Die „verkleidete“ Kapitalanlage als Risiko für den Vertrieb

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Die „verkleidete“ Kapitalanlage als Risiko für den Vertrieb
Steuern und Recht
Die „verkleidete“ Kapitalanlage
als Risiko für den Vertrieb
Anlagekonzepte im Versicherungsmantel, ob
als „Lebensversicherung“ oder als „Rentenversicherung“ sind derzeit verstärkt im Vertrieb. Die „Mäntel“ kommen gern aus kleinen
Fürstentümern mit „L“. Wenn aber unter dem
Mantel das nackte Elend herrscht, hat der Vermittler eventuell Haftungsprobleme und der
Mantelgeber droht ihm auch noch.
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experten Report 12 / 2013
Steuern und Recht
Unter dem Mantel nackt?
Anlagekonzepte im Versicherungsmantel sind auf den ersten Blick
eine clevere Idee. In den Mantel einer Lebensversicherung oder Rentenversicherung wird in der Regel mittelbar ein Fonds verpackt, der
dann seinerseits Anlagekonzepte verfolgt, die, wären sie in Deutschland ein KG-Fonds, nach den strengen deutschen Regeln emittiert
werden müssten und vom Vermittler eine 34f-Zulassung erfordern
würden. Anlagekonzepte im Versicherungsmantel ermöglichen es
angeblich auch dem Nicht-§34f Vermittler in diesem im Vergleich
zu Versicherungen weitaus höher provisionierten Markt mitzumischen. Die „Versicherungsprämie“ entspricht tatsächlich dem, was
der Vermittler sonst unter „Anlagebetrag“ auf dem Zeichnungsschein versteht; der tatsächliche Versicherungsschutz ist wirtschaftlich oft nebensächlich. Das Verkaufsargument „Lebensversicherung“ zieht aber beim deutschen Kunden immer, unterstellt es doch
eine fast schon langweilig sichere Anlage. Was es bedeutet, wenn
unter dem Mantel das nackte Entsetzen herrscht, z.B. hoch spekulative Hebelprodukte oder aber von viel Hoffnung, aber wenig Aussicht auf Erfolg gekennzeichnete Blind-Pool Investments, bekommen Vermittler und Kunden erst dann mit, wenn das Investment
schief geht. Dann aber als Katastrophenszenario. Hier am Beispiel
der „British Primes Life One/Dynamik 2“ der Vienna Life Lebensversicherung AG – seinerzeit vertrieben von der European Primes AG.
Eine gesamtschuldnerische Haftung des Vermittlers.
Über die „Lebensversicherungen mit Vermögensverwaltung“ der
Vienna Life Lebensversicherung AG mit Sitz in Liechtenstein wird
schon seit längerem vor den Gerichten trefflich gestritten. So hat
beispielsweise das OLG Stuttgart mit Urteil vom 31.03.2011 sowohl
die Vienna Life als auch den Vermittler gesamtschuldnerisch zur
Leistung von Schadensersatz in Höhe von ca. EUR 500.000,00 verurteilt. Das OLG Stuttgart ging seinerzeit davon aus, dass es sich bei
der „Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung“ im Wesentlichen nicht um ein Versicherungsprodukt handelt, sondern um eine
Kapitalanlage, über welche der Vermittler nicht ordnungsgemäß
aufgeklärt hätte. Diese Falschberatung des Vermittlers müsste sich
die Vienna Life Lebensversicherung AG zurechnen lassen, so dass
beide Beklagten dem Versicherungsnehmer den Schaden in voller
Höhe gemeinsam ersetzen müssen.
Im Jahre 2012 wendete sich ein weiterer Versicherungsnehmer der
Vienna Life Lebensversicherung AG an die Rechtsanwälte BEMK in
Markdorf. Er hatte eine „Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung“ bei der Vienna Life Lebensversicherung AG abgeschlossen.
Vertriebsorganisation war die European Primes AG in Nördlingen.
Vereinbart war die Veranlagung „Primes Life One/Dynamik 2“ mit
einer Versicherungsprämie in Höhe von EUR 80.000,00. Nachdem
die Klage der BEMK Rechtsanwälte in der ersten Instanz zunächst
abgewiesen wurde, hob das OLG Nürnberg diese Entscheidung auf
und verurteilte die Vienna Life Lebensversicherung AG zum Schadensersatz in voller Höhe.
Gericht befindet: diese Lebensversicherung
ist eine Kapitalanlage.
Der Vermittler musste folglich sowohl die maßgeblichen Risiken
der Veranlagung „Primes Life One/Dynamik 2“ erklären sowie die
Kostenstruktur dieses Produktes aufzeigen. Da dies zur Überzeugung des Gerichtes nicht erfolgte, musste sich die Vienna Life Lebensversicherung AG die Falschberatung des von ihr eingesetzten
Vermittlers zurechnen lassen. Warum der Vermittler zur dem Zeitpunkt auch gar nicht korrekt hätte beraten können, erfahren Sie
weiter unten. Die Folge für die Vienna Life: sie muss dem Anleger
den vollen Anlagebetrag („Versicherungsprämie“) ersetzen und erhält im Gegenzug ihre eigne Versicherung zurück.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde vom OLG Nürnberg
nicht zugelassen. Die Vienna Life Lebensversicherung AG hat jedoch über ihren Prozessbevollmächtigten mitteilen lassen, dass
hiergegen eine Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt werden wird.
Die Liechtensteiner Versicherung versucht
sich aus der Haftung zu winden.
In dem Verfahren vor dem OLG Nürnberg hat sich die Vienna Life Lebensversicherung AG insbesondere mit zwei Argumenten zur Wehr
gesetzt: Zum einen handele es sich um ein Versicherungsprodukt,
da unabhängig von der Entwicklung des zugrundeliegenden Fonds
ein Mindesttodesfallschutz vorgesehen sei. Zum anderen habe der
Versicherungsnehmer im Rahmen einer Beratungsdokumentation
mehrfach bestätigt, dass er auf die Risiken der Veranlagung „Primes
Primes Life I/Dynamik 2“ hingewiesen worden sei. Beide Argumente konnten nach zutreffender Auffassung des OLG Nürnberg nicht
verfangen. Und hier ist warum:
Ein neuer „Clerical Medical“ Fall?
Spätestens seit den Clerical Medical-Entscheidungen des Bundesgerichtshofes steht fest: Die Beantwortung der Frage, ob eine „Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung“ ein Versicherungsprodukt oder eine Kapitalanlage ist, muss stets unter wirtschaftlichen
Gesichtspunkten getroffen werden. Es kommt folglich in erster
Linie auf den Empfängerhorizont des Anlegers an. Wie wurde ihm
das Produkt angeboten, fand zum Beispiel die Erzielung einer Rendite im Verhältnis zur Absicherung des Todesfalls im Vordergrund?
Des Weiteren ist von Bedeutung, wie das Produkt im Einzelnen
ausgestaltet ist. Im Falle der Veranlagung „Primes Life One/Dynamik 2“ erfolgte die Investition der Versicherungsnehmer in einen
Dach-Hedgefonds. Es handelte sich hierbei um ein Produkt, dass an
Privatanleger mangels aufsichtsbehördlicher Genehmigung überhaupt nicht hätte vermittelt werden können. Um dieses Produkt dennoch auf dem deutschen Markt zugänglich zu machen, wurde ein Versicherungsmantel um den
Dach-Hedgefonds gelegt, welcher wiederum von der Vienna Life
Lebensversicherung AG gestellt wurde. Auch dieser Umstand des
„Ummantelns“ einer ansonsten auf dem deutschen Markt nicht
veräußerbaren Kapitalanlage spricht dafür, dass der Charakter einer Kapitalanlage gegenüber den Charakter einer Risikolebensversicherung eindeutig überwiegt. 
Auch das OLG Nürnberg ging davon aus, dass es sich bei der „Lebensversicherung mit der Vermögensverwaltung“ um eine Kapitalanlage handelt und dass der Anlageberater aus diesem Grunde verpflichtet war, sowohl anleger- als auch objektgerecht aufzuklären.
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Kein moralisches Schuldbewusstsein
der Liechtensteiner Versicherung.
Die Vienna Life Lebensversicherung AG konnte sich auch nicht darauf berufen, dass im Rahmen der Beratungsdokumentation die Risiken dargestellt wurden. Insofern muss sich die Vienna Life Lebensversicherung AG den Vorwurf gefallen lassen, dass zwar in diesen
Beratungsdokumentationen auf das Totalverlustrisiko hingewiesen
wird, in dem zugrundeliegenden Prospektmaterial sich jedoch kein
Wort zu diesen Risiken wiederfindet. So werden die Vertragspartner
in den höchsten Tönen gelobt und mehrfach auf die potentielle Ertragskraft einer Investition in Hedgefonds verwiesen. Mehr an Informationen ist den Prospekten der Vienna Life Lebensversicherung
AG jedoch nicht zu entnehmen. Insbesondere ergeben sich aus diesen Prospekten auch keinerlei Informationen zu der Kostenstruktur
der „Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung“. Interessierte
Versicherungsnehmer konnten daher nicht ansatzweise nicht nachvollziehen, in welcher Höhe die von ihnen zur Verfügung gestellte
Versicherungsprämie überhaupt wertbildend investiert wurde.
Haftung – was kann der Vermittler jetzt tun?
Es ist wohl so, dass Schadensersatzansprüche gegen die Vienna Life
Lebensversicherung AG mit Ablauf des 31.12.2013 verjähren. Die
beruht auf dem Umstand, dass das „Winding-Up“-Verfahren über
den zugrundeliegenden Dach-Hedgefonds bereits im Jahre 2010 eingeleitet wurde und die Versicherungsnehmer über diesen Umstand
auch durch die Vienna Life Lebensversicherung AG in Kenntnis gesetzt wurden. Nach den Vorschriften des BGB verjähren Schadensersatzansprüche unter anderem innerhalb eines Zeitraums von drei
Jahren seit Kenntniserlangung des schadensersatzbegründenden
Umstandes zum Jahresende.
Anleger, die bei der Vienna Life Lebensversicherung AG eine „Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung“ in den Veranlagungen „Primes Primes Life One/Dynamik 2“ oder „BPI Classic“ abgeschlossen haben, sollten daher überlegen, ob sie noch in diesem
Jahr ihre Schadensersatzansprüche gegenüber der Vienna Life Lebensversicherung AG geltend machen.
Soweit der Vermittler seinen Kunden darauf aufmerksam macht,
das eine bereits verloren geglaubte Anlage doch noch wirtschaftlich auf dem Klageweg zu retten ist, wird der Vermittler sicher zum
Helden seiner Kundschaft. Unterlässt er es, dann darf er sich nicht
wundern von seinem Kunden schon aus emotionalen Gründen zur
Haftung heran gezogen zu werden.
Marc Ellerbrock
BEMK Rechtsanwälte
Vor diesem Hintergrund schließt sich der Kreis zur Verpflichtung
des Vermittlers zur anleger- und objektgerechten Aufklärung. Nach
Auffassung der BEMK Rechtsanwälte war ein Vermittler anhand der
von der Vienna Life Lebensversicherung AG zur Verfügung gestellten Unterlagen gar nicht in der Lage, objektgerecht über eine „Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung“ aufzuklären. Die Unterlagen haben ausschließlich werbenden Charakter und sind nicht
ansatzweise geeignet, dem Anleger, aber auch dem Vermittler, ein
realistisches Bild von den Chancen und Risiken sowie den Kosten
dieser Produkte zu verschaffen.
Durch die Verwendung derart unvollständigen Prospektmaterials
hat die Vienna Life Lebensversicherung AG nicht nur ihren Kunden
eine Grube gegraben, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat.
So hat die Veranlagung „Primes Primes Life One/Dynamik 2“ im
Laufe der Jahre nahezu vollständig an Wert verloren. Letztlich müssen auch die Vermittler dieser Produkte mit der Inanspruchnahme
durch ihre Kunden rechnen, da die Verwendung des unvollständigen Prospektmaterials nahezu zwangsläufig zu einer unvollständigen Aufklärung geführt hat. So erklärt sich aus das Zustandekommen der eingangs erwähnten Entscheidung des OLG Stuttgart.
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Nach Ablauf der Verjährungsfrist gegen die Vienna Life Lebensversicherung AG müssen ggf. die Vermittler damit rechnen, allein
in Anspruch genommen zu werden, sofern ihnen eine fehlerhafte
Aufklärung des Versicherungsnehmers vorgeworfen und auch bewiesen werden kann. Dass derartige Schadensfälle wohl nur in den
wenigsten Fällen von einer Vermögensschadenshaftpflichtversicherung gedeckt sein werden, kann angenommen werden. Es handelt sich vorliegend nach Auffassung des OLG Stuttgart sowie des
OLG Nürnberg um eine Kapitalanlage mit dem Schwerpunkt der
Investition in einen Dach-Hedgefonds. In den seltensten Fällen ist
die Vermittlung derartiger Produkte vom Umfang einer VSH-Police
gedeckt, zumal die Vermittlung von Hedgefondsanteilen an Privatpersonen in Deutschland ursprünglich nicht vorgesehen war.
Die Liechtensteiner Versicherung
droht den Vermittlern.
Bemerkenswert ist im Übrigen eine Reaktion des Vorstandes der Vienna Life Lebensversicherung AG, Herrn Magister Fahrnberger. Dieser hat im Rahmen eines Interviews angekündigt, jeden Vermittler
in Regress nehmen zu wollen, auf dessen Falschberatung eine Verurteilung der Vienna Life Lebensversicherung AG zurückzuführen
ist. Diese Ankündigung wirkt äußerst befremdlich, wenn man berücksichtigt, dass es die Vienna Life Lebensversicherung AG selber
war, die die von ihr eingesetzten Vermittler mit fehlerhaften und
unvollständigen Produktinformationen ausgestattet hat. Insofern
bleibt abzuwarten, ob Herr Magister Fahrnberger seinen Ankündigungen auch Taten folgen lassen wird. In der Gesamtschau fragt
sich sicher mancher Vermittler, ob er die Produkte eines solchen
Partners vermitteln mag. experten Report 12 / 2013