Magazin Juli 2015 (2,2 MiB) - Freiburger Barockorchester

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Magazin Juli 2015 (2,2 MiB) - Freiburger Barockorchester
A b o u t
Baroque
Das Magazin des Freiburger Barockorchesters
Juli | 2015
2. Jahrgang
Residenz in
Aix-en-Provence II
Kantaten mit
Philippe Jaroussky
Brandenburger
in Italien
Der zweite Sommer mit Freiburger
Klängen in der Provence
Ein Sängerstar entdeckt für sich
Bach und Telemann
Mit der Visitenkarte des FBO
ins Land des Concerto grosso
Ihringer
Barriqueorchester
Ausblick
Liebe Freunde des Freiburger Barockorchesters,
wir freuen uns, Ihnen mit der vorliegenden Ausgabe von About
Baroque das erste Heft aus dem zweiten Jahrgang unseres Magazins
präsentieren zu können. Auf dem Titelbild sehen Sie einen Ausschnitt vom Konzerthaus Freiburg mit dem FBO-Banner über dem
Eingang, wie vor jedem unserer Konzerte. Die Saison 2015 |16 ist
die zwanzigste Konzertsaison des Freiburger Barockorchesters im
Konzerthaus! Kein Wunder, dass unsere Konzerte hier als „Heimspiel“ laufen. Auch in der Stuttgarter Liederhalle und der Berliner
Philharmonie haben wir seit der Saison 1999/2000 eine eigene
Konzertreihe, in der sich unsere Musiker ebenfalls zuhause fühlen.
Freiburg, Stuttgart, Berlin: Diese drei Heimspielorte bilden die
Konstante innerhalb eines reichhaltigen Tourneekalenders. An diesen
Orten erproben unsere Musiker besondere Programmideen, musikalische Entdeckungen, aufführungspraktische Eigenheiten im Zusammenspiel mit einem vertrauten Publikum, das sie regelmäßig in ihrem
Konzertsaal erlebt. Manchmal sind „Heimspiele“ Ausgangspunkt oder
hochwillkommener Zwischenstopp einer internationalen Konzerttournee.
Womit wir bei den „Auswärtsspielen“ angelangt wären, dem zweiten
Standbein des Freiburger Barockorchesters, von denen unsere
„Heimspiele“ genauso profitieren. Schon ihre große Anzahl und die
Exklusivität der Auftrittsorte sprechen für sich: Festival International d’Art Lyrique d’Aix-en-Provence, Concertgebouw Amsterdam,
Liceu Barcelona, Wiener Musikverein, Lincoln Center New York…
About Baroque gibt Ihnen einen detaillierten Ausblick auf sämtliche „Heimspiele“ und „Auswärtsspiele“ des Freiburger Barockorchesters in den nächsten zwölf Monaten. Als inhaltliches Portfolio
begnügt sich unser Magazin nicht mit der bloßen Annoncierung der
einzelnen Projekte. Es möchte Sie vielmehr mit den inneren Zusammenhängen und musikalischen Besonderheiten unserer Programme
vertraut machen. Damit werfen Sie einen Insiderblick auf die Arbeit
unserer Musiker und sind zugleich bei jedem ihrer Auftritte mit
von der Partie: als interessierte Leser oder (im schönsten Fall) als
neugierige Hörer, nachdem Sie die vorliegende Ausgabe von About
Baroque gelesen haben.
In jedem Fall wünschen wir Ihnen eine anregende Lektüre!
Ihr FBO
Weingut Dr. Heger · Weinhaus Heger
Bachenstraße 19 -21 · D-79241 Ihringen/Kaiserstuhl
Tel. +49 (0)7668 - 995110 · www.heger-weine.de
DR. HEGER
3
Musikalische Horizonte
6 | 7 Residenz in Aix-en-Provence II
Der zweite Sommer mit Freiburger Klängen in der Provence
8 | 9 Orfeo alla danza
Sasha Waltz und das Freiburger BarockConsort: der Tanz geht weiter
10 | 11 When I am laid in earth
17. Jahrhundert trifft Gegenwart
12 | 13 Bach und Kollegen
Gipfeltreffen mit Thomaskantor und geschätzten Zeitgenossen
14 | 15 Don Giovanni konzertant
René Jacobs und das FBO verführen mit Mozarts „Oper aller Opern“
16 | 17 Ensemble-Akademie Freiburg 2015
Zwei Ensembles unterrichten Alte und Neue Musik im Dialog
18 | 19 Le rivali concordi
Eine musikalische Ausgrabung kehrt zurück nach Hannover
20 | 21 Grand Concert pour Louis XIV.
Musik für den Sonnenkönig aus seinem engsten Kreis
22 | 23 Mozart mit (und ohne) Christian Gerhaher
Dreamteam on tour
24 | 25 Wiener Dreigestirn
Der moderne Klang einer historischen Sitzordnung
26 | 27 Alte Musik für junge Ohren
Lebendiger geht nicht: die Jugendarbeit des FBO
28 | 29 Kantaten mit Philippe Jaroussky
Ein Sängerstar entdeckt für sich Bach und Telemann
30 | 31 Silvesterkonzert
Bachs „Weihnachtsoratorium“ als perfekte Musik zum Jahreswechsel
32 | 33 Al modo d’Orfeo
Hommage im Kleinen mit Kammerkantaten und Konzerten
34 | 35 10 Jahre Theater an der Wien
René Jacobs und das FBO gratulieren mit Mozarts „Idomeneo“
36 | 37 Telemanns „Seliges Erwägen“
Ein selten gespieltes Passionsoratorium zur Vorosterzeit
38 | 39 Brandenburger in Italien
Mit der Visitenkarte des FBO ins Land des Concerto grosso
40 | 41 Spaß und Sport
Ein musikalischer Vorgeschmack auf die Olympischen Spiele
42 | 43 Beethovens Missa Solemnis mit dem Kreuzchor
Dresden ist immer eine Messe wert
44 | 45 Tritt auf die Glaubensbahn
Weimarer Kantaten: so jung war Bach nie wieder!
4
5
Residenz in
Aix-en-Provence II
W. A. Mozart
„Die Entführung aus dem Serail“ KV 384 **
Jane Archibald
Konstanze
Daniel Behle
Belmonte
Rachele Gilmore
Blondchen
David Portillo
Pedrillo
Franz-Josef Selig/Mischa Schelomianski
Osmin
G. Fr. Händel
„Alcina“ HWV 34 *
Patricia Petibon
Alcina
Philippe Jaroussky
Ruggiero
Anna Prohaska
Morgana
Anthony Gregory
Oronte
Katarina Bradic
Bradamante
Tobias Moretti
Bassa Selim
Martin Kusej
Regie
Chor MusicaAeterna
Freiburger Barockorchester
Jérémie Rhorer
Dirigent
KONZERT ***
J. C. de Arriaga, Ouvertüre zu
„Los Esclavos Felices“
L. v. Beethoven, Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll op. 37
Krzysztof Baczyk
Melisso
F. Mendelssohn, Sinfonie Nr. 3 a-Moll op. 56
„Schottische“
Katie Mitchell
Regie
Kristian Bezuidenhout
Hammerklavier
Freiburger Barockorchester
Freiburger Barockorchester
Andrea Marcon
Dirigent
Pablo Heras-Casado
Dirigent
Festival International d’Art Lyrique d’Aix-en-Provence
2., 4., 10., 12., 16., 18., 20. Juli 2015 | 19 Uhr
Aix-en-Provence (F), Grand Théâtre de Provence *
3., 6., 8., 11., 13., 17., 21. Juli 2015 | 21.30 Uhr
Aix-en-Provence (F), Théâtre de l’Archevêché * *
15. Juli 2015 | 20 Uhr
Aix-en-Provence (F), Grand Théâtre de Provence * * *
Der erste Teil der auf drei Jahre angelegten Residenz beim Festival International
d’Art Lyrique d’Aix-en-Provence war eine großartige Erfahrung für die Musiker
des FBO. 2014 brillierten sie als Opernorchester mit Händels „Ariodante“ und
Mozarts „Zauberflöte“ sowie als Konzertorchester mit einem Barock- und einem
Klassikprogramm. 2015 widmen sie sich erneut einer Händel- und einer MozartOper. Außerdem machen sie sich im Konzert auf den Weg in die Romantik.
Vielseitiger kann man sich kaum präsentieren.
Fährt man im Juli nach Aix-en-Provence, erlebt man nahezu
paradiesische Zustände. Sicher, das Wetter ist schön, die
Landschaft herrlich, eine ausgezeichnete Küche und feine
Weine locken. Das kann man hier auch in anderen Monaten
haben. Aber nur im Juli dreht sich alles ums örtliche Festival,
die ganze Stadt ist geflaggt mit seinen Farben, und an jeder
Ecke sieht man ins Gespräch vertiefte oder sinnend vor sich
hin flanierende Menschen, bei denen sich alles eindeutig um
eben dieses Festival zu drehen scheint. Anders als beispielsweise in Salzburg geht es hier jedoch nicht ums Sehen und
Gesehen-Werden, um das internationale Klassentreffen eines
kulturellen Jetsets. Dem stehen provenzalische Lebensart, das
beschauliche Aix und die vor allem örtliche Verwurzelung des
Festivals in eben dieser beschaulichen Stadt entgegen, denn
die frühere Hauptstadt der Provence existiert in den anderen
Monaten des Jahres ohne das Festival genauso idyllisch und
genießerisch weiter. Umgekehrt sind es nicht zuletzt seine
Unabhängigkeit und sein Flair, die dieses Festival so besonders machen.
Vielleicht ist das ja einer der Gründe, warum die Musiker vom
Freiburger Barockorchester aus der kleinen, süddeutschen
Universitätsstadt so gut nach Aix passen: Vieles kommt ihnen
hier sehr bekannt vor. Dafür sind sie bereit, einige Strapazen
auf sich zu nehmen, die ihren Kollegen aus traditionellen
Sinfonieorchestern fremd sein dürften: Für die beiden Opern,
die in unterschiedlichen Stimmtonhöhen zu spielen sind
(Händels Alcina in 415 Hz, Mozarts Entführung aus dem Serail
in 430 Hz), verwenden sie unterschiedliche Instrumente –
barocke und klassische. Vor allem für die Bläser macht dies
einen eklatanten Unterschied, und da die Opern täglich
alternierend auf dem Spielplan stehen, haben sie einige
Herausforderungen zu meistern. Glücklicherweise gilt der
klassische Stimmton auch für das Konzertprogramm, die
„Morgenröte der Romantik“ aus der vergangenen Saison, da
man zu Mendelssohns Zeiten seine Werke noch mit dem
Instrumentarium der Wiener Klassik aufführte. Historische
Aufführungspraxis beinhaltet eben auch gewisse Grenzen;
sie zu überschreiten erfordert Kreativität und Flexibilität. Vor
allem, wenn man als Opernorchester auch noch teilweise in
die Bühnenhandlung eingebaut wird, wie es Simon McBurney
in der letztjährigen Zauberflöte mit dem FBO getan hat.
Wie es in diesem Jahr werden wird – wer weiß? Gerade
Martin Kusej, der Regisseur der Entführung aus dem Serail,
ist für unkonventionelle Ideen bekannt…
6
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Orfeo alla danza
C. Monteverdi
„L’ Orfeo“
Sasha Waltz
Regie
Alexander Schwarz
Bühnenbild
Sasha Waltz & Guests
Tanzcompagnie
Torsten Johann
Leitung
Georg Nigl
Orfeo
Anna Lucia Richter
Euridice / La Musica
Charlotte Hellekant
Messaggiera / La Speranza
Douglas Williams
Caronte
Konstantin Wolff
Plutone
Luciana Mancini
Proserpina
Vocalconsort Berlin
Freiburger BarockConsort
1., 2., 3., 5., 6. Juli 2015 | 19.30 Uhr
Berlin, Staatsoper im Schillertheater
20., 21., 23., 24. Mai 2016 | 20 Uhr
Lille (F), Opéra
In Amsterdam, Luxemburg und Bergen hat Monteverdis getanzter „Orfeo“ von
Sasha Waltz mit ihrer Tanzcompagnie und dem Freiburger BarockConsort für
Furore gesorgt. Das Publikum staunte über die tänzerische Qualität dieser
Oper und über die Selbstverständlichkeit, mit der die Musiker aus Freiburg mit
Tänzern wie Sängern agierten, sich sogar auf der Bühne unter sie mischten.
Jetzt geht der Tanz weiter, mit Aufführungen in Berlin und Lille.
Die besten Ideen sind ganz einfach (man muss allerdings erst
einmal darauf kommen). So wie die von Sasha Waltz zu
Claudio Monteverdis Orfeo. Eine getanzte Inszenierung würde,
so dachte sich die Choreografin, der ersten Oper der Musikgeschichte im wahrsten Sinne des Wortes auf die Sprünge
helfen. Darunter ist nicht einfach nur die Mitwirkung von
Tänzern zu verstehen – nein: hier ist alles Tanz, die Sänger
werden ebenso von den Tänzern angesteckt wie die Musiker
vom Freiburger BarockConsort, die sich auf der Bühne (zu
deren beiden Seiten sie ansonsten platziert sind) gelegentlich
unter die Protagonisten mischen. Das lebendige Ergebnis
verblüfft, denn es scheint, als hätte diese Oper nie anders
als in dieser Form existiert. Und das Publikum erlebt nichts
weniger als die Wiederauferstehung eines Gesamtkunstwerks
aus Musik, Bühne, Tanz.
Maß an Freiraum für Musiker und Sänger zur Entfaltung
ihrer eigenen Persönlichkeit. Siehe Georg Nigl.
Doch dieses Projekt ausschließlich an der beflügelnden
Wirkung des Tanzes festzumachen, greift zu kurz. Nicht umsonst wird in dieser Oper die Wirkung von Musik verhandelt
und die Macht des Gesangs zum Thema gemacht. Verkörpert
wird letzteres durch die Gestalt des Sängerhalbgotts Orpheus,
und Georg Nigl ist ein außergewöhnlicher Orfeo: „Nigl ist das
Herzstück des Abends, ein Monomane, ein Leidensmann, ein
Meisterhedonist und ein Megavirtuose. So hemmungslos wie
Nigl das Glück aussingt, endlich Euridice rumgekriegt zu
haben, so hemmungslos jammert er auch über ihren Verlust
in der Unterwelt“, hat Reinhard Brembeck in der Süddeutschen
Zeitung über die Amsterdamer Premiere geschrieben. Auch
dieses Lob spricht für die Qualität der Inszenierung, in der
„Orfeo alla danza“ nicht den bloßen Tanz meint, sondern
von einer Rückbesinnung auf das Körperliche in einer Oper
durch den Tanz ausgeht. Dazu gehört auch ein gerütteltes
Das Risiko hat sich gelohnt: Der Orfeo ist so lebendig wie
nie zuvor…
Dass umgekehrt hiervon auch die Tänzer Impulse erhalten
sollen, ist Teil des Plans. Und ist durchaus riskant, wie die
Financial Times nach der Amsterdamer Premiere analysiert:
„Das Problem in der Kombination von Tänzern und Sängern
ist, dass sich beide gegenseitig keinen Gefallen zu tun
scheinen. Die Sänger lassen die Tänzer stumm und die
Tänzer die Sänger steif aussehen. In ihrer neuen Produktion
von Monteverdis Orfeo für die Nederlandse Opera hat Sasha
Waltz gleich beide Probleme gelöst. Ihre Sänger tanzen, und
ihre Tänzer singen. Das Ergebnis ist eine nahezu perfekte
Synthese zweier Genres, ein nahtloser Fluss von Klang und
Bewegung.“
8
9
When I am laid in earth
William Lawes (1602 – 1645)
Set a 5 in C major
Zwischen den Berliner Aufführungen von Monteverdis „Orfeo“ ist das Freiburger
BarockConsort im Schillertheater auch in zwei Konzerten zu hören. Ihr Programm
schlägt eine Brücke zwischen der Musik Monteverdis aus dem 17. Jahrhundert
und der des zeitgenössischen Komponisten Toshio Hosokawa, dessen Oper
„Matsukaze“ (wie der „Orfeo“ inszeniert von Sasha Waltz) ebenfalls im Rahmen
des INFEKTION!-Festivals aufgeführt wird. „When I am laid in earth“ verbindet
Stücke von Henry Purcell und seinen Zeitgenossen mit Werken, die im Auftrag
des WDR für das „Witten In Nomine Broken Consort Book“ geschrieben worden
sind. Eine spannende Mischung über die Jahrhunderte.
Bryn Harrison (*1969)
In nomine after William Byrd
Salvatore Sciarrino (*1947)
In Nomine Nominis
Henry Purcell (1659 – 1695)
„Thy hand Belinda“ – „When I am laid in earth“
(aus „Dido and Aeneas“ Z. 626)
Isabel Mundry (*1963)
Der letzte Seufzer
Henry Purcell
Oh Solitude Z. 406
Claus-Steffen Mahnkopf (*1962)
requiescant in pace. In memoriam victimarum
christianitatis
Anthony Holborne (1545 – 1602)
The Image of Melancholy
Toshio Hosokawa (*1955)
A song from far away – in Nomine
Manchmal sind Dramaturgen besonders glückliche Menschen,
nämlich dann, wenn sie aus der Not eine Tugend zu machen
und aus zwei auf den ersten Blick unvereinbaren Klangwelten
ein schlüssiges Ganzes zu formen haben. Wie schlägt man
eine musikalische Brücke zwischen L’Orfeo von Claudio
Monteverdi, der ersten Oper der Musikgeschichte, und der
Oper Matsukaze von Toshio Hosokawa, deren Stoff auf einem
Klassiker des japanischen Nô-Theaters basiert?
Thomas Tallis | Gérard Pesson (*1958)
In nomine – instrumentation colorée II
Henry Purcell
If music be the food of love Z. 379
Henry Purcell
Sweeter than roses Z. 585
Brice Pauset (*1965)
In stilo fantastico
Matthew Locke (1610 – 1677)
Suite No. 1 in D minor
Klaus Huber (*1924)
In Nomine – Ricercare il nome
Mitglieder der Staatskapelle Berlin
Dorothee Mields
Sopran
Freiburger BarockConsort
4. und 7. Juli 2015 | 20 Uhr
Berlin, Staatsoper im Schillertheater | INFEKTION ! Festival für Neues Musiktheater
Schon die Idee der Berliner Staatsoper, in ihrem Festival
L’Orfeo und Matsukaze nebeneinander zu stellen, ist absolut
faszinierend: Beide Opern beziehen sich auf eine Art theatralische Urform, Monteverdis Oper erzählt als Gründungsdokument der europäischen Gattung einen der ältesten
Mythen der Musik, und Hosokawas Komposition aus dem
Reich des Nô-Theaters geht zurück auf eine japanische
Theaterform des 14. Jahrhunderts, deren Stücke meist aus
der Mythologie stammten und sowohl gesungen als auch
getanzt aufgeführt wurden. Diese Parität von Gesang und
Tanz findet sich in beiden Inszenierungen von Sasha Waltz
und verbindet beide Opern miteinander. Hinzu kommt, dass
die Geschichte von Matsukaze wie eine Art Negativfolie zu
der des Orfeo wirkt: Das Stück handelt von zwei Schwestern,
die, von unerfüllter Zuneigung zu einem Mann beherrscht,
als Totengeister ins Diesseits zurückkehren (also genau umgekehrt zur Geschichte von Orpheus, der als Lebender zu
seiner verstorbenen Frau in das Reich der Toten hinabsteigt,
um sie zurückzuholen).
Einen ähnlichen Bezug zwischen Werken aus weit voneinander entfernten Jahrhunderten beinhaltet das Konzertprogramm vom Freiburger BarockConsort. So wie die beiden
Opern auf älteres (mythologisches) Material zurückgreifen,
bezieht sich das vom ensemble recherche initiierte „Witten
In Nomine Broken Consort Book“ auf die englische „In
nomine“-Tradition des 16. und 17. Jahrhunderts. Zugleich
lassen sich die zeitgenössischen Kompositionen dieser offenen Sammlung (die beständig weiterwächst) wunderbar
mit Originalwerken aus dem England des 17. Jahrhunderts
kombinieren. Den Kern des Programms bildet das titelgebende Lamento der Dido aus Purcells Oper Dido and
Aeneas: „When I am laid in earth“. Stilistisch bezieht sich
Purcell eindeutig auf die italienischen Lamenti vom Ende
des 17. Jahrhunderts, beispielsweise auf Giovanni Legrenzis
Lamento der Venus aus seiner Oper La divisione del mondo.
An Purcells Lamento schließt ausdrucksstark Isabel Mundrys
Der letzte Seufzer an, erneut gefolgt von Purcells Song
Oh Solitude, an den wiederum Claus-Steffen Mahnkopfs
requiescant in pace. In memoriam victimarum christianitatis
andockt, ein im unteren Schallbereich angesiedeltes Stück,
das nicht nur die Stimmung des Purcell-Songs aufzugreifen
scheint, sondern zugleich in Anthony Holbornes Image of
Melancholy überleitet. In diesem Programm ergänzen, erläutern sich Alte und Neue Musik gegenseitig und kreieren
eine ganz eigene, gemeinsame musikalische Atmosphäre.
Am Ende ist die Trennung zwischen den Jahrhunderten
aufgehoben. Was bleibt, ist ein Universum des Augenblicks.
11
10
Bach und Kollegen
Im August 2015 erscheint eine Doppel-CD mit sieben Cembalokonzerten von
Johann Sebastian Bach bei harmonia mundi France: mit Andreas Staier und dem
Freiburger Barockorchester unter der Leitung von Petra Müllejans. Auf einer
großangelegten Tour, die bis in den Februar 2016 reicht, präsentieren die Musiker
drei der Cembalokonzerte in Kombination mit Werken von Komponistenkollegen
des Thomaskantors, mit denen er entweder persönlich zu tun hatte, oder deren
Musik er kannte und schätzte.
G. Ph. Telemann
Ouvertüre B-Dur TWV 55: B 1 und
Conclusion B-Dur TWV 50:10
(aus: Musique de Table, III. Production)
J. S. Bach
Cembalokonzert f-Moll BWV 1056
J. Fr. Fasch
Concerto d-Moll für Violine und Oboe FWV L:d 4
J. D. Zelenka
„Hipocondrie“ à 7 Concertanti ZWV 187
J. S. Bach
Cembalokonzert g-Moll BWV 1058
Cembalokonzert A-Dur BWV 1055
Andreas Staier
Cembalo
Susanne Regel *
Oboe
Ann-Kathrin Brüggemann
Oboe
Freiburger Barockorchester
Petra Müllejans
Violine und Leitung
1. Februar 2016 | 20.15 Uhr
Groningen (NL), De Oosterpoort
22. August 2015 | 20.15 Uhr
Basel (CH), Martinskirche *
24. August 2015
Santander (E), Festival *
26. August 2015
Warschau (PL), Polskie Radio (W. Lutoslawski Studio) *
3. September 2015 | 20 Uhr
Barockkloster St. Mang, Kaisersaal | Festival Vielsaitig *
3. Februar 2016 | 20 Uhr
Wangen/Allgäu, Stadthalle
4. Februar 2016 | 20 Uhr
Stuttgarter Liederhalle, Mozartsaal
5. Februar 2016 | 20 Uhr
Konzerthaus Freiburg, Rolf-Böhme-Saal
8. Februar 2016 | 20 Uhr
Berliner Philharmonie, Kammermusiksaal
31. Januar 2016
10. Februar 2016
Antwerpen (B), Amuz | Festival van Vlaanderen
Ljubljana (SLO), Cankarjev Dom
Kann man sich den einzigartigen Bach in einer kollegialen
Gesprächsrunde mit anderen Komponisten seiner Zeit vorstellen? Schwerlich. Dafür ist unser Bild von Bach einfach zu
sehr von seiner einsamen musikalischen Größe bestimmt. Tatsächlich kannte Bach einige seiner zeitgenössischen Kollegen.
Mit Georg Philipp Telemann hatte er sich in seiner Zeit am
Weimarer Hof (1708 – 1717) angefreundet, als dieser im
nicht weit entfernten Eisenach als Hofkapellmeister wirkte
(1708 – 1712). 1714 machte Bach ihn sogar zum Patenonkel
seines Zweitgeborenen Carl Philipp Emanuel. Telemanns
Musique de Table von 1733 war ein großer Wurf, der für
Aufsehen sorgte: als kompositorisches Vademecum sämtlicher
Instrumentalgattungen und Stile des Barock und als verlegerische Großtat einer europaweit zur Subskription angebotenen
Werkausgabe. Eine Werkausgabe, die Bach natürlich kannte,
und die von Händel nicht nur subskribiert, sondern auch für
eigene Kompositionen als „Anregung“ genutzt wurde…
Den seit 1710/11 in Dresden engagierten Jan Dismas Zelenka
kannte der ab 1723 in Leipzig wirkende Thomaskantor ebenfalls persönlich. Ursprünglich Kontrabassist in der berühmten
Dresdner Hofkapelle, machte sich Zelenka in der Elbmetropole schnell als versierter Komponist – vor allem von
Kirchenmusik – einen Namen. Faktisch leitete er zwischen
1728 und 1733 die Hofkapelle als Kapellmeister, doch wurde
ihm eine tatsächliche Ernennung stets verwehrt (die stattdessen Johann Adolph Hasse 1734 erhielt). Immerhin ernannte
Friedrich August II. Zelenka 1735 zum Kirchen-Compositeur.
Bach, der mit vielen Mitgliedern der Hofkapelle in Kontakt
stand und 1736 den Ehrentitel eines Königlich-Polnischen
und Kurfürstlich-Sächsischen Hofcompositeurs erhielt, schätzte
dessen Musik sehr, wie sein Sohn Carl Philipp Emanuel später
zu berichten wusste. Zelenkas Orchestermusik bildet zwar
nur eine kleine Abteilung innerhalb seines Œuvres – dafür ist
sie sehr eigenständig (fast schon eigensinnig) und ausdrucksstark. Seine Hipocondrie überrascht den Hörer immer wieder
mit abrupten Wechseln in Harmonik, Rhythmik und Melodik.
In der perfekten Handhabung des Orchestersatzes zeigt sich,
dass Zelenka obendrein im besten Ensemble seiner Zeit
spielte. Hipocondrie ist eines der Leib- und Magenstücke des
Freiburger Barockorchesters.
Anders verhält es sich mit Bach und Johann Friedrich Fasch:
Persönlich kannten sie sich nicht, obwohl sich ihre biographischen Lebenslinien durchaus kreuzten, sei es über
gemeinsame Bekannte (Telemann, Pisendel, Zelenka) oder
bei der gleichzeitigen Bewerbung um das Amt des Leipziger
Thomaskantors. Letztere zog Fasch allerdings wieder zurück,
als er 1722 am Hof von Anhalt-Zerbst eine Lebensstellung
als Kapellmeister erhielt. In seiner Zeit wurde er als „der
berühmte Herr Capellmeister Fasch zu Zerbst“ geschätzt
(Friedrich Wilhelm Marpurg, Historisch-Kritische Beyträge zur
Aufnahme der Musik von 1756). Viele seiner Werke kursierten
in Abschriften im mitteldeutschen Raum, außerdem sorgten
Faschs Bekannte für ihre Verbreitung. So kann man davon
ausgehen, dass Bach Faschs Musik durchaus gekannt, ja vielleicht sogar zum Teil in der eigenen Konzertreihe im CafeéHauß Zimmermann aufgeführt hat. Immerhin benötigte er ein
großes Repertoire für die Programme dieser Konzertabende,
in denen er selbst auch mit seinen Cembalokonzerten als
Orchesterleiter und Solist wirkte.
Bach und Kollegen ermöglicht uns Heutigen ein inspiriertes
Gipfeltreffen großer Barockkomponisten in trauter Runde,
das den Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts so nie vergönnt
gewesen ist.
13
12
konzertant
Don Giovanni
W. A. Mozart
Il dissoluto punito ossia Il Don Giovanni
KV 527 (konzertant)
[Prager Fassung mit zwei Wiener Ergänzungen]
Johannes Weisser
Don Giovanni
Birgitte Christensen
Donna Anna
Jeremy Ovenden
Don Ottavio
Alex Penda
Donna Elvira
Marcos Fink
Leporello
Tareq Nazmi
Masetto & Il Commendatore
Sunhae Im
Zerlina
Kühn Choir of Prague*
Camerata Vocale Freiburg **
Freiburger Barockorchester
René Jacobs
Dirigent
10. September 2015 | 20 Uhr
Prag (CZ), Rudolfinum | Dvořák Festival *
12. September 2015 | 19 Uhr
Freiburg, Konzerthaus **
Nach Spanien, China und Paris beglücken René Jacobs, das Freiburger Barockorchester und eine großartige Sängerbesetzung nun Prag und Freiburg mit der
„Oper aller Opern“: Mozarts „Don Giovanni“ verkörpert ein Musiktheater, wie
man es kein zweites Mal zu hören bekommt. Erst recht nicht im Konzertsaal,
wenn sich René Jacobs noch dazu eine halbszenische Inszenierung einfallen
lässt, die selbst eingeschworene Opernaficionados die fehlende Theaterbühne
mit allem Drum und Dran vergessen lässt.
Verfolgt man genauer die Arbeit von René Jacobs, dann
verblüffen immer wieder sein Mut zu unkonventionellen
Entscheidungen sowie die Bereitschaft, früher getroffene
musikalische Entscheidungen zu überdenken, ja sogar noch
einmal ganz anders zu realisieren. Mozarts Don Giovanni ist
hierfür ein gutes Beispiel. 2006, bei den Innsbrucker Festwochen, hatte Jacobs mit dem Freiburger Barockorchester
noch philologisch sauber zwischen der früheren Prager und
der späteren Wiener Aufführungsgestalt des Werks unterschieden (und deshalb zwei unterschiedliche Opernabende
einstudiert). 2015, im Rahmen einer großen konzertanten
Tour, entscheidet er sich für die an internationalen Opernbühnen übliche Mischfassung mit beiden Don-Ottavio Arien
(„Dalla sua pace“ und die in Wien eigentlich anstelle der
ersten eingefügte „Il mio tesoro intanto“) sowie mit dem für
die Sängerin der Donna Elvira in Wien hinzukomponierten
Recitativo accompagnato „In quali eccessi, o numi“ und
der Arie „Mi tradì qu’ell alma ingrata“. Warum – etwa aus
wissenschaftlicher Laxheit? Ganz und gar nicht: aus purer
Spielfreude!
Ursprünglich gar nicht als Opernlibretto vorgesehen, handelt
es sich bei der Geschichte des Don Giovanni um ein aus
mehreren Versatzstücken zusammengesetztes Stück mit
springender, nicht immer logisch verlaufender Handlung,
die an wechselnden Orten stattfindet. Es enthält groteskkomische und tragische Elemente, garniert mit der Sphäre
des Übernatürlichen und Wunderbaren, eine Vielfalt, die
jeder dramatischen Regel spottet. Mozart und sein Librettist
Da Ponte sahen hier ihre Chance, vor allem, weil gerade Prag
eine spezifische Don Giovanni-Tradition vorzuweisen hatte,
auf die sie sich in zahlreichen Anspielungen beziehen konnten.
Der vielumjubelte Erfolg der Uraufführung ihres Il dissoluto
punito ossia Il Don Giovanni am 29. Oktober 1787 im Gräflich-Nostizschen Nationaltheater von Prag gab ihnen recht.
Übrigens führte Mozart damals selbst die Bühnenregie und
studierte die Szenen mit seinen Sängern ein. Nikolaus von
Nissen, Constanze Mozarts zweiter Mann, berichtet in
seiner Mozart-Biografie von 1828: „Mozart studirte selbst
die Rollen mit einem jedem der genannten Mitglieder ein.
Da nun bey der ersten Probe dieser Oper im Theater Signora
Bondini als Zerlina zu Ende des ersten Actes, da, wo sie vom
Don Juan ergriffen wird, nach mehrmaliger Wiederholung
nicht gehörig und in dem wahren Augenblicke aufzuschreyen
vermochte, so verließ Mozart das Orchester, ging auf die
Bühne, ließ die Scene noch einmal wiederholen und wartete
den Augenblick ab, ergriff sie dann in demselben so schnell
und gewaltig, dass sie ganz erschrocken aufschrie. So ist es
recht, sagte er dann, sie dafür belobend, zu ihr, so muss man
aufschreyen.“
Wie Mozart damals bringt René Jacobs heute seine (halb-)
szenische Deutung des Stücks auf die Konzertbühne, allerdings
ohne sich an den Sängern zu „vergreifen“. Für ihn bietet die
historisch verbürgte Besetzung der Rollen des Masetto und
Commendatore durch einen Sänger den Aufhänger, um die
bekannte Geschichte etwas anders zu erzählen: Masetto, dessen
Braut von Don Giovanni hartnäckig umworben und belästigt
wird, beschließt, sich an diesem zu rächen und sucht ihn in
der Verkleidung des ermordeten Commendatore heim…
15
14
Ensemble-Akademie
Freiburg 2015
Meisterkurse zur Aufführungspraxis
Alter und Neuer Musik
Freiburger Barockorchester und ensemble recherche
Eröffnungskonzert
G. Ph. Telemann: Ouvertüre B-Dur TWV 55: B1 und
Conclusion B-Dur TWV 50:10
(aus: Musique de Table, III. Production)
J. Fr. Fasch: Concerto d-Moll für Violine und Oboe
FWV L:d 4
A. v. Webern: Streichtrio op. 20
J. Xenakis: Dmaathen
B. Mantovani: L’ère de rien
Dozenten vom Freiburger Barockorchester und dem
ensemble recherche
Solo am Morgen
… mit Torsten Johann
… mit Gottfried von der Goltz, Violine
… mit Barbara Maurer
… mit Jean-Pierre Collot, Klavier
Abschlusskonzert
Musik aus dem 18. bis 21. Jahrhundert
Teilnehmer der Ensemble-Akademie
Eröffnungskonzert
16. September 2015 | 20 Uhr
… mit Barbara Maurer
18. September | 9 Uhr
Freiburg, Ensemblehaus
Ensemblehaus
Solo am Morgen …
… mit Torsten Johann
16. September | 9 Uhr
… mit Jean-Pierre Collot, Klavier
19. September | 9 Uhr
Ensemblehaus
Ensemblehaus
… mit Gottfried von der Goltz, Violine
17. September | 9 Uhr
Abschlusskonzert
20. September | 20 Uhr
Ensemblehaus
Ensemblehaus
In diesem Jahr geht die Ensemble-Akademie Freiburg in das elfte Jahr ihres
Bestehens. Was 2004 als einfache Meisterkurse von Musikern zweier Ensembles
begann, hat sich inzwischen zu einer Veranstaltung von internationaler Strahlkraft entwickelt, die unter dem gemeinsamen Dach des Ensemblehauses Alte und
Neue Musik miteinander verbindet. 2015 bietet das Freiburger Barockorchester
wieder einen Orchesterkurs an, in dem die Nachwuchsmusiker lernen, im
Ensemble ohne Dirigenten und auf historischen Instrumenten die Klangrede
eines Barockwerks zum Sprechen zu bringen.
Jedes Jahr veranstalten ensemble recherche und Freiburger
Barockorchester ihre Ensemble-Akademie Freiburg. Die Akademie wendet sich an fortgeschrittene Studenten und professionelle Musiker. Im Zentrum steht der Unterricht im
Ensemblespiel von Alter und Neuer Musik. Hinzu kommt
Einzelunterricht bei den Dozenten beider Ensembles, außerdem bietet das FBO alle zwei Jahre einen Orchesterkurs an,
der den Nachwuchsmusikern das dirigentenlose Spiel in einem
Barockorchester vermittelt. Zweifellos ein Alleinstellungsmerkmal, denn bisher bieten Musikhochschulen weder
Kammermusikkurse in Alter und Neuer Musik noch einen
Orchesterkurs im Spiel auf Barockinstrumenten an. Kein
Wunder, dass sich jedes Jahr im September durchschnittlich
80 Teilnehmer aus 15 Nationen auf den Weg nach Freiburg
machen, um in den Genuss dieser einzigartigen EnsembleAkademie zu kommen. Zweimal sind die Musiker beider
Ensembles sogar schon mit ihrer Akademie auf Tour gegangen.
2007 ging’s nach Mexiko, 2011 nach St. Pölten. Die EnsembleAkademie als Exportschlager – und als Finger am Puls der
Zeit: Einige Akademieteilnehmer haben inzwischen als Gastmusiker in Projekten des FBO mitgespielt (wie gerade erst im
Sommer 2014 beim Festival d’Art Lyrique d’Aix-en-Provence),
außerdem geht die internationale Entwicklung in der Musikerausbildung zunehmend weg vom Spezialistentum. Viele
Teilnehmer der Ensemble-Akademie melden sich inzwischen
für beides an – Alt und Neu. Les extrêmes se touchent…
von außen Hinweise geben und in Stimmproben das Ganze
vertiefen. Wichtig ist, dass die „Nachwuchsbarocker“ von
Anfang an die Arbeits- und Spielweise eines demokratisch
organisierten und vom Konzertmeisterpult aus geleiteten
Barockorchesters erleben und den Mut bekommen, eigene
Akzente in der gemeinsamen Ensemblearbeit zu setzen.
Am Beginn der Ensemble-Akademie steht das traditionelle
Eröffnungskonzert durch die Dozenten beider Ensembles, ihr
Ende markiert ein großes Abschlusskonzert, das ausschließlich von den Teilnehmern bestritten wird. Dazwischen liegen
morgendliche Vorträge und Kurzkonzerte, spannende Unterrichtseinheiten und inspirierende Begegnungen.
Im diesjährigen Orchesterkurs formieren sich die Akademieteilnehmer zu zwei Barockorchestern und studieren, angeleitet
von den FBO-Dozenten, Werke aus dem Kreis der Dresdner
Hofkapelle (Pisendel, Heinichen) ein. Erstmalig werden sich
die Dozenten nicht selbst ins Orchester setzen, sondern nur
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Le rivali concordi
A. Steffani
Le rivali concordi (Opernquerschnitt)
26. September 2015
Hannover, Galeriegebäude
Sunhae Im
Sopran
Miriam Feuersinger
Sopran
David Hansen
Alt
Knut Schoch
Tenor
Freiburger Barockorchester
Torsten Johann
Leitung
Im Mai, als Abschluss der vergangenen Konzertsaison, präsentierte das Freiburger
Barockorchester unter der Leitung von Cembalist Torsten Johann in seiner
Stuttgarter und Freiburger Konzertreihe eine echte Trouvaille: einen konzertanten Querschnitt durch Agostino Steffanis Oper „Le rivali concordi“. Im
September 2015 bringen sie die 1693 für den frisch gebackenen Kurfürsten
Ernst-August und sein neu gebautes Opernhaus komponierte Musik wieder an
ihrem Herkunftsort Hannover zum Klingen.
„Mit diesem Programm aus dem späten 17. Jahrhundert
sind die Freiburger hörbar wieder ganz bei sich“, schreibt
der Kritiker der Stuttgarter Zeitung zu dem konzertanten
Querschnitt durch Steffanis Le rivali concordi, der am 9. Mai
im Mozartsaal der Stuttgarter Liederhalle erklungen war.
Und er schwärmt von diesem bisher unbekannten Stück,
das FBO-Cembalist Torsten Johann da aus der Versenkung
geholt, geschickt auf die Essenz seiner Handlung gekürzt und
mit exzellenter Orchestermusik vom Hannoverschen Hof
Ende des 17. Jahrhunderts zu einem mitreißenden Konzertabend kombiniert hat: „Italienische Oper mit einer Prise
französischem Lully in den exzellenten Holzbläsern, das
mythologische Personal vermenschlicht und dem aufkommenden Rationalismus unterworfen. Eminent originell klingt,
wie Steffani die Begleitstimme der Vokalisten mit eigener
Motivik versieht, ganz unterschiedlich besetzt und damit auch
innerhalb einer Arie wechselt: mit feinen chromatischen
Effekten zur Vertiefung des Ausdrucks.“
Italienische Oper und Lully, Mythologie und Rationalismus:
Die elegante Verbindung dieser unterschiedlichen Strömungen
innerhalb eines Werks charakterisiert sehr gut die herausragende Persönlichkeit und die Qualität der Musik von
Agostino Steffani (1654 – 1728). Nach erster musikalischer
Ausbildung in Padua wird der erst vierzehnjährige Steffani
vom Münchner Kurfürsten an seinen Hof mitgenommen und
zum dortigen Organisten Johann Kaspar Kerll zur Ausbildung gegeben. Dieser bildet den Jungen im Cembalo- und
Orgelspiel aus und vermittelt ihm erste Grundlagen in der
Komposition. 1672 geht Steffani nach Rom zu Giacomo
Carissimi und Ercole Bernabei und komponiert dort seine
ersten Kirchenwerke. Mit Bernabei kehrt er 1674 nach
München zurück – dieser wird Hofkapellmeister, Steffani
Hoforganist. Bereits 1678 sehen wir ihn erneut auf Reisen,
diesmal nach Paris, wo er Jean-Baptiste Lully persönlich
kennenlernt, mit der französischen Oper in Kontakt kommt
und sogar vor Louis XIV. auf dem Cembalo glänzen darf.
Nach seiner Rückkehr ins Bayerische wird Steffani (der
nebenbei Theologie studiert hat) 1680 zum Priester geweiht.
1681 schreibt er seine erste Oper Marco Aurelio, die ganz dem
französischen Stil verpflichtet ist. Befördert zum Direktor der
Kammermusik, schreibt er weitere Opern für den bayerischen
Kurfürst Maximilian II. Emanuel, der den gewandten und
sprachbegabten Musiker (Steffani sprach neben Italienisch
Französisch, Deutsch, Spanisch und Latein) auch zunehmend
als Geheimdiplomaten einsetzt. Ein zweites Berufsfeld, dem
sich dieser mehr und mehr zuwenden wird – besonders ab
1688, dem Jahr, in dem er als Hofkapellmeister an den Hof
von Hannover wechselt. Der dortige Herzog Ernst-August
strebt nämlich nach der Kurfürstenwürde, die er 1692 nicht
zuletzt dank des Verhandlungsgeschicks seines Hofkapellmeisters auch erhält.
In der Oper Le rivali concordi kommen der geniale Musiker
wie der geschmeidige Diplomat Steffani zu Wort: Ihre mythologische Handlung mit wechselnden Allianzen, Heiratsinteressen, kriegerischen Auseinandersetzungen und einem
wahrhaft diplomatischen happy end bezieht sich stark allegorisch auf die damalige barocke Realität. In der Musik
wiederum verbindet Steffani souverän italienische und
französische Stilelemente zu einer eigenen Tonsprache,
einem style mixte avant la lettre, in dem fließende Wechsel
unterschiedlicher Affekte innerhalb einer Arie dem jeweiligen
Protagonisten ein beinahe psychologisches Profil verleihen.
Hannover kann sich auf einen besonderen Opernabend
freuen!
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Grand Concert pour
Louis XIV.
J. B. Lully
Prélude – Entrée d’Apollon – Menuet des Trompettes
(aus dem comédie-ballet „Les amants magnifiques“)
J. B. Lully
Suite aus „Les plaisirs de l’île enchantée“
M. Marais
„Les folies d’Espagne“
M.-R. de Lalande
Deuxième Fantaisie ou Caprice „que le Roi demandait
souvent“
(aus „Symphonies pour le souper du Roi“)
A. Campra
Suite aus dem opéra-ballet „Le carnaval de Venise“
J.-F. Rebel
Tombeau pour Monsieur de Lully
M.-R. de Lalande
Concert de Trompettes pour les festes sur le canal de
Versailles
Anstelle von M. Marais’ Les folies d’Espagne:
Fr. Geminiani, Concerto grosso d-Moll „La Follia“
(nach Corelli) *
3. Oktober 2015 | 14.15 Uhr
Amsterdam (NL), Concertgebouw *
7. Oktober 2015 | 20 Uhr
Köln, Philharmonie
8. Oktober 2015 | 20 Uhr
Berliner Philharmonie, Kammermusiksaal
11. Oktober 2015 | 20 Uhr
Stuttgarter Liederhalle, Mozartsaal
12. Oktober 2015 | 20 Uhr
Konzerthaus Freiburg, Rolf-Böhme-Saal
Hille Perl
Viola da Gamba
Jaroslav Roucek & Hannes Rux
Trompete
Charlie Fischer
Pauke
Freiburger Barockorchester
Gottfried von der Goltz
Violine und Leitung
Anlässlich des 300. Todestags von Louis XIV., dem „Roi de Soleil“, widmet ihm
das Freiburger Barockorchester ein Programm mit Werken von Komponisten
aus seiner engsten Umgebung. Die Regentschaft Louis’ XIV. steht für ein goldenes
Zeitalter der Künste – vor allem der Musik – in Frankreich, dessen charakteristischer Stil für ganz Europa richtungsweisend wurde. Das „Grand Concert pour
Louis XIV.“ des FBO zeichnet mit ausgewählten Musikwerken die schillernde
Größe und Farbigkeit der Persönlichkeit von „Louis le Grand“ nach, die bis
heute nichts von ihrer Faszination verloren hat.
„L’état c’est moi.“ Der Ausspruch wird immer noch hartnäckig Louis XIV. zugeschrieben in dessen Regentschaft
(1661 – 1715) sich alles auf seine Person konzentrierte:
die Macht des Staates und die inszenierte Pracht ihrer
Repräsentation. Den Künsten, dem Theater mit dem Ballett
an erster Stelle, kam dabei eine große Bedeutung zu, da sie
den Bedürfnissen des Monarchen nach eindrucksvoller Selbstdarstellung besonders entsprachen. Jean-Baptiste Lully, seit
1653 Compositeur de la musique instrumentale und ab 1661
Surintendant de la musique du roi, war fraglos die zentrale
Persönlichkeit im inneren Kreis um den König, den er denn
auch nachhaltig prägte. In jungen Jahren stand er zusammen
mit dem Monarchen als Tänzer auf der Bühne; sein Ballet
royal de la nuit gab Louis 1653 in der Hauptrolle des Sonnengottes Apollo die Gelegenheit zu einem effektvollen Auftritt,
der ihm wahrscheinlich den Spitznamen „Sonnenkönig“
eingebracht hat. Siebzehn Jahre später verabschiedete sich
der königliche Tänzer ebenso prominent von der Bühne, die
ihm die Welt eröffnet hatte: In dem von Lully und Molière
komponierten comédie-ballet Les amants magnifiques für den
Karneval im Februar 1670 tanzte Louis XIV. zum letzten
Mal. Das Entrée d’Apollon war der Tanz des Königs, und
mit ihm beginnt das Freiburger Barockorchester unter der
Leitung von Gottfried von der Goltz sein „Grand concert
pour Louis XIV.“
König verhaften und seinen Besitz beschlagnahmen. Außerdem beschloss er, das alte Jagdschloss seines Vaters zu einer
prunkvolleren Residenz auszubauen. So entstand die „Zauberinsel“ Versailles, deren Freuden (plaisirs) Lully 1664 für das
Eröffnungsfest besang.
Auch Jean-Baptiste Lullys Les plaisirs de l’île enchantée
markierte ein wichtiges Ereignis. Nachdem 1661 der königliche Finanzminister Nicolas Fouquet seinen Herrn in seinen
Palast in Vaux-le-Vicomte mit den überaus prachtvollen,
von André le Nôtre gestalteten Gartenanlagen zu einem
rauschenden Fest eingeladen hatte, ließ ihn der verärgerte
Aus diesem vielfältigen musikalischen Kosmos setzt sich das
Louis XIV. gewidmete „Grand concert“ zusammen, das von
den Musikern des Freiburger Barockorchesters in dem tieferen, samtig klingenden französischen Stimmton von 392 Hz
aufgeführt wird. Der König ist tot? Es lebe der König!
Einen anderen Illusionszauber für die „Zauberinsel Versailles“
schrieb André Campra 1699 für den König, indem er mit
seinem großangelegten opéra-ballet die gesamte Szenerie in
den Karneval von Venedig verlegte. Das Werk besteht aus einem
Prolog, drei Akten, einem italienischen (Orfeo nell’inferi:
Orpheus in der Unterwelt) und einem französischen divertissement (Le Bal). Die Kombination von italienischen und
französischen Stilmitteln zu einer franco-italienischen Eleganz
und Natürlichkeit ist typisch für Campra und charakterisiert
die von ihm erfundene Gattung des opéra-ballet.
Intimer wird es mit Michel-Richard de Lalandes Deuxième
Fantaisie ou Caprice, die vom König wohl besonders oft
gewünscht und die stets zu seinem (vom Hofstaat beobachteten) Zu-Bett-Gehen gespielt wurde. Dafür wählte der LullyNachfolger zarte Töne – anders als in seinem strahlenden
Concert de Trompettes. Jean-Féry Rebels tombeau für Lully und
Marin Marais’ virtuose Variationen über Les folies d’Espagne
gehören ebenfalls in die königliche Kammer.
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mit (und ohne) Christian Gerhaher
Mozart
W. A. Mozart *
„Pariser“ Sinfonie D-Dur KV 297
Arie „Rivolgete a lui lo sguardo“ KV 584
Arien aus Don Giovanni & Le nozze di Figaro
Klarinettenkonzert A-Dur KV 622
Kontretanz „Les filles malicieuses“ KV 610
Mit dem Bariton Christian Gerhaher und dem Freiburger Barockorchester
haben sich zwei ideale Partner gesucht und gefunden. Nach einer erfolgreichen
Tournee im Juli 2008, mit drei Konzerten in Lenox, New York und Montreal,
traf man sich zu einer erneuten Zusammenarbeit im Januar 2015. Zwei Konzerte
im heimischen Konzerthaus Freiburg standen im Kalender, dazu ein weiterer
Aufnahmetag für eine gemeinsame Mozart-CD, die gerade im Juni bei SONY
erschienen ist. Sie bildet den Ausgangspunkt für eine groß angelegte Konzerttournee, die das „dreamteam“ im Oktober 2015 nach Spanien, Luxemburg,
Italien und Schweden sowie im Februar 2016 von Köln über Wien in die USA
und zum Schluss nach Irland führen wird.
W. A. Mozart
„Linzer“ Sinfonie C-Dur KV 425
Concertone C-Dur KV 190
Klarinettenkonzert A-Dur KV 622
„Pariser“ Sinfonie D-Dur KV 297
Freiburg, in der ersten Januarhälfte 2015. Das FBO probt
unter der Leitung von Gottfried von der Goltz mit Christian
Gerhaher Arien aus Mozarts Le nozze di Figaro, Don Giovanni,
Die Zauberflöte sowie „Rivolgete a lui lo sguardo“, die ursprünglich für den Guglielmo in Così fan tutte vorgesehene
und später gestrichene Arie. Ein immenses Pensum ist zu
bewältigen, denn zu den vielen Arien kommen noch die
„Linzer“ Sinfonie KV 425, das d-Moll-Klavierkonzert KV 466
(mit Kristian Bezuidenhout), die Sinfonia concertante für
Bläser und Orchester KV 297B sowie ein paar kleinere
Orchesterwerke von Mozart hinzu. Aus ihnen bilden sich
zwei unterschiedliche Programme für zwei aufeinanderfolgende Konzertabende, die beide im Konzerthaus Freiburg
stattfinden – eins in der eigenen Konzertreihe des FBO und
eins bei den Albert-Konzerten. Der identische Konzertort ist
wichtig, denn die Arien und die Sinfonie werden von SONY
mitgeschnitten und (nach einem zusätzlichen Aufnahmetag)
zu einer CD zusammengefügt, die im Juni 2015 erscheint.
Christian Gerhaher *
Bariton
Lorenzo Coppola
Clarinette d’amour
Kathrin Tröger
Violine
Freiburger Barockorchester
Gottfried von der Goltz
Violine und Leitung
20. Oktober 2015
Barcelona (E), Liceu *
21. Oktober 2015
29. Oktober 2015
Stockholm (S), Konserthus*
30. Oktober 2015
18. Februar 2016
Budapest, Filharmonia*
25. Februar 2016 | 19.30 Uhr
Stavanger (S), Konserthus
New York (USA), Lincoln Center*
23. Oktober 2015
31. Oktober 2015
26. Februar 2016
25. Oktober 2015 | 20.30 Uhr
15. Februar 2016 | 20 Uhr
29. Februar 2016
28. Oktober 2015
17. Februar 2016
La Coruna (E) *
Luxemburg (L), Philharmonie *
Perugia (I), Teatro Morlacchi *
Göteborg (S), Konserthus *
Malmö (S), Konserthus
Köln, Philharmonie*
Wien (A), Musikverein*
Ithaca (USA), Cornell University*
Dublin (IRL), National Concert Hall *
Im Oktober 2015 und im Februar 2016 geht es dann auf zwei
ausgedehnte Tourneen, und zwar wieder mit zwei Programmen: eins mit Arien und Christian Gerhaher und eins als
„FBO pur“, mit zwei Mozart-Sinfonien, dem Klarinettenkonzert und dem wunderschönen, allerdings nur selten
gespielten Concertone für zwei Violinen KV 190. Der MozartAnsatz Gerhahers begeistert mit seiner unglaublichen Art
der Textdurchdringung. Hier ist ein Sprachkünstler des Liedgesangs am Werk, der keine Lautfärbung, keinen Wortakzent
und kein Punkt oder Komma unbedacht interpretiert, herausarbeitet. Gerade die Arien des Papageno aus Mozarts
Zauberflöte profitieren davon. „Für mich ist der Papageno
nicht einfach bloß der Naturkasper oder ein unwissender
Hanswurst“, sagt Christian Gerhaher, und seine Art, dessen
Arien fein und geradezu nobel zu singen, gibt dieser Figur
ein großes Maß an Würde zurück. „Er ist kein Intellektueller,
keiner von den Eingeweihten“, so Gerhaher, „hat aber ein
klares Gespür für das, was er ist und das, was er nicht ist.“
Auch hinter den Arien des ewigen Verführers Don Giovanni
sieht der Bariton menschliche Züge, die meistens übersehen
werden: „Die Canzonetta ‚Deh vieni alla finestra‘ singt er
mehr mechanisch als wirklich von Herzen kommend. Er
weiß, wie’s geht – hat er ja auch schon oft gemacht – und so
macht er es dann auch. Wie ein lange eingeübtes Ritual. Bei
‚Metà di voi qua vadano‘ ist das anders. Hier schickt er als
Leporello verkleidet die ihn jagenden Bauern in die Irre und
verprügelt danach den Masetto. Dieses Räuber-und-GendarmSpiel – das mag er!“ Man merkt, dass sich der Ausnahmesänger mit jeder einzelnen Rolle intensiv beschäftigt hat und
sie im Gesang lebt. Deshalb stellt sich bei ihm am Ende von
Don Giovannis Champagnerarie „Fin ch’han dal vino“ eine
totale körperliche Erschöpfung ein. Klar kalkuliert und
dennoch mit Haut und Haaren hat er sich in ihr den Rausch
des Titelhelden zu Eigen gemacht.
Vor den beiden Konzerten, am Ende der Probenphase, gibt
es nur noch strahlende Gesichter im Ensemblehaus. „Ich habe
mich bei Euch so unheimlich wohl gefühlt wie sonst kaum“,
gesteht Christian Gerhaher dem Orchester. Den Musikern
um Gottfried von der Goltz geht es genauso. Wie schön, dass
noch einige gemeinsame Konzerte vor ihnen liegen!
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Wiener Dreigestirn
Auch wenn Pioniere wie Nikolaus Harnoncourt die Werkzeuge und das Vokabular der historischen Aufführungspraxis in den letzten Jahrzehnten auf den Weg
gebracht haben, kann man heute immer noch kleine Entdeckungen machen,
die überraschend Neues zutage fördern. Dazu gehört eine historische Orchesteraufstellung, die Joseph Haydn ab 1793 für die Aufführung seiner zwölf „Londoner“
Sinfonien in den Hanover Square Rooms verwendet hat. Das FBO unter der
Leitung von Konzertmeister Gottfried von der Goltz bringt sie nun in den
Konzertsaal und nutzt sie außerdem für eine dirigentenlose Aufführung von
Beethovens „Pastorale“.
J. Haydn
„Londoner“ Sinfonie B-Dur Hob. I:98
W. A. Mozart
Klavierkonzert c-Moll KV 491
L. v. Beethoven
Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 „Pastorale“
Kristian Bezuidenhout
Hammerklavier
Freiburger Barockorchester
Gottfried von der Goltz
Leitung
12. November 2015 | 20 Uhr
Berliner Philharmonie, Kammermusiksaal
16. November 2015 | 20 Uhr
Konzerthaus Freiburg, Rolf-Böhme-Saal
17. November 2015 | 20 Uhr
Innsbruck (A), Congress
18. November 2015 | 20 Uhr
Stuttgarter Liederhalle, Mozartsaal
Sieht man diese Orchestersitzordnung zum ersten Mal,
kommt sie einem reichlich ungewöhnlich vor: links sitzt
zwar ein Pult erste Geigen, doch hinter ihnen ein Pult Bratschen und dahinter ein Pult Celli, Kontrabässe. Rechts dann
spiegelbildlich ein Pult zweite Geigen, Bratschen, Celli,
Kontrabässe. Die weiteren Geigen verteilen sich nach innen,
eingerahmt wird der Streicherkorpus von den im Halbkreis
angeordneten Bläsern. Und der Konzertmeister? Sitzt nicht
vorne links, sondern steht in der Mitte des Ensembles – vor
den Bläsern. Aber wenn das Orchester anfängt zu spielen,
überwältigt einen der Klang: fein durchmischt und genau
austariert, und der Eindruck drängt sich auf, eine moderne
Hifi-Anlage auf der Konzertbühne zu erleben. Ganz davon zu
schweigen, dass eine derartige Orchesteraufstellung tatsächlich keines Dirigenten bedarf. Alles ist auf Kommunikation
untereinander geeicht, der nach allen Seiten spielende und
dirigierende Konzertmeister (eine Paraderolle für Gottfried
von der Goltz) ist überall gut zu sehen und kann selbst
immer direkt ins musikalische Geschehen eingreifen.
Kein Wunder, dass Haydns „Londoner“ Sinfonien mit ihrer
präzis regulierten Klangregie als Prototyp einer modernen
Sinfonik gelten, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ihre
Gültigkeit besaß. Im Finale seiner Sinfonie Nr. 98 zieht er in
ihrem Autograph zusätzliche Notenlinien oberhalb der Systeme und notiert dort jeweils ein Violinsolo und ein Cembalosolo: ersteres für Johann Peter Salomon, den Impresario
und Konzertmeister, letzteres für sich selbst am Tasteninstrument. Auch das ist überaus modern, denkt man etwa
an heutige Rock- oder Jazzkonzerte, in denen sich einzelne
Bandmitglieder mit einer Soloimprovisation vorstellen.
Ein anderer musikalischer Fingerabdruck findet sich in
Wolfgang Amadé Mozarts Klavierkonzert c-Moll KV 491,
für das die Musiker mit Kristian Bezuidenhout wieder zur
traditionellen, nach Stimmen gegliederten Sitzordnung zurückkehren. Dieses Konzert aus dem Februar 1786 ist ein
typisches Autorenkonzert, das sich Mozart als Solist auf seine
geläufigen Finger komponiert hat. Doch weit mehr als ein
Virtuosenstück zur Selbstdarstellung hat der Komponist hier
ein modernes Konzept des Klavierkonzerts realisiert, das auf
kommende Epochen vorausweist (gerade Ludwig van Beethovens drittes Klavierkonzert ist diesem Konzert sehr verpflichtet). Mozart schreibt ein sinfonisches Klavierkonzert,
in dem vor allem die Bläser eine wichtige Rolle übernehmen
(es ist übrigens nur eins von drei Konzerten mit Klarinetten!). In seinem Zentrum steht der dialogische Austausch
zwischen Solist und Orchester, zwischen einzelnen Instrumentengruppen innerhalb des Orchesters – und zwischen
sämtlichen Musikern und einem mit- bzw. nachvollziehend
hörenden Publikum. Dieser vielfältige musikalische Dialog
– mit einem Solisten in den eigenen Reihen – funktioniert
nur in der traditionellen Sitzordnung des Orchesters.
Für Ludwig van Beethovens sechste Sinfonie, die „Pastorale“,
wagen die Musiker dann erneut das Experiment mit der
durchmischten Sitzordnung aus Haydns London. Gerade
einem Orchester ohne Dirigenten hilft sie sehr, da sie das
Orchester noch kompakter, kammermusikalischer zusammenschweißt und überdies den Konzertmeister für die Bläser
sehr gut sichtbar in der Mitte platziert. Mal sehen, wie das
Ganze im tobenden Gewitter der „Pastorale“ funktioniert…
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Alte Musik
für junge Ohren
Junge Menschen an Musik heranzuführen, lag den Musikern des Freiburger
Barockorchesters neben ihrer Konzerttätigkeit schon immer am Herzen. Allein –
es fehlten bisher die Gegebenheiten: Waren früher zum Beispiel Probenbesuche
von Schulklassen mit großem planerischem Aufwand verbunden, da das Ensemble
über keine eigenen Proben- und Arbeitsräume verfügte und die meisten seiner
Konzerte außerhalb Freiburgs gab (und immer noch gibt), so hat sich dies 2012
mit dem Einzug ins neue Ensemblehaus entscheidend geändert. Seitdem haben die
Musiker unterschiedliche Aktivitäten und Formate für Jugend- und Familienkonzerte entwickelt: „Alte Musik für junge Ohren“.
FBO’s Youth Sneak Preview
„Grand Concert pour Louis XIV.“
Familienkonzert
Vorweihnachtliche Musik mit vorgelesenen
Geschichten
Schülerkonzert
„Haydn: Der Zerstreute“
Freiburger Barockorchester
FBO’s Youth Sneak Preview
Sonntag, 4. Oktober 2015 | 17 Uhr
Freiburg, Ensemblehaus
Familienkonzert
Sonntag, 29. November 2015 | 11 Uhr und 15 Uhr
Freiburg, Ensemblehaus
Den Youth Sneak Preview des FBO gibt es inzwischen seit
drei Jahren. Sein Titel orientiert sich an den „Sneak Previews“ der Kinos, in denen ein Film schon vor seinem offiziellen Start einer ausgewählten Zuschauerschar präsentiert
wird. Hinter dem Preview des FBO verbirgt sich ein moderiertes Konzert für Schüler ab 10 Jahren, in dem ausgewählte
Stücke aus dem Programm eines Freiburger Abonnementkonzerts oder aus einem Tourprogramm erläutert und von
den Musikern erst in Ausschnitten und dann komplett gespielt werden. Natürlich handelt es sich hier um ein richtiges
Konzert und nicht um eine pädagogische Veranstaltung. Die
Moderation ergibt sich aus den Stücken und ist stark auf das
Spiel der Musiker, also ganz aufs Musikmachen zugeschnitten. Im Oktober werden die FBO-Musiker unter der Leitung von Gottfried von der Goltz den jungen Hörern Teile
aus ihrem „Grand concert pour Louis XIV.“ vorstellen und
sie mit der faszinierenden Welt des französischen Barock bekannt machen. Der Ablauf eines üblichen Konzerts wird im
Youth Sneak Preview auf den Kopf gestellt: Die Konzertpause
heißt hier „Konzertschlusspause“ und markiert das Ende des
ungefähr einstündigen Konzerts. Bei Brezeln und Saft können die jungen Hörer nach dem Konzert ihre Eindrücke verarbeiten; vor allem aber können sie die Musiker und ihre
Instrumente aus nächster Nähe kennenlernen, sie Löcher in
den Bauch fragen und dabei die in ihrem eigenen Bauch
genussvoll schließen…
Am 1. Advent bietet das FBO ein Familienkonzert an, mit
passender Musik zur Vorweihnachtszeit (auf Instrumenten
wie Schalmei, Pommer, Dudelsack), die stimmungsvoll mit
vorgelesenen Weihnachtsgeschichten kombiniert wird.
Wenn es dann schon kalt genug ist, gibt es bestimmt auch
einen heißen Glühwein dazu!
Das Schülerkonzert bezieht sich mit Joseph Haydns Sinfonie
„Il distratto“ (Der Zerstreute) auf das Programm „Spaß und
Sport“ vom April. Haydns Sinfonie ist da eindeutig für den
Spaß zuständig: Zu Beginn ihres fetzigen Presto-Finales
bricht plötzlich das ganze Orchester ab – und die Geigen
müssen ihre Saiten nachstimmen. Das hatten sie nämlich im
Eifer des Gefechtes „vergessen“… Die Musik wie auch ihre
Darstellung durch die Musiker dürfte für ein vergnügliches
und zwangloses Beisammensein mit den Schülern sorgen.
„Alte Musik für junge Ohren“: Lebendiger geht nicht!
Schülerkonzert
Mittwoch, 9. März 2016 | 11 Uhr
Freiburg, Ensemblehaus
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Kantaten mit
Philippe Jaroussky
5. Dezember 2015 | 20 Uhr
Le Sentier (F), Temple du Sentier
7. Dezember 2015 | 20.15 Uhr
Groningen (NL), De Oosterpoort
10. Dezember 2015 | 20 Uhr
Konzerthaus Berlin, Großer Saal
G. Ph. Telemann
Ouvertüre zu „Der für die Sünde der Welt leidende und
sterbende Jesus“ (Brockes Passion) TWV 5:1
J. S. Bach
Kantate BWV 82 „Ich habe genung“
Kantate BWV 170 „Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust“
G. Ph. Telemann
Kantate „Der am Ölberg zagende Jesus“ TWV 1:364
Kantate „Jesus liegt in letzten Zügen“ TWV 1:983
Philippe Jaroussky
Countertenor
Freiburger Barockorchester
Petra Müllejans
Leitung
Im Winter 2011 fand der „Jungfernflug“ des Freiburger Barockorchesters mit dem
Star-Countertenor Philippe Jaroussky statt. Mit einem Händel-Programm gaben
sie Konzerte in Freiburg, Halle, Hamburg, Berlin, Barcelona, La Coruna, und
wo sie auch auftraten, waren die Menschen aus dem Häuschen. Das lag natürlich an Jarousskys berückender Stimmkunst – aber auch an seinem kongenialen
Partner: dem FBO. Vier Jahre später, im Winter 2015, beginnt nun endlich
das nächste gemeinsame Projekt. Mit anderem Repertoire und einer gemeinsamen CD-Aufnahme.
Am Ende des Konzerts von Philippe Jaroussky und dem
Freiburger Barockorchester in der großen Berliner Philharmonie erhob das gesamte Publikum nach einer langen,
gerührten Stille von seinen Plätzen und spendete frenetischen
Beifall. „Alto Giove“, eine die Welt anhaltende, himmlische
Arie von Nicola Antonio Porpora, war gerade als zweite
Zugabe des Abends verklungen. Direkt nach diesem Konzert
sind sich alle Beteiligten einig: diese beglückende Zusammenarbeit schreit nach einer Fortsetzung! Doch in naher
Zukunft rufen andere Verpflichtungen, außerdem wird der
Sänger eine einjährige Auszeit nehmen. „Aber danach!“, verspricht er mit leuchtenden Augen.
Zwei Tage später überschlägt sich die nicht gerade für ihr
überkochendes Temperament bekannte Berliner Presse mit
Superlativen. „Jaroussky […] lebt Eleganz und weiß sich
darin einig mit dem Freiburger Barockorchester, in dessen
Farbspiel sein Countertenor eintaucht, als sei er ein Instrument unter vielen. […] Dann die Zugabe, von Porpora für
Farinelli geschrieben: ein schwellender Ton aus dem Nichts,
abgefangen mit einem Lächeln. Nie war es unwiderstehlicher,
Versuchungen nicht vollends nachzugeben“, schwärmt Ulrich
Amling im Tagesspiegel. Sein Kollege Peter Uehling von der
Berliner Zeitung stimmt in die Begeisterung ein mit „Alles
an ihm ist Rhythmus und Gesang“ und vergisst ebenfalls
nicht, das „ungeheuer aufeinander eingespielte Freiburger
Barockorchester“ zu erwähnen, das er dem Sänger sogar als
rhetorisches Vorbild für eine kontrastreiche Darstellung vor
Augen hält.
Tatsächlich verlieren sich beide Seiten nicht aus den Augen.
Schnell werden Pläne für die weitere Zukunft geschmiedet,
in der eine gemeinsame CD-Aufnahme einen wichtigen Platz
einnimmt. Während seiner Auszeit hat Philippe Jaroussky
genau nachgedacht, sich überlegt, wie es für ihn in den
nächsten Jahren weitergehen soll. Ewig wird er nicht das
halsbrecherische Repertoire barocker Kastratenopern singen
können, das ist ihm klar. Außerdem liegt seine Stärke in
seiner Musikalität und in lyrischen Partien mit denen er sein
Publikum zu Tränen rühren kann. Deshalb beschäftigt er
sich intensiv mit den berühmten Solokantaten von Johann
Sebastian Bach. Und mit den eher unbekannteren von Georg
Philipp Telemann. Dabei wird ihm klar: Hier liegt sein
Repertoire der Zukunft, und die möchte er in Zusammenarbeit
mit dem FBO einläuten. In typisch barocker Arbeitsweise
wählt sich Jaroussky vier Kantaten aus, zwei von Bach und
zwei von Telemann. Die Kantate BWV 82 „Ich habe genung“
existiert vom Thomaskantor in zwei Fassungen, in der Erstfassung für Bass von 1727 und in der späteren (wahrscheinlich
für Anna Magdalena Bach bearbeiteten) für Sopran aus den
1730er Jahren. „Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust“ BWV 170
existiert hingegen nur als Altkantate, während die beiden
Telemann-Kantaten jeweils für Solo-Bariton gesetzt und mit
ziemlicher Sicherheit von Telemann selbst gesungen wurden.
Es handelt sich hier also um ein Kantatenprogramm mit
Werken, die den beiden Komponistenfreunden sehr am Herzen
lagen. Und nun hat Philippe Jaroussky diese „Herzenswerke“
zu einer Herzenssache gemacht, die er mit dem FBO unter
der Leitung von Petra Müllejans unbedingt teilen möchte.
Zunächst gibt es nur drei Konzerte, an die sich dann im
Freiburger Ensemblehaus die CD-Aufnahme anschließt.
Doch sobald sie erscheint, geht es richtig los.
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Silvesterkonzert
Bachs „Weihnachtsoratorium“ gehört zur Advents- und Weihnachtszeit wie
Christstollen und Spekulatius. Aber warum eigentlich? Ursprünglich hatte der
Thomaskantor dieses aus sechs Kantaten bestehende Werk nämlich für die drei
Weihnachtstage des Jahres 1734 und für den Jahresbeginn 1735 geschrieben.
Der letzte Teil bezieht sich somit auf den 6. Januar, den Tag der Ankunft der
„Heiligen Drei Könige“. Unter der Leitung von Wolfgang Schäfer und mit einer
ausgewählten Sängerschar führt das Freiburger Barockorchester das komplette
„Weihnachtsoratorium“ 2015 am Silvesterabend auf – als Scharnier zwischen
den Jahren.
J. S. Bach
Weihnachtsoratorium BWV 248
(Kantaten I – VI)
Emöke Barath
Sopran
Marion Eckstein
Alt
Sebastian Kohlhepp
Tenor
Andrè Schuen
Bass
Freiburger Vokalensemble
Freiburger Barockorchester
Wolfgang Schäfer
Dirigent
31. Dezember 2015 | 17 Uhr
Konzerthaus Freiburg, Rolf-Böhme-Saal
Johann Sebastian Bachs „Weihnachtsoratorium“ wird meistens in der Vorweihnachtszeit zur Einstimmung auf die
kommenden Festtage aufgeführt. Komponiert hatte es der
Thomaskantor allerdings für die drei Weihnachtstage des
Jahres 1734 (25. bis 27. Dezember: Teile I – III) und für den
Jahresbeginn 1735 (1., 2. und 6. Januar 1735: Teile IV – VI).
Also in genauer zeitlicher Anlehnung an die Chronologie der
biblischen Ereignisse, die sich über diese Tage erstreckt: die
Geburt Christi, die Engelsbotschaft, die Anbetung der Hirten,
die Geschichte von Christi Beschneidung, die Suche der
Weisen aus dem Morgenland und schließlich die Anbetung
des Kindes durch die Weisen. 2015 bringt das Freiburger
Barockorchester unter der Leitung von Wolfgang Schäfer
nun in einem Silvesterkonzert alle sechs Kantaten zur Aufführung und platziert damit das „Weihnachtsoratorium“
genau zwischen die Tage, an denen es ursprünglich aufgeführt wurde.
Der Chordirigent Wolfgang Schäfer ist dem Freiburger
Barockorchester schon seit langen Zeiten verbunden, er hat
sogar mit den Musikern eine CD aufgenommen (Georg
Philipp Telemanns Tageszeiten), als diese noch unter dem
Namen „Collegium Musicum“ vor der Gründung des FBO
ihre ersten Schritte im Reich der historischen Aufführungspraxis unternahmen. Die erneute Zusammenarbeit mit
ihm ist auch eine Besinnung auf die eigenen Wurzeln. Die
Wurzeln von Bachs „Weihnachtsoratorium“ liegen übrigens
erstaunlicherweise in einem Fundus von weltlicher Musik,
die er in den 1730er Jahren komponiert hatte und anschließend im sogenannten „Parodieverfahren“ (der Unterlegung
eines neuen Textes unter eine bereits vorhandene Vokalkomposition) zum „Weihnachtsoratorium“ umschrieb. Dabei
hilft es zu wissen, dass sich Bach in dieser Zeit verstärkt
weltlichen Kompositionen zuwandte, zum einen, weil er sich
ab 1729 das exzellente Collegium Musicum der Leipziger
Neukirche als festes Ensemble sichern konnte, und zum
anderen, weil er sich verstärkt um den Titel eines kurfürstlich-sächsischen Hofcompositeurs bemühte (den er 1736
auch erhielt). Die Huldigungskantaten „Tönet, ihr Pauken!
Erschallet, Trompeten!“ BWV 214, „Preise dein Glücke,
gesegnetes Sachsen“ BWV 215 und „Lasst uns sorgen, lasst
uns wachen“ („Hercules auf dem Scheidewege“) BWV 213
schrieb er zwischen September 1733 und Oktober 1734
für den Dresdner Hof. Sie bilden den Grundstock seines
Weihnachtsoratoriums, wurden also in kunstvoller „Parodie“
von ihm umgearbeitet, ein im 18. Jahrhundert übliches
Kompositionsverfahren, das den Wert eines Stückes keinesfalls schmälerte. „Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage!“,
der berühmte Eingangschor des „Weihnachtsoratoriums“,
erklang ursprünglich als „Tönet, ihr Pauken! Erschallet,
Trompeten!“ (weshalb auch vor dem Einsatz des Chores erst
die Pauken und dann die Trompeten erklingen). Aber würde
nicht jeder von uns schwören, dass diese Musik nur für
„Jauchzet, frohlocket“ geschrieben worden sein kann? Hier
äußert sich eindrücklich Johann Sebastian Bachs große
Meisterschaft.
Mit ihrer Geschichte verbinden die beiden Hälften von Bachs
komplettem „Weihnachtsoratorium“ Jahresende und Jahresanfang zweier aufeinander folgender Jahre miteinander. Ihre
Botschaft ist zeitlos und passt ideal zu einem Jahreswechsel:
„Friede auf Erden. Und den Menschen ein Wohlgefallen.“
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Al modo d’Orfeo
A. Scarlatti
Cantata da camera „Dall’oscura magion“ (L’Orfeo)
D. N. Sarro
Concerto a-Moll für Blockflöte und Streicher
J. J. Fux
Suite à 4 F-Dur
Ouvertüre und Arien aus dem Componimento da camera
Orfeo ed Euridice K. 309
Fr. Durante
Concerto g-Moll für Streicher
Fr. Mancini
Sonata d-Moll für Blockflöte und Streicher
G. B. Pergolesi
Cantata da camera Orfeo
Dorothee Mields
Sopran
Isabel Lehmann
Blockflöte
Freiburger BarockConsort
10. Januar 2016 | 20 Uhr
Köln, Philharmonie
11. Januar 2016 | 20 Uhr
Stuttgarter Liederhalle, Mozartsaal
12. Januar 2016 | 20 Uhr
Berliner Philharmonie, Kammermusiksaal
14. Januar 2016 | 20 Uhr
Konzerthaus Freiburg, Rolf-Böhme-Saal
Der „Orfeo“-Stoff trieb die Komponisten des frühen 18. Jahrhunderts auch im
Kleinen um: Alessandro Scarlatti und Giovanni Battista Pergolesi schrieben zwei
Kammerkantaten, die die Geschichte des göttlichen Sängers hochdramatisch
mit einer Handvoll Arien und Rezitative von einem einzigen Sänger erzählen
ließ. Dorothee Mields und das Freiburger BarockConsort bringen diese Preziosen
mit dem für sie typischen Elan auf die Konzertbühne. Flankiert werden sie von
der Blockflötistin Isabel Lehmann, die mit zwei virtuosen Concerti auch für
instrumentale Verzauberung sorgt.
Orfeo und kein Ende – wie schön! Nach der MonteverdiProduktion mit Sasha Waltz beleuchtet das Freiburger
BarockConsort dieses Thema nun aus einer ganz anderen
Perspektive. Zusammen mit der Sopranistin Dorothee
Mields und der Blockflötistin Isabel Lehmann zelebrieren
die Musiker diese mystische Geschichte als „Hommage im
Kleinen“: mit Kammerkantaten, Ausschnitten aus einer
Kammeroper, Blockflötenkonzerten sowie einer Suite und
einem Concerto für Streicher. Den Auftakt bildet Alessandro
Scarlattis Cantata da camera „Dall’oscura magion“, die den
klassischen Orpheus-Stoff überraschend mit einer höchst
subjektiven Perspektive versieht. Wohl zwischen 1700 und
1702 entstanden, handelt es sich bei dieser Kammerkantate
um eine „Oper im Kleinen“, in der nach einer kurzen, dreisätzigen instrumentalen Einleitung (nach Art einer Ouvertüre)
zunächst die Geschichte des Orpheus in vier Rezitativen und
Arien erzählt wird. Danach versieht der anonyme Erzähler
die Geschichte mit einem Epilog, in dem er sich überraschend
an seine Geliebte wendet und sie fragt, wie sie, nachdem sie
die Leiden des Orpheus gehört habe, nicht Mitleid mit ihm
haben könne, da er sein Herz komplett an sie verloren habe.
Der Orpheus-Mythos wird hier also – höchst modern – nicht
bloß erzählt, sondern aufgegriffen und zum Ausdruck eines
individuellen Liebesschmerzes weitergeschrieben.
Das Schlussstück des Programms, Pergolesis Kammerkantate
Orfeo, ist in den Jahren 1730 – 35 entstanden und interessanterweise fast mehr dem 17. Jahrhundert verhaftet als die Kantate
von Scarlatti. Sie gilt als Musterbeispiel für Pergolesis lyrischexpressiven Stil und zirkulierte nach seinem frühen Tod
(1736) in zahlreichen Abschriften und Drucken in Europa.
Die gesamte Kantate besteht aus einer schillernden Mischung
unterschiedlicher Musikstile, deren Spektrum vom 17. Jahrhundert bis zum galanten Stil aus Pergolesis eigener Zeit reicht.
Auch hier finden wir eine Oper en miniature vor, in der ein
Sänger als Erzähler mit begleitenden Streichern in zwei
Rezitativen und zwei Arien mit kontrastierenden Affekten
und geschickt platzierten Effekten das bekannte Drama vor
den Augen des Hörers entstehen lassen.
Das dritte Orpheus-Stück stammt von Johann Joseph Fux,
der seit 1711 als Hofkapellmeister Karls VI. in Wien wirkte.
1715 schrieb er zum Geburtstag des Kaisers Orfeo ed Euridice,
ein Componimento da camera (Kammeroper), das in diesem
Kontext natürlich glücklich enden musste: Am Ende bekommt
Orpheus seine Eurydike wieder zurück, und alle besingen
die den Tod besiegende, treue Liebe (sowie eine verheißungsvolle Schwangerschaft der Kaiserin, wie das Libretto verrät).
Wie diese drei Werke zeigen, wurde der Orpheus-Mythos in
der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts für die unterschiedlichsten Anlässe genutzt und in die verschiedensten Richtungen
interpretiert. Als instrumentale Ergänzung wartet das Programm noch mit brillanten Blockflötenkonzerten und zwei
expressiven Streicherstücken von Fux und den Zeitgenossen
Domenico Sarro, Francesco Durante und Francesco Mancini
auf. Damit begegnen sich in „Al modo d’Orfeo“ virtuose
Gesangs- und Instrumentalkunst auf Augenhöhe, um zusammen den größten Mythos der Musikgeschichte zu feiern.
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10 Jahre
Theater an der Wien
22. Januar 2016 | 19 Uhr
Wien (A), Theater an der Wien
W. A. Mozart
Idomeneo, Re di Creta KV 366 (konzertant)
Jeremy Ovenden
Idomeneo
Als das FBO unter der Leitung von René Jacobs im November 2013 für eine
Neuproduktion von Mozarts „Idomeneo“ im Theater an der Wien auftrat, kannte
nach der Premiere die Begeisterung des Publikums keine Grenzen: Sänger, Orchester
und Dirigent wurden ausdauernd gefeiert. Im Januar 2016 feiert nun das altehrwürdige Theater an der Wien sein zehnjähriges Jubiläum als „Neues Opernhaus“.
Mit Mozarts „Idomeneo“, dem FBO und René Jacobs…
Gaëlle Arquez
Idamante
Sophie Karthäuser
Ilia
Alex Penda
Elettra
Julien Behr
Arbace
Nicholas Rivenq
Gran Sacerdote di Nettuno
Christoph Seidl
La Voce
Arnold Schönberg Chor Wien
Freiburger Barockorchester
René Jacobs
Dirigent
„Wenn René Jacobs mit seinem authentischen Freiburger
Barockorchester in das ehrwürdige Theater an der Wien
kommt, scheint sich ein logischer Kreis zu schließen. […]
Mit voller Wucht, in den voluminösen Basspartien aufgehend, ließen sich die Musiker in die Partitur fallen. Jacobs
trieb das Ensemble vor sich her, kein Misston war zu hören:
Diese Intonationstreue soll dem Originalklangensemble erst
einmal einer nachmachen“, schwärmte im November 2013
die Wiener Zeitung von der Produktion des Idomeneo am
Theater an der Wien mit dem Freiburger Barockorchester
unter der Leitung von René Jacobs. „Wiens jüngstes und
zugleich ältestes Opernhaus“, wie sich das Theater an der Wien
selbst auf der eigenen Homepage nennt, wurde zwar 1801 von
Emanuel Schikaneder erbaut. Doch seit dem Mozartjahr 2006
präsentiert es sich als „Neues Opernhaus“: ein ganzjährig
bespieltes Stagione-Theater ohne festes Ensemble, dafür aber
mit unterschiedlichen Gastensembles, -dirigenten und -künstlern, die ein vielschichtiges Programm auf hohem Niveau
garantieren.
Zum Geburtstagsfest im Januar 2016 gratulieren René Jacobs
und das FBO mit einer erneuten, diesmal konzertanten
Aufführung „ihres“ Idomeneo. Es scheint, alles hätte man die
Konsequenzen aus dem damaligen Presseecho gezogen, das
überwiegend die musikalische Seite der Produktion für ihre
überragende Qualität verantwortlich gemacht hatte. So schrieb
beispielsweise Shirley Apthorp von der Financial Times:
„Aber eigentlich sollte man diese Produktion als René Jacobs’
Idomeneo bezeichnen. Mit dem Freiburger Barockorchester,
das seine exzentrische Gestik in herzzerreißende, wundervolle
Musik übersetzt, und mit seinem einzigartigen Verständnis
von Tempo und Rhetorik gibt Jacobs seinen erstklassigen
Sängern alles, was sie brauchen, um diesen Idomeneo zu etwas
ganz Besonderem zu machen. Und das in einem solchen
Ausmaß, dass man sich, kaum dass der Vorhang gefallen ist,
wünscht, das Ganze sofort noch einmal hören zu können. In
der Titelrolle verkörpert Richard Croft alles, was man sich
nur wünschen kann [...]. Sophie Karthäuser ist eine Ilia, die
den Hörer in jedem Moment ihr Dilemma mitfühlen lässt,
und das mit einem unterlegten Sinn von warmherziger Großzügigkeit, der ihren Charakter sogar noch sympathischer
macht. Als Idamante schafft es Gaëlle Arquez, wie die japanische Animation eines idealen Mannes zu wirken, und zwar
jungenhaft, anmutig und maskulin zugleich; ihre schärfere
Stimmfarbe erzeugt dabei einen guten Kontrast zu der der
Ilia. Julien Behrs Arbace ist wunderbar rund und empathisch
in seiner Darstellung, die Elettra von Marlis Petersen kommt
funkelnd und mitreißend geistesgestört rüber.“
In der konzertanten Aufführung des Idomeneo werden wieder
Sophie Karthäuser, Gaëlle Arquez und Julien Behr zu hören
sein und die Magie der Produktion von 2013 heraufbeschwören. Ihnen stellt René Jacobs nun mit Jeremy Ovenden
als Idomeneo und Alex Penda als Elettra zwei gute Bekannte
an die Seite, mit denen er und das FBO schon öfters zusammengearbeitet haben. Sie werden dem Ganzen ein paar neue
Farben hinzufügen und dafür sorgen, dass dieses Konzert
nicht zu einer rückwärtsgewandten Gedenkveranstaltung,
sondern zu einem rauschenden Geburtstagsfest wird.
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Seliges Erwägen
Georg Philipp Telemanns Passionsoratorium „Seliges Erwägen des bittern
Leidens und Sterbens Jesu Christi“ gehörte zu den Werken, durch die er bei
seinen Zeitgenossen und seiner unmittelbaren Nachwelt berühmt geworden ist.
1722, zu Beginn seiner Hamburger Zeit, entstanden, erfreute sich das Stück
sogleich großer Beliebtheit und wurde nach seinem Tod sogar weiterhin jedes
Jahr in den Nebenkirchen der Hansestadt aufgeführt. Im 19. Jahrhundert
geriet das „Selige Erwägen“ in Vergessenheit und ist seitdem nur noch selten im
Konzertsaal zu finden. Das FBO bringt es nun unter der Leitung von Gottfried
von der Goltz wieder zu Gehör.
G. Ph. Telemann
Seliges Erwägen des bittern Leidens
und Sterbens Jesu Christi TWV 5:2
Anna Lucia Richter
Glaube/Andacht
Fabio Trümpy
Andacht
Tobias Berndt
Jesus
Hans Jörg Mammel
Petrus
Konstantin Wolff
Caiphas
Freiburger Barockorchester
Gottfried von der Goltz
Leitung
13. März 2016 | 16 Uhr
Magdeburg, Telemann-Festtage
16. März 2015 | 20 Uhr
Konzerthaus Freiburg, Rolf-Böhme-Saal
In Telemanns Seliges Erwägen äußern sich eine Kreativität und
Vielseitigkeit, die man heute leider kaum noch mit diesem
außergewöhnlichen Komponisten in Verbindung bringt.
Telemann hatte den Text selbst geschrieben, bei ihm handelt
es sich um eine Nachdichtung des Bibeltexts. Zur Gattung
des Passionsoratoriums gehörte immer die Paraphrasierung
des Bibelworts, die im Gegensatz zu einer Vertonung des
Originals eine größere gestalterische Freiheit für Textdichter
wie Komponisten garantierte. Auch wenn sich Telemann in
seiner Dichtung durchaus von den Libretti anderer Verfasser
anregen ließ, verfolgte er doch einen gänzlich anderen Plan:
In seinem Oratorium wird keine Handlung erzählt, sondern
über die von ihm als bekannt vorausgesetzte Passionsgeschichte
reflektiert. Im Gegensatz zu einer Passionsvertonung, in deren
Zentrum die Dramatik des Geschehens steht, finden sich im
Passionsoratorium neben den historischen auch allegorische
Figuren, die als Betrachter des Geschehens auftreten. Bei
Telemann ist dies die Figur der „Andacht“, für die er die
meisten Rezitative und Arien geschrieben hat. Mit diesem
deutlichen Schwerpunkt auf der Betrachtung ist das Libretto
des Seligen Erwägens nicht dramatisch, sondern lyrisch angelegt. Betrachtet und reflektiert werden das letzte Abendmahl
von Jesus und seinen Jüngern, der Treueschwur des Petrus,
das Gebet Jesu, sein Verhör durch den Oberpriester Caiphas,
die Reue des Petrus, die Geißelung und die Kreuzigung, der
sterbende und der ins Grab gelegte Jesus. Wie ein Prediger
kommentiert die Figur der „Andacht“ das Geschehen und
vermittelt so zwischen Hörern und Gehörtem.
Neben Rezitative und Arie platziert Georg Philipp Telemann
Choräle, die von den Solisten im kleinen Chorverbund gesungen werden (einen größeren Chor sah er nicht vor). Auch
hiermit personalisiert Telemann die Betrachtungen über das
Passionsgeschehen, wählt er eine intime Art der vokalen
Besetzung, um so den Hörer direkt in die Leidensgeschichte
Christi hinein zu nehmen. In ihrem einfach besetzten, vierstimmigen Satz bilden die Choräle ein Gegengewicht zu den
emotional aufgeladenen Arien der Solisten. Im Orchester
verlangt das Selige Erwägen neben Block- und Querflöten,
Oboen und Fagotten sowie zwei Hörnern auch zwei Chalumeau, die Telemann besonders zur Erzeugung dunkler und
düsterer Klänge verwendet. Dabei beauftragt er die Bläser
nicht nur mit der üblichen Verstärkung der Streicher, sondern
gesteht ihnen auch eigenständige und zum Teil solistische
Aufgaben zu. In der eröffnenden Sinfonia leistet er sich sogar
den Clou, die Melodie O Haupt voll Blut und Wunden in den
Oberstimmen des langsamen Eröffnungsteils kontrapunktisch
verarbeitet zu verstecken.
Als Telemann im Herbst 1721 in Hamburg seinen Dienst als
Director Musices antrat, präsentierte er sich in den unterschiedlichsten Konzertbereichen als neuer musikalischer
Fixstern der Hansestadt. Dazu gehörte die Aufführung von
Passionsoratorien im Werk- und Zuchthaus. Dort erklang
am 19. März 1722 zum ersten Mal das Passionsoratorium
Seliges Erwägen des bittern Leidens und Sterbens Jesu Christi.
Sein Erfolg war so groß, dass er noch im Nekrolog auf
Telemann Erwähnung fand: „Diß ist eine Paßionsmusic,
wovon der selige Herr Telemann nicht nur die Composition,
sondern auch die Poesie verfertiget, und welche stets mit so
vielem Beyfall aufgenommen worden, daß […] diese in
einigen Nebenkirchen […] alle Jahr, und zwar bey einer
vorzüglich starken Anzahl der Zuhörer aufgeführet wird.“
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Brandenburger
in Italien
Kennst Du das Land, wo die Concerti grossi blühen? Zumindest im 18. Jahrhundert hätte man diese Frage frei nach Goethe stellen können. Und darauf
natürlich nur eine Antwort erhalten: Italien! Inzwischen gibt es zahlreiche
Barockorchester in verschiedenen Ländern, die alle diese barocke Paradegattung
zum Blühen bringen. Aber es ist immer noch etwas Besonderes, mit Concerti
grossi im Gepäck nach Italien zu reisen und dort aufzutreten. Das FBO realisiert
diesen Traum unter der Leitung von Petra Müllejans und Gottfried von der
Goltz im April 2016 mit vier von Bachs „Brandenburgischen Konzerten“
in Ferrara, Treviso und Rom. Zwei seiner Orchestersuiten haben sie auch
noch dabei.
J. S. Bach
Concerto Nr. 1 F-Dur BWV 1046
Concerto Nr. 5 D-Dur BWV 1050
Concerto Nr. 3 G-Dur BWV 1048
Orchestersuite Nr. 1 C-Dur BWV 1066
Concerto Nr. 4 G-Dur BWV 1049
Orchestersuite Nr. 2 h-Moll BWV 1067
Susanne Kaiser
Traversflöte
Isabel Lehmann
Marie Deller
Blockflöte
Sebastian Wienand
Cembalo
Freiburger Barockorchester
Petra Müllejans und Gottfried von der Goltz
Violine und Leitung
5. April 2016
Ferrara (I), Teatro Comunale „Claudio Abbado“
6. April 2016
Treviso (I), Teatro Comunale „Mario del Monaco“
7. April 2016
Rom (I), Teatro Argentina
Die „Brandenburgischen Konzerte“ von Johann Sebastian Bach
sind die konzertante Visitenkarte eines Orchesters, genauer
gesagt: eines Barockorchesters. Für Bach war das damals
natürlich selbstverständlich, aber heute ist dies von großer
Bedeutung, denn bei einem Barockorchester (anders als bei
einem modernen Sinfonieorchester) handelt es sich um einen
in Klangfarben und Farbmischungen fein abgestimmten Klangkörper. Sein Tutti ist meist vier-/fünfstimmig angelegt, Bläser
treten hinzu, verschwinden wieder, und meistens spielen sie
das Gleiche wie die Streicher (colla parte). Es herrscht das
Prinzip der Klangverschmelzung, das Rückgrat des barocken
Orchesterklangs bilden die Kombinationen Oboe-Violine
und Fagott-Violoncello. Aufgelockert wird diese Colla parteSchreibweise durch konzertante Soli von Trompeten, Flöten,
Oboen, Streichern. Die Seele eines Barockorchesters verkörpert dabei das Cembalo, das rhythmischen Zusammenhalt
ohne Dirigenten garantiert und als Generalbass die Harmonien
akkordisch ausfüllt.
Aus dieser orchestralen Klangregie ist das barocke Concerto
entstanden: einzelne Instrumente treten aus dem Tutti hervor und wieder in es zurück. So entsteht ein konzertanter
Dialog. Ein Solostück mit dominierendem Solisten und bloß
begleitendem Orchester ist dieser Auffassung fremd (und
stammt aus der Romantik). Deutlich wird auch aus diesen
Überlegungen, dass solch eine eigene Klangregie von einem
modernen Orchester auf seinen Instrumenten gar nicht
geleistet werden kann – ihm fehlt das Verschmelzen aller
Stimmen mit gleichzeitig gut durchhörbarer Transparenz.
Johann Sebastian Bach betitelte seine heute als „Brandenburgische Konzerte“ bekannten Werke seinerzeit mit Concerts
avec plusieurs instruments. Damit bezog er sich deutlich auf
Antonio Vivaldis Concerti per molti stromenti, eine erweiterte
Form des vor allem von Arcangelo Corelli etablierten Concerto
grosso. Zwischen 1717 und 1723 war Bach Hofkapellmeister
in Anhalt-Köthen. Wie die dort entstandenen Sonaten und
Partiten für Violine solo und die Solosuiten für Violoncello
sind die „Brandenburgischen Konzerte“ ein „Demonstrationszyklus“, in dem der Komponist sämtliche Möglichkeiten
barocken Konzertierens auslotet. Hinzu kommt, dass er in
Köthen erstmals ein richtiges Profiorchester zur Verfügung
hatte, für das er mit diesen sechs Gruppenkonzerten eine
konzertante Visitenkarte komponierte.
Jedes der Konzerte ist für eine andere Besetzung komponiert,
sodass sich der gesamte Zyklus wie ein Musterkatalog von
Bachs Fähigkeiten als Instrumentalkomponist liest: Im ersten
Konzert verbindet er fürstliche Jagdhörner, dreistimmigen
Oboenchor und eine höher klingende Spielmannsfiedel
(Violino piccolo) aus der Volksmusik miteinander, während
das dritte die gesamte moderne Streicherfamilie (3 Violinen,
3 Violen, 3 Celli) miteinander konzertieren lässt. Gänzlich
andere Klänge dann im vierten und fünften der „Brandenburgischen Konzerte“: mit zwei „flauti d’echo“ (Blockflöten)
und Solovioline bzw. mit Cembalo, Violine und Traversflöte
im Concertino (der Sologruppe eines Concerto grosso). Das
fünfte ist eindeutig das modernste der Konzerte und kann mit
Fug und Recht als das erste Klavierkonzert der Geschichte
bezeichnet werden, in dem Bach dem Cembalo eine Doppelrolle als Soloinstrument und als Orchesterinstrument (im
Basso continuo) zugesteht.
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Spaß und Sport
Für das Jahr der Olympischen Sommerspiele schickt das FBO unter dem ungewöhnlichen Titel „Spaß und Sport“ ein Konzertprogramm als klingenden
Vorgeschmack auf die Wettkämpfe in Rio de Janeiro ins Rennen. Neben der
Sopranistin Christina Landshamer, die bereits öfter mit dem Orchester zusammengearbeitet hat, ist in diesem Projekt erstmalig die italienische Geigerin
Lorenza Borrani, Konzertmeisterin vom Chamber Orchestra of Europe, als
musikalische Leiterin mit von der Partie.
J. Haydn
Sinfonie C-Dur Hob. I:60 „Il distratto“
T. Traetta
Arie „Che non mi disse un di!“ aus der Oper
L’Olimpiade
W. A. Mozart
Rezitativ „Alcandro lo confesso“
und Arie „Non sò donde viene“ KV 294
„Posthornserenade“ D-Dur KV 320
Christina Landshamer
Sopran
Freiburger Barockorchester
Lorenza Borrani
Leitung
11. April 2016 | 20 Uhr
Berliner Philharmonie, Kammermusiksaal
12. April 2016 | 20 Uhr
Konzerthaus Freiburg, Rolf-Böhme-Saal
13. April 2016 | 20 Uhr
Stuttgarter Liederhalle, Mozartsaal
Man glaubt es kaum, aber eines der beliebtesten Opernlibretti
des 18. Jahrhunderts – natürlich aus der Feder des berühmten
Metastasio – handelt tatsächlich von Olympischen Spielen!
L’Olimpiade wurde von zahlreichen Komponisten vertont
(überliefert sind über siebzig), darunter prominente Namen
wie Caldara, Vivaldi, Pergolesi, Galuppi, Wagenseil, Hasse,
Piccini, Jommelli, Cimarosa und Paisiello. Auch Tommaso
Traetta gehörte zu diesem illustren Kreis, seine Oper erlebte
1758 ihre Uraufführung in Verona.
Metastasios Libretto erzählt eine verwickelte Liebes- und
Vater-Sohn-Geschichte, wie sie das 18. Jahrhundert liebte:
König Clistene wurden einst Zwillinge geboren, ein Sohn
und eine Tochter, doch das Orakel von Delphi prophezeite
ihm, dass der Sohn eines Tages einen Mordanschlag auf ihn
verüben würde. Aus diesem Grund ließ er das Kind in der
Wildnis aussetzen. Jahre später stehen die Olympischen
Spiele vor der Tür, und Clistene verspricht dem Sieger die
Hand seiner Tochter Aristea. Licida überredet seinen Freund
Megacle, unter seinem Namen an den Spielen teilzunehmen,
worauf dieser freudig einwilligt. Doch als er vom Siegpreis
erfährt, schlägt seine Laune um: Aristea ist seine Geliebte, von
der er sich trennen musste, da Clistene ihr den Umgang mit
ihm verbot. Trotzdem erklärt er sich weiterhin bereit, für den
Freund anzutreten. Währenddessen trauert Argene um ihren
Geliebten Licida, den sie verloren hat. Tatsächlich gewinnt
Megacle die Olympischen Spiele, Aristea freut sich – bis sie
erfährt, dass er für jemand anderen gewonnen hat, den sie nun
heiraten muss. Argene zürnt Licida, da er Aristea heiraten
will. Diese weist ihn jedoch ab, und der ganze Betrug fliegt
auf. Licida wird vom Hof gejagt, weshalb er, dem Wahnsinn
nahe, versucht, einen Anschlag auf den König zu verüben,
der vereitelt wird. Licida wird zum Tode verurteilt, und
Megacles Befreiungsversuch schlägt fehl. Vorher hatte er
noch mit Argene gesprochen und festgestellt, dass sie Licida
immer noch liebt. Vor Licidas Verurteilung spricht Clistene
mit ihm und verspürt ihm gegenüber väterliche Gefühle, die
er sich nicht erklären kann. Argenes Auftritt klärt dann alles
auf und führt zum obligatorischen happy end: Sie präsentiert
sich als die Braut Licidas und zeigt als Beweis ein Medaillon
vor, das ihr dieser zur Verlobung geschenkt hatte. Clistene
erkennt darin das Medaillon, das er einst dem Zwillingsbaby
um den Hals gehängt hatte. Licida ist demnach sein Sohn und
der Bruder Aristeas. Die Oper endet mit einer Doppelhochzeit, mit den Paaren Licida /Argene und Megacle/Aristea.
Neben Traetta, aus dessen Olimpiade die Zornesarie der
Argene („Chi non mi disse un di“) ins Programm gefunden
hat, beschäftigte sich der junge Mozart mit dem Opernstoff.
Seine Konzertarie „Non sò donde viene“ KV 294, in der
Clistene seine überraschenden Vatergefühle schildert, schrieb
er 1778 für Aloisia Weber. Eingerahmt werden die Arien
von zwei Orchesterstücken, die für Spaß und Unterhaltung
stehen: den Spaß repräsentiert Haydns komische Sinfonie
„Il Distratto“ von 1775, die sich auf ein Schauspiel mit dem
Titel „Der Zerstreute“ bezieht. Zu Beginn ihres fetzigen
Presto-Finales bricht plötzlich das ganze Orchester ab – die
Geigen müssen ihre Saiten nachstimmen. Das hatten sie nämlich im Eifer des Gefechtes „vergessen“… Das Ende dieses
ungewöhnlichen Programms markiert eine „Finalmusik“
– Mozarts „Posthornserenade“ –, die 1779 für die Studenten
der Salzburger Universität zu Ehren ihres Studienabschlusses
aufgeführt wurde, bevor sie sich auf die Reise in ihre Heimatorte machten.
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Beethovens Missa solemnis
mit dem Kreuzchor
23. April 2016 | 17 Uhr
Dresden, Kreuzkirche
2016 feiert der Dresdner Kreuzchor sein 800jähriges Jubiläum. Über das ganze
Jahr verteilt wird der weltbekannte Chor, der als einer der ältesten Knabenchöre
in Europa gilt, mit unterschiedlichen Partnern eine Reihe von Jubiläumskonzerten geben. Dazu gehört auch die Aufführung von Ludwig van Beethovens
Missa solemnis mit dem Freiburger Barockorchester in der Dresdner Kreuzkirche,
der Heimatkirche des Chors und zugleich die größte evangelische Kirche Sachsens,
die in dem Jahr ebenfalls ihren 800. Geburtstag feiert.
L. v. Beethoven
Missa solemnis D-Dur op.123
Camilla Nylund
Sopran
Gerhild Romberger
Alt
Jörg Schneider
Tenor
NN
Bass
Dresdner Kreuzchor
Vocal Concert Dresden
Freiburger Barockorchester
Roderich Kreile
Dirigent
„Von Herzen – Möge es wieder – zu Herzen gehen!“ Dieser
berühmte Vermerk, den Beethoven im Autograph seiner
Missa solemnis oberhalb des Kyrie notierte, illustriert die
geistige Haltung, die dieses Werk durchzieht, und verleiht
der Komposition außerdem eine herausgehobene Stellung
im gesamten Œuvre des Meisters. Ursprünglich von ihm für
das Hochamt anlässlich der Inthronisation seines Gönners
Erzherzog Rudolf als Erzbischof von Olmütz im Jahr 1820
vorgesehen, benötigte Beethoven jedoch noch knapp vier
weitere Jahre, um die Messe fertigzustellen, über die er am
10. März 1824 an seinen Verleger Schott in Mainz schrieb:
„[…] so schwer es mir wird, über mich selbst zu reden, so
halte ich sie doch für mein größtes Werk.“ Ungewöhnlich ist
ebenfalls die Aufführungsgeschichte der Missa solemnis. Sie
erlebte ihre Uraufführung nicht in Wien, sondern in St. Petersburg, da Fürst Galitzin – ein weiterer Gönner Beethovens,
für den er die späten Streichquartette op. 127, 132 und 130
schrieb – dort eine Aufführung im Rahmen der Philharmonischen Konzerte durchgesetzt hatte. Interessanterweise
wurde die Messe im Programm als Oratorium bezeichnet,
was generell zu der Frage führt, um was für ein Werk es sich
bei Ihr überhaupt handelt: um eine Messe fürs kirchliche
Hochamt oder für den Konzertsaal? Um ein Oratorium oder
vielleicht gar um eine Chorsinfonie mit liturgischem Text?
Die erste Wiener Aufführung, im Mai 1824, fand nämlich
im königlich-kaiserlichen Hoftheater statt, ohne Gloria und
Sanctus und noch dazu mit der Ouvertüre Die Weihe des
Hauses op. 124 und der 9. Sinfonie!
Blickt man auf die musikalische Struktur der Messe, dann
merkt man schnell, dass es sich hier natürlich nur um ein
geistliches Werk handeln kann. Allerdings um ein geistliches
Werk, das sich durchaus in einem Konzertsaal aufführen
lässt. Fest steht, dass Beethoven absichtsvoll keine solistische
Konzertmesse geschrieben hat. Arien und Duette finden sich
in ihr überhaupt nicht, vielmehr werden die Solisten überwiegend paarweise oder als Vokalblock gegenüber dem Chor
eingesetzt. Vielleicht meinte Beethoven das, als er ein wenig
rätselhaft zu seiner Missa solemnis anmerkte, dass man sie
„beinahe bloss a cappella“ aufführen könne. Zweifelsohne
stand für ihn der Chor im Mittelpunkt des musikalischen
Geschehens, und gerade das macht diese Messe zu einem
idealen Werk, um den 800. Geburtstag des Kreuzchors zu
feiern: in der Kreuzkirche, mit herausragenden Solisten, dem
Freiburger Barockorchester und unter der Leitung von Kreuzkantor Roderich Kreile.
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G. Ph. Telemann
Ouvertüre f-Moll TWV 55: f 1
Tritt auf die
Glaubensbahn
J. S. Bach
Kantate BWV 152 „Tritt auf die Glaubensbahn“
J. P. v. Westhoff
Sonata Nr. 3 d-Moll für Violine und Basso continuo
J. S. Bach
Kantate BWV 199 „Mein Herze schwimmt im Blut“
Variante Stein am Rhein:
J. S. Bach, Cembalokonzert F-Dur BWV 1057
(anstelle von BWV 199) *
Variante Luzern:
G. Ph. Telemann, Konzert für 3 Violinen F-Dur TWV
53: F 1 aus Musique de Table
J. S. Bach, Kantate BWV 202 „Weichet nur betrübte
Schatten“
(beide anstelle der Westhoff-Sonate und von BWV 199)
Carolyn Sampson
Sopran
Andreas Wolf
Bass
Gottfried von der Goltz
Violine und Viola d’amore
Sebastian Wienand
Cembalo*
Freiburger Barockorchester
Petra Müllejans
Violine und Leitung
6. Mai 2016
Stein am Rhein, Stadtkirche | Internationales Bachfest Schaffhausen
8. Mai 2016 | 18.30 Uhr
Luzern (CH), KKL
11. Mai 2016 | 20 Uhr
Konzerthaus Freiburg, Rolf-Böhme-Saal
Zwei Solokantaten und eine selten zu hörende Kantate für Sopran und Bass
von Johann Sebastian Bach bilden das Rückgrat einer kleinen, feinen FBOTournee mit drei verschiedenen Programmen, die im heimischen Konzerthaus
endet und mit einer CD-Aufnahme für harmonia mundi France im Ensemblehaus ihren Abschluss erfährt. Für das Freiburger Barockorchester und seine
Lieblingssängerin Carolyn Sampson geht damit ein gemeinsamer Traum in
Erfüllung.
Eigentlich ließe sich der Kern dieses Programms gut mit
„Bach in Weimar“ überschreiben, denn die meisten Werke
stammen aus seiner dortigen Zeit zwischen 1708 und 1717.
Als der dreiundzwanzigjährige Johann Sebastian Bach nach
Weimar kommt, beginnt er dort zunächst als Organist, eine
Position, die er auch auf seinen vorigen Stationen innegehabt
hat. Doch er will mehr, nicht bloß Organist, sondern Leiter
und Komponist von Kirchenmusik will er sein. 1714 wird er
zum Weimarer Konzertmeister ernannt mit der Verpflichtung,
alle 4 Wochen eigene Kantaten zu produzieren. 1716 avanciert er sogar zum kommissarischen Kapellmeister und damit
faktisch zum Leiter der gesamten Kirchenmusik.
Zweifellos steht im Zentrum von Bachs Weimarer Zeit die
Begegnung mit dem Konzertanten: Hier kommt er mit
Solokonzerten und Solosonaten in Berührung, die er zum
Teil für Orgel bearbeitet (Concerti von Vivaldi) und auch zu
Studienzwecken für seine eigene Musikbibliothek abschreibt
(Concerti von Marcello, Albinoni u. a.). Seine Kantate „Tritt
auf die Glaubensbahn“ für Sopran, Bass, konzertante Blockflöte, Viola d’amore, Streicher und Basso continuo spiegelt
dieses prägende Erlebnis ebenso wider wie die Solokantate
„Mein Herze schwimmt im Blut“ (mit konzertanter Oboe)
und die in Köthen entstandene Hochzeitskantate „Weichet
nur, betrübte Schatten“ (mit konzertanter Oboe und Violine).
Neben dem italienischen Stil lernt Bach in Weimar auch
den in Sachsen vorherrschenden französischen Stil kennen.
Er freundet sich mit Georg Philipp Telemann an, der in
Eisenach als Kapellmeister wirkt und schon damals als
Meister des „vermischten Stils“ gilt. Dessen Ouvertüre f-moll
kombiniert die französische Form der Suite mit dem Stil des
italienischen Konzerts. Heraus kommt ein in seiner Hetero-
genität seltsam geschlossen wirkendes, faszinierendes Stück,
das von einer französischen Aperture eröffnet wird und ein
französisches Rondeau beinhaltet, dessen Melodie an Antonio
Vivaldi erinnert. Der Satz Echo vistement bezieht sich mehr
als eindeutig auf Vivaldis Echokonzerte, während sich in der
Schlusspassacaglia (Variationen über einen Basso ostinato) noch
einmal sämtliche heterogenen Ausdrucksmittel vereinigen:
Italienische Doppelchörigkeit trifft auf französisch punktierten Rhythmus.
Der unbekannteste Komponist in diesem Programm ist für
heutige Ohren sicherlich der Geiger Paul von Westhoff
(1656 – 1705), den Bach persönlich vielleicht in seiner ersten
Weimarer Zeit als Lakai im Jahr 1703 erlebt hat. Westhoff,
dessen musikalisches Erbe später noch präsent war, war einer
der bedeutendsten Geiger Deutschlands. Als Violinvirtuose
war er für sein unbegleitetes Doppelgriffspiel bekannt; als
Erster schrieb er sechs Sonaten für Violine solo, die sicherlich Bach später zu seinen eigenen Kompositionen inspiriert
haben dürften. Gleiches gilt für seinen 1694 entstandenen
Sechserzyklus von Violinsonaten mit Basso continuo, die französischen Geschmack, italienische Virtuosität und deutsche
Gelehrsamkeit (Mehrstimmigkeit) miteinander verbinden.
Seine dritte Sonate ist ein typisches Beispiel für diesen innovativen und ungewöhnlichen Instrumentalstil.
In diesem schillernden und für Johann Sebastian Bach so
immens wichtigen Werkumfeld erklingen also drei seiner
Kantaten, die im Anschluss an die Konzerttournee unter der
Leitung von Petra Müllejans (und mit Gottfried von der
Goltz an der Viola d’amore) auf CD aufgenommen werden.
Der perfekte Abschluss einer reichhaltigen Saison!
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IMPRESSUM
Herausgeber: Freiburger Barockorchester GbR
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Redaktion und Texte: Dr. Henning Bey
Gestaltung und Satz: triathlon design | Herbert P. Löhle
Fotos: Annelies van der Vegt, Stefan Lippert (S. 26, S. 46 unten)
Druck: schwarz auf weiss, Freiburg, www.sawdruck.de
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