Lösung zu Fall 3
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Lösung zu Fall 3
Lösung zu Fall 3 Frage 1: Ansprüche der K A) Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche I. § 1004 I BGB1 analog auf Unterlassung der Verbreitung der Behauptung einer Affäre zwischen K und C Anmerkungen: • • • 1. Teilweise wird der persönlichkeitsrechtliche Unterlassungsanspruch auch auf eine Gesamtanalogie zu §§ 1004, 12, 862 BGB gestützt. Leitet man das APR aus § 823 I her und wendet § 1004 BGB analog auf alle Verletzungen absoluter Rechte an, so ist dies m.E. entbehrlich, aber ohne weiteres zulässig. Man könnte den Anspruch auch einheitlich für die Bildveröffentlichung und die Veröffentlichung der Story prüfen. Für den hier gewählten Aufbau spricht aber, daß die §§ 22, 23 KUG hinsichtlich der Bildveröffentlichung Sondervorschriften sowohl zur Rechtsverletzung als auch zur Duldungspflicht (§ 1004 II BGB) enthalten. Bei der Formulierung des Obersatzes ist problematisch, daß an die Bestimmtheit des Klageantrags (§ 253 II Nr. 2 ZPO) bei Unterlassungsklagen hohe Anforderungen gestellt werden (näher hierzu Palandt/Bassenge, Rz. 51 zu § 1004). So wäre ein Antrag auf Unterlassung der zukünftigen bewussten Verbreitung unwahrer Berichte über das Privatleben der K zwar materiell-rechtlich begründet, aber prozessual nicht bestimmt genug. Da hier nur nach materiell-rechtlichen Ansprüchen gefragt ist, spielt die Frage der Bestimmtheit für die Formulierung des Obersatzes eine untergeordnete Rolle. Allerdings wäre im Rahmen der Rechtsfolge ein Hinweis auf das Bestimmtheitserfordernis positiv zu bewerten. Anwendbarkeit des deutschen Rechts? Problematisch, da K ausländische Staatsangehörige ist. Dennoch (+), Verletzungen des Persönlichkeitsrechts sind unerlaubte Handlungen i.S.d. Art. 40 EGBGB, anwendbar ist demnach das Recht des Handlungsortes (Art. 40 I 1 EGBGB), hier der Erscheinungsort des Druckwerks, alternativ auf Verlangen des Verletzten der Erfolgsort (Art. 40 I 2 EGBGB), der jedenfalls hinsichtlich der Verbreitung der Zeitschrift im Inland auch in Deutschland liegt. Im übrigen ist von einem Verlangen des Verletzten hier nicht die Rede. Da IPR-Kenntnisse außerhalb des Schwerpunktbereichs nicht vorausgesetzt werden, ist dieser Prüfungspunkt entbehrlich. Im „Ernstfall“ würde in einem ordentlichen Aufgabentext entweder die Anwendbarkeit deutschen Rechts vorgegeben oder der Auslandsbezug im Sachverhalt ausgeschlossen. 1 Alle §§ sind solche des BGB. Lehrstuhl Zivilrecht VIII Prof. Dr. Ohly Examinatorium Schuldrecht BT II 2 2. Voraussetzungen a) Beeinträchtigung eines absoluten Rechts aa) Analoge Anwendung des § 1004 I auf den Schutz der übrigen durch §§ 823 I, II geschützten Rechte und Rechtspositionen allgemein anerkannt, die Voraussetzungen der Analogie (planwidrige Regelungslücke und Vergleichbarkeit der Sach- und Interessenlage) liegen vor. bb) Da keine besonderen persönlichkeitsrechtlichen Vorschriften ersichtlich sind, kommt nur eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR) in Betracht. Zu den anerkannten Fallgruppen des APR gehört der Schutz einer Person vor einer verzerrten Darstellung ihres Lebensbildes in der Öffentlichkeit (treffend insoweit das US-Recht, in dem das right of privacy u.a. verbietet „to show a person in a false light“). Die hier veröffentlichte Geschichte betrifft das Privatleben der K und zeigt K in einem falschen Licht. Allgemeines Persönlichkeitsrecht: Fallgruppen im Überblick (im Anschluß an Larenz/Canaris, § 80): • • • • • • • Ehrenschutz Verfälschung des Persönlichkeitsbildes Schutz vor unerlaubter wirtschaftlicher Nutzung Schutz vor heimlichen Bild- und Tonaufnahmen und Ausspähung Schutz personenbezogener Informationen (informationelle Selbstbestimmung) Schutz vor Belästigungen (Grenzen problematisch) Schutz der Entscheidungsfreiheit in persönlichen Angelegenheiten? wohl nur in abgegrenzten Fallgruppen (problematische Fälle: ärztlicher Heileingriff, unerlaubte Verwendung von Körpersubstanzen, Schutz der sexuellen Selbstbestimmung über die Grenzen des Strafrechts hinaus) b) Duldungspflicht (§ 1004 II analog). Bei einer Verletzung des APR ergibt sich die Rechtswidrigkeit nach h.M. erst aus einer einzelfallbezogenen Güter- und Interessenabwägung, in deren Rahmen die betroffenen Grundrechtspositionen zu berücksichtigen sind. In presserechtlichen Fällen kommt es zu Abwägung zwischen Persönlichkeitsschutz (Art. 2 I i.V.m. 1 I GG) und Pressefreiheit bzw. Informationsinteresse der Öffentlichkeit (Art. 5 I GG). Wenn letztere Interessen überwiegen, ist die betroffene Person zur Duldung (§ 1004 II) verpflichtet. Lehrstuhl Zivilrecht VIII Prof. Dr. Ohly Examinatorium Schuldrecht BT II 3 Während bei Verletzungen der in § 823 I BGB genannten absoluten Rechte die Rechtswidrigkeit indiziert ist, ist bei den „Rahmenrechten“ (APR und Recht am Unternehmen bzw. Gewerbebetrieb) eine einzelfallbezogene Güter- und Interessenabwägung erforderlich. Bei Ansprüchen aus § 823 I ist sie im Rahmen der Rechtswidrigkeitsprüfung durchzuführen, bei § 1004 im Rahmen des § 1004 II. Klausurtipp: Die Interessenabwägung wird häufig vergessen oder sehr stiefmütterlich durchgeführt. Wenn Anspruche wegen der Verletzung von Rahmenrechten im Zentrum der Klausur stehen, dann suchen Sie nach Aspekten pro und contra, stellen Sie dar und wägen am Schluß ab. Im vorliegenden Fall dürfte die Abwägung an dieser Stelle etwas kürzer ausfallen, aber bei der schwierigeren Frage der Foto-Veröffentlichung unten (bei einer ausformulierten Arbeit und normaler Schrift) mindestens eine komplette Seite umfassen! aa) c) Der Ruf einer bekannten Persönlichkeit wird durch die Veröffentlichung erfundener Liebesgeschichten erheblich beeinträchtigt. bb) Zwar genießen auch Klatschgeschichten den Schutz des Art. 5 I GG, das gilt aber nicht für unwahre, erfundene Informationen. cc) Daher überwiegt hier das Schutzinteresse der K, sie ist nicht zur Duldung verpflichtet. Wiederholungsgefahr (§ 1004 I 2) als materielle Anspruchsvoraussetzung, bei vorangegangener rechtswidriger Beeinträchtigung spricht dafür eine tatsächliche Vermutung (BGHZ 140, 1 (10)). Hier ist nicht ausgeschlossen, daß über die angebliche Affäre auch in weiteren Ausgaben der Zeitschrift berichtet wird. Der Anspruch aus § 1004 ist verschuldensunabhängig, daher wäre es ein schwerer Fehler, hier das Verschulden zu prüfen. d) 3. Störer: Adressat des Anspruchs aus § 1004 BGB sind der Handlungsund der Zustandsstörer. Handlungsstörer ist, wer durch sein Verhalten die Verletzung (mit-)veranlaßt hat, in presserechtlichen Fällen nicht nur der verantwortliche Redakteur, sondern auch der Verlag. Rechtsfolge: Unterlassung der weiteren Beeinträchtigung. Problem dabei (s.o.) Bestimmtheit des Klageantrags (§ 253 II Nr. 2 ZPO) bei Unterlassungsklagen: Klageantrag und Urteilstenor müssen genau angeben, auf welche Handlungen sich das Unterlassungsgebot bezieht. Hier denkbar: • Unterlassung der weiteren Verbreitung der Behauptung, K habe eine Liebesaffäre mit C • (je nach Umständen des Falls) Unterlassung der Auslieferung bisher noch nicht ausgelieferter Exemplare der Zeitschrift Lehrstuhl Zivilrecht VIII Prof. Dr. Ohly Examinatorium Schuldrecht BT II 4 • II. Antrag auf Unterlassung der zukünftigen Veröffentlichung erfundener Klatschgeschichten wäre wohl zu unbestimmt. § 1004 I analog auf Veröffentlichung eines Widerrufs Als Anspruchsgrundlage kommt auch § 823 I in Betracht, der Widerruf wäre dann Naturalrestitution (§ 249 I). In der Praxis hat sich der Weg über den verschuldensunabhängigen § 1004 I durchgesetzt, so etwa der BGH in BGHZ 128, 1. 1. 2. Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs aus § 1004 I analog wegen der erfundenen Story (+), s.o., Wiederholungsgefahr insoweit nicht erforderlich. Rechtsfolge: Beseitigung der Beeinträchtigung in der Form eines Widerrufs a) Eindruck in der Öffentlichkeit kann teilweise beseitigt werden, wenn in ähnlicher Form die Unwahrheit der Geschichte öffentlich eingestanden wird. b) Problem: Pressefreiheit. Keine Pflicht zum Widerruf von Werturteilen (grundlegend BGHZ 37, 187), wohl aber Pflicht zum Widerruf unwahrer Tatsachenbehauptungen. Hier Behauptung einer Affäre zwischen K und C = Tatsachenbehauptung. c) Folge: Die V-KG ist zur Veröffentlichung eines Widerrufs an deutlich sichtbarer Stelle im „Farbigen Blatt“ verpflichtet (vgl. BGHZ 128, 1: Verpflichtung zur Veröffentlichung des Widerrufs auf der Titelseite). III. § 1004 I analog i.V.m. § 22 KUG auf Unterlassung der zukünftigen Verbreitung der Fotografien 1. Beeinträchtigung eines absoluten Rechts, denkbar hier: Recht am eigenen Bild (§ 22 KUG) als besonderes Persönlichkeitsrecht Im Rahmen des § 823 ist es vertretbar, das Recht am eigenen Bild entweder als „sonstiges Recht“ in § 823 I zu prüfen oder § 823 II i.V.m. § 22 KUG anzuwenden. § 1004 ist analog sowohl auf den Schutz anderer absoluter Rechte als des Eigentums als auch auf den Schutz nach § 823 II geschützter Interessen anwendbar. a) b) Analoge Anwendbarkeit des § 1004 BGB (+), die oben angestellten Überlegungen gelten auch hier, da die §§ 22 ff. KUG keine speziellen Vorschriften zum Unterlassungsanspruch enthalten. Voraussetzungen des § 22 KUG aa) Abbildung der K (+) bb) Verbreiten der Abbildung (+) cc) ohne Einwilligung der K (+) Ob die Einwilligung im Zivilrecht allgemein und bei § 22 KUG im besonderen den Tatbestand ausschließt oder einen Rechtfertigungsgrund darstellt, ist umstritten. Die h.M. nimmt im Rahmen des § 823 I BGB einen Rechtfertigungsgrund an, Lehrstuhl Zivilrecht VIII Prof. Dr. Ohly Examinatorium Schuldrecht BT II gerade zu § 22 KUG wird aber auch die Gegenansicht häufig vertreten. 5 M.E. schließt die wirksame Einwilligung im Zivilrecht stets den Tatbestand aus, da bei einer eigenverantwortlichen Entscheidung des Rechtsinhabers über die Grenzen seines subjektiven Rechts von einer Rechtsverletzung nicht die Rede sein kann (Klausurtaktisch sicherer ist es aber wohl, die Einwilligung im Rahmen der Rechtfertigungsgründe bzw. des § 1004 II zu prüfen). Hingegen sollten alle Duldungspflichten, die auf einer Abwägung zwischen dem Schutzinteresse des Rechtsinhabers und gegenläufigen Allgemeininteressen beruhen, bei § 823 I im Rahmen der Rechtswidrigkeit, bei § 1004 im Rahmen der Duldungspflicht geprüft werden. 2. Duldungspflicht der K? Möglicherweise aus § 1004 II i.V.m. § 23 I Nr. 1 KUG a) Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte: Die Rechtsprechung unterschied bisher zwischen absoluten (als solche wegen ihrer Stellung in Öffentlichkeit und Medien bekannt, z.B. Politiker, Sportler) und relativen Personen der Zeitgeschichte (bekannt nur im Zusammenhang mit einem bestimmten Ereignis, z.B. Verbrechensopfer). Der EGMR hat diese Unterscheidung in seinem Urteil v. Hannover/Deutschland kritisiert, auch der BGH bezeichnet sie in seinem Urteil vom 6.3.2007 als „verkürzend“. In der Falllösung kann man sie aber wohl vorläufig (vielleicht unter Erwähnung der Bedenken) beibehalten, sofern das Interesse der bekannten Person am Schutz der Privatsphäre im Rahmen des § 23 II KUG hinreichend berücksichtigt wird (ähnlich KG NJW 2005, 605 (606)). K ist absolute Person der Zeitgeschichte. Als Mitglied einer Fürstenfamilie, das verschiedentlich öffentliches Aufsehen erregt hat, steht K außergewöhnlich im Blickpunkt der Öffentlichkeit, daher ist die Bildberichterstattung über sie grundsätzlich von der Schranke des § 23 I Nr. 1 KUG gedeckt. b) Gegenausnahme des § 23 II: keine Duldungspflicht bei Verletzung eines berechtigten Interesses, hier Abwägung zwischen Schutz der Privatsphäre (Art. 2 I i.V.m. 1 I GG, Art. 8 EMRK), auf den auch absolute Personen der Zeitgeschichte einen Anspruch haben, und der Pressefreiheit (Art. 5 I GG, Art. 10 EMRK) aa) Fotos im Gartenlokal: • Einerseits wurde das Foto in der Öffentlichkeit aufgenommen, auch andere Gäste des Lokals konnten K und C beobachten. • Andererseits hat K sich aus privatem Anlaß aus der Öffentlichkeit an einen Platz zurückgezogen, der von der breiten Öffentlichkeit abgeschirmt ist, außerdem wurden die Fotos heimlich und mit starkem Teleobjektiv aufgenommen. Lehrstuhl Zivilrecht VIII Prof. Dr. Ohly Examinatorium Schuldrecht BT II 6 • Stellungnahme: Der Schutz der Privatsphäre endet nicht an der Türschwelle, auch das private, von der breiten Öffentlichkeit abgeschirmte Verhalten Prominenter außerhalb des eigenen Hauses verdient Schutz (vgl. BGH NJW 1996, 1128 (1129 f.)). „Instanzenzug“ im Caroline-Fall: • • • • • LG und OLG Hamburg: Privatsphäre endet an der Haustür BGH: Privatsphäre erstreckt sich auch auf räumlich abgeschiedene, wenn auch öffentlich zugängliche Orte BVerfG: Abwägung zwischen Pressefreiheit und Privatsphäre nach räumlichen Kriterien. Ergebnis wie BGH, aber zusätzlich im Licht von Art. 6 I GG Schutz gegen Veröffentlichung aller Fotos, auf denen Carolines Kinder zu sehen sind. EGMR: Abwägung nach der Frage, ob ein Beitrag zu einer Diskussion von öffentlichem Interesse geleistet wird. Das ist bei Fotos aus dem Privatleben Prominenter, die kein öffentliches Amt ausüben, regelmäßig nicht der Fall. Die Urteile des EGMR sind für die deutschen Gerichte zu berücksichtigen, aber nicht bindend (BVerfG NJW 2004, 3407). In seinem Urteil vom 6.3.2007, VI ZR 13/06, rückt der BGH einige allzu pressefeindliche Passagen im EGMR-Urteil gerade, berücksichtigt das EMRK-Urteil aber insoweit, als er nur noch die Veröffentlichung von Bildern mit Nachrichtenwert zulässt. bb) • c) Fotos beim Einkaufen: Hier handelt es sich um Auftritte in der Öffentlichkeit, die von einer unbestimmten Vielzahl von Personen miterlebt werden, die private Abgeschiedenheit wurde gerade nicht gesucht. Die Meinungs- und Pressefreiheit schützt nicht nur die politische Diskussion, sondern auch die Unterhaltungspresse (so BGH aaO, BVerfG NJW 2000, 1021 ff.) • Andererseits wurden auch diese Fotos heimlich aufgenommen und belästigen die K. Das öffentliche Interesse an Informationen über den Einkaufsbummel der K ist nicht hoch anzusetzen (so EGMR NJW 2004, 2647; Heldrich, NJW 2004, 2634, mittlerweile der Tendenz nach auch BGH v. 6.3.2007, VI ZR 13/06. • Stellungnahme: Prominente müssen es sich gefallen lassen, bei öffentlichen Auftritten beobachtet zu werden. Die Berichterstattung muss auch über öffentliche Auftritte außerhalb der offiziellen Funktion möglich sein, da gerade bei Medienstars eine Abgrenzung zwischen „offiziellen“ und „nicht offiziellen“ Auftritten in der täglichen Pressepraxis nicht durchführbar ist (so Ohly GRUR Int. 2004, 902 ff. gegen EGMR NJW 2004, 2647). Duldungspflicht also nur hinsichtlich der Fotos vom Einkaufsbummel Lehrstuhl Zivilrecht VIII Prof. Dr. Ohly Examinatorium Schuldrecht BT II 7 3. Wiederholungsgefahr (§ 1004 II), aus den oben unter I angestellten Überlegungen (+). Unterlassungsanspruch also nur gerichtet auf Unterlassung der weiteren Verbreitung der Fotos aus dem Gartenlokal (zur Bestimmtheit s.o., I). B) Zahlungsansprüche I. Anspruch aus §§ 687 II; 681, 2; 667 auf Herausgabe des Mehrerlöses aus dem Verkauf zusätzlicher Exemplare 1. fremdes Geschäft • dafür: die kommerzielle Nutzung der eigenen Persönlichkeitssphäre ist jeder Person ausschließlich zugewiesen, Eingriff hier (+), s.o. • dagegen (bisher h.M.): Da K selbst niemals falsche Geschichten über das eigene Liebesleben verbreiten oder genehmigen würde, ist die Verbreitung von Lügen kein „Geschäft der K“. Von dieser bisher h.M. rückt der BGH in NJW 2007, 689, Rn. 12 – Rücktritt des Finanzministers für das Bereicherungsrecht ab, allerdings in einem (anders gelagerten) Fall der unerlaubten Nutzung eines Fotos in der Werbung: „Wer das Bildnis eines Dritten unberechtigt für kommerzielle Zwecke ausnutzt, zeigt damit, dass er ihm einen wirtschaftlichen Wert beimisst. An der damit geschaffenen vermögensrechtlichen Zuordnung muss sich der Verletzer festhalten lassen und einen der Nutzung entsprechenden Wertersatz leisten. Dies gilt unabhängig davon, ob der Abgebildete bereit und in der Lage gewesen wäre, die Abbildung gegen Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr zu gestatten; denn der Zahlungsanspruch fingiert nicht eine Zustimmung des Betroffenen, er stellt vielmehr den Ausgleich für einen rechtswidrigen Eingriff in eine dem Betroffenen ausschließlich zugewiesene Dispositionsbefugnis dar (…)Soweit sich der Rechtsprechung des BGH entnehmen lässt, dass ein Schadens- oder Bereicherungsausgleich auf der Grundlage einer angemessenen Lizenzgebühr ein grundsätzliches Einverständnis des Abgebildeten mit der Vermarktung seines Rechts am eigenen Bild voraussetze (vgl. BGHZ 26, 349 (353) – Herrenreiter …) wird daran nicht festgehalten.“ • 2. 3. II. Stellungnahme: Entscheidend ist, dass die kommerzielle Nutzung von Persönlichkeitsaspekten durch das APR und durch § 22 KUG der betreffenden Person ausschließlich zugewiesen ist. Es wäre paradox, wenn der Umstand, dass die Verletzung so gravierend ist, dass die Person sie niemals gegen Bezahlung genehmigen würde, zu einer Verweigerung des effektiven Rechtsschutzes führen würde (Gegenansicht vertretbar). Positive Kenntnis der Nichtberechtigung? a) Der leitende Chefredakteur kennt die Unwahrheit. b) Zurechnung dieser Kenntnis analog § 166. Rechtsfolge gem. §§ 681, 2, 667: Herausgabe des durch die Geschäftsführung Erlangten, hier Mehrerlös durch zusätzliche Verkäufe. Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I Außerdem kommen inhaltsgleiche Ansprüche aus § 823 II i.V.m. § 22 KUG bzw. § 187 StGB (vielleicht auch § 201a I StGB – lesen!) in Betracht. Lehrstuhl Zivilrecht VIII Prof. Dr. Ohly Examinatorium Schuldrecht BT II 8 1. 2. Haftungsbegründung a) Verletzung eines absoluten Rechts aa) Verletzung des APR durch Veröffentlichung der erfundenen Geschichte (+), s.o. bb) Verletzung des Rechts am eigenen Bild (§ 22 KUG), das als „sonstiges Recht“ von § 823 I BGB geschützt ist, ebenfalls (+), s.o. b) Rechtswidrigkeit nur hinsichtlich der erfundenen Story und der Fotos vom Abendessen, hinsichtlich der Fotos im Übrigen Duldungspflicht der K (s.o.) c) Verschulden aa) Kenntnis des verantwortlichen Chefredakteurs bb) Problem: Zurechnung des Verschuldens des Chefredakteurs, hier § 31 – zwar ist der Chefredakteur nicht Vertreter der KG, als leitender Angestellter und Bereichsverantwortlicher ist er aber Repräsentant der KG. Haftungsausfüllung (§§ 249 ff.) a) Widerruf der falschen Tatsachenbehauptung (Naturalrestitution, § 249, 1) (+), s. bereits oben A III b) Geldentschädigung aa) dogmatische Grundlage: § 253 II? Problem: Persönlichkeitsverletzung wird (abgesehen vom speziellen Fall der sexuellen Selbstbestimmung) in § 253 II nicht erwähnt, so daß demnach die allgemeine Regel des § 253 I eingreifen müßte. Auch eine Analogie zu § 253 II (bzw. § 847 alter Fassung) ist wegen des Ausnahmecharakters der Bestimmung problematisch. Mittlerweile leitet die Rechtsprechung den Anspruch aus der Schutzfunktion der Art. 1, 2 I GG ab (vgl. etwa: BGH NJW 2005, 215). bb) Berechnung, Kriterien nach BGHZ 128, 1 • Genugtuung • Prävention • Berücksichtigung der gemachten Gewinne Ergebnis in BGHZ 128, 1 nach Zurückverweisung an Vorinstanz: 180.000 DM cc) Kritik: Die Prävention ist eine unselbständige Funktion des Deliktsrechts, die Erhöhung der Schadenssumme bei Verletzungen der Privatsphäre durch die Presse führt zu einem Mißverhältnis zum Schmerzensgeld bei Körperverletzungen und Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung. Dogmatisch sauberer und gleichermaßen aus Sicht des Lehrstuhl Zivilrecht VIII Prof. Dr. Ohly Examinatorium Schuldrecht BT II 9 Präventionsgedankens effektiver ist die Gewinnabschöpfung über GoA oder Bereicherungsrecht. c) Schadensersatz nach den Grundsätzen der dreifachen Schadensberechnung? Bei der unbefugten kommerziellen Nutzung von Persönlichkeitsrechten steht dem Verletzten (wie im Immaterialgüterrecht) die dreifache Schadensberechnung zur Verfügung: Wahlrecht zwischen • konkreter Berechnung des entstandenen Schadens • Lizenzanalogie = Verlangen einer angemessenen Lizenzgebühr, also des Betrages, der bei Abschluss eines Lizenzvertrags zu bezahlen gewesen wäre • Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns Die dreifache Schadensberechnung privilegiert den Geschädigten, weil der Nachweis eines konkreten Schadens wegen der besonderen Natur immaterieller Rechtsgüter häufig misslingen würde. Auch bei den Berechnungsarten 2 und 3 handelt es sich um Schadensersatz (§ 251 I), da unwiderleglich vermutet wird, daß die betreffenden Einnahmen ansonsten dem Verletzten zugeflossen wären. Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns aus § 823 I erstreckt die ansonsten nur bei vorsätzlicher Verletzung (gem. § 687 II oder §§ 818 IV, 819 I, 285, s. Fall 3) mögliche Gewinnabschöpfung auf Fälle der fahrlässigen Verletzung. • In Fällen wie dem vorliegenden, in denen das „Opfer“ seine eigene Persönlichkeitssphäre bisher nicht kommerzialisiert hat, hat die Rechtsprechung die Schadensberechnung nach diesen Grundsätzen bisher nicht zugelassen (grundlegend BGHZ 128, 1). Mit der oben zur Geschäftsanmaßung vertretenen Argumentation lässt sich aber hier durchaus ein Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns begründen. Ob die Rechtsprechung sich nach BGH in NJW 2007, 689, Rn. 12 – Rücktritt des Finanzministers in diese Richtung bewegen wird, bleibt abzuwarten. III. Anspruch auf Herausgabe des Mehrerlöses aus §§ 812 I 1, 2. Alt., 818 I, II 1. Anspruchsvoraussetzungen a) etwas erlangt = jede vermögenswerte Rechtsposition, hier Nutzung des fremden Persönlichkeitsrechts b) in sonstiger Weise, hier keine Leistung der K c) auf Kosten der K = durch Eingriff in eine Rechtsposition des Anspruchstellers mit Zuweisungsgehalt, Frage nach dem Zuweisungsgehalt des APR, unterschiedliche Auffassungen sind denkbar: Lehrstuhl Zivilrecht VIII Prof. Dr. Ohly Examinatorium Schuldrecht BT II 10 • kein vermögensrechtlicher Zuweisungsgehalt, da das Persönlichkeitsrecht dem Schutz ideeller Interessen dient (so etwa Peifer, GRUR 2002, 495 (500)) • vermögensrechtlicher Zuweisungsgehalt nur, soweit eine Kommerzialisierung durch den Rechtsinhaber denkbar erscheint (so BGHZ 26, 349 (353 f.) • Vermögensrechtlicher Zuweisungsgehalt bei jedem Eingriff in APR zu kommerziellen Zwecken, da es nicht um Vermögensnachteile der Persönlichkeit, sondern um die Bereicherung des Eingreifenden geht (so Canaris, FS Deutsch, S. 85 (89)). • Stellungnahme: Gegen die Bejahung des Zuweisungsgehalts sprechen hier weniger Bedenken als oben gegen die Annahme eines fremden Geschäfts. Das Image eines Prominenten hat Vermögenswert. Wird er von einem anderen unberechtigt genutzt, so ist der Nutzer ungerechtfertigt bereichert, ob der Bereicherungsgläubiger die Nutzung gestattet hätte, ist unerheblich (Gegenansicht vertretbar). d) ohne rechtlichen Grund (+) Rechtsfolge a) Herausgabe der Nutzungsmöglichkeit in natura unmöglich, daher Wertersatz, § 818 II b) Höhe: angemessenes Entgelt oder Herausgabe des Gewinns? Nach h.M. (BGHZ 132, 198 (207), zum Streitstand MüKo/Lieb, Rz. 16 ff. zu § 818) unter §§ 812, 818 II (anders unter § 816 I) nur Herausgabe des objektiven Wertes, nicht des durch den Eingriff erzielten Erlöses, Argumente: gutgläubiger Bereicherungsschuldner soll Früchte seiner eigenen Geschäftstüchtigkeit behalten, bei Nutzungsrechten hätte Gläubiger sich ebenfalls mit entgeltlicher Gestattung begnügt. Berechnung des objektiven Wertes bei Eingriffen schwierig, die der Berechtigte nie gestattet hätte, Berechnung wohl in Anlehnung an Beträge, die K für ein Interview oder die Veröffentlichung ihrer Aufnahmen zu Werbezwecken verlangt. 2. IV. Verschärfte Haftung gem. §§ 819 I, 818, IV i.V.m. § 285 1. Kenntnis des Mangels (+), der V-KG ist die Kenntnis ihres Chefredakteurs analog § 166 zurechenbar Folge: Haftung nach den allgemeinen Vorschriften, dazu gehört nach h.M. auch § 285 BGB (vgl. BGHZ 75, 203) Voraussetzungen des § 285 a) Unmöglichkeit der Herausgabe (§ 275 I), hier (+), Herausgabe der Nutzungen in natura unmöglich 2. 3. Lehrstuhl Zivilrecht VIII Prof. Dr. Ohly Examinatorium Schuldrecht BT II 11 b) c) Ersatz erlangt aa) unter § 285 ist auch das rechtsgeschäftliche Surrogat herauszugeben, hier Mehrerlös durch Verkauf zusätzlicher Exemplare bb) Problem: Identität zwischen dem Gegenstand, dessen Herausgabe unmöglich geworden ist und dem Gegenstand, für den Ersatz erlangt wird, hier (+), der Mehrerlös beruht gerade auf der Nutzung des Persönlichkeitsrechts Ergebnis: Anspruch auf Herausgabe des Mehrerlöses (+) Frage 2: Verhinderung der Veröffentlichung Geeignetes prozessuales Mittel ist ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung (eV; §§ 935 ff. ZPO) I. 1. 5. Zulässigkeit Eröffnung des Zivilrechtsweges (§ 13 GVG) (+), da hier um zivilrechtliche Ansprüche (nicht etwa auf Ansprüche aus öffentlich-rechtlichen Pressegesetzen) geht Statthaftigkeit a) Abgrenzung zum Arrest (§ 916 ZPO): es geht nicht um die Sicherung der Zwangsvollstreckung, sondern um die Sicherung des Rechtsfriedens. b) Hier wohl Regelungsverfügung (§ 940 ZPO), da es nicht um Vereitelung der Rechtsdurchsetzung, sondern um Sicherung des Rechtsfriedens geht (Abgrenzung aber im einzelnen unklar und praktisch nicht sehr wichtig). c) kein obligatorisches Schlichtungsverfahren gem. § 15a EGZPO i.V.m. Landesrecht wegen besonderer Eilbedürftigkeit, vgl. im übrigen § 15a I 1 Nr. 3 EGZPO Zuständigkeit: Gericht der Hauptsache (§ 937 ZPO), hier örtlich gem. § 32 ZPO jedes Gericht zuständig, an dem die Zeitschrift bestimmungsgemäß vertrieben wird, sachliche Zuständigkeit des LG (§§ 23, 71 GVG i.V.m. § 12 II GKG) ordnungsgemäßer Antrag (§§ 920, 936 ZPO), Bestimmtheit gegeben, wenn Unterlassung der Veröffentlichung eines konkreten Artikels beantragt wird allgemeine Prozeßvoraussetzungen unproblematisch (+) II. 1. Begründetheit Verfügungsanspruch, hier Unterlassungsanspruch analog § 1004 I (+), s.o. 2. 3. 4. Lehrstuhl Zivilrecht VIII Prof. Dr. Ohly Examinatorium Schuldrecht BT II 12 2. Verfügungsgrund: Notwendigkeit der eV zur Abwendung wesentlicher Nachteile (+), erhebliche Persönlichkeitsverletzung durch Veröffentlichung zu erwarten, hohe Eilbedürftigkeit, da Artikel in der nächsten Ausgabe der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift veröffentlicht werden soll. Lehrstuhl Zivilrecht VIII Prof. Dr. Ohly Examinatorium Schuldrecht BT II 13 Zur Vertiefung: • Materialien zur Vorlesung „Persönlichkeitsrechte“ • Guter Überblick zu den Fallgruppen des Persönlichkeitsrechts bei Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 80 • Kiehnle, JuS 2006, 418 (Übungsklausur zu Ansprüchen bei Verletzung des APR) • Zum Caroline-Fall s. die im SV angegebenen Entscheidungen des BGH und des EGMR, außerdem BVerfG NJW 2000, 1021 ff. und Ohly GRUR Int. 2004, 902 ff. • Zur Gewinnabschöpfung Canaris, Festschrift Deutsch (1998), S. 85 ff. (lehrreich als bereicherungsrechtliche Denksportaufgabe!) • Neue Urteile zum Persönlichkeitsrecht: - BGH NJW 2007, 689 – Rücktritt des Finanzministers (Persönlichkeitsschutz und Satire, Bereicherungsausgleich bei fehlender Lizenzbereitschaft) - BGH NJW 2007, 684 – kinski.klaus.de (postmortaler Schutz gegen Verwendung eines Namens als Domain begrenzt auf 10 Jahre) - BGH NJW 2007, 686 – Terroristentochter (Bezeichnung „Terroristentochter“ nach Abwägung Persönlichkeitsrecht – Pressefreiheit gerechtfertigt) - BVerfG NJW 2005, 3271 – Satirische Fotomontage (Unzulässigkeit einer Ron-Sommer-Karikatur, bei der die Gesichtszüge für den Leser unerkennbar verzerrt wurden) - BGH NJW 2005, 497, dazu BVerfG 2007, 753: Unzulässigkeit heimlich eingeholter Vaterschaftstests im Vaterschaftsanfechtungsverfahren wegen Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung Lehrstuhl Zivilrecht VIII Prof. Dr. Ohly Examinatorium Schuldrecht BT II