der PDF Jubiläumsbroschüre - Bodensee
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Wie im Flug 100 Jahre Bodensee-Airport Friedrichshafen 1915 - 2015 INHALT Grußwort von Dr. Konstantin Sauer und Gerold Tumulka 2 Prolog Anflug auf Löwental 3 1915-1918 Take-off: Eine Stadt lernt fliegen 4 Theodor Kober – Der vergessene Pionier 7 1918-1933: Im Steigflug: Vom Luftschiffhafen zum Flugplatz 8 Claude Dornier – Ein genialer Konstrukteur 11 1933-1945 Absturz: Hochgerüstet in den Abgrund 14 1945-1957 Auf dem Rollfeld: Neustart auf Französisch 18 Rudolf Flintrop – Von der Flucht zum Flug 19 1958-1978 Check-in: Die zivile Luftfahrt nimmt Fahrt auf 22 Said Bellout – Wehrdienst im Club Méditerranée 27 1979-1992 Steigflug: Abschied von der „Baracke“ 28 Claudia Jungschmidt – Fluglotsin im Wilden Westen 31 Michael Thaler – Heimspiel in der Luft 33 1992-2002 Reiseflughöhe: Ein Flughafen wird erwachsen 34 Walter Schoch – Promi-Jäger auf dem Vorfeld 39 2002-2015 Abflug: Neue Airlines, neue Ziele 40 Gaby Pachler – Keine Angst vor großen Männern 43 Ausblick von Claus-Dieter Wehr 47 GRUSS WOR T Der Flughafen Friedrichshafen ist für die wirtschaftsstarke Bodenseeregion ein wichtiger Faktor. Er ermöglicht Flugverbindungen zu Zielen weltweit, verbindet die regionale Wirtschaft international mit den wichtigsten Absatzmärkten und steigert somit auch die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes. Besonders Unternehmen profitieren von sehr guten Verkehrsanbindungen, um Geschäftskontakte auf allen Kontinenten zu pflegen und ihre Produkte vertreiben zu können. Dafür sind gute Flugverbindungen unerlässlich. Gerade ein Regionalf lughafen wie der Bodensee-Airport steht vor der besonderen Herausforderung, seine Rolle als ein wichtiger Teil der Verkehrsinfrastruktur zukunftsfähig zu gestalten. Am Flughafen Friedrichshafen hat sich dazu in den vergangenen Jahren viel getan: Das neue Terminal sowie der Standard der Flugbetriebsanlagen in Friedrichshafen sind auf modernstem Niveau und entsprechen internationalen Standards. Für Wirtschaftstreibende ist das neue Drehkreuz Istanbul interessant. Damit erschließt der Flughafen auch für die Bodenseeregion neue wichtige Märkte in Asien oder im Nahen Osten. Damit sind neue spannende Umsteigeverbindungen in die USA, nach Vietnam, Südkorea, Indonesien oder Saudi-Arabien möglich. Unternehmen werden darüber hinaus auch die neuen Luftfracht-Services vor Ort am Flughafen schätzen, um ihre Güter schnell in die ganze Welt zu verschicken. Mit diesen Angeboten und Möglichkeiten muss der Bodensee-Airport den Vergleich zu großen Airports nicht scheuen. Der Flughafen Friedrichshafen ist zweifelsohne gut aufgestellt und für die Zukunft gerüstet. Die Zeichen stehen für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends mit steigenden Passagierzahlen. Wir wünschen dem Flughafen, der im Jahr 2015 das 100-jährige Jubiläum als zweitältester Verkehrsflughafen Deutschlands feiert, diesen Weg weiter erfolgreich fortsetzen zu können. Dr. Konstantin Sauer Vorsitzender des Aufsichtsrats der Flughafen Friedrichshafen GmbH 2 Gerold Tumulka Geschäftsführer der Flughafen Friedrichshafen GmbH (bis 31. Mai 2015) PROLOG Anflug auf Löwental Das Thermometer steigt schon am frühen Morgen auf 15,6 Grad Celsius. Die Himmelsbedeckung liegt bei 0 Prozent, der Wind weht schwach aus Nordost. Die Wetterdaten, die am 7. Juni 1915 von Sekretär Semle in der Meteorologischen Station Friedrichshafen erhoben werden, zeigen einen sonnigen Tag. Ideal für eine Jungfernfahrt. Der Mannschaft des Zeppelin-Luftschiffs LZ 41 muss sich ein herrlicher Anblick bieten: Am Horizont glitzern die Alpen, unten schimmert der See. Am Ufer: das königliche Schloss, die Promenade, umgeben von einer idyllischen Kleinstadt. Dahinter: Felder, viel Wald, ein paar Wege, die Bahnlinie nach Ravensburg. Daneben: eine große Halle auf weiter Flur. Dorthin steuert Kommandant Horst Freiherr Treusch von Buttlar das LZ 41 an diesem 7. Juni 1915. Peilmarke ist jene Halle, von der das Luftschiff Stunden zuvor zu seiner Jungfernfahrt abgehoben hat – und in der es auch gebaut wurde. Dieser Tag gilt als Geburtsdatum des heutigen Bodensee-Airports, der kurz danach zum Luftschiffhafen ernannt wird. Diese Chronik verfolgt den Weg des Flughafens in Frie drichshafen von der kleinen Luftschiffer-Kaserne zu Beginn des Ersten Weltkriegs zum drittgrößten Verkehrsflughafen Baden-Württembergs. Die Reise führt durch ein ganzes Jahrhundert – und sie verläuft zuweilen ziemlich rasant. Denn Friedrichshafen hat nicht nur den südlichsten und, nach Hamburg, ältesten Flughafen der Republik. Der Platz in Löwental hält auch andere Rekorde: Hier gab es die erste befestigte Startbahn Deutschlands. Hier wurde am größten Flugzeug seiner Zeit gebaut. Ohne die Ingenieure, die hier in unmittelbarer Umgebung lernten und arbeiteten, wäre jenes aus High Tech und Pioniergeist gespeiste Wirtschaftswunder undenkbar gewesen, von dem die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie bis heute zehrt. Und, nicht zuletzt: diese Lage! Das Panorama vor Alpen und Bodensee ist der Grund, warum der Bodensee-Airport heute bei Piloten und Passagieren als der vielleicht schönste Landeplatz Deutschlands gilt. Seine Geschichte beginnt in einer Zeit, als der Fortschritt grenzenlos scheint und Visionäre wie Theodor Kober und Claude Dornier Friedrichshafen im Wortsinne fliegen lassen. Der Absturz folgt im „Dritten Reich“, als der Flughafen zuerst von den Nationalsozialisten missbraucht wird und am Ende Bombenkrater die Landebahn unbrauchbar machen. Diese Chronik lässt einen französischen Soldaten 15,6 Grad und keine Wolke am Himmel: Die Wetterdaten vom 7. Juni 1915, dem Geburtstag des Flughafens seine Erinnerungen an die Besatzungszeit erzählen und schildert ein denkwürdiges Treffen zwischen einem französischen Kommandeur und einem ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen, das erstmals nach dem Krieg den zivilen Flugbetrieb wieder möglich machte. Schließlich verfolgt sie die Verwandlung des ehemaligen „Buschflughafens“ zu einem modernen Verkehrsknotenpunkt von internationaler Bedeutung. Wo es noch in den 1970er-Jahren kein Gepäckband gab und morgens die Stullen von der „Lore“ zum Flieger gebracht wurden, starten und landen heute jährlich gut 40.000 Flugzeuge und verbinden Friedrichshafen über Direktverbindungen zu den Drehkreuzen mit Zielen auf der ganzen Welt. 3 1915 - 1918 1913 Kaserne für die Ausbildung der Luftschiffbesatzungen 1915 Fertigstellung der Luftschiffhalle – Umbenennung zum Luftschiffhafen, Geburtsjahr des Flughafens Bau der ersten befestigten Startbahn Deutschlands: 1915 oder 1916 Take-off: Eine Stadt lernt Fliegen Es sind die Luftschiffe, die Löwental zu Beginn des Ersten Weltkriegs einen Flughafen bescheren – und der Erste Weltkrieg. Flugzeuge in Friedrichshafen: Graf Zeppelin beobachtet 1911 den Schwäbischen Überlandflug. Die übrigen Besucher halten Respektabstand Schon 1911, als Friedrichshafen erstmals in Zusammenhang mit Flugzeugen erwähnt wird, ist die Zeppelin-Werft der Grund dafür. Sie ist das Ziel des „Schwäbischen Überlandflugs“: Sieben Flugzeuge, die in Esslingen gestartet sind, landen im September 1911 auf dem Werksgelände der Luftschiffbau Zeppelin GmbH am Riedlewald. Unter den Zuschauern befindet sich auch der Übervater der Luftfahrt: Ferdinand Graf Zeppelin. Der Mann, der vermutlich selbst nie ein Flugzeug gesteuert hat, sieht die Zukunft. Noch jedoch glaubt nicht nur er an das Luftschiff. Ohne die Nähe zu den Zeppelin-Werken wäre auch zwei Jahre später niemand auf die Idee gekommen, Pioniere im verschlafenen Löwental eine Fliegerkaserne bauen zu lassen. Von Anfang an hatte Zeppelin seine Erfindung auch in den Dienst des Militärs gestellt. Der militärischen Führung des Kaiserreichs gelten Luftschiffe als eine Art Wunderwaffe: Verglichen mit zeitgenössischen Flugzeugen, die noch am 4 Anfang ihrer Entwicklung stehen, erreichen sie größere Höhen, haben eine viel größere Reichweite und können mit mehr Bomben bestückt werden. Vor diesem Hintergrund entscheiden die preußischen und württembergischen Kriegsministerien 1913, die Luftschiffertruppe des Heeres von drei auf fünf Bataillone aufzustocken. Als die Offiziere nach einem Standort für die Vierte Württembergische Kompanie des Luftschiffer-Bataillons Nr. 4 suchen, fällt die Wahl auf Friedrichshafen. In der damals knapp 10.000 Bürger umfassenden Stadt liegt die Sommerresidenz des württembergischen Königs. Und vor allem: Hier lässt Graf Zeppelin seine Luftschiffe bauen. Das geeignete Gelände finden die Militärs rund zwei Kilometer außerhalb der Stadt, an der Bahnlinie nach Ravensburg. Die ehemalige Klosterdomäne Löwental ist erst 1910 eingemeindet worden. Durch die direkte Nähe zur Zeppelin-Werft In Löwental gebaut: LZ 41 schwebt im Jahr 1915 über der Kriegsluftschiffhalle erscheinen die unbebauten Felder den Militärs als idealer Ort für die Ausbildung von Luftschiffbesatzungen. Auf dem Grundstück, damals im Besitz des Reichs, der Königsfamilie, der Staatsforstverwaltung und von Privatleuten, beginnen noch im Herbst 1913 die Bauarbeiten. Die Pläne sehen eine Luftschiffhalle und eine Kaserne mit Wirtschaftsgebäude, einer Waffenmeisterei, zwei Familienhäusern für die Offiziere sowie drei Mannschaftsbaracken vor. Doch mit Kriegsbeginn verzögern sich die Arbeiten. Erst Ende 1914 werden die ersten Häuser fertig, die Luftschiffhalle steht sogar erst 1915. Sie wird im selben Jahr an die Luftschiffbau Zeppelin übergeben, die hier Kriegs-Luftschiffe endmontieren soll. Auch das Kommando wechselt: Hauptmann Jakobi, der dem Bataillon zunächst vorsteht, wird im Krieg nach Baden-Baden versetzt. So ist es Oberleutnant Horst Freiherr Treusch von Buttlar Brandenfels, der am 7. Juni 1915 mit dem ersten in Löwental gefertigten Zeppelin in die Luft steigt. Die Jungfernfahrt von LZ 41 geht als Geburtsstunde des Flughafens Friedrichshafen in die Geschichtsbücher ein. Noch im Kriegsjahr 1915 werden Kaserne und Reichsluftschiffhalle, wie sie nun offiziell heißt, zum Reichsluftschiffhafen ernannt. So erhält die spätere Luft- und Raumfahrtstadt Friedrichshafen ihren Flughafen im selben Jahr, in dem jenseits des Atlantiks ein gewisses National Advisory Committee for Aeronautics gegründet wird – aus der später die NASA hervorgeht. Ein zweiter interkontinentaler Vergleich drängt sich auf: Das, was am Bodensee wie aus dem Nichts heraus entstanden ist, wird zum deutschen Silicon Valley der Luftfahrt. hafens begründet, geht im belgischen Gent erstmals ein deutsches Heeresluftschiff in Flammen auf, nachdem es ein britischer Pilot mit Bomben beworfen hat. Ein Schicksal, das dem ersten Zeppelin aus Löwental erspart bleibt: LZ 41, als Militärluftschiff auch unter der Bezeichnung L 11 bekannt, unternimmt ohne Verluste 31 Aufklärungsfahrten und 12 Angriffsfahrten gegen England, bei denen es mehr als 15 Tonnen Bomben abwirft. Und wird bereits im April 1916 abgerüstet. Doch es ist eine Geburt im Krieg. Am selben Tag, an dem der Jungfernfahrt von LZ 41 den Beginn eines neuen Flug- Aber in Löwental werden nicht nur Luftschiffe eingeflogen. Weil auch immer mehr Flugzeuge an der Kaserne landen, 5 1915 - 1918 wird 1916 nordöstlich der Mannschaftsbaracken ein Fliegerschuppen gebaut. Im selben Jahr hat das erste von Claude Dornier, einem Ingenieur Zeppelins, entworfene Jagdflugzeug hier seinen Erstflug. Er endet in einem Desaster: Die sogenannte V1 stürzt kurz nach dem Start ab, der Pilot stirbt bei dem Unfall. Auch Zeppelins erster Mitarbeiter überhaupt, der Ingenieur Theodor Kober, testet die neue Technologie (siehe Porträt). „Laut Seeblatt hat Oberingenieur Kober von der Zeppelingesellschaft einen Aeroplan konstruiert. Graf Zeppelin stellt ihm zu diesem Zweck die frei werdende Landhalle (im Stadtteil Manzell) zur Verfügung“, heißt es in einem Bericht der „Zeitung für Württemberg“ aus dem Jahr 1909. Drei Jahre später überlässt ihm der Graf die alte Luftschiffhalle in Manzell. Dort gründet Kober am 17. Juni 1912 die Flugzeugbau Friedrichshafen GmbH, die Wasserflugzeuge für die Marine fertigt. Als später Landflugzeuge für das Heer hinzukommen, nutzt der Unternehmer den nahe gelegenen Luftschiffhafen in Löwental. Er lässt seine zweimotorigen Doppeldecker in Manzell montieren, anschließend zerlegen und durch die Straßen von Friedrichshafen nach Löwental kutschieren. Auf dem Flugplatz werden die Das helle Dreieck zeigt die erste befestigte Startbahn Deutschlands 6 Bomber schließlich wieder zusammengebaut und eingeflogen. Für seine Testflüge baut Kober 1915 oder 1916 eine 150 Meter lange Piste – die erste befestigte Startbahn Deutschlands. Das Luftschiffer-Bataillon überlässt dem kriegswichtigen Unternehmen, für das zu Spitzenzeiten mehr als 3200 Menschen arbeiten, einen Teil seiner eigenen Fliegergarage. 1918 lässt Kober schließlich gegenüber dem Fliegerschuppen eine eigene Flugzeughalle errichten. Da ist der Erste Weltkrieg, der in Friedrichshafen im November 1914 mit einem Bombenangriff auf die Zeppelin-Werke begann, beinahe vorbei. Für den LZ-Konzern, ein Unternehmenskonglomerat auf höchstem Niveau, bedeutet das Kriegsende eine existenzielle Herausforderung. Auch der Flughafen verwandelt sich. Und doch bleiben diese Anfangsjahre prägend: Sie haben ihm nicht nur den Ort gegeben, an dem er bis heute steht. Auch die Baracken, die 1913 für das Luftschiffer-Bataillon erbaut wurden, bleiben immerhin bis 1997 an ihrem Platz. Das Dreieck der von Theodor Kober errichteten, historischen Startbahn überlebt sogar noch länger. Es verschwindet erst 2003 im Gewerbegebiet „Competence Park“. Theodor Kober – Der vergessene Pionier Ein Arbeitstier muss er gewesen sein und ein Familienmensch, gewiss auch ein kaisertreuer Patriot. „Aber als Mensch ist Theodor Kober schwer zu fassen“, sagt Jürgen Bleibler, Leiter der Zeppelin-Abteilung im Zeppelin-Museum. Bleibler vor allem ist es zu verdanken, dass Kober in den vergangenen Jahren ein wenig aus dem Schatten der anderen Friedrichshafener Luftfahrthelden getreten ist. Tragisch genug, dass er derart in Vergessenheit geraten ist. Dabei spielt er für die Frühphase der Luftfahrt und damit auch für den Flughafen Friedrichshafen eine entscheidende Rolle – und dies nicht nur, weil eine der ersten befestigten Landebahnen der Welt auf sein Konto geht. 1892 wirbt Ferdinand Graf Zeppelin den damals 27-jährigen Diplom-Ingenieur als ersten Mitarbeiter überhaupt an. Seine Arbeit legt wichtige Grundlagen für den späteren LZ 1, und selbst als für den Bau des ersten Luftschiffs das Geld fehlt und es Kober nach München zieht, trifft man sich im Monatstakt, um Ideen auszutauschen. Nach seiner Rückkehr 1907 erkennt Kober bald das Potenzial des Flugzeugs. Er erwirbt im Alter von 47 Jahren den Flugschein und lässt 1912 das erste Wasserflugzeug am Bodensee starten. Auf Wasserflugzeuge spezialisiert sich dann auch die Firma, die er kurz darauf gründet: die Flugzeugbau Friedrichshafen GmbH (FF). Dank ihrer robusten, verlässlichen und gleichzeitig leichten Bauweise avancieren Kobers Maschinen im Ersten Weltkrieg zu Lieblingen der kaiserlichen Marine. 1918 zählt die FF zu den größten deutschen Flugzeugherstellern, 42 Prozent aller im Krieg eingesetzten deutschen Wasserflugzeuge stammen aus Friedrichshafen. Kober hat durchaus auch einen Plan, um auf dem nach Kriegsende dramatisch geschrumpften Markt zu überleben. Doch der Aufsichtsrat billigt seine Pläne für zivile Flugzeuge und eine Verlagerung ins Ausland nicht. Im Streit verlässt Kober 1920 sein Unternehmen und muss drei Jahre später erleben, wie es liquidiert wird. Auch für ihn wird der Abschied schmerzhaft. Nur mit Mühe kann er seine bürgerliche Existenz wahren. 1930 stirbt der Luftfahrtpionier in Friedrichshafen. So bitter endet das Leben eines Mannes, bei dem die Rede vom Beruf aus Berufung keine Phrase ist. Ilse Essers, das zweite seiner fünf Kinder und selbst eine großartige Ingenieurin, bringt es so auf den Punkt: „Fliegen war für uns Kober-Kinder der Inbegriff alles Schönen, alles Erstrebenswerten.“ 7 1918 - 1933 1924 Die Dornier Metallbauten GmbH mietet sich in Löwental ein 1928 Abriss der Luftschiffhalle und Gründung der Flughafen GmbH 1931 Die „Graf Zeppelin“ fliegt planmäßig nach Rio Im Steigflug: Vom Luftschiffhafen zum Flugplatz Während sich in Löwental die Flieger ausbreiten, fahren Zeppeline bis nach Rio – und die Deutsche Luft Hansa schickt „Möwen“ nach Friedrichshafen. Eine Art Belastungsprobe: Mutige Mitarbeiter versammeln sich für ein Gruppenbild auf einem Dornier Komet III Das politische Vakuum, das im November 1918 durch die Abdankung des Kaisers entsteht, verändert auch die Luftverhältnisse in Löwental. Aus Angst vor einem Umsturz lässt das Staatsministerium des nunmehr freien Volksstaats Württemberg aus den Resten des Heeres Sicherheitstruppen aufstellen. Sie sollen Staats- und Privateigentum schützen und für die „Aufrechterhaltung von Ordnung und Ruhe“ sorgen, wie es in der Order heißt. Eine der Kompanien zieht am 1. Januar 1919 in die Luftschiffer-Kaserne am Flughafen. Kommandiert wird sie von Erwin Rommel – dem späteren Generalfeldmarschall Hitlers. Eine „Polizeiwehr“ löst die Soldatentruppe noch im selben Jahr ab. Nach Jahren der militärischen Nutzung geht es in Löwental nun notgedrungen ziviler zu. Artikel 198 des Versailler Vertrags verbietet den Deutschen sämtliche „Land- oder Marine-Luftstreitkräfte“. Gilt das Flugzeug-Bauverbot zunächst 8 nur für militärische Flugzeuge, weiten es die Alliierten ab Herbst 1920 auf alle Flugzeuge aus. Dies ist der Grund, weshalb Claude Dornier (siehe Porträt) zuerst nach Italien und später ans Schweizer Bodenseeufer ausweicht, um seine neuartigen Flugschiffe und Militärflugzeuge zu bauen. Nicht allen gelingt die Konversion auf zivile Produkte. 1920 kommt es zwischen Theodor Kober und dem Aufsichtsrat der „FF“ zum Streit, drei Jahre später ist die Firma Geschichte. 1925 erwirbt Claude Dornier die Anlagen für seine Dornier Metallbauten GmbH. Bei den Luftschiffen, die sich für die Kriegsführung als untauglich erwiesen haben, sind die Alliierten ähnlich streng. Nachdem ihr Konkurrent, die Schütte-Lanz GmbH, wegen der Auflagen der Siegermächte den Betrieb einstellen muss, setzt die Zeppelin GmbH, angetrieben von ihrem neuen Chef Hugo Eckener, auf den zivilen Luftfahrtbetrieb. Bis nach Brasilien: LZ 127 „Graf Zeppelin” 1930 auf dem Landeplatz in Recife/Pernambuco Und mietet Anfang der 1920er-Jahre den Löwentaler Luftschiffhafen und einige leerstehende Gebäude vom Reichsschatzministerium an. Allerdings schlägt Eckeners Plan des zivilen Zeppelin-Booms zunächst fehl. Das LZ 114 – das letzte in Löwental gefertigte Luftschiff – verlässt im Juli 1920 seinen Heimathafen nicht wie geplant in Richtung New York, sondern gen Frankreich. Es wird im Zuge der Reparationen an die Alliierten ausgeliefert. Jahre später bricht es einen Weltrekord, als es mit einer Fahrzeit von 118 Stunden und 41 Minuten 7200 Kilometer über das Mittelmeer und die Sahara fährt – da ist es allerdings längst unter französischer Flagge. In Friedrichshafen wird erst 1923 wieder ein Zeppelin gebaut. 1924 überführt Eckener das frisch vom Stapel gelaufene „Amerikaluftschiff“ LZ 126 persönlich nach Lakehurst bei New York. Die Deutschen nennen den für die US-amerikanische Marine produzierten Zeppelin „Reparationsluftschiff“, weil er vor allem aus Reparationsmitteln des Deutschen Reichs bezahlt wird. 1924 mietet sich auch Claude Dornier in Löwental ein. Zwar produziert der berühmte Konstrukteur seine Flugzeuge inzwischen im Ausland, aber er braucht eine große Halle für ein Modell. In der inzwischen „alten“ Luftschiffhalle lässt er in den Jahren 1926/27 eine Eins-zu-Eins-Holzattrappe Werbeplakat für die Hamburg-Amerika-Linie 9 1918 - 1933 Die Do X, hier 1929 als Holzattrappe in Löwental, ist das größte Flugzeug ihrer Zeit seines legendären Riesenflugboots Do X entstehen, das 1929 in der Schweiz realisiert wird. Zum letzten Mal wird die inzwischen zu klein gewordene und schadhafte Immobilie zur Kulisse großer Entwicklungen. Seit in Löwental mehr und mehr Flugzeuge verkehren, ist die unförmige Halle den Piloten immer öfter im Weg. Zudem ist sie für die neue Generation von Luftschiffen schlicht zu klein. 1928 wird sie abgebrochen. Das Jahr markiert aber nicht nur deshalb eine Zäsur, sondern vor allem, weil am 6. Juni 1928 im Handelsregister des Amtsgerichts Tettnang eine Unternehmung eingetragen wird, die den Weg zum zivilen Flughafen ebnet. Gesellschafter sind die Stadt Friedrichshafen mit 50.000 Reichsmark und die Dornier-Metallbauten GmbH mit 100.000 Reichsmark. Der Name der neuen Firma: Flughafen Friedrichshafen GmbH. Eine ihrer ersten Aktivitäten: der Bau einer neuen modernen Flugzeughalle unmittelbar nordöstlich der Kaserne. Eine Investition, die sich schnell rentiert: Schon 1929 interessiert sich die Deutsche Luft Hansa für Friedrichshafen. Die Fluggesellschaft, die erst drei Jahre zuvor durch die Fu10 sion des Deutschen Aero Lloyd mit der Junkers Luftverkehr AG entstanden ist, startet am 21. Juni den ersten Linienverkehr in Löwental. Den Sommer über fliegen werktäglich „Möwen“ – so der Name der Focke-Wulf A 17 – von Stuttgart nach Friedrichshafen und zurück. Und erstmals finden Luftschiff und Flugzeug in diesen Jahren des Übergangs zusammen. Am 8. Juli 1928, dem 90. Geburtstag von Ferdinand Zeppelin, hat Hugo Eckener sein neues Zeppelin-Luftschiff in Friedrichshafen auf den Namen „Graf Zeppelin“ taufen lassen. Das LZ 127 soll das erfolgreichste Luftschiff überhaupt werden: Um der Welt zu zeigen, dass sich Zeppeline für den Transatlantikverkehr eignen, schickt Eckener es auf eine Weltrundfahrt und später auf Forschungsfahrt in die Arktis. Das einzige Verkehrsmittel nach Übersee ist damals ein Schiff, das von Hamburg nach Rio de Janeiro knapp 13 Tage benötigt. Mit dem Luftschiff ist diese Distanz in drei bis fünf Tagen zu schaffen: „Südamerika in 3 Tagen!“ wirbt ein Plakat für die „Hamburg-Amerika-Linie“. Im spanischen Claude Dornier – Ein genialer Konstrukteur Einer der größten Flugzeugkonstrukteure Deutschlands war Franzose. Claude Honoré Dorniers Vater stammt aus Frankreich, deshalb behält der 1884 in Kempten geborene Ingenieur Zeit seines Lebens die französische Staatsbürgerschaft. Die württembergische bekommt er erst 1913 auf ausdrücklichen Wunsch seines Arbeitgebers, des Grafen Zeppelin. Seit drei Jahren arbeitet Dornier da schon für den Luftschiff-Pionier. Dabei wollte er ursprünglich Architekt werden. Ab 1904 studiert er dann doch Maschinenbau in München. Das Thema seiner Diplomarbeit: ein Entwurf für eine geräuscharme Transportvorrichtung für Särge im Krematorium. Über Anstellungen in Karlsruhe, Illingen und Kaiserslautern kommt der Ingenieur 1910 zur Luftschiffbau Zeppelin GmbH. Dort wird er vom Grafen protegiert, der ihm nicht nur die Staatsbürgerschaft, sondern auch eine eigene Abteilung für Flugzeugbau anträgt, genannt „Do“. Der Mann, der einen rasanten Aufstieg im Zeppelin-Konzern hinlegt und 1917 eine eigene GmbH führt, erscheint vielen als „stiller, ernster Mann, unermüdlich in seiner Arbeit“, so ein Zeitgenosse. Der Konstrukteur ist zudem musisch begabt. Während des Studiums spielt er Zither. Später sammelt er Kunst, vornehmlich chinesische Bronzen. Doch auf seiner Karriere lasten Schatten. Denn die Entwicklung seiner legendären Flugboote mit sprechenden Namen wie „Wal“ und „Libelle“, sein Feilen an einer revolutionär neuen Klasse von Flugzeugen, all das fällt in die Zeit zweier Weltkriege. Und anders als Konstrukteure wie Hugo Junkers, die sich nicht mit den Nationalsozialisten arrangieren, lässt sich Dornier auf die neuen Spielregeln ein. Für das Regime produziert er Bomber am Fließband, auch in Löwental. Nach dem Krieg wird Dornier, der 1940 auf Drängen der Parteigrößen in die NSDAP eingetreten ist, von den Briten als „entlastet“ eingestuft. Die französische Militärregierung allerdings verurteilt ihren Landsmann zu einer Sühnezahlung. Dornier steht vor dem wirtschaftlichen Aus. Über den Umweg Spanien gelingt dem Flugzeugbauer, der schon nach dem Versailler Vertrag ins Ausland ausgewichen war, das Comeback: In Madrid entwickelt er die Do 25. Ab 1955 lässt er in Deutschland Senkrechtstarter bauen. Er wird Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie und erhält 1964 das Große Bundes verdienstkreuz. Claude Dornier stirbt 1969 in seinem Schweizer Domizil Zug. 11 1918 - 1933 Sevilla lässt Eckener einen Landeplatz errichten, auf dem die „Graf Zeppelin“ noch einmal Betriebsmittel aufnehmen kann, bevor es weitergeht ins brasilianische Recife. Mit der Luft Hansa, die täglich „Möwen“ nach Löwental schickt, vereinbart man eine Kooperation: Am 19. Mai 1930 startet ein Flieger von Berlin nach Sevilla zu einem Postnachbringflug, zu dem am Vortag in Friedrichshafen erstmals zu einer Südamerikafahrt gestarteten Luftschiff. Derweil wird auf dem Flugplatzgelände trotz der Weltwirtschaftskrise weiter gebaut. Die neuen, großen Luftschiffe wie die „Graf Zeppelin“ und die „Hindenburg“ benötigen Platz. 1930 beginnt der Spatenstich für eine neue, 275 Meter lange Luftschiffhalle. Wegen des strengen Winters verzögert sich der Bau, der erst im Herbst 1931 fertig wird. In diesen Jahren erweitert die Luft Hansa die Linie von Hamburg über Hannover, Frankfurt und Stuttgart nach Friedrichshafen. Als die „Graf Zeppelin“ am 29. August 1931 ihren regelmäßigen Linienverkehr nach Brasilien startet, bietet die Gesellschaft einen Nachbringdienst von Berlin nach Friedrichshafen für Passagiere und Post an. Dornier-Werkspilot Georg Zinsmaier (links) und der schweizerische Flieger Walter Mittelholzer stellen mit der Dornier Merkur im Juni 1926 sieben Weltrekorde auf. Rechte Seite: ein Ausschnitt aus dem Luftverkehrsatlas 1932 12 1933 - 1945 1939 Abholzung des Oberen Seewalds 1941 „Kriegswichtige“ Verlängerung der Startbahn 1944/45 Bombenangriffe zerstören den Flugplatz weitgehend Absturz: Hochgerüstet in den Abgrund – der Flughafen im Dritten Reich Im Zeichen des Hakenkreuzes werden in Löwental Bomber gebaut. Der Seewald wird abgeholzt, die Zeppelinhalle abgerissen, ein gigantischer Plan entwickelt. Was bleibt, ist eine Mondlandschaft. Flugzeuge und LZ 129 „Hindenburg“ mit Hakenkreuz: Aufnahme aus Löwental von 1936 Wirtschaftlich bringen die Jahre nach der Machtübernahme der NSDAP der Flugzeugindustrie am Bodensee einen Aufschwung. Trotz der Weltwirtschaftskrise zeichnet sich bereits vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler eine Zunahme der Aufträge ab: Im Dezember 1932 forderte der Reichswehrminister eine Summe von insgesamt 12 Millionen Mark für die Entwicklung und Beschaffung von Kriegsflugzeugen. Auch eine Luftwaffe soll aufgestellt werden. Als Hitler im Mai 1933 das Reichsluftfahrtministerium gründet, stehen dem neuen Reichsluftfahrtminister Hermann Göring 40 Millionen Mark für Aufträge zur Verfügung. Davon profitieren auch die Unternehmen in Löwental – allen voran Dornier. Weil die Dornier Metallbauten GmbH 14 in ihrer Produktionsstätte in Manzell keine Möglichkeit hat, Landflugzeuge unterzustellen und zu testen, verlegt sie die Fertigung ihrer Bomber 1934 näher an den Flugplatz. Westlich der inzwischen auf den Namen „Graf Zeppelin“ getauften Kaserne entsteht auf der Gemarkung Allmannsweiler eine moderne Fabrikanlage mit Zufahrt zum Rollfeld. 1937 kommt, im Auftrag des Reichsluftfahrtministeriums, eine 170 Meter lange Flugzeughalle hinzu. Im selben Jahr lässt die nun in Dornier GmbH Friedrichshafen umbenannte Firma auch die Baracken des ehemaligen Luftschiffer- Bataillons umbauen. Aus dem provisorischen Küchengebäude wird durch einen Anbau eine Lehrlingswerkstatt. Zu dem Preis, dass über seinem Unternehmen die Hakenkreuz- Spektakulär: Die „Hindenburg“ landet mit beschädigter Kielflosse, darüber schwebt LZ 127 Fahnen wehen, steht Claude Dornier nun in Löwental ein vollständiges Werftgelände zur Verfügung. Doch neben den militärischen heben auch in den Dreißigern immer noch Hunderte zivile Maschinen in Friedrichshafen ab. Zwar gibt es in den Jahren 1934 und 1935 zwischenzeitlich keine planmäßigen Luft Hansa-Linienflüge mehr. Dafür werden die Nachbringflüge für das Luftschiff „Graf Zeppelin“ bis 1936 beibehalten. Neben der Focke-Wulf A 17 setzt die Luft Hansa dafür Junkers Ju 160, Heinkel He 70 und zuletzt Ju 52 ein. Ab 1936 werden auch die Linienflüge wieder aufgenommen: Mit einer Junkers Ju 160 befliegt die größte deutsche Fluggesellschaft insgesamt 157 Mal die Strecke Saarbrücken-Frankfurt-Stuttgart-Friedrichshafen, im August mit Verlängerung bis Konstanz. Ab 1937 dehnt die Luft Hansa ihr Netz vom Bodensee nach Osten und Westen aus: Zuerst fliegt sie von Breslau über Dresden, Leipzig und Nürnberg nach Friedrichshafen. 1938 bedient sie dann die Strecke Freiburg-Stuttgart-Friedrichshafen mit der Heinkel He 70. Währenddessen geschieht im fernen Amerika die bis dahin größte Katastrophe der Luftfahrt: Das in Friedrichshafen gebaute Luftschiff „Hindenburg“ geht am 6. Mai 1938 über Lakehurst (New Jersey) in Flammen auf. Von 97 Menschen an Bord kommen 36 ums Leben. Für die Luftschifffahrt, militärisch ohnehin bedeutungslos, bedeutet das Unglück das Aus im Zivilverkehr. 1938 verlässt mit „Graf Zeppelin II“ das letzte Luftschiff Friedrichshafen. Danach mietet sich Dornier in der verwaisten Luftschiffhalle ein. Für positive Schlagzeilen made in Friedrichshafen sorgt ein tollkühner Einzelkämpfer. Am 2. August 1939, kurz nach Mitternacht, rollt bei Gewitter ein einsitziges Sportflugzeug aus der Halle in Löwental. Nur wenige Eingeweihte wissen von dem Rekordflug, den der 26-jährige Pilot Heinz Gabler in dieser Nacht unternehmen will. Nach 320 Metern auf der Startbahn hebt die mit 200 Litern Kraftstoff gefüllte Maschine vom Typ Erla 5D ab. Als Proviant hat der Erla-Werkspilot, der im Sonntagsstaat mit Hut und Halbschuhen im Cockpit sitzt, lediglich zwei Tafeln Schokolade und eine Thermoskanne Kaffee dabei. Gabler nimmt Kurs auf Nordost: Er fliegt über den Thüringer Wald und Rügen hinweg und sichtet um 8.11 Uhr die schwedische Küste. Nach einer Flugzeit von 14 Stunden und 15 Minuten setzt er am Nachmittag im nordschwedischen Vännäs auf. Mit einer zurückgelegten Strecke von 1915 Kilometern hat er den zuvor von US-amerikanischen Piloten gehaltenen Langstreckenweltrekord von 1631 Kilometern deutlich überboten. 15 1933 - 1945 1939 damit, den Oberen Seewald im Osten des Geländes abzuholzen. Schon im folgenden Jahr trifft die zweite Gruppe des Jagdgeschwaders 51 „Mölders“ mit Messerschmitt 109 E-Maschinen in Friedrichshafen ein. Die Flugzeuge werden in der Luftschiffhalle untergestellt. Das Jagdgeschwader bleibt einige Wochen, bevor es nach Böblingen verlegt wird. Weltrekordler: Der Pilot Heinz Gabler vor seiner Erla 5D Vier Wochen später beginnt der Krieg. Angesichts der als kriegswichtig eingestuften Rüstungsproduktion der Friedrichshafener Unternehmen gerät der Flughafen bei Kriegsbeginn in den Fokus der nationalsozialistischen Planer. Um für den steigenden Flugbetrieb eine sichere Anflugschneise zu erhalten, beginnt das Forstamt Tettnang im Winter Göring hat zunächst große Pläne mit Löwental: Einer der Bebauungspläne sieht sogar drei sich kreuzende Landebahnen vor. Generaloberst Ernst Udet ordnet nach einer Besichtigung im März 1941 eine besondere Beschleunigung dieses „kriegswichtigen Bauvorhabens“ an. Im Laufe der Ausbaupläne wird im Zuge der Planungen sogar kurzfristig die Idee diskutiert, den gesamten Flugplatz in den Tett nanger Wald zu verlegen. Ein Plan, den die Planer schnell als undurchführbar aufgeben. Nachdem die Arbeiten an der 2400 Meter langen betonierten Startbahn bereits begonnen haben, rudert Göring zurück. Die Piste soll wieder auf eine Länge von 1000 Metern verkleinert werden. Ende Dezember 1942 ist die verkürzte Startbahn fertig. Hitlers Reichsluftfahrtminister teilt der Flughafen GmbH mit, dass das Bauvorhaben nicht in die Gigantomanisch: Drei sich kreuzende Landebahnen sah der Ausbauplan von 1942 vor 16 Wehrkreis-Rangfolge-Liste des vierten Kriegswirtschaftsjahres aufgenommen wird. Das bedeutet: Mit einem weiteren Ausbau ist nicht zu rechnen. In Löwental stehen die Zeichen auf Absturz. Anfang 1943 wird die Luftschiffhalle abgerissen. Züge bringen sie auf einem eigens errichteten, 1800 Meter langen Industriegleis ins nahe Zeppelin-Werftgelände, wo sie mit veränderten Abmessungen wieder aufgebaut wird. Hier entstehen in den letzten Kriegsmonaten noch einige V2-Raketen. Die Alliierten fliegen zwölf Bombenangriffe auf Friedrichshafen, einige davon gelten gezielt dem Flugplatz und der angesiedelten Rüstungsindustrie. Gebäude und die Startbahn werden teilweise zerstört. Im Mai 1945 sieht es auf dem Flughafen aus wie auf einer mit Kratern übersäten Mondlandschaft. Wie auf dem Mond: Das Luftbild der Royal Air Force zeigt den zerstörten Flughafen 17 1945 - 1957 1945 Besetzung durch die Franzosen 1950 Gründung des LSC in der französischen Fahrzeughalle 1957 Drei zivile Flugzeuge Auf dem Rollfeld: Neustart auf Französisch Die Franzosen bauen den Flugplatz wieder auf. Der Luftsportclub Friedrichshafen gründet sich – und außer Kampfjets landen erstmals wieder Segelflieger in Löwental. Hugo Eckener (2. von links) tauft den „Doppelraab“ – das erste Flugzeug des LSC Als am 29. April 1945 die ersten Soldaten der französischen Armee in Löwental einrücken, erinnert nicht mehr viel an einen Flughafen: Auf der durchlöcherten Piste könnten keine Verkehrsflugzeuge mehr starten, selbst für Militärmaschinen ist die Bahn zu holprig. Um den Platz wieder funktionsfähig zu machen, beginnen die Franzosen sofort damit, Startbahn und Rollfeld instandzusetzen. Die Arbeiten übernehmen hunderte deutsche Kriegsgefangene. Blitzstrahl – „Thunderbolt“ – heißen die ersten Kampfjets, die wieder in Löwental landen. Die 26 Flugzeuge gehören zum 1. Jagdgeschwader (1ère Escadre de Chasse) der fran18 zösischen Armee, die mit drei Staffeln P-47-Bombern nach Friedrichshafen verlegt wird. 1947 stoßen die P-47 des 5. Jagdgeschwaders hinzu. Nachdem die Startbahn wiederhergestellt ist, kümmern sich die Besatzer um die Bebauung: An die Stelle der 1928 erbauten Halle der Flughafen GmbH, die durch einen Brand zerstört worden ist, wird eine neue Abstellhalle errichtet. 1946 lassen die Franzosen die – erst vier Jahre zuvor auf Befehl von Hermann Göring verkürzte – Startbahn auf 1300 Meter verlängern. Zwei Jahre später wird sie noch einmal provisorisch mit Stahlblech-Lochplatten auf 1500 Meter Rudolf Flintrop – Von der Flucht zum Flug Es ist eine Nacht- und Nebel-Aktion, die der Wehrmachts pilot Rudolf Flintrop am 29. April 1945 unternimmt. In derselben Nacht, als seine Heimatstadt Friedrichshafen von den Franzosen besetzt wird, steigt der damals 24-Jährige auf dem Dornier-Flugplatz in Oberpfaffenhofen mit einem Kameraden in eine Focke-Wulf und startet durch. Flintrop, der im Krieg Versorgungsflüge an die Ostfront geflogen hat, hat sich von seiner Einheit in Brandenburg bis nach Bayern durchgeschlagen. Die Focke-Wulf soll ihn nach Hause bringen. „Wir sind nach 270 Grad Richtung Schweiz geflogen. Als es Tag wurde, haben wir uns eine Wiese im Wald gesucht und eine Bruchlandung hingelegt“, erzählt der heute 94-Jährige. Die Soldaten marschieren ein paar Kilometer, bis sie feststellen: Sie sind auf der Schwäbischen Alb gelandet. Flintrop erreicht das Haus seiner Schwester in Rheinstetten und will mit dem Fahrrad weiter. Doch ein französischer Posten greift ihn auf. Als er nach zweitägiger Gefangenschaft zusammen mit anderen Landsern in ein anderes Lager verlegt wird, springt er bei Lindau aus dem Zug und flieht. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass dieser flüchtige französische Kriegsgefangene acht Jahre später von den Besatzern des Flughafens Friedrichshafen die Erlaubnis erwirkt, über Löwental erstmals wieder zivile Flieger kreisen zu lassen – die Keimzelle des nicht-militärischen Flugbetriebs in Friedrichshafen. „Wir hatten immer ein gutes Verhältnis zu den Franzosen“, sagt Flintrop. „Der Kommandant hat uns auch mal mitgenommen und gezeigt, wie tief er fliegen kann.“ Doch für Motorfliegerei interessiert sich der Schneidermeister wenig. Seine Leidenschaft gilt dem Segelfliegen. Heute hat das älteste lebende Mitglied des LSC nach eigenen Angaben 8000 Starts und 4000 Flugstunden auf dem Buckel und ist Träger des Leistungsabzeichens „Gold-C mit Diamanten“. In der Flugzeughalle, die er 1960 zusammen mit seinen Kameraden vom LSC auf das Militärgelände bauen durfte, sieht man ihn heute noch regelmäßig. 19 1945 - 1957 Im November 1949 landen die ersten De Havilland „Vampire“-Düsenjäger in Löwental ausgebaut. Bis Mitte der 50er-Jahre entstehen auch die meisten Gebäude, einschließlich des heute noch existenten Kontrollturms. Als Frankreich seine Bomber 1949 nach Indochina verlegt, landen im November De Havilland „Vampire“-Düsenjäger in Löwental. Die „Grande Nation“ stationiert bis 1950 vier Staffeln ihres 4. Jagdgeschwaders am Bodensee. Doch die Maschinen gelten als nicht zuverlässig: Im Februar 1950 kollidieren zwei Jets über dem Zeppelin-Gelände. Ein Flugzeug stürzt ab, ein anderes schafft es, in Löwental zu landen. Ein weiterer Tiefflieger stürzt 1952 nach einer Wasserberührung in den See. Reisende, die Anfang der 1950er-Jahre mit dem Zug nach Ravensburg fahren, können aus dem Fenster einen Blick auf eine Armada silbrig glänzender Düsenjäger erhaschen. Das ist aber auch das Einzige, was sie zu sehen bekommen. Die Alliierten haben 1945 ein totales Flugverbot über Deutschland verhängt, Löwental ist militärisches Sperrgebiet. Zwar ist das Gelände nicht eingezäunt, aber man braucht einen Passierschein, um hineinzukommen. Vier Staffeln des 4. französischen Jagdgeschwaders sind hier kurzfristig stationiert 20 Trotz aller materieller Not träumen einige „Häfler“ wieder vom Fliegen. Im Juli 1950 erscheint in der „Schwäbischen Zeitung“ ein Aufruf, der fliegerisch Interessierte zu einem Treffen nach Friedrichshafen einlädt. Bei der Sitzung am 8. August im Buchhorner Hof erscheinen 57 Menschen. Es gebe gewisse Informationen, die auf eine baldige Freigabe der Segelfliegerei hoffen ließen, erklärt Willi Weilbächer, der Initiator der Veranstaltung. Man denke über die Gründung eines Luftsportclubs nach. Nach seinem Vortrag entwickelt sich eine heftige Diskussion um den Namen des neuen Vereins. Weil eine andere Bezeichnung wegen des Flugverbots nicht zulässig erscheint, steht schließlich „Interessensgemeinschaft für Flugsport in Friedrichshafen“ auf der Gründungsurkunde. Weilbächer wird zum ersten Präsidenten des Vereins, der zwei Jahre später in „Luftsportclub der Zeppelinstadt Friedrichshafen e. V.“ (LSC) umbenannt wird. Als der Alliierte Kontrollrat dem Segelflug 1952 grünes Licht gibt, fehlt dem LSC jedoch ein eigenes Fluggerät. Mit Spendenaktionen sammeln die Mitglieder Geld. 1953 haben sie so viel zusammen, dass sie die Anzahlung auf einen „Doppelraab“ leisten können. Der nach seinem Konstrukteur Fritz Raab benannte Zweisitzer wird das erste zivile Fluggerät, das nach dem Krieg von Löwental abhebt. Einmal mehr steht dafür der Friedrichshafener Übervater Pate: Im Oktober 1953 tauft der ehemalige Zeppelin-Chef Hugo Eckener den Doppelraab in der Festhalle auf den Namen „Graf Zeppelin“. Jetzt hat der LSC zwar einen Flieger, aber keinen Platz – und auch keine Schleppwinde. „Obwohl vor der Haustür ein schöner großer Flugplatz war, mussten wir auf andere Flugfelder in der Umgebung fahren, was gar nicht so einfach war – denn wer hatte damals schon ein Auto?“, schreibt LSC-Mitglied Hugo Gässler 1995 in einer Chronik des Vereins. Den buchstäblichen Höhepunkt erreichen die Ausweichmanöver auf über 1000 Meter Höhe: auf dem Pfänder nämlich. „Mittels Traktor musste der Anhänger mit aufgeladenem Flugzeug quer durch Bregenz über Lochau hochgekarrt werden“, berichtet Gässler. Dass die Segelflieger 1953 die ersehnte Starterlaubnis in Löwental erhalten, verdanken sie Rudolf Flintrop (siehe Porträt). Der heute 94-Jährige ist das einzige Gründungsmitglied des Luftsportclubs, das 2015 noch lebt. Der Sohn eines Schneiders aus Friedrichshafen ist es, der den Kontakt zu den Franzosen herstellt. „Ich habe den Kommandanten am Sonntagmorgen um 6 Uhr in der Frühmesse getroffen“, erinnert sich Flintrop. „Ich dachte: Den haust du an, ob wir nicht auf den Flugplatz dürfen.“ Der Franzose reagiert freundlich: Flintrop solle am Dienstag in sein Büro kommen. Mit einem Ausweis der Militärpolizei wird Flintrop zwei Tage später tatsächlich aufs Rollfeld vorgelassen. Noch bevor die französische Luftwaffe im Frühjahr 1954 die offizielle Genehmigung erteilt, erlaubt der Kasernenkommandant dem LSC am 19. Juli 1953 einen Windenstart des Doppelraab. Der erste Flug über Löwental dauert ganze acht Minuten. Außerdem darf der Club einen Teil der Fahrzeughalle mitnutzen. Das 4. französische Jagdgeschwader wird im März 1954 in den Breisgau verlegt. Jets überfliegen den Luftraum über Dokument des Neuanfangs: die Gründungsurkunde des LSC der „Base Aérienne Tactique 136“, wie Löwental seit 1952 heißt, trotzdem weiterhin: Die französische Luftwaffe nutzt einen „Schießberg“ bei Eriskirch und ein Ponton auf dem Bodensee bis 1958 zu Luft-Boden-Schießübungen. 1955 lässt sie die Startbahn durch 270 Meter lange Überrollstrecken an beiden Enden ergänzen. Der Betonstreifen ist nun 2300 Meter lang. Derweil schrauben die Mitglieder des LSC unermüdlich an neuen Fluggeräten. Mit dem „Bergfalken II“ und einem „L-Spatz 55“ wächst die Löwentaler Flotte bald auf drei Segelflieger an. Als Deutschland im Mai 1955 die Lufthoheit zurückerhält, dürfen auch Motorflugzeuge wieder starten. Der erste zivile, motorisierte Flieger, der nach dem Krieg in Friedrichshafen abhebt, ist eine vom LSC im Juli 1957 angeschaffte De Havilland DH 82 „Tiger Moth“. Hauptsächlich dient sie dem Schleppen der Segelflugzeuge. 21 1958 Die „Mufti-Staffel“ zieht ein 1966 Erste planmäßige Linienflüge 1958 - 1978 1968 Mitbenutzervertrag von Flughafen GmbH und Wehrbereichsverwaltung Der Flughafen wird militärisch und zivil genutzt 1974 Erste Business-Charter durch den Kuri-Flugdienst 1978 Gründung der Delta-Air Check-in: Die zivile Luftfahrt nimmt Fahrt auf Die Bundeswehr lässt in Löwental Piloten ausbilden, die Franzosen schicken Hubschrauber. Dann wird der Flughafen endlich zivil – und Delta Air startet den Regionalverkehr. Um Flugzeuge kaufen zu können, veranstaltet der LSC drei Mal die „Flugschau der Nationen“ Im Januar 1958 wird in Frankreich ein Gesetz erlassen, das die Reduzierung der Streitkräfte von einer Million auf 890.000 Soldaten bis zum Jahresende vorsieht. Gleichzeitig verschärft sich der Algerienkrieg. Für die „Base Aérienne Tactique 136“ am Bodensee heißt das: Auf dem Rollfeld ist jetzt viel Platz. Kein Wunder also, dass nun die gerade gegründete Bundeswehr auf Löwental aufmerksam wird. Obwohl der 22 Flugplatz noch unter französischer Verwaltung steht, darf die in Memmingen stationierte Flugzeugführerschule „S“ hier eine Außenstelle einrichten. Die Staffel, die während ihrer Zeit in Friedrichshafen den Namen „Mufti-Staffel“ erhält, dient der Ausbildung von Piloten auf der Do 27. Am 27. Januar 1958 landet Hauptfeldwebel Gerhard Köhne mit der ersten Dornier-Maschine in Friedrichshafen. Die Mannschaften ziehen in die historische „Graf Zeppelin“Kaserne. Dank der „Mufti“-Staffel ist der Flughafen 1959 republikweit in aller Munde Die Geschichte hinter der „Mufti-Staffel“, die Friedrichshafens Flugplatz republikweit bekannt macht, ist ein Kuriosum: Mufti ist der Name eines Stoffesels, den eine Münchner Plüschspielwarenfabrik 1954 auf den Markt bringt. Karl-Heinz Barth, damals Redaktionsleiter beim Burda-Verlag, veröffentlicht abenteuerliche Kindergeschichten über das Stofftier. Für die jungen Leser der Zeitschrift „Bild + Funk“ gründet er einen „Mufti-Club“. Die jungen Friedrichshafener Piloten, selbst kaum älter als 20, machen mit: Sie benennen ihre Staffel 1959 nicht nur nach dem Stofftier, sondern kleben sogar Esel als Abzeichen auf die Motorhauben ihrer Do-27 und ermöglichen Jugendlichen Freiflüge bei Flugtagen. Auch bei den französischen Soldaten auf dem Flugplatz sind die Bundeswehr-Piloten beliebt, in der „Wohngemeinschaft“ Löwental entwickeln sich sogar freundschaftliche Beziehungen. Doch Ende 1959 wandert die „Mufti-Staffel“ nach Niedersachsen ab. In ihren Baracken nistet sich die Heeresfliegerstaffel (LL) 9 ein. Ab jetzt stehen Hubschrauber wie Sikorsky H-34 und Alouette II neben der Do 27 im Hangar. Unterdessen macht das zivile Leben auf dem Flugplatz Ende der 1950er Fortschritte. „Wir waren an den Wochenenden ungeniert und im wahren Wortsinn vogelfrei“, schreibt LSC-Chronist Hugo Gässler. Doch dem Luftsportclub wird der von den Franzosen geliehene Hangar schnell zu klein. So fragt der damalige LSC-Vorstand, Generalleutnant a. D. Gustav Wilke, beim französischen Kommandeur um eine größere Immobilie an. „Seine Antwort war: Leider nein“, erinnert sich Gässler. „Aber warum bauen Sie nicht selber ein passendes Gebäude? Da würde sich die Wildnis im nordöstlichen Teil des Geländes anbieten.“ „Mufti“ ist der Name eines bei Kindern beliebten Stoffesels Tatsächlich holt der Kommandant in Paris die Erlaubnis für einen Neubau ein. Erneut sammelt der LSC Geld, und so entsteht 1960 in der damaligen „Wildnis“ – wo heute das Terminal des Bodensee-Airports steht – eine Halle mit Werkstatt, Unterrichts- und Aufenthaltsräumen sowie einem kleinem Kontrollturm. Fünf Jahre dauern die Arbeiten in Eigenregie. 1965 feiert der LSC die Eröffnung der „Gustav-Wilke-Halle“. Wenig später eröffnet der Club auch eine Kneipe – die erste Gastronomie am Flughafen Friedrichshafen. In der Zwischenzeit kauft der LSC weiter Flugzeuge. Das Geld dafür stammt vor allem aus den Erlösen der Flugtage, die er 1958, 1960 und 1962 veranstaltet. Zehntausende Besucher kommen nach Löwental, um Militärjets, Oldtimer und Kunstflieger zu bestaunen. „Obwohl uns die Organisa23 1958 - 1978 Dort, wo heute das Terminal steht, baut der LSC 1960 eine Halle mit Werkstatt tion fast überforderte, blieb nach dem Kassensturz so viel Gewinn, dass jedesmal ein Flugzeug gekauft werden konnte“, berichtet Gässler. Aber es gibt auch Verluste: Der erste Motorflieger in Friedrichshafen, die „Tiger Moth“, landet im April durch einen Pilotenfehler unsanft im Seewald. Der Pilot bleibt unverletzt, die Maschine ist ein Wrack. Fast 30 Jahre nachdem die damalige Luft Hansa ihre Bodenseeflüge eingestellt hat, interessiert sich auch erstmals wieder eine Fluggesellschaft für Löwental: Der Bodensee-Flugdienst will 1966 mit einer zweimotorigen Beechcraft Be 65 Großstädte mit Friedrichshafen verbinden. Der Versuch misslingt, die Linie stellt ihren Dienst nach kurzer Zeit ein. Auch die Heeresflieger ziehen 1966 vom Bodensee ab. Der Flughafen erlebt sein nächstes Epochenjahr 1968. Am 18. August übergibt die französische Armee der Bundeswehr offiziell die Hoheit über das Areal, die dort kurz danach Stellungen für „Hawk“-Flugabwehrraketen errichtet. Bereits im Juli 1968 hat die Wehrbereichsverwaltung 5 mit der Flughafen GmbH einen Mitbenutzervertrag unterzeichnet. Durch den Tausch des Geländes in der „Graf-Zep24 pelin“-Kaserne erwirbt die Flughafen-Gesellschaft einen Platz im nordöstlichen Flugplatzbereich. 1973 kehren die Franzosen überraschend zurück, mit 15 Gazelle- und 10 Puma-Hubschraubern. Die Verlegung des 2. französischen Korps „Groupe d‘aviation légère du 2ème corps d‘armée“ (GALCA 2) wird von heftigen Protesten der Bevölkerung begleitet, die sich vor Lärm fürchtet. Nachdem auch Eingaben an das Verteidigungsministerium keinen Erfolg bringen, landen im Dezember die ersten Hubschrauber. Die Franzosen bleiben bis zum Juni 1992. „Am Ende waren wir 800 Soldaten, mit Familien vermutlich 3500 Menschen“, schätzt der Soldat Said Bellout (siehe Porträt). Die Kaserne hat sogar einen eigenen Supermarkt. Derweil versuchen verschiedene Fluggesellschaften, in Löwental Fuß zu fassen. Meist erfolglos – was auch am Zustand des Platzes liegt. „Die Betonplatten heben sich an allen Enden. Das ist für leichte Flugzeuge noch kein großes Problem, doch wenn mal etwas Schnelleres oder Schwereres ankommt, gibt es Schwierigkeiten“, schreibt der Pilot Rolf Wurster in seinem Buch „Mit dem Flugzeug in die Provinz. Der lange Weg des Regionalflugverkehrs“. Erst als der Friedrichshafener Stadtrat das Budget für eine 30 Meter breite, neue Asphaltschicht freigibt, bessern sich die Aussichten, neue Airlines anzulocken. Und die sind wichtig für die Bodenseestadt. Denn die örtlichen Global Player verlangen nach einer zuverlässigen Luftanbindung. „Von diesem Industriestandort aus ist noch etwas zu holen, orakelt man in der regionalen Luftfahrtbranche“, schreibt Wurster. Eine Chance, die in dieser Zeit auch die Friedrichshafener Geschäftsleute Christian Kubon und Hermann Ritter erkennen. Der Anwalt und der Bierbrauer gründen 1974 die Fluglinie Kuri, die Business-Charterflüge für ZF, MTU und Dornier abwickelt. Der in Friedrichshafen gegründeten Delta Air gelingt schließlich der Durchbruch. Mit einer De Havilland „Twin Otter“ bedient Delta ab 1978 die Strecken nach Stuttgart und Zürich. Für Charterflüge hält sie zwei Piper „Cheyenne“ und eine Beechcraft „Super-King-Air“ bereit. Es geht aufwärts. Für den LSC endet das Jahr mit einem Erfolg: Nach zähen Verhandlungen mit der Oberfinanzdirektion Stuttgart unterzeichnet der Verein einen notariellen Kaufvertrag über Experimentierfeld Löwental: Doch der Ein-Mann-Hubschrauber „Do 32“ bleibt im Versuchsstadium stecken das LSC-Grundstück in Löwental. „Damals gab es Bestrebungen, uns hier herauszudrängen“, erinnert sich der damalige LSC-Präsident Hermann Amrein, der die Verhandlungen führte. „Da haben wir gesagt: Nicht mit uns. Wir sind der Verein, mit dem das Fliegen hier überhaupt begonnen hat.“ Bei der Flugzeugtaufe des Bodensee-Flugdiensts herrscht Zuversicht 25 1958 - 1978 Kommandeurswechsel der französischen Heeresflieger 1975 Beim Deutschlandflug 1967 ist die LSC-Halle das einzige Gebäude weit und breit 26 Said Bellout – Wehrdienst im Club Méditerranée Als der 18-jährige Said Bellout Ende 1975 in Paris seinen Einberufungsbescheid erhält, ist er entsetzt. Tahiti lautete sein Wunschziel, sein bester Freund Gérard hat es dorthin geschafft und schwärmt von den paradiesischen Zuständen. Bellout scheint beste Karten zu haben, schließlich kennt er den für die Verteilung der Rekruten zuständigen Hauptmann. Doch auf seinem Einberufungsbescheid liest er statt des Vermerks „Outre-Mer“ (über das Meer) „Outre-Rhin“ (über den Rhein), genauer: Friedrichshafen. Bodensee statt Südsee. Auch die Worte, mit denen der Platzoffizier der Garnison Löwental an einem Samstag im Juni 1976 die Neulinge begrüßt, klingen zunächst wie ein Witz auf seine Kosten: „Willkommen im Club Méditerranée!“, sagt der Offizier. Wie bitte: der Wehrdienst als Urlaub? Doch die Realität hält dem Versprechen stand. Gleich am nächsten Tag steht ein Ausflug nach Neuschwanstein auf dem Programm, und auch der Arbeitsalltag in der elitären Aviation légère de l‘armée de Terre (A.L.A.T.) hat mehr mit Savoir-vivre als mit Stiefelknallen zu tun. Vor dem Frühstück ein lockerer Dauerlauf in Richtung Seewald, danach eine gemütliche Tätigkeit im Lager, wo er vor allem für die Kleidung der Puma- und Gazelle-Besatzungen zuständig ist. Überdies sind die Umgangsformen in der Elite-Einheit tatsächlich so „leger“, wie es der Name verspricht. „Es war sehr angenehm“, erinnert sich Bellout. Und erst die Wochenenden! Ihren Monatssold von 150 Francs (plus zwei Stangen filterlose Gauloises) tauschen Bellout und seine Kameraden am Hafenbahnhof in D-Mark um, meist geht der Sold schnell für Freizeitvergnügungen drauf. Von deutsch-französischen Ressentiments ist in der Stadt nichts mehr zu spüren, bei Bellout sowieso nicht, im Gegenteil: Er bleibt nach dem Ende seines Wehrdiensts 1977 in Friedrichshafen – und verliebt sich in eine Deutsche. Zwischen 1989 und 2009 führt ihn sein beruflicher Weg nochmals zum Flughafen, wo er in der Fluggastkontrolle arbeitet. Seit 2009 ist Said Bellout Experte für einen anderen deutsch-französischen Ort: Er arbeitet als Guide im Dornier-Museum. 27 1980 Einrichtung des Instrumentenflugs 1982 Delta fliegt neue Ziele an 1979 - 1992 1989 Neues Abfertigungsgebäude Sommercharter von Condor – Kampf um den Start der Boeing 737 („Flughafen für alle“) 1992 Abzug der Franzosen Steigflug: Abschied von der „Baracke“ Der Flughafen bekommt ein modernes Anflugsystem, es gibt Streit um Condor – und die Franzosen ziehen ab. Zeitgemäß: Im November 1988 wird das neue Terminal eröffnet Von einem modernen Verkehrsflughafen ist Löwental Anfang 1979 meilenweit entfernt. Passagiere fühlen sich beim Anblick der Abfertigungs-Baracke an die Kulisse aus dem Film „Des Teufels General“ erinnert. „Waren das noch Zeiten, als man Ende der 70er-Jahre vom Buschflughafen in Friedrichshafen sprach, weil morgens die Toiletten in der hölzernen, als Warteraum für die Abflüge genutzten Baracke zugefroren waren“, schreibt das „Handelsblatt“ über diese Zeit. „Heimeliger war die Praxis des Piloten des Dornier-Werksverkehrs von Friedrichshafen nach Oberpfaffenhofen: Er begrüßte jeden seiner Passagiere persönlich und wusste genau, wer vorm Abflug noch fehlte. Er wartete einfach, reichte die Thermoskanne durch und bot ein paar Plätzchen an.“ 28 In den kommenden Jahrzehnten wird sich dieses Bild massiv verändern. Noch bevor der spätere Geschäftsführer Hans Weiss 1981 zunächst als Betriebsleiter zum Flughafen stößt, gibt es erste Modernisierungsansätze: So wird im Juni 1979 eine Kontrollzone eingerichtet. Ab jetzt dürfen Flugzeuge nur noch mit Genehmigung der Fluglotsen einund ausfliegen. Allerdings gilt sie nur werktags: „Am Wochenende waren wir nur dazu da, Informationen über Wind und Wetter herauszugeben“, sagt Claudia Jungschmidt, die 1979 als Lotsin angefangen hat (siehe Porträt). Ein Jahr später schafft der Flughafen ein Instrumentenanflugverfahren an. Nun ist auch bei schlechter Sicht ein Anflug möglich. Ende der 1970er beschäftigt sich auch die Messe Friedrichshafen erstmals mit dem Thema Fliegen. Bei der ersten RMF (Rennsport, Motor, Freizeit) wird 1978 auch eine Handvoll Flugzeuge auf dem Flughafen ausgestellt. 1981 beteiligen sich bereits 73 Firmen, auf dem Flugplatzgelände werden Flugshows geboten. Ab jetzt findet die AERO, wie sie später heißt, im Zweijahresrhythmus statt – und wird bald zur europäischen Leitmesse für Allgemeine Luftfahrt. Die Flughafen Friedrichshafen GmbH lässt derweil zunächst die Anflugsysteme modernisieren. Denn das ungerichtete Funkfeuer erweist sich gerade bei Nebelwetterlagen als unzureichend. Viele Abendflüge von Zürich müssen ausfallen, die Schlecht-Wetter-Landung bleibt für Piloten eine Herausforderung. Ein Manko, das auch in der heimischen Wirtschaft nicht unbemerkt bleibt. „Eine Maschine mit MTU-Geschäftsführer Dr. Hans Dinger kam einmal im Schnee zum Stehen, weil sie die Bahn nicht getroffen hat“, erinnert sich Hans Weiss. Dinger, der auch im Beirat der Flughafen GmbH sitzt, macht sich daraufhin für einen neuen Landekurssender stark. Die Navigationsanlagen werden 1983 umgerüstet. Das Catering dagegen bleibt improvisiert: Eine Köchin aus Friedrichshafen schmiert frühmorgens Brote für die Passagiere und fährt sie mit ihrem Passat an den Flieger. An Bord der „Twin Otter“ werden die Schnittchen vom Copiloten verteilt. Flugbegleiterinnen gibt es noch nicht. Doch mit der Der Tower im Jahr 1979 Modernisierung zieht der Flugbetrieb an: Im Sommer 1984 gibt es nach einem halben Jahrhundert wieder eine Verbindung von Friedrichshafen nach Berlin-Tegel. Allerdings muss Direkt-Air die Linie bereits ein Jahr später einstellen. Ein Schicksal, das später auch die kleine Fluggesellschaft Berlin-Regional ereilt. Rustikal: die alte Abfertigungsbaracke 29 1979 - 1992 1979 entdeckt die benachbarte Messe Friedrichshafen das Thema Fliegen für sich Aber auch wenn die Hubschrauber der französischen Armee keine Landebahn brauchen: Löwental ist immer noch ein Militärflughafen. Die Fluglotsen müssen einen Passierschein vorweisen, um an ihren Arbeitsplatz zu kommen. Und von den zwei Startbahnköpfen steht dem zivilen Flugverkehr nur einer zur Verfügung. Die Folge: Viele Maschinen müssen zeitaufwändig zurückrollen, um in Startposition zu kommen. Der Verkehr auf dem Rollfeld verlangsamt sich. Auch in den Flughafengebäuden geht es gemächlich zu. „Weit entfernt von der Hektik der meisten internationalen Flughäfen entspannen sich die Passagiere mit einer Tasse Kaffee am Check-in-Schalter und warten auf ihren persönlichen Aufruf zum Flugzeug“, wirbt Delta Air 1987 in einem Prospekt. Delta mietet sich in diesem Jahr fest in der neuen Flugzeughalle ein, die gerade von der Flughafen GmbH gebaut worden ist. Der Geschäftsführer kümmert sich da längst um Geld für die Modernisierung. Mit Erfolg: Neben der Landesregierung, die den Flughafen als „verkehrswichtig“ fördert, überzeugt die Flughafen GmbH auch ihre Gesellschafter von notwendigen Investitionen. So kann neben der „Luftseite“ nun 30 auch die „Landseite“ angegangen werden: Im November 1987 fällt der Startschuss für den Bau eines neuen Abfertigungsgebäudes. Im Dezember 1988 wird das neue Terminal eröffnet. Im selben Jahr investiert der Flughafen auch in die Startbahn: Ein Anti-Skid-Belag verbessert den Abfluss des Regenwassers und die Bremswirkung der Flieger. Das Wendejahr 1989 beginnt turbulent: Eine Bürgervereinigung demonstriert vor dem neuen Terminal. Die Lufthan- Claudia Jungschmidt – Fluglotsin im Wilden Westen An einem Sommertag des Jahres 1981 sitzt Claudia Jungschmidt auf der Motorhaube eines Militärlasters und spricht in ihr Funkgerät. Ein paar Meter hinter ihr bekommt der alte Kontrollturm des Flughafens gerade eine Verjüngungskur. Auf der Landebahn vor ihr wird in wenigen Minuten ein Flieger erwartet. Jungschmidt, seit zwei Jahren Lotsin in Löwental, hält von ihrem Sonnenplatz aus Funkkontakt. „Während der Turm umgebaut wurde, hat uns die Bundeswehr einen mobilen Tower zur Verfügung gestellt“, erinnert sie sich an die skurrilsten Wochen ihrer Karriere. Doch in dem verglasten Mini-Turm, den die Soldaten auf einen Militärlaster aufgesetzt haben, ist es den Fluglotsen viel zu heiß. Also setzen sie sich mit ihren Funkgeräten kurzerhand auf die Motorhaube. Eine schöne Erinnerung an den „Wild-West-Flughafen“, wie Jungschmidt den Airport von damals liebevoll nennt. ab. In Österreich ist Frauen dieser Beruf damals noch verwehrt. Jungschmidt geht für ihre Ausbildung zurück nach Stuttgart. Und kommt 1979 als Lotsin nach Friedrichshafen. Dort arbeitet sie – ein weiteres Kuriosum – bis zum Abzug der Franzosen 1992 Seite an Seite mit Kollegen des französischen Militärs. Die Sprache des jeweils anderen verstehen beide Seiten nicht. „Aber in der Flugsprache gibt es zum Glück Phraseologien: Landing und Take-off haben alle verstanden.“ Jungschmidt kümmert sich auch um die Flughafenzeitung und wird so nebenbei zum Gedächtnis des Airports. Wenn sie zurückblicke, sei sie immer wieder verblüfft, wie sich die Fliegerei in ihrer Zeit entwickelt habe, sagt die 62-Jährige: „Die Twin Otter war damals für uns eine große Maschine. Wenn heute mal eine kommt, denke ich: Was für ein kleines Spielzeug!“ Dass sie überhaupt Fluglotsin wird, ist ein kleines Kurio sum. Frauenstimmen sind im Funkverkehr dieser Zeit extrem selten. Als die Hobbyfliegerin in der Steiermark, wo die Schwäbin in den 1970ern lebt, eine Ausbildung bei der Flugsicherung machen will, lehnen die Behörden 31 1979 - 1992 Der „Bodensee-Jumbo“ im Bild: Die „Twin Otter“ der Delta Air bietet 300 km/h Reisegeschwindigkeit und 20 Sitzplätze sa-Tochter Condor will ab Friedrichshafen Touristik-Charter nach Mallorca und Kreta anbieten, einige Anwohner halten die dafür vorgesehene Boeing 737-300 für zu laut. Für die schweren Flieger braucht der Flughafen eine neue Tonnage-Genehmigung, die ihm der Stadtrat mit knapper Mehrheit verwehrt. Nach juristischem Tauziehen, das von Aktionen einer „Flughafen für alle!“-Bewegung für die Urlaubsflüge begleitet wird, darf Condor am 7. Mai 1989 schließlich doch landen (siehe Porträt). Die für 1990 geplanten Umläufe erhalten vom Regierungspräsidium Tübingen allerdings keine Ausnahmegenehmigung mehr, die erforderliche Zustimmung des Gemeinderates und des Kreistages erfolgt zu Auch die Do 228 wird von Delta Air im Regionalverkehr eingesetzt 32 spät. Deshalb taucht das Kürzel FDH erst 1991 wieder in den Flugplänen von Reiseunternehmen auf. Die französischen Heeresflieger bereiten sich nach der deutschen Wiedervereinigung derweil auf den Abschied vor. Im Mai 1992 sagen sie „Adieu“, nach 47 Jahren. Für den zivilen Flugbetrieb gibt es plötzlich viel Platz. Raum für neue Investitionen. Michael Thaler – Heimspiel in der Luft Wie viele Male ist er von hier abgehoben? Er weiß es selbst nicht mehr. Seit er 16 Jahre geworden war, ist er fast jeden Tag die paar Kilometer aus Meckenbeuren zum Flugplatz gefahren, hier hat er den Segelflugschein gemacht, später ist er von hier zur Flugschule der Lufthansa nach Bremen geflogen. Er kennt diesen Flughafen in- und auswendig. Und doch ist heute, am 7. Mai 1989, alles anders. Denn als Michael Thaler am frühen Nachmittag das Rollfeld betritt, trägt er Uniform: als Co-Pilot des ersten Condor-Charterflugs. Auf dem Weg zur B 737 mit dem Kennzeichen D-ABWE wird die Crew um Flugkapitän Buderus genau beobachtet: Das Fernsehen ist da und einige Demonstranten, unter die sich – im Scherz – auch Thalers späterer Schwiegervater gemischt hat. Um 14.22 Uhr Ortszeit ist es soweit: Mit etwa 250 km/h hebt die Maschine in östlicher Richtung ab, um dann nach Süden in Richtung Palma de Mallorca abzudrehen. „Ich kann mich noch genau erinnern: Es war ein wunderschöner Tag“, sagt Michael Thaler – nicht nur wegen des wolkenlosen Himmels. Über den Alpen, fünf Flugminuten vor der französischen Grenze, dann eine Schrecksekunde: Über Funk erhält man die Nachricht, dass keine Überfluggenehmigung vorliegt. Offenbar sind die französischen Flugbehörden auf einen Urlaubsflug aus Friedrichshafen nicht eingestellt ... Nach einer Warteschleife können die Piloten aber wieder Kurs auf die Balearen nehmen, und um 16.08 Uhr ist die Premiere erfolgreich beendet. Ein halbes Dutzend Mal steuert Michael Thaler in jenem Sommer noch Palma sowie den Flughafen Heraklion auf Kreta an. Längst ist der heute 49-Jährige als Flugkapitän bei der Lufthansa für die A320 verantwortlich. Doch dieser Tag im Mai 1989 bleibt einer jener Momente, die ihn daran erinnern, warum er Pilot werden wollte, seit er seinen Heimat-Flughafen zum ersten Mal betrat. 33 1994 Der Flughafen wird zur Großbaustelle und zum „Verkehrsflughafen“ 1992 - 2002 1997 Anbindung an den ÖPNV 1998 Flughafen GmbH wird Eigentümerin 1999 Friedrichshafen wird „Winner of the Year“ bei Cockpit Reiseflughöhe: Ein Flughafen wird erwachsen Skitouristen fliegen zum Bodensee. Der Flughafen wird zur Großbaustelle – und endlich Herr im eigenen Haus. Und am Himmel taucht ein Zeppelin auf. Pop Art am Bodensee: Der US-amerikanische Künstler James Rizzi gestaltete 1996 für eine Boeing 757 von Condor ein extravagantes Design Nach dem Start der Condor-Touristikflieger macht sich der Flughafen Anfang der 1990er-Jahre weiter fit für die Zielgruppe „Urlauber“. „Plötzlich wollten alle fliegen“, erinnert sich der damalige Geschäftsführer Hans Weiss. Zu den 150.000 Geschäftsreisenden, die jährlich in Löwental abheben, kommt ein vergleichbares Potenzial an Touristen. 1991 gibt es neue Sommercharter nach Mallorca, Heraklion und Antalya. Auch für den Incoming-Winterflugverkehr wird Löwental zunehmend interessant: Weil der Flughafen Inns34 bruck Kapazitätsprobleme hat – und in österreichischen Hotels ausschließlich am Wochenende Bettenwechsel ist –, positioniert sich Friedrichshafen als Ausweichs-Landeort. Mit Erfolg: Immer mehr Charter aus Großbritannien, Skandinavien und sogar Russland nehmen Kurs auf „FDH“. Derweil wird die Delta Air, mit der in Löwental der Zivilflug begann, 1992 von British Airways übernommen und zur Deutschen BA umfirmiert. Die neuen Flieger machen weitere Modernisierungen nötig. Nach jahrelangen Vorbereitungen wird der Flughafen 1994 zur Großbaustelle: Von Juni bis November pflügen Bagger das Areal um. Die Startbahn wird komplett erneuert – bei laufendem Betrieb. Die Bagger arbeiten nachts, tagsüber heben die Flieger ab. „Wir haben die Landebahn gedrittelt, so dass immer zwei Drittel nutzbar waren“, erklärt Hans Weiss. Die Zahlen der Sanierungsarbeiten lassen die Mammutaufgabe erahnen: 15.000 Tonnen Kies, 50.000 Tonnen Betonaufbruch und 35.000 Kubikmeter Erde werden bewegt. Allein für die Entwässerung verlegen die Arbeiter 18.400 Meter Rohre und Rinnen. 94.000 Tonnen Asphalt werden verarbeitet, 105 Kilometer Kabel verlegt und 630 Löcher für die Unterflutfeuer in die Startbahn gebohrt. Zeitweise sind 50 Lastwagen gleichzeitig auf dem Rollfeld. Am Ende misst die Startbahn einschließlich der Überrollstrecken 2350 Meter – und ist damit zur damaligen Zeit ähnlich lang wie die des Flughafens Stuttgart. Die Graf-Zeppelin-Kaserne vor ihrem Abriss Der Flughafen nach dem Abschluss der Sanierungsarbeiten 35 1992 - 2002 Aus der Delta Air wird 1992 die Deutsche BA. British Airways hält 49 Prozent der Anteile Als die letzten Arbeiter den Flugplatz verlassen, ist eine Baumaßnahme mit einem Gesamtvolumen in Höhe von 45 Millionen DM abgeschlossen. „Ohne die Zuschüsse vom Land Baden-Württemberg und die Kapitaleinlagen der Friedr ichshafener Unternehmen, der Stadt Friedrichshafen und dem Bodenseekreis wäre der Ausbau unmöglich ge wesen“, sagt Hans Weiss. Auch die Technik im Kontrollturm Neuer Bahnhalt: Optimale Anbindung an das Schienennetz 36 und die elektronischen und optischen Anflugssysteme werden auf den neuesten Stand gebracht. Im selben Jahr erhält der bisher als Verkehrslandeplatz zugelassene Flugplatz Friedrichshafen am 24. August 1994 die Neueinstufung als „Flughafen des allgemeinen Verkehrs“ (Verkehrsflughafen). Die Ankunft der ersten Maschine vom Typ Saab 2000 für die Deutsche BA, die die fünf kleineren Saab 340 ersetzt, macht auch den Bau einer neuen Halle notwendig. Sie ist ausgelegt für zwei Boeing 737 oder drei Saab 2000 und noch vor dem Jahreswechsel 1995/96 bezugsfertig. Um den Flugbetrieb den veränderten Bedingungen anzupassen, stellt die Flughafen Friedrichshafen GmbH im Juni 1995 zudem einen Änderungsantrag beim Verkehrsministerium Baden-Württemberg: Die bisherige Betriebsgenehmigung, die ein Höchstabfluggewicht von 70 Tonnen und durchschnittlich sieben Umläufe pro Woche vorsieht, wird durch eine Lärmkontigentierung auf einen Dauerschallpegel von 62 Dezibel (A) für Flugzeuge ersetzt. Auch die unmittelbare Umgebung wird modernisiert: 1997 wird der neue Bahnhalte-Punkt „Friedrichshafen-Flughafen“ eingeweiht. Reisende können nun mit dem Zug fast direkt vors Terminal fahren, wodurch eine optimale Erreichbarkeit sichergestellt wird. Zeitgleich beginnt auf der nordöstlichen Seite des Geländes das Projekt Zeppelin NT (Neue Technologie): Am 18. September steigt der erste Prototyp, der Zeppelin NT 07, zu seinem Jungfernflug auf und landet nach 40 Minuten vor dem neu erbauten Zeppelin-Hangar. In einem Friedrichshafener Notariat wird am 13. Juli 1998 dann ein wichtiger Vertrag besiegelt: Die Flughafen Friedrichshafen GmbH schließt mit der Bundesrepublik einen Kaufvertrag über das Gelände – und wird damit 70 Jahre nach ihrer Gründung endlich Herr im eigenen Haus. Verhandlungsführer für den Erwerb aller von den Franzosen genutzten Liegenschaften ist die Stadt Friedrichshafen. Nach langen Verhandlungen einigen sich die Delegationen auf einen Kaufpreis von 9,5 Millionen DM für das 150 Hektar große Areal. Noch im selben Jahr wird das seit langem funktionslose Bahnwärterhäuschen am neuen Bahnhalt abgerissen, und der Flugplatz bekommt mit der Webseite www.fly-away.de einen Internet-Landeplatz. Die Modernisierungsmaßnah- men machen sich inzwischen auch nach außen hin bezahlt: 1999 kürt die Pilotenvereinigung Cockpit Friedrichshafen erstmals zum „Winner of the Year“ als bestausgerüsteter Regionalflughafen. Auch der Charterbetrieb gewinnt immer mehr an Bedeutung: Die Urlaubsdestinationen erstrecken sich über das gesamte Mittelmeer und die Kanarischen Inseln. 2002 kommt Spanair nach Löwental, und Ryanair bedient als erster Lowcost-Carrier in Friedrichshafen die Strecke nach London-Stansted. Die nächste Bauphase folgt: 8,8 Millionen D-Mark kostet der Ausbau des seit 1988 bestehenden Abfertigungsgebäudes. Im November 2002 wird das neue Terminal eröffnet: Das Gebäude ist doppelt so groß wie das alte, es gibt neue Gepäckbänder, Sicherheitsschleusen und Büroräume im Obergeschoss. Die Zahl der Parkplätze wächst von 400 auf 700, und ein Flughafenrestaurant wird eröffnet. Auch für Reisebüros, Kiosk und Mietwagenschalter ist nun mehr Platz. Und auf dem Dach gibt es jetzt eine Besucherterrasse. Fläche verdoppelt: 2002 wird das neue Terminal eröffnet 37 1992 - 2002 Comeback der weißen Riesen: Der Zeppelin NT feiert 2002 Premiere 38 Walter Schoch – Promi-Jäger auf dem Vorfeld Walter Schoch hat sie alle getroffen: Alain Delon und Angela Merkel, Helmut Schmidt und Roberto Blanco, Franz-Josef Strauß und Mickey Hart von der Hippie-Band Grateful Dead. US-Sängerin Joan Baez malt ihm eine Blume aufs Papier, Otto Waalkes einen Ottifanten. Und NASA-Astronaut Tom Stafford, Kommandant der Apollo X, schreibt „To the Friedrichshafen airport – with my very best wishes“ in das Buch, das Schoch ihm auf dem Vorfeld des Flughafens hinhält. Walter Schoch, heute 72, aber immer noch im orangefarbenen Dress des Vorfeldmitarbeiters, erinnert sich gern an die Zeit, als er bei jedem Blaulicht zu seinem Spind gesprintet ist. „Wenn Polizei vorfuhr, bin ich gleich los und hab das Buch geholt“, erzählt der ehemalige Flughafenangestellte, der heute bei einer Gebäudereinigung am Airport arbeitet. Zu seinem Job gehört damals das Einwinken und Betanken, auch um Koffer und Fracht der gelandeten Maschinen kümmert er sich. Interessant sei das gewesen, sagt Schoch, und fast familiär, weil auf dem kleinen Flughafen jeder jeden kennt. Immer öfter kommen dem Vorfeldmitarbeiter auch die Passagiere bekannt vor, die ein paar Meter vor ihm die Gangway hinabsteigen. Für die Promis, die am Flughafen Friedrichshafen landen, hat der Luftsportclub eigentlich ein Goldenes Buch. Doch das verstaubt Anfang der 1970er-Jahre im Schrank. „Erst 1973 kam es zum Vorschein, als ich gesagt habe: Wie wäre es, wenn ich das Buch in meinem Spind verstaue? Und wenn jemand kommt, nehme ich es mit aufs Rollfeld“, erinnert sich Schoch, der damals LSC-Mitglied war. Gesagt getan. In den nächsten 35 Jahren rennt Walter Schoch Hunderte Male mit dem Buch unterm Arm auf das Vorfeld. Weil die Polizei ihn kennt, lässt sie ihn tatsächlich zu allen Prominenten durch. Und alle unterschreiben – bis auf eine: Prinzessin Anne, die Schwester von Englands Prinz Charles. Dafür lädt Italo-Sänger Eros Ramazotti ihn einmal auf einen Drink in seinen Flieger. Das schönste Erlebnis ist für den flugbegeisterten Schoch aber ein Besuch des russischen Riesenfliegers Antonow 124: „Da hat mein Herz höher geschlagen.“ Als Kanzlerin Merkel ihm 2006 bei einem Zwischenstopp nach Davos etwas Unleserliches ins Buch kritzelt, spekuliert die Lokalpresse darüber, ob das wohl „Alles Liebe“ heiße. „Alles Gute“, klärt der Autogrammjäger auf. „Ich muss es wissen. So schreibt mein Doktor auch.“ 39 2003 Erstflug von InterSky 2008 Terminal-Erweiterung 2002 - 2015 2009 Ibis-Hotel, Dornier-Museum 2010 Eröffnung des neuen Terminals 2012 Hans Weiss übergibt an Gerold Tumulka 2013 Turkish Airlines kommt 2014 Germania und BA kommen 2015 Schenker eröffnet weltweiten Luftfracht-Versand Abflug: Neue Airlines, neue Ziele Die InterSky gründet sich, der Terminal wird noch einmal erweitert – und das Streckennetz reicht bis nach Istanbul. Ob innerdeutsch oder international: Der IATA-Code FDH taucht inzwischen in den Flugplänen vieler Airlines auf Die Nachbeben des 11. Septembers 2001 sind auch in Löwental zu spüren. Die Sicherheitsmaßnahmen werden spürbar verschärft, die Abfertigung wird aufwändiger. Gab es während der gesamten Besatzungszeit keinen Zaun um das Militärgelände - nun gibt es ihn. Selbst der Geschäftsführer muss sich in die Schlange bei der Sicherheitskontrolle stellen, wenn er zu seinen Mitarbeitern aufs Vorfeld will. Im April 2002 nimmt die irische Low-Cost-Airline Ryanair Flüge nach London auf. Das Angebot wird sich in den kommenden Jahren noch deutlich erweitern – unter anderem werden erstmals Dublin, Alicante oder Pisa angeflogen. 2003 wird zudem der deutsch-österreichische Grenzbetrieb 40 um ein Kapitel reicher. Die Bregenzer Fluglinie InterSky nimmt den Betrieb in Friedrichshafen auf. Die Fluggesellschaft ist zwei Jahre zuvor gegründet worden. Jetzt wählen die Betreiber Rolf Seewald und Renate Moser Löwental als neuen Heimatflughafen. Bis 2008 wächst ihre Flotte auf vier Maschinen vom Typ Dash 8, das Streckennetz wird fortlaufend ausgebaut. Bis heute hat InterSky von Friedrichshafen aus ganzjährig innerdeutsche Destinationen wie Berlin, Hamburg und Düsseldorf sowie Ziele im benachbarten Ausland wie Zadar oder Elba und Charterflüge im Programm. Die Lufthansa verbindet zudem Friedrichshafen mit bis zu vier Flügen täglich mit dem internationalen Drehkreuz Seit 2013 verbindet Turkish Airlines die Vierländer-Region Bodensee mit dem Drehkreuz Istanbul Frankfurt. Aber auch neue exotischere Ziele wie Reykjavik mit Iceland Express tauchen nun im Flugplan auf. Die Zahl der Fluggäste wächst kontinuierlich an: von 399.000 (2000) auf 658.000 im Jahr 2006. Diese guten Zahlen sind die Grundlage für weitere Investitionen. Anfang 2008 geht der Terminal-Ausbau in die nächste Phase. Betrafen die Baumaßnahmen fünf Jahre zuvor vor allem die Abfertigung, wird jetzt das Ankunftsterminal ausgebaut. Rund 10 Millionen Euro kostet der Um- und Ausbau. Um den Komfort für die Passagiere zu erhöhen, entsteht auch ein 80-Zimmer-Hotel neben dem Flughafen. Auf dem Rollfeld verändert sich das Bild ebenfalls. Ryanair zieht sich 2010 vom Bodensee zurück, dafür kommen neue Airlines. Germanwings verbindet bis zu zwei Mal täglich Friedrichshafen mit Köln/Bonn. Ein Jahr später folgt Air Berlin; Die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft hebt erstmals im April 2011 nach Mallorca ab, bietet später auch Flüge nach Antalya und Ibiza an. Im selben Monat ergänzt Germania das touristische Angebot um die kanarischen Inseln Lanzarote und Fuerteventura sowie Kreta, Rhodos und Antalya. InterSky nimmt 2011 das Urlaubsziel Menorca ins Portfolio auf. Hamburg Airways baut in Friedrichshafen nicht nur verschiedene touristische Strecken, sondern auch einen eigenen Service- und Wartungsstützpunkt auf. Auch an der Abzweigung der Rollbahn entsteht Neues: Im Juli 2009 öffnet das Dornier-Museum seine Tore. In Laufweite zum Terminal gelegen, können sich Besucher dort über die Geschichte des Flugzeugpioniers Claude Dornier und seines Unternehmens informieren, das als Teil von Airbus heute ein paar Kilometer weiter westlich von Friedrichshafen unter anderem Satelliten für Weltraummissionen konstruiert. Die multimediale Schau, zu der auch ein Hangar mit historischen Flugzeugen gehört, passt sich gut ein in die Umgebung, in der Dornier selbst vor 70 Jahren arbeitete. Am 1. September 2010 beginnt am Bodensee-Airport eine neue Ära: Nach 20 Monaten Bauzeit wird das neue Terminal eröffnet. Nun stehen 14 Check-in-Schalter zur Verfügung, zeitgleich können nun vier Flugzeuge mit je 150 Sitzplätzen abgefertigt werden. Die neue Ankunfts- und Abfertigungshalle verfügt über 3500 Quadratmeter Grundfläche, insgesamt hat sich die bisherige Fläche auf 6500 Quadratmeter verdreifacht. Als „eine der besten Destinationen“ lobt Turkish Airlines-CEO Temel Kotil (vordere Reihe 3 v.l.) den Airport anlässlich des Premierenflugs 41 2002 - 2015 men der „Do-Days“ über Löwental. Starten – und deshalb auch landen – kann der Riese von der Startbahn zwar nicht. Für Besucher sind die drei Überflüge über die Start- und Landebahn – fast auf den Tag genau 100 Jahre nach dem berühmten „Schwabenflug“ – aber schon Spektakel genug. Hans Weiss, der den Flughafen Friedrichshafen jahrzehntelang prägte, scheidet im Juni 2012 aus. Er übergibt nach 31 Jahren die Geschäftsführung an Gerold Tumulka. Im Winter sorgen verschiedene Airlines für bunte Farben auf dem Vorfeld – regelmäßige Ski-Incoming-Charterflüge aus Rotterdam, London oder Manchester bieten Transavia, Aer Lingus oder Monarch Airlines an. Letztere sorgt auch für die regelmäßige Landung des größten Passagierflugzeuges am Bodensee-Airport: Bis zu 361 Passagiere passen in den Airbus A 300-600R. Erstflug von British Airways am 14. Dezember 2014 Am 27. August 2011 kann man von der Dachterrasse des Flughafens aus eine Premiere beobachten: Der Airbus A 380, das größte Passagierflugzeug der Welt, kreist im Rah- Das 2010 eröffnete Terminal ist insgesamt 6500 Quadratmeter groß 42 Der neue Chef Gerold Tumulka kann innerhalb kurzer Zeit gleich zwei neue große Fluglinien am Bodensee-Airport begrüßen: Seit Dezember 2014 bindet British Airways Friedrichshafen mit Linienflügen nach London-Gatwick in ihr Streckennetz ein. Bereits im Mai 2013 eröffnet Turkish Gaby Pachler – Keine Angst vor großen Männern Der schönste Job der Welt, wie Gaby Pachler ihn nennt, ist manchmal ganz schön stressig. Zum Beispiel, wenn man wegen schlechten Wetters nicht landen kann. „Früher waren die Anflughilfen in Friedrichshafen noch sehr begrenzt“, erinnert sich die 56-Jährige. „Da gab es nur ein ungerichtetes Funkfeuer und das war’s.“ Lag Nebel über dem See, mussten Flugzeuge schon mal umdrehen. Einmal musste sie drei Tage lang immer wieder zurück nach Frankfurt fliegen. „Die haben abends im Hotel zu mir gesagt: Ach, Sie schon wieder!“ Als Berufspilotin ist Pachler eine Spätstarterin. In den 1980er-Jahren betreibt die Mutter zweier Kinder ein Lokal in einer Windmühle. Nebenbei macht sie als Hobbypilotin Luftaufnahmen. Als sie über ihren Lebensgefährten den Delta-Air-Chef Wolfgang Bierbach kennenlernt, trägt sie sich gerade mit dem Gedanken, den Berufspilotenschein zu machen. Sie solle doch lieber gleich die große Fluglizenz angehen, schlägt Bierbach vor. Dann bekomme sie auch direkt einen Job – bei der Delta Air. In Friedrichshafen. Ihre erste Maschine 1989 ist eine Saab Fairchild 340. Auf dem kleineren Metroliner ist der Komfort noch begrenzter. „Wir nannten sie ‚Die Angströhre’, sagt Pachler. „Die Kabine war so niedrig, dass der Copilot sich bücken musste, wenn er den Passagieren die Stullen am Platz serviert hat.“ Pilotinnen sind damals selten, zumal in Löwental. „Ich dachte, das wird bestimmt schwierig mit den vielen Militärpiloten hier. Die sind gewohnt, alleine zu fliegen. Und die lassen sich sicher nichts von einer Frau sagen.“ Doch die Angst erweist sich als unbegründet. „Keiner hat Sprüche gemacht. Und die Fluggäste – vor allem die Frauen – haben sich gefreut.“ Von Delta wechselt Pachler später zu Crossair, dann zu Cirrus. Inzwischen fliegt sie wieder ab Friedrichshafen – diesmal für InterSky. „Ich wollte eigentlich immer zurück. Es ist schon toll, an einem Flughafen zu arbeiten, bei dem man auch das gesamte Bodenpersonal kennt.“ Gleiches gilt für manche Stammgäste. Günther Jauch habe sie oft an Bord, erzählt die Pilotin. Auch Teams aus der Fußball-Bundesliga nutzen die Dienste von InterSky. 2014 flog ein Kollege von Pachler die Nationalmannschaft zum letzten Trainingsl ager vor der WM. Ein paar Wochen später war Deutschland Weltmeister. 43 2002 - 2015 150 Hektar, von oben gesehen: das heutige Flughafenareal 44 Airlines eine Direktverbindung von Friedrichshafen nach Istanbul – eines der am stärksten wachsenden Drehkreuze der Welt. Für Schwaben mit türkischen Wurzeln, Touristen und Geschäftsreisende eine gute Nachricht, schließlich wird die junge Fluggesellschaft bei den Skytrax World Airline Awards im selben Jahr von Gästen zum vierten Mal in Folge als „Beste Airline in Südeuropa“ ausgezeichnet. Und auch der Senkrechtstarter weiß, was er an dem Standort im kleinen Löwental hat. Als „eine der besten Destinationen von Turkish Airlines“ lobt CEO Temel Kotil anlässlich des Erstflugs den Flughafen und fügt hinzu: „Friedrichshafen ist der Ort, an dem Luftfahrtgeschichte geschrieben wurde.“ Wie wahr. Das weltgrößte Flugzeug vor großartiger Kulisse: der Airbus A380 zu Gast bei den „Do-Days“ 2011 Strahlend schöner Nachbar: das Dornier Museum bei Nacht 45 46 AUSBL ICK Der Bodensee-Airport hat einen steinigen Weg hinter sich und den aktuellen Erfolg hart erarbeitet. Alle Regionalflughäfen müssen sich in einem Umfeld mit deutlich verschärften Rahmenbedingungen behaupten – umso bemerkenswerter, dass sich der Flughafen Friedrichshafen mit derzeit deutlichen Zuwächsen bei den Passagierzahlen präsentieren kann. In den letzten Jahren hat sich der Flughafen von einem defizitären Unternehmen, nicht zuletzt auch infolge der Krisen 2008 und 2010, zu einem stabilen und gut aufgestellten Betrieb entwickelt. Im Jahr 2014 konnte erstmals nach langer Zeit ein positives Betriebsergebnis erreicht werden. Diese positive Entwicklung bestätigt das bisherige Engagement und weist zugleich den Weg in die Zukunft. Der Bodensee-Airport muss weiter nachhaltig wachsen, um mit der bestehenden Infrastruktur Umsätze zu generieren. Die langjährige Strategie, auf große etablierte Fluggesellschaften und nicht auf oft kurzfristig operierende Low- Cost-Airlines zu setzen, hat sich bewährt. Künftig muss sich der Bodensee- Airport in allen Segmenten breit aufstellen, um künftige Schwankungen oder Krisen in der Branche besser ausgleichen zu können. Das Jubiläumsjahr zeigt, welch großes Potenzial in der Vierländer-Region steckt. Davon zeugen ein deutlicher Kapazitätsaufbau bei Lufthansa, ein erweitertes Flugangebot unseres Home-Carriers InterSky und das starke Touristik Angebot von Germania, das noch deutlich ausgebaut werden soll. Ein deutliches Signal kommt auch von Turkish Airlines, die ihr Angebot mit nun täglichen Flügen zum Drehkreuz Istanbul erweitert. Wir vom Bodensee-Airport werden auch künftig alles tun, dass unsere international orientierte, exportstarke Region mit ihren Menschen von weiteren neuen weltweiten Verbindungen ab dem Bodensee-Airport profitieren kann. Claus-Dieter Wehr Geschäftsführer der Flughafen Friedrichshafen GmbH 47 IMPRE SSUM Herausgeber Bildnachweise Flughafen Friedrichshafen GmbH Postfach 1520 88005 Friedrichshafen www.bodensee-airport.eu Archiv FFG: 2, 6, 13, 16, 20, 23, 26 (Franz Thorbecke), 28, 35, 36, 37, 38, 40, 41, 42, 44, 45, 46, 47, 48 Redaktionell verantwortlich Archiv Said Bellout: 27 Andreas Humer-Hager, Leiter Marketing und Unternehmenskommunikation Archiv Rudolf Flintrop: 18, 21, 22, 24, 25 Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH Friedrichshafen: 5, 7, 9, 15 Archiv Claudia Jungschmidt: 29, 30 , 31, 32, 34, 36 Konzept und Text Michael Aust: 19, 31, 39, 43 Michael Aust (www.michael-aust.de) Jens Poggenpohl (www.jenspoggenpohl.de) Deutscher Wetterdienst: 3 Dornier Museum Friedrichshafen: 8, 10, 11, 12, 25, 45 (Florian Holzherr) Gestaltung und Druck Messe Friedrichshafen GmbH: 30 bodensee medienzentrum GmbH & Co. KG Lindauer Straße 11 88069 Tettnang www.bodensee-medienzentrum.de J.-C. Parent: 20 Jens Poggenpohl: 27, 33 Royal Air Force Museum: 17 Sammlung Armin Loch: 4, 14 48