Abendprogramm Marta Górnicka
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Abendprogramm Marta Górnicka
MAGNIFICAT/ REQUIEMASZYNA Theater Do 3. Juli 2014, 20:00 und 22:00 Uhr Fr 4. Juli 2014, 22:00 Uhr, Artist Talk nach der Vorstellung Sa 5. Juli 2014, 22:00 Uhr EIGN AIRS 13.7.14 – Haus der Berliner Festspiele, Seitenbühne In polnischer Sprache mit deutschen Übertiteln Konzept, Libretto, Regie: Marta Górnicka Partitur: IEN Choreografie: Anna Godowska Literarische Konsultation: Agata Adamiecka Beratung Chorleitung: Marta Sulewska Bühne: Anna Maria Karczmarska Inspizienz: Marek Susdorf Produktion: Instytut Teatralny im. Zbigniewa Raszewskiego Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes Mit Unterstützung von: Polnisches Institut Alles hat mit dem Wunsch begonnen, den Chor für die Bühne und für die Frauen wiederzugewinnen. Ein Theater ohne Chor erscheint mir tot. In dem Maße, in dem das Theater sich auf das Individuum konzentriert hat, hat es ein gewisses Maß an Tragik verloren und aufgehört, mit dem Zuschauer zu kommunizieren. Ich wollte eine neue Form des Theaters entwickeln und fühlte, dass man bei denen ansetzen sollte, die am wenigsten Stimme besitzen – dem Chor der Frauen. Der Chor sollte auf der Bühne der einzige Protagonist sein. Ein Chor, der nicht länger eine leere Menge, eine Masse ohne individuelle Eigenschaften sein sollte, sondern eine Ansammlung von Individuen, „eine Ansammlung von unterschiedlichen Teilchen“. Die Rolle eines politisch-gesellschaftlichen Kommentars ist für uns selbstverständlich. Im antiken Theater war der Chor quasi ein Kommentator von außen und hat die Hauptfiguren auf der Bühne begleitet. In unserem Fall steht der Chor eigenständig auf der Bühne – er ist die Hauptfigur. Doch bezüglich der Antike erinnere ich daran, dass das Theater damals eine für Frauen verschlossene Sphäre war. Im griechischen Theater traten ausschließlich Männer auf, der Chor war männlich und er führte Texte auf, die durch Männer geschrieben waren, sehr wahrscheinlich setzten sich die Zuschauer auch ausschließlich aus Männern zusammen... Die politische Botschaft, die heutzutage durch den Chor ausgedrückt wird, muss sich auf das hier und jetzt beziehen und darf die Antike nicht als Ideal betrachten. Warum haben Sie sich in „Requiemaszyna“ entschieden, auch Männer in den Chor aufzunehmen? Der Chor hat Frauen für sich „wiedergewon nen“ und ihnen eine Art neuer Bühnenpräsenz gegeben. Diese Aufgabe schien irgendwie erfüllt. Ich konnte – ich musste weitergehen. „Requiemaszyna“ ist eine Show über Arbeit, Arbeitslosigkeit, Erschöpfung, soziale und politische Fragen, über die in der Gesellschaft in der letzten Zeit viel debattiert wurde. Ein Satz lautet: „Ich werde dir nichts über Politik erzählen”. Ist das wirklich wahr? Der Chor benutzt Ironie, klammert Sachen aus. Spielt mit Sprache und Zitaten. Übertreibt. Und er interessiert sich wenig für Politik... (lacht) Ihre Chöre haben die Tendenz, recht aggressiv auszufallen: Welche Art von Kraft bzw. Ermächtigung steckt in ihnen? Der Chor „spielt“, aber der Chor „stellt sich auch selbst zur Schau“, er ekelt an, zeigt seine Tierhaftigkeit... Was macht seine revolutionäre Stärke aus? Ich glaube, dass mit ihm eine Tragik auf der Bühne erwächst, die es im zeitgenössischen Theater nicht gibt. Und dass der Chor durch seinen politischen Charakter und seine Bühnenstärke ein immenses kathartisches Potential besitzt. Die Stimme besitzt eine revolutionäre Kraft. Selbstverständlich wirkt der Chor durch mehrere Schichten. Er hat immer eine intensive körperliche Dimension – durch den Text und die Stimme, die tief in den Körper hineindringt. Wir sind Roboter des Wortes – dieser Satz von Władysław Broniewski ist mir wichtig – wir müssen das aussprechen, was andere nicht aussprechen können. Was ist die Verbindung – und der Unterschied – zwischen einem musikalischen und einem theatralen Chor? Was ist die Verbindung zwischen Sprache und Musik? Der Chor hat in unserer Kultur nur in seiner populären Form überlebt als Kirchenchor, Hochzeiten, Begräbnisse und religiöse Feierlichkeiten begleitend. Der Chor im Theater wird stets auf diese Form bezogen werden. Das sind jedoch zwei unabhängige Universen. Der Musikchor ist beschränkt durch seine Mit: Antoni Beksiak, Bartosz Dermont, Maciej Dużyński, Michał Głowacki, Paweł Góralski, Bartosz Grędysa, Anna Jagłowska, Katarzyna Jaźnicka, Borys Jaźnicki, Ewa Konstanciak, Adam Konowalski, Wiesław Kowalski, Grzegorz Kuraszkiewicz, Piotr Antoni Kurjata, Janusz Leśniewski, Kamila Michalska, Grzegorz Milczarczyk, Magda Roma Przybylska, Anna Rączkowska, Paulina Sacharczuk, Dominika Stefańska, Kaja Stępkowska, Dawid Wawryka, Anna Wodzyńska, Łukasz Wójcicki, Marcin Zarzeczny Konzept, Libretto, Regie: Marta Górnicka Nach Texten von Władysław Broniewski Partitur: IEN Choreografie: Anna Godowska Literarische Konsultation: Agata Adamiecka Bühne: Robert Rumas Kostüm: Arek Ślesiński Produktion: Instytut Teatralny im. Zbigniewa Raszewskiego Koproduktion: La Filature – Scène Nationale / Théâtre National de Strasbourg / Le Maillon – Théâtre de Strasbourg / Ringlokschuppen Mülheim an der Ruhr Mit Dank an Mary Pijanowski-Broniewska und Eva Zawistowska für die Erlaubnis zur Verwendung der Texte von Władysław Broniewski. Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes Mit Unterstützung von: Polnisches Institut Foto: © Oiko Petersen Gespräch mit Marta Górnicka Im antiken Theater wurde der Chor als Stimme des Volkes begriffen, eine Art gesell schaftlicher oder politischer Kommentar. Sehen Sie das auch so? Dauer 45 min In polnischer Sprache mit deutschen Übertiteln Mit: Ewa Chomicka, Paulina Drzastwa, Violetta Glińśka, Alicja Herod, Anna Jagłowska, Natalia Jarosiewicz, Katarzyna Jaźnicka, Barbara Jurczyńska, Ewa Konstanciak, Agnieszka Makowska, Kamila Michalska, Katarzyna Migdalska, Jolanta Nałęcz-Jawecka, Magdalena Nowakowska, Natalia Obrębska, Magda Roma Przybylska, Anna Rączkowska, Anna Rusiecka, Paulina Sacharczuk, Kaja Stępkowska, Karolina Szulejewska, Agata Wencel, Karolina Więch, Anna Wodzyńska, Anna Wojnarowska Sie sind mit zwei Produktionen bei Foreign Affairs 2014, „Magnificat“ und „Requiemaszyna“. Warum arbeiten Sie immer wieder mit Chören? REQUIEMASZYNA Haus der Berliner Festspiele, Seitenbühne Dauer 45 min Natürlich tue ich das. Durch das, was ich mache, beteilige ich mich stark an der aktuellen feministischen Debatte. Ich habe dem Chor eine weibliche Stimme verliehen, die eine politische Botschaft mit sich bringt. Ich setze eine Frauengemeinschaft ein, die allein durch ihre ostentative Bühnenpräsenz eine Herausforderung gegenüber der traditionellen Ordnung darstellt. Gleichzeitig ist das aber eine Gemeinschaft, die stets der Gefahr ausgesetzt ist, zu zerfallen. Ununterbrochen arbeite ich in einer symbolischen Dimension, ich hinterfrage und zeige Stereotypen auf, die sowohl Frauen, als auch Männer betreffen, ich vermische Mythen, ich verursache theatrale Explosionen. Marta Górnicka, Regisseurin und Sängerin, Absolventin der Fakultät für Drama-Regie der Aleksander Zelwerowicz Theaterakademie in Warschau und der Warschauer Musikhochschule Frédéric Chopin, studierte außerdem an der Universität Warschau und an der Staatlichen Theaterhochschule in Krakau. Ihr Film „Gier. Versuch einer Aufzeichnung“ nach Sarah Kane wurde auf dem Odkryte/Zakryte-Festival im Dramatischen Theater in Warschau erstmals gezeigt. Bei der Warschauer Inszenierung von „Symptoms/Akropolis“ von Gabriella Maione und Stanisław Wyspianski arbeitete Marta Górnicka mit Robert Wilson zusammen. Als Sängerin absolvierte sie zahlreiche Solokonzerte und nahm für das Polnische Radio ein Album mit Liedern von Astor Piazzolla auf. Marta Górnicka leitete Workshops in Tel Aviv, London, Dresden, Tokio, Berlin, Salzburg, Kiew und Rom. Seit Dezember 2009 arbeitet sie mit dem Theaterinstitut Warschau zusammen, wo sie in den Aufführungen des Chór Kobiet (Der Chor der Frauen) Regie führt und eine neue, eigene Form des Chortheaters entwickelt. Ihre erste Chor produktion wurde vom Magazin „Teatr“ als beste alternative Theaterproduktion 2010/ 2011 ausgezeichnet. Auch „Magnificat“ und „Requiemaszyna“ wurden mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet. Im Jahr 2013 hatte ihre Produktion „The Chorus of Roma People“ in Košice als Teil des X – Apartments Project Premiere. Theater MAGNIFICAT Sehen Sie Ihre Arbeit als feministisches Statement? MARTA GÓRNICKA einseitige Nutzung der Stimme, es fehlt ihm die Intensität, mit dem Körper zu arbeiten, er versucht nicht zu diskutieren, sondern „singt“ lediglich schön. Dieser Chor – darin besteht das Paradoxon – ist zwar mächtig, aber tot. Die Beziehung von Sprache und Musikalität ist die Basis unserer Arbeit. Dank der Musikalität kann sich ein Chor einer stereotypen Sprache bedienen. Er benutzt sie, stülpt das Innere nach außen, zieht ihr den Boden unter den Füßen weg. Das Komponieren von Sprache ermöglicht uns auch, die theatrale Illusion zu durchbrechen. Das ist etwas wirklich Großes! Ich kann Theater schwer ertragen, das sich der Sprache bedient, als wäre sie einer Soap-Opera entsprungen… Können Sie ein Beispiel geben? Worte wie „Revolution“ kann ein Chorist umwandeln, sie „umarbeiten“ durch Tonhöhe, Glissando oder Lachen. Er kann auf verschiedene Weisen sprechen: HeavyMetal-artig, opernhaft oder einfach die Worte ausspuckend. Der Chor spricht als Mutter Gottes: „Ich bin ein nationales Heiligtum…“, aber wenn er die gleichen Worte mit der Stimme von Darth Vader röchelt oder sie mit piepsiger Stimme vorträgt wie die kleinen LEGO-Roboter, eröffnet das jedes Mal neue Kontexte… In den ersten Stücken ging es mir darum, die Sprache zu kompromit tieren, um eine radikale Demonstration der ideologischen Mechanismen zu erreichen, die die Worte zersetzen. Das führt dazu, dass sie allein durch das laute Aussprechen denunziert werden. In „Requiemaszyna“ ist die Sprache roboterartig, künstlich. Sie wird selbst zur Maschine, eine sinnliche, menschliche Maschine. Der Chor hat, um den politischen Charakter der Sprache, ihre Toxizität zu demonstrieren, eine spezielle Art von Sprechen entwickelt – eine Sprache, die ein bisschen an das Geräusch eines Computers, einer Maschine erinnert… Was ist die Rolle der Einzelstimme gegenüber der Kollektivstimme? Gibt es weiterhin Indivi dualität in Chören? Der Chor entsteht erst durch die individuellen, konkreten Biografien und Stimmen der Schauspielerinnen, mit ihren unterschied lichen Erfahrungen und verschiedenen Lebensaltern. Ich bin weit davon entfernt, an den Chor als Masse zu denken. Deswegen erklingt die Stimme des Chors nicht immer im Einklang, sondern auch in Duetten, Terzetten und Soli. Ein Chor ist ein „vielseitiger Körper“ und als solcher öffnet er sich dem Diskurs über Gemeinschaft, doch zeigt er gleichzeitig auch die Reibeflächen auf zwischen dem, was als individuell und dem, was als gemeinschaftlich gilt. Man könnte sagen, dass der Chor eine Ansammlung von Individuen ist, die um die Entstehung einer Gemeinschaft auf der Bühne kämpfen. Es scheint auf der Bühne eine Renaissance der Chöre zu geben, wenn man an Einar Schleef, Rene Pollesch, Alain Platel denkt. Was verbin det Sie mit ihnen? Nach dem Zweiten Weltkrieg existierte der Chor im polnischen Theater so gut wie gar nicht – es scheint, als ob die Gemeinschaft auf der Bühne unterbewusst Kriegsbilder hervorrief. Der Chor schien im kollektiven Gedächtnis in Beziehung zu Holocaust und Faschismus zu stehen und wurde deswegen verbannt... Wiederum war die Form, mit der ich während des Studiums Kontakt hatte, das durch Einar Schleef entwickelte Theater in Deutschland, etwas, das ich radikal durchbrechen wollte. Schleefs Theater entstand in den 80ern und war für mich musikalisch zu eindimensional. Formal war der Chor sehr monolithisch, davon habe ich mich stark distanziert. Für mich waren die Überlegungen Sarah Kanes über Sprache und Dramaturgie wichtig. In ihren späteren Texten fand ich jene Chorstimme, an die ich selbst gedacht habe. Als ich meine Arbeit mit dem Chor in Polen anfing, hatte ich das Gefühl, dass ich eine Leiche reanimiere. In „Magnificat“ angeschnittene Themen sind Religion, Kirche, Stereotypen von Weiblichkeit, die Jungfrau Maria – gibt es da einen speziel len polnischen Einfluss, berücksichtigt man die hohe Anzahl an Katholiken in Ihrem Land? Als ich „Magnificat“ geschrieben habe, dachte ich im Grunde genommen ausschließlich an Polen. Es sollte ein Essay über die Macht der katholischen Kirche über den weiblichen Körper sein. In unserer Kultur stellt die Mutter Gottes ein wunderbares Bild dar – halbgeschlossene Augen, Alabasterhaut, schweigender Mund. In dieser Gestalt wurde die weibliche Kraft der Lebensgabe vollkommen von der weiblichen Sexualität getrennt. Maria ist ein Pflichtmuster der Weiblichkeit – ein unerreichbares Ideal, also ein perfektes Werkzeug der ideologischen Kontrolle über Frauen. Ich wollte darüber sprechen, wie dieser Mechanismus in der polnischen Kultur funktioniert und was er für die heutigen Frauen bedeutet. Aber überall in Europa sieht es ähnlich aus: eine Frau ist entweder ein körperloses Sein oder ein Körper zum Gebrauchen. Als wir „Magnificat“ in Sarajevo auf geführt haben, konnte man Frauen in blickdichten Kopftüchern oder in GucciImitationen mit mega-hohen Absätzen auf den Straße beobachten. Du bist ein Körper oder du existierst nicht. FORE AFFA 26.6. Sie sind als Sängerin ausgebildet worden – was gab den Impuls, Regisseurin zu werden? Ich habe mehrere Jahre gesungen und als Schauspielerin und Musikerin gearbeitet. Mein Singen war Sprechen und umgekehrt, die Beziehung Worte/Töne hat mich schon immer beschäftigt. Ich rezitierte, sang Texte von Eliot, Cummings, Gombrowicz; die Konkrete Poesie, Lautpoesie war für mich ein Universum, zudem habe ich ein bisschen komponiert. Dennoch wollte ich immer Regie führen. Wie schreiben Sie Ihre Libretti? Welche Auto ren interessieren Sie? Im Grunde genommen schreibe ich sehr schnell, expressartig. Ich schöpfe aus der Popkultur und aus Texten der Hochliteratur. Ich benutze Zeitungszitate, Fragmente aus Videoclips und Werbung, Märchen, Filme sowie Opernlibretti... Ich lasse Texte aufeinanderprallen, mische Musiksorten und -gattungen, Popsongs, Kirchenklänge, aber auch Computerrauschen... Aber in jedem Projekt hat ein antiker Text eine besondere Rolle und ist eng mit den zeitgenössischen Texten verflochten. Eine Schlüsselfigur in „Magnificat“ ist Agaue aus den „Bakchen“ von Euripides, die aus dem bacchischen Wahn erwachend erkennt, dass sie in ihren Händen den blutenden Kopf ihres Sohnes hält. Sie ist die ältere Schwester der Mutter Gottes – eine Frau, die in den Händen eines Gottes zum Werkzeug wird und ihren Sohn opfert, um den „Plan Gottes“ zu realisieren. Agaue und Maria sind Vorder- und Kehrseite ein und derselben Figur. In „Requiemaszyna“ beziehen Sie sich auf Texte von Władysław Broniewski… In diesem Stück nutze ich eine neue Strategie und mische fast ausschließlich poetische Sprache der 30er Jahre, Gedichte von Władysław Broniewski. Der Chor steigert die sprachliche Maschine an ihr Extremum, treibt sie in den Wahnsinn. Broniewskis Sprache schießt wie ein Gewehr, die Worte sind wie Kugeln, die Silben gehen in roboterartige Register ein, sie knirschen. Auf der anderen Seite hat er jedoch das Gefühl der Unzulänglichkeit von Worten, er schreit: „ich bin stumm.“ Dieses Paradoxon beschreibt fantastisch, was der Chor ist. Diese grundlegende Widersprüchlichkeit im Denken über Sprache und deren Erfahrung, die Rhythmik der Texte und die individuelle Dimension des Schicksals von Broniewski – die Verstrickung und der Kampf mit unterschiedlichen politischen Systemen, der Zusammenhang zwischen Ideologie und Geschichte –, reimt sich auf unglaubliche Weise mit meiner Vorstellung von Chor. Dieses Geflecht in Bezug zu setzen zur heutigen Wirklichkeit, der Terrorisierung durch Arbeitslosigkeit und der Verstrickung jedes Einzelnen in ein System, in dem „jeder geschätzt werden will und jeder seinen Preis hat“, erschien mir aufregend. Werden Sie weiterhin mit Chören arbeiten, oder denken Sie daran, etwas anderes zu machen? Ich glaube, dass die einzige Arbeit, die für mich einen Sinn ergibt, entweder mit dem Chor oder mit einem einzelnen Schauspieler auf der Bühne zu tun hat. Ich habe kein Interesse an einer dialogischen, filmischen Matrix. Für mich ist Chor ein sehr breiter Begriff, vor allem in seinem gesellschaftlichen Aspekt. Das Verleihen der Stimme an diejenigen, die sie gar nicht haben – die „Anderen“, Ausgeschlossenen – hat für mich eine enorme Kraft. Das macht die Macht und den Sinn zeitgenössischer Theaterprojekte aus. In Kaschau in der Slowakei, wo sich das größte RomaGhetto in Europa befindet, habe ich den Keim zu einem Roma-Chor gelegt. Derzeit arbeite ich an einem dreiteiligen Projekt. Der erste Teil des Projekts wird zunächst mit Beteiligung von 50 Juden und Arabern im Museum der Modernen Kunst in Tel Aviv aufgeführt, danach auch in Deutschland und Polen. Sie waren mit Ihren Arbeiten international unterwegs: Erleben Sie die gleichen Reak tionen, Diskussionen und Fragen überall? Oder gibt es Unterschiede? Wir haben dutzende Vorstellungen in der ganzen Welt gespielt. Und überall wurde der Chor sehr emotional wahrgenommen. Ich erinnere mich an Frauen in Neu-Delhi, die die Texte des Chors während der Vorstellung geflüstert und wiederholt haben! In Frankreich, Deutschland, den Niederlanden oder der Schweiz wird unser Theater als ein politisches wahrgenommen. „Magnificat“ wurde in Frankreich als ein großes Essay über Religiosität und ihren Einfluss auf den heutigen Menschen aufgenommen. In Polen dagegen, in Stettin, gab es einen Zwischenfall. Ich wurde angespuckt und als Hexe bezeichnet. Einmal haben wir eine Vorstellung für 2000 Personen in der Kongresshalle gegeben, während eines Frauenkongresses. Das Publikum applaudierte nach jeder Szene wie auf einem Rockkonzert, und die Vorstellung wurde ein bisschen wie eine politische Kundgebung aufgenommen. Der Chor hat auf den Zuschauer manchmal eine heftige, körperliche Wirkung. Ich glaube, diese ist unabhängig von der Kultur. Interview: Christina Tilmann Übersetzung: Gabriela & Ireneusz Radko Veranstalter: Berliner Festspiele · Ein Geschäftsbereich der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH · Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien · Intendant: Dr. Thomas Oberender · Kaufmännische Geschäftsführerin: Charlotte Sieben · Foreign Affairs · Künstlerische Leitung: Matthias von Hartz · Assistenz der künstlerischen Leitung: Maria Rößler · Dramaturgie: Carolin Hochleichter · Musikkurator: Martin Hossbach · Produktionsleitung: Annika Kuhlmann, Caroline Farke · Produktionsassistenz: Dunja Sallan · Technische Leitung: Matthias Schäfer · Assistenz der Technischen Leitung: Thomas Burkhard · Dramaturgiehospitanz: Bendix Fesefeldt · Produktionshospitanz: Anne-Kerstin Hege · Gästebetreuung: Anne-Kerstin Hege, Mona Intemann, Agathe Menetrier, Bettina Müller, Annabelle Theresa Kuhm, Laure Gaillard, Julia Zange, Josefine Chetko, Felix Lardon · Street Food: Denise Palma Ferrante · Festivalarchitektur: realities:united · Redaktion: Carolin Hochleichter, Maria Rößler, Christina Tilmann, Stefanie Wenner, Jochen Werner · Übersetzung: Elena Krüskemper / Local International · Graphik: Ta-Trung, Berlin · Technische Direktion: Andreas Weidmann · Bühnenmeister: Dutsch Adams, Lotte Grenz, Benjamin Brandt · Maschinisten: Martin Zimmermann, Fred Langkau, Manuel Solms, Marcus Trabus, Mirko Neugart, Jesus Avila Perez · Bühnentechniker: Birte Dördelmann, Juliane Schüler, Marcus Trabus, Manuel Solms, Alexander Gau, Pierre Joel Becker, Stephan Frenzel, Maria Deiana, Ivan Jovanovic · Requisite: Karin Hornemann · Leitung Beleuchtung: Carsten Meyer · Beleuchtungsmeister: Petra Dorn, Ruprecht Lademann, Katrin Kausche, Hans Fründt, Thomas Schmidt · Stellwerker: Robert Wolf, Lydia Schönfeld · Beleuchter: Kat Bütner, Mathilda Kruschel, Imke Linde, Boris Meier, Luciano Santoro, Sachiko Zimmermann-Tajima · Leitung Ton- und Videotechnik: Manfred Tiesler, Axel Kriegel · Tonmeister: Martin Trümper-Bödemann, Jürgen Kramer · Ton- und Videotechniker: Stefan Höhne, Tilo Lips, Klaus Tabert · Leitung Gebäudemanagement: Ulrike Johnson · Haustechnik: Frank Choschzick, Olaf Jüngling · Empfang: Barbara Ehrhoff, Georg Mikulla Maison Fondée en 1851 à Saumur BOUVET LADUBAY BRUT DE LOIRE