Central- tHeater + SKala
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Central- tHeater + SKala
2012 — 201 3 1 l a r t C en + SK ALA T HEATER Centraltheater „Das Pulverfass“, gedanklicher Ausgangspunkt unseres Projekts, schrieb er 1996. Da machte der Krieg kurz Pause, bevor er 1999 im und um den Kosovo wieder aufflammte. Das Stück ist ein „Reigen“ der Gewalt und beschreibt laut Dukovski den Augenblick unmittelbar vor Kriegsausbruch. Genau da knüpft das Projekt Pulverfass an und stellt ganz generell die Fragen: Welche Handlungen führen zu Aggression und Gegenaggression und zum Erwachen des Krieges? Kommt der Krieg jemals zu einem Ende oder ist das, was wir Krieg nennen, nicht konstitutiv für unser Sein? Es war Krieg, es ist Krieg und es wird immer Krieg sein. Sascha Hawemann begibt sich mit seiner neuen Arbeit im Centraltheater auf eine theatrale Reise in eine Region, die vom Krieg geprägt wurde und von der immer wieder Kriege ausgingen. Das Ende Jugoslawiens ist untrennbar mit Begriffen wie Srebrenica und Genozid besetzt. Balkan und das Projekt Pulverfass ist aber auch Lebenslust, Komödie und Musik. Genau zwischen diesen Polen liegt vielleicht eine Wahrheit, die diese Reise in die Vergangenheit formuliert, vorangetrieben von der Musik einer Live-Band und „balkanized“ in einer ganz eigenen Form. Inszenierungen Krieg und Frieden Nach Lew Tolstoi Übersetzung Barbara Conrad Bühnenfassung Sebastian Hartmann Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen 2012 „Ohne falsche Bescheidenheit – es ist wie die Ilias.“ So Lew Tolstoi über sein größtes Werk, das Weltgeschichte und privates Leben in monumentaler Absicht zusammenführt. Sein zwischen 1863 und 1869 entstandenes episches Gemälde vereint einen Familien-, Historien- und Bildungsroman über Europa, den Menschen und die Welt. Über allem die Metaphysik des Titels, die stets mit dem GANZEN spielt. Mit Sein und Tod, mit der Geburt der europäischen Idee aus dem Geist der Unterwerfung, mit der Tragödie des Menschen und dessen Beziehungsunfähigkeit – und mit einer Welt ohne Gott. Zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sebastian Hartmann und sein 14-köpfiges Ensemble erarbeiten sich Tolstois Werk gemeinsam. Sie durchmessen einen inhaltlichen und poetischen Raum, versuchen, eine gedankliche Quersumme zu bilden aus dieser so revolutionären, formal ausufernden Vorlage: KRIEG UND FRIEDEN, ohne Beginn und ohne Ende, ein Werk, das eine krude, Mitte des 19. Jahrhunderts absolut experimentelle Komposition aus Theorie, Fiktion, Erzählung und Dokument darstellt. Regie: Sebastian Hartmann Bühne: Sebastian Hartmann, Tilo Baumgärtel Kostüme: Adriana Braga Peretzki Musik: Sascha Ring (APPARAT) Leipziger Premiere: 20. September 2012 Pulverfass Dejan Dukovski, Emir Kusturica u. a. Balkan-Groteske, Balkan-Drama, Balkan-Blues? Zuschreibungen, die immer wieder bemüht werden, wenn über Stücke des Mazedoniers Dejan Dukovski gesprochen wird, und die passen und auch wieder nicht passen. „The whole world will be balkanized.“ Alles, was südlich unserer Vorstellung liegt, ist für uns Balkan. Dukovski wurde in Skopje im ehemaligen Jugoslawien geboren. Seinen Text Regie: Sascha Hawemann Premiere: 25. Oktober 2012 mein faust 2 3 „ D i e S e e l e e n t h ä l t s o v i e l e R ä t s e l w i e d i e We l t m i t i h r e n g a l a k t i s c h e n S y s t e m e n , vo r d e r e n e r h a b e n e m A n b l i c k n u r e i n p h a n t a s i e l o s e r G e i s t s e i n U n g e n ü g e n s i c h n i c h t z u g e s t e h e n k a n n .“ (C. G. Jung) Es geht um Liebe und Hass, Leben und Tod, Wissen und Schönheit, Begehren und Schuld – alles Themen, die den Faust-Stoff von Anbeginn kennzeichnen. In ihm haben sich die Hoffnungen ganzer Generationen eingeschrieben. Allein deshalb ist Faust weit mehr als eine literarische Figur, er ist der Inbegriff für das Urmenschliche und steht damit exemplarisch für unser Dasein. An seinem Schicksal wird die ewige Zerrissenheit zwischen unersättlichem Wissenshunger und unstillbarem Lebensdurst durchexerziert. Erfolg, Ruhm, Glück sind die immer gleichen Verführer, die uns das Wesentliche aus den Augen verlieren lassen: das Sterben, der Tod, die eigene Vergänglichkeit. Wir leben in völliger Ignoranz dieser Tatsache, als könnten wir wie Faust mit einem Hexentrank oder einer simplen Wette unsere Lebenszeit beliebig verlängern. In der Jugend klammern wir uns an die Projekte von morgen, im Alter an die Bilder der Vergangenheit. Wir hängen in der Luft, weil wir uns immer weiter von unserer Natur entfernen: „ D a s A b g l e i t e n vo n d e n Wa h r h e i t e n d e s B l u t e s e r z e u g t n e u r o t i s c h e R a s t l o s i g k e i t , e t wa s , vo n dem man heutzutage nachgerade genug haben könnte. Rastlosigkeit er zeugt Sinnlosigkeit, und Sinnlosigkeit des Lebens ist ein seelisches Leiden, das unsere Zeit noch nicht in seinem ganzen U m f a n g […] e r f a ß t h a t “, schreibt C. G. Jung in seinem Essay „Seele und Tod“. Jung schreibt vom Menschen und trifft dabei das Faustische in seinem Kern. Sebastian Hartmann erarbeitet mit „mein faust“ eine komplett eigene Lesart des Faust-Stoffes, die von der Suche nach der Essenz eines jahrhundertealten Stoffes gekennzeichnet ist. Regie und Bühne: Sebastian Hartmann Premiere: 15. November 2012 Das grosse Abspielen Der gestiefelte Kater Märchen nach den Brüdern Grimm Bearbeitet von Max Augustin Auch im letzten Jahr bleibt sich das Centraltheater treu und wird nach Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen und Dornröschen ein weiteres berühmtes Märchen der Brüder Grimm als großes Weihnachtsstück auf der Bühne zeigen. Der gestiefelte Kater ist einer der Klassiker der Grimm’schen Kinder- und Hausmärchen, in dem ausnahmsweise weder Prinz oder Prinzessin noch ein verzauberter Frosch oder eine böse Hexe die Hauptrolle spielen, sondern ein normaler Kater. Aber ganz so normal ist er auch wieder nicht, denn der Gute kann sprechen wie ein Mensch, und das ganz ohne Zaubertricks. Als vermeintlich wertloses Erbstück landet er nach dem Tod des Müllers bei dessen jüngstem Sohn, der zunächst überhaupt nichts mit dem Kater anzufangen weiß. Aus Dankbarkeit, dass ihm der arme Müllerssohn nicht das Fell über die Ohren zieht, verspricht der Kater diesem das große Glück: Reichtum, Ansehen, eine schöne Prinzessin zur Frau und ein eigenes Schloss. Ob er am Ende Wort halten wird, welche Abenteuer es dabei zu bestehen gilt und wie er es mit Witz und Raffinesse schafft, aus dem mittellosen Müllerssohn einen wohlhabenden Grafen zu machen, ist ab November im Centraltheater zu sehen. 2012/13 Centraltheater heißt auch: Stück für Stück Abschied nehmen von den Inszenierungen der letzten Jahre. Bevor wir im März 2013 mit den Leipziger Festspielen unser großes Finale im Centraltheater starten, werden die Kalendertage des Januars den Countdown letzter Vorstellungen zählen. Haben sich früher die schönsten Abschiedsszenen wahrscheinlich auf dem Leipziger Hauptbahnhof abgespielt, so wird in diesen Wochen das Haus an der Bosestraße der Ort für letzte Begegnungen sein. Ein letztes Mal DER TRINKER und die GESPENSTER. Ein letztes Mal Theaterabende bis tief in die Nacht, weil man mit den Schauspielern jene große Erzählung von KRIEG UND FRIEDEN durchmisst. Oder endlich für den CENTRALTOURIST eine Karte ergattern und mit ihm die Abschiedsrunde durch das winterliche Leipzig drehen. Wer den HAMLET VERS. 6 oder GRIMMS MÄRCHEN bis dahin noch nicht gesehen hat, muss es jetzt tun. Im Januar. Sich ein letztes Mal mit den Schauspielern die Frage stellen: WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF? Regie: Martina Eitner-Acheampong Premiere: 29. November 2012 Januar 2013 (6. – 28.1.) 4 Rio Reiser: Der Traum ist aus aber ich werde alles geben dass er Wirklichkeit wird Ein Rio-Reiser-Abend Vor 16 Jahren starb Rio Reiser im Alter von nur 46 Jahren. Mit der Band „Ton Steine Scherben“ und später als auch kommerziell ausgesprochen erfolgreicher Sänger, Musiker und Schauspieler prägte er die deutsche Musiklandschaft. In der linken Szene galt er als Pionier der Politrock-Kultur. Wie keine andere deutsche Band drückten die Scherben das Lebensgefühl ihrer Generation aus. Die Kraft und die visionäre Wut der Texte ist geblieben. Auf der anderen Seite war Rio Reiser ein charismatischer Einzelgänger. Als sich die Band 1985 trennt, beginnt er seine Solokarriere. Hinter dem Polit-Rocker kommt der romantische Träumer zum Vorschein, der in seinen Liedern der Sehnsucht nach Geborgenheit und Liebe Ausdruck gibt. Konzeption: Peter Schneider, Uwe Bautz ab März 2013 5 Leipziger Festspiele um – analog zum antiken Versammlungsplatz, der grundsätzlich ein Forum ermöglicht, wo sich Mitglieder der Gesellschaft begegnen und darüber verständigen können, wie sie das Gemeinwesen organisieren wollen. Dabei sehen sie als Zuschauer nicht nur den Schauspieler auf der Bühne, sondern auch Ihr Gegenüber und damit sich selbst. Sie spielen also immer mit. Dieselbe Sehnsucht, die unserer Namensgebung einst das „Central“ beschert hat, wird uns im Frühjahr mit einem in den Zuschauerraum gebauten Oval ohne abgrenzende Wände einen radikal anderen Spiel- und Zuschauerort bescheren: Eine platzähnliche Spielfläche liegt inmitten einer zu allen Seiten ansteigenden Zuschauertribüne. Der Ort der Zuschauer wird zum Ort des gemeinsamen spielerischen Erlebnisses. Diesem Credo folgend, rufen wir ab März 2013 die Leipziger Festspiele aus. Was für uns und für Leipzig bedeutet: Fest spielen! Darauf freuen wir uns. 2013 Während in der Realität eine Ortsbestimmung zunehmend schwer wird, weil dort draußen die Fülle der herrschenden Wirklichkeiten unüberschaubar geworden ist – und sich auch nach flüchtigen Besuchen, etwa im sogenannten „Netz“, kaum noch die Frage beantworten lässt, WO man gewesen ist, wenn man irgendwo war –, scheint das im Theater naturgemäß einfach zu sein. Man sagt: Ich war im Theater, wenn man im Theater war. Dies kann im ortlosen NICHTS, in dem wir uns den Rest der Zeit über bewegen, durchaus eine Beruhigung sein. Gegen alle Widerstände der modernen Medienwelt und anderer Fährnisse des Kulturbetriebs muss die Möglichkeit dessen, was da drinnen im Theater am Platz ist und bleiben soll, eine durchaus besondere sein. Es kann als Paradox öffentlicher Kultur gelten, dass heute, wo die Zeit der massenkompatiblen Zentralorgane gründlich abgelaufen zu sein scheint, unsere eigentliche Sehnsucht umso mehr die Einheit von Inhalt und Ort herbeisehnt. Mit anderen Worten: Man gibt einerseits gern zu, frei nach Dante, beim Durchschreiten des Höllentors THEATER „alle Hoffnungen bereitwillig fahren zu lassen“ – nur diese eine eben nicht: dass man genau weiß, wo und in welcher Theaterhölle man sich befindet. Dabei spiegelt bereits die Architektur von Bühne und Zuschauerraum das Dilemma tiefsinnig wider, wenn wir z. B. an Orchestergraben und Eisernen Vorhang denken, die als unüberwindliche Schranke zwischen Bühne und Zuschauerraum im Theater eingebaut sind. In dem Maß jedenfalls, in dem wir uns als Zuschauer dem Theater als vertrautem und sicherem Ort nähern wollen, in jenem Maß entzieht es sich und verschwindet schließlich. Wir sitzen alle im Theater, aber wir sitzen nicht alle zusammen im selben Raum. Der Theaterkünstler Einar Schleef prägte einst nach einer Arbeit am Wiener Burgtheater den für alle Stadttheater geltenden Satz: „Ich war da, aber das Theater war weg!“ Von Beginn der Intendanz Sebastian Hartmann an steht am Centraltheater die Frage, welcher zukunftstauglichen Vision „Stadttheater“ gerecht werden kann in einer Gesellschaft, der die ureigenen massenmedialen Effekte nicht mehr zugehören, im Zentrum der Arbeit. In der Spielzeit 2012/13 wollen wir das Repräsentationsmodell „Stadttheater“ auch architektonisch produktiv irritieren, die Perspektive versuchsweise umkehren und DEN ORT, indem wir uns auf die Ursprünge des Theaters als politischer und kultischer Versammlungsort beziehen, trefflich ins Bild setzen. In der Hoffnung, in dieser Irritation eine veränderte Erotik der künstlerischen Begegnung mit dem Publikum zu entdecken. Wir bilden den Zuschauerraum architektonisch zur zentralen AGORA (griech.: zentraler Platz) Wir haben viele der uns in den letzten Jahren begleitenden Regisseure und Künstler gefragt, ob sie sich mit einer solchen Architektur auseinandersetzen wollen. Den entstehenden Produktionen ist gemein, dass sie in sehr verkürzten Produktionszeiträumen zu Stande kommen werden, um den Ort in Besitz zu nehmen. Danach verschwindet er. Thematisch soll der entstehende Spielplan so verschieden, bunt und widersprüchlich werden, wie ein Ort der Auseinandersetzung es sein soll. Nicht zufällig erinnert die Form des Ovals an die Gladiatoren- und Schaukämpfe Roms und den Boxring. Zusätzlich zu den Inszenierungen wird sich der neue Raum mit einer Vielzahl von Veranstaltungen, Gastspielen, mit Kino, Diskussionen, Talk-Formaten, Kinderprogramm und anderem auffüllen. 6 7 Den Abschluss dieses Festspiel-Repertoires bildet ein einwöchiges Festival, das alle Produktionen zusammenführt. Mit einer Arbeit des Erfinders des „Orgien Mysterien Theaters“, Hermann Nitsch – einem der wichtigsten bildenden Künstler der Moderne –, endet die Spielzeit und die Intendanz Sebastian Hartmann in Leipzig. Nitsch, weltweit bekannter und umstrittener Aktionskünstler, Maler und Komponist, wird seine schon länger im Spielplan angekündigte Aktion durchführen und im Anschluss die Stadt zum dionysischen Fest bitten: im Centraltheater, um das Centraltheater herum. Ein detailliertes Festspiel-Programm erscheint gesondert. Uwe Bautz, Chefdramaturg ab 1. März bis einschließlich 2. Juni 2013 Repertoire / Extras / Paoli Leipziger Festspiele – Zugabe Innerhalb der LEIPZIGER FESTSPIELE präsentieren wir, neben den Produktionen, eine Fülle an weiteren Programmpunkten, Formaten, Reihen und einmaligen Auftritten. Künstler und Intellektuelle werden die FESTSPIELE bereichern und sich die Ehre geben. Mit Nina Hagen, die 2010 zur Buchmesse so furios ihr Buch bei uns im Centraltheater vorstellte, ist ein gemeinsames Format in den FESTSPIELEN geplant. Gerhard Schöne wird sein neues Familienprogramm zur Premiere bringen, sein neues Buch bei der Buchmesse vorstellen und Konzerte spielen. Mit Helge Schneider und Wolf Biermann planen wir Konzerte und mit der Zeitschrift „Cicero“ und Michael Naumann eine Gesprächsreihe. Eine regelmäßige Reihe großer deutscher Autorenfilme mit anschließendem Regisseursgespräch wird in den FESTSPIELEN ihren Platz finden. Die Autorennationalmannschaft laden wir sowohl zum Spiel als auch zum Lesen ein und Giovanni Di Lorenzo wird für ein Gespräch unter seiner Leitung unser Gast sein. Ideen gibt es viele. To be continued! Die Spielzeit 2012/2013 wird mit der Leipziger Premiere von Krieg und Frieden (Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen 2012) eröffnet, zahlreiche Neuproduktionen folgen. Was wäre aber der Spielplan eines Hauses ohne das Repertoire. Zu diesem gehören in der Spielzeit 2012/2013 in Centraltheater und Skala unter anderem Publikumsbeschimpfung, Hamlet Vers. 6, Grimms Märchen, Der Trinker, Wer hat Angst vor Virginia Woolf?, Fanny und Alexander, Gespenster, Nackter Wahnsinn – Was ihr wollt, Hunger, Droge Faust, Die Dritte Generation, Willkommen im ewigen Leben und Aufzeichnungen aus dem Kellerloch. 8 9 Flankiert wird dieser Spielplan durch die bewährten Reihen und Formate in CT und Skala, die fortgesetzt und ausgebaut werden. Der Centraltalk, fast schon ein Klassiker unter den CT-Extras, gehört natürlich ebenso dazu wie Clemens Meyers Stallgespräche, die nach der Open-Air-Ausgabe im Juli ins Haus zurückkehren und sich dort immer wieder ihren Ort suchen. Das relativ junge Format der Werkstattgespräche setzen wir, nicht zuletzt aufgrund der guten Resonanz, ebenso fort wie die fast zu jeder Produktion stattfindenden Publikumsgespräche. In der Skala wird in der Spielzeit 2012/2013 das Format gesamtkunstwerk wiederaufgenommen. Dieses Open-Stage-Format richtet sich an Leipziger Künstler und lädt sie ein, für einen Abend die Skala zu bespielen oder mit Installationen zu füllen. Guillaume Paoli setzt seinen Kampf um Aufklärung, Reflexion, Irritation und gute Manieren mit der P r ü f g e s e l l s c h a f t f ü r S i n n u n d Zw e c k fort. Diejenigen, die sich dabei einen talkshowartigen Schlagabtausch wünschen, werden nach wie vor enttäuscht. In der Spielzeit 2012/2013 gibt die Prüfgesellschaft ihren Monatstakt auf. Stattdessen werden die brennenden Themen der Gegenwart in Sonderveranstaltungen (auch außerhalb des Theaters) ausführlicher behandelt. Aufgrund der anhaltenden Nachfrage bleibt die P h i l o s o p h i s c h e P r a x i s weiterhin für jeden offen, der sich ein unkonventionelles, unverbindliches Gespräch wünscht. Skala 1913 – eine Rekonstruktion in Bild und Text – Guillaume Paoli Inszenierungen Im nächsten Jahr wird Leipzig das Völkerschlacht-Jubiläum bombastisch feiern. Der Hausphilosoph des Centraltheaters richtet das Augenmerk auf das Jahr, als das Völkerschlachtdenkmal (eigentlich ein antizipierendes Weltkriegsdenkmal) eingeweiht wurde: 1913, die letzten Tage des alten Europas, der Countdown zur Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Kaum einem Jahr wurden so viele Romane, Theaterstücke und Essays rückblickend gewidmet. Anhand dieser Dokumente wird der sonderbare Moment vergegenwärtigt, als auf dem Vulkan getanzt wurde und alle Gewissheiten im Begriff waren, sich in Schlamm und Blut aufzulösen. Zerschossene Träume (AT) Wolfram Lotz und Martin Laberenz Uraufführung Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen 2012 10 11 Ausgangspunkt für das Autor/Regie-Projekt von Lotz/Laberenz ist die Frage: „Wa s s o l l d a s s e i n: i c h s e l b s t ? “ Descartes genügte die Erkenntnis „ I c h d e n k e , a l s o b i n i c h“ . Dass zu diesem Ich noch ein Körper gehört, spielte für ihn aber keine Rolle. Ein Mangel, den erst der Materialismus und allen voran Marx zu beheben und den Menschen in seiner Ganzheit zu erfassen versuchte. In unserer heutigen Gesellschaft hat sich die Gewichtung zwischen Ich und Körper komplett verschoben: Der Körper, das Aussehen bestimmen über das Ich; das Denken, der Intellekt sind nur noch Beiwerk. Alter, Gestalt, Geschlecht entscheiden über Erfolg und Ansehen. Kurz: Es ist der Sieg der Form über den Inhalt. In ZERSCHOSSENE TRÄUME (AT) bearbeiten Lotz/Laberenz in absurd-komischen Situationen die Diskrepanz zwischen Ich und Körper, Sexualität und Geschlecht. Was bedeutet es zum Beispiel, wenn die NASA einen Schimpansen in den Weltraum schickt, ihm aber vorher Schauspielunterricht gibt, damit er dort einen Menschen lebensecht darstellen kann? Oder wenn das Hollywood-Sternchen Lindsay Lohan einen Film über ihr Leben dreht und dabei auch noch selbst die Hauptrolle spielt? „ D e r Kö r p e r i s t e i n P h a n t o m , d a s n u r d e r S p i e g e l w e l t m i t i h r e n Tr u g b i l d e r n a n g e h ö r t , u n d d a s a u c h n u r i n B r u c h s t ü c k e n …“ Konzeption: Martin Laberenz und Wolfram Lotz Regie: Martin Laberenz Bühne: Oliver Helf Kostüme: Aino Laberenz Leipziger Premiere: 11. Oktober 2012 aufgebrochen ist, haben sich kolonisatorisch-egomane Hybris und Anpassung an die Wildnis schließlich derart durchdrungen, dass sich Joseph Conrads genereller Verdacht bestätigt, „das Ziel der Schöpfung könne kein ethisches sein“. Preparadise sorry now Rainer Werner Fassbinder Regie: Alexander Eisenach Premiere: 6. Dezember 2012 Das Vorparadies – ein Wort, das mit der Vorhölle kokettieren will. Wie das Vorparadies aussieht? S o r r y, eben wie die Welt jetzt aussieht, wenn Gott und die Utopie vom Paradies auf Erden in weite Ferne gerückt sind. „Ich finde, dass die Welt aus permanenten Grausamkeiten besteht“, meinte Rainer Werner Fassbinder, und in PREPARADISE SORRY NOW zeigt er sie uns als Reigen täglicher Erfahrung von Macht und Unterwerfung. Es sind alltägliche Situationen, knappe, grelle Szenen wie Schlaglichter in die Gesellschaft hinein, in welcher das Milieu, die Straße, die Schule oder Armee, selbst die Gefühle zum Umschlagplatz von Macht, Vorteil, Angst und Gewalt werden. Wer die Mechanismen nicht nutzen kann, ist schon Opfer. Doch Fassbinder hält sich nicht nur bei dieser Behauptung auf; er spiegelt diese Szenen in der Geschichte eines realen Serienmörderpärchens, das in den 1960er Jahren in England Kinder entführte, folterte, missbrauchte und schließlich tötete. Sie taten dies im Geiste einer faschistoiden Utopie m a d e i n G e r m a ny, die für eine Ideologie des Herrschaftsmenschen das Menschenmorden rechtfertigte. Eine äußerst suggestive Anordnung also, die es sich im 30. Todesjahr Fassbinders 2012 zu überprüfen lohnt: Ist das Leben auf Erden wirklich ein „grausames Spiel von Erhebung und Demut – Die Liturgie eines Verbrechens“? Oder schrieb Fassbinder „54 Szenen zugunsten einer zukünftigen Anarchie“? So lauteten zumindest seine beiden Vorschläge für einen Untertitel des Stücks.. Regie: Wolfgang Maria Bauer Premiere: 17. Oktober 2012 Herz der Finsternis Nach Joseph Conrad Nicht ohne Grund stiftete diese Erzählung Regisseur Francis Ford Coppola zu seinem epochalen Film APOCALYPSE NOW an und entlieh Werner Herzog ihr Motive für seinen nicht weniger legendären Film FITZCARRALDO. Denn Joseph Conrads HERZ DER FINSTERNIS rührt an den Ursprung alles Menschlichen. Seine Geschichte navigiert den Leser unter der glühenden Sonne Afrikas in das Innere eines dunklen Kontinents, den die Schattenseiten der westlichen Zivilisation verdüstern. Es ist die Zeit der gewaltsamen Eroberung und Ausbeutung afrikanischer Kolonien Ende des 19. Jahrhunderts, in der sich diese Erzählung in einer Flussfahrt den Kongo hinaufwindet. Joseph Conrad schrieb aus eigener Erfahrung; der Intelligenz seiner Prosa verdanken wir jedoch eine Parabel über das Mensch-Sein. In der Begegnung mit den angeblichen Barbaren zeigt sich für Conrad nicht nur der barbarische Charakter eines gierig plündernden und mordenden Imperialismus. An der sogenannten Wiege der Menschheit, in jener vorzivilisatorischen Wildnis fern aller moralischen Instanzen, kommen die weißen Pilger des Profits unerwartet ihrer eigenen „Natur“ nahe, einem Afrika ihrer Seele. Und auf diesem inneren Kontinent beginnt ihre Menschlichkeit finster zu verdämmern. In der Person des Elfenbeinagenten Kurtz, zu dem das Schiff Schuld und Sühne Nach Fjodor M. Dostojewski Regie: Martin Laberenz Premiere: 20. Dezember 2012 21 Tage Aufzeichnungen eines Kriegsheimkehrers Uraufführung 12 13 Wenn Deutsche „Krieg“ hören, springen ihre Gedanken zurück bis 1945 und schieben Generationen zwischen sich und die, die den Krieg führten. Die Kriegsheimkehrer des 2. Weltkriegs standen mit ihren Erinnerungen damals DRAUSSEN VOR DER TÜR, unverstanden von einer Gesellschaft, die zu Hause geblieben war und sich nicht erinnern wollte. Auf ein Verständnis von posttraumatischen Belastungsstörungen konnten sie nicht zählen. Literaten wie Wolfgang Borchert oder Heinrich Böll, nicht die Psychologen, wurden zu den Beobachtern jener unerlösten Männer. Doch auch heute – mit psychologischer Betreuung, staatlicher Hilfe und dem Verstehenwollen der Daheimgebliebenen – bleibt es das Fatum eines Soldaten, das Unaussprechliche des Krieges zu kennen und für den Ausnahmezustand des Menschen darin kaum Worte zu finden. Auch wenn die Bundesrepublik Deutschland zurzeit nur „Soldaten entsendet“, kehren diese doch mit den Erfahrungen von Kampfhandlungen, Bedrohungsszenarien, den Bildern von Toten und Verletzten im Gepäck zurück. 21 Tage dauerte es für den Kriegsteilnehmer Eric Dorozhkin nach seiner Rückkehr, bis er seine Wohnung daheim überhaupt wieder verlassen konnte. 21 TAGE – AUFZEICHNUNGEN EINES KRIEGSHEIMKEHRERS wird seine Aufzeichnungen mit den Erfahrungen anderer Heimgekehrter auf der Theaterbühne kurzschließen, wird den Bildern eines schwelenden inneren Kriegszustands, den Landkarten aus Angst, Lügen und Fremdheit einen Raum geben. Regie: Manuel Harder Premiere: 11. Januar 2013 Der große Marsch Wolfram Lotz Studioinszenierung Centraltheater Kassenöffnungszeiten in der Spielzeit: Montag bis Freitag 10–19 Uhr Abendkasse: 1,5 Stunden vor Veranstaltungsbeginn. Telefon: (0341) 1268-168, Fax: (0341) 1268-169 Mail: [email protected] Normalpreise Spielzeit 2012/13: Platzgruppe I: 24 €, ermäßigt 17 € Platzgruppe II: 20 €, ermäßigt 14 € Platzgruppe III: 16 €, ermäßigt 11 € Platzgruppe IV: 10 € Schüler und Studenten in allen Platzgruppen 7 € Wie ließe sich ein Theaterstück, das mit den Klischees und Mitteln des „politischen Theaters“ spielt, besser einleiten als mit der Zueignung, die Wolfram Lotz seinem Der grosse Marsch voranstellt: „D i e m e i s t e n T h e a t e r l e u t e s i n d ( n a t ü r l i c h g i b t e s A u s n a h m e n) A r s c h g e s i c h t e r.“ Mit dieser Steilvorlage startet Lotz seine Deutschland-Revue, in deren weiterem Verlauf er zeitgenössische, historische und fiktive Figuren – von Josef Ackermann und Horst Mahler über Bakunin zu Prometheus und Hamlet – in aberwitzigen Situationen mit der Bühnenrealität des politischen Theaters konfrontiert. Gemeinsam arbeiten sich die illustren Gäste an Themen wie der Finanzkrise und der Relevanz/ Irrelevanz von Theater in unserer Zeit ab. Mit Humor und Situationskomik schreibt sich Lotz, der auch das bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen uraufgeführte Stück Zerschossene Träume (AT) für uns schrieb, an die Grenzen theatraler Darstellungsmöglichkeiten heran, entwirft darüber aber keine Utopie, sondern entlarvt einen Ist-Zustand, in dem die Figuren die Erschöpfung und Ratlosigkeit unserer Gesellschaft spiegeln. Sebastian Hartmann wird zusammen mit dem neuen Jahrgang des Schauspielstudios der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ das mit dem P u b l i k u m s p r e i s d e s B e r l i n e r S t ü c k e m a r k t s 2 010 und dem D r a m a t i k e r p r e i s d e s Ku l t u r k r e i s e s d e r D e u t s c h e n W i r t s c h a f t 2 012 ausgezeichnete Stück als Studioinszenierung erarbeiten. Regie: Sebastian Hartmann Premiere: 15. Februar 2013 14 15 Skala Kassenöffnungszeit in der Spielzeit: 1 Stunde vor Veranstaltungsbeginn Telefon: (0341) 1268-475, Fax: (0341) 1268-182 Mail: [email protected] Normalpreise Spielzeit 2012/13: Freie Platzwahl: 12 €, ermäßigt 9 € Schüler und Studenten 7 € Die Preise für Veranstaltungen außerhalb des Repertoires, Gastspiele, Märchen und Sonderveranstaltungen, für Konzerte in Centraltheater + Skala sowie für das Skala-Format gesamtkunstwerk entnehmen Sie bitte den jeweiligen Programmankündigungen. Anfahrt Centraltheater + Skala: ÖPNV: Linie 1, 14 / Haltestelle: Gottschedstraße Linie 9 / Haltestelle: Thomaskirche-Centraltheater Centraltheater für Rollstuhlfahrer barrierefrei zugänglich © 2012 Centraltheater + Skala (Schauspiel Leipzig) Eigenbetrieb der Stadt Leipzig, Bosestraße 1, 04109 Leipzig Intendant: Sebastian Hartmann www.schauspiel-leipzig.de 16 www.schauspiel-leipzig.de