1 Wer ein fremdes eBay - Juristisches Repetitorium Hemmer

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1 Wer ein fremdes eBay - Juristisches Repetitorium Hemmer
Zivilrecht
Die Entscheidung
BGH, Urteil vom 11.05.2011, VIII ZR 289/09, ZIP 2011, 1108 ff. = jurisbyhemmer
1 Wer ein fremdes eBayMitgliedskonto nutzt,
handelt „unter“ fremdem
Namen analog §§ 164 ff. BGB
+++ Handeln unter fremdem Namen +++ Namenstäuschung +++ Identitätstäuschung +++ Anscheinsvollmacht +++ Duldungsvollmacht +++ §§ 164 ff. BGB analog +++
Sachverhalt (abgewandelt): V unterhielt beim Internetauktionshaus eBay ein passwortgeschütztes
Konto unter dem Mitgliedsnamen „V“.
Am 03.03.2008 wurde unter Nutzung dieses Mitgliedskontos von D, dem damaligen Verlobten und
jetzigen Ehemann der V, eine komplette Gastronomieeinrichtung mit einem Eingangsgebot von 1,- €
zum Verkauf angeboten. Hierauf gab K ein Maximalgebot von 1.000,- € ab.
Einen Tag später wurde die Auktion vorzeitig durch Rücknahme des Angebots beendet. K war zu
diesem Zeitpunkt der Höchstbietende. Er forderte V zur Herausgabe der Gastronomieeinrichtung
zum Preis von 1.000,- € auf. Nach erfolglosem Ablauf der dafür gesetzten Frist verlangte er Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe des zwischen den Parteien unstreitigen Zeitwertes der
Einrichtung (33.000,- €) abzüglich des Kaufpreises (1.000,- €).
V bestreitet, dass sie vom Vorgehen des D etwas gewusst und diesem ihre Mitgliedsdaten mitgeteilt hat.
Kann K von V Zahlung von 32.000,- € verlangen?
A) Sounds
1. Werden unter Nutzung eines fremden eBayMitgliedskontos auf den Abschluss eines
Vertrages gerichtete Erklärungen abgegeben,
liegt ein Handeln unter fremdem Namen vor,
auf das die Regeln über die Stellvertretung
sowie die Grundsätze der Anscheins- oder
der Duldungsvollmacht entsprechend anzuwenden sind.
2. Ohne Vollmacht oder nachträgliche Genehmigung des Inhabers eines eBay-Mitgliedskontos unter fremdem Namen abgegebene
rechtsgeschäftliche Erklärungen sind dem Kontoinhaber nur unter den Voraussetzungen der
Duldungs- oder der Anscheinsvollmacht zuzurechnen.
3. Für eine Zurechnung reicht es nicht bereits
aus, dass der Kontoinhaber die Zugangsdaten
nicht hinreichend vor dem Zugriff des Handelnden geschützt hat.
4. Eine von eBay gestellte und von jedem
registrierten Nutzer akzeptierte Formularklausel, wonach Mitglieder grundsätzlich für sämthemmer! Life&Law 09/2011
liche Aktivitäten haften, die unter Verwendung
ihres Mitgliedskontos vorgenommen werden,
begründet keine Haftung des Kontoinhabers
gegenüber Auktionsteilnehmern.1
B) Problemaufriss
„Aufhänger“ der Entscheidung ist ein Anspruch
auf Schadensersatz statt der Leistung wegen
Nichterfüllung gem. §§ 280 I, III, 281 BGB. Für
einen Anspruch aus §§ 280 I, III, 281 BGB gegen
V wäre aber erforderlich, dass die V zur Leistung
verpflichtet war. Kernproblem ist daher die Frage,
ob sie Vertragspartnerin geworden ist.
Liest man § 2 Ziffer 9 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, scheint die Sache klar zu sein. Danach haften Mitglieder
grundsätzlich für sämtliche Aktivitäten, die unter
Verwendung von deren Mitgliedskonto vorge1
§ 2 Ziffer 9: 1Mitglieder haften grundsätzlich für sämtliche Aktivitäten, die unter Verwendung ihres Mitgliedskontos vorgenommen werden. 2Hat das Mitglied
den Missbrauch seines Mitgliedskontos nicht zu vertreten, weil eine Verletzung der bestehenden Sorgfaltspflichten nicht vorliegt, so haftet das Mitglied nicht.
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Die Entscheidung
nommen werden, außer das Mitglied hat den
Missbrauch nicht zu vertreten.
Der BGH hält diese Klausel aber für unwirksam (§ 307 BGB) und löst den Fall nach den
zum „Handeln unter fremdem Namen“ entwickelten Grundsätzen.
In diesen Fällen wird entweder der Handelnde
selbst verpflichtet oder aber es gelten die §§ 164 ff.
BGB analog. Letzteres ist anzunehmen, wenn das
Auftreten des Handelnden auf eine bestimmte Person hinweist und der Vertragspartner der Ansicht
sein durfte, ein Vertragsschluss komme mit dieser
Person (dem Namensträger) zustande.
C) Lösung
Zu prüfen ist, ob K von V Schadensersatz in Höhe
von 32.000,- € verlangen kann.
I. Anspruch auf Schadensersatz statt
der Leistung gem. §§ 280 I, III, 281 BGB
K könnte gegen V gem. §§ 280 I, III, 281 I BGB
ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung zustehen.
Voraussetzungen des Anspruches auf
Schadensersatz statt der Leistung gem.
§§ 280 I, III, 281 BGB
1. Vorliegen eines Schuldverhältnisses
2. Nicht oder nicht vertragsgemäße Leistung
3. Fristsetzung zur Nacherfüllung bzw. Entbehrlichkeit der Fristsetzung, § 281 II BGB
4. Keine Widerlegung des vermuteten Vertretenmüssens, § 280 I S. 2 BGB
Zivilrecht
Anmerkung: Im Übrigen ist ein Zuschlag eine
Willenserklärung, das heißt eine auf Herbeiführung
eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtete Äußerung einer Person.2
Die Mitteilung von eBay an den Käufer, dass er
der Höchstbietende war und damit die Sache
ersteigert hat, stellt aber lediglich eine Wissensmitteilung und damit keinen Zuschlag i.S.d. § 156 BGB
dar.
Auch der bloße Zeitablauf, mit dem die InternetAuktion endet, ist keine Willenserklärung und kann
eine solche auch nicht ersetzen. Mit der Festlegung der Laufzeit der Internet-Auktion bestimmt
der Verkäufer gemäß § 148 BGB eine Frist für die
Annahme seines Angebots durch den Meistbietenden. Die vertragliche Bindung beruht nicht auf
dem Ablauf dieser Frist, sondern auf den - innerhalb der Laufzeit der Auktion wirksam abgegebenen - Willenserklärungen der Parteien.
Aus diesem Grund hat der BGH auch konsequent
den Ausschluss des Widerrufsrechts nach
§ 312d IV Nr. 5 BGB nicht auf die Verkäufe bei
eBay angewendet.3 Kauft also ein Verbraucher
(§ 13 BGB) von einem Unternehmer (§ 14 BGB) bei
eBay eine Ware ein, so kann er diesen Fernabsatzvertragsabschluss gem. § 312d BGB widerrufen.4
Bei einer eBay-Versteigerung kommt der Vertrag
daher nach den allgemeinen Vorschriften der
§§ 145 ff. BGB zustande.
Daher setzt das Zustandekommen eines Kaufvertrags zwischen den Parteien voraus, dass K
als Höchstbietender entweder ein von V selbst
abgegebenes oder ihr jedenfalls zurechenbares
Verkaufsangebot (wirksam) angenommen hat.
5. Vorliegen eines kausalen Nichterfüllungsschadens
1. Vorliegen eines Schuldverhältnisses
Zunächst müsste zwischen K und V ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen sein.
a) Zustandekommen eines Vertrages
bei einer eBay-Auktion
Der Vertragsschluss bei einer eBay-Auktion erfolgt nicht nach § 156 BGB. Im vorliegenden Fall
fehlt wegen des vorzeitigen Abbruchs der „Auktion“ jedenfalls die Erteilung eines Zuschlages.
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2
3
4
BGHZ 149, 129, 134 m.w.N. = jurisbyhemmer.
Vgl. BGH, Life & Law 2005, 93 ff. = ZGS 2005, 30 ff. =
NJW 2005, 53 ff. = jurisbyhemmer.
Hinweis: Durch die Verneinung einer Versteigerung
und des damit einhergehenden Widerrufsrechts eines
Verbrauchers wird letztlich das System des eBayKaufes völlig unterwandert. Möchte ein Bieter die Ware
unbedingt erwerben, so kann er völlig risikolos einen sehr
hohen „Mondpreis“ bieten, um bei Auktionsende sicher der
Höchstbietende zu sein. Risikolos ist dies aus zwei Gründen: Zum einen ist der gebotene Höchstpreis nicht der
Kaufpreis. Dieser liegt nämlich lediglich einen Erhöhungsschritt über dem Meistgebot des Höchstbietenden. Sollte
dies dem „Spaßbieter“ trotzdem zu hoch sein, so kann
dieser nach der Rechtsprechung zum anderen von seinem Widerrufsrecht gem. § 312d I BGB Gebrauch machen (Knuth, ZGS 2010, 253, 256). Im Examen sollten Sie
aber der h.M. folgen, bevor Sie sich aus der Klausur „rausschreiben“.
hemmer! Life&Law 09/2011
Zivilrecht
Die Entscheidung
b) Kein Angebot der V
V selbst hat kein Verkaufsangebot abgegeben.
Abgegeben wurde das Angebot vielmehr von D,
dem damaligen Verlobten der V.
c) Keine Vertretung der V durch D
V wurde bei der Einstellung des Verkaufsangebotes auch nicht von D vertreten. Eine Vertretung setzt nämlich voraus, dass ein Dritter offenkundig in fremdem Namen eine Willenserklärung abgibt.
Im vorliegenden Fall hat D aber nicht als Vertreter in fremdem Namen gehandelt, sondern lediglich unter dem Mitgliedsnamen seiner Verlobten
V. Damit wurde für K nicht klar, dass ein Dritter für
die V das Vertragsangebot abgegeben hat.
d) Analoge Anwendung der §§ 164 ff. BGB
bei Handeln unter fremdem Namen?
In diesem Fall ist dem Vertragspartner der Name
des Handelnden egal. Die Vorschriften der
§§ 164 ff. BGB finden keine (analoge) Anwendung,
da sich der Wille der Parteien hier voll verwirklicht.
Der Geschäftsgegner will mit dem ihm gegenüber
Handelnden kontrahieren und hat keinerlei falsche
Identitätsvorstellung. Der Erklärende will niemanden
vertreten, sondern sich selbst verpflichten. Die Namensangabe hat nach dem Parteiwillen keine Bedeutung (Sound: Der Name des Vertragspartners
ist nur „Schall und Rauch“).
hemmer-Methode: Am deutlichsten wird dies im
Fall der sofort zu bezahlenden Miete eines Hotelzimmers, wobei der Gast unerkannt bleiben
will und deshalb einen Phantasienamen angibt.
bb) Vertretergeschäft, wenn
Täuschung über die Identität
hemmer-Methode: Die Lösung hängt davon
ab, wodurch die Person des Vertragspartners
in den Augen des Geschäftsgegners individualisiert wird. Will er mit der konkret vor ihm
stehenden Person kontrahieren (dann bloße
Namenstäuschung) oder ist ihm ausdrücklich an einem Geschäft mit dem Namensträger gelegen (dann Identitätstäuschung)?
Anders ist es, wenn der Name auf eine bestimmte
andere Person hinweisen soll und der Geschäftsgegner gerade an einem Vertragsschluss mit dieser Person interessiert ist, weil er bestimmte Vorstellungen mit ihr verknüpft, die er für sein Geschäft als vorteilhaft erachtet.
Der Geschäftsgegner unterliegt hier einer Identitätstäuschung. Da diese der Handelnde verursacht hat, muss er sich auch so behandeln lassen, als wenn er das Geschäft für den Namensträger abgeschlossen hat.
Das Geschäft wirkt daher analog § 164 I S. 1
BGB für den Namensträger, wenn der Handelnde
Vertretungsmacht hatte oder der Namensträger
das Geschäft analog § 177 BGB genehmigt. Handelte der Täuschende ohne Vertretungsmacht und
liegt auch keine Genehmigung vor, haftet er analog § 179 I BGB auf Schadensersatz.6
aa) Eigengeschäft, wenn
bloße Namenstäuschung
cc) Nutzung von fremdem eBayMitgliedskonto ist Identitätstäuschung
Bei einem Handeln unter dem Namen einer anderen - existierenden - Person kann der Handelnde selbst berechtigt und verpflichtet sein,
wenn sich das getätigte Geschäft aus der insoweit maßgeblichen Sicht der anderen Vertragspartei als Eigengeschäft des Handelnden darstellt, bei diesem also keine Fehlvorstellung
über die Identität des Handelnden hervorgerufen wird (sog. bloße Namenstäuschung).5
Wer bei einer Internet-Auktion die Kennung (sog.
„Mitgliedsname“) eines anderen benutzt, handelt
unter fremdem Namen und täuscht den Geschäftsgegner über die Identität des Vertragspartners.
So liegen die Dinge auch hier. D hat den Willen,
die Gastronomieeinrichtung im eigenen Namen
zum Verkauf anzubieten, nicht hinreichend zum
Ausdruck gebracht. Er hat das Verkaufsangebot
unter Nutzung des für V eingerichteten passwortgeschützten Nutzerkontos und unter Verwendung
5
6
D hat unter dem Namen der V das Verkaufsangebot bei eBay eingestellt.
Fraglich ist, ob das Recht der Stellvertretung,
§§ 164 ff. BGB hier analog angewendet werden
kann, sodass ein Fremdgeschäft für den Namensträger vorliegt, oder ob ein Eigengeschäft
des Handelnden D gegeben ist.
BGH, NJW-RR 1988, 814 = jurisbyhemmer; BGH,
NJW-RR 2006, 701 = jurisbyhemmer.
hemmer! Life&Law 09/2011
BGHZ 45, 195 = jurisbyhemmer; BGH, NJW-RR 1988,
815 = jurisbyhemmer.
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Die Entscheidung
deren Mitgliedsnamens auf der Internetplattform
eBay platziert. Aus Sicht der potenziellen Käufer
war V Urheberin des Verkaufsangebots.
Für einen potenziellen Vertragspartner sind die
auf der Internet-Plattform eBay abrufbaren Angaben zur Person und Anschrift des Kontoinhabers
ausschlaggebend für den Abschluss eines Kaufvertrages. Insbesondere wegen des guten Rufs eines Mitgliedsnamens, der durch das eBayPunktesystem entsteht, führt nach der Rechtsprechung ein Handeln unter fremdem Mitgliedsnamen
zur analogen Anwendung der §§ 164 ff. BGB.7
Anmerkung: Daran würde sich auch dann nichts
ändern, wenn D im Angebotstext seine E-MailAdresse und Mobilfunknummer angegeben hätte. Hieraus erschließt sich für einen Kaufinteressenten noch nicht, dass D selbst als Verkäufer
in Erscheinung tritt. Für einen objektiven Empfänger erschöpft sich der Gehalt der gemachten
Angaben nämlich in der bloßen Mitteilung von
Kontaktadressen und -daten. Tragfähige Rückschlüsse auf die Identität des Verkäufers lassen
diese Angaben nicht zu.
Zwischenergebnis: Durch die Nutzung des Mitgliedsnamens der V hat D beim Geschäftspartner
K den Anschein erweckt, es solle mit V ein Geschäft abgeschlossen werden. D hat also bei K
eine falsche Vorstellung über die Identität des
Handelnden hervorgerufen, sodass die Regeln
über die Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) und die
hierzu entwickelten Grundsätze analoge Anwendung finden, selbst wenn dem D ein Vertretungswille gefehlt haben sollte.
e) Voraussetzungen
der §§ 164 ff. BGB analog
D hat ein Fremdgeschäft für V als Namensträgerin
getätigt. Durch das von K abgegebene Höchstgebot wäre zwischen V und K aber nur dann ein
Kaufvertrag über die Gastronomieeinrichtung zustande gekommen, wenn sich V das Verhalten
des D zurechnen lassen müsste.
Eine rechtsgeschäftliche Erklärung, die unter solchen Voraussetzungen unter dem Namen eines
anderen abgegeben worden ist, verpflichtet den
Namensträger nur dann, wenn sie in Ausübung einer
bestehenden Vertretungsmacht erfolgt (§ 164 I S. 1
BGB analog) oder vom Namensinhaber nachträglich
genehmigt worden ist (§ 177 I BGB analog) oder
7
OLG München, NJW 2004, 1328 ff. = jurisbyhemmer;
OLG Köln, NJW 2006, 1676 ff. = jurisbyhemmer;
OLG Hamm, NJW 2007, 611, 612 = jurisbyhemmer;
Palandt, § 164 BGB, Rn. 10 f., § 172 BGB, Rn. 18.
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wenn die Grundsätze über die Anscheins- oder die
Duldungsvollmacht eingreifen.8
aa) Keine Vollmacht
und keine Genehmigung
Dem Sachverhalt lässt sich nicht entnehmen,
dass V ihren damaligen Verlobten D im Vorfeld
zur Abgabe entsprechender Erklärungen bevollmächtigt hat. Auch hat sie dessen Verhalten nicht
nachträglich genehmigt.
Der V sind daher die von D abgegebenen Erklärungen weder nach § 164 I S. 1 BGB analog
noch nach § 177 I BGB analog zuzurechnen.
bb) Grundsätze der Duldungsoder Anscheinsvollmacht
Fraglich ist aber, ob V nach den Grundsätzen
der Duldungs- oder der Anscheinsvollmacht für
die unter Verwendung ihres passwortgeschützten Mitgliedskontos abgegebenen Erklärungen
einzustehen hat.
(1) Keine Duldungsvollmacht
Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene es willentlich geschehen lässt, dass
ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt, und
der Geschäftspartner dieses Dulden nach Treu und
Glauben dahin versteht und auch verstehen darf,
dass der als Vertreter Handelnde zu den vorgenommenen Erklärungen bevollmächtigt ist.9 Der
Geschäftsgegner muss also „gutgläubig“ sein. Er
wird analog § 173 BGB nicht geschützt, wenn er
weiß oder wissen musste (vgl. § 122 II BGB), dass
der Duldende keine Vollmacht erteilen wollte.10
Bei einem unter Verwendung einer fremden
Identität getätigten Geschäft des Namensträgers
finden diese Grundsätze mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass hierbei auf dessen Verhalten abzustellen ist.
Einen solchen Duldungstatbestand hat V jedoch
nicht geschaffen. Dem Sachverhalt lässt sich nicht
entnehmen, dass die V ihrem Verlobten D die
Zugangsdaten für ihr Mitgliedskonto bei eBay offengelegt und von dessen Vorgehen Kenntnis
hatte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass D
das von V eingerichtete Mitgliedskonto ohne deren
8
9
10
MüKo, § 164 BGB, Rn. 44; Werner, K & R 2008, 554 ff.;
Herresthal, K & R 2008, 705, 706.
BGH, NJW 2002, 2325 = jurisbyhemmer; BGH, NJWRR 2004, 1275 = jurisbyhemmer; BGH, NJW 2007
987 ff. = jurisbyhemmer.
Hemmer/Wüst, BGB AT I, Rn. 248.
hemmer! Life&Law 09/2011
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Wissen und Einverständnis unter Verwendung der
ihm zufällig bekannt gewordenen Zugangsdaten
zum Verkauf des Gaststätteninventars genutzt hat.
Die Voraussetzungen einer Duldungsvollmacht
liegen daher nicht vor.
hemmer-Methode: Die Rechtsnatur der Duldungsvollmacht ist umstritten. Nach ganz h.M.
handelt es sich um eine Rechtsscheinvollmacht und nicht um eine konkludente Vollmachtserteilung. Der Unterschied zur stillschweigenden Vollmacht ist darin zu sehen,
dass der Vertretene hier keinen Willen zur Bevollmächtigung hat und das bloße Dulden weniger ist als eine schlüssige Vollmachtserteilung.
Dieser Streit hat v.a. Bedeutung bei der
Frage, ob eine Anfechtung der Duldungsvollmacht in Betracht kommt. Die h.M., die auf
den Rechtsscheincharakter der Duldungsvollmacht abstellt, verneint konsequent deren
Anfechtbarkeit, da Rechtsscheintatbestände
grundsätzlich nicht anfechtbar sind. Eine a.A.
will die Anfechtung der Duldungsvollmacht
wegen deren Nähe zur konkludent erteilten
Vollmacht zulassen, da es nicht einzusehen
sei, dass ein Rechtsschein stärker binden soll
als eine ausdrücklich erteilte Vollmacht.
Für beide Ansichten sprechen gute Gründe.
Wie Sie sich in der Klausur entscheiden, ist
von untergeordneter Bedeutung, wenn Sie nur
überzeugende Begründungsarbeit leisten. Jedoch sollten Sie sich grds. immer klausurtaktisch entscheiden, um sich nicht eventuelle
Folgeprobleme abzuschneiden!11
(2) Auch keine Anscheinsvollmacht
Eine Anscheinsvollmacht ist gegeben, wenn der
Vertretene das Handeln des Scheinvertreters
nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können.
Wie bei der Duldungsvollmacht muss der Geschäftspartner analog § 173 BGB gutgläubig sein.
Er muss also annehmen dürfen, der Vertretene
kenne und billige das Handeln des Vertreters.12
Die Entscheidung
Hier kein wiederholtes Auftreten
Allerdings greifen die Rechtsgrundsätze der
Anscheinsvollmacht in der Regel nur dann ein,
wenn das Verhalten des einen Teils, aus dem
der Geschäftsgegner auf die Bevollmächtigung
des Dritten glaubt schließen zu können, von
einer gewissen Dauer und Häufigkeit ist. Bei
einem mit einer Identitätstäuschung verbundenen Handeln unter fremdem Namen ist bei Anwendung dieser Grundsätze auf das Verhalten
des Namensträgers abzustellen.
hemmer-Methode: Nach h.M. handelt es sich
bei der Anscheinsvollmacht um eine unanfechtbare Rechtsscheinvollmacht, sodass der
Geschäftsherr auf Erfüllung haftet. Eine M.M.
lehnt diese weitreichende Erfüllungshaftung
ab, da eine bloße Nachlässigkeit nur eine Haftung des Geschäftsherrn nach §§ 280 I, 241 II,
311 II BGB (c.i.c.) und des Vertreters nach
§ 179 I BGB rechtfertige.
Gegen diese Ansicht spricht aber, dass ein
veranlasster Rechtsschein grds. einem tatsächlichen Erklärungstatbestand gleichgesetzt wird
(vgl. §§ 171 ff. BGB) und eine bloße Haftung
nach §§ 280 I, 241 II, 311 II BGB, die i.d.R. nur
auf das negative Interesse geht, den Vertragspartner zu wenig schützt.13
Aufgrund des Sachverhalts steht nicht fest, ob
man der V zum Vorwurf machen kann, sie hätte
bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen und verhindern können, dass sich D ihres
eBay-Kontos bedienen würde. Der Umstand,
dass sich D von den Zugangsdaten der V auf
nicht näher bekannte Weise Kenntnis verschafft
hat, besagt aber noch nicht, dass V mit einer
unbefugten Nutzung ihres Mitgliedskontos durch
ihren Verlobten hätte rechnen müssen.
Unabhängig davon scheidet eine Anscheinsvollmacht auch deswegen aus, weil D den eBayZugang im vorliegenden Fall zum ersten Mal
genutzt hat. Es fehlt daher an einem von D geschaffenen Vertrauenstatbestand, auf den sich
der Kläger hätte stützen können.14
Wiederholtes Auftreten ist wegen des
Missbrauchsrisikos unverzichtbar
Auf das Erfordernis einer gewissen Häufigkeit
oder Dauer der unbefugten Verwendung des
Mitgliedskontos der V kann nicht schon deswegen verzichtet werden, weil dieses im Internet11
12
Vgl. dazu Hemmer/Wüst, BGB-AT I, Rn. 248 bis 248c.
BGH, NJW 1998, 1854 ff. = jurisbyhemmer; BGHZ 166,
369 ff. = jurisbyhemmer.
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13
14
Hemmer/Wüst, BGB AT I, Rn. 248.
BGH, NJW 2006, 1971 ff. = jurisbyhemmer.
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Die Entscheidung
verkehr aufgrund der bei eBay erfolgten Registrierung allein der V zugeordnet wird.
Denn auch wenn den Zugangsdaten für die Internetplattform eBay eine Identifikationsfunktion
zukommt, weil das Mitgliedskonto nicht übertragbar und das ihm zugeordnete Passwort geheim zu halten ist15, kann hieraus angesichts des
im Jahr 2008 gegebenen und auch derzeit vorhandenen Sicherheitsstandards im Internet auch
bei einem eBay-Account nicht zuverlässig geschlossen werden, dass unter einem registrierten Mitgliedsnamen ausschließlich dessen tatsächlicher Inhaber auftritt.16
Ergebnis:
V
hat
daher
keinen
Zurechnungstatbestand verwirklicht, sodass
zwischen ihr und dem K kein wirksamer
Kaufvertrag zustande gekommen ist.
Ein Anspruch auf Schadensersatz statt der
Leistung gem. §§ 280 I, III, 281 BGB steht K
daher nicht zu.
Zivilrecht
der Teilnehmer untereinander gelten. Hauptsächlich wird dies damit begründet, dass sich die Vertragspartei, die bei eBay eine Sache zum Verkauf
einstellt, die AGB von eBay „zu eigen macht“ und
damit als „Quasi-Verwender“ auftritt.17
Nach der Auslegungslösung gelten die eBay-AGB nicht für die Verträge zwischen den
Teilnehmern untereinander. Sie sind aber zur
Auslegung des zwischen diesen abgeschlossenen Vertrages heranzuziehen, da beide Parteien
durch ihre Anmeldung bei eBay wissen, dass
auch jeweils die andere Seite die eBay-AGB
akzeptiert hat.18
Der BGH schließt sich dieser Auslegungslösung
nun ausdrücklich an:19 Da diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen jeweils nur zwischen eBay
und dem Inhaber eines Mitgliedskontos vereinbart
sind, kommt ihnen keine unmittelbare Geltung
zwischen Anbieter und Bieter zu. Sie können allenfalls für die Auslegung der vor ihrem Hintergrund erfolgten Erklärungen Bedeutung gewinnen.
II. Anspruch auf Schadensersatz
gem. §§ 280 I, 611 BGB i.V.m.
§ 2 Ziffer 9 eBay-AGB
K könnte gegen V gem. §§ 280 I, 611 BGB i.V.m.
§ 2 Ziffer 9 eBay-AGB zustehen.
1. Vorliegen eines Schuldverhältnisses
§ 2 Ziffer 9 der eBay-AGB sieht vor, dass Mitglieder grundsätzlich für „sämtliche Aktivitäten“ haften,
die unter Verwendung ihres Mitgliedskontos vorgenommen werden.
Diese Geschäftsbedingungen werden im jeweiligen Teilnehmerverhältnis zu eBay vereinbart, bei welchem es sich nach h.M. um einen
Dienstvertrag handelt.
Damit wurde § 2 Ziffer 9 der eBay-AGB jedenfalls zum Inhalt des zwischen eBay und dem
Mitglied V zustande gekommenen Dienstvertrages, § 611 BGB.
a) Unmittelbare Geltung
des § 2 Ziffer 9 zwischen V und K
Fraglich ist, ob die eBay-AGB´s auch Inhalt des
Kaufvertrages zwischen Verkäufer und Käufer
(sog. Marktverhältnis) werden.
Die Einbeziehungslösung kommt zu dem Ergebnis, dass die eBay-AGB auch im Verhältnis
15
16
BGHZ 180, 134 ff. = jurisbyhemmer.
Vgl. zu den vielfältigen Möglichkeiten des Ausspähens
und „Diebstahls“ von Zugangsdaten Borges, NJW 2005,
3313 ff.
620
b) Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB)
oder mit Schutzwirkung für Dritte?
Eine darüber hinausgehende Haftung könnte die
Klausel nur dann begründen, wenn hierin zugunsten zukünftiger Vertragspartner ein Vertrag
zugunsten Dritter nach § 328 BGB oder ein Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte zu sehen wäre.
Überzeugender ist die Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung, da eBay und der jeweilige Nutzer mit dieser Vereinbarung keinen Leistungsanspruch schaffen, der einem Dritten zugutekommen sollte. Vielmehr soll die Vereinbarung zwischen eBay und dem jeweiligen Nutzer
dessen Vertragspartner vor einem Missbrauchsrisiko schützen.20
Ob über § 2 Ziffer 9 eine vertragliche Vereinbarung zugunsten Dritter oder mit Schutzwirkung für Dritte vereinbart wurde, lässt der BGH
(leider) offen, da eine solche in ihrem Umfang
unbegrenzte Haftungsverpflichtung des Kontoinhabers gegenüber beliebig vielen potenziellen
Auktionsteilnehmern gem. § 307 I S. 1 BGB
unwirksam wäre.
Eine derartige Haftung würde nämlich weit über die Rechtsgrundsätze der Rechtsscheinhaftung hinausgehen.
17
18
19
20
Vgl. Lettl, Versteigerung im Internet, JuS 2002, 219 ff.
AG Moers in NJW 2004, 1330 f.; vgl. auch OLG Hamm,
NJW 2001, 1142 f.
Bislang ließ der BGH diese Frage offen, hat aber in der
Vergangenheit schon angedeutet, dass er wohl eher
zur Auslegungslösung neigt, BGHZ 149, 129 (135).
Zum Meinungsstand Herresthal, K & R 2008, 705, 709 f.
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Zivilrecht
Die Entscheidung
Die in § 2 Ziffer 9 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay vorgesehene Haftungsregelung kann daher allenfalls - ähnlich wie dies bei
Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Herausgeber von EC-Karten der Fall ist21 - eine Einstandspflicht des Kontoinhabers gegenüber dem Plattformbetreiber für die diesem entstandene Schäden
begründen, nicht aber im Verhältnis zu Dritten.
Ergebnis: Die Vereinbarung zwischen V und
eBay entfaltet daher auch keine anspruchsbegründende Drittwirkung im Verhältnis zu K.
III. Ergebnis
K steht gegen V kein Anspruch auf Schadensersatz zu.
D) Kommentar
(mty). Der BGH schließt sich mit diesem Urteil
der bislang von Oberlandesgerichten vertretenen Rechtsprechung ausdrücklich an und stellt
fest, dass ein Handeln unter fremdem Namen
vorliegt, wenn unter Nutzung eines fremden
eBay-Mitgliedskontos auf den Abschluss eines
Vertrages gerichtete Erklärungen abgegeben
werden. In analoger Anwendung der §§ 164 ff.
BGB verpflichten solche Erklärungen den Namensträger nur dann, wenn sie in Ausübung
einer bestehenden Vertretungsmacht erfolgen,
vom Namensträger nachträglich genehmigt werden oder in analoger Anwendung der Grundsätze der Duldungs- oder der Anscheinsvollmacht
dem Namensträger zuzurechnen sind.
Für eine Zurechnung reicht es nicht aus, dass
der Inhaber des eBay-Mitgliedskontos seine Zugangsdaten nicht hinreichend vor dem Zugriff des
Handelnden geschützt hat. Denn angesichts der
derzeitigen, einen Missbrauch nicht hinreichend
ausschließenden Sicherheitsstandards im Internet
(auch bei einem eBay-Account), kann nicht zuverlässig darauf geschlossen werden, dass unter
einem registrierten Mitgliedsnamen ausschließlich
dessen tatsächlicher Inhaber auftritt.
Dies ist eine deutliche Abgrenzung zur Rechtsprechung des BGH im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts.
Dort lässt die Rechtsprechung nämlich eine unsorgfältige Verwahrung der Kontaktdaten eines
eBay-Mitgliedskontos als eigenständigen Zurechnungsgrund für von einem Ehegatten unter Verwendung dieses Kontos begangene Urheberrechts-
und/oder Markenrechtsverletzungen und Wettbewerbsverstöße genügen.22
Anmerkung: Nach Ansicht des LG München I
können Eltern neben ihren Kindern haftbar gemacht werden, wenn diese mittels des bereitgestellten elterlichen Internetzugangs urheberrechtlich geschützte Werke Dritter widerrechtlich
und schuldhaft öffentlich zugänglich machen.23
Die Klägerin nahm neben der Tochter auch die
Eltern auf Auskunft und Schadensersatz in Anspruch. Das Gericht gab der Klägerin Recht.
Die Eltern haben nach Auffassung des
LG München I ihre elterliche Aufsichtspflicht verletzt. Grundsätzlich bedürfen Minderjährige stets
der Aufsicht. Die Eltern können sich jedoch entlasten, wenn sie nachweisen, dass sie entweder ihre
Aufsichtspflicht erfüllt haben, oder dass der Schaden auch bei gehöriger Beaufsichtigung oder wiederholter Belehrung entstanden wäre. Diese
Pflicht haben die Eltern nur dann erfüllt, wenn sie
das im Hinblick auf Alter, Eigenart und Charakter
des Aufsichtsbedürftigen sowie das im Hinblick auf
die zur Rechtsgutverletzung führende konkrete
Situation Erforderliche getan haben. Das Maß der
gebotenen Aufsicht bestimmt sich bei Minderjährigen nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie nach der Voraussehbarkeit des schädigenden Verhaltens, insgesamt danach, was verständige Eltern vernünftigerweise in der konkreten
Situation an erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen treffen müssen, um Schädigungen Dritter
durch ihr Kind zu verhindern. Der Aufsichtspflichtige muss sich daher zur Feststellung des Umfangs
seiner Pflicht auch darum kümmern, womit sich
die Kinder in der Freizeit beschäftigen, sie insoweit
gelegentlich beobachten und beim Aufräumen des
Kinderzimmers auf Gegenstände achten, mit denen sich die Kinder beschäftigen.
Der BGH ist aber der Ansicht, dass sich diese
für den Bereich der deliktischen Haftung entwickelten Grundsätze nicht auf die Zurechnung
einer unter unbefugter Nutzung eines Mitgliedskontos von einem Dritten abgegebenen
rechtsgeschäftlichen Erklärung übertragen lassen. Denn während im Deliktsrecht der Schutz
absoluter Rechte Vorrang vor den Interessen
des Schädigers genießt, ist bei der Abgabe von
auf den Abschluss eines Vertrages gerichteten
Erklärungen eine Einstandspflicht desjenigen,
der eine unberechtigte Nutzung seines passwortgeschützten Mitgliedskontos ermöglicht hat,
22
21
BGHZ 160, 308, 312 = jurisbyhemmer.
hemmer! Life&Law 09/2011
23
BGHZ 180, 134, Rn. 16 ff. („Halzband“) = jurisbyhemmer;
BGHZ 185, 330 („Sommer unseres Lebens“)
= jurisbyhemmer.
LG München I, MMR 2008, 619 ff. = jurisbyhemmer.
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Die Entscheidung
nur dann gerechtfertigt, wenn die berechtigten
Interessen des Geschäftspartners schutzwürdiger sind als seine eigenen Belange. Dies ist
nicht schon allein deswegen der Fall, weil der
Kontoinhaber bei eBay ein passwortgeschütztes
Mitgliedskonto eingerichtet und sich den Betreibern dieser Plattform zur Geheimhaltung der
Zugangsdaten verpflichtet hat.
Im rechtsgeschäftlichen Bereich bleibt es damit
auch bei Geschäften, die über das Internet abgewickelt werden, bei der gesetzlichen Risikoverteilung, die das Risiko einer fehlenden Vertretungsmacht des Handelnden dem Geschäftsgegner zuweist. Eine Durchbrechung dieser Risikozuweisung in Gestalt einer Zurechnung der von
einem Dritten abgegebenen Erklärungen zu Lasten des „Vertretenen“ ist erst gerechtfertigt, wenn
der Geschäftsgegner annehmen durfte, der „Vertretene“ kenne und billige das Verhalten des Dritten, wenn jener also einen Rechtsschein im
Rechtsverkehr gesetzt hat. Ein solcher Vertrauenstatbestand lässt sich jedoch – so der BGH –
nicht allein aus der Einrichtung eines passwortgeschützten eBay-Mitgliedskontos mit Identifikationsfunktion ableiten.
Im Ergebnis bringt das BGH-Urteil unter korrespondierender Schwächung der Käuferrechte im
rechtsgeschäftlichen Bereich eine Haftungserleichterung für Inhaber eines eBay-Mitgliedskontos.
Dogmatisch mag dies überzeugen. Gerecht ist
das Ergebnis aber nicht, da der Käufer hierdurch
in vielen Fällen rechtlos gestellt wird.
Natürlich hätte der Käufer im Prozess gegen V
dem D gem. § 72 I ZPO den Streit verkünden
können, weil er im Falle des Unterliegens gegen
D einen Anspruch auf Schadensersatz gem.
§ 179 I BGB analog hätte.
Doch was würde es dem K nutzen? Grundsätzlich bestimmt sich das Verhältnis des Streitverkündungsempfängers zum Streitverkünder
nach den Grundsätzen der Nebenintervention,
§ 74 I ZPO. Gem. § 68 ZPO kann der Streitverkündungsempfänger nicht mehr einwenden,
dass der Rechtsstreit unrichtig entschieden wurde; er ist also an das Ergebnis des Ausgangsprozesses gebunden.
Zivilrecht
Zu beachten ist aber Folgendes: Wenn K den
Prozess gegen V „aus Mangel an Beweisen“ verliert, weil das Vorliegen einer Anscheins- und/oder
Duldungsvollmacht zwar denkbar war, aber vom
beweispflichtigen K nicht bewiesen werden konnte
(sog. „non liquet“ - Situation), dann bringt dem K
die Streitverkündung rein gar nichts.
In einem etwaigen Folgeprozess gegen D aus
§ 179 I BGB analog tritt nach h.M. nämlich nicht
die Folge ein, dass das Gericht von dem Gegenteil der im Vorprozess nicht erwiesenen Tatsache ausgehen muss.24 Sollte also das Gericht im
Folgeprozess der Meinung sein, dass das Verhalten des D der V doch zurechenbar ist, dann
würde K auch seinen Schadensersatzprozess
aus § 179 I BGB verlieren.
Spätestens hier wird klar, dass eine Drittwirkung des § 2 Ziffer 9 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay die bessere Lösung wäre. Der „schwarze Peter“ wäre dann bei
der V, die den D in Regress nehmen müsste.
E) Zur Vertiefung
 Vertragsschluss durch Internetversteigerungen („eBay-Verträge“)
Hemmer / W
BGB AT
Die Entsteh
Hemmer/Wüst, BGB-AT I, Rn. 151a
 Vorzeitige Beendigung einer eBayAuktion
AG Garmisch-Partenkirchen,
Life & Law 2011, 377 ff., Heft 6.
F) Wiederholungsfragen
1. Wann finden die §§ 164 ff. BGB beim
Handeln unter fremdem Namen analoge
Anwendung?
2. In welchen Fällen haftet beim Handeln unter fremdem Namen der
Namensträger?
examenstypisch
Neues Lernen
mit der Hemmer-Methode
Aus dem Inhalt:
✔ Rechtssubjekte
✔ Rechtsfähigkeit
Hemmer / Wüst / Tyroller
✔ Geschäftsfähigkeit
✔ Allgemeine Geschäftsbedingungen
✔ Stellvertretung
BGB AT I
Die Entstehung des Primäranspruchs
hemmer-Methode: Diese sog. Nebeninterventionswirkung, die gem. § 74 III ZPO nur
zugunsten des Streitverkünders („gegen den
Dritten“) eintritt, ist der Rechtskraftwirkung
ähnlich, geht aber wesentlich weiter als diese.
Im Gegensatz zur Rechtskraftwirkung erfasst
sie nicht nur den Entscheidungssatz, sondern
auch alle im Vorprozess festgestellten Einzeltatsachen und deren rechtliche Beurteilung.
examenstypisch
anspruchsvoll
umfassend
Aus dem Inhalt:
✔ Rechtssubjekte
✔ Rechtsfähigkeit
✔ Geschäftsfähigkeit
✔ Allgemeine Geschäftsbedingungen
✔ Stellvertretung
24
622
Neues Le
mit der H
BGHZ 85, 252 ff.
hemmer! Life&Law 09/2011
ans