emmer Juristisches Repetitorium Arbeitsrecht
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Juristisches Repetitorium emmer Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf - Erlangen - Frankfurt/M. – Frankfurt/O. - Freiburg - Göttingen - Greifswald Halle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - Konstanz Leipzig - Mainz – Marburg/Gießen - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - Passau Regensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg Arbeitsrecht Fall 8 - Lösung - Seite 1 Fall 8 - Lösung ÜBERSICHT FALL 8 Abwandlung Ausgangsfall Anspruch auf Weihnachtsgratifikation Lohnanspruch i.H.v. 2.500 € gem. § 611 BGB? (+), wenn dem B kein aufrechenbarer Rückzahlungsanspruch zusteht I. Anspruchsgrundlage für Rückforderung B kann wegen Rückzahlungsklausel evtl. das Weihnachtsgeld 2012 zurückverlangen II. Zulässigkeit einer Rückzahlungsklausel ? I. II. Beseitigung des Anspruchs? 1. Bloße Bekanntmachung keine Änderungskündigung 2. Auch kein Änderungsvertrag, da bloßes Schweigen keine Willenserklärung 3. Möglicherweise aber abändernde betriebliche Übung! bei echten Gratifikationen, also Sonderzahlungen, die keinen reinen Entgeltcharakter haben, sind Rückzahlungsklauseln grds. zulässig 1. Weihnachtsgeld = „echte“ Gratifikation 2. Grenzen für § 307 BGB a) Kleingratifikationen bis ca. 250,- € Rückzahlungsklauseln nach BAG wegen § 308 Nr. 5 BGB nicht (mehr)möglich hier jedenfalls ohnehin (-), da keine mehrmalige Änderung des Verhaltens des AG (RFK), Rückforderung ausgeschlossen b) Gratifikationen über 1 Monatsgehalt Bindung bis 30.06. des Folgejahres zulässig c) Hier: Gratifikation von 1 Monatsgehalt Rückforderung möglich bis 31.03. 3. Rückforderung evtl. ausgeschlossen, weil AG selbst gekündigt hat bei Treuwidrigkeit ist Rückforderung ausgeschlossen (Gedanke des § 162 I BGB greift) a) Kündigt AG nur, um die Rückzahlung der Gratifikation zu erlangen, ist dies treuwidrig hierfür ist aber nichts ersichtlich b) Anspruch aus betrieblicher Übung grds. entstanden Nach Rspr. des BAG ist eine berechtigte betriebsbedingte Kündigung nicht treuwidrig Weihnachtsgeld ist rückforderbar. Bei Aufrechnung sind aber §§ 394 BGB, 850c I S.1 ZPO zu beachten! h/w/t – 13-II Juristisches Repetitorium emmer Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf - Erlangen - Frankfurt/M. – Frankfurt/O. - Freiburg - Göttingen - Greifswald Halle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - Konstanz Leipzig - Mainz – Marburg/Gießen - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - Passau Regensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg Arbeitsrecht Fall 8 - Lösung - Seite 2 Begrifflich stellen solche Sonderzahlungen echte Gratifikationen dar. Ihre rechtliche Behandlung folgt völlig eigenständigen Grundsätzen. LÖSUNG FALL 8 A könnte gegen B einen Anspruch auf 2.500 € nach § 611 BGB haben. Dies setzt voraus, dass B keinen Rückforderungsanspruch in dieser Höhe hatte, mit dem er nach § 387 BGB aufrechnen konnte. Dieser Anspruch des B könnte sich aus der Rückzahlungsklausel ergeben. 1. Darüber hinaus werden auch Sonderzahlungen mit Mischcharakter gewährt, d.h. für Betriebstreue und erbrachte Arbeitsleistung. Auch hierbei spricht man von Entgelt im weiteren Sinne, ordnet diese den Gratifikationen unter und behandelt sie ebenso wie die echten Gratifikationen nach völlig eigenständigen Grundsätzen. Bei der Bemessung dieser Sonderzahlungen kann sowohl auf den Gewinn des Betriebes als auch auf sonstige Umstände abgestellt werden. Begriff der Sonderzahlung1: Bei den Sondervergütungen sind verschiedene Arten zu unterscheiden. Es gibt „Sondervergütungen“, die im Synallagma zur Arbeitsleistung stehen und damit unter die §§ 320 ff. BGB fallen (v.a. § 326 BGB) und solche, die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Nur die letzteren werden auch „Gratifikationen“ genannt,2 während die synallagmatische Sondervergütung vom BAG den präzisierenden Namen „arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung“ erhielt.3 B) Mit zwei Urteilen vom 18.01.2012 hat das BAG diese Dreiteilung aufgegeben. Es wird nur noch zwischen zwei Sonderzahlungen unterschieden: 1. Bei der Sonderzahlung mit Entgeltcharakter („arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung“) ist der Zahlungsgrund ausschließlich oder überwiegend die Entlohnung erbrachter Arbeitsleistungen. Nach Ansicht des BAG sind verschiedene Hintergründe denkbar, warum eine Sonderzuwendung im Gegenseitigkeitsverhältnis steht: Exkurs: Die Änderung der Rechtsprechung zum Begriff Sonderzahlung A) Nach bisheriger Rechtsprechung waren drei Arten der Sondervergütungen zu unterscheiden: a) Sonderzuwendungen können vom Erreichen persönlicher Ziele abhängen. Zweck einer erfolgsabhängigen Vergütung ist die Leistungssteigerung des Arbeitnehmers. Sie ist besonderer Anreiz für die Erreichung vertraglich festgelegter Leistungsziele oder allgemein Anreiz für die Erzielung überdurchschnittlicher Arbeitsergebnisse im Bezugszeitraum. Eine erfolgsabhängige Vergütung wird als unmittelbare Gegenleistung für die entsprechend der Zielvereinbarung erbrachte Arbeitsleistung geschuldet. Sonderzahlungen mit reinem Entgeltcharakter. Sie stehen im Synallagma und stellen folglich Entgelt im engeren Sinne dar. Hierunter fällt grds. das sog. 13. Monatsgehalt, welches ein im Synallagma stehendes monatliches Entgelt ist, aber erst Ende des Jahres insgesamt fällig wird4. Gleiches gilt für Provisionen, Prämien und Tantiemen5. Mit diesen werden die AN am Gewinn des Unternehmens oder am Gewinn einer Abteilung beteiligt. Hierbei handelt es sich wiederum um synallagmatisches Entgelt im engeren Sinne. b) Auch Sonderzuwendungen, die nur an den Unternehmenserfolg anknüpfen, werden regelmäßig als zusätzliche Vergütung für eine im Geschäftsjahr erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gezahlt; die synallagmatische Verbindung zwischen Arbeitsleistung und Sonderzuwendung wird durch die Abhängigkeit von einem Unternehmensergebnis nicht in Frage gestellt. Andererseits sind Sonderzahlungen möglich, die ausschließlich für Betriebstreue gewährt werden. Die Zahlungen stehen nicht im Synallagma. Man spricht hier von Entgelt im weiteren Sinne, um dieses Zahlungen von der Schenkung abzugrenzen und deutlich zu machen, dass Regelungsgrundlage §§ 611 ff. BGB sind. 1 2 3 c) Schließlich können auch nicht erfolgsabhängige Sonderzuwendungen wie ein dreizehntes Monatsgehalt im Bezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistungen zusätzlich honorieren. Der Anspruch auf eine solche Zuwendung entsteht während des Bezugszeitraums entsprechend der zurückgelegten Dauer und wird nur zu einem anderen Zeitpunkt insgesamt fällig. TYROLLER, Die Neuregelung des Systems der Sondervergütungen durch das BAG und Auswirkung der Rechtsprechungsänderung auf sog. „Stichtagsklauseln“, Life&Law 2012, Heft 10, 757 ff. Vgl. BAG, NZA 2012, 620 ff. (Rn 15) = jurisbyhemmer. Vgl. BAG NZA 1995, 1098, 1099 = jurisbyhemmer; BAG, NZA 1999, 766 = jurisbyhemmer; BAG, NZA 2001, 785, 786 = jurisbyhemmer. In den beiden grundlegenden Urtei- 2. Sonderzuwendungen können aber auch andere Zwecke verfolgen als die Entlohnung bereits erbrachter Arbeitsleistung (sog. „Gratifikationen“). len vom 18. Januar 2012 verwendet das BAG erstaunlicher Weise diesen Begriff nicht. Wenig hilfreich und eher irreführend zu dieser Einteilung Palandt, § 611 BGB, Rn. 81 f. 4 5 vgl. zuletzt BAG, NZA 2001, 785 ff. HEMMER/WÜST, Arbeitsrecht, Rn. 382 h/w/t – 13-II Juristisches Repetitorium emmer Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf - Erlangen - Frankfurt/M. – Frankfurt/O. - Freiburg - Göttingen - Greifswald Halle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - Konstanz Leipzig - Mainz – Marburg/Gießen - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - Passau Regensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg Arbeitsrecht Fall 8 - Lösung - Seite 3 a) Häufig werden Gratifikationen als „Treueprämie“ für die bereits erwiesene Betriebstreue bzw. als „Halteprämie“ für die künftige Betriebstreue gewährt. Die Sonderzuwendung mit Mischcharakter wird nach neuer Rechtsprechung des BAG als synallagmatische Gegenleistung eingeordnet, wenn jedenfalls überwiegend die Leistung im Bezugszeitraum honoriert werden soll. Ist die Honorierung künftiger Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Sonderzuwendung nur bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über einen Stichtag hinaus bis zum Ende eines dem Arbeitnehmer noch zumutbaren Bindungszeitraums gezahlt wird oder der Arbeitnehmer diese zurückzuzahlen hat, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf zumutbarer Bindungsfristen endet. aa) Macht die Sonderzuwendung einen wesentlichen Anteil der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers aus, handelt es sich regelmäßig um Arbeitsentgelt, das als Gegenleistung zur erbrachten Arbeitsleistung geschuldet wird. Gratifikationscharakter können nur die Sonderzuwendungen haben, die sich im üblichen Rahmen reiner Treue- und Weihnachtsgratifikationen bewegen und keinen wesentlichen Anteil an der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers ausmachen.6 Ist die Honorierung erwiesener Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Zahlung der Sonderzuwendung vom (ungekündigten) Bestand des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag abhängig gemacht wird. Die Zahlung solcher Sonderzuwendungen hängt nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung, sondern regelmäßig nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses ab. bb) Der Vergütungscharakter ist eindeutig, wenn die Sonderzahlung an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele geknüpft ist. Fehlt es hieran und sind auch weitere Anspruchsvoraussetzungen nicht vereinbart, spricht dies ebenfalls dafür, dass die Sonderzahlung als Gegenleistung für die Arbeitsleistung geschuldet wird. b) Der Arbeitgeber kann aber auch den Zweck verfolgen, sich an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen seiner Arbeitnehmer zu beteiligen. cc) Will der Arbeitgeber andere Zwecke verfolgen, so muss sich dies deutlich aus der zugrunde liegenden Vereinbarung ergeben. C) Zusammenfassung: c) Natürlich sind aber auch noch andere Zwecke möglich. Wie § 4a EntgeltFZG zeigt, sind z.B. auch Anwesenheitsprämien üblich, mit denen der Arbeitgeber versucht, krankheitsbedingten Fehlzeiten entgegenzusteuern. I. Es gibt nur noch zwei Arten von Sondervergütungen: 1. Sonderzahlungen mit Entgeltcharakter, die im Synallagma stehen und 3. Die entscheidende Frage ist nun, was bei dem in der Praxis häufigsten Fall - nämlich der Sonderzuwendungen mit Mischcharakter - gilt. 2. „echte“ Gratifikationen, die nicht im Synallagma stehen a) Bislang hatte das BAG die kumulative Verfolgung beider Zwecke (Entlohnung und Betriebstreuehonorierung) als Regelfall angesehen. Bei einem solchen „Mischcharakter“ wurde dann eine synallagmatische Leistung verneint (s.o.). II. Bei Sonderzahlungen „mit Mischcharakter“ bestehen beide eben genannten Motive des Arbeitgebers. Sonderzahlungen „mit Mischcharakter“ müssen aber einer der beiden Sondervergütungstypen zugeordnet werden. b) Seit dem 18.01.2012 muss nach Ansicht des BAG eine Sonderzuwendung mit Mischcharakter einer der beiden vorgenannten Fallgruppen zugeordnet werden. Entweder ist die Sonderzuwendung trotz ihres „Mischcharakters“ eine synallagmatische Gegenleistung (arbeitsleistungsbezogene Sondervergütung, vgl. Punkt B. II. 1.) oder es handelt sich um eine nicht synallagmatische Gratifikation (s. Punkt B. II. 2.). Ob der Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich vergüten oder sonstige Zwecke verfolgen will, ist durch Auslegung der vertraglichen Bestimmungen zu ermitteln. Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist der nach außen erkennbar gewordene Grund des Zahlungsversprechens, §§ 133, 157 BGB. Sonderzahlungen „mit Mischcharakter“ werden als synallagmatische arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendung behandelt, wenn überwiegend die Leistung im Bezugszeitraum honoriert werden soll. Bei Zahlungen in beträchtlicher Höhe und/oder Zahlungen zur Honorierung individueller Leistung oder kollektiver Leistung (Betriebsergebnis im Geschäftsjahr) sprechen die Indizien für eine Gegenleistung zur Arbeit. 6 h/w/t – 13-II BAG, NZA 2012, 620 ff. = jurisbyhemmer. Juristisches Repetitorium emmer Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf - Erlangen - Frankfurt/M. – Frankfurt/O. - Freiburg - Göttingen - Greifswald Halle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - Konstanz Leipzig - Mainz – Marburg/Gießen - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - Passau Regensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg Arbeitsrecht III. Fazit: Die Rechtsprechung, dass Sondervergütungen mit Mischcharakter generell keine synallagmatische Gegenleistung darstellen, gehört damit der Vergangenheit an. Dies hat zur Konsequenz, dass in entgeltfreien Zeiten eine Sonderzahlung mit Mischcharakter, die aufgrund des überwiegenden Vergütungscharakters als arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendung einzuordnen ist, ipso iure gekürzt wird, § 326 I S. 1 HS 1 BGB. Fall 8 - Lösung - Seite 4 2. Unangemessen Benachteiligung durch die Dauer der Bindung, § 307 BGB? a) Bis Ende 2001 bzw. Ende 2002 (vgl. Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB) war zu prüfen, ob die Erstattungspflicht dem Arbeitnehmer gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben zumutbar war. b) Inzwischen hat die Überprüfung solcher Klauseln meist anhand von § 307 BGB zu erfolgen. Ob dies der Fall ist oder weiterhin § 242 BGB anzuwenden ist, hängt von den Voraussetzungen von § 305 BGB ab. Diese wiederum dürften dann meistens vorliegen, weil der Arbeitnehmer als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB anzusehen ist, sodass § 310 III Nr. 2 BGB gilt.8 D) Auswirkung auf sog. Stichtagsklauseln: Interessant wird diese Unterscheidung bei den sog. Stichtagsklauseln, d.h. bei einer Regelung wie im vorliegenden Fall, wonach die Sonderzahlung zurückzuerstatten ist, wenn der Arbeitnehmer nicht bis zu einem bestimmten Stichtag „X“ in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis steht. Die auf der Basis der Anwendung von § 242 BGB entwickelte Rechtsprechung ist bei Formularverträgen auf § 307 BGB zu stützen. Inhaltlich hält das BAG aber an den bisherigen Maßstäben fest.9 Die Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB ergibt im vorliegenden Fall, dass es sich um eine Sonderzahlung mit Mischcharakter handelt. Es muss daher durch Auslegung ermittelt werden, welcher Zweck (Vergütung bereits erbrachter Leistungen oder sonstige Zwecke) überwiegt. Bereits der Wortlaut „Weihnachtsgratifikation“ legt nahe, dass damit ein Beitrag des Arbeitgebers zu den erhöhten Weihnachtsaufwendungen zugesagt werden sollte. Eindeutig ist dies für sich genommen jedoch nicht; die weiteren Bestimmungen verdeutlichen aber, dass die zugesagte Weihnachtsgratifikation keinen Vergütungscharakter hat. Bestätigt wird dies dadurch, dass die Weihnachtsgratifikation keinen wesentlichen Anteil an der Gesamtvergütung ausmacht, sondern sich in der Größenordnung typischer Gratifikationen ohne Vergütungscharakter bewegt. Diese Zahlungsbedingungen lassen bei einem verständigen Vertragspartner keinen Zweifel daran zu, dass mit der Weihnachtsgratifikation ein Beitrag zum Weihnachtsfest geleistet und zusätzlich Betriebstreue honoriert werden soll. Dieses Ergebnis wird letztlich auch durch die Rückzahlungsklausel bestätigt. Die Weihnachtsgratifikation ist damit nach den Grundsätzen der „echten“ Gratifikationen zu behandeln, sodass die Stichtagsregelung grundsätzlich zulässig ist. Zwischenergebnis: Da die Rückzahlungsklausel grundsätzlich zulässig ist, könnte B allerdings einen entsprechenden Rückzahlungsanspruch haben.7 Je nach Höhe der Gratifikation sind nach Ansicht des BAG gewisse Einschränkungen zu machen. Hierbei wird ein Ausgleich zwischen der Vertragsfreiheit (Art. 2 I GG) und der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) vorgenommen. (1) Eine Rückzahlung ist ausgeschlossen bei sog. Kleingratifikationen. Früher lag die Grenze bei 200,- DM (mittlerweile sind wohl 250 € angemessen wegen der Inflationsentwicklung seit der zugehörigen Entscheidung10). (2) Bei Gratifikationen bis zu einem Monatsgehalt darf eine Rückzahlung an die Beendigung vor dem 31.03. des Folgejahres geknüpft werden, d.h. dass dann eine Kündigung zu diesem Termin möglich sein muss. (3) Bei einer Gratifikation von einem Monatsgehalt und mehr darf eine Bindung maximal bis 30. Juni des Folgejahres erfolgen11. (4) Im vorliegenden Fall beträgt die Gratifikation Monatsgehalt. Insoweit ist eine Bindung 30. Juni des Folgejahres zulässig, sodass auch hier vorgenommene Bindung zum 31.03.2013 lässig ist Ergebnis: Die Rückzahlungsklausel ist damit wirksam. Danach kann eine am Jahresende zu zahlende Gratifikation bis zu einem Monatsbezug den Arbeitnehmer bis zum Ablauf des 31. März des Folgejahres binden. 8 9 10 7 Vgl. BAG, NZA 2012, 561 ff. und 620 ff. besprochen von TYROLLER, Life&Law 2012, Heft 10, 757 ff. ein bis die zu- 11 h/w/t – 13-II BAG, NZA 2005, 1111 [1115]. Vgl. BAG NZA 2004, 924; NJW 2007, 2279 [2281]. vgl. PALANDT, § 611 Rn. 90. BAG NZA 2004, 924 ff.; HEMMER/WÜST, Arbeitsrecht, Rn. 650 ff. Juristisches Repetitorium emmer Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf - Erlangen - Frankfurt/M. – Frankfurt/O. - Freiburg - Göttingen - Greifswald Halle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - Konstanz Leipzig - Mainz – Marburg/Gießen - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - Passau Regensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg Arbeitsrecht Fall 8 - Lösung - Seite 5 Nur wenn die Gratifikation einen Monatsbezug erreicht, ist eine Bindung des Arbeitnehmers über diesen Termin hinaus zulässig12. d) Möglicherweise kann B sich aber hierauf nicht berufen, weil A weder selbst kündigte noch eine personen- oder verhaltensbedingte, sondern eine betriebsbedingte Kündigung vorliegt. Abwandlung: AN steht ein Anspruch auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2006 zu, wenn ein Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld entstanden und nicht wieder erloschen ist. I. Nach früherer Rechtsprechung war in diesem Fall eine Berufung auf die Rückzahlungsklausel treuwidrig und entsprechend dem Rechtsgedanken des § 162 BGB unzulässig. Da AG seit Jahren AN Weihnachtsgeld gezahlt hat, könnte ein Anspruch für die Zukunft durch betriebliche Übung entstanden sein. Dies hat das BAG in neuerer Rechtsprechung aufgegeben13: Voraussetzung für einen Anspruch aus „betrieblicher Übung“ ist die wiederholte und vorbehaltlose Gewährung einer Gratifikation, wenn hierdurch für den AN ein Vertrauenstatbestand hergestellt wurde. Habe die Gratifikation einen Mischcharakter, d.h. solle sowohl geleistete Arbeit belohnt als auch künftige Betriebstreue erzielt werden, seien diese Voraussetzungen als gleichwertig zu betrachten und die Rückzahlung könne damit bei Wegfall einer der beiden Voraussetzungen gefordert werden. Der Anspruch aus betrieblicher Übung entsteht nach ständiger Rechtsprechung nämlich dadurch, dass der AG durch sein Verhalten in der Vergangenheit ein konkludentes Vertragsangebot macht, welches der AN stillschweigend durch Entgegennahme der Leistung annimmt (sog. Vertragstheorie).14 Eine Berufung auf § 162 BGB wäre danach wohl nur noch zulässig, wenn der AG kündigt, gerade um die Rückzahlung zu erlangen, jedoch nicht, soweit die Kündigung als betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Die Annahme erfolgt konkludent, wobei der Zugang der Annahmeerklärung über § 151 BGB entbehrlich ist. Anmerkung: Stets unzulässig und unwirksam nach § 307 BGB ist nach überzeugender Rspr. des BAG aber die Rückforderung von Ausbildungskosten nach betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung, da dieses Betriebsrisiko nicht auf den AN abgewälzt werden darf. Lesen Sie dazu BAG, Life&Law 2007, Heft 1, 98 ff. Anmerkung: Eine Schriftformklausel, nach der Ergänzungen des Arbeitsvertrages der Schriftform bedürfen und eine mündliche Änderung der Schriftformklausel nichtig ist (sog. doppelte Schriftformklausel), schließt den Anspruch auf eine üblich gewordene Leistung aber aus. Eine Klausel in einer vorformulierten Vereinbarung, wonach der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Kosten der Aus- oder Fortbildung zu erstatten hat, wenn er vor dem Abschluss der Ausbildung auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, benachteiligt den Arbeitnehmer regelmäßig nicht unangemessen i.S.d. § 307 I BGB, sofern die erfolgreiche Weiterbildung für den Arbeitnehmer von geldwertem Vorteil ist. Vgl. dazu BAG, Life&Law 2011, 479 ff. = ZIP 2011, 1736 ff. = jurisbyhemmer. Allerdings ist eine uneingeschränkte doppelte Schriftformklausel in einem Formulararbeitsvertrag gem. § 307 I S. 2 BGB nichtig, wenn hierdurch beim Arbeitnehmer der Eindruck erweckt wird, dass abweichende mündliche Nebenabreden gem. § 125 S. 2 BGB nichtig sind. Dies ist im Hinblick auf den Vorrang der Individualabrede (§ 305b BGB) irreführend und damit als unangemessene Benachteiligung unwirksam.15 Nach gefestigter Rechtsprechung des BAG genügt für die Entstehung eines Vertrauenstatbestandes des AN eine dreimalige Zahlung, falls nicht der AG bei jeder Zahlung seinen Bindungswillen für die Zukunft ausgeschlossen hat.16 Danach hat B einen aufrechenbaren Rückforderungsanspruch in Höhe von 2.500 €, sodass dem A grds. kein Zahlungsanspruch zusteht. Zu beachten sind allerdings auch noch die Aufrechnungsverbote der §§ 394 BGB, 850 ff ZPO. 14 12 13 BAG NZA 2003, 1032 [1033] lesen! BAG, NZA 1993, 353. Entstehung eines Anspruchs auf Zahlung von Weihnachtsgeld 15 16 h/w/t – 13-II Nach einer Mindermeinung, die sich nie durchsetzen konnte, entsteht die bindende Wirkung einer den AN begünstigenden Gratifikation durch einseitigen Verpflichtungstatbestand des AG (sog. „Satzungstheorie“). BAG, NZA 2008, 1233 ff. BAG, DB 2009, 463 ff.; BAG, NZA 2008, 1173 ff. Juristisches Repetitorium emmer Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf - Erlangen - Frankfurt/M. – Frankfurt/O. - Freiburg - Göttingen - Greifswald Halle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - Konstanz Leipzig - Mainz – Marburg/Gießen - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - Passau Regensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg Arbeitsrecht Aus der Sicht des AN ergibt sich hieraus nach §§ 133, 157 BGB ein Verpflichtungswille des AG. Fall 8 - Lösung - Seite 6 1. Fraglich ist, ob der handschriftliche Vermerk auf der Lohnabrechnung, wonach die Zahlung des Weihnachtsgeldes eine freiwillige Leistung ist und keinen Rechtsanspruch begründet, als Änderungskündigung ausgelegt werden kann. Weist der Arbeitgeber in einem vorformulierten Arbeitsvertrag (§ 305 BGB) darauf hin, dass die Gewährung einer Sonderzahlung keinen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf die Leistung für künftige Bezugszeiträume begründet, benachteiligt ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt den Arbeitnehmer nicht unangemessen. Die Klausel ist auch dann wirksam, wenn die Sonderzahlung ausschließlich im Bezugszeitraum geleistete Arbeit zusätzlich vergütet (sog. „arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung“).17 Die Auslegung hat dabei aus der Sicht des verständigen Empfängers (§ 133 BGB i.V.m. § 157 BGB analog zu erfolgen. Anmerkung: § 157 BGB kann nur analog angewendet werden, da die Kündigung ein einseitiges Rechtsgeschäft ist. Aufgrund der Empfangsbedürftigkeit der Erklärung und der damit verbundenen Schutzwürdigkeit des Empfängers, besteht aber eine vergleichbare Interessenlage. Freiwilligkeitsvorbehalte können allerdings wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 I S. 2 BGB nichtig sein, wenn sie in sich widersprüchlich sind. Wenn eine im Arbeitsvertrag vorformulierte Regelung dem Wortlaut nach eindeutig einen Anspruch des Arbeitnehmers auf die Sonderzahlung begründet, ist es widersprüchlich, wenn der Arbeitgeber zugleich entgegen diesem Versprechen mit einer Freiwilligkeitsklausel einen Rechtsanspruch auf die versprochene Sonderzahlung ausschließt. Weiterhin ist es in sich widersprüchlich, in der Klausel von einer freiwilligen, stets widerrufbaren Leistung des Arbeitgebers zu sprechen, denn ein Widerruf setzt einen Anspruch voraus, während bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt ein Anspruch für die Zukunft gerade nicht entstehen würde.18 Es entspricht daher mittlerweile nahezu allgemeiner Meinung, dass § 157 BGB auf alle empfangsbedürftigen Willenserklärungen angewendet werden kann.21 Die Auslegung ergibt im vorliegenden Fall eindeutig, dass der bloße handschriftliche Vermerk keine Erklärung einer Änderungskündigung durch AG enthält. 2. Es ist bereits zweifelhaft, ob ein Freiwilligkeitsvorbehalt wie der handschriftliche Vermerk („Die Zahlung des Weihnachtsgeldes ist eine freiwillige Leistung und begründet keinen Rechtsanspruch!“) als Angebot zur Änderung der betrieblichen Übung i.S.v. § 145 BGB darstellt oder ob es sich lediglich um die Ankündigung einer möglichen Einstellung oder Einschränkung der Gratifikationszahlung oder die Äußerung einer Rechtsansicht handelt.22 Zwischenergebnis: Gemessen an diesen Grundsätzen ist zunächst ein Anspruch des AN auf Zahlung von Weihnachtsgeld entstanden, da AG seit 30 Jahren (von 1971 bis 2001) ohne Vorbehalt Weihnachtsgeld gezahlt hat. Selbst wenn man ein Vertragsangebot bejahen wollte, würde es an einer Annahme seitens AN fehlen. Ein bloßes Schweigen des Empfängers stellt grds. keine Willenserklärung dar, also auch keine Annahme des Angebots zur Änderung eines bestehenden Vertrages. II. Erlöschen des Anspruches? Da die betriebliche Übung dazu führt, dass der AN einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die bislang gewährte Leistung oder Vergünstigung erworben hat, kann dieser Anspruch vom AG grds. nur mittels einer Änderungskündigung oder aufgrund einer Vereinbarung mit dem AN beseitigt oder geändert werden.20 18 19 20 BAG, NZA 2009, 310 ff. BAG, NZA 2008, 1173 ff. So zuletzt BAG, NZA 2009, 535 ff. vgl. BAG, NZA 1997, 1007 [1008]. Kein ausdrücklicher Änderungsvertrag Der Anspruch könnte jedoch durch einen Änderungsvertrag beseitigt worden sein, dessen neue Bedingungen die Gratifikation unter Freiwilligkeitsvorbehalt stellen und den Rechtsanspruch für die Zukunft ausschließen. „Wasserdicht“ ist die Formulierung aber dann, wenn der Arbeitgeber die Zahlung als freiwillige Leistung beschreibt, die mit der Maßgabe erfolgt, dass auch bei einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft aus betrieblicher Übung begründet wird. In diesem Fall weiß der Arbeitnehmer genau, woran er ist.19 17 Keine Änderungskündigung Wer auf ein Angebot nicht reagiert, stimmt diesem grds. nicht zu. Dies gilt umso mehr, als der AG in das bestehende Vertragsverhältnis einschränkende Bedingungen einführen will. 21 22 h/w/t – 13-II Vgl. Palandt, § 157 BGB, Rn. 1. Thüsing, NZA 2005, 718 (720); Speiger, NZA 1998, 510 (512); Kettler, NJW 1998, 435 (437). Juristisches Repetitorium emmer Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf - Erlangen - Frankfurt/M. – Frankfurt/O. - Freiburg - Göttingen - Greifswald Halle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - Konstanz Leipzig - Mainz – Marburg/Gießen - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - Passau Regensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg Arbeitsrecht Fall 8 - Lösung - Seite 7 Das Schweigen auf ein günstiges Angebot kann dem Schweigen auf ein verschlechterndes Angebot nicht gleichgestellt werden. In diesem Fall soll AG das Schweigen des AN auf die geänderte betriebliche Übung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) und nach der Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) als Akzeptierung der geänderten betrieblichen Übung ansehen dürfen. Anmerkung: Abgesehen von der Deutung konkludenten Verhaltens als ein bestimmtes Erklärungsverhalten und von den gesetzlichen Erklärungsfiktionen, z.B. in den §§ 108 II S. 2, 177 II S. 2, 415 II S. 2, 416 I S. 2, 455 S. 2 BGB, ist das Unterlassen einer Handlung und damit auch das Schweigen keine Erklärung und kann vor allem im Geschäftsverkehr der Verbraucher auch nicht als solche gedeutet werden oder Erklärungswirkung entfalten. 3. Anmerkung: Letztlich ging das BAG mit dieser Rechtsprechung wohl davon aus, dass ein Anspruch aus betrieblicher Übung ein minderwertigerer vertraglicher Anspruch als ein ausdrücklich im Arbeitsvertrag geregelter Anspruch ist. Konkludente Vertragsänderung durch gegenläufige betriebliche Übung Die bisherige betriebliche Übung könnte aber durch eine gegenläufige betriebliche Übung abgeändert worden sein. a) Das BAG hat seine Rechtsprechung außerdem dahingehend modifiziert, dass ein Anspruch aus gegenläufiger betrieblicher Übung nur dann erlöschen kann, wenn er selbst durch betriebliche Übung begründet wurde.24 c) Ob der Vermerk des AG den Voraussetzungen an eine klare und unmissverständliche Erklärung, dass die bisherige Betriebsübung durch eine Leistung ersetzt werden soll, auf die in Zukunft kein Rechtsanspruch mehr besteht, genügt, erscheint zweifelhaft. Dies kann aber dahinstehen, da das BAG in dieser Entscheidung nun ausdrücklich seine Rechtsprechung zur gegenläufigen betrieblichen Übung aufgibt.25 Zur Begründung führt das BAG im Wesentlichen Folgendes aus: Bisherige Rechtsprechung des BAG Nach gefestigter Rechtsprechung des BAG war es möglich, dass es durch eine sog. „gegenläufige betriebliche Übung“ zu einer konkludenten Vertragsänderung kommen kann. Das BAG hat dies bei Gratifikationszahlungen dann angenommen, wenn der Arbeitgeber erklärt hat, die Zahlung der Gratifikation sei eine freiwillige Leistung, auf die zukünftig kein Rechtsanspruch bestehe, und wenn Arbeitnehmer der neuen Handhabung über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg nicht widersprochen haben.23 aa) Betriebliche Übung begründet vertraglichen Anspruch Ein ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbarter Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Gratifikation kann nur durch Kündigung oder vertragliche Abrede unter Vorbehalt gestellt, verschlechtert oder beseitigt werden, nicht aber durch eine gegenläufige betriebliche Übung. Kritik der Literatur und Modifizierung durch das BAG Diese Rechtsprechung ist im arbeitsrechtlichen Schrifttum ganz überwiegend auf Ablehnung gestoßen. Trotz dieser Kritik hat das BAG grundsätzlich daran festgehalten. Das BAG hat aber die Anforderungen an eine gegenläufige betriebliche Übung verschärft. Dafür, dass eine entgegenstehende neue betriebliche Übung stillschweigend Inhalt des Arbeitsvertrags wird, muss neben dem Freiwilligkeitsvorbehalt eine klare und unmissverständliche Erklärung des Arbeitgebers erfolgen, dass die bisherige Betriebsübung durch eine Leistung ersetzt werden soll, auf die in Zukunft kein Rechtsanspruch mehr besteht. Da aber eine dreimalige vorbehaltlose Gratifikationszahlung den Arbeitgeber vertraglich zur Leistung verpflichtet, kann er einen nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung entstandenen Anspruch des Arbeitnehmers auf die Gratifikation ebenso wie einen ausdrücklich im Arbeitsvertrag geregelten Gratifikationsanspruch auch nur durch Kündigung oder eine entsprechende Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer unter Vorbehalt stellen, verschlechtern oder beseitigen. 24 25 23 „regulären“ Nach der vom BAG in ständiger Rechtsprechung vertretenen Vertragstheorie (s.o.) werden durch eine betriebliche Übung vertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer auf die üblich gewordenen Leistungen begründet. Nach dieser Rechtsprechung wäre im vorliegenden Fall der Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld durch die dreimalige widerspruchslose Annahme dieser ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlten Gratifikation entfallen. b) BAG gibt diese Rechtsprechung nun ausdrücklich auf BAG, NZA 1997, 1007 ff. h/w/t – 13-II BAG, NZA 2005, 349 (352). BAG, Life&Law 2009, Heft 7, 459 ff. = NZA 2009, 601 ff. Juristisches Repetitorium emmer Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf - Erlangen - Frankfurt/M. – Frankfurt/O. - Freiburg - Göttingen - Greifswald Halle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - Konstanz Leipzig - Mainz – Marburg/Gießen - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - Passau Regensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg Arbeitsrecht Fall 8 - Lösung - Seite 8 Der nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung entstandene Rechtsanspruch ist eben kein vertraglicher Anspruch minderer Rechtsbeständigkeit. Der Arbeitgeber kann ihn daher im Vergleich zu einem durch ausdrückliche arbeitsvertragliche Abrede begründeten Anspruch des Arbeitnehmers nicht unter erleichterten Voraussetzungen zu Fall bringen. Anmerkung: Damit gibt das BAG seine Rechtsprechung mit der Konsequenz auf, dass eine gegenläufige betriebliche Übung generell unzulässig ist. bb) Gegenläufige betriebliche Übung § 308 Nr. 5 BGB unwirksam ist Die Vorschrift untersagt fingierte Erklärungen jedoch für den Fall, dass die drohende Fiktionswirkung dem Vertragspartner des Klauselverwenders nicht hinreichend bewusst gemacht und ihm keine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt wird.27 (2) Verpflichtung zum Hinweis auf Bedeutung des Schweigens nötig Soll eine an ein Schweigen geknüpfte Fiktionswirkung eintreten, muss dies nach § 308 Nr. 5 BGB nicht nur von den Vertragsparteien vereinbart worden sein. Nach dieser Vorschrift muss sich der Klauselverwender darüber hinaus verpflichtet haben, seinen Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die Bedeutung seines Schweigens besonders hinzuweisen. Schließlich muss dieser Hinweis auch tatsächlich und in einer Form erfolgen, die unter normalen Umständen Kenntnisnahme verbürgt.28 gem. Erklärt der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern, dass die bisherige betriebliche Übung einer vorbehaltlosen Gratifikationszahlung beendet werden und durch eine Leistung ersetzt werden soll, auf die in Zukunft kein Rechtsanspruch mehr besteht, und wird diese Erklärung als Änderungsangebot verstanden, liegt eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung i.S.v. § 305 I BGB vor. Die Annahme, durch eine dreimalige widerspruchslose Entgegennahme einer vom Arbeitgeber ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlten Gratifikation werde die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gratifikationszahlung beendet, ist mit dem Klauselverbot für fingierte Erklärungen in § 308 Nr. 5 BGB nicht zu vereinbaren. Gibt der Klauselverwender zwar den Hinweis, hat er sich aber dazu vertraglich nicht verpflichtet, tritt die Erklärungsfiktion nicht ein.29 Dies gilt auch bei einem unterbliebenen Hinweis auf eine vereinbarte Erklärungsfiktion. (3) Prüfung im vorliegenden Fall Daran gemessen reicht eine dreimalige widerspruchslose Entgegennahme einer vom Arbeitgeber unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlten Gratifikation nicht aus, um eine vertragliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gratifikationszahlung zu beenden. (1) Unzulässigkeit fingierter Erklärungen Nach dieser Vorschrift ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bestimmung unwirksam, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen. Haben die Arbeitsvertragsparteien nicht vereinbart, dass das Schweigen des Arbeitnehmers zu einem Änderungsangebot des Arbeitgebers als Annahme des Angebots gilt, reicht selbst ein ausdrücklicher Hinweis des Arbeitgebers bei der Zahlung der Gratifikation nicht aus, dass eine dreimalige widerspruchslose Annahme der unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit geleisteten Zahlung zum Verlust des Rechtsanspruchs auf die Gratifikationszahlung führt. III. Ergebnis Die Bestimmung beruht auf § 307 II Nr. 1 BGB. Sie bezweckt, dass der zu den wesentlichen Prinzipien des Privatrechts gehörende Grundsatz, wonach Schweigen in der Regel keine Willenserklärung ist, durch Allgemeine Geschäftsbedingungen nur in engen Grenzen änderbar ist.26 § 308 Nr. 5 BGB verbietet den Vertragsparteien zwar nicht zu vereinbaren, dass das Schweigen einer Partei zu einem Antrag der anderen Partei als Annahmeerklärung anzusehen ist. Durch die Zahlung von Weihnachtsgeld in den Jahren 1971 bis 2001 wurde durch betriebliche Übung ein vertraglicher Anspruch des AN auch für die Zukunft begründet. Dieser vertragliche Anspruch auf Zahlung einer Gratifikation kann nur durch Änderungskündigung oder vertragliche Abrede unter Vorbehalt gestellt, verschlechtert oder beseitigt werden, nicht aber durch eine gegenläufige betriebliche Übung. 27 28 26 Palandt, 68. Auflage, § 308 BGB, Rn. 25. 29 h/w/t – 13-II MüKo, 5. Auflage, § 308 Nr. 5 BGB, Rn. 1. Palandt, § 308 BGB, Rn. 26. Palandt, § 308 BGB, Rn. 26a; MüKo, § 308 Nr. 5, 14. Juristisches Repetitorium emmer Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf - Erlangen - Frankfurt/M. – Frankfurt/O. - Freiburg - Göttingen - Greifswald Halle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - Konstanz Leipzig - Mainz – Marburg/Gießen - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - Passau Regensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg Arbeitsrecht Fall 8 - Lösung - Seite 9 Die Auszahlungsmodalität des Weihnachtsgeldes in den Jahren 2002 bis 2005 konnte daher den Anspruch des AN nicht zum Erlöschen bringen. cc) Voraussetzung für den Gratifikationstatbestand „betriebliche Übung“ ist die wiederholte und vorbehaltlose Gewährung einer Gratifikation, wenn hierdurch für den AN ein Vertrauenstatbestand hergestellt wurde. Damit besteht ein Anspruch des AN auf Weihnachtsgeld auch für das Jahr 2006. Der Anspruch aus betrieblicher Übung entsteht nach ständiger Rechtsprechung dadurch, dass der AG durch sein Verhalten in der Vergangenheit ein konkludentes Vertragsangebot macht, welches der AN stillschweigend durch Entgegennahme der Leistung annimmt (sog. Vertragstheorie). Rechtsgrundlage für Gartifikationen: a) Tarifliche Regelungen, die aber auf nicht tarifgebundene AN nur dann anzuwenden sind, wenn sie gem. § 5 TVG für allgemein verbindlich erklärt wurden, Inhalt des Einzelarbeitsvertrages geworden sind oder kraft betrieblicher Übung gelten. b) Betriebsvereinbarungen, § 77 II BetrVG. c) Einzelarbeitsvertrag, der keiner Schriftform bedarf und auch konkludent geschlossen werden kann30. d) Dies ist zu bejahen bei dreimaliger Zahlung, falls nicht der AG bei jeder Zahlung seinen Bindungswillen für die Zukunft ausgeschlossen hat. Aus der Sicht des AN ergibt sich hieraus nach §§ 133, 157 BGB ein Verpflichtungswille des AG. dd) Eine sog. Freiwilligkeitsklausel setzt voraus, dass der Arbeitnehmer nach §§ 133, 157 BGB den mangelnden Verpflichtungswillen des Arbeitgebers erkennen muss. Weist der Arbeitgeber in einem vorformulierten Arbeitsvertrag (§ 305 BGB) darauf hin, dass die Gewährung einer Sonderzahlung keinen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf die Leistung für künftige Bezugszeiträume begründet, benachteiligt ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt den Arbeitnehmer nicht unangemessen. Betriebliche Übung, worunter nach h.M. die tatsächliche gleichmäßige Übung innerhalb eines Betriebes zu verstehen ist. Hier erfolgt aufgrund eines besonderen Tatbestandes eine Ergänzung des Arbeitsvertrages, nämlich in den Fällen, in denen der AG den AN zunächst freiwillig und vorbehaltlos bestimmte Leistungen gewährt, woraus diese schließen können, ihnen würde diese Leistung auf Dauer gewährt. Hierbei ist strittig, in welcher Weise die Bindungswirkungen der betrieblichen Übung dogmatisch zu begründen sind. Die Klausel ist auch dann wirksam, wenn die Sonderzahlung ausschließlich im Bezugszeitraum geleistete Arbeit zusätzlich vergütet (sog. „arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung“). Solche Klauseln verletzen allerdings das Transparenzgebot gemäß § 307 I 2 BGB nichtig, wenn sie in sich widersprüchlich sind. aa) Satzungstheorie: Nach ihr entsteht die bindende Wirkung einer den AN begünstigenden Gratifikation durch einseitigen Verpflichtungstatbestand des AG. bb) Vertragstheorie (h.M.): Nach ihr ist z.B. im Aushang am schwarzen Brett oder in einer Erklärung in der Betriebsversammlung oder in einem Rundschreiben ein Vertragsangebot an sämtliche AN zu sehen, wenn erklärt wird, unter bestimmten Bedingungen eine Leistung zu gewähren. Wenn eine im Arbeitsvertrag vorformulierte Regelung dem Wortlaut nach eindeutig einen Anspruch des Arbeitnehmers auf die Sonderzahlung begründet, ist es widersprüchlich, wenn der Arbeitgeber zugleich entgegen diesem Versprechen mit einer Freiwilligkeitsklausel einen Rechtsanspruch auf die versprochene Sonderzahlung ausschließt. Weiterhin ist es in sich widersprüchlich, in der Klausel von einer freiwilligen, stets widerrufbaren Leistung des Arbeitgebers zu sprechen, denn ein Widerruf setzt einen Anspruch voraus, während bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt ein Anspruch für die Zukunft gerade nicht entstehen würde.31 Die Annahme erfolgt konkludent, wobei der Zugang der Annahmeerklärung über § 151 BGB entbehrlich ist. 30 In größeren Betrieben werden Einzelarbeitsverträge i.d.R. standardisiert. Man spricht dann von einer arbeitsvertraglichen Einheitsregelung. Ebenfalls eine solche Einheitsregelung liegt bei einer Gesamtzusage vor. Deren Wirkung entsteht nach richtiger Ansicht nicht einseitig, sondern entsprechend § 151 S.1 BGB durch stillschweigende Annahme des Arbeitgeberangebotes. 31 h/w/t – 13-II BAG, NZA 2008, 1173 ff. (wichtig)! Juristisches Repetitorium emmer Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf - Erlangen - Frankfurt/M. – Frankfurt/O. - Freiburg - Göttingen - Greifswald Halle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - Konstanz Leipzig - Mainz – Marburg/Gießen - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - Passau Regensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg Arbeitsrecht Fall 8 - Lösung - Seite 10 ee) Eine Schriftformklausel, nach der Ergänzungen des Arbeitsvertrages der Schriftform bedürfen und eine mündliche Änderung der Schriftformklausel nichtig ist (sog. doppelte Schriftformklausel), schließt den Anspruch auf eine üblich gewordene Leistung aber aus. Beispiele aus der aktuellen Rechtsprechung des BAG: Wird einem Arbeitnehmer eine freiwillige Leistung („Erfolgsbeteiligung“) wegen Verweigerung der Zustimmung zur Erhöhung der Arbeitszeit vorenthalten, so stellt dies eine verbotene Maßregelung i.S.d. § 612a BGB dar, vgl. BAG NZA 2002, 1389 ! Allerdings ist eine uneingeschränkte doppelte Schriftformklausel in einem Formulararbeitsvertrag gem. § 307 I BGB nichtig, da hierdurch beim Arbeitnehmer der Eindruck erweckt wird, dass abweichende mündliche Nebenabreden gem. § 125 S.2 BGB nichtig seien. Dies ist im Hinblick auf den Vorrang der Individualabrede (§ 305b BGB) irreführend und damit als unangemessene Benachteiligung unwirksam.32 e) Nimmt der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer allein deshalb von der Zuweisung von Überstunden aus, weil der Arbeitnehmer nicht bereit ist, auf tarifliche Vergütungsansprüche (hier Überstundenzuschläge) zu verzichten, so stellt dies eine Maßregelung im Sinne des § 612a BGB dar. Der gemaßregelte Arbeitnehmer kann dann nach §§ 611, 615 S.1 BGB Zahlung des Entgelts verlangen, das er aufgrund Arbeits- oder Tarifvertrags erlangt hätte, wenn er die vorenthaltenen Überstunden geleistet hätte, vgl. BAG NZA 2003, 1139. Gleichbehandlungsgrundsatz. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz, der erst dann eingreift wenn nicht vorrangige Spezialvorschriften wie Art. 141 EG-Vertrag, §§ 7, 3, 2 AGG oder § 4 I, II TzBfG greifen, verhindert willkürliche Differenzierungen zwischen einzelnen AN und hat seinen Ursprung im allgemeinen Gerechtigkeitsgebot (a.A.: Fürsorgepflicht des AG), nicht in Art 3 I GG (str.). Treueprämie für Nichtstreikende33 Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB liegt vor, wenn eine Treueprämie nach Beendigung des Arbeitskampfes Arbeitnehmern allein dafür zugesagt wird, dass sie sich nicht am Streik beteiligt haben. Willkürlich ist ein Ausschluss von der Gratifikation dann, wenn ein sachlicher Grund, der für die Vergütung entscheidend sein kann, nicht besteht. Bei Verstoß erfolgt ein Ausgleich auf der Grundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch Zahlungsverpflichtung gegenüber allen AN. Dies gilt aber nicht für sog. Erschwerniszulagen, da dann ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung besteht34. Wegen des grds. Vorrangs der Privatautonomie ist der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes erst dann eröffnet, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbaren Prinzip festgelegt hat und damit eine betriebseinheitliche Gruppenbildung vorliegt, vgl. BAG NZA 2001, 782 [784]. Die während des Arbeitskampfes in arbeitskampfrechtlich zulässiger Weise ausgelobte Prämie für die Nichtteilnahme am Streik stellt keine Maßregelung i.S.d. § 612a BGB dar. Diese Prämie kann aber, wie in dem vom BAG zu entscheidenden Fall, einen Verstoß gegen ein über den Inhalt des § 612a BGB hinausgehendes tariflich vereinbartes Maßregelungsverbot darstellen. Das Zahlungsverlangen des streikenden Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber auf diese Streikbruchprämie ist daher begründet. Bei der Frage nach willkürlicher Behandlung bzw. sachgerechten Differenzierungskriterien kann in der Klausur im Übrigen gleichwohl auf die von Art. 3 I GG her bekannten Argumentationsmuster zurückgegriffen werden (Ungleichbehandlung?/sachlicher Grund?). Haben einige AN eine Gehaltserhöhung erhalten, so steht den hiervon ausgenommenen AN gegen den AG ein Anspruch auf Auskunft über die hierfür verwendeten Regeln zu; BAG NZA 2005, 289 ff. Beachte: Stellt die Gewährung einer Gratifikation auf ein „ungekündigtes Arbeitsverhältnis“ ab, so sind AN, die einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben oder AN mit befristeten Arbeitsverträgen nicht von der Sonderzahlung ausgeschlossen35. 33 34 32 BAG, NZA 2008, 1233 ff. (sehr wichtig!). 35 h/w/t – 13-II BAG, NJW 1993, 218. HEMMER/WÜST, Arbeitsrecht, Rn. 430. HEMMER/WÜST, Arbeitsrecht, Rn. 427. Juristisches Repetitorium emmer Augsburg - Bayreuth – Berlin/Potsdam - Bielefeld - Bochum - Bonn - Bremen Düsseldorf - Erlangen - Frankfurt/M. – Frankfurt/O. - Freiburg - Göttingen - Greifswald Halle - Hamburg - Hannover - Heidelberg - Jena - Kiel - Koblenz - Köln - Konstanz Leipzig - Mainz – Marburg/Gießen - München - Münster - Nürnberg - Osnabrück - Passau Regensburg - Rostock - Saarbrücken - Stuttgart - Trier - Tübingen - Würzburg Arbeitsrecht Fall 8 - Lösung - Seite 11 Gratifikationen mit Anwesenheitsklausel: Wird vom BAG jedenfalls bei Einmalzahlung anerkannt, wobei allerdings hinsichtlich der quotenmäßigen Kürzung ein richterliches Überprüfungsrecht besteht36. In einer Entscheidung des LAG Berlin wird die Rechtmäßigkeit nicht mehr davon abhängig gemacht, ob es sich um Einmalzahlung oder laufende Zahlung handelt37. Inzwischen hat der Gesetzgeber in § 4a EntgeltFG ausdrücklich klargestellt, dass eine anteilige Kürzung von Sondervergütungen in bestimmten Grenzen auch für krankheitsbedingte Fehlzeiten des AN möglich ist. Entscheidend ist für eine derart gewählte Kürzungsrate, dass eine Steuerungsfunktion ohne Strafcharakter gewährleistet wird.38 Gewährt ein Arbeitgeber ohne Rechtspflicht und ohne Rechtsbindung für die Zukunft eine Weihnachtszuwendung als freiwillige Leistung, so kann er in den Grenzen des § 4a S.2 EFZG solche Arbeitnehmer ausnehmen, die im Bezugszeitraum (Vergangenheit) Fehlzeiten aufwiesen, vgl. BAG NZA 2002, 1284. Wird eine Gratifikation freiwillig ohne Übernahme einer Verpflichtung für die Zukunft gezahlt, so steht die künftige Zahlung im Ermessen des AG. 36 37 38 NZA 1990, 601 ff. NZA 1992, 220. vgl. HEMMER/WÜST, Arbeitsrecht, Rn. 429. h/w/t – 13-II