Prüfungsschema § 823 Abs. 1

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Prüfungsschema § 823 Abs. 1
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Prüfungsschema § 823 Abs. 1
A) Vorprüfung:
Anwendbarkeit des Deliktsrechts (grds. Vorrang der §§ 987 ff., vgl. § 993 Abs. 1 a.E.)
Wichtig: nur Ansprechen, wenn tatsächlich problematisch!
B) Voraussetzungen („haftungsbegründender Tatbestand“)
Tatbestand
1. Rechtsguts- bzw. Rechtsverletzung
a)
b)
benannte Rechtsgüter und Rechte
- Leben
- Körper/Gesundheit
- Freiheit
- Eigentum
- (Nicht das Vermögen als solches!!!)
Sonstige Rechte (dem Eigentum entsprechend nur absolute Rechte)
- Besitz (mit Einschränkungen)
- Dingliche Anwartschaftsrechte
- Beschränkt dingliche Rechte
- Allgemeines Persönlichkeitsrecht
- Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb
- Weniger bedeutsam: absolute Immaterialgüterrechte,
Mitgliedschaftsrechte (an Verein, GmbH, AG etc.), Familienrechte,
Recht am Arbeitsplatz
- (nicht das Forderungsrecht, str.)
2. Verletzungshandlung: positives Tun oder Unterlassen
3. Kausalität zwischen Verletzungshandlung und Rechtsgutsverletzung
(sog. haftungsbegründende Kausalität)
a) Äquivalenz (conditio sine qua non)
b) Adäquanz (aus ex ante Sicht nicht außerhalb alle Wahrscheinlichkeit)
c) Objektive Zurechenbarkeit (Schutzzweck der Norm)
Rechtswidrigkeit
Verschulden (Ausnahme: Billigkeitshaftung, § 829)
1. Verschuldensfähigkeit (§§ 827, 828)
2. Schuldhaftes Handeln (§ 276: Vorsatz oder Fahrlässigkeit)
C) Rechtsfolgen („haftungsausfüllender Tatbestand“)
Schadensersatz (§§ 249 ff., §§ 842 ff.):
I. Schaden
II. Kausalität zwischen Rechtsgutsverletzung und Schaden
(sog. haftungsausfüllende Kausalität, Prüfung s.o. B. I. 3.)
III. Ggf. Mitverschulden, § 254
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Allgemeines Persönlichkeitsrecht (APR)
D) Vorprüfung:
§ 823 Abs. 1 dient bei Verletzungen des APR nur als Auffangtatbestand. Speziellere
Tatbestände, welche die Rechtsfolgen bestimmter Persönlichkeitsverletzungen
umfassend regeln, schließen die Anwendung des § 823 Abs. 1 aus und sind
vorrangig zu prüfen (z.B. §§12 ff. UrhG).
Aber: Anspruchskonkurrenz besteht zu Ansprüchen aus § 823 Abs. 2 i.V.m. der
Verletzung eines Schutzgesetzes, wenn das Schutzgesetz zwar den Schutz
bestimmter Persönlichkeitsgüter bezweckt, jedoch die zivilrechtlichen Haftungsfolgen
selbst nicht abschließend normiert (z.B. § 186 StGB, § 22 KunstUrhG)!
E) Voraussetzungen („haftungsbegründender Tatbestand“)
Tatbestand
1.
Schutz des APR als Rechtsgut bzw. sonstiges Recht im Sinne des § 823
Abs. 1
Das in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete APR genießt den
Schutz der absoluten Rechte bzw. Rechtsgüter gemäß § 823 Abs. 1
(grundlegend BGHZ 13, 334, 338 f – Leserbriefe). Die h.A. subsumiert das
APR unter die „sonstigen Rechte“. Jedoch lassen sich die einzelnen
Facetten der Persönlichkeit wie die Ehre etc. nicht von der Persönlichkeit
selbst trennen. Daher sollte der verfassungsrechtlich bedingte und gebotene
Schutz des APR besser durch Analogie zu den vier in § 823 Abs. 1
benannten Rechtsgütern begründet werden.
2. Rechtswidriger Eingriff in das APR
a) Konkretisierung des Eingriffs im Hinblick auf die verschiedenen Facetten
der Persönlichkeit
aa) Ist ein gesetzlich näher geregeltes Persönlichkeitsgut betroffen?
Geregelt sind das Namensrecht gemäß § 12 BGB, das Recht am eigenen
Bild gemäß §§ 22 ff. KunstUrhG, die Ehre gemäß §§ 185 ff. StGB sowie
Elemente des Informationellen Selbstbestimmungsrechts gemäß den
Datenschutzgesetzen des Bundes und der Länder
bb) Welche Sphäre des APR ist betroffen?
Zu unterscheiden sind Intim-, Privat- und Individualsphäre: Zur
Intimsphäre zählen die innere Gedanken- und Gefühlswelt (vertrauliche
Briefe, Tagebuch etc.) sowie Angelegenheiten, für die ihrer Natur nach ein
Anspruch auf Geheimhaltung besteht (Sexualleben, Gesundheitszustand
etc.). Die Privatsphäre umfasst das Leben im häuslichen Bereich sowie im
Familien- und Freundeskreis (u.U. auch außerhalb der Wohnung). Die
Individualsphäre schützt umfassend das Selbstbestimmungsrecht des
Einzelnen in seinen Beziehungen zur Umwelt, einschließlich des öffentlichen
und beruflichen Wirkens einer Person.
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b) Rechtswidrige Verletzung des betroffenen Persönlichkeitsbereichs
Dem Schutzgut „Persönlichkeit“ fehlt eine klare Abgrenzung: Der Schutz
einer Person behindert regelmäßig die Entfaltungsfreiheit einer anderen. Die
Reichweite des Schutzes muss daher stets im Einzelfall im Wege einer
umfassenden Güter- und Interessenabwägung festgestellt werden.
Auf Seiten des Verletzten kommt es darauf an, welche Sphäre der
Persönlichkeit verletzt wurde (die Individualsphäre genießt absoluten Schutz,
das Selbstbestimmungsrecht ist weniger weitreichend gewährleistet).
Weiterhin ist von Bedeutung, wie schwer der Eingriff war und welches eigene
Verhalten des Verletzten dem Eingriff vorausging. Auf Seiten des Schädigers
spielen Zweck und Motiv des Eingriffs die wichtigste Rolle. Maßgebend ist
vor allen, inwieweit sich der Schädiger auf die Meinungsäußerungsfreiheit
gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und/oder die Kunstfreiheit gemäß Art. 5
Abs. 3 GG berufen kann.
3. Verschulden
F) Rechtsfolgen („haftungsausfüllender Tatbestand“)
Ersatz des materiellen Schadens gemäß §§ 249 ff., §§ 842 ff.
Ersatz immaterieller Schäden in Geld
Beachte: § 253 Abs. 2 ist weder direkt noch analog anwendbar! Der Anspruch
folgt vielmehr unmittelbar aus § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs.
1 GG. Die Zuerkennung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen
Anspruch der verfassungsrechtlich gebotene Schutz von Würde und Ehre des
Menschen unzureichend bliebe. Daher stehen – anders als im Rahmen des §
253 Abs. 2 – bei der Bemessung der Entschädigungshöhe die Genugtuung und
die Prävention im Vordergrund (vgl. BGHZ 128, 1, 15 – Caroline von Monaco I).
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Prüfungsschema § 823 II BGB
I.
Tatbestand
1.
Schutzgesetz:
Jede Norm im materiellen Sinne, die zumindest auch den Schutz des
Einzelnen bezweckt.
a) Gesetz im materiellem Sinn (formelles Gesetz ist nicht nötig) auch VO,
Satzungen und Gewohnheitsrecht (keine Verkehrssicherungspflichten hM)
b) Individualschutz, wenn neben anderen Zwecken – wie dem Schutz der
Allgemeinheit - auch der Individualschutz bezweckt ist
c) Persönlicher und sachlicher Schutzbereich
Schutzgesetz muss eine Person wie den Verletzten vor Schäden wie dem
erlittenen schützen
2. Verletzung des Schutzgesetzes
II.
Rechtswidrigkeit
nach hM indiziert (nur prüfen, wenn dies bei der Feststellung der
Verletzung des Schutzgesetzes noch nicht geschehen ist)
III.
a)
b)
c)
Verschulden
Verschuldensfähigkeit gem. §§ 827 f.
Grad des Verschuldens: nach den Regeln des Verbotsgesetzes
Wenn das Verbotsgesetz kein Verschulden voraussetzt: mindestens
Fahrlässigkeit gem. § 276
IV. Rechtsfolge: Schadensersatz
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Prüfungsschema § 826 BGB
I.
Tatbestand
1. a) Schaden
b) Sittenwidriges Handeln des Schädigers
c) Kausalität und Zurechenbarkeit
2. Rechtswidrigkeit
3. Schuld:
Nur Vorsatz (auch bedingter). Wichtig: Vorsatz muss sich auch auf Schaden
und die Umstände, die zur Sittenwidrigkeit führen, beziehen.
II.
Rechtsfolge
Schadensersatz gem. §§ 249 ff., 842 ff. BGB
Fallgruppen: § 826 BGB
1. Arglistige Täuschung b.z.w. rechtswidrige Drohung gem. § 123 BGB
Über §§ 826, 249 BGB besteht Anspruch auf Rückgängigmachung des
Rechtsgeschäfts. Dieser Anspruch besteht neben § 123 BGB (relevant, wenn
Anfechtungsfrist des § 124 BGB verstrichen ist).
2. Vertragsbruch
Verleiten zum Vertragsbruch stellt nach st. Rspr. eine wichtige Fallgruppe i.S.d.
§ 826 BGB dar (zw.). Es müssen aber besondere Umstände hinzutreten, um ein
unlauteres Verhalten anzunehmen, so z.B. wenn der Dritte den Schuldner
täuscht.
3. Missbrauch einer formalen Rechtsstellung
Erschleichen eines unrichtigen Urteils unter Verstoß gegen die Wahrheitspflicht
gem. § 138 ZPO und Ausnutzen dieses Urteils (Durchbrechung der Rechtskraft).
4. Aufnahme in Verein /Kontrahierungszwang
Grds. Vertragsfreiheit, allerdings kann Verweigerung der Aufnahme sittenwidrig
sein bei einer Monopolstellung.
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Aufbauschema § 831
A. Voraussetzungen („haftungsbegründender Tatbestand“)
I.
II.
Tatbestand
1.
Verrichtungsgehilfe:
wer mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn in dessen
Interesse tätig wird und von dessen Weisungen abhängig ist;
eine soziale Unterordnung ist nicht notwendig; eine
Weisungsgebundenheit reicht aus
2.
Tatbestandsmäßige und rechtswidrige unerlaubte Handlung des
Verrichtungsgehilfen (kein Verschulden!)
a) Unerlaubte Handlung z.B. gem. §§ 823 ff., 1 UWG
b) Rechtswidrigkeit des Gehilfenhandelns ist indiziert
3.
In Ausübung der Verrichtung
Es muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der
übertragenen Verrichtung und der schädigenden Handlung
vorliegen; der Gehilfe darf nicht nur bei Gelegenheit der
Verrichtung gehandelt haben
Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit des Handelns des Geschäftsherrn wird indiziert
III. Verschulden
a) Verschulden des Geschäftsherrn wird nach § 831 I 2
vermutet. Der Geschäftsherr hat aber die Möglichkeit, sich
zu exkulpieren.
b) Es wird vermutet, dass die Pflichtverletzung für die
Schädigung
des
Dritten
ursächlich
war
(Kausalitätsvermutung) § 831 I 2
B. Rechtsfolge: Schadensersatz gem. §§ 249 ff.
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Synopse § 278 - § 831
§ 278
§ 831
- bestehendes Schuldverhältnis
- unabhängig vom Bestehen eines
Schuldverhältnisses
- keine Weisungsgebundenheit
nötig
- Weisungsgebundenheit
- reine Zurechnungsnorm für
Pflichtverletzungen und
Verschulden Dritter
- selbständige deliktische
Anspruchsgrundlage
- Haftung für fremdes Verschulden
- Haftung für eigenes Verschulden
- keine Exkulpation möglich
- Exkulpationsmöglichkeit § 831 I 2
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Prüfungsschema § 1 Abs. 1 Satz 1 ProdHG
G) Voraussetzungen
I.
zeitlicher Anwendungsbereich §§ 16, 19 ProdHG (nach 1990).
II.
Anspruchsgegner: Hersteller, § 4 ProdHG
III.
Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit, Eigentum durch ein Produkt, § 1
Abs. 1 i.V.m. § 2 ProdHG (Beachte : Bei Sachbeschädigung nur für
Schäden, die an einer anderen Sache als dem fehlerhaften Produkt
eingetreten sind, § 1 Abs. 1, Satz 2).
IV. Mit Fehler, § 3 ProdHG
V.
Kein Haftungsausschluss gemäß § 1 Abs. 2 und 3 ProdHG
H) Rechtsfolgen
Beschränkte Ersatzpflicht, §§ 5, 6, 7 -11 ProdHG
o Höchstgrenze der Haftung bei Personenschäden: 85 Millionen Euro
(§ 10 Abs. 1)
o Selbstbeteiligung bei Sachbeschädigung: 500 Euro (§ 11)
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Eingriffskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB
I.
Der Kondiktionsschuldner muss „etwas“ erlangt haben.
„Etwas“ ist wie bei der Leistungskondiktion jede vermögenswerte Rechtsposition.
II.
Der Bereicherungsgegenstand muss „in sonstiger Weise“
erlangt worden sein.
In sonstiger Weise = nicht durch Leistung
(Vorrang der Leistungskondiktion)
III.
Die Bereicherung muss durch Eingriff erfolgt sein.
1. Lehre von der Rechtswidrigkeit
Nach dieser Lehre muss ein rechtswidriger Eingriff in eine fremde
Rechtsposition vorliegen.
2.
Lehre vom Zuweisungsgehalt (h.M.)
Es muss ein Eingriff in eine Rechtsposition vorliegen, die nach ihrem
Zuweisungsgehalt dem Gläubiger vermögensrechtlich vorbehalten ist.
Beispiele:
Rechte mit Zuweisungsgehalt sind unzweifelhaft alle absoluten Rechte
wie Eigentum, Pfandrechte, Urheberrechte, etc.
Streitfälle:
a) Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
• Hat das APR vermögensrechtliche Bestandteile?
• Sind diese Bestandteile dem Gläubiger auch dann
ausschließlich zugewiesen, wenn er sie selbst nicht kommerziell
genutzt hat?
b) Die Untermiete
Stellt die Untervermietung der Mietsache durch den Mieter einen
Eingriff in ein dem Vermieter vermögensrechtlich zugewiesenes
Recht dar?
IV.
Der Eingriff muss ohne rechtlichen Grund erfolgt sein.
Es darf keine Zustimmung des vom Eingriff Betroffenen vorliegen.
Es darf kein gesetzlicher Behaltensgrund (z.B. § 932 BGB) eingreifen.
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Herausgabeanspruch gem. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB
I. Konstellation
Berechtigter
§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB
Nichtberechtigter
wirksame Verfügung
z.B. §§ 929, 932 BGB
Dritter
II. Anspruchsvoraussetzungen
1.
Verfügung eines Nichtberechtigten
a) Verfügung
= jedes Rechtsgeschäft, durch das ein bestehendes Recht unmittelbar aufgehoben,
belastet, übertragen oder inhaltlich verändert wird
Bsp : Eigentumsübertragung, Verpfändung, Abtretung
b)
2.
Nichtberechtigter
Nichtberechtigter ist, wer weder Inhaber des Rechts war, noch vom Berechtigten zur
Verfügung ermächtigt worden ist (beachte § 185 BGB).
Wirksamkeit der Verfügung
a) Durch Genehmigung, §§ 185 Abs. 2 S. 1 Fall 1, 184 BGB
b) Durch Rechtsscheinerwerb, z. B. §§ 932 ff., 1207, 892, 893, 2366 ff. BGB
3.
Rechtsfolge: Herausgabe des Erlangten
Problem: Der Begriff des Erlangten bei § 816 Abs. 1 S. 1 BGB
Ist der aus der Verfügung erzielte Erlös als Herausgabegegenstand des § 816 Abs. 1
S. 1 BGB anzusehen oder wurde aus der Verfügung lediglich Befreiung von einer
Verbindlichkeit erlangt, deren objektiver Wert über § 818 II BGB herauszugeben ist?
Siehe dazu ausführlich und klausurgerecht aufbereitet: Mand/Radke, JA 2000, S.
202 ff.