst die Berufswahl, Partnerschaft, Hobbys. Jonas Stecher ist Jungenbeauftragter im KJR. Wie sieht die praktische Arbeit aus? Man beginnt beispielsweise mit einem An- Interviews: Marko Junghänel 5|13 20 Gender Körperliche Veränderungen und Geschlechtergrenzen in der Pubertät Auf einmal alles ganz anders?* Der Körper von Menschen verändert sich von der Geburt bis zum Tod. Selten jedoch verläuft die reguläre Veränderung so schnell und deutlich sichtbar wie während der Pubertät. Bereits gegen Ende der Grundschulzeit gibt es dafür erste Hinweise: Die Kinder stellen bisherige Selbstverständlichkeiten infrage, wollen immer mehr entscheiden und möchten auf keinen Fall als kleines Kind behandelt werden. Was geschieht im Körper und mit dem Körper? Bei Mädchen werden die weiblichen Hormone Östrogen und Progesteron produziert. Das führt zunächst dazu, dass das Schamhaar-Wachstum beginnt und sich Veränderungen an den Brüsten zeigen. Etwa ein bis zwei Jahre nach diesen ersten Veränderungen setzt ein allgemeiner Wachstumsschub ein. In diesem Rahmen verändert sich die Figur und wird ‚weiblicher’: Die Beckenknochen werden breiter und führen zu einer Rundung des Beckens. Nicht nur Schamund Achselhaare wachsen, auch an anderen Stellen kann die Körperbehaarung zunehmen. Bei Jungen wird das Hormon Testosteron produziert. Als erste körperliche Veränderung werden die Hoden allmählich größer und der Hodensack etwas dunkler. Auch bei Jungen beginnen die Schamhaare langsam zu wachsen und der Penis wird nach und nach größer. Dem schließt sich das allgemeine Körperwachstum an. Dabei bekommen Jungen tendenziell etwas breitere Schultern und die Muskelmasse nimmt insgesamt zu. Bin ich anders? Dass der Körper deutlich das Erwachsenwerden anzeigt, empfinden Jugendliche als beklemmend oder gar bedrohlich. Manche Jungen und Mädchen merken, dass sie ihre Schwärmereien für gleichgeschlechtliche Freunde oder Freundinnen plötzlich nicht mehr so einfach unter ‚kindliche Zugewandtheit‘ einordnen können. Wenn Verliebtheit, Wünsche nach intimer Nähe und sexuelle Bedürfnisse an eine Person des gleichen Geschlechts stärker werden, können Mädchen und Jungen dies irgendwann nicht mehr als kindlich-unschuldiges Verhalten verorten. Die körperliche Veränderung und die immer * Textauszüge in Anlehnung an einen Beitrag für die Publikation „Präsenz zeigen“. (Hrsg.: Aktion Jugendschutz Bayern, AMYNA, in Vorbereitung) 5|13 Das Coming-out gehört zu den schwersten Schritten überhaupt. deutlicher werdenden sexuellen Bedürfnisse zeigen ihnen, dass es sich hier immer mehr um erwachsenes Begehren gegenüber Menschen des eigenen Geschlechts handelt. Und um die Frage: „Bin ich schwul oder lesbisch? Und warum gerade ich?“ Diese Selbsterkenntnis stürzt viele in eine tiefe Identitätskrise – oft die erste Phase eines längeren Comingout-Prozesses. Mädchen können über einen gewissen Zeitraum ihre Wünsche umdeuten oder bagatellisieren. Jungen hingegen spüren genau, dass körperliche Nähe und Intimität zu einem anderen Jungen ab einem bestimmten Alter von der Umwelt sofort wahrgenommen und gebrandmarkt werden. Transsexuelle und intersexuelle Jugendliche Die Tatsache, dass der Körper jetzt deutlich macht: „Du wirst zur erwachsenen Frau oder zum erwachsenen Mann“ kann für Jugendliche auch aus anderen Gründen extrem verunsichernd wirken. Dann etwa, wenn sie beispielsweise eindeutig zur Frau werden, aber gleichzeitig immer deutlicher spüren, dass sie eigentlich ein Junge bzw. Mann sein möchten – oder umgekehrt. In diesem Fall ist von Transsexualität die Rede. Das heißt, dass ein Mensch körperlich ein eindeutiges Geschlecht hat, aber irgendwann merkt: Ich fühle mich unwohl und „unpassend“ in meinem (Geschlechts-)Körper. Auch hier wird klar: Burschikoses, ‚jungenhaftes’ Verhalten von Mädchen wird bis zur Pubertät verstanden und geduldet, danach zunehmend seltener. Jungen, die sich als sogenannte „sissy boys“ eher für angebliche Mädchenthemen interessieren, ernten in der Regel noch deutlicher und früher irritierte und abweisende Reaktionen. Jugendliche, die in der Pubertät spüren, dass sie transsexuell sein könnten, haben oft mit noch weniger Verständnis oder Einfühlsamkeit zu rechnen als lesbische oder schwule Jugendliche. Dementsprechend behalten viele ihre Gefühle lange für sich. Das allmähliche Erwachsenwerden kann auch für intersexuelle Jugendliche schwie- Literatur n BZgA (2010), Jugendsexualität. Eine repräsentative Wiederholungsbefragung von 14bis 17-jährigen Jugendlichen und ihren Eltern, Köln n BZgA (2011), Über Sexualität reden. Ein Ratgeber für Eltern zur kindlichen Sexualentwicklung in der Pubertät, Köln n Löbner, Ingrid (2012), Körpererleben und Sexualität im Kindes- und Jugendalter. Ein Reader, überarbeitete Neuauflage, Tübingen/Reutlingen: Pro Familia n Matthiesen, Silja & Mainka, Jasmin (2011), Intimrasur als neue Körpernorm bei Jugendlichen, in: BZgA Forum. Heft 3/2011, Intimität, Köln: BZgA, S. 25-29 n Middeke, Martin & Füeßl, Hermann Sebastian (2010), Anamnese und Klinische Untersuchung, Stuttgart: Thieme Verlag Foto: Fisch777, pixelio.de Spätestens dann ist – wie es lakonisch in einem medizinischen Fachbuch heißt – „der bislang harmonische Entwicklungsverlauf beendet.“ (Middeke 2010, S. 462) 21 Gender rig werden. Intersexuell bedeutet, dass ein Kind mit nicht eindeutigen Geschlechtsmerkmalen zur Welt kommt. Bei etwa einer von 1.000 Geburten lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen, ob das Kind dem männlichen oder dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden kann. Trotzdem wird den meisten intersexuellen Kindern dieses eindeutige Geschlecht zugewiesen; sie erhalten einen entsprechenden Namen und werden geschlechtsspezifisch erzogen. In der Regel erfolgt auch heute noch in der frühen Kindheit in Absprache mit den Eltern eine operative Geschlechtsanpassung. Ob dieses Vorgehen tatsächlich dem Empfinden entspricht, stellt sich häufig erst in der Pubertät heraus. Nicht selten führen die Operationen zu schweren körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen. Schwierig wird es, wenn das Kind in der Pubertät spürt, dass die ihm zugedachte Geschlechtsrolle gar nicht passt. Was bedeutet das für Pädagoginnen und Pädagogen? Pädagoginnen und Pädagogen sollten sich insbesondere darauf einstellen, dass die Pubertät bei den von ihnen betreuten Kindern und Jugendlichen früher beginnen kann, als sie selbst das erwarten würden. Konkret heißt das: Die klassische Aufklärung über Körperfunktionen und -vorgänge sollte nicht zu spät einsetzen. Aufklärung besteht zudem nicht aus einem einmaligen Gespräch zu Beginn der Pubertät, sondern sollte immer wieder portionsweise bei passenden Anlässen einsetzen. Kinder, die schon Informationen über den eigenen Körper und über Pubertätsveränderungen haben, sind selbstsicherer und müssen keine Angst haben, unter einer schrecklichen Krankheit zu leiden, wenn etwa die erste Menstruation einsetzt oder der erste Samenerguss geschieht. Insgesamt ist es wichtig, in der Arbeit mit Mädchen und Jungen vor und während der Pubertät die große Verschiedenheit der individuellen Entwicklungen mitzudenken. Das bezieht sich etwa auf das unterschiedliche Entwicklungstempo; aber auch darauf, dass nicht alle Jugendlichen heterosexuell sind oder darauf, dass die Bedürfnisse nach Rückzugsräumen und Intimsphäre unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Sebastian Kempf Theaterstück im Kinder- und Jugendtreff Mooskito „Der Weihnachtshorror“ In der Theaterpädagogik sind Gefühle von großer Bedeutung: Durch das Hineindenken in verschiedene Rollen können die Mädchen durch die entstehende Distanz den Zugang zu ihrer eigenen Gefühlswelt verbessern und üben, sich in die Lage anderer Menschen zu versetzen. Selbstwertgefühl steigt Zu Beginn führten wir mit den Mädchen theaterpädagogische Aufwärmübungen durch, die sie ermutigen sollten, aus sich herauszugehen und sich in ungewohnter Weise zu bewegen. Durch freies Sprechen, aber auch durch die Aufmerksamkeit der Gruppe wird das in der Pubertät oft gering ausgeprägte Selbstwertgefühl gestärkt. Zudem werden Wahrnehmung und Bewegungsspielraum des eigenen Körpers dadurch verbessert, indem sich die Mädchen Bewegungen zu verschiedenen Situationen ausdenken und damit spielen. Anschließend wurde durch gruppendynamische Spiele versucht, das Wir-Gefühl zu stärken und etwaigen Ausgrenzungen entgegenzuwirken, da es in diesem Alter häufig zu Eifersüchteleien und Konkurrenzkämpfen untereinander kommt. Im Verlauf Im Rampenlicht zu stehen ist aufregend, Mädchen lernen dabei, aus sich herauszugehen. des Workshops entwickelte sich eine positive Gruppendynamik: Die Mädchen spürten, dass sie aufeinander angewiesen sind und zusammenhalten müssen, damit das Projekt gelingt. Zudem wurden Demokratieverständnis und Sozialverhalten der Mädchen gefördert, indem sie bei Unstimmigkeiten gemeinsam nach einer Lösung suchten. Kreativität und Teilhabe Die Teilnehmerinnen erarbeiteten mit Unterstützung einer Pädagogin den Inhalt des Stücks und konnten so ihre eigenen Interessen einbringen. Jedes Mädchen durfte ihre Rolle frei wählen und erfinden; dies fördert die Kreativität sowie die Möglichkeit der Partizipation. Die Mädchen lernen dabei, sich von ihren Alltagssorgen zu lösen und gedanklich in verschiedene Rollen zu schlüpfen – unabhängig von eigenen oder Foto: Rainer Sturm, pixelio.de Highlight der parteilich-geschlechtsspezifischen Mädchenarbeit im Mooskito war ein mehrwöchiger Theaterworkshop, in dem eine Gruppe von acht Mädchen mit Unterstützung einer Pädagogin ein Theaterstück konzipiert und gemeinsam die Aufführung geplant hatte. Dieses Projekt wurde im geschlechtshomogenen Rahmen angeboten, da es den Mädchen in der Pubertät dann leichter fällt, aus sich herauszugehen und über Gefühle zu sprechen, wenn sie unter sich bleiben. gesellschaftlichen Zuschreibungen. Dadurch werden ihnen Möglichkeiten zur Veränderung aufgezeigt. Nachdem gemeinsam ein Drehbuch erstellt worden war, begannen die Proben. Fünf Übungseinheiten und eine Generalprobe später fühlten sich die Mädchen sicher genug, um ihr Stück öffentlich vorzuführen. Dafür erstellten die Teilnehmerinnen selbst einen Flyer, den sie an geladene Gäste verteilten. Zur erfolgreichen Aufführung kamen über 35 Personen. So konnte auch der Kontakt zu den Eltern vertieft werden. Natürlich lief nicht alles glatt; ein paar Fehler sorgten für herzliches Lachen im Publikum. Die ausgelassene Stimmung bei der „AfterShow-Party“ zeigte, wie erleichtert und stolz die Mädchen auf das Erreichte waren. Astrid Bramm, Katharina Fertl, KJT Mooskito, KJR 5|13 22 Gender Umsetzung der qualitativen Indikatoren der „Leitlinien Mädchen“ Maßstab für tägliches Handeln Dazu wurde von den Abteilungsleitungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) ein Fragebogen entwickelt, der von den Einrichtungen ausgefüllt und zum Teil mit den Abteilungsleitungen besprochen wurde. Zusätzlich zu den Abfragen gaben die Mitglieder des Arbeitskreises Mädchen (AK) ein Feedback zur Erprobungsphase ab, das in Kleingruppen erarbeitet worden war. Das Ziel der Erarbeitung von Indikatoren bestand nicht darin, dass jede Einrichtung diese vollständig in der pädagogischen Arbeit umsetzt, sondern die Einrichtungen gemäß eigenem Profil und Schwerpunktsetzung im Rahmen der Zielvereinbarungen die Umsetzung anhand der Indikatoren eigenständig steuern und überprüfen kann. Fast alle Indikatoren in der Praxis umgesetzt Dennoch zeigt sich in der Auswertung, dass ein großer Teil der insgesamt 39 Indikatoren in vielen Häusern umgesetzt wird. Über alle diese Indikatoren hinweg ergibt sich ein Umsetzungsgrad von etwa 66 Prozent. Das bedeutet, dass 26 Indikatoren im sehr guten bis guten Umsetzungsbereich liegen. Nur zwei Indikatoren befinden sich im sehr Kindertreff Bogenhausen Im Zuge der Evaluierung der Leitlinien Mädchen (LL Mädchen) wurden 2009/2010 qualitative Indikatoren entwickelt, um eine fachliche Steuerung, Zielformulierung bzw. -überprüfung der Umsetzung vornehmen zu können. Die Indikatoren wurden im Jahr 2012 vom Vorstand des Kreisjugendring München-Stadt zur Erprobung beschlossen, um im Anschluss deren Praxistauglichkeit überprüfen zu können. Mädchenarbeit im Kindertreff Bogenhausen geringen Umsetzungsbereich (in weniger als 20 Prozent der Einrichtungen umgesetzt). Das ist nicht verwunderlich, weil beide Indikatoren nicht für die OKJA-Einrichtungen, sondern den Kita-Bereich entwickelt wurden. Die besten Umsetzungswerte über alle Einrichtungen und Regionen hinweg erreichen diejenigen Indikatoren, die in etwa 90 Prozent der Einrichtungen umgesetzt werden. Diese sind: n „Die geschlechtergerechte Haltung und Auffassung von Bewerbungen für eine Stelle wird im Bewerbungsgespräch abgefragt.“ n „Mädchen wird der Zugang zu allen koedukativen Angeboten ermöglicht, und sie werden dabei unterstützt. Gründe für die Nichtwahrnehmung werden in der Teamsitzung überprüft und besprochen.“ n „Es gibt eigene Angebote nur für Mädchen.“ n „Den Mädchen werden Erlebnisräume ermöglicht, und sie werden zu neuen Erfahrungen herausgefordert.“ Die Mitglieder des AK kamen zu einer positiven Bilanz der Umsetzungsphase der Indikatoren. Nach Einschätzung der meisten Mitglieder des AK sind diese Indikatoren hilfreich und zielführend für eine gute Mädchenarbeit, da sie eine Orientierungshilfe darstellen, Bestandsaufnahme und Selbstreflexion ermöglichen sowie Anregungen für neue Ideen liefern. Über die Konsequenzen aus der Erprobungsphase wird der Vorstand des KJR in einer der nächsten Sitzungen beraten. Dr. Manuela Sauer, Referentin für Grundsatzfragen, KJR Männer in ErzieherInnen-Berufen Unter Generalverdacht!? Seit etwa 15 Jahren findet in der Bundesrepublik eine intensive Debatte um die Frage statt, wie der Anteil männlicher Fachkräfte in sogenannten ‚Frauenberufen’ – vor allem in Kindertagesstätten – erhöht werden kann (vgl. Koordinationsstelle ‚Männer in Kitas’ 2012). In diesem Zusammenhang werden in erster Linie solche Sachverhalte erörtert, welche konkreten Ziele mit der Gewinnung von Männern für soziale Berufe erreicht werden sollen und wie sich hierdurch Geschlechtszughörigkeit und Geschlechterdifferenz – sprich Geschlechterverhältnisse – verändern könnten. 5|13 Die Diskussion wird sowohl in fachlichen Zusammenhängen als auch innerhalb der medialen Öffentlichkeit bzw. der Politik geführt. Im Fokus der Erörterungen liegen vor allem drei Problemstellungen. Zum Ersten die Frage, wie männliche Fachkräfte für den Beruf des Erziehers gewonnen werden können; zum Zweiten die Frage, welche Funktion Männern als Erzieher in Kitas zukommt und über welche besonderen Qualifikationen sie verfügen sollten. Zum Dritten die Frage, wie mit dem immer wieder geäußerten Generalverdacht gegenüber Männern und dessen Auswirkungen auf die Professionalität von ErzieherInnen umgegangen werden kann und muss. Zu allen drei Fragekomplexen werden unterschiedliche Positionen und Zugänge vertreten, wobei diese wesentlich von den Eigeninteressen der Beteiligten, den Konstruktionsprozessen von Geschlecht im institutionellen Kontext (beispielsweise durch die Interaktion der Professionellen in den Kitas, durch den Träger, durch die Interaktion der Erzieher Innen mit den Kindern, durch die Eltern), den gesellschaftlichen Geschlechterverhältnissen und vergeschlechtlichtem Handeln in Arbeitskontexten abhängig sind. Dass in solchen Arbeitskontexten geschlechtstypische Differenzen und Handlungsweisen verstärkt werden, darauf wird unter anderem in den Studien der Koor- Gender dinierungsstelle ‚Männer in Kitas’ (2012) sowie von Buschmeyer (2013) verwiesen. Generalverdacht beeinflusst Selbstverständnis Deutlich werden Fragen der Geschlechterverhältnisse und Geschlechtsattribution (Einflussnahme anderer auf die Einnahme der „richtigen“ Geschlechtlichkeit, vgl. Buschmeyer 2013) auch und besonders am gegenüber männlichen Erziehern geäußerten Generalverdacht. So zeigt sich in vom Autor geleiteten Fort- und Weiterbildungen für ErzieherInnen, dass durch die männlichen Teilnehmer der Aspekt des Generalverdachts immer wieder als ein ihr professionelles Selbstverständnis und ihre alltägliche Arbeit stark beeinflussender Sachverhalt wahrgenommen wird. Um den Generalverdacht im Alltag zu entkräften bzw. zu umgehen, haben sie individuelle Strategien entwickelt. Zugleich trage der Generalverdacht nicht unwesentlich dazu bei, n ihr professionelles Handeln infrage zu stellen (bis dahin, dass sie überlegen, ob sie überhaupt in diesem Berufsfeld arbeiten können), n dass Träger und Einrichtungen Festlegungen gegenüber den männlichen Erziehern träfen, die den Umgang mit Kindern einschränken und n bestehende Geschlechtervorstellungen und Stereotype zu zementieren. Die von den FortbildungsteilnehmerInnen geäußerten Bedenken zur eigenen Tätigkeit werden durch die Studie von Buschmeyer (2013) belegt. Die Autorin zeigt auf, dass Erzieher ihr alltägliches Handeln sehr wohl am Generalverdacht ausrichten, sich hierdurch an einer geschlechtsspezifischen Professionalität orientieren und diese verfestigen. So sind sie im alltäglichen Umgang mit Kindern bemüht, Körperkontakte zu vermeiden bzw. im körperlichen Handeln Distanz gegenüber den Kindern zu wahren, um sich nicht dem Verdacht der sexuellen Gewalt ausgesetzt zu sehen. Die Gefühlsarbeit der Erzieher mit den Kindern – im Sinne der Arbeit am Wohlbefinden und an den Gefühlen der Kinder – werde hierdurch ebenso beeinflusst wie das professionelle Selbstverständnis der Erzieher (vgl. Buschmeyer 2013). Handeln folgt Logik des Verdachts Dass sich der Generalverdacht auf das Selbstbewusstsein und das professionelle Selbstverständnis der Erzieher auswirkt, haben auch Cremers/Krabel (2012) in ihrem Beitrag dokumentiert. Für die Autoren ist der Generalverdacht ein „unsachgemäßes (Vor-)Urteil“ und führe bei „Männern in der Berufsorientierung, bei Studierenden in der Ausbildung und bei männlichen Fachkräften in der Praxis zu Verunsicherungen“ (S. 266). Die Autoren sprechen sich dafür aus, dass Träger von Kitas und auch die Kitas selbst sowohl den Aspekt des Generalverdachts als auch den des sexuellen Missbrauchs in pädagogischen Institutionen thematisieren. Durch Cremers/Krabel werden im Beitrag 23 „Bausteine eines Konzepts zum Umgang mit dem Generalverdacht“ sowie „Schutz vor sexueller Gewalt“ entwickelt, die die Basis für einen professionellen Umgang mit diesen Themen in Kitas sein können und dazu beitragen würden, ihre männlichen Mitarbeiter sowohl vor dem Generalverdacht zu schützen als auch in ihrer Professionalität und ihrer professionellen Identität zu stärken. Gerd Stecklina, Hochschule München, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften Literatur n Buschmeyer, Anna (2013): Zwischen Vorbild und Verdacht: wie Männer im Erzieherberuf Männlichkeit konstruieren, Wiesbaden n Cremers, Michael/Höyng, Stephan/ Krabel, Jens/Rohrmann, Tim (Hrsg.) (2012): Männer in Kitas, Opladen, Berlin, Toronto, hrsg. für Koordinierungsstelle ‚Männer in Kitas’ n Cremers, Michael/Krabel, Jens (2012): Generalverdacht und sexueller Missbrauch in Kitas: Bestandsanalyse und Bausteine für ein Schutzkonzept, in: Cremers, Michael/Höyng, Stephan/ Krabel, Jens/Rohrmann, Tim (Hrsg.) (2012): Männer in Kitas. Opladen, Berlin, Toronto, hrsg. für Koordinierungsstelle ‚Männer in Kitas’; S. 265-285 Haushaltsrallye für Jungen Das pädagogisch wertvolle Bügeleisen „Haushalt ist Frauensache. Die können das viel besser. Ich hab auch keine Lust, das zu lernen – macht ja keinen Spaß“. So ähnlich klingt es, wenn man Jungen fragt, wer zu Hause kocht, wäscht oder den Tisch deckt. In vielen Fällen kommt es sogar vor, dass Jungen sich schlicht weigern, einfachste Arbeiten im Haushalt zu erlernen. Wozu auch, wenn man nach der Schule nach Hause kommt und das Mittagessen auf dem Tisch steht. Selbst das kleine Loch hat die Mama noch schnell geflickt. Oft kommen Jungen gar nicht erst in die Versuchung, sich an der Hausarbeit zu beteiligen. Es scheint einfach nicht notwendig zu sein – manchmal sollen sie sich auch gar nicht beteiligen. Traditionelle Rollenmuster von Mann und Frau gibt es in vielen Familien noch immer. Sie unterstützen eine „Anti-HausarbeitsHaltung“. Jungen und Männer können aber gute Haushälter sein. Die Praxis zeigt, dass das Erlernen verschiedener Tätigkeiten im Haushalt sogar Spaß machen kann: Im April fand deshalb erneut eine Haushaltsrallye für Jungen statt. Durchgeführt wurde diese Aktion vom Jungenarbeitskreis. (siehe dazu Artikel „Männersache“, K3, 4-2013) Warum eine Rallye? Obwohl wir in einer pluralen Gesellschaft leben, sind bis heute traditionelle Muster von Männlichkeit in die Köpfe vieler Menschen eingebrannt. In vielen Familien gilt der Mann nach wie vor als Familienoberhaupt und Ernährer – die Frau versorgt. Aufgabe der Jungenarbeit ist, durch Aktionen, wie beispielsweise eine Haushaltsrallye diesem Rollenverständnis entgegenzuwirken. Die 5|13 24 Gender Jungen sollen sich innerhalb ihrer sozialen Umwelt ohne vermeintliche gesellschaftliche Zwänge entwickeln können. Zwar wurden bereits viele Schritte unternommen; die Geschlechterrollen sind zudem scheinbar flexibler geworden. Aktuelle Statistiken zeigen jedoch, dass sich die traditionelle Arbeitsteilung im Haushalt bisher wenig verändert hat. Die Haushaltsrallye will deshalb Jungen zur partnerschaftlichen Teilung der Haushaltsarbeit ermutigt. „Ganz nebenbei“ können sie dabei ihre Kompetenzen ausbauen. Auf spielerische Art stellen die Jungen ihr haushälterisches Können unter Beweis: Schneller, höher, weiter – der olympische Gedanke ist Jungen schon von klein auf bekannt. In Wettkämpfen zu zeigen, was man kann, führt nicht nur zu Selbstbestätigung und Anerkennung. Es macht zudem Spaß, besser zu sein, sich selbst zu steigern und am Ende einen Preis für sein Können zu bekommen. Es kommt hierbei nicht allein auf körperliche Stärke an. Die wichtigsten Eigenschaften, die mitzubringen sind, sind Genauigkeit, Teamarbeit und Kreativität. Die Praxis zeigt, dass diese Eigenschaften nicht vom Alter eines Jungen abhängig sind. Vielmehr spielen Übung und männliche Vorbilder, bei denen man sich etwas „abschauen“ kann, eine zentrale Rolle. In einigen Einrichtungen des Kreisjugendring München-Stadt (KJR) wird vor der Rallye mit Pädagogen geübt. Da die Jungs gut abschneiden wollen, nehmen viele dieses „Training“ gern an. Sie lernen dabei fast unbewusst bis dato unbekannte Griffe und Kniffe beim Knopfannähen, Bügeln oder Serviettenfalten. Die Pädagogen werden dabei als Vorbilder, Trainer oder Idole genutzt. Ein schier unendlich weites Lernfeld In der pädagogischen Arbeit mit Jungen soll eine Auswahl an Männerbildern gezeigt werden: Ein Mann ist nicht nur Familienernährer, Macho und Handwerker. Ein Mann kann genauso gut Hausmann und/ oder Unterstützer bei der Hausarbeit sein. Patriarchale Männerbilder mit tradierten Rollenmustern können durch die Rallye aufge- brochen und erweitert werden. Jungen sollen verstehen, dass Hausarbeit nicht Frauensache ist, sondern sie diese Aufgaben ebenso gut übernehmen können und sollen. Das Erlernen dieser Tätigkeiten nützt den Jungen selbst. Sie werden selbständiger und autonom. So können sie beispielsweise selbst bestimmen, ob sie ihr Hemd noch einmal auf Vordermann bringen wollen, bevor sie es anziehen. Da für die Bewältigung der verschiedenen Stationen der Haushaltsrallye unterschiedliche Kompetenzen benötigt werden, stellt sich der Lernerfolg nicht ausschließlich auf Haushaltsebene ein. An der Station „Tischdecken“ kommt es beispielsweise auf Kreativität an; beim Knopfannähen ist Feinmotorik gefragt. Abgerundet wird die Rallye durch ein Haushalts-Quiz, bei dem das Wissen theoretisch „geprüft“ wird. Die Kompetenzen, die bei der Haushaltsrallye vermittelt werden, sind für die Jungen von entscheidender Bedeutung – wertvolles Wissen fürs Leben gewissermaßen. Jonas Stecher, Jungenbeauftragter des KJR Mädchen im Bauspielbereich Eine „spielernste“ Angelegenheit Natürlich stehen alle Angebotsbereiche Mädchen und Jungen gleichermaßen offen. Jeder kann ganz niedrigschwellig und ohne Umstände zu uns kommen und kostenlos im sogenannten Werkzeugkonti Geräte leihen. Man bekommt von fachlich versierten Pädagogen Anleitung – eine sogenannte Bauhilfe. Jedes Kind kann einfach und ohne Geldeinsatz eine Hütte „mieten“ – an jedem Öffnungstag zwischen 13 und 18 Uhr. Yes, we can – zum Beispiel sägen, hämmern, Häuser bauen … „Mädchen wollen halt nicht bauen“ Man könnte fragen: „Warum brauchen wir … in der außerschulischen Jugendbildung einen eigenen Beitrag zur Mädchenbildung?“ (Kunert-Zier, 2011, S. 199). Im Bauspielbereich stecken viele Personalressourcen und hoher Materialeinsatz; der größte Platz unserer Einrichtung ist für den Bauspielbereich vorgesehen. Dieser Bereich ist Kernstück des ABIX. Das Angebot 5|13 ist Magnet und das Aushängeschild der Einrichtung: toll, aufregend, attraktiv. Zumindest aus der Sicht der Jungen. Denn Tatsache ist, dass der Bauspielbereich1 wesentlich stärker von Jungen als von Mädchen genutzt wird. Trotz aller pädagogischen Bemühungen sind nur 30 Prozent Mädchen als Nutzer des Bauspielbereichs zu finden. Dabei wurde Aufenthaltsdauer und Länge der Betreuung oder die eigene Aktivität nicht dokumentiert. In diesem Fall würde die Bilanz wohl noch ungleicher ausfallen. Das bedeutet, dass der Bauspielbereich zu 70 bis 80 Prozent von Jungen genutzt wird. So müssen wir feststellen, dass auch in unserem durchdachten und professionellen Angebot eine indirekte Verschiebung zugunsten männlicher Jugendlicher stattfindet. (Die Gesamtbesucherzahl liegt im Gegensatz dazu mittlerweile schon lange konstant bei Foto: ABIX ABIX – der Abenteuerspielplatz Hasenbergl – besteht aus einem großen pädagogisch betreuten Aktivspielplatz mit spannenden Spielgeräten, dem ganzjährig und wetterunabhängig geöffneten Kinderspielhaus, einer Lernförderung für eine kleine Stammgruppe und einem gut ausgestatteten Bauspielbereich. Hier können Kinder – pädagogisch betreut – mit echten Werkzeugen wie Säge, Hammer und Nägeln Hütten bauen, sie mieten und manchmal diese auch wieder abreißen. Gender 50 : 50). Diese Situation spiegelt sich übrigens auch in der „echten“ Berufswelt wider: Wo zieht es unsere Mädchen im beruflichen Bereich hin? „Knapp 30 Prozent der Beschäftigten im Handwerk sind (zwar) Frauen … Frauen (stellen) im Friseurhandwerk (79 Prozent), bei Augenoptikern (62 Prozent), Gebäudereinigern (54 Prozent), Fotografen (63 Prozent) sowie in den Lebensmittel- und Gesundheitshandwerken die Mehrheit der Beschäftigten”. (Glasl, S. 13). Bisher arbeiten im gesamten Tischlerhandwerk aber nur 9,3 Prozent Frauen2. Wo ist also das Spiel, wo beginnt der Ernst? Wir sollten uns die Frage stellen, inwiefern der „Bauspielbereich“ eher als „Bauernstbereich“ betrachtet werden müsste. Klar, die Kinder bauen nicht ernsthaft, sie "spielen" bauen. Sie können im Bauspielbereich aber recht ernsthaft am Werk sein. Die Werkzeuge verleihen dem Akteur auf jeden Fall schon äußerlich Ernsthaftigkeit. Er muss vorsichtig sein, er muss was drauf haben, aufpassen, sich nicht wehzutun und seine Sache richtig machen. Am Ende jeden Jahres wird ein Preis – der Goldene Hammer – für das tollste Haus verliehen. Auch das ist für Kinder eine durchaus ernste Angelegenheit und echte Anerkennung. Ist also unser größter Bereich doch ein jungenorientiertes Angebot? Man könnte antworten: nein. Wird nicht deutlich, dass Mädchen offensichtlich nicht so viel im Bauspielbereich sein wollen, sie also einfach nicht daran interessiert sind? Mädchen wollen sich vielleicht nicht schmutzig machen, so viel draußen sein und an eigenen Hütten bauen. Es ist ihre eigene Entscheidung. Konstruierte Geschlechtereigenschaften Man könnte auch sagen: ja. Erkenntnisse der Genderforschung öffnen einen neuen Blickwinkel auf unser Problem. Die Gendertheorie liefert uns die Erkenntnis, dass Unterscheidungen zwischen Frauen und Männern „nicht nur aufgrund körperlicher Unterschiede, sondern vor allem in Bezug auf soziale Ausprägungen zu erklären sind.“ 3 „Daraus werden Geschlechtereigenschaften abgeleitet. Im Laufe des Lebens wird der Mensch in einem komplexen Prozess von Erziehung, gesellschaftlichen Normen und Werten, Stereotypen, Identifikationen, Bildern, Traditionen zum Mädchen bzw. zur Frau oder zum Jungen bzw. zum Mann „gemacht“.4 Das heißt, Geschlecht wird konstruiert und Literatur n Genderkompetenzzentrum. Humboldt-Universität zu Berlin, www.genderkompetenz. info/w/files/gkompzpdf/gkompz_was_ist_gender.pdf, Abruf 6_2013 n Kunert-Zier, Margitta (2011), Mädchenbildung, in: Handbuch außerschulische Jugendbildung. Grundlagen – Handlungsfelder – Akteure, S. 199-214 n Glasl, Markus (2003), Beschäftigungssituation von Frauen im Handwerksunternehmen, www.bmfsfj.de/doku/Publikationen/genderreport/01-Redaktion/PDF-Anlagen/litlfi-muenchen.de,property=pdf,bereich=genderreport,sprache=de,rwb=true.pdf, Abruf 6_2013 n Herringer, Norbert (2006): Empowerment in der sozialen Arbeit. Eine Einführung, 3. erweiterte und aktualisierte Auflage n Was ist Gender Mainstreaming? Universität Duisburg, www.uni-due.de/genderportal/ mainstreaming_definition.shtml, Abruf 6_2013 25 das geschlechtstypische Verhalten unterliegt nicht der freien Wahl. Können Mädchen unter diesen Voraussetzungen frei wählen, ob sie den Baubereich cool finden? Was könnten wir tun, um die Wege freier zu gestalten? Das ist eine andauernde Herausforderung. Bleiben als Gegenpol zu dieser kritischen Bilanz unsere wirklich ermutigenden Erlebnisse mit einzelnen Mädchen, mit unseren 30 Prozent. Es gibt sie nämlich – die Baumädchen –, die sich gern und mit viel Elan im Bauspielbereich betätigen. Wenn wir nicht von Zahlen ausgehen, sondern von einzelnen Mädchen, die hier etwas für sich mitnehmen können, stellt sich unsere Bilanz erheblich positiver dar. Für diese wenigen Mädchen geht von unserem Angebot ein Impuls aus, den Herringer als „Empowerment“ bezeichnet: „Empowerment bedeutet Selbstbefähigung und Selbstbemächtigung, Stärkung von Eigenmacht, Autonomie und Selbstverfügung. Empowerment beschreibt mutmachende Prozesse der Selbstbemächtigung, in denen Menschen in Situationen des Mangels, der Benachteiligung und gesellschaftlichen Ausgrenzung beginnen, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen, indem sie sich ihrer Fähigkeiten bewusst werden, eigene Kräfte entwickeln und ihre individuellen und kollektiven Ressourcen zu einer selbstbestimmten Lebensführung nutzen lernen”. (S. 20) Regina Münderlein, Leiterin ABIX 1 2 3 4 Quartalsberichte 2006 immerhin aber fast 100 Prozent mehr als noch in den 1960er Jahren, www.handwerkbw.de/fileadmin/user_upload/Newsanhaenge/2011/statistik-frauen-im-handwerk. pdf, Abruf am 6_2013 www.genderkompetenz.info/w/files/ gkompzpdf/gkompz_was_ist_gender.pdf www.uni-due.de/genderportal/mainstreaming_definition.shtml (Rück-)Besinnung auf klassische Rollenverteilung Rolle rückwärts? Eine eigene Familie sowie eine Erwerbstätigkeit sind wichtige Lebensziele junger Frauen und Männer: Frauen haben heute eine ebenso starke Erwerbsorientierung wie Männer. Auch hinsichtlich der Orientierung auf eine eigene Familie finden sich mittlerweile keine Unterschiede mehr zwischen jungen Frauen und Männern. Die jungen Männer messen in ihren Lebensplanungen einer (zukünftigen) eigenen Familie eine genauso hohe Bedeutung zu wie junge Frauen. Gewichtet man die Aussagen zu einem breiten Spektrum von Lebensbereichen, wird deutlich, dass für 13- bis 20-Jährige Gesundheit und Herkunftsfamilie unein- geschränkt hohe Bedeutung haben (siehe Abbildung). Natürlich spielen Freundschaften und Aktivitäten in der Freundesclique in dieser Altersgruppe eine große Rolle. Dementsprechend erhält auch der Lebensbereich „Freund/-innen und Bekannte“ eine hohe Wertschätzung. Das hohe Gewicht von Bildung/Ausbildung bzw. Arbeit/Beruf bei jungen Frauen und Männern untermauert die starke Leistungsorientierung der heranwachsenden Generation. Die jungen Menschen streben eine möglichst gute Schulbildung und Ausbildung an, um beste Chancen für einen unbefristeten und attraktiven Arbeitsplatz zu haben. Wichtig in dieser Altersspanne sind auch die Themen Partnerschaft und eine (spätere) eigene Familie. Diese privaten Lebensbereiche verzeichnen im Vergleich zu den letzten zehn Jahren die stärksten Zuwachsraten und eine Angleichung in der Wertschätzung von jungen Frauen und Männern. Die hohe Bedeutung von Familie spiegelt darüber hinaus ein wachsendes Bedürfnis nach Geborgenheit in verlässlichen sozialen Beziehungen wider, das die Jugendlichen in der von Konkurrenzdruck und Ungewissheit geprägten Ausbildungs- und Berufswelt immer weniger erleben. Allerdings muss man feststellen, dass die Annäherung in der Berufs- und Familienorientierung junger Frauen und Männer nicht bedeutet, dass sie sich bei der Übernahme der Hausarbeit in der Familie oder beim beruflichen Erfolg angeglichen hätten. Gegenüber den privaten Lebensräumen und dem Bildungs-/Ausbildungs- bzw. Er5|13 26 Gender Abbildung: Wichtigkeit von Lebensbereichen bei 13- bis 20-Jährigen nach Geschlecht (Mittelwerte*) Noch ist nicht alles gleich Eltern und Geschwister Gesundheit Freunde u. Bekannte Schul- u. Beruf sausbildung Freizeit und Erholung Beruf und Arbeit weiblich Partnerschaf t männlich Eig. Familie u. Kinder Engagement in Vereinen/Verbänden Politik * Frage: Wie wichtig sind für Sie persönlich die folgenden Lebensbereiche? Antwortskala von 1 = überhaupt nicht wichtig bis 6 = sehr wichtig. Je größer der Mittelwert desto höher ist die Wichtigkeit. Quelle: AID:A – DJI-Survey 2009 (gewichtet), 13- bis 20-Jährige, N=4.818. Religion 1 2 3 4 5 6 Abbildung: Einstellungen zur Arbeitsteilung von Frau und Mann in der Familie bei 13bis 20-Jährigen** (in Prozent) Mädchen und junge Frauen Wenn Kinder da sind, soll der Mann arbeiten gehen und die Frau zu Hause bleiben und die Kinder versorgen 18 39 43 stimme zu unentschieden stimme nicht zu 12 0% 32 20% 55 40% 60% 80% 100% Jungen und junge Männer Wenn Kinder da sind, soll der Mann arbeiten gehen und die Frau zu Hause bleiben und die Kinder versorgen 28 41 32 stimme zu unentschieden Auch wenn eine Frau arbeitet, sollte der Mann der "Hauptverdiener" sein, und die Frau sollte die Verantwortung f ür den Haushalt tragen stimme nicht zu 20 0% 5|13 Egalitäre Rollenbilder sind immer verbreiteter in der jungen Generation. Junge Männer urteilen allerdings noch immer etwas stärker „traditionell“ als junge Frauen. Die Jugendstudien des Deutschen Jugendinstituts belegen seit Beginn der 1990er Jahre einen kontinuierlichen Anstieg egalitärer Rollenbilder bei jungen Frauen und Männern. Allerdings bleibt eine gewisse Geschlechterdifferenz in den Einstellungen zur Arbeitsteilung von Frau und Mann in der Familie erhalten. Die jungen Männer stimmen einem traditionellen Rollenbild stärker zu. So sind die 13- bis 20-jährigen Jungen häufiger als die gleichaltrigen Mädchen der Meinung, dass die „Frau die Kinder versorgen sollte“ oder der „Mann der Hauptverdiener sein sollte“ (siehe Abbildung). Martina Gille, Deutsches Jugendinstitut München Kunst u. Kultur Auch wenn eine Frau arbeitet, sollte der Mann der "Hauptverdiener" sein, und die Frau sollte die Verantwortung f ür den Haushalt tragen werbsleben nachgeordnete Bereiche sind das Engagement in Vereinen, Kunst/Kultur, Politik und Religion. 35 20% 40% 45 60% 80% 100% **Frage: Im Folgenden geht es um die Situation von Männern und Frauen im Alltagsleben. Inwieweit stimmst Du/stimmen Sie persönlich diesen Aussagen zu? Bitte antworte/antworten Sie mit einem Wert zwischen 1 und 6. Eine 1 bedeutet stimme voll und ganz zu, eine 6 bedeutet stimme überhaupt nicht zu. Für die Darstellung sind die Antwortkategorien 1 und 2 für stimme zu, die Werte 3 und 4 für unentschieden und die Werte 5 und 6 für stimme nicht zu zusammengefasst. Quelle: AID:A – DJI-Survey 2009 (gewichtet), 13- bis 20-Jährige, N=4.818.