Kulturentwicklungsplan zum

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Kulturentwicklungsplan zum
Kultur im 21. Jahrhundert
Für die Stadt > für
die Bürger > für
die Zukunft
Der Kulturentwicklungsplan
der Stadt Wolfsburg
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
1
> Inhalt
Seite
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
Theorie, Praxis und Visionen
Kultur im 21. Jahrhundert: Für die Stadt – für die Bürger – für die Zukunft Thomas Muth
3
4
Kulturentwicklungsplanung – elementares Mittel für den Aufbau einer modernen
Kulturlandschaft Simone Neteler und Birgit Schneider-Bönninger
Teil A: Theorie
8
I. Richtungsweisende Impulse für die Kulturpolitik Simone Neteler und Birgit Schneider-Bönninger
11
II. Stadt ist Kultur Axel Bosse
20
III. Ein Konzept für die Zukunft Simone Neteler und Birgit Schneider-Bönninger
23
IV. Kreative Bürger in einer kreativen Stadt Simone Neteler und Birgit Schneider-Bönninger
Teil B: Praxis
Zehn Schwerpunkte für die Kulturentwicklung in Wolfsburg
Einblicke, Ziele und Schlüsselprojekte
28
Präambel
30
1 Kulturelles Erbe und Erinnerungskultur
32
2 Orts- und Stadtteilkultur, Soziokultur und Bürgerengagement
33
3 Jugendkultur, Subkultur, Freie Szene und Offene Räume
34
4 Internationalität, Integration und Interkultur
36
5 Kulturelle Bildung
38
6 Zeitgenössische Kunst
39
7 Baukultur
40
8 Theater, Musik, Literatur und Veranstaltungskultur
42
9 Wissenschaft und neue Technologien
44
10 Kulturmarketing und Kulturförderung, Kultur- und Kreativwirtschaft
Teil C: Visionen
49
I. Modell für Europa: der Wolfsburger BildungsCampus am Klieversberg Iris Bothe und Birgit Rabofski
53
II. Das Alvar-Aalto-Kulturhaus: zurück in die Zukunft Nicole Froberg und Monika Kiekenap-Wilhelm
56
III. Die Utopie des Realen Susanne Pfleger
58
IV. Das Zuhause der Zukunft Julius von Ingelheim
61
V. Die Welt in einem Haus: das „Haus der Nationen“ Dirk Grabow und Sylvia Nichterwitz
64
Anhang, Redaktion, Bildnachweis
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
1
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische
Differenzierung (wie z.B. „Bürgerinnen und Bürger“) verzichtet. Entsprechende
Begriffe gelten im Sinne der Gleichberechtigung für beide Geschlechter.
Kultur im 21. Jahrhundert:
Für die Stadt – für die Bürger –
für die Zukunft
Das Kulturkonzept der Stadt
Wolfsburg
Thomas Muth
Der vorliegende Kulturentwicklungsplan
(KEP) und die in ihm zusammengestellten
vielseitigen Projekte sowie Arbeitsansätze
fühlen sich der Tradition zur Moderne verpflichtet – und damit einem Oberziel, das
die Stadt Wolfsburg seit jeher prägt.
Städtische Kulturpolitik möchte Zeichen
setzen und dabei visionär, innovativ, ja,
außergewöhnlich sein. Sie möchte nach
innen wie nach außen sichtbar und erlebbar machen, dass die Stadt ein attraktiver
Lebensraum ist, der gleichermaßen Identifikations- und Entfaltungsmöglichkeiten
bietet.
Der in Wolfsburg 1997 mit dem Stadtleitbild
eingeschlagene Weg – Innovation durch
Kunst und Technik – hat sich langfristig
als die richtige Strategie erwiesen: Heute
präsentiert sich die Kultur in unserer Stadt
mobil, modern und kreativ. Dafür stehen die
kulturellen Flaggschiffe wie z. B. das phæno
oder das Kunstmuseum genauso wie auch
eine Vielzahl kleinerer, doch trotzdem
beachtenswerter Projekte. Sie alle wissen auf
ihre Art zu überzeugen, sie alle verbindet
ein beeindruckend exklusiver Qualitätsanspruch!
Diesen hohen Anspruch an Qualität auch für
die Zukunft zu sichern und zu erfüllen, dabei
die nachhaltige Wertigkeit der Angebote,
wenn möglich, noch auszubauen – genau
diese Ziele hat sich der hier vorliegende
KEP gesetzt. Dabei sollen die gestaltenden
Potenziale der Stadt für eine effektive,
hochwertige und erfolgreiche Kulturarbeit
gebündelt und vernetzt werden. Im Austausch miteinander kann eine innovative,
Zeichen setzende Kulturarbeit gelingen; aufeinander abgestimmt prägen alle gemeinsam im Rahmen der eigenen Möglichkeiten
das Gesamterscheinungsbild unserer Stadt.
Im Mittelpunkt städtischer Kulturarbeit steht
dabei immer und vor allem, kulturellen
Projekten den Boden zu ebnen, indem die
dafür nötigen Strukturen verbessert bzw.
gegebenenfalls neu geschaffen werden.
Der Wolfsburger Kulturentwicklungsplan
möchte dazu beitragen, innerhalb der Stadt
eine Plattform für kreative Veränderung
zu bieten. Es gilt, nicht eindimensional,
sondern mehrgleisig zu denken. Die Stärken
vorhandener Angebote sind zu erkennen,
zu unterstützen und zu fördern. Parallel dazu
sind jedoch weitere neue Möglichkeiten für
städtische Kulturprojekte auszuloten.
In diesem Sinne bietet der KEP nicht nur
Anreize zum Konsum von Kultur, sondern
auch fundierte Anregungen für eigene
Kulturinitiativen. Das aufgefächerte Kaleidoskop erarbeiteter Schlüsselprojekte
bietet dabei den Nährboden, auf dem auch
mutige und beherzte Visionen in unserer
Stadt ihren Platz finden und Wirklichkeit
werden können. Ziel ist es, dass Wolfsburg
seiner Tradition treu bleibt und sich auch in
Zukunft da, wo es nötig ist, immer wieder
neu erfindet. Schließlich ist Wolfsburg die
Stadt, in der Neues immer möglich war – die
dafür nötige Aufgeschlossenheit und den
ureigenen Pioniergeist gilt es mit dem
Kulturentwicklungsplan in das nächste Jahrzehnt zu tragen.
Schon heute bietet Wolfsburg dank seines
vielfältigen Kulturangebots Einheimischen,
Neubürgern und Touristen eine feste Basis
für gelebte Identifikation und lebendige
Aktivität. Bereits jetzt sind es zahlreiche
Kommunikations- und Experimentiermöglichkeiten, die Wolfsburg modern, attraktiv
und in seiner Einzigartigkeit erkennbar
werden lassen. Sie sind es, die unsere Stadt
„er-lebenswert“ machen!
So haben alle im vorliegenden Kulturentwicklungsplan präsentierten und kreierten
Projekte schon von Haus aus eine überzeugende Grundlage, um sie weiterzuentwickeln oder gegebenenfalls neu zu
realisieren.
Wir in Wolfsburg wissen, dass auf dem
Weg in die Zukunft Bestehendes nie außer
Acht gelassen werden sollte: Eine Stärkung
vorhandener Strukturen, das Herausheben
verborgener Schätze und die Zusammenschau wichtiger Facetten – nur das zusammengenommen trägt maßgeblich dazu bei,
Gutes noch besser zu machen.
Der erste Schritt ist getan, die Eckpfeiler
sind gesetzt. Die zehn Schwerpunkte des
Wolfsburger Kulturentwicklungsplans
bieten Instrumente sowohl zur weiteren
Profilierung der Stärken als auch für neue
kulturelle Meilensteine. Dazu gehören aktuell u.a. das „Artist-in-Residence“-Programm,
das Weltraumlabor des Planetariums, die
Kultur im öffentlichen Raum, die Kunstmeile
Porschestraße, das Kunstfestival, die Neuerfindung des Alvar-Aalto-Kulturhauses als
Haus der Kultur und Baukultur, aber auch
das historische Dreigestirn Burg Neuhaus,
Schloss Wolfsburg und Schloss Fallersleben.
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt
Wolfsburg wurde von einem mehrköpfigen
Redaktionsteam verfasst. An der detaillierten
Ausarbeitung von Zielen und Schlüsselprojekten innerhalb der kulturellen Schwerpunktthemen waren zahlreiche Personen
aus Kultur, Politik, Wirtschaft und städtischer
Verwaltung, aber auch kulturinteressierte
Bürger beteiligt. Ihnen allen sei für ihre
Kreativität und ihr leidenschaftliches Engagement gedankt.
Besonders hervorzuheben sind in diesem
Zusammenhang Axel Bosse und Sandra
Straube, die beiden Vorsitzenden des Beirats,
sowie die Agentur „just be agency“, die den
KEP-Prozess begleitete.
Kultur wird oft als ein „weicher Standortfaktor“ bezeichnet. Sie ist aber weit mehr! Sie ist
es, die uns geistige Nahrung gibt. Sie schafft
die nötigen Freiräume, die für kreatives Denken in all seiner Vielfalt nötig sind.
Moderne Politik des 21. Jahrhunderts
zeichnet sich durch neue Formen der Bürgerbeteiligung in Planungs- und Veränderungsprozessen aus. Mit dem vorliegenden
KEP ist eine tragfähige Grundlage für eine
innovative Kulturarbeit Wolfsburgs errichtet.
Nun bleibt es der Politik vorbehalten, die
Richtung zu weisen: für die Stadt – für die
Bürger – für die Zukunft.
Thomas Muth (*1966) studierte Kulturmanagement sowie
Verwaltungsbetriebswirtschaft und
Wirtschaftswissenschaften. Er ist seit
Juli 2008 als Verwaltungsvorstand
und Stadtrat der Stadt Wolfsburg tätig
und leitet das Dezernat für Finanzen
und Controlling, Kultur und Bildung.
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt
Wolfsburg ist unter seiner Federführung
entstanden.
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
3
Kulturentwicklungsplanung –
elementares Mittel für den
Aufbau einer modernen
Kulturlandschaft
Simone Neteler und
Birgit Schneider-Bönninger
„Kultur für alle“ ist
„Kultur von allen“1
Kultur und Gesellschaft sind zwei Größen,
die nicht ohne die jeweils andere zu
denken sind. So wie die Kultur aus der
Gesellschaft entspringt, ist sie gleichzeitig
von ihr beeinflusst und deren Wandlungsprozessen unterworfen. Die Gesellschaft
ist immer in Bewegung, gesellschaftliche
Veränderungen sind zeitabhängig und
spiegeln sich in Begriffen wie Globalisierung, Medialisierung, aber auch Individualisierung, Pluralisierung, Migration
oder Integration. Die damit verbundenen
Herausforderungen haben Auswirkungen
auf das Leben der Menschen miteinander;
entsprechend ändern sich Lebensentwürfe und familiäre Strukturen, was
sich auch in Wortneuschöpfungen wie
„Singlehaushalt“ oder „Patchworkfamilie“
offenbart.
Auf der anderen Seite wirkt die aus der
Kultur erwachsende Kraft auf die Gesellschaft zurück, gibt ihr Möglichkeiten zur
Selbstverwirklichung, fördert das eigene
Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein, ja, Kultur gibt ohne Frage auch
bedeutende Impulse dafür, dass sich die
Menschen mit ihrer Heimat identifizieren.
Kultur wird somit zu einem Gradmesser
von Standortqualitäten einer Stadt oder
Region, zu einem wichtigen Kriterium,
wenn es darum geht, Lebensbedingungen, überzeugende Infrastrukturen oder
eben auch soziale Qualitäten einer Gesellschaft zu bewerten.
Kultur verbindet dabei Tradition
und Moderne, denn sie versucht, zu
bewahren und zeigt gleichzeitig eine
1 Das Motto ist von Prof. Oliver Scheytt in seinem Buch
„Kulturstaat Deutschland. Plädoyer für eine aktivierende
Kulturpolitik“ (Bielefeld 2008) ausführlich begründet
worden. Siehe hierzu auch das Vorwort im Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ (Regensburg 2008): „Kunst und Kultur dürfen kein
Luxusgut einiger weniger Privilegierter sein. Die Teilhabe
aller an der Kultur muss gewährleistet sein, denn sie
bedeutet auch Teilhabe an der Gesellschaft. Eine starke
Breitenkultur, an der sich jeder aktiv beteiligen kann, ist
insofern eine Voraussetzung für ein flächendeckendes
Angebot von Kultur für alle und von allen“ (S. 13).
4
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
zukunftsgewandte Offenheit für Neues, für
das Innovative.
Die hier nur kurz beschriebene Wechselbeziehung und gegenseitige Wirkungsnahme von Kultur und Gesellschaft im
Wandel der Zeiten hat entscheidende
Auswirkungen auf die Kulturpolitik, die
heutzutage nicht mehr nur „Kultur für alle“
anbieten, sondern im besten Falle auch
„Kultur von allen“ fördern sollte.
Über die Planbarkeit von
kultureller Entwicklung
Es ist keine Frage des Blickwinkels,
sondern eine Tatsache, dass moderne
Gesellschaften heute vor großen Herausforderungen stehen. Die demografische
Entwicklung, die Globalisierung, die
Möglichkeiten (und Risiken) der Neuen
Medien, allen voran des Internets, aber
auch die Notwendigkeit eines ressourcenschonenden Lebens fordern uns auf, kreativ und weitsichtig, verantwortungsvoll
und ausgewogen Lösungen anzubieten.
Die dabei entstehende Gesellschaftsstruktur wird an alle neue Anforderungen
stellen – im Sinne der oben beschriebenen Wechselwirkung mit der Kultur auch
an die Kulturpolitik. Deshalb muss diese
mit neuen Konzepten, mit angepassten
Strategien und Zielen, dabei immer
aufbauend auf dem Vorhandenen, den
Kulturbetrieb sichern und für die neuen
Zeiten „fit“ machen.
Ein wesentliches Instrument für den
Aufbau einer gleichzeitig modernen
und bewahrenden, offenen und in sich
gefestigten Kulturlandschaft, einer Kulturlandschaft für die Gesellschaft und
gleichzeitig für das einzelne Individuum
stellt die Kulturentwicklungsplanung
dar. So empfiehlt auch die EnqueteKommission „Kultur in Deutschland“ (2003
– 2007), deren Erkenntnisse wir in einer
Zusammenfassung dieser Publikation als
Basis voranstellen, in ihrem Schlussbericht
nachdrücklich die Erarbeitung von Kulturentwicklungsplänen, da diese „langfristig kulturelle Infrastruktur“ sichern.2
Ein Kulturentwicklungsplan (KEP) plant
dabei nicht direkt Kunst und Kultur.
Vielmehr definiert er den Ist-Zustand der
kulturellen Situation in der Kommune, er
2 Deutscher Bundestag (Hrsg.): Kultur in Deutschland.
Schlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen
Bundestages (15. und 16. Wahlperiode des Deutschen
Bundestages) Regensburg 2008, S. 334.
dokumentiert also aktuelle Ziele und den
allgemeinen Stand der Kulturarbeit vor
Ort. In einem zweiten Schritt leitet er für
einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren –
also mittel- und langfristig – unterschiedliche Entwicklungsphasen und Ziele ab,
zudem formuliert er kreative Maßnahmen
und Projekte „vernetzter“ Kulturarbeit.
Grundsätzlich betrachtet Kulturentwicklungsplanung nicht nur einzelne Institutionen, sondern erfasst den gesamten
Kulturbereich einer Kommune und trägt
zur Analyse der Kulturstruktur bei.
Kulturentwicklungsplanung als Annäherung und kreativer Prozess zur Neugestaltung einer Kulturlandschaft hat in der
Bundesrepublik Deutschland durchaus
Tradition. Bereits Mitte der 1970er-Jahre
erarbeiteten Städte wie Göttingen, Osnabrück oder Nürnberg einen KEP. Heutzutage liegen Kulturentwicklungspläne im
Trend, wie die entsprechenden Arbeiten
für Oldenburg (2007), Leipzig (2008) oder
Köln (2009) beweisen.
Der Begriff „Kulturentwicklungsplan“
signalisiert durch die Verbindung von
inhaltlichen Perspektiven und mittelfristiger Planung kulturpolitischen Gestaltungswillen und Aufbruch. Werden Kunst
und Kultur als wichtige Faktoren für gesellschaftliche Innovationskraft tatsächlich
ernst genommen, kann es nicht bei der
„bloßen“ Verwaltung und damit mehr oder
weniger Fortschreibung „alter“ Gewohnheiten bleiben. Es bedarf vielmehr des
Versuchs, Impulse und Initiativen zur
Weiterentwicklung des städtischen Kulturund Kunstlebens anzuregen und in Gang
zu setzen. Auch und gerade provokative
Thesen sind ganz im Sinne einer zeitgemäßen Kulturentwicklungsplanung, die in
einem breiten gesellschaftlichen Diskurs
entsteht und damit, aber selbstverständlich auch in ihrer Wirkung, das öffentliche
Interesse an Kultur stärkt.
Die Ergebnisse von Kulturentwicklungsplanung sind in der Ausrichtung und in
den ausgewiesenen Zielen äußerst differenziert und nicht von Kommune zu Kommune oder von Region zu Region übertragbar, da der jeweilige KEP die einzelnen
städtischen Besonderheiten berücksichtigt, ja, auf genau diesen aufbaut.
Ein Kulturentwicklungsplan
für Wolfsburg
Auch Wolfsburg hat solche Spezifika zu
bieten. So wurde der kulturelle Status
der Stadt einerseits in den 1950er- und
1960er-Jahren definiert, wie das zweite
Kapitel des KEP ausführlich darlegen wird.
Objekte wie das Alvar-Aalto-Kulturhaus
oder andere klassische Architektur der
Moderne, z.B. der Theaterbau des Berliner
Baumeisters Hans Scharoun, stammen
aus dieser Zeit und haben im kulturellen
Leben der Stadt ihren herausragenden
Platz gefunden. Damals wurde auch der
Grundstock für eine mittlerweile beeindruckende Sammlung zeitgenössischer
Kunst gelegt. Seit der Eingemeindung
1972 ist zudem unbestritten, dass sich das
kulturelle Leben in Wolfsburg nicht nur auf
die zentralen Kulturangebote, Veranstaltungen und Institutionen, sondern auch
auf die dezentralen Voraussetzungen und
Aktivitäten in 20 Stadt- und Ortsteilen
stützt. Aus der Gründungsgeschichte der
Stadt ergibt sich außerdem eine seit vielen
Jahren bewusst gelebte, bürgerschaftlich
initiierte Erinnerungskultur, die sich der
Aufarbeitung der NS-Vergangenheit
verpflichtet fühlt und diese auch aktiv an
Erinnerungsorten praktiziert.
Mit Autostadt, Kunstmuseum und phæno
hat sich darüber hinaus in Wolfsburg an
der Schwelle zum 21. Jahrhundert Kultur
mit Niveau und internationaler Ausstrahlung verankert, die aber – allemal im Falle
des phæno – elitäre Züge meidet und mit
hohen Besucherzahlen nachweist, dass
hier eine kulturelle Teilhabe breiter Kreise
stattfindet.
„Ideen zur weiteren Entwicklung der
Kultur unserer Stadt zu überlegen und
Vorschläge darüber zu formulieren.“
Damit wurde die Initialzündung für die
Erarbeitung eines Kulturentwicklungsplans gegeben, der in einem breiten
demokratischen Prozess – in Zusammenarbeit von kulturinteressierten Bürgern,
Kulturschaffenden, Experten und Politikern – kreativ entworfen wurde.
Eingebettet in die strategische Kommunalpolitik und basierend auf dem
Stadtleitbild von 1997, legt der KEP der
Stadt Wolfsburg unter der Prämisse der
„kreativen Stadt“ die Prioritäten und Rahmenbedingungen für die Kulturpolitik in
Wolfsburg für die nächsten zehn Jahre
und damit bis 2021 fest.
Der Kulturausschuss der Stadt Wolfsburg
hat den Kulturentwicklungsplan in die
vorliegende Form gebracht und dem Rat
der Stadt Wolfsburg zur Beschlussfassung
vorgelegt. Der Rat der Stadt Wolfsburg hat
den KEP in der Sitzung vom 22. Juni 2011
beschlossen.
Der KEP Wolfsburg ist damit zwar fertiggestellt, wird aber aktuellen Entwicklungen
und Bedürfnissen immer wieder flexibel
angepasst. Änderungen und Neujustierungen werden angesichts des kulturellen und gesellschaftlichen Wandels
regelmäßig unumgänglich sein und den
zuständigen Organen zur Beratung und
Beschlussfassung vorgelegt werden. Die
jährliche Festlegung und Priorisierung
der Schlüsselprojekte in den einzelnen
kulturellen Schwerpunkten obliegt der
Entscheidung der politischen Gremien.
Konsens für die Kultur:
KEP einstimmig vom
Rat der Stadt Wolfsburg
verabschiedet.
Der KEP gliedert sich in drei zentrale
Abschnitte: Der erste Teil beschreibt allgemeine kultur- und kommunalpolitische
Grundlagen, der zweite Teil skizziert die
konkreten zehn Schwerpunkte der Kulturentwicklung und ein dritter Abschnitt entfaltet Visionen sowie Utopien. Im Anhang
findet sich sowohl die Dokumentation des
Beteiligungsprozesses als auch ein Auszug
aus der SWOT-Analyse („just be agency“).
Betrachtet man die Gesamtsituation allerdings genauer, wird schnell deutlich, dass
sich auch die Kulturpolitik in Wolfsburg
neu „erfinden“ und positionieren muss, um
auf neue Herausforderungen angemessen
reagieren zu können.
Die Ausbildung einer partizipatorischen
kulturellen Identität Wolfsburgs, die
Inklusion unterschiedlicher Kulturnutzer,
Vernetzung und Qualität sind zentrale Eckpunkte einer Kulturpolitik von morgen.
Vor diesem Hintergrund formulierte
die SPD-Fraktion im Januar 2006 einen
Antrag, der die Entwicklung eines organisatorischen Rahmens für ein Gremium
einforderte, dessen Aufgabe es sein sollte,
Simone Neteler (*1966) war nach einem
Studium der Publizistik, Germanistik
und Psychologie viele Jahre enge
Mitarbeiterin des Schriftstellers Walter
Kempowski. Sie lebt als freie Journalistin
und Autorin in Berlin.
Dr. Birgit Schneider-Bönninger (*1963)
ist promovierte Historikerin. Seit 1999
gestaltet sie Kulturarbeit in Wolfsburg, seit
2010 als Geschäftsbereichsleiterin Kultur
und Bildung.
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
5
6
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
A
Theorie
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
7
I. Richtungsweisende Impulse
für die Kulturpolitik
Zu den Ergebnissen der Enquete-Kommission
„Kultur in Deutschland“ (2003 – 2007)
Simone Neteler und Birgit Schneider-Bönninger
Bestandsaufnahme und
Handlungsempfehlungen
für den Bund, die Länder
und die Kommunen
Die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages hat im
Dezember 2007 mit ihrem Abschlussbericht
eine der umfassendsten Untersuchungen
zur Situation der deutschen Kunst- und
Kulturlandschaft in der Geschichte der Bundesrepublik vorgelegt.3
3 Die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ wurde
auf Beschluss des Deutschen Bundestages eingesetzt
und nahm im Oktober 2003 ihre Arbeit auf. In der Kommission waren Abgeordnete aller im Bundestag vertretenen Fraktionen sowie elf Sachverständige Mitglieder
aus der Landespolitik, Wirtschaft und künstlerischen Praxis vertreten. Die Kommission beschäftigte sich während
der 15. Legislaturperiode zunächst mit der deutschen
Kulturlandschaft. Im Zentrum der Beratungen standen
anfänglich die öffentliche und private Förderung von
Kunst und Kultur unter Berücksichtigung des Strukturwandels, die wirtschaftliche und soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler sowie die kulturelle Grundversorgung in der Kulturlandschaft und dem Kulturstandort
Deutschland. Infolge vorgezogener Wahlen zum Deutschen Bundestag im Jahr 2005 konnte die Kommission
ihre Arbeit nicht abschließen; stattdessen wurde ein
Zwischenbericht verfasst, der die bisherigen Arbeitsergebnisse festhielt und in dem sich die Kommissionsmitglieder einstimmig für die Aufnahme des „Staatsziels
Kultur“ im Grundgesetz aussprachen. Die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ konstituierte sich nach
den Neuwahlen in der 16. Legislaturperiode erneut.
Ihre Aufgabenbereiche wurden dabei explizit um die
Themenfelder Kulturwirtschaft, kulturelle Bildung, Kultur in der Informations- und Mediengesellschaft sowie
europäische Kulturpolitik erweitert. Am 11. Dezember
2007 überreichte die Enquete-Kommission Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert ihren Abschlussbericht. Das Kompendium für eine zukunftsgerichtete
Kulturpolitik wurde einstimmig und parteiübergreifend
verabschiedet.
8
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
Der nach insgesamt vierjähriger Arbeit
präsentierte Report erfüllt zwei wesentliche
Aufgaben: Zum einen bietet er eine äußerst
vielschichtige Bestandsaufnahme des
kulturellen Lebens, zum anderen formuliert
er insgesamt 456 konkrete Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige und visionär
ausgerichtete Kulturpolitik. Zwar fungieren
Enquete-Kommissionen grundsätzlich als
Beratungsgremien des Deutschen Bundestages, doch hat die Kommission „Kultur in
Deutschland“ nicht nur Empfehlungen für
den Bundesgesetzgeber ausgesprochen,
sondern darüber hinaus auch die Bundesländer, Kommunen und die Institutionen
des kulturellen Lebens in ihre Betrachtungen miteinbezogen. Damit berücksichtigt
die Kommission die Tatsache, dass gerade
Länder und Kommunen eine besondere
Verantwortung tragen, wenn es darum geht,
die Rahmenbedingungen für Kunst und
Kultur zu verbessern. Die formulierten Empfehlungen richten sich entsprechend nicht
nur an bundespolitische Einrichtungen,
sondern bieten darüber hinaus eine wichtige Informations- und Argumentationshilfe
für die Kulturarbeit direkt vor Ort.
eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe
kennzeichnen, und die über Kunst und Literatur hinaus auch Lebensformen, Formen
des Zusammenlebens, Wertesysteme, Traditionen und Überzeugungen umfasst“.4
In diesem Zusammenhang erhält auch
der Begriff der „kulturellen Vielfalt“ eine
weitreichende Bedeutung. So definierte
die UNESCO im „Übereinkommen über
den Schutz und die Förderung der Vielfalt
kultureller Ausdrucksformen“ im Jahr 2005:
„Kulturelle Vielfalt bezieht sich auf die mannigfaltige Weise, in der die Kulturen von
Gruppen und Gesellschaften zum Ausdruck
kommen. […] Die kulturelle Vielfalt zeigt sich
nicht nur in der unterschiedlichen Weise, in
der das Kulturerbe der Menschheit durch
Kultur und kulturelle Vielfalt
eine Vielzahl kultureller Ausdrucksformen
zum Ausdruck gebracht, bereichert und
weitergegeben wird, sondern auch in den
vielfältigen Arten des künstlerischen Schaffens, der Herstellung, der Verbreitung, des
Vertriebs und des Genusses von kulturellen
Ausdrucksformen, unabhängig davon,
Der Enquete-Bericht legt einen breit gefächerten Kulturbegriff zugrunde, wie er seit
der UNESCO-Kulturkonferenz von Mexiko im
Jahr 1982 international gilt und im Laufe der
Jahre immer wieder angepasst und erweitert worden ist. Danach wird die Kultur als
„Gesamtheit der unverwechselbaren geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Eigenschaften angesehen […], die
Kultur in der Stadt ist
wesentlich mehr als Kultur
von der Stadt.
4 Deutscher Bundestag (Hrsg.): Kultur in Deutschland.
Schlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen
Bundestages (15. und 16. Wahlperiode des Deutschen
Bundestages). Regensburg 2008, S. 57.
welche Mittel und Technologien verwendet
werden.“5
Erhalt und Förderung dieser kulturellen
Vielfalt werden im Enquete-Bericht als
erstrebenswerte Ziele festgeschrieben;
zudem sollen alle Mitglieder der Gesellschaft
die Möglichkeit haben, „ihren eigenen kulturellen Interessen zu folgen, ihre Fähigkeiten
zu entwickeln und am kulturellen Leben
teilzunehmen“6, was auch als wesentliche
Aufgabe kultureller Bildung angesehen wird.
Kulturpolitik ist
Gesellschaftspolitik
Der Kulturbegriff im Sinne der UNESCO zielt
auf die Gesellschaft als Ganzes wie auch auf
das einzelne Individuum. Der Begriff „Kultur“
beinhaltet entsprechend die spezifischen
Eigenschaften einer Gesellschaft, aber auch
die unzähligen Entfaltungsmöglichkeiten
des einzelnen Individuums.
Die Kulturpolitik muss sowohl die individuellen wie auch die gemeinschaftlichen Wirkungen von Kultur offenlegen und berücksichtigen. Auf der anderen Seite agiert sie
selbst in inhaltlichen Bereichen von Kunst
und Kultur und trägt für das eigene Handeln
Verantwortung. Erfolgreiche Kulturpolitik
berücksichtigt die beiden Dimensionen von
Kultur – Wirkung und Handeln – gleichermaßen; sie vermittelt also „zwischen gesellschaftlicher Situation/Entwicklung einerseits
und staatlichem/kommunalem Handeln
im Blick darauf andererseits.“7 Kulturpolitik
zielt dabei selbst auf eine gesellschaftliche
Wirkung und ist Teil des demokratischen
Handelns, was die Kommission mit dem
Kernsatz „Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik“
untermauert.8
Vor diesem Hintergrund ist das von der
Enquete-Kommission entworfene Leitbild
für den Kulturstaat Deutschland nicht das
eines subsidiär aufgebauten Kulturstaates,
sondern setzt auf eine „aktivierende“ und
partizipatorische Rolle des Staates: Das heißt,
Staat und Kommunen sind verantwortlich
für einen Großteil der kulturellen Infrastruktur, beziehen darüber hinaus jedoch Akteure
und Institutionen aus Wirtschaft und Gesellschaft bewusst in die Verantwortung mit ein.
Oliver Scheytt, Kulturpolitiker, Professor für
Kulturpolitik und selbst Sachverständiges
Mitglied der Enquete-Kommission, hat dafür
5
Ebenda, S. 58.
6
Ebenda.
7
Ebenda, S. 64.
8
Ebenda, S. 63.
den Begriff des „aktivierenden Kulturstaates“
geprägt9: „Aktivierende Kulturpolitik operiert
nicht nur mit Blick auf die Bereitstellung
von Ressourcen und die Gestaltung von
Recht, sondern setzt dafür vor allem auf die
Gestaltung von Relationen und das Zusammenspiel aller“.10
Dies bedingt laut Enquete-Bericht eine
offene Gestaltung der Willensbildung,
insbesondere durch den kulturpolitischen
Diskurs mit gesellschaftlichen Akteuren:
„Kulturpolitik ist also kein ‚Closed-Shop‘ der
öffentlich verantworteten und getragenen
Institutionen, sie lebt vielmehr vom Diskurs
und der Teilhabe zahlreicher Akteure aus der
kulturellen Szene und der Bürgerschaft“.11
Dahinter steht die Einsicht, dass gesellschaftliche Probleme nicht nur durch den Staat
im Grundgesetz zu verankern“12 und als
Artikel 20b GG einzufügen mit der Formulierung: „Der Staat schützt und fördert die
Kultur.“13 Damit greift die Kommission einen
Vorschlag auf, der bereits in dem EnqueteZwischenbericht „Kultur in Deutschland
– Kultur als Staatsziel“ aus dem Jahr 2005
formuliert worden war und der als Kapitel
2.4 in den Schlussbericht eingegangen ist.
Auch wenn dies vielleicht eine der grundlegendsten Empfehlungen der EnqueteKommission „Kultur in Deutschland“
darstellt, zumindest aber diejenige ist, die
viel Aufmerksamkeit erregt hat, so sollen
die weiteren Forderungen nicht vergessen
werden. Die Kommission empfiehlt und
begründet eine verbindlichere Form der
Kulturförderung, die Neubewertung der
Lichtinszenierung im Rahmen der Phaenomenale: Das Science & Art Festival lädt seit 2007 zu künstlerischer,
wissenschaftlicher und medialer Auseinandersetzung ein.
gelöst werden können, sondern – wenn
möglich – auch die Bürgergesellschaft
einbezogen werden und kompetent Verantwortung übernehmen soll.
Kultur als Staatsziel
Bundeskulturpolitik, eine Stärkung der
kulturellen Bildung, die Unterstützung der
Kultur- und Kreativwirtschaft sowie auch
des bürgerschaftlichen Engagements, das
allerdings nicht als Ersatz für staatliche Kulturförderung verstanden werden dürfe.
Als eine der Kernforderungen empfiehlt die
Enquete-Kommission, „Kultur als Staatsziel
Kulturpolitik ist
Kommunalpolitik
9 Siehe dazu: Scheytt, Oliver: Kulturstaat Deutschland.
Plädoyer für eine aktivierende Kulturpolitik. Bielefeld
2008. Die FDP-Fraktion und der Sachverständige Olaf
Zimmermann bevorzugen dagegen den Begriff des
„ermöglichenden Kulturstaates“. Sie sehen den Staat
primär in der Pflicht, Rahmenbedingungen für die Kultur
zu setzen.
Darüber hinaus kommen die Kommissionsmitglieder zu der Einschätzung, dass
Kunst und Kultur als integrale Bestandteile
der Gesellschaft dauerhaft gesichert
werden müssen, wobei vor allem der
kommunale Bereich im Mittelpunkt der
Betrachtungen steht: „Kulturpolitik ist in der
10 Scheytt, Oliver: Aktivierender Kulturstaat. In: Kulturpolitische Mitteilungen, Nr. 122, III/2008, S. 36.
11 Deutscher Bundestag (Hrsg.): Kultur in Deutschland.
Schlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen
Bundestages (15. und 16. Wahlperiode des Deutschen
Bundestages). Regensburg 2008, S. 65.
12 Ebenda, S. 89.
13 Ebenda.
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
9
Bundesrepublik Deutschland in erster Linie
Kommunalpolitik“.14
Präsidium und Hauptausschuss des Deutschen Städtetages haben in ihrer Herbstsitzung 2009 die kommunal relevanten
Aussagen und Empfehlungen der EnqueteKommission begrüßt und zudem grundsätzliche Aussagen zu einer Kulturpolitik der
Gemeinden und Städte formuliert.15 Ganz im
Sinne des „aktivierenden Kulturstaates“ plädiert auch der Städtetag für eine gesamtgesellschaftliche Leistungserbringung: „Kultur
in der Stadt ist wesentlich mehr als Kultur
von der Stadt“.16
Bei der Ausweisung des kommunalen Kulturauftrags spielt der Begriff „Governance“
eine zentrale Rolle. Dahinter verbirgt sich
ein Verwaltungsleitbild, welches sich auf die
Idee des „aktivierenden Staates“ zurückfüh-
werden nicht gegeneinander ausgespielt,
sondern miteinander verbunden“.17
Zur Umsetzung von Governance dienen
auch Kulturentwicklungspläne, die sowohl
von der Enquete-Kommission als auch vom
Deutschen Städtetag als überzeugende
Planungsinstrumente nachdrücklich eingefordert werden.
Im bundesdeutschen Kulturdiskurs findet
derzeit ein Paradigmenwechsel statt.
Olaf Schwencke, einer der Wegbereiter
der „Neuen Kulturpolitik“ in den 1970erJahren, plädiert vor dem Hintergrund der
gesellschaftlichen Herausforderungen des
21. Jahrhunderts (wie beispielsweise dem
demografischen Wandel, der Medialisierung,
der Kluft zwischen Armut und Reichtum
etc.) für eine Kulturpolitik der Zukunft, in
der Kultur endgültig nicht mehr als Ressort,
Die Kulturgesellschaft wiederum ist der
Reflexionsraum bzw. die Matrix für eine
Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik.
Mit den Handlungsempfehlungen der
Enquete-Kommission hat sich der Stellenwert von Kultur in der Politik auf nationaler
Ebene erhöht: „Es ist das entschiedene Interesse, die Kreativität und das Engagement
der Bürger, was die Kulturnation ausmacht.
Es geht darum, Raum und Unterstützung
dafür zu schaffen. […] Der Schlussbericht
der Enquete-Kommission des Deutschen
Bundestages ‚Kultur in Deutschland‘ ist eine
Fundgrube praktischer Vorschläge dafür. So
genau ist die kulturelle Landschaft Deutschlands noch nie vermessen worden.“19
„Hoffmannstadt Fallersleben“: Buchpräsentation im Hoffmannhaus. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 – 1874),
der Dichter der deutschen Nationalhymne, wurde im Ortsteil Fallersleben geboren.
ren lässt. Das Prinzip „Governance“ hat den
Anspruch, die kulturpolitischen Aufgaben
auf mehrere Akteure zu verteilen und nicht
nur durch staatliches Handeln zu garantieren. Die angestrebten Ziele sollen kooperativ
erreicht werden: „Das Governance-Konzept
setzt nicht auf Aufgaben- und Verantwortungstrennung, sondern auf Verantwortungsteilung und Kooperation, mithin auf
Verantwortungspartnerschaft. […] Die
Handlungslogiken Hierarchie (Staat), Tausch
(Markt) und Solidarität (Bürgergesellschaft)
14 Ebenda, S. 71.
15 Deutscher Städtetag (Hrsg.): Kultur in Deutschland aus
Sicht der Städte. Positionsbestimmung zum Bericht
der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des
Deutschen Bundestages, Beschluss des Hauptausschusses des Deutschen Städtetages in der 196. Sitzung am
05.11.2009 in Berlin.
16 Ebenda.
10
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
sondern als „Querschnittsaufgabe“ begriffen
wird, die neue Allianzen und Synergien
erfordert.
Der ehemalige Münchener Kulturreferent
Siegfried Hummel spricht von der „Kulturpolitik der Zweiten Moderne“ in einer alternden wie dialogisch orientierten Gesellschaft,
die radikal in anderen Politiken intervenieren
muss: „Kulturpolitiker müssen sich […] in
den Niederungen der Arbeitspolitik, der
Bildungspolitik und auch in der der Verfassungspolitik zu Wort melden und dort die
Mühen der Ebene auf sich nehmen.“18
17 Knoblich, Tobias J.: Zur Begründung von Cultural Governance. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 08/2009,
16.02.2009.
18 Hummel, Siegfried: Die Zukunft der Kulturpolitik
der Zweiten Moderne in der alternden Gesellschaft.
Unveröffentlichtes Manuskript. Abrufbar unter: http://
www.ifg.uni-osnabrueck.de/uploads/Hummel/Die_
Zukunft_der_Kulturpolitik.pdf.
19 Altbundespräsident Horst Köhler in seiner Rede zum Tag
der Deutschen Einheit am 03.10.2008 in Hamburg.
II. Stadt ist Kultur
Wolfsburg auf dem Weg zur Kulturstadt
Axel Bosse
„Eine Stadt besteht aus
unterschiedlichen Arten von Menschen;
ähnliche Menschen bringen
keine Stadt zuwege.“
Aristoteles
[zitiert nach R. Sennett:
Fleisch und Stein. Berlin 1995]
Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager, die sich 1945 schnell mit Flüchtlingen
aus dem Osten gefüllt hatten. Das Werk gab
in dieser Situation nicht nur der „Stadt“ den
nötigen Rückhalt, sondern vor allem auch
den Menschen, die jetzt die Geschicke dieser Stadt in ihre Hände nahmen.
Die Kultur der Stadt entsteht
durch die Bürger (1945 – 1972)
Städte sind aus Sicht der Soziologie mit
vielen Menschen besiedelte, fest umgrenzte
Siedlungen (Gemeinden) mit eigener Markthoheit, eigener Regierung, eigenem Kult
und sozial differenzierter Einwohnerschaft.
Ersteres unterscheidet die Stadt vom Dorf,
Letzteres von Lagern wie Arbeitslagern,
Straflagern oder Winterquartieren von Heeren.20
Mit dem Ende der Zwangsarbeiterlager
1945 versuchte man vis-à-vis des Volkswagenwerks, dem gerade beschriebenen
ersten Siedlungsfragment das Gesicht
einer Stadt zu geben. Doch spiegelte sich
das Städtische nicht in entsprechenden
Bauten – die gab es 1945 in dem vom
Krieg zerstörten Deutschland in keiner
Stadt –, sondern in dem Bemühen der
Menschen, ein städtisches Leben zu organisieren. Dabei waren die Vorstellungen
darüber, was städtisches Leben beinhalten
sollte, von klassischen Vorbildern geprägt.
Für die Menschen bilden Bibliothek, Volkshochschule, Theater und Museum, wie
auch die Kirchen, die ursprünglich nicht
vorgesehen waren, den Kern kulturellen
Lebens einer Stadt.21
„Der Steinklotz hebt sich aus der Landschaft,
als hätte ein Riese ihn da hineingeworfen,
mitten in die Ebene.“ Mit diesen Worten
beschreibt Horst Mönnich in seinem 1951
erschienenen Buch „Die Autostadt“ das
Volkswagenwerk.
Die „Stadt“ am gegenüberliegenden Ufer
des Mittellandkanals wie auch ihre Einwohner waren zu diesem Zeitpunkt Fremdkörper
in einer von Bauern und landwirtschaftsnaher Industrie geprägten Kulturlandschaft.
Das im Laufe des Zweiten Weltkriegs zu
zwei Dritteln zerstörte Autowerk bildete das
Rückgrat der Wolfsburger Kernstadt. Dieses
Stadtfragment glich 1945 allerdings eher
einer Siedlung, die sich – ähnlich mittelalterlichen Städten – wie im Schutze einer
Festung entwickelte.
Denn nördlich des Mittellandkanals, einer
Art „Festungsgraben,“ lag das Werk, das
mit seiner durch 22 Treppenhäuser streng
gegliederten fast 2 km langen Front auch
den Charakter einer überdimensionalen
Wasserburg hat.
Im Süden dagegen fand sich die unfertige
Stadt, deren Steinbauten durch Barackensiedlungen und Behelfsheime ergänzt
wurden – Überbleibsel aus der Zeit der
20 Vgl. den Eintrag „Stadt“ auf www.wikipedia.de.
21 1951 wurde mit der St. Christophorus der erste Kirchenneubau nach dem Zweiten Weltkrieg in Wolfsburg
geweiht.
Entsprechend waren dies auch in Wolfsburg die Einrichtungen, die auf Initiative
der ersten Bürger in der Stadt neu
entstanden: 1946 wurde die Bibliothek
wiedereröffnet, 1949 konnten die ersten
neuen Bücher beschafft werden. Ebenfalls
1946 wurde der Volkshochschulverein
gegründet und zehn Jahre später kommunalisiert.
Volkshochschule und Bibliothek zogen
1962 gemeinsam in das neu errichtete
Kulturzentrum von Alvar Aalto (die räumliche Nähe von Erwachsenenbildung und
Bibliothek gilt heute für Einrichtungen
dieser Art wieder als wesentlicher Erfolgsfaktor).
Bis in das Jahr 1947 reicht die Vorgeschichte des Theaters zurück. Die erste
Aufführung nach dem Krieg – ein Gastspiel des Lessingtheaters Wolfenbüttel
– wurde den Wolfsburgern in Fallersleben
geboten. Da in Wolfsburg noch eine
geeignete Spielstätte fehlte, organisierte
man nach Eröffnung des Staatstheaters
Braunschweig seit 1948 gemeinsame
Fahrten dorthin.
Es folgten Vorstellungen auf einer provisorischen Bühne im Haus der Stadtwerke
an der Kleiststraße. Am 22. März 1954
wurde der Kulturring ins Vereinsregister
eingetragen, aus diesem Jahr stammen
auch erste Theaterbaupläne für den Südkopf. Später wurden Theaterstücke auf der
Bühne des „Delphin-Palasts“ und der Aula
des Ratsgymnasiums aufgeführt, ab 1964
fanden die Vorstellungen im „Imperial“-Kino
statt, bis man sie schließlich in den Saal der
Stadthalle verlegen konnte. 1973 wurde
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
11
dann endlich das Theater am Nordhang des
Klieversbergs bezogen.
Mit der Ausstellung „Wolfsburg im Aufbau“
begann im Herbst 1949 die Einrichtung
des Wolfsburger Heimatmuseums, das
im Dezember 1951 im Dachgeschoss der
Goetheschule in der Lessingstraße eröffnet
wurde (dieses Museum zog 1980 erst in den
Gewölbekeller des Schlosses und fand dann
im Jahr 2000 in den Schlossremisen eine
neue Heimat).
Große Teile der damaligen Bevölkerung
Wolfsburgs, aber auch der umliegenden
Städte und Gemeinden waren Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen
Ostgebieten. Das kulturelle Leben dieser
Heimatvertriebenen spielte sich in Landsmannschaften und eigenen Vereinen ab. Es
fand damit teilweise parallel zum traditionellen kulturellen Leben der ortsansässigen
Bevölkerung statt. Aus dieser existenten
Parallelität erwuchsen mit der Zeit kulturelle
Vereinigungen wie der „Gemischte Chor
Vorsfelde“ (1962 durch Umbenennung des
„Chors der Landsmannschaften“ oder des
„Flüchtlingschors“, wie die Vorsfelder damals
sagten, entstanden) oder der Fanfaren- und
Hörnerzug „Elche“, der den Namenszusatz
DJO (Deutsche Jugend des Ostens) später
ablegte. Diese kulturellen Vereinigungen
sind bis heute fest in den „Kulturbetrieb“ der
jeweiligen Ortsteile integriert.
Das Schloss, ein Bauwerk aus vorbürgerlicher Vergangenheit, hatte zunächst nichts
mit dem kulturellen Leben der Stadt zu tun.
Verkauft durch den Grafen von der Schulenburg im Jahr 1943 für 560.000 Reichsmark
an die „Stadt des KdF-Wagens“, wurde es
1947 von der inzwischen in Wolfsburg
umbenannten Stadt mit folgendem Zeitungsinserat zum Verkauf angeboten:
„Schloß aus Stadtbesitz zu verkaufen
(Weser-Renaissance), in günstiger Lage am
Mittelland-Kanal u. Bahnstrecke Hannover/
Berlin. Nähe Braunschweig. Über 80 Räume
[…] (insges. 3,88,10 ha). Gewerbliche Nutzung möglich. […]“
Das Land Niedersachsen erwarb die renovierungsbedürftige Schlossanlage, wollte
sie aber bereits 1961 wieder abgeben.
So bot sich für die Wolfsburger Stadtverwaltung die Gelegenheit, das historische
Bauwerk zurückzukaufen. Die Idee, ein
Museum im Schloss aufzubauen, wurde
allerdings nach kurzer Zeit wieder aufgegeben. Nur einige, aus der Sammlung des
12
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
amerikanischen Zeitungsverlegers Hearst
stammende und aus den USA nach Wolfsburg importierte Möbelstücke zeugen noch
von diesem Versuch einer Museumsgründung.
Die zweite Seite
der Wolfsburger
Kulturentwicklung
Schon in den städtischen Anfängen gab
es immer wieder vom Volkswagenwerk
geforderte und getragene Einflüsse auf die
Entwicklung einer urbanen Kultur: „Herr Dr.
Nordhoff bittet, sich künftig in noch viel
stärkerem Maße Gedanken zu machen,
welches Gesicht und welche Ordnung die
Stadt Wolfsburg einmal bekommen solle.
Beides müsse der Bedeutung entsprechen,
die das Werk habe, durch das sie lebe.“22
Die Aktivitäten des bürgerlichen Wolfsburgs
trugen dem Rechnung. Der von der Tradition des Dessauer Bauhauses geprägte
Oberstadtdirektor Dr. Wolfgang Hesse hatte
schon 1954/1955 erste Grafiken der Klassischen Moderne für die Stadt erworben. Im
Jahr 1958 wurde der Preis „Junge Stadt sieht
Junge Kunst“ gestiftet, 1959 der Kunstverein
von Wolfsburger Bürgern gegründet.
„Auf der Suche nach dem, was für menschliches Leben einer Stadt unentbehrlich ist,
konnte mit der Einpflanzung von Sport und
Kunst durch herausragende Vertreter dieser
Gattung nicht gewartet werden, bis diese
Mitbürger aus eigener Wurzel gewachsen
waren.“ So begründete Oberbürgermeister
Dr. Uwe-Jens Nissen die Ansiedlung der
Künstlergruppe „Schloßstraße 8“ im Schloss
Wolfsburg. Und in einem Katalog des
Kunstvereins hieß es dazu: „Das inzwischen
in Besitz genommene Schloss Wolfsburg,
die teuerste Ruine der Stadt, zugleich ihr
Namensträger, wartete auf eine sinnvolle
Nutzung; und so wie neue Betonpfähle als
Ersatz für die verrotteten Eichenstützen das
Ganze erhalten und tragen sollten, mussten
nun im kulturellen Bereich auch Neugründungen in Wolfsburg vollzogen werden.“23
Parallel dazu organisierte das Volkswagenwerk Ausstellungen, beginnend mit Franz
Marc 1952, und Konzerte, die Weltkunst in
die Provinz brachten. Dieser Weg wird bis
heute weiter beschritten. Autostadt und
Kunstmuseum sind die Institutionen, die
dieser Tradition verpflichtet sind.
22 N. N.: In König Nordhoffs Reich. In: Der Spiegel, 33/1955.
23 Siehe Vorwort von Dr. Uwe-Jens Nissen in: Katalog
„Schloßstraße 8“, Ausstellung im Schloss Wolfsburg,
Kunstverein Wolfsburg 1988.
Die für 1972 geplante Fertigstellung des
Theaters verzögerte sich durch einen
Baustopp, der sich aus finanziellen Schwierigkeiten der Stadt ergab, um ein Jahr. Die
Eröffnung des Schauspielhauses 1973 kann
als formaler Abschluss der Schaffung von
Institutionen einer klassisch europäischen
Stadt angesehen werden.
Auf dem Weg zur Großstadt
(1972 – 1995)
Das Jahr 1972 war für Wolfsburg mit der
Eingemeindung der Kleinstädte Fallersleben und Vorsfelde sowie von 18 bisher
eigenständigen Dörfern ein zentraler Schritt
auf dem Weg zur Großstadt mit mehr als
100.000 Einwohnern.
Damalige Überlegungen und Zukunftsplanungen liefen auf eine Stadtgröße von
mehr als 200.000 Einwohnern hinaus. Von
diesen Grundüberlegungen zeugt bis
heute – gleichsam als Anfang und Ende
der Träume vom Größenwachstum der
Stadt – das Schillerteichcenter auf dem
Gelände der ehemaligen Schillermühle.24 Im
selben Jahr, in dem man in Wolfsburg noch
Großstadtträume träumte und pflegte,
veröffentlichte der Club of Rome die für die
Zukunft prägende Untersuchung zu den
„Grenzen des Wachstums“. So war dieser
Übergang im mehrfachen Sinn Ende und
Anfang zugleich.25
Die Frage der kulturellen Entwicklung
der neu hinzugewonnenen ländlichen
Strukturen stellte sich kaum jemand, da die
eingemeindeten Dörfer und Kleinstädte
planerisch vor allem als Flächenreserve für
die Realisierung der Großstadtträume vorgesehen waren. So hielten sich die seitens
der Stadt Wolfsburg durchgeführten Maßnahmen zu einer Integration des kulturellen
Lebens der neuen Orts- und Stadtteile in
Grenzen.
1973 wurde die Gemeindebücherei Fallersleben in die Strukturen der Stadtbibliothek
integriert, 1975 folgte die Vorsfelder
Volksbücherei. Ebenso wurden die Volkshochschulen zusammengeführt. Auch zog
das von der Hoffmann-von-FallerslebenGesellschaft betriebene Museum vom
24 Ursprünglich waren hier mehrere Bauten dieser Größenordnung vorgesehen.
25 1972 wurde Willy Brandt nach dem Scheitern des konstruktiven Misstrauensvotums mit überwältigender
Mehrheit gewählt, der Grundlagenvertrag mit der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) unterzeichnet
sowie Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof verhaftet – allesamt Ereignisse, die auch die kulturelle Entwicklung der alten Bundesrepublik prägten.
Forsthaus in das dortige Schloss. Grundsätzlich aber verfügten diese eingemeindeten
Orte über ein breit gefächertes kulturelles
Leben, dessen Rückgrat teilweise von sehr
alten und in der Geschichte der Gemeinden
tief verwurzelten Vereinen gebildet wurde.
Die Infrastruktur in diesen Orten war noch
geprägt durch die Landwirtschaft, landwirtschaftsnahe Industrie und durch selbstständige Kaufleute, die nicht unerhebliche
finanzielle Beiträge zum kulturellen Leben
leisteten.
In der Kernstadt erlebten die in den
1950er- und 1960er-Jahren entstandenen
kulturellen Einrichtungen ihre erste Blüte:
Der Kunstverein zeigte im Schloss Wolfsburg richtungsweisende Ausstellungen,
dazu kam der regelmäßig verliehene
Kunstpreis „Junge Stadt sieht Junge Kunst“
und die Eröffnung der Städtischen Galerie
im Ostflügel des Schlosses im Jahr 1974.
Die Künstlergruppe „Schloßstraße 8“ zeigte
nicht nur regelmäßig Arbeiten im Kunstverein, sondern ihre Mitglieder waren als
Dozenten der Volkshochschule auch eng
mit dem kulturellen Leben innerhalb der
Stadt verbunden. Mit der Einrichtung einer
Druckwerkstatt gab Wolfsburg Gastkünstlern zudem die Möglichkeit, vor Ort zu
arbeiten. Mehr als 3.000 Belegdrucke im
Bestand der Städtischen Galerie sind ein
durchaus eindrucksvolles Ergebnis dieser
Künstlerförderung.
Die in den Gründerjahren nach 1945 entwickelten kulturellen Einrichtungen und
das in diesem Kontext stehende kulturelle
Leben der Stadt orientierten sich an klassischen bürgerlichen Idealen.
Kulturelle Innovation in der
jungen Stadt
Zu Beginn der 1970er-Jahre waren 40 % der
Einwohner Wolfsburgs unter 25 Jahre alt26
und damit also nach 1945 geboren. Wie
damals überall auf der Welt waren diese
Menschen auf der Suche nach kulturellen
Ausdrucksformen, die sich von denen der
klassischen Bildungsbürger abhoben.
In den Räumen der Industriediakonie –
damals noch eine Holzbaracke an der
26 Aus der Zeit vor der Eingemeindung liegen Zahlen zur
Altersstruktur aus dem Jahr 1964 vor. Damals betrug
der Anteil der 18-Jährigen 29,3%, zur Gruppe der bis
25-Jährigen gehörten 42,9% der Bevölkerung. Im Jahr
1976 zählten 24,3% zur Gruppe der bis 15-Jährigen und
39,6% zur Gruppe der bis 25-Jährigen. Zum Vergleich:
Heute sind gerade einmal 15% der Bevölkerung unter
18 Jahren und 23 % jünger als 25 Jahre.
Kleiststraße – gründete Helmut Donat die
„Commode 2000“ (heute würde man dies
als selbst verwaltetes Jugendzentrum
bezeichnen, damals kannte man diesen
Begriff allerdings noch nicht). Donat, der
später nach Bremen ging, war „Waldecker“27
und holte aufgrund seiner dort entstandenen Kontakte die damals noch weitgehend
unbekannten Künstler Reinhard Mey,
Hannes Wader und Schobert & Black nach
Wolfsburg.
Das Programm der „Commode 2000“ beinhaltete freitags Folkloreveranstaltungen
mit Sängern oder Gruppen, samstags gab
es den obligatorischen Discobetrieb für
Jugendliche, sonntags war die Einrichtung
schlicht Treffpunkt und Gesprächsort für
Interessierte, Freunde und Bekannte. Die
Montagabende waren bestimmten Themen
Gruppe Floh de Cologne, das in der „Arche“
in der Kleiststraße stattfinden musste, weil
die IGM den Saal im Gewerkschaftshaus
nicht zur Verfügung gestellt hatte und das
Ausweichquartier, die Aula des Ratsgymnasiums, wegen eines Brandanschlags nicht
mehr zur Verfügung stand.
All diese Aktivitäten und die zahlreichen
Veranstaltungsorte – wie die „Insel“ am
Dunantplatz, der„Jovi-Keller“ in der Seilerstraße, der „Ratskeller“ in Fallersleben (heute
Commerzbank), der Saal im „KZ“28 oder die
„City-Bar“ gegenüber dem „Hotel Noak“ –
boten der Wolfsburger Musikszene zahlreiche Auftrittsmöglichkeiten.
Der Mangel an Orten für diese selbst
organisierte Musikszene in der Stadt führte
gegen Ende der 1970er-Jahre zu einer
Die Druckwerkstatt im Schloss Wolfsburg: Sie zählt zu den ältesten Kunsttraditionen der Stadt und hat seit Einrichtung
im Jahr 1961 über 300 Künstler angezogen.
aus Politik und Zeitgeschichte vorbehalten.
Nach einem Gebäudebrand zog man in den
Keller unter das „Delphin“ in die Porschestraße. Die „Commode 2000“ begründete
das Jazz- und Folklorefestival im Schloss
Wolfsburg, das bis 1978 ohne Beteiligung
der Kulturverwaltung organisiert wurde.
Im Saal des Gewerkschaftshauses wurden
Konzerte von Gruppen wie Amon Düül II,
Jethro Tull oder Lokomotive Kreuzberg von
aktiven Jugendlichen selbst geplant und
durchgeführt. Im Zuge der Lehrlingsbewegung organisierte der AWL (Arbeitskreis
Wolfsburger Lehrlinge) 1972 ein Konzert der
teilweisen „Landflucht“. Beispiele dafür sind
die Veranstaltungen der 1978 gegründeten
Jazz Freunde Wolfsburg im „Gemütlichen
Heinrich“ in Weyhausen und die 1979 eröffnete Diskothek „Jembker Hof“.
Zum Ende der 1970er-Jahre entstanden
zusätzlich neue Veranstaltungen, die
zunächst als einfache selbst organisierte
Straßenfeste begannen und bis heute
mit professioneller Organisation durch
die Verkehrsvereine weiter bestehen, so
beispielsweise im Jahr 1975 das Altstadtfest
in Fallersleben, gefolgt vom Vorsfelder Eberfest, das 1982 zum ersten Mal stattfand.
27 Eine ursprünglich von der bündischen Jugend und dem
Arbeitskreis Burg Waldeck entwickelte Idee, nach der in
einer Art musischen Bauhütte Sänger und Musikanten,
aber auch Autoren und Wissenschaftler zusammentreffen sollten.
28 „KZ“ war die umgangssprachliche Bezeichnung für das
Kulturzentrum (heute Alvar-Aalto-Kulturhaus).
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
13
1995 – und weiter, immer
weiter
Das Projekt „Wolfsburg“ stand kurz vor
seinem 60. Geburtstag auf der Kippe.
Hätte man 1995 zwischen Betriebsrat und
Management nicht nach Lösungen abseits
von festgefahrenen Handlungsschemata
gesucht, wären durch Massenentlassungen
in einem nie da gewesenen Ausmaß ganze
Stadtteile Wolfsburgs entvölkert und damit
letztendlich die Stadt selbst in Frage gestellt
worden.29 Angesichts dieses Einschnitts in
bisher geübte und niemals hinterfragte
Stadtentwicklungspraxis begann man von
unterschiedlichen Seiten, das Projekt „Wolfsburg“ – die Stadt und ihre Zukunft – neu zu
denken. Es handelte sich dabei allerdings
nicht nur um eine singuläre Wolfsburger
Fragestellung, sondern hier spiegelten sich
grundsätzlich auch zentrale gesellschaftliche Debatten und Modeströmungen
der damaligen Zeit. Urbanität, Städtebau
und Leben in der Stadt, Revitalisierung der
Innenstädte in Anbetracht der Globalisierung, Rückbau angesichts schrumpfender
Bevölkerungszahlen, Bautätigkeit auf dem
ehemaligen Mauerstreifen im wiedervereinigten Berlin – das waren die Themen
dieses von Stadtplanern, Architekten und
Sozialwissenschaftlern geführten Diskurses.
„Die Stadt verliert ihre traditionellen politischen und wirtschaftlichen Funktionen.
Sie wird zum Ort der Zerstreuung. Aber
überall Hennes & Mauritz und Cats, überall Benetton und Phantom der Oper?“30
„Überall ist Megamall“31 oder „Urbanität als
Lebensweise ist ortlos geworden“32 – so
lauten typische Titel von Zeitungsartikeln
zum Thema „Zukunft der Stadtkerne“.
In dieser Situation machten sich Stadt
wie auch Volkswagen auf die Suche nach
Lösungen, die das Projekt „Wolfsburg“ nach
überstandener Krise wieder zu neuer Blüte
bringen sollten.
Der Rat der Stadt initiierte die Leitbilddebatte mit dem Ziel, eine gemeinsame
29 Die bis dahin gefundenen Lösungen hießen: „Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich“ auf der
einen Seite, „Gesundschrumpfen durch Personalabbau“ auf der anderen Seite. Die Wolfsburger Lösung
(28,8-Stunden-Woche bei Lohnverzicht, um Massenentlassungen zu verhindern) war anfänglich der Führung
der IG Metall in Frankfurt genauso suspekt wie dem
Arbeitgeberverband.
30 Ulrich Greiner: Total vergnügt. In: Die Zeit, 05.04.1996.
31 Carola Schulz: Überall ist Megamall. In: AKP – Fachzeitschrift für Alternative Kommunalpolitik, 5/1997.
32 Walter Seibel: Urbanität als Lebensweise ist ortlos
geworden. In: Frankfurter Rundschau, 29.07.2000.
14
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
Leitidee für die Zukunft der Stadt zu entwickeln. In einem siebenmonatigen Prozess
wurde das Stadtleitbild erarbeitet, wobei
über 200 Persönlichkeiten aus Wirtschaft,
Gesellschaft, Politik und Verwaltung in
einer Leitbildkommission und in sechs
Facharbeitskreisen die Stärken und Schwächen der Stadt analysierten und konkrete
Oberziele formulierten. Zur Vorbereitung
der Leitbilddebatte hatte die Stadt eine
Befragung zu Sichtweisen der Bürger
durchführen lassen. Auf die Frage nach den
Eigenschaften von Wolfsburg gaben 59 %
der befragten Wolfsburger Bürger „kulturell
aufgeschlossen“ als positives Merkmal an.
Von den 18 Eigenschaften, nach denen
gefragt wurde, wurden 1996 nur die Eigenschaften „sauber“ mit 69 %, „umweltfreundlich“ mit 66 % und „bildungsfreundlich“ mit
60 % besser eingestuft.33
Das Leitbild unter dem Slogan „Lust an
Entdeckungen“ wurde im Juni 1997 einstimmig vom Rat der Stadt verabschiedet.
In ihm ist mit der Aussage „Innovation durch
Kunst und Technik“ der zentrale Zukunftsbegriff für die Stadt dargelegt worden. „Die
für das Leitbild verantwortliche Kommission
entschied sich unter den für die Stadtentwicklung interessanten Profilvarianten für
eine, die die Triebfeder von Volkswagen
einschließt, gleichzeitig aber eigenständige
Perspektiven eröffnet.“34
In demselben Jahr, in dem die Stadt den
Leitbildprozess in Gang setzte, kündigte
Volkswagen an, auf dem Gelände des
Kohle- und Tanklagers und des Parkplatzes
Ost, auf dem ein Jahr zuvor noch die Rolling
Stones ihr Konzert gegeben hatten, eine
„Neue Autostadt“ zu errichten.
Bereits Anfang der 1990er-Jahre hatte der
Begriff „Wolfsburg – Die Volkswagenstadt“
eine Wandlung erfahren, indem schleichend (nicht einmal von Volkswagen
selbst gesteuert) der Begriff „Wolfsburg,
Hauptstadt von Volkswagen“ in politische
Treueschwüre Einzug hielt.
Der Hauptstadtbegriff wurde dann auch
schnell für das geplante Projekt eingesetzt.
Die weltumspannenden Konzerne traten an
der Schwelle zum 21. Jahrhundert im Zuge
der Globalisierung in die Fußstapfen der
nationalstaatlich geprägten Imperien des
19. Jahrhunderts.
Mit der Ankündigung des Baus der „Neuen
Autostadt“ bedeutete „Hauptstadt von
Volkswagen“ für Wolfsburg von nun an
nicht mehr nur Sitz der „Regierung“, also des
Konzernvorstands, sondern auch und ganz
besonders Repräsentation und Zurschaustellung der Macht. Die „Neue Autostadt“
wurde von Otto Ferdinand Wachs damals
als „Neue europäische Hauptstadt des Automobilbaus“, als „Walhalla der Marken und
Mythen“ bezeichnet. Der Bau eines Tempelbezirks der Hauptstadt wurde in Angriff
genommen.
Da mit dem Bau der „Neuen Autostadt“
die Öffnung des Werks zur Stadt hin
angekündigt wurde, stand die Stadt unter
Zugzwang. Zum Zeitpunkt der Eröffnung
der Autostadt im Jahr 2000 wurde der
Nordkopf deshalb als Ort einer temporären
künstlerischen Installation genutzt. Heute
sind die Baustellenschilder von Thomas
Huber, das Kistenhaus von Wolfgang Winter
und Berthold Hörbelt in der „Kalotte“ längst
Vergangenheit. Einzig die Objekte, die Julian
Opie für das Gelände gestaltete, sind noch
vorhanden. In der damaligen Broschüre zu
diesem Projekt hieß es: „Zugegebenermaßen hätte die Stadt gerne bereits im Jahr
2000 ihre endgültige Antwort auf die Autostadt präsentiert.“35
Für die Fläche war vom Rat der Stadt bereits
der Bau eines Science Centers beschlossen
worden, für das Zaha Hadid gerade den
Architektenwettbewerb gewonnen hatte.
Das Science Center hatte damals hohen
symbolischen Wert als Sinnbild der selbstbewussten Stadt. Der damalige Kulturdezernent Dr. Wolfgang Guthardt formulierte
das so: „Die Gründung des Science Centers
durch die Stadt Wolfsburg beruht auf der
Willensbildung der Bürger und unterscheidet sich dadurch wesentlich von anderen
Initiativen in Deutschland.“36
Autostadt wie phæno, aber auch das quasi
als Vorbote dieser Projekte im Jahr 1994
eröffnete Kunstmuseum haben sich seitdem zu zentralen Orten der Kultur in der
Stadt entwickelt. Das blieb nicht ohne Auswirkungen auf den bisherigen Kulturbetrieb
und hat diesen in weiten Teilen nachhaltig
verändert.
Kunstverein, Städtische Galerie, das Institut
Heidersberger usw.: Einrichtungen der
Bildenden Kunst in Wolfsburg
33 Ursula Funke: Wolfsburg aus der Sicht der Bürgerinnen
und Bürger. Fachhochschule Mainz 1996.
35 Ebenda.
34 Dr. Wolfgang Guthardt: „Wolfsburg: Innovation durch
Kunst und Technik“. In: zwischenzeitzwischenraum.
Mai 2000.
36 Siehe die Broschüre des Kulturdezernats: „Lust am Entdecken/Ein Science Center für Wolfsburg“.
Wolfsburg 1999.
Die Bildende Kunst war in Wolfsburg durch
Kunstverein und Städtische Galerie bis 1994
fast ausschließlich im Schloss zu Hause.
Beide Einrichtungen wurden bis 1999
in Personalunion geleitet. Doch bereits
im Oktober 1997 hatte der Rat der Stadt
Wolfsburg die räumliche und personelle
Trennung von Städtischer Galerie und
Kunstverein beschlossen. In der Begründung wurde ausdrücklich darauf verwiesen,
dass durch die notwendige Profilierung
der Stadt im Vorfeld der Expo 2000 und
der „Neuen Autostadt“ ein solcher Schritt
erforderlich geworden sei.37 Unter eigenständiger Leitung von Barbara Steiner (1999
– 2001), Doris Berger (2001 – 2004) und
Justin Hoffmann wurde der Kunstverein
neu ausgerichtet. Das Ergebnis: 2007 wurde
der Kunstverein Wolfsburg von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine
(ADKV) als bester Kunstverein Deutschlands
ausgezeichnet.
Darüber hinaus wurde im Jahr 1998 der
Verein Junge Kunst gegründet. Mit seiner
Ladengalerie in der Schillerstraße gibt er
seit mehr als zehn Jahren jungen Künstlern
eine Ausstellungsmöglichkeit. Häufig ist es
für die hier präsentierenden Künstler die
erste Ausstellung mit größerer Öffentlichkeitswirkung und zentraler Wahrnehmung
durch die Medien.
Galerie. Neben dem Ankaufsetat sind deshalb für die Zukunft auch die personellen
und räumlichen Ressourcen zur Pflege
der Sammlung sicherzustellen. Mit der
Gründung des Vereins Jugend in der Galerie
wurden auch neue Möglichkeiten der Einwerbung von Drittmitteln für die Städtische
Galerie eröffnet.
Die Städtische Galerie entwickelte für sich
ein eigenes Profil und hat damit die Weichen für den Weg in die Zukunft gestellt.
Durch die abgeschlossene Renovierung des
Süd- und Westflügels des Schlosses können
im Gegensatz zu den begrenzten Anfängen
im Ostflügel weitere Ausstellungsflächen
genutzt werden. Daneben hat die Stadt
auch in finanziell schwierigen Zeiten einen
Ankaufsetat für den weiteren Ausbau der
Bestände der Städtischen Galerie zur Verfügung gestellt.
Die Sammlung besteht aus vier Gruppen:
Arbeiten für das junge Magazin „Stern“ und
nicht zuletzt mit Industriefotografie für
verschiedene Firmen hat Heinrich Heidersberger Fotografiegeschichte geschrieben.
Das Institut Heidersberger, das im Schloss
Wolfsburg – und damit an der ehemaligen
Wirkungsstätte des Fotografen – untergebracht ist, wurde im Jahr 2002 gegründet.
Hier wird das Lebenswerk Heinrich Heidersbergers wissenschaftlich erschlossen und
auch publizistisch aufgearbeitet.
• Sammlung Malerei und Skulptur
(ca. 900),
• Grafische Sammlung (ca. 1.500),
• Sammlung Fotografie und Neue Medien
(ca. 500) und
• Druckbelege der Gastkünstler, die während des Aufenthalts in der Druckwerkstatt hergestellt wurden (ca. 3.000).
Pflege und Ausbau der Sammlung sind
ein wichtiger, wenn auch kaum sichtbarer
Bestandteil der Arbeit der Städtischen
37 Ratsvorlage 402 aus dem Jahr 1997.
Der zu den Gründungsmitgliedern der
Gruppe „Schloßstraße 8“ gehörende Fotograf Heinrich Heidersberger hat wie kein
anderer die Geschichte der Architektur
Wolfsburgs dokumentiert. Das vor kurzem
neu aufgelegte Buch „Wolfsburg“, das 1963
zum ersten Mal erschien, zeigt die Stadt,
wie Heidersberger sie nach seiner Übersiedlung 1961 vorfand.
Doch lässt sich das Schaffen dieses Künstlers nicht nur auf die Architekturfotografie
reduzieren. Mit seinen „Rhythmogrammen“,
Die Kultur in der Stadt
entsteht durch die Bürger.
Im Jahr 1991 startete das Kulturbüro im
Schlosshof mit der Internationalen Sommerbühne. Diese Veranstaltungsreihe
knüpft an die Traditionen des ehrenamtlich
organisierten Jazz- und Folklorefestivals der
1970er-Jahre an und ist ein fester Bestandteil des Wolfsburger Kulturlebens geworden. Der Freundeskreis Sommerbühne
unterstützt das Sommerfestival durch
ehrenamtliche Tätigkeit.
Im Gegensatz dazu misslang allerdings der
Versuch, mit Wolfsburg open ein Musikfestival zu installieren, das Bands aus Wolfsburg
und der Region die Möglichkeit hätte
geben sollen, vor einem breiteren Publikum
aufzutreten. Dieses nicht kommerzielle,
ehrenamtlich organisierte Festival scheiterte
nach Einschätzung der Macher an mangelnder Unterstützung seitens der Stadt.
Auch die Veranstaltungsreihe „Wolfsburger
Künstler stellen aus“, die das Kulturbüro in
der Bürgerhalle des Rathauses über Jahre
hinweg durchführte, wurde 2003 eingestellt. Dem engagierten Kunstprojekt „Werkstatt Schloss“ drohte ein ähnliches Schicksal.
Hier konnte allerdings ein Weg gefunden
werden, der die Weiterführung erlaubte.
Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die beschränkten personellen
Kapazitäten und finanziellen Mittel in den
letzten Jahren immer wieder verstärkt für
Großereignisse eingesetzt wurden, die als
Instrumente der Wirtschafts- und Tourismusförderung dienen und sicher auch
mehr glamouröse Ziele bieten.
Die „Gartenromantik“, eine Verkaufsausstellung von Produkten rund um den heimischen Rollrasen, wurde vom Kulturbüro
initiiert. Das mit der „Gartenromantik“ praktizierte Public-Private-Partnership-Modell hat
zwar das Wolfsburger Schloss als Veranstaltungsort in der Region bekannt gemacht,
doch reiht sich diese Ausstellung damit
trotzdem in eine nach der Jahrtausendwende zunehmende Festivalisierung des
kulturellen Lebens der Stadt ein. In diesem
Zusammenhang sind ebenso zu nennen:
• die Durchführung und Entwicklung von
Kulturprogrammen zur Landesgartenschau,
• die (gescheiterte) Bewerbung für die
Kulturhauptstadt,
• der „Tag der Niedersachsen“ und aktuell
• das Kulturprogramm zur FIFA FrauenWM 2011 sowie
• der „Tag der Braunschweigischen Landschaft“.
All diese Veranstaltungen binden finanzielle
Mittel und personelle Kapazitäten. Sie sind
in gewissem Sinne auch der Versuch seitens
der Stadt, im Rahmen der eigenen Möglichkeiten mit den Spektakeln der Autostadt
mitzuhalten.
Das Theater
Die durch Umstrukturierungen innerhalb
der Wolfsburger Kulturlandschaft im Bereich
der Bildenden Kunst ausgelösten und
umgesetzten Veränderungen und eine
damit verbundene Schärfung von Profilen
steht dem Theater noch bevor bzw. hat hier
erst begonnen.
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
15
Wolfsburg ist eine der wenigen Großstädte
mit mehr als 100.000 Einwohnern in
Deutschland, die kein eigenes Theaterensemble haben38. Dr. Volkmar Köhler
erklärte noch 2008 in seinem Festvortrag
zum 35. Geburtstag des Theaters: „Die
Konzeption dieses Theaters hat sich als
tragfähig und richtig erwiesen […]. Von
Anfang an stand fest, dass wir nicht den
Weg traditionsreicher Nachbartheater mit
stehenden Ensembles gehen sollten.“39
Angesichts der aktuellen Entwicklungen
muss dieses Konzept allerdings hinterfragt
werden. Mit den Movimentos Festwochen
und den damit verbundenen Konzerten
als auch Lesungen agiert die Autostadt mit
einem ähnlichen Ansatz. Dabei ist die finanzielle Kraft der Autostadt wesentlich größer
als die des Theaters. Modernes Tanztheater
ist in Wolfsburg heute eigentlich nur noch
im Rahmen von Movimentos denkbar.
Bleibt angesichts dieser Prognose für das
Theater nur noch der Rest, den die Autostadt nicht veranstalten mag? Eine über das
traditionelle Weihnachtsmärchen hinausgehende verstärkte eigene Produktion von
Stücken böte dem Theater die Möglichkeit,
einen eigenständigen Charakter zu gewinnen und damit eine Zukunftsperspektive
zu entwickeln. Eine Kooperation mit dem
Staatstheater Braunschweig (wie z.B. bei
der Uraufführung der Oper „Carmen“),
besonders aber das aktuell auf den Weg
gebrachte Stück zu August Heinrich
Hoffmann von Fallersleben könnte dem
Wolfsburger Theater ein neues Profil geben.
Als Nebeneffekt würde die Anwesenheit
von Schauspielern, Bühnen- und Kostümbildnern das kulturelle Leben der Stadt
zusätzlich bereichern.
Der CongressPark
Der 1958 als Stadthalle eröffnete CongressPark Wolfsburg war lange Zeit der zentrale
Veranstaltungsort für Ausstellungen und
Konzerte in der Stadt. Inzwischen haben
sich – wie auch in anderen Städten – die
Gewichte verschoben. Nach diversen
An- und Umbauten des CongressParks ist
es nicht mehr gelungen, ein eigenständiges Profil für diesen Veranstaltungsort zu
entwickeln. So haben andere spezialisierte
Veranstaltungsräumlichkeiten auf der
38 In den 23 Großstädten, die eine ähnliche Einwohnerzahl
wie Wolfsburg haben (von Hildesheim [103.000 Einwohner] bis Würzburg [133.500 Einwohner]), verfügen nur
drei über kein eigenes Theaterensemble.
39 Festvortrag Volkmar Köhler: 35 Jahre Theater [Manuskript, IZS, S 49, Sammlung Köhler].
16
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
einen Seite Funktionen des CongressParks
übernommen, auf der anderen Seite haben
sich bestimmte Veranstaltungsformen auch
überlebt. Die Bockbierfeste oder die großen
Faschingspartys in den 1970er-Jahren, aber
auch Konzertveranstaltungen, die noch die
Halle füllen konnten, haben ihr Publikum
verloren.
Das Planetarium
Die der Stadt 1978 von Volkswagen
geschenkte Technik für ein Planetarium ist
2010 grundlegend modernisiert worden,
genauso wie das 1983 am Fuße des Klieversbergs von der Stadt errichtete Planetariumsgebäude, das von Grund auf saniert
wurde.
Die alte Technik und ein relativ schlechter
Zustand des Gebäudes, aber auch das lange
Zeit ungeklärte Konzept für die Zukunft des
Planetariums hatten die Attraktivität des
Angebots mehr und mehr eingeschränkt
und zu einem merklichen Besucherrückgang geführt. Zusätzlich hatte der Mangel
an Finanzmitteln den Niedergang des
Planetariums noch beschleunigt. Mit der
oben erwähnten, durch eine Spende von
Volkswagen ermöglichten Sanierung
des Gebäudes und der neu installierten
Full-Dome-Technik eröffnet sich dem Planetarium die Chance, an die erfolgreichen
Anfangsjahre anzuknüpfen.
Das „Hallenbad – Kultur am Schachtweg“
Nach einjähriger Umbauzeit wurde im Jahr
2007 das „Hallenbad – Kultur am Schachtweg“ mit einem Konzert der Gruppe
Revolverheld wiedereröffnet. Im „Hallenbad“
fand das Tanzende Theater Wolfsburg nach
vielen Jahren endlich eine Heimat. Übungsräume für Bands stehen zur Verfügung.
Auch ein Programmkino hat hier seinen
Platz in der städtischen Kulturlandschaft
gefunden.
Der ursprüngliche Ansatz, das „Hallenbad“ als Zentrum für „junge“ Kultur zu
etablieren, hat sich allerdings nur in Teilen
verwirklichen lassen. Versuche, die „Marke
Hallenbad“ mit eigenen Musicalproduktionen (wie „Wob city“ [2007] und „non stopp
wob“ [2008]), gepaart mit höherwertiger
Gastronomie, im gehobenen Preissegment
zu positionieren, haben sich als nicht richtungsweisend erwiesen.
Diese Experimente haben allerdings dazu
beigetragen, dass für die Jugend der Stadt
und die subkulturelle Szene das „OST“ weiterhin die erste Adresse geblieben ist. Mittlerweile hat sich zwischen Autostadt und
„Hallenbad“ bzw. dem Tanzenden Theater
eine Kooperationsebene entwickelt.
Die Musikschule
Seit mehr als 40 Jahren hilft die Musikschule
der Stadt Wolfsburg der Bevölkerung,
musikalische Fähigkeiten zu entdecken, zu
entwickeln und individuell zu fördern. Die
breit angelegte Arbeit der Musikschule hat
Wolfsburg eine große Zahl von musikalisch
gut ausgebildeten Menschen beschert,
die (später) auf unterschiedlichste Weise
durchaus das kulturelle Leben der Stadt
bereichern.
Der jährlich stattfindende MusikschulGrandPrix ist mit mehr als 100 Teilnehmern
ein Höhepunkt des Schullebens. Auf Basis
dieser Breitenarbeit erreichen Schüler der
Musikschule auch immer wieder ausgezeichnete Platzierungen oder Preise bei
den Regional- und Landeswettbewerben
„Jugend musiziert“.
Die Musikschule ist damit ein Erfolgskonzept, das die Stadt auch in Krisenzeiten nie
zur Disposition gestellt hat.
Die VHS
Das Alvar-Aalto-Kulturhaus war 1963 als
kulturelles Zentrum der Stadt eröffnet
worden. Bibliothek, Volkshochschule und
Jugendzentrum hatten in diesem Haus eine
Heimat gefunden. Doch dann war als Erstes
das selbst verwaltete Jugendzentrum in
die ehemalige Gaststätte „Noak“ (auf dem
Gelände des heutigen Südkopfcenters)
umgezogen. Im Jahr 2001 erfolgte der
endgültige Auszug der letzten Teile der
Verwaltung der BZW Wolfsburg in die
umgestaltete Hermann-Löns-Schule.
Die Volkshochschule fusionierte im Jahr
2005 mit der Berufsbildungsstätte (BSW)
zum Bildungszentrum Wolfsburg gGmbH
(BZW). Die Aufgaben bezogen sich einerseits auf den klassischen Volkshochschulbetrieb, insbesondere auf die Anregung
zur Weiterbildung durch Kurse, Lehrgänge
und Seminare. Daneben sollten über die
Tochtergesellschaft n@work Qualifizierungs GmbH neue Geschäftsfelder
entwickelt werden, um z.B. an von der
Bundesanstalt für Arbeit finanzierten Qualifizierungsprogrammen teilnehmen zu
können. Die Hoffnungen, die man in diese
Struktur gesetzt hatte, erfüllten sich nicht.
Mit der jetzt erfolgten Trennung von BZW
gGmbH und n@work GmbH wird die Volkshochschule wieder so aufgestellt, dass sie
bei der Entwicklung der Bildungslandschaft
am Klieversberg eine zentrale Rolle für die
Erwachsenenbildung im 21. Jahrhundert
übernehmen kann.
Die Stadtbibliothek
Auch nach dem Auszug des Jugendzentrums und der VHS stößt die Stadtbibliothek
seit einigen Jahren im Alvar-Aalto-Kulturhaus an räumliche Grenzen. Die etwaige
Prognose, dass man nur lange genug
warten müsse, um zu erleben, wie die
Menschen das Interesse am Buch verlieren
und der verstärkte Einsatz elektronischer
Medien Buch und Bibliotheken überflüssig
macht, hat sich nicht bewahrheitet. Die
Versuche, mit externer Beratungsleistung
eine Zukunft der Bibliothek zu entwickeln,
hatten im Kern immer nur den Abbau von
Personal und die Schließung von Zweigstellen zum Inhalt.
Um den notwendigen Raum für die
Bibliothek zu schaffen, wäre ein kompletter
Umbau des Alvar-Aalto-Kulturhauses notwendig. Dies würde allerdings den architektonisch bedeutsamen Charakter des Hauses
gänzlich zerstören.
Eine Bibliothek ist mehr als eine Ansammlung von Büchern. Prof. Dr. Falk Jaeger hat
in seinem Vortrag anlässlich der Vergabe
des Koller-Preises 2010 darauf hingewiesen,
dass im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts weiterhin ein Neubauboom bei
Museen und Bibliotheken besteht. Er führte
die neue Attraktivität der Bibliotheken auf
die Suche der Menschen nach Schutzräumen zurück, die Suche nach Schutzräumen
vor der Reizüberflutung durch die Neuen
Medien in allen anderen Bereichen des
Lebens.
Neben der Zentralbibliothek stellen die
Zweigstellen, die Schulbibliotheken und
der Bibliotheksbus wichtige kulturelle
Verbindungen zwischen den dezentralen
Ortsteilen und dem Stadtzentrum dar.
Das phæno
1999 gab das Kulturdezernat eine umfangreiche Broschüre mit dem Titel „Lust am
Entdecken/Ein Science Center für Wolfsburg“ heraus. Die Entscheidung für das
phæno war im Kontext der Stadtleitbilddebatte getroffen worden. So heißt es in
der Konzeption für das spätere phæno: „Wie
in kaum einer anderen Stadt sind in Wolfsburg Entstehungsgeschichte, Wohlstand
und Zukunftsperspektive mit Technik und
Naturwissenschaft verknüpft. Wolfsburgs
Stärke ist ‚Lust an Entdeckungen’, d.h.
Innovationsgeist […]. Das Science Center
wird geprägt vom Entdeckergeist, den die
Kompetenzaussage der Stadt einfordert.
Die zentralen Maximen des städtischen
Leitbildes sind auch die Kennworte des
Science Centers:
• Jede Verbesserung fängt bei uns an
• Besondere Offenheit
• Aktionsfelder mit Werkstätten
• Zukunftsorientierte Lösungen
entwickeln und leben.“
Dies alles ist in den darauffolgenden
Jahren verloren gegangen und auch aus
dem Bewusstsein der Einwohner der Stadt
Wolfsburg verschwunden. Die Pariser sind
stolz auf ihren Eiffelturm, die Kölner auf
ihren Dom, aber die Liebe der Wolfsburger
zu „ihrem“ architektonischen Weltwunder ist
Wolfsburg: die Kulturarbeit der christlichen
Kirchen!
In den evangelischen Kirchen- und den
katholischen Pfarrgemeinden wird Kulturarbeit in einem Umfang und einer Qualität
betrieben, die an dieser Stelle nur in Ansätzen gewürdigt werden kann. Kirchen- und
Gospelchöre, Bläsergruppen sowie Kammermusikkreise geben den Menschen in
Wolfsburg die Möglichkeit aktiver Teilhabe.
Auch die Erwachsenenbildung, Frauengruppen und die Jugendarbeit der christlichen
Kirchen sind wesentliche Eckpfeiler des
kulturellen Lebens in Wolfsburg.
Ihre wichtige Rolle als Auftraggeber für
Künstler wird an herausragenden Arbeiten
wie dem Altarbild von Gerd Winner in der
Das Alvar-Aalto-Kulturhaus: Mit dem Gebäude mitten in Wolfsburgs Innenstadt hat der finnische Baumeister Alvar Aalto
ein architektonisches Meisterwerk hinterlassen. Der Zentralraum der Erwachsenenbibliothek bietet Lesevergnügen in
besonderem Ambiente.
doch eher unterkühlt. Das phæno ist inzwischen ein viel besuchter außerschulischer
Lernort geworden. Eine Rückbesinnung auf
den Gründungsimpuls ist für die Zukunft
zwingend.
Es gibt aber auch eine Vielzahl von Aktivitäten in Wolfsburg, wo die Dinge von den
Wolfsburgerinnen und Wolfsburgern selbst
in die Hand genommen werden, wo sich
kulturelles Leben unabhängig entwickelt.
Die christlichen Kirchen
Neben den zahlreichen kulturellen Einrichtungen, die unabhängig von der Kulturverwaltung der Stadt bestehen, gibt es einen
in der Öffentlichkeit häufig wenig beachteten Bereich kulturellen Engagements in
St. Heinrich-Kirche oder der Altarraumgestaltung von Stephan Balkenhol in der
Bonhoeffer-Kirchengemeinde deutlich.
Das Islamische Kulturzentrum ­
Den in den 1960er-Jahren nach Wolfsburg
gekommenen Italienern folgten in den
1970er-Jahren zahlreiche Tunesier. Ähnlich
den italienischen Arbeitsmigranten sind
viele von ihnen in Wolfsburg geblieben
und in der Stadt am Mittellandkanal heimisch geworden. Im Jahr 1978 wurde der
Islamische Verein Wolfsburg gegründet. Er
fand an verschiedenen Plätzen der Stadt
Unterkunft, bis er 2006 in das Islamische
Kulturzentrum einziehen konnte.
Die Errichtung dieses Zentrums wurde
möglich dank einer großzügigen Unterstützung des Herrschers des Emirats Sharjah,
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
17
Sheikh Dr. Sultan Bin Mohamed Al-Qasimi.
Mit dem Bau begonnen wurde im Jahr
2004, die Eröffnung des Zentrums mit
Moschee fand im Juni 2006 statt.40
Der Erhalt historischer Bauwerke:
Beispiel Fallersleben
Im Rahmen der Bau- und Sanierungsarbeiten am Schloss Fallersleben wurden
verschiedene historische Teile entdeckt
wie der Brunnen oder die Gewölbe. Die
Verwaltung hatte angesichts dieser Entdeckungen vorgeschlagen, die freigelegten
Objekte wieder zuzuschütten. Im Rahmen
einer äußerst engagierten Bürgerinitiative
wurden jedoch Spenden gesammelt, die
eine Erhaltung der historisch bedeutsamen
Bausubstanz ermöglichten. Heute sind die
Gewölbe im Schloss Fallersleben sichtbar
Garten Rechnung getragen. Die eingemeindeten Dörfer entwickelten sich zum
Wohnort für Pendler. Im Ergebnis wohnen
heute in den eingemeindeten Ortsteilen
mehr Menschen als in den Quartieren des
ursprünglichen Stadtkerns.
Neuhaus, das im Jahr 1938, als der Grundstein für das Volkswagenwerk gelegt wurde,
129 Einwohner zählte, wuchs beispielsweise
bis zur Eingemeindung auf die sechsfache
Bevölkerungszahl, 2008 waren es 1.731
Einwohner. Das entspricht dem 13,5-Fachen
der Bevölkerung des Jahres 1938. Hier
kann die Burg Neuhaus als Restkern des
ursprünglichen Ortes helfen, auch für zugezogene Bürger Identität zu stiften.
Im Vergleich dazu hatte Brackstedt im Jahr
1938 bereits 251 Einwohner, 2008 hat sich
die Einwohnerzahl auf 1.000 vervierfacht,
Im Rahmen der Ausstellung „Walking Distance from the Studio“ inszenierte der Künstler Francis Alÿs im Jahr 2004 eine Aktion,
bei der er einen Käfer durch die Innenstadt schob.
und zugänglich.
Hier wird der Stadt wie auch den Ortsteilen
ein zukunftsweisendes Beispiel gegeben,
wie Menschen etwas zuwege bringen können, wenn sie als Bürgerinnen und Bürger
aktiv werden und die Dinge in die eigenen
Hände nehmen.
Verschwindet die Stadt? – Global Village
Die in das Wolfsburger Stadtgebiet integrierten Dörfer und Kleinstädte haben seit
1972 einen mehrfachen Wandel erfahren.
Mit der Ausweisung von Baugebieten in
den Ortsteilen wurde dem Bedürfnis nach
Leben auf dem Lande im Eigenheim mit
40 Bemerkenswert ist, dass der Kontakt mit Sharjah auf die
Plastik „Sandspirale“ von Günther Uecker zurückgeht, die
1970 für die Sammlung der Städtischen Galerie gekauft
worden war. Das Kunstwerk war 2002 als Teil des Kunstprojekts „Wasser – Sand – Weite“ in Sharjah ausgestellt
worden.
18
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
Tendenz steigend. Hier gibt es allerdings
keinen Ort wie die Burg in Neuhaus, der vergleichbar identitätsstiftend wirken könnte.
Das Dorf – früher Inbegriff rückständiger
weltfremder Bewohner – beherbergt heute
Menschen, die über das Internet Kontakte
in alle Welt haben können, die Urlaubsreisen in fernste Länder gemacht haben, über
Zweitwohnsitze an der Ostsee verfügen
oder als Fußballprofis auch schon in europäischen Metropolen ihr Geld verdient
haben.
Aber nicht nur die Bevölkerungsentwicklung hat die Dörfer verändert, sondern auch
die vorher von Landwirtschaft und landwirtschaftsnaher Industrie geprägte wirtschaftliche Struktur. Hier haben sich durch
einen Konzentrationsprozess in der Landwirtschaft und der landwirtschaftsnahen
Industrie wesentliche Veränderungen
ergeben. Schule, Post, Gasthof, Kolonialwarenladen, Bahnhof/Haltestelle – das waren
die im 19. Jahrhundert auch in kleinen
Dörfern auftretenden Vorboten des Wandels zu einer „frühindustriellen“ Dorfstruktur.
Windmühle, Molkerei, Sägewerk, Konserven- und Zuckerfabriken ergänzten diese
Struktur und bestimmten das Leben in den
größeren Gemeinden. Nach nur wenigen
Jahrzehnten gehörte diese landwirtschaftsnahe Industrie allerdings schon wieder der
Vergangenheit an. Heute sind auch die Post
und der Kaufladen nahezu verschwunden,
teilweise sogar die Dorfschule als letzter
Kern der alten Ordnung.
Die Dorfidentität, welche die alten Dorfgemeinschaften mit Volksfesten, in Chören,
Schützen- und Sportvereinen, aber auch
durch gemeinsame Arbeit entwickelt
hatten, existiert nur noch in Resten. Die
Finanzierung kultureller Aktivitäten, die
früher durch Spenden ortsansässiger Unternehmer, Kaufleute und Bauern gestützt
wurde, ist aufgrund der sich verändernden
Strukturen rückläufig.
Im Spannungsfeld zwischen „Schlafdorf“
für Pendler und neuen ortsteilspezifischen
Formen der „Dorfkultur“ gilt es Rahmenbedingungen für ehrenamtliche Kulturarbeit
zu erhalten und gegebenenfalls auch zu
schaffen.
Die Phaenomenale
Im Jahr 2007 startete auf Initiative von
Justin Hoffmann die erste Phaenomenale.
Diese ohne Mitwirkung teurer Agenturen
und ohne externe Beratungsleistung entstandene Idee aus den Denkwerkstätten
Wolfsburger Kreativer hat sich inzwischen
zu einem regionalen Festival für Kunst
und Wissenschaft entwickelt, für das es in
Deutschland nichts Vergleichbares gibt.41
Mit der Phaenomenale besitzt Wolfsburg
ein eindrucksvolles Alleinstellungsmerkmal
für die Stadt und die Region. Die Gedanken
des Stadtleitbildes wurden aufgenommen
und mit Leben gefüllt.
41 Die Phaenomenale ist in Europa nur mit der ars electronica in Linz vergleichbar, einem Festival zur Präsentation und Förderung von Kunst in enger Verbindung
mit (digitaler) Technologie und gesellschaftlichen
Fragestellungen.
Die Berichterstattung – auch in überregionalen Medien – macht das zukünftige
Potenzial dieses Festivals deutlich.42
Tattoo you
„Ornament ist Verbrechen“, so schrieb Adolf
Loos Anfang des 20. Jahrhunderts. In seiner
Beweisführung erklärte er, dass Tätowierungen entweder zur Kultur primitiver Völker
oder – in modernen Gesellschaften – zur
Kultur der Kriminellen gehörten. In Zeiten
der Massenproduktion ist offensichtlich das
Kunstwerk auf der eigenen Haut zu einem
Merkmal und Zeichen menschlicher Individualität geworden. Die in Wolfsburg ansässigen Tattoo-Studios sind auf dieser Basis
inzwischen Teil der Stadtkultur geworden.
Wollywood
Mit der Verabschiedung des novellierten
Landesrundfunkgesetzes durch den Niedersächsischen Landtag im Jahr 1993 war die
Möglichkeit von Offenen Fernsehkanälen
gegeben. 1996 startete in Wolfsburg der
niedersachsenweit erste Offene Kanal. Seit
2004 wird OKTV als TV38 – Fernsehen zwischen Harz und Heide weitergeführt. Untergebracht in einem Studio in Westhagen,
arbeitet TV38 als regionaler Fernsehsender.
Nirgendwo sonst ist der technische Wandel
für jedermann so sichtbar wie auf dem
Sektor der visuellen Kommunikation. Ging
es 1993 noch darum, freie Kanäle des
Kabelfernsehens für lokale Bürgersender zu
sichern, sind es heute die Entwicklungen
der digitalen Aufnahmetechnik und das
Internet, die neue, weitreichende Chancen
eröffnen.
Ob der von Ali Altschaffel produzierte
Wolfsburg-Film oder das unter dem Namen
WOB-Stories von Olaf Levin produzierte
Internetfernsehen – beides zeigt nicht nur
die aktuellen technischen Möglichkeiten,
sondern auch, dass es in Wolfsburg hoch
qualifizierte Macher gibt, deren Potenzial für
die kulturelle Entwicklung der Stadt und die
immer wieder beschworene „Kreativwirtschaft“ noch lange nicht ausgeschöpft ist.
42 Vergliche man das Budget dieser Veranstaltung beispielsweise mit dem der Movimentos Festwochen,
würde schnell deutlich, wie mit kreativen Ansätzen und
einem Bruchteil an finanziellen Mitteln hohe Aufmerksamkeit erzielt werden kann. Der Erfolg der Phaenomenale resultiert aus der Übereinstimmung von Stadtleitbild und Veranstaltungskonzept.
Stadt ist Kultur
Der Gang durch 70 Jahre kultureller Entwicklung Wolfsburgs zeigt die Leistung, die
die Bürger dieser Stadt erbracht haben, um
in ihr leben zu können. Nicht alles konnte
erfasst und niedergeschrieben werden.
Es lässt sich aber feststellen, dass in den
vergangenen Jahrzehnten ein vielfältiges
Kulturleben in der neu gegründeten Stadt
entstanden ist. Es hat sich entwickelt und
verändert, an einigen Punkten allerdings
auch überlebt.
An mancher Stelle ist die Vielfalt des
Wolfsburger Kulturlebens auch gefährdet. Dabei kann es sich um baulichen
Verfall handeln, der – um ein Beispiel zu
nennen – beim Planetarium gerade noch
gestoppt werden konnte. Dabei kann es
sich aber auch um Auswirkungen der neu
entstandenen Vielfalt handeln, die ehemals
wichtige Veranstaltungsstätten wie den
CongressPark obsolet erscheinen lässt, da
früher wahrgenommene Aufgaben heute
an besser geeigneten Orten stattfinden. Es
haben sich auch neue Muster der Bürgerbeteiligung herausgebildet, die den Beweis
einer dauerhaften Funktion noch nicht
erbracht haben. Zahlreiche „Freundeskreise“
überlassen das Handeln und das Fällen von
Entscheidungen trotz allen Engagements
einer professionellen Geschäftsführung.
Dem Mitglied ist eine Rolle als ehrenamtlicher Helfer zugewiesen. Die Möglichkeiten
der inhaltlichen Einflussnahme sind dabei
für den Einzelnen begrenzt, man folgt
eher Kundenbindungsstrategien des
Produktmarketings und kreiert Wege, um
Mittel aus Subventionstöpfen zu erhalten.
Andere Initiativen zeigen dagegen das
Potenzial, das sich erschließen lässt, wenn
die Menschen selbst die Dinge in die Hand
nehmen und beginnen, zu gestalten.
Die lange Fokussierung der Stadtentwicklung auf den Tourismus hat in Wolfsburg
Spuren hinterlassen. „Die Kulissenarchitektur
und Verführungskunst verwandeln die
Stadt zur Einschaltquotenstadt, es zählen
allein die Touristen, die möglichst zahlreich
angelockt werden sollen. So verkommt die
Stadt zu einem riesigen Freizeitpark, nichts
ist mehr echt, alles täuscht.“43
Demgegenüber ist Wolfsburgs Reichtum
eine lebendige Kulturszene im Schatten
der touristischen Leuchttürme. Dort spürt
man städtisches Leben. Dort ist Teilhabe
möglich. Dieses kulturelle Leben macht die
43 C. Hansmann: Die Idee der Stadt als anthropologisches
Spiel. Karlsruhe 2004, S.173.
Stadt auch attraktiv für diejenigen, die hier
in Wolfsburg wohnen und leben möchten.
Bessere Botschafter als alte und neue Bürger
der Stadt, die davon berichten, kann kein
noch so teures Marketing hervorbringen.
Es wird Aufgabe städtischer Kulturpolitik
sein, dieses kulturelle Leben zu stärken. Der
Kulturentwicklungsplan (KEP) kann einen
Rahmen für diese Aufgabe abstecken. Der
KEP kann allerdings nicht die handelnden
Menschen ersetzen, die das kulturelle Leben
prägen und gestalten. Die Zukunft einer
Stadt wird hier geschrieben. Oder, um es
mit den Worten des amerikanischen Architekturkritikers und Wissenschaftlers Lewis
Mumford zu sagen: „Daher müssen wir uns
jetzt die Stadt nicht in erster Linie als einen
Ort vorstellen, wo man Geschäfte macht
oder regiert, sondern als wichtiges Organ,
das der neuen menschlichen Persönlichkeit
Ausdruck verleiht und Geltung verschafft,
der Persönlichkeit des Menschen in der
Welt.“44
44 L. Mumford: Die Stadt. Geschichte und Ausblick. Stuttgart 1979, S. 670 [im Original: The City in History. New
York 1961 (aus dem Amerikanischen von Helmut
Lindemann)].
Axel Bosse (*1952) war nach dem
Maschinenbaustudium bei Volkswagen
tätig, zuletzt als Produktplaner für neue
Fahrzeugprojekte. Er engagiert sich in
der Wolfsburger Kunst- und Kulturszene,
u.a. im Kunstverein Wolfsburg (Vorstand)
und ist selbst „Sammler und Zeichner“.
Er hat den Kulturentwicklungsplan als
Vorsitzender des Beirats begleitet.
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
19
III. Ein Konzept für die Zukunft
Das Wolfsburger Stadtleitbild von 1997
und die strategischen Oberziele
Simone Neteler und Birgit Schneider-Bönninger
„Jede Verbesserung unserer
Stadt fängt bei uns an!“
Mit dem Kulturentwicklungsplan nimmt
Wolfsburg nicht zum ersten Mal die städtische Zukunft in den Blick. Schon einmal,
Anfang der 1990er-Jahre, als die Volkswagen AG von den einschneidenden Strukturproblemen der Automobilindustrie
betroffen war, musste man in Wolfsburg
auf die Herausforderungen der Autokrise
reagieren und eine zukunftsgewandte
neue Identität finden. Dies gelang einerseits durch die Gründung der Wolfsburg
AG, einer Public Private Partnership der
Stadt Wolfsburg und der Volkswagen
AG, die seitdem das Konzept AutoVision
erfolgreich umsetzt, andererseits aber
auch durch neue Wirkungsziele, wie sie
im Stadtleitbild von 1997 festgeschrieben wurden. Gerade das Leitbild lieferte
eine wichtige visionäre Grundlage für
Planungen der zukünftigen Stadtentwicklung – eine Grundlage, die bis heute
von Bedeutung ist und deshalb an dieser
Stelle skizziert werden soll.
Mit dem Stadtleitbild präsentierte sich
Wolfsburg als fortschrittliche, innovationsfreudige Stadt der Moderne, die
nach demokratischen Regeln tragbare
Konzepte für die Zukunft entwirft, um
den Ansprüchen einer sich rasant verändernden globalen Welt zu begegnen.
Die Konzeption ist nach ganzheitlichen,
partnerschaftlichen und prozessorientierten Prinzipien entworfen; das
Leitmotiv „Zukunftsorientierte Lösungen
entwickeln und leben“ wurde in sechs
sogenannten Werkstätten von rund 200
20
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
Persönlichkeiten aus Wirtschaft und
Gesellschaft umgesetzt.45
Getreu der These: „Jede Verbesserung
unserer Stadt fängt bei uns an!“, wurde
Wolfsburg quasi zu einer Experimentierplattform, die Bürgerinnen und Bürger
waren gefordert, Verantwortung zu übernehmen und sich aktiv in die Arbeit ein-
Das Stadtleitbild
(1997) erzeugte eine
Aufbruchstimmung,
die längst zu einem
Markenzeichen Wolfsburgs
geworden ist.
zubringen. So entstand unter Mitwirkung
vieler eine tragfähige „Navigationshilfe auf
der Fahrt in die Zukunft“, wie es Dr. Wolfgang Guthardt, der damalige Stadtrat und
45 Die Aufbruchstimmung und Experimentierfreude, die
sich mit dem Stadtleitbild verband, spiegelt sich in
dem Motto „Lust an Entdeckungen“. Auch das Logo
der Stadt bestehend aus vier Quadraten ging aus dem
Stadtleitbild hervor. Es versinnbildlicht Herkunft und
Zukunftspotenzial der Stadt. So steht das kleine blaue
Quadrat (Blau als Farbe des Konzerns) für den Aufbau
des Volkswagenwerks als Dreh- und Angelpunkt, verbunden mit seiner Philosophie eines innovativen Unternehmens. Das frische Grün symbolisiert die „Stadt im
Grünen“, insbesondere Wachstum, Jugendlichkeit und
Modellcharakter. Die beiden oberen Quadrate spiegeln
die enge Verzahnung von Stadt und Werk sowie den
gemeinsamen Weg in das neue Jahrtausend – eine
Stadt im Wandel mit einem Bündel zukunftsweisender
Projekte.
heutige Direktor des phæno, in seinen
einleitenden Worten zum Stadtleitbild
auf den Punkt brachte. Guthardt, der an
dem Projekt maßgeblich beteiligt war,
beschrieb auch die Bedeutung, die sich
mit dem Leitbild verknüpfte: „Es soll uns
helfen, die Identität unserer Stadt klarer zu
fassen und sie damit für uns selbst transparent zu machen. Es baut auf den vorhandenen Image-Faktoren auf und nimmt
ein Stück Zukunft vorweg – es gibt uns
eine Idee, eine Vision von dem Wolfsburg,
in dem wir in Zukunft leben wollen.“
Das Stadtleitbild widmet sich in den
Werkstätten „Highlights und Tourismus“
bzw. „Kultur, Sport, Bildung“ auch dem
Thema „Kultur in Wolfsburg“. Dabei wird
in der Liaison von zeitgenössischer Kunst
und Technik eine besondere Stärke der
Stadt gesehen. Man folgte dem Motto:
„Innovation durch Kunst und Technik“ und
formulierte im Leitbild: „Gerade in touristischer Hinsicht kann ein Imageaufbau nur
mit unverwechselbaren Stärken der Stadt
zum Ziel führen. In den Bereichen Kunst,
hier der modernen und zeitgenössischen
Kunst, und Technik, hier der zukunftsweisenden Technik im Sinne von Mobilität,
sehen wir die großen Innovationspotenziale für die Stadt Wolfsburg.“
Weitere die Kultur betreffende Zielformulierungen lauten:
„Erreichen möglichst vieler Menschen
durch vielfältige Angebote
Dazu gehört auch das
• Fördern von Entfaltungsmöglichkeiten
spezifischer Interessen, um damit das
Entstehen von ‚Szenen‘ zu unterstützen
• Stärken der Profilbildung von Schulen,
Vereinen und Initiativen
• qualitatives Aufwerten des Stadtbildes
durch Kunst im öffentlichen Raum und
andere markante Angebote
Ausbau des Innovativen und des Internationalen zu besonderen Markenzeichen
• Entwickeln und Präsentieren von […]
neuen kulturellen Ausdrucksformen.
Nutzen besonderer Spannungsfelder
zwischen Tradition und Moderne
[…]
Verbessern von Mitgestaltung und Mitverantwortung
• Menschen zur Mitgestaltung und Initiative in Vereinen, Einrichtungen und
Initiativen motivieren
[…]
14 Jahre Stadtleitbild –
eine kurze Bilanz
Im Rückblick betrachtet, war das Leitbild für die städtische Neuausrichtung
ein Glücksgriff. Es sensibilisierte für die
Stärken und Schwächen der Stadt, setzte
Diskussionen in Gang, förderte das Bürgerengagement und gab Wolfsburg mit der
Verpflichtung zu Fortschrittsdenken und
Innovationskraft ein eindeutiges Profil.
Entsprechend ist es auch dem Leitbild
zu danken, dass sich die Stadt von da an
ausdrücklich und bewusst dem Neuen und
Experimentellen zuwandte.
Insgesamt gilt das Stadtleitbild trotz seiner
bereits 14-jährigen Gültigkeit noch immer
als ein originärer, zukunftsweisender und
ganzheitlicher Weg für eine tragfähige
Stadtentwicklung. Es gab eine Richtung
vor und erzeugte eine Aufbruchstimmung,
die längst zu einem überzeugenden
Markenzeichen Wolfsburgs geworden ist.
Auch wenn manche Kritiker anmerken,
dass es als zielgebende Größe zu abstrakt
geblieben sei,46 sind viele der damals
festgeschriebenen und ins Auge gefassten
Vorhaben erreicht worden (z.B. Attraktivitätssteigerung als Einkaufsstadt, Erhöhung
der Eigentumsquote) bzw. befinden sich
noch in der Entwicklung (z.B. Schulversuche/Neue Schule-BildungsCampus auf
dem Klieversberg (siehe Teil C: Visionen, I ).
Trotzdem scheinen die damalig formulierten Maximen im heutigen politischen und
46 Bertelsmann Stiftung/Hans-Böckler-Stiftung/KGSt
(Hrsg.): Mitarbeiterorientierte Zielvereinbarungen in der
Kommunalverwaltung – Vom Konzept zur Umsetzung.
Gütersloh u.a. 2002, S. 14.
Das phæno: Mit diesem Bauwerk der Architektin Zaha Hadid fand die Zukunft ihren Platz in Wolfsburg. Das Science Center ist
seit Eröffnung im Jahr 2005 ein Publikumsmagnet.
gesellschaftlichen Bewusstsein weitgehend
verblasst. Umso mehr kann und muss der
Kulturentwicklungsplan auch als Chance
gesehen werden, die Schlüsselthemen des
Stadtleitbildes neu zu beleben.
Die Oberziele lauten:
• Arbeit und Wirtschaft sichern und ausbauen
„Lebenswerte Zukunftsund Wohlfühlstadt“: die
strategischen Oberziele und
Handlungsfelder der Stadt
Wolfsburg
• Familie, Integration und Chancengerechtigkeit fördern
Die im Stadtleitbild formulierten Ansätze
und Perspektiven haben ihre Fortschreibung teilweise in der neuen strategischen
Ausrichtung der Stadtpolitik gefunden. Mit
Einführung von „Doppik“ und Produkthaushalt (2009) haben Politik und Verwaltung
die Instrumente einer nachhaltigen Steuerung des Haushalts optimiert. Damit wird
Entscheidungsträgern aus Rat und Verwaltung ein neu strukturierter Gestaltungsspielraum eröffnet, um über die Festlegung
von Zielen, Kennzahlen und die hierfür
erforderlichen Ressourcen zu entscheiden.
Übergeordnetes Masterziel für Wolfsburg und seine Entwicklung ist es, eine
„lebenswerte Zukunfts- und Wohlfühlstadt
mit Qualität, Profil und Ausstrahlung“ zu
werden.
Um dies zu erreichen, sind wiederum fünf
strategische Entwicklungsperspektiven als
generelle Oberziele benannt, die hinsichtlich der bestehenden Handlungsfelder
übergreifend und leitend für das Kontraktmanagement anzusehen sind.
• Bildungs- und Kulturangebote erweitern
• Stadtentwicklung und Stadtqualität fortentwickeln
• Stadtverwaltung als bürgerfreundlichen
Dienstleister ausbauen.
Die ausgewiesenen 23 Handlungsfelder
beinhalten konkret zu realisierende Ziele,
die im Haushalt in Verbindung mit den
jeweiligen Produkten dargestellt werden.
Die strategischen Oberziele und Handlungsfelder sind dabei immer wieder den
sich wandelnden inneren und äußeren
Einflüssen anzupassen. Sie sind also nicht
statisch, sondern vielmehr dynamisch
angelegt.
Die den Kulturbereich betreffenden Themen lassen sich mehreren Oberzielen und
Handlungsfeldern zuordnen. Das zentrale
Handlungsfeld lautet jedoch:
„Kultur und Kunst als Standortfaktor profilieren“.
Diesem übergeordneten Ziel folgen die
Vorhaben:
• „Tourismus- und Freizeitangebote weiterentwickeln“,
• „Kinder- und familienfreundliche Angebote erweitern“ sowie
• „Lebenswerte und lebendige Stadtund Ortsteile erhalten und fördern“.
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
21
Es versteht sich von selbst, dass der
Kulturentwicklungsplan diese Oberziele
und Handlungsfelder berücksichtigt und
entsprechend weiterentwickelt.
Ausblick
Unter dem Arbeitstitel „Stadtkonzept
Wolfsburg 2020+“ wird sich Wolfsburg mit
seiner zukünftigen Entwicklung weiterhin
beschäftigen. Es gilt, Bilanz zu ziehen
sowie gleichzeitig Visionen und Perspektiven über Wege in die Zukunft zu entwickeln. Dabei ist auch auszuloten, wie man
sich auf diese Zukunftsperspektiven heute
schon einstellen kann. Das „Stadtkonzept
Wolfsburg 2020+“ ist als Herausforderung
und Chance zu sehen, einen öffentlichen
Dialog über langfristige Entwicklungsmöglichkeiten, Stadt- und Lebensqualität
zu initiieren bzw. diesen fortzusetzen.
Es geht letztlich darum, sich offen für
Zukunftsfragen zu zeigen, dabei die Wirtschaft, Politik und die gesellschaftliche
Basis zum Mitdenken anzuregen sowie
eine breite und qualifizierte Beteiligung
der Bürger an dem Prozess umzusetzen.
„Hallenbad – Kultur am Schachtweg“: Aus dem ersten Wolfsburger Hallenbad wurde 2007 ein Kulturzentrum der besonderen Art, das vor allem
jungen Menschen eine kreative Plattform bietet. Hier ist eine Lichtinszenierung des Wolfsburger Künstlers Bernd Schulz zu sehen.
22
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
IV. Kreative Bürger
in einer kreativen Stadt
Simone Neteler und Birgit Schneider-Bönninger
Die Idee der „kreativen Stadt“
Das Urbane und das Kreative sind erst in
den letzten Jahrzehnten als sich gegenseitig befruchtende Variablen innerhalb
der Stadtforschung anerkannt. Dabei
gehen die Wurzeln solcher Überlegungen
durchaus zurück bis in die Antike. Man
denke nur an den städtischen Marktplatz
im alten Griechenland, die Agora. Dieser
als kommunikativer und kreativer Ort
konzipierte städtische Mittelpunkt war ein
zentrales Merkmal der griechischen Polis
– und gleichzeitig eine gesellschaftliche
Institution. Hier trafen sich die Bürger, hier
wurden Informationen und Meinungen,
aber auch Waren ausgetauscht, hier wurde
über Wohl und Wehe der Stadt und ihrer
Bewohner diskutiert und entschieden.
Das neuzeitliche Konzept der „kreativen
Stadt“ trägt zumindest noch entfernte
Züge dieser antiken Idee, auch wenn es
in den vergangenen Jahrzehnten immer
wieder neu entworfen worden und
mittlerweile aus der modernen Stadtforschung nicht mehr wegzudenken ist. Der
Topos der „kreativen Stadt“ fungiert dabei
als Leitbild für die moderne Stadtentwicklung, er zeigt Möglichkeiten auf, wie
sich Städte heutzutage den zahlreichen
Herausforderungen stellen können, die
sich nicht zuletzt aus dem Wandel von der
Industrie- zu einer Wissensgesellschaft
ergeben.
Entwickelt wurde der Ansatz der „kreativen
Stadt“ von dem britischen Städteforscher
Charles Landry, der dabei wiederum Ideen
des amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Richard Florida aufgriff. Florida
beschreibt Zusammenhänge zwischen
der „creative class“ und dem ökonomischen Erfolg einer Stadt oder Region.
Demnach sichert eine Stadt ihren Aufschwung, wenn sie für kreative Menschen
attraktiv ist. Oder anders ausgedrückt:
Erst das kreative Potenzial der städtischen
Bürgerschaft garantiert das Maß an Wohlstand und Fortschritt der Stadt.
Kreativ sind nach Floridas Definition
aber nicht nur Künstler, Beschäftigte in
den Medien, Grafiker oder Architekten,
sondern auch Informatiker, Naturwissen-
Der KEP ist Initialzündung
und kein Schlusspunkt.
schaftler, Mathematiker und Ingenieure
genauso wie Beschäftigte im Bildungsbereich, Lehrer und Verwaltungsangestellte.
Passend zu dieser breit gefächerten Definition der „creative class“ benennt Richard
Florida drei Faktoren, die sogenannten
drei Ts, die ein Anwachsen von kreativer
Kraft innerhalb der Stadt fördern: Talente,
Toleranz und Technologie. Die Talente der
Menschen zu fördern, sich als Stadtgesellschaft tolerant zu zeigen gegenüber
anderen Kulturen und divergenten
Lebensformen, sich dem technologischen
Fortschritt zu öffnen – all das macht eine
Stadt attraktiv für die Kreativen.
Talente, Toleranz und Technologie stehen
dabei in einer Wechselbeziehung zueinander: So zieht ein tolerantes Stadtklima
kreative Talente an. Diese wiederum
machen die Stadt für Unternehmen wissensintensiver Sparten wie z.B. für den
Dienstleistungssektor oder Unternehmen
der neuen Technologien interessant.
Deren Ansiedlung innerhalb der weltoffenen und toleranten Stadt bedingt
wiederum den Zuzug weiterer kreativer
Köpfe.
Charles Landry, der heute weltweit als
Städteberater tätig ist, beschreibt die
Kreativität als „neue Währung“, doch sind
ihm Floridas Interpretationen für die
stadtpolitische Praxis etwas zu pauschal.
Schließlich sei jede Stadt anders und
müsse entsprechend ihre Besonderheiten
entwickeln, also selbst kreativ werden,
sein und bleiben.
Hier wird deutlich, dass es bei dem Modell
der „kreativen Stadt“ um mehr geht als
um die bloße Ansiedlung von Kultur- und
Kreativwirtschaft, zu der u.a. der Architektur-, Kunst- und Buchmarkt, die Film-,
Musik- und Designwirtschaft, aber auch
der gesamte Medien- und Werbemarkt
gehören. Nach Charles Landry ist eine
kreative Stadt „ein Ort, wo es Kreativität in jedem Bereich gibt, auch in der
Verwaltung.“47
Es gilt, das eigene urbane Potenzial zu
erkennen und es einzubringen – um als
„kreative Stadt“ auf Dauer zu bestehen.
Das ist die Basis, um glaubhaft Talente
47 Landry, Charles: Creative Cities and Creative Business –
International Experiences. Vortrag anlässlich der Tagung
„Kreative Quartiere – Chance für die Immobilienwirtschaft in der Metropole Ruhr“ am 20.11.2009 im Dortmunder Harenberg-City-Center. Abrufbar unter: http://
www.wirtschaftsfoerderung-dortmund.de/de/region/
kreativequartiere/03_landry.jsp
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
23
zu fördern, Toleranz zu leben, den technischen Fortschritt zu praktizieren – und
damit kreatives Potenzial auszubilden,
anzuziehen und bei sich zu halten. Genau
hier sieht die moderne Stadtentwicklungsforschung den Schlüssel für die Städte, um
eine überzeugende Lebensperspektive für
die Menschen zu bieten und als urbane
Metropolen auch in Zukunft im besten
Sinne des Wortes innovativ zu sein.
Wolfsburg – Stadt mit
Potenzial
Nach diesen skizzierten Ansätzen moderner Stadtforschung fällt es nicht schwer,
Wolfsburg als „kreative Stadt“ zu denken.
Im Gegenteil – es ist sogar mehr als naheliegend. Schließlich verfügt Wolfsburg
seine charakteristischen Stadtmerkmale
aktiv und zukunftsträchtig einzusetzen.
Nur so konnte eine hochmoderne industrielle Basis entstehen, ein Zentrum
für Forschung und Entwicklung mit mehr
als 10.000 Ingenieuren, dazu eine schon
heute durchaus überzeugende Bildungsund Wissenslandschaft, nicht zu sprechen
von der gelungenen Installation überregional strahlender kultureller Leuchttürme
(phæno, Autostadt und Kunstmuseum) in
die kulturelle Stadtlandschaft.
Schon diese kurze Aufzählung gibt einen
kleinen Einblick in das kreative Potenzial,
das in Wolfsburg zu Hause ist – begründet
von vielen Bürgern, die in den Bereichen
Kunst, Architektur, Bildung, Forschung
und last, but not least in der Technologie
kreativ sind.
Das Kunstmuseum Wolfsburg: Die Institution für moderne und zeitgenössische Kunst ist auch international anerkannt.
Hier ist eine Fensterarbeit des Künstlers Beat Streuli zu sehen.
mit seinem ungebrochenen Pioniergeist,
seiner Prägung durch Volkswagen und
seinem unumstößlichen Bekenntnis zur
Moderne über drei gewachsene Besonderheiten, die die Stadt am Mittellandkanal von anderen deutschen Städten
maßgeblich unterscheidet und ihre Identität auf vielfältige Weise bestimmt. Als das
Zuhause eines weltweit agierenden und
wirkenden Konzerns besitzt Wolfsburg
zudem das Potenzial von Internationalität – ein Potenzial, das allerdings noch
viel mehr bewusst gemacht und in Szene
gesetzt werden könnte. Schließlich ist es
eine Ressource, die für die Zukunftsgestaltung immer mehr an Bedeutung und Wert
gewinnen wird.
Wolfsburg hat in seiner noch jungen
Geschichte immer wieder bewiesen,
24
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
Doch es kommt noch ein weiterer, alles
entscheidender Faktor hinzu, der zeigt,
dass Wolfsburg beste Voraussetzungen mitbringt, um eine im Sinne der
Landry’schen Definition „kreative Stadt“ zu
werden. Denn in der niedersächsischen
Autometropole ist gegenseitige Toleranz
nicht nur ein Wort, sondern gewachsene
Realität. So zeigte die Wolfsburger Stadtgesellschaft schon in ihren Anfängen nach
Ende des Zweiten Weltkriegs, dass sie sich
auf die Integration neuer Mitbürgerinnen
und Mitbürger versteht. Damals kamen
Flüchtlingsströme aus den ehemals deutschen Ostgebieten in die Stadt, um hier
ein neues Zuhause zu finden. Ähnlich verhielt es sich ein gutes Jahrzehnt später, als
südeuropäische Arbeiter nach Wolfsburg
kamen – und viele von ihnen blieben.
Heute leben in der Stadt am Mittellandkanal 137 Nationalitäten friedlich miteinander – und machen Wolfsburg damit zu
einer weltoffenen, multikulturellen Stadt.
Hier sind Offenheit, Versöhnlichkeit und
Toleranz nicht nur blinde Gesten, sondern
Tradition gewordene Verpflichtung und
Bereicherung.
Rund um solche historischen und sozialen
Kristallisationskerne existiert in Wolfsburg
eine Vielzahl an lebendigen Stadtteilkulturen.
Damit bringt Wolfsburg all das mit, was
Richard Florida und auch Charles Landry
als Maximen ausgeben, um das moderne
idealtypische Bild der „kreativen Stadt“
zu verwirklichen: Talente, Toleranz und
Technologie.
Schon in der Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2010 versuchte die Stadt, ihr
ureigenes Potenzial – Stadt des Autos,
Stadt mit Pioniergeist und damit verbundener Aufbruchstimmung, Stadt mit
dem Bekenntnis zur Moderne – kreativ
einzubringen: „Wissenschaftlich, industriell, kulturell oder künstlerisch: Alles was in
Wolfsburg generiert, kreiert, geschaffen
wird, dient weitgehend dem Zeitgenössischen oder geschieht in der Perspektive
des Künftigen“.
An der Schwelle zum 21. Jahrhundert hat
sich Wolfsburg angesichts der Autokrise
einmal mehr neu erfinden müssen – und
das mit Erfolg! So präsentiert sich die
Stadt heute nicht mehr nur als reiner
Industriestandort, der mit den Folgen der
Monoindustrie zu kämpfen hat, sondern
als niedersächsische Metropole, die es
in die Welt zieht und die auf Wissen und
Dienstleistung baut. Kultur, Bildung, Wissenschaft und Internationalität sind die
tragenden Säulen der neuen Stadtgesellschaft. So bewertet eine aktuelle PrognosStudie unter dem Titel „Zukunftsatlas
2010“ Wolfsburg als „zukunftsfähigste
Stadt Norddeutschlands“, die sich unter
412 Städten und Landkreisen in der bundesweiten Spitzengruppe wiederfindet.
Berücksichtigt wurde dabei die jüngste
Entwicklung bezüglich der Indikatoren
Demografie, Wohlstand, soziale Lage,
Arbeitsmarkt, Wettbewerb und Innovation.
Die Wolfsburger
Kulturlandschaft heute
und in Zukunft
Auch wenn in Wolfsburg – wie dargelegt – gute Grundlagen vorhanden sind,
sich zu einer modernen „kreativen Stadt“
zu entwickeln, müssen schon jetzt die
Weichen gestellt werden, um diesen
Status auch dauerhaft zu halten und auszubauen. Dieses wird mit der momentan
in Wolfsburg scheinbar dominierenden
Event- und „Leuchtturmkultur“ allein nicht
zu realisieren sein. Schließlich kann nur
ein lebendiges kulturelles Umfeld (junge)
Kreative nachhaltig an sich binden, wozu
laut Definition eben nicht nur Künstler
und Designer, sondern auch Wissenschaftler, Techniker und Gründer gehören. Heute
wandert doch noch mancher ab, denn
attraktive Metropolen wie Berlin oder
Hamburg sind nicht weit. Die Wolfsburger
Kulturlandschaft vielfältig zu gestalten, sie
auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zuzuschneiden und die Menschen gleichzeitig
agieren und teilhaben zu lassen – das wird
eine der ganz großen Herausforderungen
für die Kulturpolitik der nächsten Jahre
sein.
Dabei kann sich Wolfsburg auf jeden Fall
auf alte Werte und die gewachsenen
Traditionen verlassen. Doch müssen sie
sich mit den Zeiten wandeln und entwickeln, um auch morgen noch die frühere
Strahlkraft zu entfalten. Zudem sind
Tugenden noch einmal neu zu verankern,
beispielsweise die Lust daran, Demokratie
zu leben, oder der Mut, gegen Intoleranz
und Verfolgung einzutreten.
Kunst und Kultur sind zu pflegen und in
jedweder Form zu fördern. Künstler und
Kulturschaffende bilden nun einmal das
kulturelle Zentrum und sollen entsprechend auch Unterstützung erfahren. Denn
„sie erschließen Kreativität in einer Bevölkerung. Sie sind keineswegs nur dekorative Elemente. Daher sind Aufwendungen
für sie […] unverzichtbare Investitionen in
die Entwicklung einer Gesellschaft.“48
Wolfsburg hat sich schon immer – sowohl
in seiner „Vorgeschichte“ als auch in der
jungen Stadtgeschichte – mit deutlicher
48 Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen (Hrsg.): Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland. Entwicklung, Ursachen und
Maßnahmen. Teil III: Maßnahmen zur Verbesserung der
Beschäftigungslage. Bonn 1996/1997, S. 9. Abrufbar
unter: http://www.bayern.de/Anlage4500338/BerichtderKommissionfuerZukunftsfragenderFreistaatenBayernundSachsen-Teil3.pdf.
Wertschätzung für Kreativpotenziale
hervorgetan. Dichter, Denker, Pioniere,
Kunstpreise, Kunstpräsenz im öffentlichen
Raum, moderne Architektur, Traditionsinseln, Ausstellungen zeitgenössischer
Kunst, das Schloss Wolfsburg mit Kunstverein und Städtischer Galerie, das AlvarAalto-Kulturhaus, das „Hallenbad“ und das
bereits erwähnte phæno oder das Kunstmuseum Wolfsburg – all dies begründet
seit Jahrhunderten bzw. seit Jahrzehnten
ein einzigartiges kreatives Konglomerat,
das in dieser Dichte und Vielschichtigkeit
nicht oft zu finden ist.
Trotzdem besteht Nachholbedarf in den
Bereichen Kreative Räume, Jugendkultur,
Subkultur, Stadtteilkultur und Szenequartiere.
Wolfsburg bringt all das
mit, um die „kreative Stadt“
zu verwirklichen: Talente,
Toleranz und Technologie.
Die in Wolfsburg bereits gelungene
Verbindung von Wissenschaft, Kunst und
Technik – selbst Resultat eines kreativen
Handelns innerhalb der Stadt – muss
fortgeführt werden. Von Vorteil wird dabei
sein, dass die Region schon heute mit
renommierten Hochschulen und weiteren
Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen besticht.
zumindest skizzierte Anregungen bei der
Erwachsenenbildung aufbauen.
Gelingt es, diesen kreativen Umgang mit
Bildung und Kunst altersübergreifend
zu fördern, kann im Rahmen kultureller
Bildung und auch der künstlerischen Betätigung eine ungeahnte Breitenwirkung
einsetzen.
Richtungsweisend und modellhaft ist die
Vision der Bildungslandschaft (siehe Teil C:
Visionen, I ), die aus Vernetzung entsteht.
Ein freies und solidarisches Bildungssystem garantiert darüber hinaus auch das
Zusammenwachsen einer kritisch aufgeklärten Stadtgesellschaft, für die Toleranz
mehr ist als nur ein Wort.
Nur ein tatsächlich mündiger Bürger
wird sich selbstbewusst in der Wissensgesellschaft von morgen positionieren
und behaupten können – ein Bürger, der
sich interessiert und einbringt, der teilhat
und anbietet, der offen ist für Neues und
kritisch hinterfragt, der experimentiert,
improvisiert, spontan ist und, wenn es
sein muss, auch nach unkonventionellen
Lösungen sucht.
Wolfsburg ist auf dem Weg zur „kreativen
Stadt“ – und sollte sich dabei nicht aufhalten lassen. Die kulturpolitischen Vertreter
werden diesen Prozess mit viel Idealismus
begleiten, sie werden den Kreativen zuhören und die Bürger immer wieder zur aktiven Beteiligung und Teilhabe auffordern.
Lebenslanges Lernen als Basis
für kreatives Handeln
Richard Florida hat als eine Quintessenz
seiner Ausführungen „Kreativität für alle“
gefordert. Dies scheint eine tragfähige
Fortführung des allseits bekannten „Kultur
für alle“ zu sein, könnte dieser Maxime
damit doch der zeitgemäße Ruf nach „Kultur von allen“ folgen.
Ungewohnte, neue Situationen brauchen
kreatives Handeln von jedem von uns –
unter diesem Blickwinkel erhält der Slogan
vom „lebenslangen Lernen“ eine neue
Dimension. Die Möglichkeiten dazu müssen von der Kindheit bis ins hohe Alter
geschaffen werden. Wolfsburg kann hier
auf bereits begonnene Maßnahmen wie
die Ausweitung von Ganztagsangeboten
für Kinder und Jugendliche, aber auch auf
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
25
26
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
B
Praxis
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
27
>
Präambel
Der Idee der „kreativen Stadt“ verpflichtet,
liegt dem Wolfsburger Kulturentwicklungsplan eine Kulturstrategie zugrunde, die aus
den städtischen Qualitäten, Besonderheiten
und Potenzialen programmatische Ansätze
entwickelt und diese immer wieder zeitgemäß anpasst.
Traditionsbewusstsein und Experimentierlust, künstlerisches Risiko und Professionalität, Offenheit und Neugierde, Zusammenhalt und Teilhabe, Weltoffenheit und
Toleranz – das sind die zentralen Maximen,
die die emotionale Basis für ein kulturelles
Heimatgefühl in Wolfsburg legen. Darauf
ist aufzubauen – auch im Hinblick auf die
zukünftige Ausrichtung des kulturellen
Engagements.
Die Stadt Wolfsburg bekennt sich zu einer
integrativen, die Vielfalt und den Diskurs
fördernden Kulturpolitik. Diese steht für die
Schaffung eines solidarischen Miteinanders
28
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
in der Kernstadt sowie den Stadt- und
Ortsteilen, aber auch für Flexibilität und
Forschergeist. Wolfsburger Kulturpolitik im
21. Jahrhundert sieht sich der Bewahrung
und Pflege des kulturellen Erbes verpflichtet,
erschöpft sich jedoch nicht in bloßer Verwaltung des Bestehenden und Bewährten.
Immer geht es ihr auch um dessen dynamische und exzeptionelle Fortschreibung.
So verstanden, ist Kulturpolitik auch wesentliche Säule einer Stadtentwicklung.
Entsprechend entwerfen die zehn Schwerpunkte des Wolfsburger Kulturentwicklungsplans das Bild einer dynamischen,
vielfältigen Kulturstadt und bilden den
gemeinsamen kulturellen Nenner, mit dem
sich Kulturschaffende und -nutzer, Politik
und Verwaltung identifizieren.
>
Zehn Schwerpunkte für die
Kulturentwicklung in Wolfsburg
1 Kulturelles Erbe und Erinnerungskultur
2 Orts- und Stadtteilkultur, Soziokultur
und Bürgerengagement
3 Jugendkultur, Subkultur, Freie Szene
und Offene Räume
4 Internationalität, Integration und Interkultur
5 Kulturelle Bildung
6 Zeitgenössische Kunst
7 Baukultur
8 Theater, Musik, Literatur
und Veranstaltungskultur
9 Wissenschaft und neue Technologien
10 Kulturmarketing und Kulturförderung,
Kultur- und Kreativwirtschaft
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
29
1
Kulturelles Erbe und
Erinnerungskultur
„Wer vor der Vergangenheit
die Augen verschließt, wird
blind für die Gegenwart.“
Richard von Weizsäcker
Wolfsburg gilt als eine der bedeutendsten Stadtgründungen des 20. Jahrhunderts. Im Jahr 1938 legten die Nationalsozialisten nahe Fallersleben den Grundstein für das Volkswagenwerk, zu dem
parallel eine moderne Industriestadt entstehen sollte. In der sogenannten „Stadt
des KdF-Wagens“ wollte das NS-Regime
den Traum einer in Europa einzigartigen
monumentalen Industriegründung
verwirklichen, um dort ein Automobil
für alle zu bauen. Im Verlauf des von
den Nazis geführten Zweiten Weltkriegs
wurde das Projekt „KdF-Wagen“ gestoppt;
stattdessen wurden das Werk und die
Stadt Orte von Rüstungsproduktion und
Zwangsarbeit.
Das Kriegsende markierte einen Neubeginn. In Wolfsburg umbenannt, wurden
die Kriegsschäden am Werk schnell behoben und nahm man die Autoproduktion
wieder auf.
Entscheidend war in diesem Zusammenhang auch die Zuwanderung von
Flüchtlingen und Vertriebenen, die das
erforderliche Arbeitspotenzial stellten.
Später kamen erste ausländische Arbeitskräfte hinzu. Damit waren die Weichen
für den rasanten wirtschaftlichen
Aufstieg des Volkswagenwerks in den
1950er- und 1960er-Jahren gestellt. Im
Zuge der Integration der Bundesrepublik in den westlichen Markt wurde das
Volkswagenwerk zum Motor und der in
Wolfsburg produzierte Käfer zum Symbol
des Wirtschaftswunders.
Aus der spezifischen Rolle, die diese
Stadtgründung während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft spielte,
30
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
erwächst eine besondere historische
Verantwortung. Sie fordert eine bewusste Auseinandersetzung mit der NSVergangenheit und der demokratischen
Genese in der Nachkriegszeit. Wolfsburg
fühlt sich einer aktiven und nachhaltigen Erinnerungskultur verpflichtet. Die
Einweihung des zentralen Zwangsarbeiterdenkmals auf dem Sara-Frenkel-Platz
im Jahr 2010 ist nur ein Beispiel für dieses
Engagement, das auf breiten gesellschaftlichen Schultern ruht. So gehen
städtische Kulturinstitutionen, die Historische Kommunikation der Volkswagen AG,
die IG Metall und der Initiativkreis für die
Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter offensiv mit den dunklen Jahren der
Stadtgeschichte um.
Auch die Landsmannschaften der Pommern, Schlesier oder Russlanddeutschen
leben heute die Idee der Versöhnung
und leisten in Wolfsburg einen aktiven
Beitrag zur Völkerverständigung.
Wolfsburg wird sich auch
weiterhin mit seiner NSVergangenheit bewusst
auseinandersetzen und sich
als Demokratiewerkstatt
etablieren, in der Erinnern
zur Versöhnung beiträgt.
Ein weiteres markantes und gleichzeitig
prägendes Element der Wolfsburger
Stadtgeschichte ist die Tatsache, dass im
Ortsteil Fallersleben mit August Heinrich
Hoffmann von Fallersleben (1798 – 1874)
der Dichter der deutschen Nationalhymne geboren wurde. Das Hoffmannvon-Fallersleben-Museum im Schloss
Fallersleben ist das einzige Museum für
den Dichter, der nicht nur „Das Lied der
Deutschen“, sondern auch Hunderte
heute noch verbreiteter Kinder- und
Volkslieder verfasste. Das Museum
bewahrt als wichtiger deutscher Erinnerungsort einzigartige kulturhistorische
Sammlungen zur deutschen Literatur-,
Musik- und Politikgeschichte, die es
seit 1991 im Kontext der National- und
europäischen Geschichte präsentiert.
Zusammen mit der von der Hoffmannvon-Fallersleben-Gesellschaft betreuten
Studienstätte unterstützt das Museum
die Forschung zu dem Themenkreis.
Schließlich gilt August Heinrich Hoffmann von Fallersleben auch als Repräsentant von freiheitlichen Ideen, die zu
geschichtlich wirksamen Kräften wurden
und heute wie auch in Zukunft Leitbilder
politischen Handelns bleiben müssen.
Als zusätzliche historische Besonderheit
kann zudem die Gebietsreform 1972
gelten, in deren Zuge es zu einer gelungenen Verschmelzung der jungen Stadt
Wolfsburg mit den 20 jahrhundertealten
umliegenden Dörfern und Städten kam.
Es ist ein Paradoxon der Wolfsburger
Geschichte, dass die noch junge Stadt
damals quasi von einem Moment zum
anderen nicht nur ein größeres Stadtgebiet, sondern gewachsene Traditionen
und damit eine eindrückliche Vorgeschichte gewann. Die Bockwindmühle in
Kästorf, aber auch die vielen Fachwerkhäuser, Höfe und Kirchen in den Ortsteilen und der Kernstadt (Heßlingen,
St. Annen) sind bauliche Zeugen dieser
weit vor die Stadtgründung zurückreichenden Vergangenheit.
Zu den historisch bedeutsamen Inseln
im Stadtgebiet gehört neben den Ortsteilen auch das historische Dreigestirn
aus Schloss Wolfsburg als Namensgeber
der Stadt, Schloss Fallersleben und Burg
Neuhaus als romantisches Zeugnis einer
mittelalterlichen Burganlage.
Die Pflege des kulturellen Erbes wird in
Wolfsburg im Wesentlichen durch die
Historischen Museen und das Institut
für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation (IZS) im Sinne der Trias „Erforschen,
Bewahren, Vermitteln“ getragen. Hierbei
fungieren die Historischen Museen als
Objektgedächtnis der Stadt. Das Stadtmuseum Schloss Wolfsburg – 2001 mit
dem Museumspreis für Neugestaltung
der Niedersächsischen Sparkassenstiftung ausgezeichnet – gilt als eines der
innovativsten Stadtmuseen Niedersachsens. Bewusst wurde das Museum als
moderne Stadtpräsentation konzipiert:
Einerseits zeichnet es für Wolfsburger
Gäste ein vielschichtiges Porträt dieser
Modellstadt der deutschen Nachkriegsgeschichte, andererseits arbeitet es
intensiv mit Bürgergruppen zusammen
und bietet seinen Besuchern viele
Anknüpfungspunkte für die Reflexion der
eigenen Biografie.
Museen, Archive sowie die zahlreichen
Heimat- und Kulturvereine sind in besonderer Weise geeignet, Vorurteile gegenüber der modernen, oft als gesichts- und
geschichtslos angesehenen Stadt Wolfsburg zu entkräften und den kulturellen
Reichtum des Wolfsburger Raumes ins
Bewusstsein zu rücken.
Ziele
• Stärkung des Geschichtsbewusstseins
und Bildung einer gemeinsamen urbanen Stadtidentität
• Vermittlung der Geschichte des
Wolfsburger Raumes und der Stadtgeschichte im Spannungsfeld zwischen
Tradition und Moderne
• Erforschung und Darstellung vor
allem des modellhaften Charakters der
Wolfsburger Entwicklung in der deutschen Zeitgeschichte
Stadtpräsentation und in seiner Rolle
als Museum der Bürger
• Beschreibung von Demokratie und
historischer Verantwortung als
„Mission Statement“, als Leitidee der
Geschichtsvermittlung
• Popularisierung des Wissens über die
Bedeutung August Heinrich Hoffmann
von Fallerslebens für die Freiheits- und
Demokratiebewegung des 19. Jahrhunderts auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene
• Stärkere Akzentuierung der Bedeutung von Mobilität und Bewegung in
der stadtgeschichtlichen Präsentation
und Vermittlung
• Erinnern für die Zukunft: Kreation von
neuen Formen einer lebendigen und
nachhaltigen Erinnerungskultur (multimediale, künstlerische und gestaltpädagogische Zugänge)
• Nutzung der Historischen Museen
und des IZS als Orte des kulturellen
Gedächtnisses genauso wie als „Laboratorium“ und „Zukunftswerkstatt“
(Gegenwartsdokumentation für die
Zukunft)
Schlüsselprojekte
• Aufbau eines digitalen Archivs (Bildarchiv, digitales Findbuch) zur Nutzung durch die Wolfsburger Bevölkerung und alle städtischen Organe (IZS)
• Entwicklung eines Geschichtsportals
und Weblogs (virtuelles Stadtgedächtnis) zur regionalen und überregionalen Nutzung (IZS)
Volkswagen AG bei industrie- und
alltagsgeschichtlichen Themen (Stadtmuseum)
• „Modern aus Tradition“: Gestaltung des
„Tages der Braunschweigischen Landschaft 2012“
• Wiedereröffnung und Weiterentwicklung der Landwirtschaftsausstellung,
z. B. Darstellung der Entwicklung
vor und während des Stadtaufbaus
sowie der aktuellen Situation der
Landwirtschaft und Traditionspflege
in Wolfsburg
• Neugestaltung der Dauerausstellung
des Hoffmann-von-Fallersleben-Museums (auf dem neuesten Forschungsstand, gegenwartsorientiert und den
veränderten Rezeptionsgewohnheiten
entsprechend angepasst)
• Ausbau des Hoffmann-von-Fallersleben-Museums zu einem bundesweit
wirkenden Zentrum der literatur- und
politikgeschichtlichen Forschung und
politischen Bildung
• Anpassung der Räumlichkeiten der
Historischen Museen an die Erfordernisse der Zertifizierung durch den
Museumsverband von Niedersachsen
und Bremen (u. a. Verbesserung der
Depotsituation)
• Erlebnis Schlösser und Burg: Inszenierungen zur Geschichte von Schloss
Wolfsburg, Burg Neuhaus und Schloss
Fallersleben (z. B. Illuminationen,
Projektionen oder multimediale Rundgänge)
• Realisierung von Projekten im Themenfeld „Demokratie“: Forschungsprojekt „Wolfsburgs Weg zur Demokratie“,
Gestaltungsprojekte „Orte der Demokratie“, „Kunst gegen Vergessen“ (IZS)
• Betonung historischer Kontinuität mit
Blick auf die Orts- und Stadtteile
• „Geschichte wird gemacht“: Erarbeitung von Ortschroniken, Firmen- und
Familiengeschichten sowie von „Wolfsburg erzählt“; Gestaltung einer neuen
Veranstaltungs- und Buchreihe mit
Menschen einer Erlebnisgeneration
• Weiterentwicklung des Stadtmuseums zu einer jederzeit aktuellen
• Ausbau der Zusammenarbeit mit
der Historischen Kommunikation der
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
31
2
Orts- und Stadtteilkultur,
Soziokultur und
Bürgerengagement
„Kultur ist, wie der ganze Mensch lebt.“
Bertolt Brecht
Eine Besonderheit Wolfsburgs liegt in seiner
kommunalen und siedlungsgeografischen
Struktur. So gliedert sich die Großstadt
Wolfsburg in insgesamt 40 Stadtteile. Dabei
ist die eigentliche Kernstadt von 20 Stadtund Ortsteilen umgeben – 18 Dörfer und
die zwei Städte Fallersleben und Vorsfelde,
die allesamt im Zuge der Gebietsreform von
1972 eingemeindet wurden. Das Leben in
diesen umliegenden Stadt- und Ortsteilen
ist durch jahrhundertealte Traditionen
geprägt. Architektonisch von klassischen
Dorf- und Kleinstadtkernen bestimmt,
konnte die dort ansässige Bevölkerung
teilweise schon lange vor der Eingemeindung vielfältige kulturelle Angebote nutzen.
Chöre, Landsmannschaften, Kultur- und
Heimatvereine bestimmten mit ihren Aktivitäten das gesellschaftliche Leben. Sie pflegen bis heute das historische Erbe. Dadurch
erfüllen sie auch eine geschichtsstiftende
Funktion für die moderne Stadt Wolfsburg
und sorgen dafür, dass Menschen diese als
Heimat begreifen und annehmen.
Neu erschlossene Baugebiete in den Ortsteilen ziehen Neubürger an; das hier praktizierte kulturelle Leben fördert deren Integration in die Stadtgesellschaft. So verwundert
es nicht, dass heute mehr Menschen im
Umland als in der Kernstadt leben.
Stadt- und Ortsteilkultur sind unverzichtbare
Grundlagen des Zusammenlebens in Wolfsburg. Sie bieten durch die gewachsenen
historischen Strukturen vor Ort und ihre
Verankerung im unmittelbaren Wohnumfeld
Möglichkeiten zu kultureller Teilhabe, zu
Mitgestaltung, Begegnung und Kommunikation. Damit ist Stadtteilkultur Basis
für gelebte Demokratie. Sie bildet einen
32
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
unverzichtbaren Bestandteil städtischer wie
auch persönlicher Identität und ist zentrale
Grundlage für zukünftiges Handeln. Eine
aktive und inspirierte Stadt- bzw. Ortsteilkultur ist damit ein wichtiger Wegweiser für die
Wolfsburger Zukunft. Der KEP unternimmt
deshalb den Versuch, ein ausgewogenes
Verhältnis zwischen zentraler und dezentraler Kulturstruktur zu gestalten.
Die Soziokulturarbeit zeichnet sich durch
spartenübergreifende, kulturelle Aktivitäten
im sozialen Bereich aus. Hauptakteure sind
in Wolfsburg die IG Metall und die Kirchen,
jedoch verknüpfen auch Institutionen wie
das „Hallenbad – Kultur am Schachtweg“
verschiedenste kulturelle Angebote mit
sozialem Engagement.
Es gilt, Kultur im wahrsten
Sinne des Wortes zu
verorten, d.h., ein kulturelles
Leben nicht nur in der
Kernstadt, sondern auch
in den umliegenden Stadtund Ortsteilen fest zu
verankern.
Eine insgesamt tragfähige und vielfältige
Soziokultur ist von zentraler Bedeutung im
Hinblick auf das städtische Leben. Für eine
Kulturentwicklung, die dieser Bedeutung
entspricht, ist der chancengleiche Zugang
zu Kunst und Kultur ein Gebot der sozialen
Gerechtigkeit. Unter diesem Gesichtspunkt
ist ein dezentrales und breites Kulturangebot seitens Wolfsburger Kultureinrichtungen, aber auch seitens der aktiven Bürger
essenziell.
Zudem ist das Leben in Wolfsburg geprägt
von einem angeregten Bürgerengagement.
Wolfsburgerinnen und Wolfsburger arbeiten
in Beratungsstellen und Einrichtungen mit.
Ihr aktives Handeln in der „SonderBar“, der
„Kontaktstelle Bürgerengagement“ oder
dem Deutsch-Italienischen Freundeskreis
zeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger in
ihrem direkten Umfeld Einfluss sowohl auf
kulturelle als auch auf gesellschaftliche Prozesse nehmen wollen. Außerdem spiegelt
sich in Institutionen wie der Bürgerstiftung
Wolfsburg eine neue soziokulturelle Kraft,
die das bürgerschaftliche Engagement
gleichsam offenbart und stützt. Aktive Stiftungen sind eine Bereicherung. Sie wirken
als unverzichtbare und verlässliche Partner
des Gemeinwesens Wolfsburg und können
mit ihrem Engagement zum Wohl der Stadt,
aber insbesondere auch zum Wohl der hier
lebenden Bürger beitragen.
Ziele
• Förderung einer vielfältigen Stadt- und
Ortsteilkultur als Element kultureller
Attraktivität und Identitätsbildung
• Ermöglichung von niedrigschwelligen
Zugängen zu Kunst und Kultur
• Förderung autonomer kultureller Gestaltungs- und Ausdrucksformen in den
Stadt- und Ortsteilen
• Verbesserung der Infrastruktur im Hinblick auf den öffentlichen Personennahverkehr (Stadtteilkultur wird erreichbarer)
• Vertiefung der Kooperationspraxis mit in
den Stadtteilen ansässigen Schulen im
Zuge der Ganztagsschulentwicklung
• Optimierung der Kulturarbeit auf Stadtund Ortsteilebene
• Öffnung der Heimat- und Kulturvereine
für jugendkulturelle Formate
• Erhaltung archäologischer und geologischer Stätten und Lehrpfade sowie
intensivere Vermittlung von Kenntnissen
zur Wolfsburger Erd- und Vorgeschichte
• „Partizipation durch Kultur“: Ermunterung
zu aktiver Bürgerbeteiligung und Teilnahme an kulturellen Prozessen wie auch
Projekten (Beteiligungsprojekte)
• Stärkung der kommunikativen und
sozialen Vernetzung dezentraler Kulturanbieter
• Förderung von mehr Transparenz und
Effizienz durch Vernetzung und Koordination bestehender Stiftungen
• Etablierung des Freiwilligen Sozialen
Jahres Kultur (FSJ Kultur)
• Anregung stadtteilbezogener Kultur- und
Kunstentwicklungen als Gegengewicht
zu der Eventkultur in der Kernstadt
(Kunstpfade, Mini-Konzerte, Bürgerfrühstück etc.)
Schlüsselprojekte
• Stärkung des Projekts „Über die Dörfer
gehen“: Inszenierung mobiler Kulturprojekte und -angebote (mobile Theaterbühne für Laienspiel, Wanderausstellungen, musikalische Initiativen)
• Installierung von regelmäßigen
Gesprächsrunden zu orts- und stadtteilspezifischer Kulturentwicklung unter
Einbeziehung der Kulturvereine sowie
aller involvierten Organisationen, Personen und Institutionen vor Ort
• Herausgabe eines Kulturstadtplans, der
die kulturellen Initiativen und Anlaufstellen in den Orts- und Stadtteilen auflistet
• Konzeptionelle Weiterentwicklung des
bestehenden Modells der Stadtteil- und
Schulbibliotheken
• Aufbau des Projekts „Kultur vor Ort“:
Gründung von historischen Arbeitskreisen, Erkundung und Dokumentation von
Ortsgeschichten durch Alteingesessene
und Neuzugezogene, Installierung von
historischen Rundgängen und Kirchenführungen
• Entwicklung eines Konzepts für eine
technische und räumliche Infrastruktur in
den Stadt- und Ortsteilen
• Belebung des Wanderpfads „ARS
NATURA“ mit Skulpturen und Installationen
• Gründung einer Stiftungsinitiative zur
Vernetzung und Koordination bestehender Stiftungen
• Entwicklung stadtteilbezogener
Angebote durch das Junge Theater,
offene und generationsübergreifende
Projekte durch Theaterpädagogen zur
Zusammenführung verschiedener Generationen und Bildungsschichten
• Förderung des Projekts „Kultur trifft
Arbeit“ und im Rahmen dessen Intensivierung der Kooperation zwischen
IG Metall und dem Theater (Angebot
für Wolfsburger Bürger, das sich durch
ungewöhnliche Auftrittsorte – wie beispielsweise Hinterhöfe – und besondere
Vorstellungszeiten – nicht nur am Abend
– auszeichnet)
3
Jugendkultur, Subkultur,
Freie Szene und
Offene Räume
„In den Straßen, Gassen, Winkeln
und all dem Treiben in dieser Stadt
liegt so viel, in sich verborgen
durch des Alltags grauer Star.“
Gruppe Rehlachs, Wolfsburg
Wolfsburg verfügt mit seinen Freizeitheimen, Jugendtreffs, Aktivspielplätzen und
dem Jugendzeltplatz über ein dichtes Angebot organisierter Kinder- und Jugendarbeit.
Unter der Regie des Geschäftsbereichs
Jugend hat sich das Kinderkulturprogramm
„Beste Plätze“ beachtlich entwickelt.
Dem Stadtjugendring Wolfsburg gehören
über 70 Jugendgruppen an.
Daneben existieren zahlreiche selbst organisierte Initiativen und Einrichtungen, die im
Sinne von Jugend- und Subkulturen agieren
– mit eigenen Regeln, Strukturen und Ausdrucksformen.
Die Geschichte der Subkulturen in Wolfsburg geht bis in die 1950er-Jahre zurück,
als der Rock’n’ Roll die junge Stadt im Sturm
eroberte. Doch Jugend- und Subkulturen
wandeln sich ständig.
In Wolfsburg dominieren aktuell mehrere
Strömungen: Metal/Rock (mit verschiedenen Veranstaltungen und Proberäumen
in der „Rockbar“ oder dem „Hallenbad –
Kultur am Schachtweg“), House (mit dem
Veranstalter und Label „5050“) und Hip-Hop
(mit Aktivitäten in den Bereichen Rap, Breakdance und Graffiti). Räume für subkulturelle
Bewegungen und alternative Musikkultur
sind das selbst verwaltete „Jugendhaus
OST“ und das „Hallenbad“, in dem u.a. der
szeneorientierte „Sauna-Club“ untergebracht
ist. Eine Wand in der Dieselstraße steht Graffitisprayern zur Verfügung, an der sie ganz
legal ihrer Kunst nachgehen können und
die von den Sprayern quasi als „Hall of Fame“
genutzt wird. Orte wie diese fungieren als
Katalysatoren. Sie regen Entwicklungen
innerhalb der Subkulturen erfolgreich an.
Hinzu kommen zahlreiche kleinere Projekte
und Initiativen, die oftmals nur den eigenen
Anhängern bekannt sind und die in der
Regel kein Interesse daran haben, öffentlich
wahrgenommen zu werden. Nur ein Bruchteil der in Wolfsburg aktiven Jugend- und
Subkulturen tritt tatsächlich öffentlich in
Erscheinung, beispielsweise die Künstlergruppe „Rehlachs“, die der Wolfsburger
Bevölkerung mit eigens initiierten Aktionen
„urbane Überraschungen“ bereiten möchte.
Förderung von Subkultur
bedeutet das Zulassen von
Freiräumen, in denen Neues
entstehen kann.
Subkulturen wie diese sind es, die in ihrer
vielfältigen Ausprägung eines der Fundamente für eine kreative Stadt mit kreativen
Bürgern bilden.
Kulturell aktive Einwohner fördern die Identifikation mit der Heimatstadt. Sie sind begeisterte, begeisternde und umso glaubhaftere
Botschafter nach außen. Freie Kulturschaffende bilden eine der tragenden Säulen des
kulturellen Gefüges einer Gesellschaft. Mit
ihrer Fantasie, aber auch der ihnen eigenen Nähe zu sozialen und künstlerischen
Erfordernissen kommt dieser Gruppe eine
außerordentliche Bedeutung zu.
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
33
Kultur wächst am besten auf den verschiedenen Nährböden der unterschiedlichen
Initiativen vor Ort. Sie gedeiht gerade in den
Breiten des Laienbereichs überzeugend,
der eine der kulturellen Grundlagen innerhalb der Gesellschaft bildet. Ungenutzte
Räume innerhalb der Stadt zu öffnen und
sie neuen kreativen Kräften zur Verfügung
zu stellen, scheint ein probates Mittel,
den Laienbereich zu stärken und kreative
Köpfe anzusprechen. Die Etablierung kreativer Milieus hat wiederum positive Effekte
auf das städtische Leben und strahlt auf
dieses zurück. Insbesondere in der Stadtentwicklung können aufgrund integrierter
Entwicklungskonzepte investive und nicht
investive Mittel aus den Bereichen Kultur,
lokale Ökonomie und Bildung für die Entstehung kreativer Milieus zusammenfließen und im Verbund eingesetzt werden.
Entwicklungspotenzial zum kreativen
Quartier hat in Wolfsburg vor allem der
Bereich um das „Hallenbad“ – mit dem
Stadtjugendring, dem Studentenwohnheim, der Ostfalia und zahlreichen Szeneläden. Hier liegt ein urbanes kreatives
Kraftfeld, dessen Potenziale das gesellschaftliche Leben in Wolfsburg bereichern
können. Dies ist notwendig, um kreative
Stadt zu werden und als solche dauerhaft
zu bestehen.
Ziele
• Stärkung der Akzeptanz von Jugendund Subkulturen als Motor für neue
Stile und Strömungen mit eigenen
Werten als auch teilhabeorientierten
Kommunikationsformen in der Stadtentwicklung
• Unterstützung von nicht kommerzieller
und progressiver Kultur als legitime
Kulturpraxis in ihrer vollen Bandbreite
unter Ausschluss verfassungsfeindlicher
Strömungen
• Sicherung von Entfaltungsmöglichkeiten und Schaffung von kreativen
Räumen für die Freie Szene und subkulturelle Kulturformen
34
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
• Erhaltung von sub- und jugendkulturellen Orten und Szenen (insbesondere
des „Jugendhaus OST“)
• Etablierung des „Hallenbads“ als mittelnde Brücke zwischen Jugend- und
Subkultur sowie der Öffentlichkeit
• Einbeziehung der Studenten als
Akteure in der Freien Szene
• Gezielte Förderung von Auftrittsmöglichkeiten lokaler sowie regionaler
Künstler und Bands, insbesondere von
Nachwuchskünstlern
• Stärkung der Akzeptanz von OffRäumen (wie ungenutzten Bauten,
Brachen, Leerständen), welche die
Möglichkeit freier Gestaltung und
Handhabe geben
• Konzeptionelle Entwicklung von technischer und räumlicher Infrastruktur
(Off-Räume)
Schlüsselprojekte
• Einrichtung eines „Offenen Ateliers“ in
der Städtischen Galerie Wolfsburg
• Ausbau des Jugendbereichs des Islamischen Kulturzentrums zu einer Kulturstätte
für alle Wolfsburger Jugendlichen, die hier
selbst ein Konzept erarbeiten, das ihren
speziellen Bedürfnissen gerecht wird
• Befragung der Wolfsburger Jugendlichen,
um die Bedürfnisse der 14- bis 24-Jährigen herauszufiltern
• Ausbau der Galerie des Vereins Junge
Kunst zum belebten Szenetreff für intensive Gespräche und Diskussionen rund
um die Bildende Kunst
4
Internationalität,
Integration
und Interkultur
• „Modular City“ (Stadtjugendring):
Etablierung eines Festivalformats für
Jugend- und Subkulturen
„Denn es ist normal, verschieden zu sein.“
Richard von Weizsäcker
• „PartyCube“ und „ProbeBox“: Schaffung
von Proberäumen mit Workshops resp.
Partyräumen auf dem Gelände des „Hallenbads – Kultur am Schachtweg“
Die Wolfsburger Stadtgeschichte ist seit
Ende des Zweiten Weltkriegs von Zuwanderung und integrativen Herausforderungen bestimmt. Nach den Flüchtlingen
und Vertriebenen aus den ehemaligen
deutschen Ostgebieten kamen ab den
1960er-Jahren erst italienische Arbeitskräfte, später auch Menschen aus anderen
europäischen Ländern in die Stadt, um
bei Volkswagen zu arbeiten. Angesichts
dieser Tatsache wundert es nicht, dass in
Wolfsburg früher als in anderen deutschen
Städten auch auf politischer Ebene integrative Maßnahmen ergriffen wurden. So
entstand mit dem deutsch-italienischen
Kontaktausschuss im Jahr 1969 der erste
Versuch einer kommunalen Mitbestimmung. Im Jahr 1974 wurden in Wolfsburg
das erste Ausländerreferat der Bundesrepublik Deutschland und ein Ausschuss für
Ausländerangelegenheiten eingerichtet
– zwei Meilensteine im Hinblick auf die
Integrationspolitik der Stadt, aber auch für
das ganze Land.
• Etablierung des „Sauna-Clubs“ als
Anlaufpunkt für eine kreative Musikszene
• „Parkour-Park“ (Westhagen): Bau eines
Bewegungsparcours mit Flächen zur
Gestaltung durch Graffitikünstler
• Freigabe und Ausschreibung von
Street-Art-Flächen im Stadtbild für die
Gestaltung von Künstlerinnen und
Künstlern der Freien Szene
• Prüfung der Beteiligungsmöglichkeiten
der subkulturellen Szene am Kulturportal (siehe auch Schwerpunkt 10)
• Durchführung von Open-StageVeranstaltungen (Konzertreihen im
„Hallenbad“ oder auch im Allerpark,
Band-Contest, DJ-Contest im „SaunaClub“, Slams, Veranstaltungen in der
Cone Hall des phæno)
Es ist besonders die italienische Gemeinde,
die auf das städtische Leben in Wolfsburg
in den vergangenen Jahrzehnten immer
wieder Einfluss genommen hat.
Das Italienische Kulturinstitut (Istituto
Italiano di Cultura), eröffnet im November
1985, ist heute eins von sieben Institutionen dieser Art in Deutschland und zentrales Aushängeschild der interkulturellen
Einrichtungen in Wolfsburg. Zuständig für
das gesamte Land Niedersachsen, schlägt
es mit seinen kulturellen Angeboten bis
heute eine Brücke zu den aktuellen Entwicklungen in Italien. Die Kernkompetenz
des Kulturinstituts – die Verbreitung der
italienischen Sprache und Kultur – wird
speziell in Wolfsburg ausgeweitet auf den
Erhalt der Bindung hier lebender Italiener
an ihre heimatliche Kultur und Sprache.
Auch die Wolfsburger Leonardo da Vinci
Gesamtschule, eine der erfolgreichsten
deutschen Reformschulen, lässt mit ihrem
bilingualen Unterricht und einer interkulturellen Erziehung gelungene Integration
zu städtischer Wirklichkeit werden. Darüber hinaus sind zahlreiche italienische
Kulturvereine in der Stadt aktiv, in denen
sich Mitbürgerinnen und Mitbürger aus
unterschiedlichen Regionen Italiens
engagieren und heimatliche Traditionen
und Kontakte pflegen. Ein kultureller und
gesellschaftlicher Treffpunkt für alle ist das
Centro Italiano in der Innenstadt.
Außerdem existieren in Wolfsburg mittlerweile mehr als 40 ausländische Kulturvereine. Sie sind unverzichtbare Orte der
Traditionspflege und bieten geschützte
Räume auch für die Identitätsbildung
nachfolgender Generationen.
Als weitere herausragende Einrichtung
besteht seit dem Jahr 2006 das Islamische
Kulturzentrum in Wolfsburg. Hier finden
Ausstellungen, aber auch Führungen und
Vorträge für islamische Gläubige und
Gäste statt. Die Moschee, eine Bibliothek
und ein Restaurant geben vielfältige
Einblicke in die arabische Lebenswelt. Der
Bau des architektonisch bemerkenswerten
Gebäudes wurde durch Kulturkontakte
zum Emirat Sharjah möglich, das einen
Großteil der Kosten übernommen hat.
Eine tragfähige Brücke zu den zahlreichen in der Stadt vertretenen Nationen
bildet der Internationale Freundeskreis
Wolfsburg. Zudem sind feste kulturelle
Bande mit den Partnerstädten geknüpft:
So bestehen zu der italienischen Provinz
Pesaro-Urbino, der russischen Stadt
Togliatti sowie dem polnischen BielskoBiala besonders intensive und regelmäßige Kontakte. Außerdem sind in den
letzten Jahren lebendige und anregende
Städtefreundschaften entstanden, so z. B.
mit Toyohashi (Japan), Puebla (Mexiko),
Dalian (China) oder Jendouba (Tunesien).
137 Nationen entwickeln
die Vision einer „Kultur
der Kulturen“, die auf
Wertschätzung und
Toleranz basiert.
finden sie besonders leicht einen Zugang
und eine Beziehung zu den verschiedenen
Kulturen und deren Lebensgefühlen. Aber
nicht nur die musikalischen Programme,
auch Literatur, Theater, kulinarische
Spezialitäten oder die Spiele der Kinder
vermitteln einen kleinen Eindruck von der
Vielfalt der Kulturen und machen Lust auf
mehr.
War das Wolfsburger Stadtbild über viele
Jahre hinweg insbesondere von italienischen Kultureinflüssen mitgeprägt, so ist
im Zuge der verschiedenen Einwanderungswellen und Flüchtlingsbewegungen
heute eine kulturelle Vielfalt innerhalb
der Stadtgesellschaft entstanden, die
inzwischen 137 Nationalitäten umfasst.
Dementsprechend entwirft das aktuell
entwickelte Integrationskonzept der Stadt
Wolfsburg die Vision zu einer gemeinsamen „Kultur der Kulturen“ mit gegenseitiger Wertschätzung und Akzeptanz.
Ziele
• „Kultur der Kulturen“: Wertschätzung
und Stärkung kultureller Vielfalt und
Offenheit
• Förderung von Inklusion statt Integration
Das städtische Integrationsreferat bietet
regelmäßig Möglichkeiten der Begegnung
an, beispielsweise organisiert es die Interkulturellen Wochen, die Internationale
Weihnachtsfeier oder die stadtübergreifende Ramadanfeier. Veranstaltungen
dieser Art werden von den Menschen
verschiedener Kulturkreise genutzt, um
sich in ihrer unverwechselbaren Eigenart
präsentieren zu können. Sie finden aber
auch großes Interesse bei den deutschen
Mitbürgern, die die Gelegenheit zum Kennen- und Verstehenlernen nutzen.
So erleben die Besucher bei größeren
spartenübergreifenden interkulturellen
Festen in Wolfsburg, wie sehr die Kultur
unterschiedlicher Nationen das Leben in
Deutschland bereichert. Über die Musik
• Wahrnehmung von Transkulturalität als
Potenzial zukünftiger Stadtentwicklung
• Wertschätzung der Alltagskultur ausländischer Mitbürger
• Etablierung des Istituto Italiano di
Cultura Wolfsburg und des Islamischen
Kulturzentrums als Kulturstätten für alle
Wolfsburger und Menschen der Region
• Stärkung des Erscheinungsbildes und
des Ansehens Wolfsburgs als international offene und zukunftsorientierte
Stadt, auch durch die Aktivitäten des
Internationalen Freundeskreises
• Stärkung von Synergien und Kooperationen zwischen etablierten Kulturinstitutionen und -vereinen
• Vertiefung der internationalen Partnerschaftsbeziehungen auf dem Gebiet
des künstlerischen Austauschs
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
35
• Einrichtung von multikulturellen
Begegnungsstätten
• Unterstützung des interkulturellen
Lernens durch verschiedene Medien
(Stadtbibliothek, Volkshochschule, Fabi,
Familienzentren, Mehrgenerationenhaus)
• Übernahme und an hiesige Angebote
angepasste Umsetzung von Projekten
aus dem internationalen Freizeit- und
Bildungsbereich
Schlüsselprojekte
• Neuausrichtung der Interkulturellen
Woche in Kooperation des Integrationsreferats mit dem Geschäftsbereich Kultur
und Bildung
• Einrichtung von internationalen Bibliotheken bzw. fremdsprachigen Buchbeständen in Bibliotheken
• Kulturelle Belebung der Piazza Italia
(„Das italienische Herz der Stadt“) mit
(italienischen) Märkten, Kleinkunst und
Konzerten
• Durchführung internationaler Kunstprojekte
• Begründung einer Galerie für Künstler
der Wolfsburger Partnerstädte
36
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
5
Kulturelle Bildung
„Wer Kultur verstehen will, muss sie
zuerst selber machen.“
Zitat nach Leonard Bernstein
Demografischer Wandel, Integration aller
Bevölkerungsteile und -schichten oder
der Umgang mit Neuen Medien sind nur
einige der Herausforderungen, denen
sich unsere Gesellschaft, aber auch jeder
Einzelne zukünftig stellen muss. In diesem
Zusammenhang erlangt auch der Begriff
„Kulturelle Bildung“ immer mehr an
Bedeutung. Doch was verbirgt sich dahinter? Vereinfacht ausgedrückt lässt sich
sagen: Kulturelle Bildung ist lebenslanges
Lernen, sowohl innerhalb wie außerhalb
von klassischen Bildungseinrichtungen,
sowohl privat als auch öffentlich begleitet. Die kulturelle Bildung ist eins der
wesentlichen Fundamente, auf dem sich
das gesellschaftliche Zusammenleben in
Zukunft gründen muss und soll. Entsprechend versteht sich Wolfsburg als Kulturstadt für alle Generationen. Dazu gehören
die Akzeptanz der alt gewordenen
Mitbürgerinnen und Mitbürger inklusive
der Förderung ihrer Aktivitäten. Senioren
sind keine Last, sondern Bereicherung
einer Zivilgesellschaft. Auf der anderen
Seite gehört zu einer funktionierenden
Kulturstadt für alle Generationen auch, der
Kinder- und Jugendkultur einen hohen
Stellenwert einzuräumen. Die Lust auf die
Vielfalt von Kunst und Kultur zu wecken,
ist eine entscheidende pädagogische
Perspektive, um Denk- und Kritikfähigkeit
genauso wie eine tolerante Gesinnung
bei der heranwachsenden Generation zu
fördern und sie damit für die Herausforderungen des Lebens zu wappnen. Kulturelle
Bildung fördert Schlüsselkompetenzen
besonders im sozialen und kommunikativen Bereich. Sie eröffnet dem Einzelnen
Möglichkeiten, die Welt zu verstehen
und den eigenen Platz zu finden, kurz:
Kulturelle Bildung macht jeden fit für die
Zukunft. Dies ist und wird in einer sich
immer rasanter verändernden Gesellschaft
immer wichtiger.
Kulturelle Bildungsarbeit wird in Wolfsburg von einer Vielzahl von Einrichtungen
und Akteuren auf einem qualitativ äußerst
hochwertigen Niveau betrieben – z.T.
mit bundesweitem Modellcharakter.
Angebote aus den Bereichen Museums-,
Archiv- und Theaterpädagogik (Junges
Theater), zudem inszenierte Bildung
(Autostadt), visuelle Bildung (Kunstmuseum), naturwissenschaftlich-technische
Workshops und Erforschungsstationen
(phæno) sowie Weiterbildung (Volkshochschule und Fabi) schaffen zielgruppenspezifische Zugänge für gesellschaftliche
Gruppierungen und werden den ständig
sich ändernden Bedarfssituationen angepasst. So reichen beispielsweise die Angebote der Autostadt von der frühkindlichen
Bildung bis zum Programm 55plus. Eine
herausgehobene Stellung im Bereich der
Erwachsenen- und Weiterbildung kommt
dem Bildungszentrum Wolfsburger Volkshochschule gGmbH zu, dessen besonderes Bemühen bildungsbenachteiligten
Personen und Gruppen gilt. Es begleitet
Menschen zunehmend während ihrer
gesamten Bildungsbiografie.
Der Geschäftsbereich Kultur und Bildung
hat in der Geschäftsstelle den Bereich Kulturelle Bildung (KuBi) mit den Kreativwerkstätten im Alvar-Aalto-Kulturhaus (niedrigschwellige Kunstvermittlung für Kinder
und Jugendliche) aus der Taufe gehoben.
Gemäß den städtischen Schwerpunktzielen „Familienfreundlichkeit“ und „Bildungsqualität“ ist es eine zentrale Aufgabe, Kultur in der Wolfsburger Bildungslandschaft
fest zu verankern und damit einen Zugang
zur Kultur „für alle von allen“ zu schaffen.
Somit ist eine Schnittstelle gebildet
worden zwischen dem Geschäftsbereich
Kultur und Bildung und allen Wolfsburger
Bildungsakteuren bzw. -trägern. KuBi
versteht sich als Garant für die Entwicklung und Gestaltung kultureller Bildung,
als ressourcenübergreifende Drehscheibe,
die neue Formen der Zusammenarbeit
ermöglicht und ein produktives Klima für
Kreativität und innovative Projekte schafft.
Der institutionelle Rahmen ist dabei ein
wesentlicher Faktor für die anhaltende
Sicherung der Angebote bei gleichzeitiger
Qualitätskontrolle.
Ziele
• Entwicklung eines Gesamtkonzepts
„Kulturelle Bildung“
• Etablierung der kulturellen Bildung
(KuBi) als fester Bestandteil in der städtischen Kulturlandschaft
• Stärkere Vernetzung von Kultur- und
Bildungseinrichtungen
• „Brücken statt Brüche“: Erleichterung
von Bildungsübergängen und Durchlässigkeiten im Rahmen des bildungsbiografischen Ansatzes (VHS)
• Einbindung kultureller Bildungsangebote in das Kita- und Schulprogramm
(z.B. flächendeckende Musikerziehung
in den Kindertagesstätten)
• Ausbau der außerschulischen Lernorte
(z. B. IZS, Historische Museen, Städtische
Galerie, Stadtbibliothek, Musikschule)
• Fortführung der auf persönliche
Erfolgserlebnisse angelegten populären Handlungsmöglichkeiten für
jedermann als Stärkung einer „Kultur für
alle“ (phæno)
• Stärkere Ausgestaltung des phæno als
Publikumserfolg, z.B. im Sinne einer
erlebnisreichen Familienfreizeit und
-bildung
• Entwicklung und Förderung von intergenerativen und niedrigschwelligen
Angeboten
• „Kultur als Schulfach“: Einbindung von
Kultur direkt in das Kita- und Schulprogramm und Vertiefung der Kooperationspraxis mit Schulen
• Stärkung von Kooperationen der kulturellen Akteure untereinander
• Öffnung des Jungen Theaters für Interessengruppen aus der Jugendkultur
• Durchführung stadtteilbezogener
Projekte im Bereich des Kinder- und
Jugendtheaters
• Förderung gemeinsamer Theaterprojekte von Kindern, Jugendlichen, Senioren oder gehandicapten Akteuren
• „Lebenslanges Lernen, alterslose
Kultur“: Entwicklung von generationsübergreifenden Kultur- und Bildungsprogrammen
Es ist eine zentrale Aufgabe,
Kultur in der Wolfsburger
Bildungslandschaft zu
integrieren und Zugang
zu einer „Kultur für alle“
zu schaffen.
Schlüsselprojekte
• Herausgabe eines Kinderstadtführers
für Wolfsburg (IZS)
• „Jeder Mensch ist ein Künstler“ (Joseph
Beuys): Einrichtung einer „Kinder- und
Jugendkunstschule“ (Kreativwerkstätten), zentral (AAK) und dezentral (KuBi)
• „@home in Wolfsburg“: Entwicklung
realer und virtueller Stadtrundgänge
für (studentische) Neubürger
• „Hoffmann geht zur Schule“: Entwicklung von geschichts-, kunst- und
musikpädagogischen Projekten
(Hoffmann-von-Fallersleben-Museum
in Zusammenarbeit mit Schulen und
der Musikschule Wolfsburg)
• Entwicklung eines musikalischen Figurentheaterstücks zu August Heinrich
Hoffmann von Fallersleben für Kinder
im Grundschulalter (Musikschule und
WFC)
• „Wolfsburg – unsere Stadt“: Installierung von museumspädagogischen
Ausstellungs- und Vor-Ort-Projekten
wie z. B. Museumskoffer, Schulworkshops zur Stadtgeschichte etc. (Stadtmuseum)
• Implementierung eines Spiralcurriculums (Leseförderung und Medienkompetenz in verschiedenen Altersgruppen
mit Bibliotheksführerschein)
• Reaktivierung der Werkstätten im
Alvar-Aalto-Kulturhaus für Projekte der
kulturellen Bildung (KuBi)
• Entwicklung einer trägerübergreifenden Bildungs- und Weiterbildungsberatung (VHS)
• „Kulturkreisel“: Installierung von temporären Kunstprojekten auf Verkehrskreiseln in Kooperation mit Künstlern und
freien Kulturgruppen bzw. -initiativen
(KuBi)
• „Junges Theatercafé“: Aufbau eines
gemeinsamen Treffpunkts für alle theaterinteressierten Kinder und Jugendlichen
• Einberufung einer Stadtkonferenz „Kulturelle Bildung“ (Ideenpool)
• Entwicklung neuer Vermittlungsprogramme der städtischen Kulturinstitutionen, die eine gezieltere Ansprache
kulturfernerer Schichten erlauben, z.B.
„mobiles Atelier“ (phæno, Städtische
Galerie, Historische Museen, IZS, Theater)
• Förderung von Kunst in der Schule und
in Kitas, z. B. Kunstprojekte, Schulhofgestaltung, Künstlerpool oder Kulturkoffer
(KuBi)
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
37
6
Zeitgenössische Kunst
„Kunst ist nicht Luxus,
sondern Notwendigkeit.“
Lyonel Feininger
Die Stadt Wolfsburg kann als Mittelpunkt für
zeitgenössische Kunst bezeichnet werden.
So zieht sich eine Kunstachse quer durch
die Stadt, deren Eckpunkte durch das privat
finanzierte Kunstmuseum mit seinen auch
international anerkannten Ausstellungen und
durch das Wolfsburger Schloss gesetzt sind.
Das historische Schloss – mit Kunstverein,
Städtischer Galerie, dem Institut Heidersberger und der Druckwerkstatt – bildet ein
besonderes Kraftzentrum für die zeitgenössische Kunst in Wolfsburg und hat als
solches eine langjährige Tradition. So wurde
der Kunstverein bereits 1959 gegründet.
Er ist damit die älteste Kunstinstitution der
Stadt und gleichzeitig auch die avantgardistischste. Die Aktivitäten des Kunstvereins
sind preisgekrönt (ADKV-Preis 2007). Mit
seinen unkonventionellen und experimentellen Projekten, Ausstellungen sowie den
Kunstpreisen arti (für Wolfsburger Künstler)
und arteen (für Jugendliche) festigt er sein
innovatives Profil immer wieder neu.
Die Städtische Galerie belegt mit ihrer
international anerkannten hochkarätigen
Sammlung von Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts den umfangreichsten Part der
Ausstellungsräume im Schloss. Die von ihr
organisierte Verleihung des Kunstpreises
„Junge Stadt sieht Junge Kunst“ stellt alle
drei Jahre einen Höhepunkt im kulturellen
Leben der Stadt dar.
Das Institut Heidersberger bewahrt das
umfangreiche Werk des Wolfsburger
Fotografen Heinrich Heidersberger, der mit
Industrie- und Architekturfotografie, aber
auch mit sogenannten „Rhythmogrammen“
international bekannt wurde und bis heute
hohe Anerkennung erfährt.
38
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
Auch die Keramikerin Dorothea Chabert, wie
Heidersberger Mitglied der in den 1960erJahren im Schloss gegründeten Künstlergruppe „Schloßstraße 8“, gehört zu den
Wolfsburger Künstlern mit internationalem
Renommee.
Aus der Zeit der „Schloßstraße 8“ stammt
auch die Druckwerkstatt, in der bis heute
Gastkünstler im Rahmen einer regen und
engagierten Künstlerförderung arbeiten.
Zudem werden das Schloss, sein Gewölbekeller und auch die Bürgerwerkstatt von der
Künstlergruppe „10 KW“ und von anderen
Künstlern für Ausstellungen und Präsentationen genutzt.
„Artist in Residence“:
Wolfsburg fördert den
künstlerischen Nachwuchs
und festigt das Profil als
Zentrum für Junge Kunst.
Die Vermittlung künstlerischer Inhalte an
erwachsene Besucher, Kinder und Jugendliche besetzt im Angebot der Städtischen
Galerie einen prominenten Platz – genauso
wie bei „Werkstatt Schloss“, einem Kunstprojekt mit Workshops für Auszubildende und
Schüler.
Kunstwerke von internationalen Künstlern
in der Autostadt, die sich in stimmiger Weise
mit Architektur und Parklandschaft verbinden, stellen einen weiteren Schwerpunkt
in der Kunstachse zwischen Schloss und
Kunstmuseum dar.
Darüber hinaus offenbaren die Innenstadt
und auch die Wolfsburger Ortsteile ein
breites Kaleidoskop der Bildenden Kunst
– mit dem Verein Junge Kunst, der junge
Künstler aus der nationalen und internationalen Szene fördert, mit dem Italienischen
Kulturinstitut, das zeitgenössische Künstler
Italiens präsentiert, mit der Hirtenhausgalerie, dem GalerieTheater Rothe, der Galerie
Porschehütte und vielen weiteren Räumen,
die temporär für Ausstellungen moderner
Kunst genutzt werden.
Außerdem zeugen verschiedene Kunstwerke in der Stadt davon, dass gerade in
den Aufbaujahren Kunst am Bau besonders
gefördert wurde. Dieser Tradition folgend,
ist die Kunst im Stadtbild in der jüngsten
Vergangenheit durch Neuankäufe forciert
worden.
Neben dem Schloss Wolfsburg hat sich auch
die Burg Neuhaus als lebendiges Zentrum
für zeitgenössische Kunst etabliert. In ihr
sind heute die Ateliers der sieben Burgkünstler und dazugehörige Ausstellungsräume
untergebracht. Außerdem findet sich eine
Gästewohnung für Künstler, die mehrere
Wochen hier leben, arbeiten und ausstellen.
Ziele
• Festigung der Position und des Images
Wolfsburgs als Zentrum für zeitgenössische Kunst
• Erweiterung der Sammlung zeitgenössischer Kunst der Städtischen Galerie
Wolfsburg
• Installierung des Kunstpreises „Junge
Stadt sieht Junge Kunst“ als Marketinginstrument
• Ausbau von Kooperationen innerhalb der
Kunstszene Wolfsburgs (siehe Schwerpunkt 8)
• Weitere Unterstützung und Förderung
junger Künstler und der lokalen Künstlerszene
• Etablierung und stärkere Wahrnehmung
des Wolfsburger Schlosses als „Kunstschloss“
• Zeitgeschichtliche und wissenschaftliche
Aufarbeitung des Lebenswerks von Heinrich Heidersberger
• Aufwertung des Stadtbildes durch Kunst
im öffentlichen Raum (innerhalb der
Kernstadt sowie der Stadt- und Ortsteile)
• Besetzung der Fußgängerzone als Kunstzone
• Etablierung der Kulturburg Neuhaus
(Geschichte und Kunst)
• Steigerung des internationalen Flairs der
Stadt durch mehr Künstler aus dem Ausland, die in Wolfsburg leben und arbeiten
• Ausbau der Satelliten (exterritoriale
Angebote der Städtischen Galerie Wolfsburg)
• Förderung des Zusammentreffens von
Kunst und Wissenschaft im phæno, z.B.
durch Exponate, Ausstellungen und Gastworkshops
• „Monet in Wolfsburg“: Einrichtung eines
Farbgartens rund um die Porschehütte, in
dem Pflanzen nach einem Gemälde von
Claude Monet gesetzt werden
Schlüsselprojekte
• „Artist in Residence“: Unterstützung des
Programms mit projektgebundenen
Stipendien für junge Künstler (siehe
Schwerpunkt 8)
• Planung eines spartenübergreifenden
„Künstlerwohnheims“ zur Ansiedlung
junger Künstler
• Gesamtsanierung des „Kunstschlosses“
Wolfsburg (kulturelle Erweiterung)
• Anpassung der Räumlichkeiten der Städtischen Galerie an die Erfordernisse der
Zertifizierung durch den Museumsverband Niedersachsen und Bremen
• „Art to use“: Präsentation von mobilen
Arbeiten für innen und außen sowie von
„In-situ“-Arbeiten in den Ausstellungsräumen der Städtischen Galerie
• Einbindung von Neuen Medien in die
Arbeit der Druckwerkstatt
• Ausbau des Instituts Heidersberger zu
einem Forum für Fotografie und Medienkunst
• Reaktivierung und Erweiterung des
Skulpturenparks am Schloss
• „Junge Kunst in alten Mauern“: Installierung von temporären Kunstprojekten am
Schloss als Hinweis auf den zeitgenössischen Inhalt
• Etablierung von Festivals der Bildenden
Künste (Kunstsommer, Skulpturenprojekte)
• Erarbeitung und Umsetzung eines neuen
kulturellen Nutzungskonzepts für die
Burg Neuhaus
• Eröffnung eines „Kunstladens“ im Schaufenster des Alvar-Aalto-Kulturhauses mit
Atelierzone und Präsentationen/Installationen (Kunstverein)
• Einrichtung eines Foto-Medien-Kabinetts
(Städtische Galerie Wolfsburg)
• Ausschreibung eines bundesweiten
Wettbewerbs für Kunst im öffentlichen
Raum (analog dem Koller-Preis für Architekturstudenten) mit angeschlossenem
Symposium
7
Baukultur
„Baukultur ist bunt.
Baukultur braucht alle.“
Michael Braun
Städtebau und Architektur als dreidimensionaler Ausdruck von Kultur werden als
unverwechselbarer Imagefaktor für Städte
angesehen. Das gilt für Wolfsburg in besonderer Weise, denn die Stadt war in ihrer
kurzen, spannenden Geschichte vielfach
Vorreiter städtebaulicher Trends in der
Bundesrepublik Deutschland. Wolfsburg ist
ein seltenes und umso charakteristischeres
Beispiel für eine geplante Stadtentwicklung,
das die gesellschaftlichen Prozesse und
städtebaulichen Ideen des 20. Jahrhunderts
nahezu unverfälscht abbildet. Die Baukultur
hat bis heute große Bedeutung für die Identität der Stadt und das Selbstbewusstsein
ihrer Bevölkerung.
Mit dem Alvar-Aalto-Kulturhaus, dem Theaterbau Hans Scharouns und der Bauskulptur
phæno von Zaha Hadid verfügt Wolfsburg
über gleich drei herausragende Architekturikonen, ihres Zeichens wegweisende
Kulturbauten von internationalem Rang,
die seit Mitte der 1950er-Jahre entlang der
zentralen Stadtachse entstanden. Hinzu
kommen die beiden Kirchen Alvar Aaltos
– Stephanus und Heilig-Geist –, die Wolfsburg zu einer zentralen Aalto-Hochburg
außerhalb Finnlands machen, sowie ein
umfangreicher Bestand an bemerkenswerten Bauwerken der Nachkriegsmoderne, die
in ihrem Volumen das Bild einer modernen
Stadt prägen, wie sie in Europa kein zweites
Mal zu finden ist.
Mehrere Tausend betreute Architekturbesucher zählt Wolfsburg jährlich – eine
Tatsache, die demonstriert, wie hoch die
vorhandene Baukultur als Imagefaktor
einer Stadt einzustufen ist, die in erster
Linie noch immer als Industriestadt für den
Automobilbau wahrgenommen wird. Dabei
ist Architektur nicht nur ein Thema für eine
begrenzte Fachwelt, sondern entfaltet unter
Studierenden ebenso wie unter Kunst- und
Architekturtouristen durchaus eine breite
öffentliche Wirkung.
Baukultur in Wolfsburg hat
bis heute große Bedeutung
für die Identität der Stadt
und das Selbstbewusstsein
ihrer Bevölkerung.
Als bundesweit einzigartig gilt das in Wolfsburg ansässige Forum Architektur, eine kommunale Einrichtung, die baukulturelle Themen gleichwertig neben den klassischen
Kulturressorts Geschichte, Literatur, Kunst
und Musik im städtischen Leben verankert.
Bereits 2001 gegründet, zählt die Institution
zu den frühesten Vorreitern des aktuellen
Baukultur-Trends der Bundesrepublik und
genießt damit überregionale Wahrnehmung
und Vorbildcharakter. Als Folge hat das Land
Niedersachsen im Jahr 2010 den Aufbau
eines landesweiten „Netzwerks Baukultur in
Niedersachsen“ mit einer Geschäftsstelle in
Wolfsburg initiiert.
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
39
Ziele
• „Haus der Stadtbaukunst“: Grundsätzliche Weiterentwicklung des Alvar-AaltoKulturhauses zu einem etablierten Ausstellungs- und Veranstaltungsort sowie
zu einem festen Anlaufpunkt für alle
Architekturbesucher der Stadt (siehe
Schwerpunkt 8 und Teil C, Visionen, II )
• Erforschung, Vermittlung und Pflege
zentraler Architekturikonen
• Sensibilisierung der Bevölkerung für
das umfangreiche bauliche Erbe der
Nachkriegsmoderne
• Fortführung des öffentlich geführten
Dialogs über bauliche und städtebauliche Qualitäten als wichtige Standortfaktoren
und der Alvar Aalto Gesellschaft
Österreich/Schweiz)
• Neugestaltung und Etablierung
eines zentralen Info-Punkts „Baukultur“ am Rathausplatz mit einem
realen und virtuellen „Schaufenster
der Architektur in Niedersachsen“ (siehe
Schwerpunkt 10)
• Förderung eines länderübergreifenden
norddeutschen Baukultur-Netzwerks in
Zusammenarbeit mit der Bundesstiftung Baukultur, das Baukultur-Akteure
zusammenbringt
• Darstellung und Dokumentation der
Pilotprojekte „Schule baut“ und „SchulBau-Tage“ sowie Fortsetzung der
Baukulturvermittlung für Kinder und
Jugendliche als Projektarbeit
8
Theater, Musik,
Literatur und
Veranstaltungskultur
„Unsere Vorväter haben reichlich zu
allen Künsten beigetragen, zur Musik
und zum Theater […] und zur Literatur.
Alle diese Schöpfungen brachten ihnen
wirtschaftlich kaum etwas ein. Aber wer
würde diese Anstrengungen bedauern?“
Robert Jungk
• Weiterentwicklung und Ausbau der
Geschäftsstelle des „Netzwerks Baukultur Niedersachsen“ im Alvar-Aalto-Kulturhaus bis 2013 als Diskussionsforum,
Aktionsbündnis und Kontaktbörse
Wolfsburg wartet mit vielen Facetten
der darstellenden Kunst auf. Manches
Angebot hat seinen Ursprung bereits in
der Nachkriegszeit, so z.B. der Theaterring
oder die Musikschule.
Das im Jahr 1973 erbaute Theater Wolfsburg gehört seit seiner Eröffnung zu den
großen kulturellen Anbietern für die Stadt
und die Region. Im Reigen der von namhaften Architekten konzipierten öffentlichen Gebäude nimmt der von Hans Scharoun entworfene Bau seinen festen Platz
in Wolfsburg ein. Die Bühne gehört zu den
zehn größten Theatern ohne Ensemble im
deutschsprachigen Raum mit regelmäßigem Spielbetrieb. Sprech- und Musiktheater finden hier optimale Aufführungsvoraussetzungen. Eine deutliche Erweiterung
seiner Angebotspalette erfuhr das Haus
mit der Einrichtung des Jungen Theaters
in der Spielzeit 2008/2009.
Neben dem Stadttheater hat sich eine
freie – städtisch subventionierte – Theaterszene etabliert, die z. T. in eigenen Häusern untergebracht ist. Hierzu zählen z. B.
die Wolfsburger Figurentheater-Compagnie (WFC) in der Bollmohr-Scheune, das
Tanzende Theater und das Galerie-Theater.
• „Aalto-Festspiele“: Inszenierung
des Alvar-Aalto-Kulturhauses zum
50-jährigen Jubiläum 2012
(kombiniert mit einem internationalen Fachdiskurs in Zusammenarbeit
mit der Alvar Aalto Stiftung Helsinki
Wolfsburg bietet zudem ein vielschichtiges musikalisches Angebot, das neben
den Veranstaltungen der professionellen
Anbieter (Autostadt, Theater, „Hallenbad“,
CongressPark) auch eine beeindruckende
• Förderung des Interesses bei allen
Bevölkerungsschichten (insbesondere
auch bei Kindern und Jugendlichen) für
baukulturelle Themen
• „Baukultur und Schule“: Stärkung der
Außendarstellung von Kompetenzen
und Vermittlungsprojekten im Bildungssektor als herausragende Qualität
des Bildungsstandorts Wolfsburg
• Prüfung der Kooperationsmöglichkeiten mit den Architekturhochschulen in
Berlin, Braunschweig und Hannover
• Betonung der Vielfalt baukultureller
Aspekte (Stadt- und Landschaftsplanung, Städtebau, Architektur,
Ingenieurbau, Infrastrukturplanung,
Denkmalschutz, Konstruktion,
Bauwirtschaft und Planungsprozesse),
die sich im besten Falle zu einer
Gesamtqualität verbinden
Schlüsselprojekte
40
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
• Fortführung der Themenjahre zur Baukultur
• Umsetzung einer temporären Installation nach dem Vorbild des Projekts
„Schlüsseltore“ (Wolfsburger Koller-Anerkennung 2008, Julia Trostmann) zum
75-jährigen Jubiläum der Stadt 2013
• Fortführung und Weiterentwicklung
der Hochschulprojekte „Wolfsburger
Koller-Preis“ und „Studentenakademie
Wolfsburg“
• Vermarktung des phæno und der
anderen außergewöhnlichen Bauten
im Rahmen von Architekturrouten und
gemeinsamen Veröffentlichungen
Laienmusikszene beinhaltet. So sind
derzeit rund 20 Chöre in den hiesigen
Chorverbänden organisiert und auch
die Wolfsburger Kirchen bieten als wichtiger Kulturfaktor regelmäßig Konzerte,
kammermusikalische und kulturelle Programme im Rahmen von Kirchenmusik an.
Im weiten Feld zwischen den überregional
ausgelegten und wirkenden Veranstaltungen des städtischen Kulturbereichs (Internationale Sommerbühne, Musikschule der
Stadt Wolfsburg) und den freien Trägern
wie dem Istituto Italiano di Cultura sowie
lokalen Kulturvereinen werden viele musikalische Interessen qualifiziert bedient.
Die Musikschule der Stadt Wolfsburg trägt
durch ihr Unterrichtsangebot dazu bei,
musikalisches Interesse insbesondere bei
Kindern und Jugendlichen zu wecken und
ein großes Potenzial an Musikern in der
Stadt auszubilden. Eine studienvorbereitende Abteilung sorgt für Förderung und
Qualifizierung begabter Schülerinnen und
Schüler.
Die Musikschulzentrale in der Goetheschule wird nicht nur für den originären
Musikschulunterricht und von den rund
20 Ensembles, Chören und Orchestern der
Musikschule der Stadt Wolfsburg genutzt.
Vielmehr gelten die Räumlichkeiten
inzwischen grundsätzlich als „Haus der
Musik“ und bieten entsprechend zwei
Wolfsburger Chören, dem Wolfsburger
Akkordeonorchester und dem Volkswagen
Philharmonic Orchestra einen geeigneten
Platz zum Üben und Proben.
Eine freie Musikszene hat sich im Rockbüro des Kulturzentrums „Hallenbad –
Kultur am Schachtweg“ angesiedelt.
Das literarische Leben in Wolfsburg ist
ebenfalls vielfältig. Das Angebot der Stadtbibliothek berücksichtigt Zielgruppen in
unterschiedlichen Lern- und Lebensphasen. Dadurch werden Chancengleichheit
und Bildungsgerechtigkeit in der Wolfsburger Bevölkerung gefördert.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche Institutionen, Vereine und Initiativen, die eine
breite Palette literarischer Veranstaltungen
anbieten. Zu diesen Einrichtungen gehören insbesondere der Literaturkreis Wolfsburg, der sich an Erwachsene richtet, und
der Verein Lesewölfe mit einem Angebot
für Kinder und Jugendliche.
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch die Hoffmann-vonFallersleben-Gesellschaft. Sie betreut und
finanziert eine Studienstätte, die das Werk
des Dichters wissenschaftlich aufarbeitet
und zugänglich macht. Mit dem biennal
verliehenen „Hoffmann-von-FallerslebenPreis für zeitkritische Dichtung“ und den
gekürten Preisträgern erweist sich die
Gesellschaft stets am Puls der Zeit.
Impulse setzen in der
Veranstaltungskultur:
Eigenproduktionen im
Theater, Kleinkunst auf
der Dachterrasse (AAK),
eine „Konzertmuschel“ im
Freiraum
Neben den vielen über das Stadtgebiet
verteilten Veranstaltungsorten hat sich
in zentraler Lage auch das „Hallenbad –
Kultur am Schachtweg“ etabliert. In den
Bereichen Musik, Literatur, Kabarett, Kino,
Comedy und Theater ist es als Initiator,
Mittler und Anbieter für unterschiedliche
Zielgruppen in Wolfsburg interessant und
aktiv.
Ein Alleinstellungsmerkmal innerhalb
der Veranstaltungskultur in Wolfsburg
kommt der Autostadt zu. Sie vertritt seit
zehn Jahren den Anspruch, Menschen
verschiedenen Alters und unterschiedlicher Herkunft für das Thema „Mobilität“
zu begeistern. Die Autostadt ist die
Kommunikationsplattform des Volkswagenkonzerns und ein Ort der Kultur. Sie
schafft Angebote, Attraktionen und Inszenierungen, lädt Künstler und Intellektuelle
ein, um gemeinsam mit den Gästen die
verschiedenen Facetten der Mobilität
zu erforschen. Das ZeitHaus, das Mobilitätsdeck, die Movimentos Festwochen,
die im April und Mai eines jeden Jahres
stattfinden, sind ebenso Bestandteil des
Kulturortes Autostadt wie die ganzjährigen Veranstaltungsreihen und Events
im Winter und Sommer. Mit rund 2 Mio.
Besuchern pro Jahr ist die Autostadt ein
Publikumsmagnet und trägt dazu bei,
neue Impulse zu setzen.
Ziele
• Erhalt und Weiterentwicklung der Vielfalt des Theater- und Tanzangebots in
Wolfsburg, auch durch Vernetzung mit
anderen städtischen Anbietern
• Förderung von Kooperationen des
Theaters mit Ensembletheatern zum
Aufbau von Repertoiresituationen im
Spielplan (ähnlich der Kooperation mit
dem Staatstheater Braunschweig in
puncto „Carmen“)
• Planung und Durchführung identitätsstiftender Eigenproduktionen (Theater)
• Stärkung des Profils der Musikschule als
qualitativ hochwertiger Anbieter von
musikalischer Bildung und Ausbau der
Aktivitäten im Rahmen der kulturellen
Grundversorgung und Zielgruppenorientierung
• Implementierung musikalischer Bildungsangebote im Bereich der Ganztagsschule (Musikschule)
• Sicherung der Ensemblearbeit und der
Begabtenförderung (Musikschule)
• Zukunftsfähige Ausrichtung der traditionell verankerten Chor- und Instrumentalgruppenarbeit
• Unterstützung von musikalischen, literarischen und das Theater betreffenden
Kulturangeboten in den Stadt- und
Ortsteilen
• Entwicklung einer zukunftsweisenden
Bibliotheksphilosophie (Selbstlern-
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
41
zentrum, kultureller Treffpunkt, Wohlfühlort)
• Sanierung der KulturTurnhalle der Goetheschule
• Etablierung und Stärkung der Bibliothek als Teil der Bildungslandschaft
und Stützpunkt für lebenslanges,
vernetztes und innovatives Lernen
• Einrichtung einer „Konzertmuschel“ für
Veranstaltungen
• Weiterentwicklung der Schulbibliotheken zu Mediotheken
• Unterstützung der Aktivitäten der Hoffmann-von-Fallersleben-Gesellschaft
• „Lebendiges literarisches Erbe im
Schloss Fallersleben“: Etablierung des
Hoffmann-Museums als Ausstellungsund Veranstaltungshaus der Literatur
des 19. und 20. Jahrhunderts
• „Kulturschloss“: Weiterentwicklung von
Schloss Wolfsburg zu einem überregional wahrgenommenen Veranstaltungsund Repräsentationsort
• Stärkung der Kooperation mit Schulen,
Einrichtungen und Vereinen (Musikschule)
• „Haus der Kultur“: Weiterentwicklung
des Alvar-Aalto-Kulturhauses zu einem
etablierten Veranstaltungsort mit multifunktionaler kultureller Nutzung (siehe
Schwerpunkt 7 und Teil C: Visionen II)
• Nutzung und Ausbau von Freiflächen
im „Hallenbad“ als Probe-, Atelier- und
Kreativräume
• Realisierung des Hoffmann-Projekts der
Musikschule und der WFC für Kinder im
Grundschulalter
• Installierung von Projekten zur Förderung der Lese- und Medienkompetenz
• Ausschreibung eines Stipendiums
„Stadtschreiber“
• Etablierung des Gewerkschaftshauses
als Kulturstätte
• Wiederbelebung und Neuauflage des
„Literaturwolf-Preises“
• Förderung von Projekten zur kreativen
Auseinandersetzung mit dem Werk
August Heinrich Hoffmann von Fallerslebens und dem literarischen Erbe des
19. und 20. Jahrhunderts (besonders
für Kinder und Jugendliche, aber auch
generationenübergreifend)
• Fortsetzung erfolgreicher Veranstaltungs- und Festivalformate im und
am Schloss Wolfsburg (Internationale
Sommerbühne, Adventsmarkt)
• Ausschreibung von Kleinkunstfestivals
• Gezielte Unterstützung von Kleinkunst
• Ausbau des Literaturfestivals „Lesetage“, Einführung einer Poesienacht im
Schlossgarten durch den Literaturkreis
und „Literatur on tour“ mit wechselnden Veranstaltungsorten in Wolfsburg
(z. B. Burg Neuhaus, Rathausdach oder
„Schiller am Schillerteich“)
Schlüsselprojekte
• Gründung und Etablierung einer eigenen Radiostation in Wolfsburg, z. B. im
Hallenbadturm
• Förderung von literarischen Angeboten
des Literaturkreises und des vereins
Lesewölfe
• Planung und Durchführung der Generalsanierung des Theaters
• Verstärkung von Eigenproduktionen im
Theater (Hoffmann-Inszenierung 2013)
• Erprobung kooperativer und avantgardistischer Theaterformen
• „Wir machen die Musik“: Umsetzung
des landesweiten Musikalisierungskonzepts stadtweit und flächendeckend in
allen Kitas (Musikschule)
• Ausrichtung von und Teilnahme an
musikalischen Wettbewerben (Nachwuchsförderung)
42
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
• Etablierung eines regelmäßigen Festivals im Theater für regionale und Wolfsburger Laiengruppen
9
Wissenschaft und
neue Technologien
„Die Wissenschaft ist der Verstand
der Welt, die Kunst ihre Seele.“
Maxim Gorki
Wolfsburg ist eine Stadt, die Fortschritt
schafft und in der Technik und Mobilität
zu Hause sind. Bereits das Stadtleitbild aus
dem Jahr 1997 erkennt in der Synthese
von moderner Kunst und Technik im
Sinne von Mobilität enorme Ressourcen
und Potenziale der Stadt. Wolfsburg verfügt über eines der bundesweit größten
außeruniversitären Innovationszentren,
der „Forschung und Entwicklung“ des
Volkswagenkonzerns (mit der AutoUni, der
Ostfalia sowie dem Niedersächsischen Forschungszentrum Fahrzeugtechnik), und
ist darüber hinaus Teil der ForschungsRegion Wolfsburg – Braunschweig, die
sich zum Spitzenreiter der europäischen
Forschungsstandorte entwickelt.
Überzeugender Inbegriff für das „Prinzip
Fortschritt“ und die angestrebte Symbiose
von Kultur und modernsten Technologien
ist das Wissenschaftsmuseum phæno.
Dieses Science Center, weltweit beachtetes Spitzenerzeugnis lebhafter Fantasie, ist
eine Herausforderung der Wahrnehmung
und steht schon baulich für Innovation
und Avantgarde. Damit ist es ein Symbol
für das „junge“, offene Wolfsburg. Zudem
und vor allem ist das phæno aber auch
eine Schatzkammer physikalischer, biologischer sowie chemischer Phänomene
und ihres Verhaltens – ein Ort der Veranschaulichung, des Involviertwerdens, der
Denkanstöße und des Verstehens, kurz:
ein Ort der Nachwuchsförderung in großem Stil.
Eine weitere bedeutende naturwissenschaftliche Facette des Erlebens steuert
das Planetarium Wolfsburg bei. Schließlich
setzt es im Hinblick auf Planetariumstechnik auch weltweit Maßstäbe und
entführt seine Besucher mit entsprechend
modernster Technologie in kosmische
Welten. Das Planetarium öffnet sich
darüber hinaus immer wieder auch den
„schönen Künsten“, indem es den Kuppelraum und die außergewöhnlichen technischen Gegebenheiten für künstlerische
Darbietungen unterschiedlichster Art zur
Verfügung stellt.
In der „kreativen Stadt“ tritt die Wissenschaft mit den Bürgern in einen Dialog.
Aktuelle Forschungsergebnisse führen
über konkrete Projekte in die Wissenspraxis und auf diese Weise zu einer
neuen Qualität der Lebenssituation. Entsprechend sind Wolfsburger Kultur- und
Wissenschaftseinrichtungen gefordert,
gemeinsam aktiv an der Arbeit für die
Zukunft mitzuwirken. Das bedeutet, sich
auch den Fragen nach einem sinnvollen
Einsatz von Technologien immer wieder neu zu stellen und auch mögliche
nachteilige Begleiterscheinungen eines
ungehemmten Wachstums im Blick zu
behalten.
Mit der rasant fortschreitenden Medientechnik verbinden sich kultur- und
bildungspolitische Herausforderungen,
die in den kommenden Jahren bewältigt
werden müssen, so z. B. die Nutzung von
virtuellen Netzwerken, neuen digitalen
Interfaces (Schnittstellen zwischen Menschen und ihrer Umwelt) oder von E-Learning. Andererseits bieten sich hier aber
auch bisher ungeahnte Möglichkeiten des
kulturellen Ausdrucks und der kreativen
Reflexion aktueller Entwicklungen, die im
Zusammenspiel von Kultur und neuesten
(Medien)technologien entstehen. So
werden Kunstwerke selbst zu Interpretationen der Medien bzw. des Medialen und
bilden diskursive Voraussetzungen und
gesellschaftliche Kontexte für eine technologisch gestützte Selbstkritik der Künste
sowie der modernen Gesellschaft.
Auf solchen theoretischen Grundüberlegungen basiert auch die Phaenomenale,
ein wichtiges Festival für Science & Art.
Dieses Gemeinschaftsprojekt der Stadt
Wolfsburg und des Kunstvereins mit
unterschiedlichen Partnern lädt zu künstlerischer und wissenschaftlicher Auseinandersetzung ein, um den Besuchern die
gesellschaftlichen, aber auch kulturellen
Phänomene, die dem technologischen
Wandel entspringen, zu präsentieren.
Weiterentwicklung der
Phaenomenale zu einem
Science & Art Festival,
das die Verbindung
zwischen zeitgenössischer
europäischer Medienkunst
und der lokalen kreativen
Szene lanciert.
Ziele
• Stärkere Profilierung Wolfsburgs als
Wissenschaftsstandort
• Generierung eines hohen Erlebnis-,
Lern- und Erinnerungswertes des
phæno für eine große Besucherzahl,
um auf breiter Basis ein positives
Wolfsburg-Bild zu erzeugen
• Inszenierung des avantgardistischen
Bauwerks phæno und dessen auf
Auseinandersetzung sowie Erkenntnis
zielenden Inhalts als „Logo“ für Aufgeschlossenheit, Risikobereitschaft und
Innovationskraft der Stadt (und des
Unternehmens)
Lernszenarien (Lernateliers, Selbstlernzentren)
• Schaffung von Schnittstellen zwischen
Wissenschaft und Öffentlichkeit
• Positionierung des Planetariums als
exponierter und populärer Ort (natur-)
wissenschaftlicher Bildung
• Ausbau der Kooperation städtischer
Einrichtungen mit der International
Partnership Initiative e.V. (IPI)
• Stärkung der Medienkunst innerhalb
der Kulturlandschaft Wolfsburgs
Schlüsselprojekte
• Weiterentwicklung des Science & Art
Festivals Phaenomenale
• Förderung neuer Programme im Planetarium, die neben der Astronomie auch
andere Wissenschaften berücksichtigen
• Einrichtung eines „Weltraumlabors“ im
Planetarium mit Exponaten zur interaktiven Erforschung des Weltraums
• Entwicklung und Verankerung von
Zukunftskonferenzen, in denen über
Chancen und Risiken des gesellschaftlichen Fortschritts debattiert und mögliche Szenarien von morgen aufgezeigt
werden
• Fortsetzung bzw. Neuauflage erfolgreicher Impulsveranstaltungen (Geist
und Gehirn; Diskurse-Reflexionen und
Diskussionen über Urbanität)
• Installierung von Denk- und Zukunftswerkstätten
• Entwicklung einer FamilienUni (VHS/
Bildungslandschaft)
• Schaffung von Flächen und Foren für
Medienkünstler
• Ausbau der „Bildung für nachhaltige
Entwicklung“ (BNE) im phæno
• Positionierung des BildungsCampus
am Klieversberg als Basis für die Wissensgesellschaft der Zukunft (siehe Teil
C: Visionen, I )
• Entwicklung innovativer Weiterbildungsformate und zukunftsweisender
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
43
10
Kulturmarketing und
Kulturförderung, Kulturund Kreativwirtschaft
„Hier wird neue Energie gefördert.
Sie heißt Kultur.“
Aus der Kampagne „Ruhr.2010“
Kulturmarketing stellt die Kunst dar, Kultur wie ein Produkt zu vermarkten, ohne
dabei Qualität oder Profil einzubüßen.
Aufbau von Vertrauen und Bekanntheit,
Kommunikation von Werten, Kundenorientierung und auch der Servicegedanke
bilden in diesem Zusammenhang
zentrale Maßnahmen. Als Segment
eines umfassenden Stadtmarketings
– in Wolfsburg grundsätzlich durch
die Wolfsburg Marketing Gesellschaft
(WMG) sichergestellt – zielt das strategische Kulturmarketing des Geschäftsbereichs Kultur und Bildung darauf, Menschen für Wolfsburg zu gewinnen und
auf dem Weg in die Zukunft mitzunehmen, damit sie sich mit dem Leitmotiv
der „kreativen Stadt“ identifizieren. Kulturmarketing macht die kreative Wirklichkeit
Wolfsburgs auf neue Weise produktiv.
Dies gilt sowohl für die Imagewirkung
nach außen als auch für die Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort.
Unter Kulturförderung ist die Förderung
kultureller Aktivitäten mit öffentlichen
Mitteln zu verstehen. Sie verteilt sich in
der Stadt Wolfsburg auf mehrere Bereiche: institutionelle Kulturförderung, Förderung kultureller Aktivitäten und Jubiläen, aber auch von Chören, Spielmannsund Fanfarenzügen, Orchestern und
Tanzgruppen. Weiterhin stehen für die
Kultur- und Heimatpflege städtische Fördermittel zur Verfügung. Zur Realisierung
kultureller Einzelprojekte können darüber
hinaus Sponsoring- und Stiftungsmittel
akquiriert werden. Ein Stiftungsleitfaden
44
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
gibt dabei Hinweise für ein strategisches
und operatives Vorgehen.
Die Zukunft gehört der „creative class“ –
da sind sich die Trendforscher und eine
2008 gegründete Initiative der Bundesregierung zur Kultur- und Kreativwirtschaft einig. Zu dieser wirtschaftlichen
Sparte werden Unternehmen gezählt, die
überwiegend erwerbswirtschaftlich im
Bereich der Entwicklung und Verbreitung
von kulturellen Produkten tätig sind.
Dies umfasst künstlerische, literarische,
architektonische, musische oder andere
kreative Inhalte, Produkte, Werke oder
Produktionen. Doch Kreativität ist nicht
nur ein Wirtschafts- und wichtiger
Tourismusfaktor, sondern sorgt auch für
Frische und Attraktivität einer Stadt, was
wiederum positive Auswirkungen auf die
Stadtentwicklung hat: Schließlich erhöht
kulturelle Attraktivität die Lebensqualität
und damit die Zuwanderungsbereitschaft.
Wolfsburg braucht eine
neue Kultur der Vernetzung.
Wolfsburg hat die Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft als Zukunftsbranche erkannt und sich in die Anfang
2010 ausgerufene KreativRegion38, eine
Interessenvertretung aller Kreativen der
Region, eingebracht. Mit Foren („Nachtflug“), dem „Designpreis LIONEL“ und
Unternehmensgründungen rüstet sich
die Region für die kreativwirtschaftliche
Zukunft (getreu dem Slogan: „Kreativwirtschaft kommt!“). Der Anteil der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Region
Braunschweig/Wolfsburg wird für Wolfsburg derzeit in einer Studie ermittelt.
Im Kontext der drei Bereiche Kulturmarketing, Kulturförderung sowie der
Kultur- und Kreativwirtschaft versteht
sich die Kulturverwaltung als Schnittstelle und Mittler im Dialog zwischen
Kulturpolitik, Kulturschaffenden und der
Bevölkerung.
Ziele
• Ausbau der Geschäftsstelle Kultur
und Bildung zu einer universellen
Serviceagentur
• Aufbau eines eigenständigen Kulturmarketings zur strategischen Kommunikation der Wolfsburger Kultur
mit überregionaler Wirkung
• Stärkere Vernetzung aller Kulturschaffenden
• Offensivere Nutzung der Potenziale
der „Kulturstadt“ Wolfsburg für den
Städtetourismus und das Stadtmarketing
• Entwicklung einer Strategie für eine
zukunftsorientierte Kulturförderung
• Stärkere Akzentuierung und Profilierung des Kultur- und Kreativwirtschaftsstandorts Wolfsburg
• Erhöhung der Akzeptanz und Anerkennung für Kultur, die direkt aus
Wolfsburg kommt
• „Historisches Dreigestirn“: Stärkung
von Schloss Wolfsburg, Schloss
Fallersleben und Burg Neuhaus als
Imageträger und Zentren für Kultur
und Kreativität
Schlüsselprojekte
• Etablierung der KulturInfo im AlvarAalto-Kulturhaus
• „Die Propheten im eigenen Land
sehen“: Installierung einer identitätsstiftenden Kultur-Kampagne mit
lokalen Kulturtalenten
• Aufbau eines „Netzwerks Kultur“, auch
mit Blick auf die Kultur- und Kreativwirtschaft
• Einrichtung und Pflege eines Kulturportals
• Entwicklung und Vertrieb einer eigenen „Kulturkollektion“ (z. B. KlangBild
Wolfsburg)
• Realisierung eines Kulturleitsystems
zu den wichtigen öffentlichen und
freien Kultureinrichtungen („Kulturstecknadeln“)
• Entwicklung von speziellen Neubürger-Kultur-Programmen (Kulturtouren, Matineen)
• Begründung von Themenjahren in der
Kultur („Italiener“, „Hoffmann“, „Region“
etc.)
• Weiterentwicklung des Masterplans
„Licht“ für die kulturell genutzten
Gebäude
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
45
46
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
C
Visio
nen
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
47
48
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
I. Modell für Europa:
der Wolfsburger BildungsCampus
am Klieversberg
Information – Inspiration – Innovation
Iris Bothe und Birgit Rabofski
Bildung – der wichtigste Standortfaktor der
Zukunft
Das moderne Leben bringt nicht nur größere Chancen und mehr
Möglichkeiten für die Individuen mit sich, sondern auch größere
Risiken und Unsicherheiten. Die Menschen können zwischen
verschiedenen Lebensmodellen wählen, gleichzeitig müssen sie
jedoch selbst die Verantwortung für diese Wahl und für die Gestaltung ihres Lebens übernehmen.
Immer mehr Menschen bleiben zwar länger in formalen Bildungs- und Ausbildungsprozessen, doch der Abstand zwischen
denen, die ausreichend qualifiziert sind, um sich im Arbeitsmarkt
zu behaupten, und denen, die „auf der Strecke“ bleiben, wird
immer größer. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund, dass
inzwischen zwei Drittel des gesellschaftlichen Wissenserwerbs
„informell“ erfolgen. Durch den demografischen Wandel wird sich
auch das Verhältnis der Generationen, die Beziehung zwischen
Alt und Jung, von Menschen im Erwerbsleben und solchen mit
Bedarfsleistungen verändern. Zusätzlich wird unsere Gesellschaft
immer mehr zu einem multikulturellen Mosaik. Diese Vielfalt birgt
in sämtlichen Lebensbereichen ein großes Potenzial für Kreativität
und Innovation, gleichzeitig aber auch für Verunsicherung und
Ausgrenzung.
In einer Gesellschaft, deren Produktivität an dem Faktor „Wissen“
gemessen wird, sind Informationen, Kenntnisse und Fähigkeiten,
die sich auf dem neuesten Stand befinden, von immenser Bedeutung. Das Leben in einer Wissensgesellschaft erfordert Strukturen
im Lebensumfeld, die allen eine partizipative Teilhabe am Wissenserwerb ermöglichen. Dabei sollte niemand zurückbleiben, aber
auch niemand behindert werden.
Das bedeutet, dass die Menschen in dieser Wissensgesellschaft die
Fähigkeiten und Möglichkeiten haben müssen, Wissen zu erlangen
und dieses unter sich gleichzeitig ständig verändernden Rahmenbedingungen für ihren Lebensvollzug zu nutzen.
Wolfsburg auf dem Weg zur Bildungsstadt
Vor diesem Hintergrund beschäftigen sich Politik und Gesellschaft
der Bundesrepublik Deutschland seit gut zehn Jahren mit den
Themen „Fachkräftemangel“, „demografische Entwicklung“, „hohe
Schulabbrecherquote“, „Analphabetismus“ sowie „Jugendarbeitslosigkeit“ und damit mit der Bedeutung des lebenslangen/
lebensbegleitenden Lernens. Das Bewusstsein, dass Bildung ein
wesentlicher Standortfaktor ist, ist als Konsens vorhanden: Alle
wissen, dass das Bildungsniveau der Bevölkerung entscheidend
für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung einer Region ist.
Alle wissen, dass die gesellschaftlichen Folgekosten gescheiterter
Bildungsbiografien immens und kaum wieder auszugleichen sind.
Wolfsburg hat sich schon vor geraumer Zeit auf den Weg gemacht,
sich diesen Herausforderungen aktiv zu stellen, die Stadt befindet
sich in einer Phase der Umorientierung. Die Qualitätsentwicklung
von Kindertagesstätten und Schulen, die gezielte Personalentwicklung der städtischen Beschäftigten, das umfangreiche und
differenzierte Bildungsangebot der Wolfsburger Volkshochschule
Vision BildungsCampus: Die Vernetzung
von Bildungsinstitutionen ermöglicht
„Brücken statt Brüche“ und verbessert die
Bildungschancen aller Bürger.
(VHS) und anderer Einrichtungen für Bürgerinnen und Bürger im
gesamten Stadtgebiet sowie die immensen Investitionen in beteiligungsorientierte und reflektierte Neu- und Umbaumaßnahmen
an öffentlichen Bildungseinrichtungen sowie deren qualitative
Einrichtung und Ausstattung sind nur einige Beispiele dafür, dass
die Stadt Wolfsburg eins der am meisten diskutierten gesellschaftlichen und politischen Themen unserer Zeit ernst nimmt und sich
zur Bildungsstadt entwickeln möchte.
Das veränderte Selbstverständnis der Stadt als Gestalterin der
Schullandschaft vor Ort führte 2007 zu der Einführung des Wolfsburger Rahmenkonzepts für Ganztagsschulen. Mit der finanziellen
und pädagogischen Unterstützung der Stadt konnten innerhalb
von drei Jahren 17 Grundschulen ein fünf- und dabei ganztägiges
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
49
und ganzheitliches Bildungsangebot entwickeln. Ein weiterer
Schritt zur Gestaltung der kommunalen Schul- und Bildungslandschaft war die Einrichtung eines Bildungsbüros im Jahr 2009.
Netzwerkbildung, Fort- und Weiterbildung, Gestaltung bildungsbiografischer Übergänge sind wesentliche Themen. Die Idee der
Ganztagsschulen und die Netzwerkarbeit wurden systematisch
gefördert, sodass die Stadt bereits umsetzt, was republikweit unter
dem Motto „Entwicklung von Bildungslandschaften“ diskutiert
wird – ein Motto, nach dem den Kommunen durch Förderprogramme wie „Lernen vor Ort“ finanzielle Anreize geboten werden,
Bildungsnetzwerke zu entwickeln und voranzutreiben.
Die Wolfsburger Bildungslandschaft muss angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen folgenden kommunalen Zielen dienen:
• Gleiche Zugangschancen für alle Menschen zu hochwertigem
lebenslangem Lernen, ausgerichtet auf die Bedürfnisse des
Einzelnen,
• Entwicklung unterschiedlicher Lernarrangements für lebensbegleitende Teilhabe am Lernen in den unterschiedlichen Lebenssituationen unter Einbeziehung Neuer Medien und informeller
Lerngelegenheiten,
• Lernen und Leben mit allen Sinnen in Umgebungen, die Wohlbefinden fördern,
• Ermutigung und Befähigung der Menschen zu einer noch
aktiveren Mitwirkung an allen Bereichen des modernen öffentlichen Lebens.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, dass alle zentralen Akteure
sich ihrer gemeinsamen Verantwortung für lebenslanges Lernen
bewusst sind: Kindertagesstätten, Schulen, Verwaltung, Jugendarbeit, Institutionen der Erwachsenenbildung, Kultureinrichtungen,
Organisationen, Vereine und Verbände sowie – nicht zuletzt – die
Bürgerinnen und Bürger selbst. Gemeinsames Ziel ist, eine Bildungslandschaft zu entwickeln, in der jeder die Möglichkeit hat,
sein Potenzial voll zu entfalten, und in der jedem das Gefühl vermittelt wird, einen Beitrag leisten zu können und dazuzugehören.
Hintergrund und Perspektiven der Wolfsburger
Agenda „Bildungslandschaft“ – der
BildungsCampus
Vor dem Hintergrund der Eröffnung der Neuen Schule Wolfsburg
(ein Geschenk von Volkswagen an die Stadt zum 70. Geburtstag)
zum Schuljahr 2009/2010 und dem damit verbundenen Umzug
der Wolfsburger Volkshochschule wurde im Jahr 2010 die Neugestaltung des Areals auf dem Klieversberg ein zentrales Thema für
die Stadt. Dieses Thema ist bereits seit dem Jahr 2000 im politischen Diskurs präsent und drückt den lang anhaltenden Wunsch
aus, im Süden ein attraktives Einfahrtstor für die Stadt zu gestalten
und sich dort auch als Bildungsstadt nachhaltig aufzustellen. So
soll die Chance genutzt werden, eine neuartige und innovative
Bildungslandschaft zur Schaffung neuer Lernkulturen und Weiterbildungsformate in gemeinsamer Verantwortung aller Bildungsakteure zu gestalten. Notwendige Neubauten für die Neue Schule
und die Volkshochschule eröffnen konzeptionelle und architektonisch innovative Gestaltungsoptionen, die die Stadt Wolfsburg
aktiv nutzen möchte.
50
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
Im Sommer 2010 startete ein umfassender Beteiligungsprozess
zur Planung des pädagogischen Konzepts als Basis einer zukunftsorientierten Architektur sowie der dazugehörigen Freiraumgestaltung. Durch diesen Prozess soll dem ausdrücklichen politischen
Wunsch entsprochen werden, auf dem Areal Klieversberg das
Thema „Bildung“ innovativ und positiv mit den Wolfsburger Bürgerinnen und Bürgern und für diese zu entwickeln und zu etablieren.
Künftig sollen an diesem Standort neben den dort bereits angesiedelten Institutionen Theater, Planetarium, CongressPark und
Neue Schule (Grundschule und Sek. I) auch die Sek. II, die Volkshochschule, die Stadtbibliothek und das Medienzentrum einen
BildungsCampus in der Bildungslandschaft Wolfsburg begründen.
Zielsetzung ist die inhaltliche und räumliche Zusammenführung
von Volkshochschule, Stadtbibliothek, des Medienzentrums und
der Sek. II der Neuen Schule Wolfsburg, denn Sek.-II-Schülerinnen
und -Schüler lernen wie Erwachsene. Dadurch werden Synergien
freigesetzt und der Weg bereitet für die Entwicklung neuer Lernkulturen und neuer Weiterbildungsformate.
Ein besonderes Merkmal dieses Prozesses ist es, die Vernetzung der
Bildungs- und Kulturinstitutionen, die auf dem Klieversberg angesiedelt sind, aus der Sicht des lebenslangen/lebensbegleitenden
Lernens (Bildungsbiografie von der Geburt bis ins hohe Alter) zu
betrachten und sich nicht nur auf den Teilbereich des schulischen
(formalen) Lernens zu beziehen.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, den BildungsCampus
am Klieversberg und die Wolfsburger Bildungslandschaft dauerhaft
zu vernetzen und so die lebendige gesamtstädtische Bildungslandschaft zukunftsweisend weiterzuentwickeln.
Inhalte der Neugestaltung des BildungsCampus
Im Zuge der Neugestaltung wird die Frage geklärt werden
müssen, welche Erwartungen an eine erfolgreiche Vernetzung
der unterschiedlichen Bildungs- und Kulturinstitutionen gestellt
werden und wie das Lernen in der Zukunft aussehen wird. Es geht
um viel mehr, als durch einen geplanten gemeinsamen Neubau
für die Volkshochschule, die Stadtbibliothek, das Medienzentrum
und die Sek. II auf dem Areal räumliche Synergien zu schaffen und
gemeinsame Lernorte zu nutzen. Es geht zusätzlich darum, auch
architektonisch und inhaltlich ein neues visionäres Angebot von
Erlebnislernen, Lernen, Leben und Selbstlernen im Sinne neuer
Lernkulturen und innovativer Weiterbildungsformate in der Verbindung von formalem, nonformalem und informellem Lernen zu
schaffen. Dabei ist die Bedeutung der Social Media nicht zu unterschätzen. Die rasante Entwicklung in diesem Segment und die
Bedeutung für Selbstlernprozesse sind ein entscheidender Faktor
für zukunftsweisende pädagogische Konzepte.
Der Beteiligungsprozess als Motor und Weg
Dieser Themenkomplex wird seit Juni 2010 in einem gemeinschaftlichen Prozess mit Beteiligten aus unterschiedlichen
Geschäftsbereichen (Jugend, Kultur, Schule, Hochbau, Planer,
Integrationsreferat) und Tochtergesellschaften (VHS, Musikschule,
Planetarium, Theater, Wohnungsbaugenossenschaft, Sport etc.) der
Stadtverwaltung diskutiert und hat für den Realisierungsprozess
des geplanten Neubaus eine herausragende Bedeutung.
Den Auftakt dieses Beteiligungsprozesses bildeten am 16. Juni
2010 zwei Impulsvorträge von Prof. Dr. Jürgen Oelkers (Universität
Zürich) und Frauke Burgdorff (Montag Stiftungen, Jugend und
Gesellschaft | Urbane Räume) aus Bonn. Der am 17. Juni 2010
ganztägig auf dem Klieversberg durchgeführte Auftaktworkshop
diente dazu, eine Akzeptanz für die Neugestaltung des Areals
herzustellen, beteiligte und interessierte Institutionen einzubinden
und erste Schritte einzuleiten. In der Folge gründete sich eine
Projektgruppe, für die eine Lenkungsgruppe die Vordenkerfraktion
für den weiteren lebendigen Prozess bildet.
Nun stehen die verschiedenen (Bildungs)Einrichtungen vor den
nächsten Schritten, um den BildungsCampus am Klieversberg und
seine Vernetzung zur Wolfsburger Bildungslandschaft zu implementieren. In den kommenden Wochen und Monaten sollen die
im bisherigen Prozess entwickelten Gedanken und Ideen Wirklichkeit werden: Es werden die Einrichtung eines Bildungssalons als
zentrale Informations- und Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger
sowie die Vernetzung und Kooperation zahlreicher Bildungseinrichtungen vorangetrieben. Mit regelmäßigen Treffen, den
sogenannten „Jours fixes “, wird den teilnehmenden Institutionen
eine Plattform geboten, um Interessen zu bündeln, Aktionen zu
sondieren und Synergien zu schaffen.
Parallel dazu wird in einem kontinuierlichen Diskurs mit Politik
und Verwaltung der Stadt Wolfsburg, Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher Zielgruppen (Jugend, Senioren, Kinder,
Familien, Eltern, Migrantinnen und Migranten), Schulen und
Eltern die Entwicklung des BildungsCampus am Klieversberg
und seine Verzahnung mit der Wolfsburger Bildungslandschaft
diskutiert. Neue Erkenntnisse und Entwicklungen werden
aus dem BildungsCampus in die Bildungslandschaft transferiert; umgekehrt werden Impulse aus der Bildungslandschaft
aufgenommen. Zeitgleich wird im Rahmen der Wolfsburger
Schulmodernisierung (155-Millionen-Programm) eine engere
Kooperation zwischen Schule, Stadtbibliothek, Medienzentrum
und Volkshochschule geplant und u. a. durch innovative innenarchitektonische Gestaltung umgesetzt. Im weiteren Verlauf des
Prozesses gilt es, neue Beteiligungsformen unter Berücksichtigung Neuer Medien auszuprobieren und insbesondere angemessene Beteiligungsformen für Jugendliche einzusetzen.
Das zentrale Element und damit die Basis für die Weiterarbeit in
den oben dargestellten Beteiligungsstrukturen ist die Entwicklung
eines inspirierenden, innovativen und in die Zukunft ausgerichteten Bildungsverständnisses:
• Welches Menschenbild legen wir zugrunde?
• Welche Bedeutung haben die Neuen Medien für innovative
und nachhaltige Bildungsprozesse?
• Welche innovativen Weiterbildungsformate und welche neuen
Lernkulturen müssen gestaltet werden?
• Wie sieht die Veränderung der Rollen vom Wissensvermittler
zum Coach und Begleiter in Lernprozessen aus?
• Wie gestaltet man Plattformen zum eigenverantwortlichen
Lernen?
• Wie schafft man soziale Formen eigenverantwortlichen Lernens
und stärkt Kommunikationsfähigkeiten?
• Wie sieht das Verhältnis von Freizeit zu Bildung aus (schulische –
außerschulische Lernorte; Verhältnis formales, nonformales und
informelles Lernen)?
• Wie gelingt die Einbeziehung der Eltern in Bildungsinstitutionen (Kita – Schule)?
• Wie fördert man einen niedrigschwelligen Bildungszugang und
gestaltet Chancengleichheit?
• Welche Anforderungen werden zukünftig an Bildungsinstitutionen (Kindertagesstätten, Schulen, Erwachsenenbildungseinrichtungen) gestellt?
• Wie gestaltet man gelingende Übergänge zwischen den verschiedenen Bildungsinstitutionen?
• Welche Strukturen garantieren ein nachhaltiges zielgerichtetes
und wirksames Netzwerk?
• Welche Qualitätsstandards ermöglichen eine zielgerichtete
transparente Evaluation?
Unabhängig von institutionsbezogenen Interessen und im Hinblick auf den bildungsbiografischen Ansatz des lebensbegleitenden/lebenslangen Lernens werden zukunftsgerichtete Thesen/
Leitideen für ein Wolfsburger Bildungsleitbild erarbeitet, das in der
Folge institutionsbezogen heruntergebrochen werden kann.
Ziele der nächsten zehn Jahre
Kindertagesstätten, Schulen, Jugendarbeit, berufliche Bildung
sowie Erwachsenenbildung, Kultureinrichtungen, Initiativen,
Planer, Kirchen, Vereine und auch ehrenamtlich Aktive wie z. B. der
Seniorenring Wolfsburg bilden die Wolfsburger Bildungslandschaft.
Folgende Ziele sollen in den nächsten zehn Jahren erreicht werden:
• Lokale Akteure übernehmen Verantwortung für erfolgreiche
Bildungsbiografien.
• Lokale Akteure verstehen sich als Lernende im Prozess.
• Bildungsberatung wird generationsübergreifend und lebensbegleitend angeboten.
• Effektive Lehr- und Lernmethoden als auch -kontexte für das
lebenslange und lebensumspannende Lernen werden unter
Berücksichtigung der Neuen Medien entwickelt.
• Lernanlässe werden bereitgestellt, um Chancengleichheit zu
schaffen.
• Bürgerinnen und Bürger erhalten Freiräume, um die Wolfsburger Bildungslandschaft aktiv zu gestalten.
• Bildungschancen werden flächendeckend verbessert.
• Die Bildungsbeteiligung wird erhöht.
• Bildungsstätten und Kultureinrichtungen als außerschulische
Lernorte entwickeln sich zur Bildungslandschaft.
• Die Methoden der Bewertung von Lernbeteiligung und -erfolg
werden geändert und verbessert, insbesondere im Bereich des
nicht formalen und des informellen Lernens (Portfolio).
• Bildungsmöglichkeiten und -gelegenheiten werden systematisch in den Blick genommen und es wird neben der formalen
Bildung auch nonformale sowie informelle Bildung betrachtet
und einbezogen.
Visionäre Bildungslandschaft
Visionär ist der im Zusammenhang mit der Gestaltung von
Bildungslandschaften oft nicht im Fokus stehende Aspekt, auf
welche Weise vielfältige Bildungsangebote und -institutionen
organisiert und gesteuert werden können. Bisher übliche Formen
der bürokratischen Organisation werden durch neue Formen der
Gestaltung in diskursiven, partizipativen Prozessen abgelöst. Erste
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
51
Ansätze in Linz (Österreich) zeigen beispielsweise, dass allein die
enge räumliche Verbindung einer VHS mit einer Stadtbibliothek
zu einer eklatanten Steigerung von Besucherinnen und Besuchern
beider Einrichtungen geführt hat, es damit also gelungen ist, einen
niedrigschwelligen Zugang zu Bildung zu schaffen. Wolfsburg will
beide Bereiche auch organisatorisch und konzeptionell verzahnen
und durch die Verbindung mit einem Selbstlernzentrum und
einem Medienzentrum die Entwicklung Neuer Medien für unterschiedliche Lernprozesse forcieren.
Lebenslanges Lernen stellt die dreifache Herausforderung an alle
Beteiligten, die Ausbildung der Identität der Lernenden zu fördern,
Eigeninitiative und Selbstlernfähigkeit zu vermitteln sowie Grundlagen- und Orientierungswissen als auch Schlüsselkompetenzen
für ein konstruktives Weiterlernen mitzugeben.
Aus diesem Grund bedarf die Entwicklung des BildungsCampus
und der Wolfsburger Bildungslandschaft gemeinsamer Projekte
und Kampagnen, in denen Kooperation und neue Lernarrangements nicht nur gedacht werden, sondern auch praktisch stattfinden. Ein Beispiel hierfür ist die von der Volkshochschule konzipierte FamilienUni Wolfsburg. Hier wird für einen überschaubaren
Zeitraum (ca. eine Woche) eine Bildungskampagne in Kooperation
mit Hochschulen, den örtlichen Schulen, Familieneinrichtungen,
Bildungs-, Kultur- und Sporteinrichtungen, der Autostadt u. a.
durchgeführt, die Wolfsburg gemeinsam als bildungs- und familienfreundliche Stadt nach innen und nach außen präsentieren
und erleben lassen. Familiäre und biografische Lebensabschnitte
(Geburt, Kleinkindalter, Schule, Peergroups, Pubertät, Ehe, Elternschaft, Beruf, Alter u.a.) werden im Fokus des Themenangebots der
Iris Bothe (*1967) studierte Sozialpädagogik in Braunschweig. Sie ist
seit 1993 bei der Stadt Wolfsburg mit
unterschiedlichen Aufgaben betraut,
war Stadtjugendpflegerin, Leiterin der
Abteilung Kindertagesbetreuung und
leitet seit 2009 den Geschäftsbereich
Schule.
52
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
FamilienUni Wolfsburg stehen und von attraktiven Kulturveranstaltungen für alle Altersklassen umrahmt.
Die Vision umfasst also alle Bildungsbereiche. Die Vernetzung
von Bildungsinstitutionen und -infrastruktur wird dazu führen,
die Bildungschancen aller Bürgerinnen und Bürger qualitativ wie
quantitativ zu verbessern. Sie schaffen niedrigschwellige Bildungszugänge.
Übergänge zwischen Bildungsphasen und Bildungsorten lassen
sich einfacher – weil systematisch und strukturiert – gestalten. Alle
bildungsrelevanten Zuständigkeiten und Angebote sollen vernetzt
werden, um die Bildungschancen von der frühen Kindheit bis ins
hohe Alter zu verbessern und zu optimieren. Ein besonderer Fokus
wird dabei natürlich auf die Gestaltung von Übergängen gelegt im
Sinne des Mottos: „Brücken statt Brüche“.
Von der Schaffung von Ganztagsschulen und der Einrichtung eines
Bildungsbüros, von der Einzelschule über ein Schulnetzwerk im
Quartier zu einer Schullandschaft entwickelt sich die Stadt zu einer
Bildungslandschaft im Gefüge eines städtischen Bildungs- und
Kulturnetzwerks, in dem entlang der Bildungsbiografie eines Menschen lebensbegleitendes Lernen gestaltet wird, das generationsübergreifend ist.
Dr. Birgit Rabofski (*1958) studierte Germanistik, Anglistik, Pädagogik
und Philosophie in Bochum, Oxford,
Bristol und Hannover. 1988 folgte die
Promotion im Fach Anglistik. Nach
verschiedenen Stationen im Bereich
der Erwachsenenbildung hat sie
im Juni 2010 die Geschäftsführung
des Bildungszentrums Wolfsburger
Volkshochschule GmbH übernommen.
II. Das Alvar-Aalto-Kulturhaus:
zurück in die Zukunft
Multifunktionalität bietet auch heute
überzeugende Perspektiven
Nicole Froberg und Monika Kiekenap-Wilhelm
Aalto im 21. Jahrhundert – aktueller denn je
Das 1962 fertiggestellte Gebäude des Architekten Alvar Aalto
in der Wolfsburger Innenstadt ist ein herausragendes Zeugnis
europäischer Architektur des vergangenen Jahrhunderts.
Es muss sowohl in seiner einzigartigen Konzeption als auch
in der Ausbildung von Raum, Form, Detail und Material als
Gesamtkunstwerk betrachtet werden. Nach dem Prinzip
einer antiken Agora entworfen, prägen Durchlässigkeit und
Transparenz die Architektur. Der Bau steht für Kommunikation,
Reflexion und geistigen Diskurs – er schafft damit Freiräume
für kulturelles Handeln. Aaltos Konzept der räumlichen Nähe
von Jugendzentrum, Erwachsenenbildung und Bibliothek hat
bis heute nichts an „Modernität“ verloren. Das Gebäude selbst
konnte mit dem Wachstum der Stadt und den gewandelten
Nutzeranforderungen der drei genannten Institutionen allerdings nicht mithalten.
Multifunktionalität als zukunftsweisendes
Prinzip
Das aktuell weiterentwickelte Nutzungskonzept stellt das
Prinzip der Multifunktionalität wieder in den Mittelpunkt.
Es intendiert eine ebenso geschichtsbewusste wie kreative
kulturelle Nutzung eines historischen Baudenkmals sowie
eine behutsame Rückführung originärer Raumfunktionen. Das
Gebäude wird als baukulturelles Erbe internationalen Rangs
wahrgenommen und wiederbelebt. Damit ergreift die Stadt
Wolfsburg die Chance, sich noch stärker als Stadt der Baukultur zu profilieren.
Als Haus der Kultur und Baukultur, als zentrales Veranstaltungsforum, Ort der Stadt- und Zeitgeschichte, als Bildungsund Kreativstätte für junge Menschen und Standort einer
Akademie für Stadtbaukunst erfährt das Alvar-Aalto-Kulturhaus (AAK) sein Comeback als urbaner Ort und kulturelles
Zentrum für Wolfsburg. Ganz im Sinne des multifunktionalen
Ursprungskonzepts werden wissenschaftliche und kulturelle
Einrichtungen unter einem Dach vereint und bereichern sich
gegenseitig. Auf dem Weg zur „kreativen Stadt“ (eins der zentralen Leitmotive des Kulturentwicklungsplans) versteht sich
das AAK als Verhandlungsort zeitgenössischer ästhetischer
und gesellschaftlicher Positionen, aber auch als Verbindungsstück der klassischen künstlerischen Moderne mit Zukunftsvisionen. Als kreatives Zentrum leistet das Alvar-Aalto-Kulturhaus die Vermittlung von Stadt- und Architekturgeschichte,
die sich der historischen Forschung und der Auseinandersetzung mit Zeitgeschichte ebenso widmet wie den Zukunftsfragen der Städte. Die sich aus der Integration verschiedener
Nutzungen ergebenen Synergien sind Voraussetzung für die
Lebendigkeit und den offenen, kommunikativen Charakter des
Hauses.
Vision Aalto-City: Aalto im 21. Jahrhundert
– mit multifunktionaler Perspektive aktueller
denn je.
Mit der Vernetzung von Stadtbibliothek, VHS, Medienzentrum
und Neuer Schule wird das Ursprungskonzept des Hauses im
BildungsCampus eine neue räumliche Form finden.
Die Nutzer
Forum Architektur
Als einzigartige kommunale Institution in Deutschland greift
das Forum Architektur das Alleinstellungsmerkmal Wolfsburgs als „Stadt der Moderne“ auf, um am konkreten Beispiel
baukulturelle Werte zu vermitteln. Im Themenrahmen „Stadt
– Raum – Geschichte“ sensibilisiert es die Öffentlichkeit für
die Planung, Herstellung und Nutzung der gebauten Umwelt.
Ziel der Vermittlungstätigkeit ist ein breiter öffentlicher Dialog
über bauliche und städtebauliche Qualitäten.
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
53
„Netzwerk Baukultur in Niedersachsen“
Das vom Land Niedersachsen 2009 ins Leben gerufene Netzwerk ist Schnittstelle des in diesem Bundesland vielfältig vorhandenen baukulturellen Engagements von Bürgerinnen und
Bürgern, Vereinen, Verbänden, Institutionen, Hochschulen,
Kommunen und dem Land Niedersachsen mit derzeit rund
100 Baukultur-Akteuren. Es begreift sich als Info-Punkt und
Kontaktstelle, Impulsgeber und öffentlichkeitswirksamer Interessenvertreter der Baukultur in Niedersachsen.
Das Raumkonzept des Alvar-AaltoKulturhauses
Erwachsenenbibliothek
Die früheren Bibliotheksräume bieten dem Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation (IZS) ein neues Zuhause. Die
ehemalige Erwachsenenbibliothek wird weiterhin als Bibliothek
genutzt. Sie beheimatet eine Fachbibliothek mit den Themenschwerpunkten „Stadtgeschichte“ und „Städtebau“ sowie eine
Präsentation zur Stadtbaugeschichte und Stadtentwicklung.
Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation (IZS)
Der Einzug des Instituts für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation in das Alvar-Aalto-Kulturhaus bietet die einmalige Chance
für eine zukunftsgerichtete Präsentation der Stadtgeschichte,
verbunden mit der Perspektive, dabei auch Anregungen für
die künftige Stadtgestaltung zu bieten.
Zeitungsleseraum
Der Raum bleibt in seiner 2011 wiederhergestellten Funktion
erhalten.
Kinderbibliothek
Kulturverwaltung mit Kreativwerkstätten
Die Geschäftsstelle des Geschäftsbereichs Kultur und Bildung
sowie die Geschäftsbereichsleitung sind Sitz der städtischen
Kulturverwaltung und -förderung sowie Motor der städtischen
Kulturentwicklung. Ihr angeschlossen sind die Kreativwerkstätten und der zentrale Info-Punkt „Kultur“.
Akademie für Stadtbaukunst
Die schon vorhandenen vielfältigen Kooperationen mit Hochschulen aus dem gesamten Bundesgebiet werden ausgebaut
zu einer Akademie für Stadtbaukunst. Sie denkt die stadtplanerischen Visionen des 20. Jahrhunderts weiter, initiiert Forschungsprojekte, Stipendien, Publikationen, Workshops und
öffentliche Vorlesungsreihen.
Externe Nutzer
Mit den für den Veranstaltungsbereich ausgewiesenen Räumlichkeiten steht das Haus stadtweit externen Nutzern zur
Verfügung.
Für die Kinderbibliothek ist eine Nutzung für Veranstaltungen
und Aktionen von, aber selbstverständlich auch mit Kindern
und Jugendlichen vorgesehen.
Die Hörsäle
Das Spektrum der fünf Hörsäle kann weiterhin von den Nutzern des Hauses und von Dritten multifunktional bespielt
werden.
Veranstaltungssaal
Dem Mehrzwecksaal wird seine originäre Funktion als zentrales Forum zurückgegeben. Der Raum eignet sich für kulturelle
Veranstaltungen jeder Art, z. B. für Kabarett, Konzerte, Lesungen, Preisverleihungen, Tanzabende, Clubbings, Vorträge,
Wechselausstellungen etc.
Das Foyer mit Dachterrasse und Feuerstelle
Das obere Foyer ist ein Ort der Kommunikation. Es kann als
Präsentations-, Empfangs- und/oder Veranstaltungsfläche
genutzt werden. Das Themenspektrum „Stadt – Raum –
Geschichte“ soll dabei einen Schwerpunkt bilden. Die Dachterrasse wird nach der Sanierung im Sinne des ursprünglichen
Nutzungsgedankens reaktiviert und als öffentlicher Raum
durch Kleingruppen genutzt.
Küche
Die Küche ist nicht nur ein Ort der logistischen Infrastruktur
für Veranstaltungen (Anlaufstelle für Catering). Zusammen mit
der Dachterrasse kann sie zu einem Sommercafé ausgebaut
werden.
54
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
Werkstatträume im 1. Obergeschoss
Fazit
Mit der Einrichtung der Kreativwerkstätten wurden die bis
dahin als Lagerräume genutzten Werkstatträume in ihre originäre Nutzung zurückgeführt. Durch niedrigschwellige Angebote machen die Kreativwerkstätten Kinder und Jugendliche
im Sinne Alvar Aaltos mit den Bildenden Künsten vertraut.
Dank der räumlichen Nähe zur Feuerstelle, der Dachterrasse
und der ehemaligen Kinderbibliothek steht so ein ganzes
Raumkaleidoskop für die Arbeit mit jungen Menschen zur
Verfügung. Da die Kreativwerkstätten auch dezentral arbeiten,
können die Werkstatträume ebenfalls von anderen Nutzern
des Hauses bespielt werden.
Ziel ist es, die besondere Qualität des Hauses einem breiten
Publikum (Fachpublikum und Laien) deutlich und ganzheitlich
zugänglich zu machen. Populäre Programmangebote wie
auch wissenschaftliche Forschungsmöglichkeiten ergänzen
sich und führen zu einer Nutzungsvielfalt, die den Möglichkeiten des Alvar-Aalto-Kulturhauses genau entspricht. Lesungen,
Filmvorführungen und Vortragsreihen, Architekturworkshops
sowie spezielle Angebote für Kinder und Jugendliche machen
das Alvar-Aalto-Kulturhaus wieder zu einem lebendigen städtischen Veranstaltungsort, der damit gleichzeitig inhaltliches
Profil zurückgewinnt und die architektonische Dimension des
Hauses erlebbar macht: „Nichts Altes wird neu geboren. Aber
es verschwindet auch nicht ganz. Und das, was einmal war,
kommt immer wieder in neuer Form.“ (Alvar Aalto)
In ihrer Summe bietet die Umnutzung des Alvar-Aalto-Kulturhauses die einmalige Chance, die Profilierung Wolfsburgs
als „Stadt der Architektur“ weiter zu forcieren. Als solche kann
Wolfsburg für ganz Norddeutschland eine Vorreiterrolle in
der zeitgemäßen Erschließung und Vermittlung von Stadtgeschichte sowie von Baukultur einnehmen.
1. Obergeschoss
Die Büroräume bleiben Sitz des Geschäftsbereichs Kultur und
Bildung sowie der Kulturverwaltung.
Ladenzeile
Als „Schaufenster der (Bau-)Kultur“ fungiert die Ladenzeile an
der „Stadtseite“ des Alvar-Aalto-Kulturhauses.
Die KulturInfo und das „Netzwerk Baukultur in Niedersachsen“
sind öffentliche Ansprechpartner für Bürger, Gäste der Stadt
und Architekturtouristen in allen Fragen rund um Kultur und
Architektur. Der Kunstverein Wolfsburg nutzt den ehemaligen
„Blumenladen“ als offenes Atelier. Die übrigen Geschäfte stehen als Präsentationsräume für Wolfsburger Kulturschaffende
zur Verfügung. Damit wird einer wesentlichen Forderung des
Kulturentwicklungsplans Rechnung getragen.
Monika Kiekenap-Wilhelm (*1966)
studierte Geschichte, Germanistik und
Politologie an der Universität Bonn und
war seit 1999 Ausstellungskuratorin,
später stellvertretende Leiterin der
Historischen Museen Wolfsburg. Seit
2011 leitet sie die Kreativwerkstätten im
Alvar-Aalto Kulturhaus und ist verantwortlich für die kulturelle Bildung im
Geschäftsbereich Kultur und Bildung der
Stadt Wolfsburg.
Nicole Froberg (*1972) studierte
Architektur an der TU Braunschweig. Seit
2001 leitet sie das Forum Architektur der
Stadt Wolfsburg mit den Schwerpunkten
„Architekturkommunikation und
Architekturvermittlung“. Im Jahr
2010 übernahm sie zudem die
Geschäftsstelle des „Netzwerkes Baukultur
Niedersachsen“.
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
55
III. Die Utopie des Realen
Wolfsburger Visionen in der zeitgenössischen Kunst
Susanne Pfleger
Ein Abend im Spätsommer 2020. Ankunft auf dem Hauptbahnhof
in Wolfsburg. Der ICE, vierte Generation, ist pünktlich. Gleich
zwei Überraschungen auf dem Bahnhofsgelände: eine große
Video-Mapping-Projektion an den Gebäudefassaden gegenüber,
Initial der Begrüßung zum spannenden Leben in der Stadt. Und:
der kleine Parkplatz für zehn Autos, genauer Elektroautos, die die
ortsansässige Autofabrik her- und aufgestellt hat. Die Autofabrik,
das wissen alle, ist das Volkswagenwerk. Die Elektroautos, maximal
für zwei Personen gebaut, besteigt man, wählt eines von zwölf
angegebenen Zielen, startet und kommt mit dieser mobilen
Einrichtung ohne jeglichen Eingriff der Wageninsassen z. B. zum
Alvar-Aalto-Kulturhaus, zum Schloss, zum Kunstmuseum, in die
Autostadt, zum Theater oder zum Planetarium. Ein lockeres, leicht
abenteuerliches Unternehmen.
Der Garten als Sinnbild für das Prozesshafte, das sich ständig Wandelnde hat Künstler von jeher interessiert. Renommierte Künstlerinnen und Künstler haben den Garten als Experimentierfeld für
die Beziehung Mensch – Natur in der besonderen Stadtlandschaft
Wolfsburg zu ihrem Thema gemacht. Die Klarheit des Designs –
der Wege, der Straßen, der Plätze –, die Harmonie der Relationen,
in denen sie zueinander stehen, ergeben gleichsam ein Gerüst,
hinter dem sich die verschiedenen Aktivitäten der Menschen
ausbreiten können.
Es sind Wiesen angelegt, die man betreten kann, von Künstlern
und jungen Designern wurden beispielhafte Spiel- und Treffplätze für Kinder und Jugendliche entworfen, bemerkenswert
der Pavillon der Amsterdamer Architekten UNStudio, der den
lang gehegten Wunsch nach einer „Konzertmuschel“ mit einer
dynamischen Skulptur beantwortete. In der Stadtlandschaft ist
Ein Kunstwerk als Stadt
Beide „Installationen“ verdanken ihre Existenz einer mutigen
Kulturplanung für Wolfsburg. Schon vor Jahren machte man sich
auf den Weg zur Utopie der idealen Stadt. Heute ist Kunst hier
omnipräsent, und die Stadt scheint ein großes Atelier für ein vielfältiges kreatives Potenzial.
Wolfsburg wurde als Gartenstadt geplant und angelegt. In der
jüngsten Vergangenheit ist aus dieser Grundvorstellung heraus
eine außerordentlich schöne Stadtlandschaft, eine Stadtlandschaftsarchitektur entstanden. Die Stadt als „soziale Plastik“. Die
zahlreichen Details sind optisch aufeinander bezogen. Natürlich
auf Grundlage jüngster ökologischer Erkenntnisse. Flaniert man
durch die Stadt, so fühlt man sich nicht fremd. Es scheint, dass der
hier geformte Ausdruck von Kultur Vertrauen schafft, ein Gefühl,
nicht ausgeschlossen zu sein.
Das bedingt auch die individuelle Rückeroberung des Stadtraums
durch die emsigen Guerilla-Gärtner, die mit ihren spontanen
Pflanzaktionen die Wolfsburger immer wieder überraschen. Über
Nacht werden blühende Zeichen gesetzt. Die so entstandenen
blumigen Oasen oder sogar landwirtschaftlich genutzten Flächen
fördern das Miteinander. Sie bieten Raum für Integration, interkulturellen Dialog, soziale Interaktion.
56
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
Vision Kunst-Stadt-Laboratorium: In der
Stadt der Zukunft ist zeitgenössische Kunst
omnipotent und der Stadtraum ein großes
Atelier für kreatives Potenzial.
jedes Blumenbeet, jeder Zierstrauch, jeder Pflasterstein, ja, sind
sogar die Bushaltestellen ein nächstes, potenzielles Kunstwerk. An
manchen Orten hat man den Eindruck, dass sich diese Landschaft
dank leichter Erdaufschüttungen, kleiner Teiche, Wasserläufe und
etlicher Brunnen zu bewegen scheint. Eine Art meditativen Pol
bilden überall einheitlich gestaltete Sitzgelegenheiten – Bänke,
einzelne Stühle aus grauem Beton und dunklem Holz. All diese
Elemente natürlich in Zusammenarbeit mit kreativen Köpfen aus
der ganzen Welt entwickelt. Es gibt nichts, womit in Wolfsburg
nicht künstlerisch experimentiert wird – und das Erstaunliche: Das
strenge Design schafft nicht nur Atmosphäre, sondern suggeriert
sogar Bequemlichkeit.
Kunst prägt das urbane Image – Urbanität
prägt Kunst
Die Skulpturen der Künstlerinnen und Künstler, die im öffentlichen Raum Wolfsburgs schon immer eine Rolle spielten, wurden
in die neu entstandene Landschaft integriert, nie demonstrativ,
sondern als zusätzlich hineingewachsener Teil. Die Zentren der
Stadt, der Stadtteile und der Vororte sind in diese gebaute Kulturlandschaft, in der die Stadtteilkultur nun entschieden intensiviert
werden konnte und kann, gleichermaßen miteinbezogen. Die, die
sie betreten, fühlen sich als Teil der künstlerisch geformten, schönen Anlagen, die einem Baum nachgebildet zu sein scheinen –
ein Stamm und weit in alle Richtungen ausgebreitete Äste. Neue
Brücken zwischen Mensch und Natur. Man spürt die Energie, die
Natur und Kultur zusammenhält. Zudem: Ein die Generationen
umfassendes Konzept wird spürbar. Ein Bild sozial gelungener
Integration.
In dieser radikal präzisen Neugestaltung der Stadt wirken die fünf
über den Stadtraum verteilten Videoprojektionen wie Signale.
Sie eröffnen eine Aussicht, andererseits spenden sie Licht. Eine
dieser leuchtenden Flächen steht als Entree, wie schon erwähnt,
am Bahnhof. Die anderen sind im Zentrum der Stadt und an drei
fensterlosen Gebäudefassaden in den Vororten aufgestellt. Sie
sind erste sichtbare Zeichen einer Kunst im hoch industrialisierten
Raum, der Kunst im Bereich eines Weltkonzerns. Sie prägen auf
ihre Weise das urbane Image. Die Stadt ist erleuchtet. Das neue
Licht verändert Wolfsburg. Sämtliche alten Straßenlaternen in
der Stadt sind vor sechs Jahren beseitigt worden und durch ein
klares, nach allen Seiten hin strahlendes, fast möchte man sagen
„Lichtinstrument“ ersetzt – natürlich in bester Korrespondenz mit
der gesamten Anlage der Stadtlandschaft. Und: gespeist durch
regenerative Energien. Ökologie und Hightechfuturismus sind in
Wolfsburg kein Widerspruch.
Dieses Kunst-Stadt-Laboratorium ist ideal für eine Ausweitung
künstlerischer Praxis und ein fruchtbarer Boden für eine junge,
wilde Kunstszene. Wolfsburg ist weithin bekannt für seine lebendige Subkultur. Die Street-Art-Künstler bespielen regelmäßig den
Stadtraum mit temporären Eingriffen. Während manche Künstler
schon ganze Hauswände gestaltet haben, können aufmerksame
Passanten kleinformatige, dafür aber umso überraschendere Interventionen entdecken. Wolfsburg mit seinen unvergleichlichen
Bedingungen ist für viele der Ort, an dem sie ihre Träume verwirklichen und sich – und damit die Stadt – neu erfinden.
In diese lockere Atmosphäre eingebettet ist das Gebäude des
neuen Informations- und Medienzentrums, eine weitere architektonische Besonderheit von Tadao Ando, eingerichtet nicht nur für
die, die sich weiterbilden wollen, sondern ebenso für die, die eine
künstlerisch durchdachte Internetplattform gestalten und so die
Visualisierung der Stadt in den virtuellen Raum erweitern. Man
beschäftigt sich hier mit der dringend notwendigen Ästhetik für
das digitale Zeitalter. Wolfsburg ist global mit aller Welt verbunden: Menschen aus aller Welt besuchen die Stadt, Menschen aus
aller Welt arbeiten in der Stadt. Eine Lebenswelt, in der Technik,
Ästhetik und das Soziale als Einheit begriffen und realisiert sind.
Im Blickfeld bleibt das internationale Geschehen – im Bereich der
Industrie, im Bereich der Kunst. Man ist sehr darauf konzentriert,
alles die Stadt Betreffende aller Welt mitzuteilen. Das Internet als
eine auch der Kunst und dem Design verpflichtete Institution.
Seine Klientel ist überall zu Hause, wird also nicht nur ein Informations-, sondern ebenso ein Gesprächspartner, den es zu pflegen
gilt. Kein Stillstand.
Im Fokus der Gegenwartskunst
Auf dem Weg zum Renaissanceschloss, in dem nicht nur die Städtische Galerie ihren Sitz hat, ist eine kleine Kunstmeile entstanden.
Alle Skulpturen kommen aus dem Bestand der Galerie, deren
Sammlung ständig wächst. Das Schloss selbst ist schon seit Jahrzehnten auch Heimat von Künstlern. Neue Ateliers kamen hinzu.
Im Vordergrund stehen die Förderung künstlerischer Prozesse und
deren Umsetzung in verschiedene Projekte. Mit ihrem Programm
ermöglicht die Städtische Galerie der jungen Generation von
Künstlerinnen und Künstlern, neue Wege zu beschreiten. So ist
um das Schloss herum ein Freiraum für die experimentelle Kunst,
für Alternativen, die dort geprüft werden, entstanden.
In Wolfsburg, dem Kunstwerk als Stadt, gab und gibt es besondere Zentren: das Kunstmuseum und das Alvar-Aalto-Kulturhaus
mit Umgebung; die AutoUni, die erheblich ausgebaut wurde
und auch zwei neue Lehrstühle erhalten hat, einen für Kunst als
interventionistische Praxis und einen für Urban Design; und es
gibt die vielfältigen Aktivitäten im Schlossbereich. Diese Zentren
werden getragen von der konstruierten Stadtlandschaft. Das Faszinierende ist, dass es Wolfsburg überzeugend gelungen ist, ein
der Modernität verpflichtetes Gesamtbild herzustellen – im Fokus
der Kunst der Gegenwart. Dort ist Partizipation dank differenziert
gestalteter Einrichtungen selbstverständlich. Dort kann man
sich bilden, so man will auf höchstem Niveau. Dort kann man
lernen nach eigenen Kriterien und mit Vorgaben, die die Stadt
bereitgestellt hat. Nicht zu vergessen sind die Kunstbiennale in
Partnerschaft mit dem Emirat Sharjah und die zahlreichen Symposien über Themen, die uns aktuell bewegen. Ein kompaktes,
ein visionäres, in die Zukunft gerichtetes Programm. Dem Ganzen
verpflichtet, als Ganzes realisiert. Niemand war überrascht, als
gestern bekannt wurde, dass 2021 das erste Weltkunstforum in
Wolfsburg stattfindet. Die Zukunft hat längst begonnen.
Die Autorin dankt Maix Mayer, von dessen Ausstellung „Die Utopie des Realen – eine künstlerische Bestandsaufnahme des öffentlichen Stadtraums“ der Titel für diesen Beitrag übernommen wurde.
Prof. Dr. Susanne Pfleger (*1957) studierte Kunstgeschichte, Romanistik und
Musikwissenschaften in Heidelberg und
Florenz. Sie ist seit 1997 Direktorin der
Städtischen Galerie Wolfsburg und lehrt
an der Hochschule für Kunst und Design
Burg Giebichenstein in Halle.
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
57
IV. Das Zuhause der Zukunft
Die Region und ihre Schätze
Julius von Ingelheim
Vor gut einem Jahr besuchte ich im fernen Lissabon eine Vorstellung des Kabarettisten Andreas Rebers. Das dortige GoetheInstitut hatte den Abend für die große deutsche Gemeinde und
die vielen Portugiesen der Stadt, die eine besondere Affinität zu
Deutschland haben, organisiert. Alles fing damit an, dass sich
Andreas Rebers als Deutscher natürlich auf Deutsch vorstellte.
Dem folgte der Hinweis, er käme aus der bekanntesten Stadt
Deutschlands. Mit einer eingeschobenen künstlerischen Pause
ließ er uns grübeln, welche Stadt wohl gemeint sein könnte:
Berlin, Hamburg, München??? – Doch dann verblüffte er uns mit
der Nennung: „Braunschweig.“ Erstes vorsichtiges Gelächter, dann
sein bestätigendes: „Ja, Braunschweig! Das kennen Sie alle – vom
Vorbeifahren!“ Gellendes Gelächter. Nur ich lachte nicht. Ich
wohne in Braunschweig!
Als gebürtiger Süddeutscher streift man diesen Teil der Republik
eigentlich nur während der Schulzeit: einmal im reinen Geografieunterricht, bei dem unsere Region allenfalls als Ausläufer der
Eiszeit im Gedächtnis haften geblieben ist. Dann erst wieder im
Mittelalter, als Heinrich der Löwe hier kraftvoll, aber am Ende als
Verlierer sein Revier absteckte, und schließlich in der Neuzeit, in
der der Volkswagen die deutsche Massenmobilisierung einläuten
sollte und mit Wolfsburg eine neue Stadt zentral in Deutschland
entstand, die allerdings durch den Krieg mitsamt der Region erst
einmal an den Rand des Landes geschoben wurde.
Der Beginn einer Zeitreise
So oberflächlich begegnete ich 1991 zum ersten Mal der Region,
die damals in den Reisewünschen der älteren Kollegen bei Audi
mit „Südschweden“ betitelt und wie eine Strafversetzung empfunden wurde. Als junger Mensch allerdings, der mit Volkswagen
die Chance verband, einmal in die große weite Welt versetzt
zu werden, näherte man sich der Hauptstadt des Konzerns mit
viel Respekt. Nach langer Autobahnfahrt nahm ich damals mit
einem gewissen Herzklopfen über die Braunschweiger Straße
Kurs auf die Innenstadt Wolfsburgs. Dieses Entree war eigentlich
sehr vielversprechend. Die Braunschweiger Straße erinnerte an
einen amerikanischen Parkway – großzügig und schön begrünt.
58
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
Je mehr ich mich allerdings dem Zentrum näherte, desto größer
wurde die Ernüchterung. Der Bahnhof mit seinen Randbauten
ließ mich dann doch eher vermuten, ich sei in einen denkmalgeschützten Teil der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)
geraten und nicht an den Konzernsitz eines Global Players. Die
Enttäuschung hielt an, als ich mich im Werk auf den schier endlosen Gängen der antiquiert wirkenden Büros der Südstraße verlor.
Dennoch setzte sich für mich persönlich damals nicht nur mein
Karriereweg in Wolfsburg fort, sondern es begann eine Zeitreise,
denn ich wollte der Geschichte „meines“ Unternehmens natürlich
auf die Spur kommen. So beschäftigte ich mich abends und an
den Wochenenden mit der Vergangenheit und Gegenwart Volkswagens – und damit zwangsläufig mit der Geschichte der ganzen Region. Diese ist bei näherem Hinsehen nicht nur sehr viel
länger als man denkt, sondern auch ungeheuer spannend. Erst
hier vor Ort erschließen sich historische Zusammenhänge bildhaft, die sonst so abstrakt und fremd geblieben wären, wie eben
in der Schule, wo man sich für die nächste Schularbeit schnell
den trockenen Stoff anlernte. Deutsche Geschichte des Hochmittelalters vollzog sich genau hier. Hier siedelten die Sachsen auf
den fruchtbarsten Böden, hier eroberte sich Karl der Große nicht
nur den Osten seines Reiches, sondern auch den Harz mit seinem
Reichtum an Bodenschätzen. Hier erst versteht man, warum
sich eine Kaiserpfalz an die nächste reihte, um diese Schatztruhe
zu sichern, und warum diejenige von Goslar so repräsentativ
rekonstruiert wurde. Das Geschlecht der Liudolfinger und das
der Welfen wird lebendig in vielen geschichtsträchtigen Bauten.
Und man versteht, welche Rolle die alten Verkehrs- und Handelsstraßen über Jahrtausende gespielt haben – so wie heute die
viel befahrene A 2. Schließlich lassen sich noch eine ungeheure
Vielzahl von Klöstern oder deren Ruinen entdecken und damit
wird auch die spirituelle Grundlage für diesen reichen Landstrich
transparent.
Die Wolfsburger Metamorphose
Vieles ist im Zweiten Weltkrieg zerstört worden oder in Vergessenheit geraten, weil der Eiserne Vorhang alle Verbindungen
kappte und die gesamte Region zum Zonenrandgebiet machte.
Heute steht sie aber wieder dort, wo sie früher bereits gestanden
hatte: ganz weit vorne in der wirtschaftlichen und damit auch in
der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung.
So jedenfalls erlebte ich die letzten 20 Jahre. Dabei konnte ich
dank meiner bislang vier beruflichen Stationen am Konzernsitz
Volkswagen die Entwicklung der Region in einer Art Zeitraffer
miterleben. Man staunt heute nicht schlecht, wenn man sich
zurückerinnert an den ersten Besuch in Wolfsburg. Gerade
Wolfsburg, das damals eigentlich nur mit dem Superlativ, immer
noch das Zuhause des größten Automobilwerks der Welt zu sein,
auftrumpfen konnte, hat eine wahre Metamorphose erlebt: von
der reinen Arbeiter- und Industriestadt hin zur Erlebnisstadt, wie
heute die touristischen Hinweisschilder entlang der Autobahn
stolz verkünden.
Stolz, den vermisste man damals bei den Menschen hier, heute
dagegen zeigen sie, wie stolz sie auf ihre Stadt sind. Dazu beigetragen hat aber nicht nur der Erfolg von Volkswagen und der
damit verbundene Reichtum im Geldbeutel, ursächlich dafür sind
meines Erachtens die sichtbaren und erlebbaren Veränderungen
im Stadtbild und im gesellschaftlichen Leben. Wer heute mit
dem Zug oder dem Auto nach Wolfsburg reist, ist überrascht,
welch architektonische Highlights das Stadtbild schmücken.
Aber Autostadt, phæno, Kunstmuseum und natürlich das altehrwürdige Schloss sind nicht nur schöne Hüllen. Sie beherbergen
künstlerisch und/oder technisch Hervorragendes – sie bieten
außergewöhnliche Attraktionen, die inzwischen Menschen aus
aller Welt anziehen. Diese Gebäude setzen fort, was man in dem
Wolfsburger Architekturführer bis in die Gründerjahre der Stadt
beeindruckend verfolgen kann. Es gilt der Satz: „Unglaublich,
aber Wolfsburg!“
wenn man sich mit mehreren Klicks durch den städtischen Internetauftritt gearbeitet hat. Ein Kaufmann würde seine beste Ware
im Schaufenster ganz vorne auslegen, so denkt man sich! Doch
wer sich die Braunschweiger Geheimnisse erst einmal erschlossen hat, wird feststellen, dass die Lebensqualität, die man hier
genießen kann, sehr, sehr hoch ist: die hochkarätigen Inszenierungen des Staatstheaters, die wunderbaren Gemälde im Herzog
Anton Ulrich-Museum, die Vielzahl an Kleinkunst, die Hochschulen, die Konzerte und Sportveranstaltungen – alles Attribute
einer Stadt, die als ehemalige Residenzstadt lange Erfahrung mit
wirklichem Reichtum hat.
Ähnlich verhält es sich mit einem weiteren Kleinod der Region:
mit Wolfenbüttel. Auf Schritt und Tritt begegnet man auch hier
dem alten Herzogtum und spätestens dort versteht man, mit
welchem Hintergrund Anna Amalia als Herzogin von SachsenWeimar in Thüringen gewirkt hat.
Wer in unsere Region kommt, ist überrascht von dem, was
ihn hier erwartet – weil er es nicht erwartet hat. Die größte
Überraschung bietet hier zweifelsohne Wolfsburg, das man mit
Vision Region: Wer sich mit seiner Heimat
näher beschäftigt, der stellt am Ende fest:
Hier ist nicht nur die Geschichte zu Hause,
hier ist auch das Zuhause der Zukunft.
Nicht alle Wolfsburger sind jedoch Wolfsburger! Die Stadt wuchs
und wächst durch Menschen, die Wolfsburg als zweite Heimat
gewählt haben oder die Tag für Tag zur Arbeit hierher pendeln.
Nur 35 % der im Wolfsburger Volkswagenwerk Beschäftigten
wohnen auch in Wolfsburg, dem wirtschaftlichen Motor der
gesamten Region; all die anderen Angestellten pendeln im
Extremfall von Hannover oder gar Berlin in die Stadt, die laut der
Prognos-Studie mit dem Titel „Zukunftsatlas 2010“ auch verkehrstechnisch zu einer der am besten erschlossendsten deutschen
Städte gehört.
Modernität und Innovation gleichsetzt. Bei genauerem Hinsehen
erschließt sich dem Betrachter jedoch auch hier ein ganzes Kaleidoskop historischer Persönlichkeiten, Orte und Besonderheiten,
das von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, dem Dichter
der Nationalhymne, über das Geburtshaus Heinrich Büssings im
Wolfsburger Ortsteil Nordsteimke bis hin zum Schloss Wolfsburg
und den jahrhundertealten Ortsteilen reicht. Der Wolfsburger
Raum war historisch immer geprägt von seiner Grenzlage zwischen dem Herzogtum Braunschweig und dem Fürstentum
Lüneburg, später dem Königreich Hannover.
„ZeitOrte“
Heute ist die Region Braunschweig-Wolfsburg durchzogen von
einer ganzen Reihe kommunaler und weiterer „Zuständigkeits“Grenzen, aber wer sich auf die historischen, kunsthistorischen
und architektonischen Aspekte konzentriert, dem öffnet sich eine
wahre Schatztruhe. Viele dieser regionalen Schätze findet man
nun auch wohlgeordnet im Internet unter www.zeitorte.de. Was
die Tourismusverantwortlichen da mit Unterstützung der Europäischen Union bebildern und schildern, liest sich wie ein Katalog, mit dem man endlich auch Freunden und Bekannten außerhalb der Region deutlich machen kann, weshalb es sich lohnt,
hier zu leben, zu arbeiten oder einfach nur hierher zu fahren.
Spätestens jetzt nimmt die Betrachtung wieder einen größeren
Beobachtungswinkel ein und die Region Braunschweig/Wolfsburg rückt erneut ins Blickfeld: Braunschweigs wirtschaftliche
Fundamente reichen weit zurück. Wer sich in Braunschweig
bewegt und mit den Alteingesessenen spricht, dem begegnet
ein gewisser hanseatischer Stolz. Viele alte Namen der Industriegeschichte wie Büssing oder Rollei mögen zwar Vergangenheit
sein, aber die Stadt hat neue Player gewonnen, die nicht nur
mit Volkswagen verbunden sind, sondern auch wirtschaftlich
eine Vielfalt widerspiegeln. Trotzdem hat auch hier der Zeitraffer eine Zeitreise erlebbar gemacht, denn man empfindet das
Braunschweig des Jahres 2011 sehr viel entstaubter als das von
1991. Diese Stadt versammelt einige Superlative bei sich, allerdings so vornehm und zurückhaltend, dass man sie erst entdeckt,
Das Zuhause der Zukunft
Wer aber rastet, der rostet. In diesem Sinne haben die Bürgermeister der drei Oberzentren Braunschweig, Salzgitter und
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
59
Wolfsburg sowie die Landräte von Gifhorn, Goslar, Helmstedt,
Peine und Wolfenbüttel mit Vertretern von Wirtschaft und
Gewerkschaft die Initiative „Allianz für die Region“ gestartet. Sie
verfolgen damit das Ziel, Arbeitsplätze und Lebensqualität weiter
zu fördern und gemeinsam den nächsten großen Schritt nach
vorn zu unternehmen. Zwar weist die bereits zitierte PrognosStudie die Region heute schon als Kraftzentrum Norddeutschlands aus, gibt allerdings auch deutliche Hinweise darauf, dass
noch einiges dafür getan werden muss, um diesen Titel nachhaltig abzusichern. Ein wichtiger Aspekt ist dabei, die Attraktivität
der gesamten Region weiter zu steigern und die reizvollen Seiten
nach außen zu tragen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Historisch betrachtet ist die Region Braunschweig/Wolfsburg
mehr als attraktiv – keine Frage! Aber sich auf „Markenzeichen“
wie Heinrich den Löwen, den VW Käfer oder den Löwen Büssings,
der auf jeder MAN-Kühlerhaube national wie international unterwegs ist, auszuruhen, ist heute zu wenig.
Hier ist die europäische Hochburg von Forschung und Entwicklung, hier residieren Hightechfirmen, hier finden sich diverse
Spitzeneinrichtungen des Bundes und hier lernen Tausende
von Studenten an einer der besten technischen Universitäten
Deutschlands, wie man mit Vorsprung durch Wissen die deutsche
Wirtschaft auf Weltklasseniveau halten kann. Liebhaber von
Kunst und Kultur finden hier hochkarätige Museen und Attraktionen der Gegenwart wie das Kunstmuseum, das phæno oder
die Autostadt in Wolfsburg, die mit Weltklassedarbietungen wie
Movimentos die Menschen begeistert. Wer sich mit seiner Heimat näher beschäftigt, der stellt am Ende fest: Hier ist nicht nur
die Geschichte zu Hause, hier ist auch das Zuhause der Zukunft.
Julius von Ingelheim (*1957) studierte Jura und ist seit 1990 für den
Volkswagenkonzern tätig. Nach
Leitungsfunktionen in verschiedenen Konzerngesellschaften wurde er
im Juni 2010 Sprecher des Vorstands
der Wolfsburg AG und ab 2011 auch
Geschäftsführer der projekt REGION
BRAUNSCHWEIG GMBH. Beide
Unternehmen engagieren sich als „Allianz
für die Region“ für mehr Beschäftigung
und Lebensqualität in der Region
Braunschweig/Wolfsburg.
60
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
V. Die Welt in einem Haus:
das „Haus der Nationen“
Vielfalt leben! Eine Vision zum Integrationskonzept Wolfsburg
Dirk Grabow und Sylvia Nichterwitz
Ein Blick zurück in die
Einwanderungsgeschichte
Während der letzten Jahrzehnte entwickelte sich nur sehr zögerlich eine öffentliche Debatte über Fragen der Migration und der
auf Integration abzielenden Ausgestaltung der Bundesrepublik
Deutschland als eine Einwanderungsgesellschaft. Ausgehend
von den Bedürfnissen einer sich rasant entwickelnden Volkswirtschaft, wurden seit den frühen 1960er-Jahren im Rahmen von
Anwerbeabkommen u. a. Arbeitskräfte aus Italien, Spanien, der
Türkei und aus Tunesien auch nach Wolfsburg geholt. Migration
und Integration wurden in dieser Zeit politisch ausschließlich
unter dem Blickwinkel ökonomischer Sachzwänge diskutiert. Der
Anwerbestopp im Jahr 1973 sowie das nur mit mäßigem Erfolg
aufgelegte Rückführungsprogramm 1982 schärften den Blick
für die sozialpolitische Dimension der Migrationsproblematik.
Im Rahmen massiver wohlfahrtsstaatlicher Subventionen, die
zumeist unter dem Zeichen einer gut gemeinten Integrationspolitik standen, flossen Geldmittel, die allein jedoch nicht
ausreichten, um alle Zuwanderer in die Mitte unserer Gesellschaft
zu integrieren. Im öffentlichen Diskurs entstand oft genug der
gegenteilige Eindruck. In den Medien und auch in privaten
Gesprächen wurden Schieflagen sichtbar, die zu unnötigen
Zuspitzungen und für ein demokratisch verfasstes Gemeinwesen
unerträglichen Polarisierungen führten. Anstatt sich dem Fremden anzunähern, sich vorurteilsfrei zu öffnen, gewannen Vorbehalte und auch offene Anfeindungen immer breiteren Raum.
Migration und damit verbunden Wege der Integration schienen
sich zu einer heillosen Konfliktgeschichte auszuweiten. Dies kann
den Ansprüchen einer aufnehmenden Gesellschaft nicht gerecht
werden, die – im relativen Wohlstand lebend – über genügend
Spielräume verfügt, um Menschen, die aus unterschiedlichen
Gründen ihre Herkunftsländer verlassen haben, in ihrer Würde
anzuerkennen und vorbehaltlos aufzunehmen. Dies mag in
unserer De-facto-Einwanderungsgesellschaft noch längst nicht
Geschichte sein, aber es öffnet uns den Blick auf die Handlungsfelder einer verantwortungsbewussten Kulturpolitik – gerade
auch auf lokaler Ebene.
Wolfsburg – ein „Haus der Nationen“
Im Rahmen der 2010 angeregten Entwicklung eines Wolfsburger
Integrationskonzepts engagierten sich Bürgerinnen und Bürger
im Handlungsfeld Kultur, um dort individuelle Erfahrungen der
Migration mit einzubringen – Menschen mit Zuwanderungsgeschichte der ersten und zweiten Generation, die für sich die
Tatsache einer dauerhaften Einwanderung akzeptiert haben
und selbstbewusst am kulturellen Leben partizipieren wollen.
Sie haben die Sprachlosigkeit überwunden und suchen den
bereichernden Dialog mit Akteuren der Stadtgesellschaft. Sie
fragen nach Gestaltungsspielräumen, um ihren Kindern auf ihre
Herkunft bezogene Identifikationsangebote machen zu können.
Mehrfach wurde in den Arbeitskreisen die Vorstellung von einem
„Haus der Nationen“ geäußert. Unabhängig von der Materialisierung eines konkreten Gebäudes halten wir uns Wolfsburg visionär als ein „Haus der Nationen“ vor Augen.
Dieses Haus würde zu einem herausragenden Ort für eine Kultur
der gegenseitigen Wertschätzung, wenn darin die Rahmenbedingungen für Kunst, Kultur und Bildung von Bürgerinnen und
Bürgern mit Zuwanderungsgeschichte verbessert werden könnten. Wenn Menschen mit Zuwanderungsgeschichte dort eigene
Institutionen aufbauen und in Eigenverantwortung ihr jeweiliges
kulturelles Erbe bewahren und präsentieren könnten.
Wie das Haus aussieht
Das „Zimmer der Sprachen“
Ein erster Rundgang führt in das „Zimmer der Sprachen“.
Mitarbeiter von Migrantenorganisationen haben unter Anleitung
von Fachleuten in verschiedenen Abteilungen Sprachlabore eingerichtet, in denen Menschen jedweder Herkunft Sprachkenntnisse erwerben und vertiefen können.
Kompetente Muttersprachler geben Kindern aller Altersstufen
qualifizierten Sprachunterricht und vermitteln grundlegende
Kenntnisse der jeweiligen Kulturkreise. Interessierte deutschsprachige Mitbürger sind ebenfalls willkommen, auch wenn
sie nur einige wenige Worte erlernen wollen, um sich auf einer
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
61
Urlaubsreise mit der einheimischen Bevölkerung in Alltagszusammenhängen leichter zu verständigen. Um den vielfältigen
Sprachschatz der Herkunftsländer dauerhaft bewahren zu können, haben verantwortungsbewusste Akteure damit begonnen,
eine Sammlung von authentischen Bild- und Tondokumenten
zusammenzustellen. Auf diese Weise werden neben den Hochsprachen auch selten gesprochene Dialekte festgehalten und für
vertiefende Studien zur Verfügung gestellt.
beredt Auskunft über die Zeit der Einwanderung geben und oft
genug auch aussagekräftige Bezüge zu den Herkunftsländern
herstellen. Neben einer Dauerausstellung werden themenbezogen zeitlich begrenzte Sonderausstellungen für die Öffentlichkeit
vorbereitet. Für uns ist dieser Ort das Herzstück des „Hauses der
Nationen“. Hier wird der Schmerz erlebbar, der mit dem Verlassen
der Heimatländer einsetzte, sowie das Leid erfahrbar, das die
Menschen ertrugen, die sich in einer ihr fremden, selten freundlich gesonnenen Umgebung unter vielen Entbehrungen neu
einleben mussten.
Die „Bibliothek der kulturellen Vielfalt“
Im Anschluss daran betreten wir die „Bibliothek der kulturellen
Vielfalt“. Hier wurden die maßgeblichen literarischen, philosophischen, theologischen sowie wissenschaftlichen Werke aus
den unterschiedlichen Kulturkreisen zusammengetragen. Diese
Bibliothek wird für individuelle Lektüren in den Originalsprachen
genutzt, daneben sind ergänzend Exemplare in deutscher Übersetzung vorhanden. Es sind ausreichend Mittel verfügbar, den
Bestand zu pflegen oder auch seltene bibliophile Ausgaben zu
erwerben.
Das „Café der Literatur“
Damit die gedruckten Worte lebendig bleiben, wurde nebenan
das „Café der Literatur“ eingerichtet. Mitarbeiter leiten fremdsprachliche und auch deutschsprachige Gesprächskreise an, die
u. a. aktuelle literarische Entwicklungen zum Inhalt haben. Es
werden Vorträge zu einzelnen Autoren oder literarischen Themen
angeboten. Regelmäßig werden ausländische Autorinnen und
Autoren zu Lesungen eingeladen. Sie tragen aus ihren Werken
vor und stellen sich den Fragen einer interessierten Zuhörerschaft. Wegen der Musikalität der Vorträge sind beim Publikum
besonders die zweisprachigen Lesungen beliebt. Hier wurde
auch die Idee eines jährlich stattfindenden Interkulturellen Literaturfestivals geboren.
Die „Galerie der Bilder“
Wir treten hinaus auf die „Galerie der Bilder“. Neben einer beachtlichen Sammlung von Werken zeitgenössischer Künstlerinnen
und Künstler mit Zuwanderungsgeschichte werden in regelmä-
Vision Integration: Mit dem „Haus der
Nationen“ entsteht ein Ort der kulturellen
Vielfalt und des gesellschaftlichen Diskurses.
ßigem Turnus Kunstschaffende aus aller Welt nach Wolfsburg
eingeladen. Es werden Stipendien vergeben, die es ermöglichen,
dass die Gastkünstler für einige Wochen in den angrenzenden
Ateliers arbeiten können. Es war nicht verpflichtend, aber einige
der Stipendiaten haben ihren Aufenthalt auch dafür genutzt, eine
Malschule aufzubauen. Kinder aller Altersgruppen werden unter
fachkundiger Anleitung mit Arbeitstechniken der Bildenden
Kunst vertraut gemacht. Ist ein Projekt beendet worden, erhalten
die Nachwuchskünstler selbstverständlich Gelegenheit, ihre
Werke an prominenter Stelle der Öffentlichkeit vorzustellen.
Die „Schreib-Werkstätten“
Um junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte an die
ästhetische Praxis des Schreibens heranzuführen, begründeten
Autoren in Selbstverwaltung „Schreib-Werkstätten“. Neben der
konzentrierten Beschäftigung mit ihrer eigenen Lebenssituation
haben sich die jungen Autoren der Aufgabe gestellt, im Rahmen
von Interviews mit Zuwanderern der ersten und zweiten Generation individuelle Migrationsverläufe zu dokumentieren.
Das „Zimmer der Integrationsgeschichte“
Wir begegnen solch einer Projektgruppe im „Zimmer der
Integrationsgeschichte“, während deren Teilnehmerinnen und
Teilnehmer mit enthusiastischem Eifer die authentischen Lebensbeschreibungen von Zugewanderten aus aller Welt in die Archive
einpflegen. Nebenher haben sie während der Befragungen die
unterschiedlichsten Artefakte gesammelt und aufbereitet, die
62
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
Das „Atrium der kulturellen Vielfalt“
Damit kommen wir in den größten Raum im „Haus der Nationen“,
in das „Atrium der kulturellen Vielfalt“. Ein licht- und luftdurchfluteter Ort der Begegnung, der zwanglosen Geselligkeit und
gleichzeitig auch der attraktivste Platz für Ausstellungen. Bei
einer Tasse Tee oder einem abessinischen Mokka kann nach afrikanischer Art in begrünten Nischen palavert werden. Vormittags
haben sich kleine „Basare“ im Atrium eingerichtet, die Spezialitäten aus aller Welt feilbieten. Auch kleine Kunsthandwerk-Stände
zeigen ihre Fertigungskunst wie z. B. filigrane Goldschmiedearbeiten aus dem Irak. Das Atrium wird genutzt, wenn im Verlauf
des Jahres hohe Feiertage oder traditionelle Feste gefeiert
werden. Als Veranstaltungsort verfügt das Atrium über eine
Bühne, die für Aufführungen aller Art genutzt werden kann. Dem
Atrium sind kleinere Versammlungsräume angegliedert. Darin
finden gruppenspezifische Beratungsangebote statt, hier können
Vereine ihre Mitgliederversammlungen durchführen, hier kann
geplant und organisiert werden. Ein Rat der Nationen, bestehend
aus den unterschiedlichen Organisationseinheiten, plant und
regelt sämtliche Belange vom „Haus der Nationen“.
Der „Raum der Klänge“
Aus einem nahe gelegenen „Raum der Klänge“ werden seltsame
Gegenstände auf die Bühne getragen. Wir gehen den Musikern
entgegen und stehen unmittelbar vor einer großen Sammlung
zweifellos authentischer Musikinstrumente, die von den Zuwanderern aus aller Welt mitgebracht wurden. Wie uns einer der
Lehrer erklärt, werden junge Menschen mit der traditionellen
Musik und den Instrumenten ihrer Herkunftsländer vertraut
gemacht. Talente erlernen die erforderlichen Spieltechniken und
das traditionelle Repertoire, um sich dann – zusammen mit den
Tänzern – auf der großen Bühne des Atriums zu zeigen. Der Lehrer berichtet von ausgesprochen guten Musikern, die schon in
jungen Jahren alle erforderlichen Fertigkeiten an den Instrumenten erworben haben und die sich nun an neuen, zeitgemäßen
Instrumenten und Musikformen versuchen.
Ein Resümee
Wir haben das „Haus der Nationen“ bei unserem visionären
Besuch als einen frei zugänglichen und gleichzeitig bereichernden Aufenthaltsort kennengelernt, der alle Bürgerinnen und
Bürger mit oder ohne Zuwanderungsgeschichte zum Verweilen
einlädt. Ein Ort interkultureller Vielfalt und heterogener Kulturlandschaften mit vielen Attraktionen und gesellschaftlich notwendigen Diskursen. Dort kann gleichberechtigt über das kulturell Gemeinsame, aber auch über das Trennende und in seiner
Differenz wiederum dialektisch Verbindende und damit über das
Anerkennenswerte im gesellschaftlichen Miteinander verhandelt
werden. Aus der Vielfalt der Kulturen unserer Stadt entsteht eine
neue Kultur der Kulturen.
Der „Garten der kulturellen Vielfalt“
Begleitet von fremdartigen Klängen, erkunden wir das „Haus der
Nationen“ weiter und treten ein in den „Garten der kulturellen
Vielfalt“. Menschen der verschiedenen Kulturen mit Freude und
Liebe zum Bebauen und Bewahren bestellen gemeinsam dieses
Gartenkleinod. Hier findet der Besucher einen Ruhepol für die
Seele.
Dirk Grabow (*1957) studierte
Germanistik, Pädagogik und Kulturwissenschaften in Braunschweig und Hildesheim.
Er ist seit 2009 als Koordinator für
Hausaufgabenhilfe im Integrationsreferat
der Stadt Wolfsburg tätig.
Sylvia Nichterwitz (*1960) ist studierte
Diplom-Sozialpädagogin. Nach Lehr- und
Wanderjahren in Südafrika arbeitete sie in
der Landeshauptstadt Hannover an interkulturellen Projekten mit. Seit 2009 ist sie
Leiterin des Integrationsreferats der Stadt
Wolfsburg.
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
63
Anhang
Dokumentation KEP-Prozess
23. Juni 2009
Beschluss des Verwaltungsausschusses zur
Beauftragung der Agentur „just be agency“
auf der Grundlage der Vorlage 888/2009
10. Juni 2010
4. Sitzung des Beirats (u. a. Vorstellung aller
Ergebnisse des Workshops und der Internetbefragung)
ab August 2009
Aufnahme der prozessbegleitenden Arbeiten durch die Agentur
11. Juni 2010
Führungskräftecurriculum der Stadt
Wolfsburg zum Thema „Stadt mit Kultur!“
Wolfsburg – kulturelles Zentrum heute und
in Zukunft; verschiedene Schwerpunkte
der Wolfsburger Kultur wurden hinsichtlich
ihrer Stärken und Schwächen analysiert und
Visionen für die Zukunft entwickelt.
15. September 2009
Gründung des Beirats zum Kulturentwicklungsplan; Aufgabe des Beirats ist es,
den Prozess des Kulturentwicklungsplans
beratend und informierend zu begleiten.
Er besteht aus Vertretern kultureller Einrichtungen, aller Fraktionen des Rats und der
Verwaltung.
25. November 2009
2. Sitzung des Beirats (u. a. Bericht über den
aktuellen Stand zum KEP, Einsetzung von
Arbeitskreisen)
6. März 2010
Workshop zum Kulturentwicklungsplan
mit ca. 80 Kulturschaffenden und kulturinteressierten Bürgerinnen und Bürgern im
CongressPark Wolfsburg.
Aufgeteilt in die Arbeitskreise „Kulturanbieter“, „Kulturnutzer“ sowie „Jugend- und
Subkultur“, wurden Wünsche, Visionen und
Ideen für eine moderne Kulturentwicklung
in Wolfsburg erarbeitet.
11. März 2010
3. Sitzung des Beirates (u. a. Information zum
Workshop und zur Bürgerbeteiligung per
Internet)
1. – 30. Mai 2010
Veröffentlichung der Ergebnisse des Workshops im Internet; Bürgerbeteiligung am
KEP mittels eines Onlinefragebogens
64
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
ab September 2010
Auswertung des Materials und Beginn der
redaktionellen Arbeit durch den Geschäftsbereich Kultur und Bildung
08. September 2010
Kulturausschuss (Sachstandsinfo)
23. November 2010
Kulturausschuss (Sachstandsinfo)
12. Februar2011
Workshop des Beirats zum Kulturentwicklungsplan; Diskussion der Handlungsfelder,
insbesondere zu den Zielen und Schlüsselprojekten
12. April – 04. Mai 2011
Verwaltungsvorstand
01. Juni 2011
5. Sitzung des Beirats
15. Juni 2011
Kulturausschuss
22. Juni 2011
Beschluss des Rats der Stadt Wolfsburg zum
Kulturentwicklungsplan
Auszug aus der SWOT-Analyse
zum Kulturentwicklungsplan
der Stadt Wolfsburg 2010
Agentur „just be agency“ Das klassische Werkzeug SWOT-Analyse
dient hier als Basis für die Erarbeitung einer
ganzheitlichen Strategie. Mit ihrer Hilfe
kristallisieren wir die Stärken, Schwächen
sowie Chancen und Risiken heraus. Für
diesen Kulturentwicklungsplan liefert die
SWOT-Analyse als neutrale Bewertungsgrundlage die Basis für die Identifizierung
der Schwerpunkte und versetzt den Leser
in die Lage, die aktuelle Kulturlandschaft
Wolfsburgs einzuordnen und zu bewerten.
Die SWOT-Analyse bedient sich der im
Vorfeld erarbeiteten Fragebögen für die
Institute und die freien Kultureinrichtungen,
der Ergebnisse aus den Workshops mit
den Bürgern und Kulturinteressierten, der
Ergebnisse der Internetbefragung und der
rund 50 Gespräche mit den Wolfsburger
Kulturexperten.
Im Rahmen der Auswertung werden Stärken und Chancen gemeinsam betrachtet
und versucht, diese zu maximieren. Hieraus
ergeben sich fundierte Schwerpunkte und
Handlungsempfehlungen, aus denen sich
Initiativen und Maßnahmen ableiten lassen.
Ebenso werden im Rahmen der Auswertung die Schwächen und Risiken identifiziert, untersucht und versucht, diese
zu minimieren. Die Schlussfolgerungen
daraus fließen in die Schwerpunkte und
Handlungsempfehlungen ein, um daraus
wiederum die wesentlichen Maßnahmen
ableiten zu können.
Allgemeine Stärken
• Die Wolfsburger Kulturlandschaft bietet
eine enorme Vielfalt und bedient alle
Sparten.
• Kultur in Wolfsburg besitzt bei den Bürgern einen hohen Stellenwert und wird
in ihrer Vielfalt von einer breiten Bevölkerung, zunehmend einer beständig
wachsenden bürgerlichen Mittelschicht,
überdurchschnittlich genutzt.
• Die Kultur hat sich in den letzten Jahren
quantitativ und qualitativ sehr positiv entwickelt: quantitativ die letzten zehn Jahre
mit dem Entstehen der Institutionen
Autostadt, Kunstmuseum, phæno, aber
auch dem „Hallenbad“ und dem Jungen
Theater; qualitativ mit der Ansiedlung
von Hochkultur durch eben genannte
Institutionen, aber vor allem auch durch
das Bestehen und Weiterentwickeln
kleinerer Anbieter wie der Wolfsburger
Figurentheater-Compagnie. Diese hat es
geschafft, sich in Wolfsburg zu etablieren,
zu halten, immer neue Zielgruppen zu
erschließen und konsequent ein hochwertiges Programm zu bieten. Die Stärke
Wolfsburgs liegt in der sich ergänzenden Kombination von Hochkultur mit
Nischenkultur.
• Durch monatliche Veranstaltungen wie
Kultur!Sprich! als Kommunikationsplattform kommen unterschiedliche Institutionen in einen Dialog miteinander und
tauschen sich regelmäßig zu aktuellen
Themen aus.
• Die durch Kooperationen beispielsweise
auch nach außen hin sichtbare Kombination von Hochkultur mit Nischenkultur
(Autostadt – „Hallenbad“ – phæno –Wolfsburger Figurentheater-Compagnie, Theater – IG Metall) zeichnet Wolfsburg aus.
• Das Wohlfühlstadt-Programm in Wolfsburg hat durch die finanzielle Unterstützung einen positiven Einfluss auf die
Kulturlandschaft.
• Der VfL Wolfsburg gehört zwar zum
Bereich Sport, ist aber so stark, dass er
Wolfsburg zu Bekanntheit verhilft und für
ein positives Image der Stadt sorgt; das
hilft auch der Kultur.
durchgängiges Kulturangebot. In den
Ferien gibt es zu wenig Programm, im
Herbst und Winter besteht ein Überangebot.
• Kulturinstitutionen werden schlecht oder
gar nicht durch die Wolfsburg Marketing
Gesellschaft vertreten oder gar vermarktet.
• Wolfsburg wird weder regional noch
bundesweit als Kulturstadt gesehen
– trotz wichtiger, renommierter und
hervorragend arbeitender Kultureinrichtungen.
• Die präsente und besondere Architektur
spielt bei der Vermarktung keine Rolle
und ist über die Stadtgrenzen hinaus
nicht bekannt. Namen wie Koller, Hadid,
Aalto und Scharoun werden nicht als
Pfund genutzt.
• WOB2GO, der Onlineveranstaltungskalender, entspricht nicht den Erwartungen
der Kulturschaffenden, ist nicht benutzerfreundlich.
• Große Kultureinrichtungen zeigen sich
stark und dominant, wodurch neue Initiativen schwerer entstehen und wachsen
können.
• Viele der kleineren kulturellen Einrichtungen klagen über die begrenzte Reichweite ihrer Pressearbeit und Werbung.
Allgemeine Schwächen
• Es fehlt ein interner Jahresplan für alle
Kulturanbieter zur besseren Abstimmung
der Veranstaltungen.
• Die einzelnen Kulturbereiche agieren
isoliert statt vernetzt.
• Kunst im Stadtbild ist nirgendwo für die
Öffentlichkeit dokumentiert.
• Die Stadt legt besonderen Wert auf die
Außenwirkung Wolfsburgs (und investiert
in die sogenannten Leuchttürme), statt
nach innen zu investieren für einen direkten Nutzen der Wolfsburger.
• Der Politik fehlt eine Hilfestellung, wie
die kleinen Wolfsburger Schätze als eine
große und glänzende Perle darzustellen
sind.
• Den Wolfsburgern fehlt die Neugier, sie
lieben bewährte Klassiker. Das liegt auch
daran, dass in Wolfsburg nicht so viele
sogenannte Intellektuelle leben.
• Wolfsburg unterliegt einem andauernden Minderwertigkeitskomplex wegen
verschiedenster Fehlentscheidungen:
Bau einer Fußgängerzone statt der besser passenden Flanier-Auto-Meile, Bau
der trostlosen City-Galerie, schlechtes
Konzept für die Markthalle, Piazza Italia
ist ein Hauptverkehrsknotenpunkt statt
ein atmosphärischer Platz mit Cafés und
Bistros (wie in Italien).
• Konjunkturelle Wellentäler und saisonale Schwankungen verhindern ein
• Umgang mit den hiesigen Künstlern, z.B.
„10 KW“ oder die Gruppe „Rehlachs“ sie
werden von der Stadt nicht geliebt und
nicht akzeptiert, nicht ernst genommen
und nicht unterstützt. Wolfsburg muss
akzeptieren, dass zurzeit keine größeren
Künstler aus der Stadt erwachsen, es gibt
zurzeit keinen neuen „Heidersberger“.
• Es fehlen sogenannte Off-Räume; das ist
eine strukturelle Schwäche an mangelnden Frei-Räumen, was Nischenkulturen
und Subkultur erschwert.
• Es gibt für Kulturinteressierte keinen
öffentlich zugänglichen Monatsplan aller
Kulturanbieter außerhalb des Internets.
Das große Angebot überfordert das
Publikum in der Differenzierung der
Auswahl.
• Die Anbindung des öffentlichen Personennahverkehrs nach kulturellen
Veranstaltungen von der Innenstadt in
die Ortsteile stellt durch die schlechte
Busanbindung für Menschen ohne
eigenes Auto ein Problem dar. Für Kulturnutzer ist die Strecke von Wolfsburg nach
Braunschweig ohne Auto spätabends
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
65
und nachts nicht zu überbrücken.
Movimentos-Zuschauer verlassen kurz
vor Vorstellungsende die Veranstaltung,
um rechtzeitig am Bahnhof zu sein.
• Im Bereich der Werbung gibt es bisher
kaum gemeinsame Maßnahmen. Es fehlt
eine Strategie für gemeinsames Marketing aller Institutionen Wolfsburgs.
• Es kursieren verschiedene Veranstaltungskalender, was die Pflege für die einzelnen
Institutionen schwieriger werden lässt.
• Die Trennung der Politikbereiche Kultur
und Freizeit sowie Arbeit und Bildung in
der Verwaltung wird als problematisch
angesehen.
Allgemeine Chancen
• Alte und leer stehende Räume in den
Ortsteilen und der Innenstadt könnten
für die Kulturarbeit nutzbar gemacht
werden.
• Eine zentrale städtische Ausleihmöglichkeit für Werbung (Aufsteller, Hinweisschilder, Stadtteilwerbemöglichkeit, Schautafeln für Ankündigungen) würde vielen
(auch nicht städtischen) Kulturanbietern
mit knappem Budget helfen, ihre Veranstaltungen erfolgreich durchzuführen.
Das könnte mit „Wohlfühlstadt“ gebrandet werden.
• Einen Plan mit freien Räumen (Ratsgymnasium, Bauhof, CongressPark) für alle
zugänglich machen, die dann kostenlos
oder gegen eine geringe Gebühr bei
Bedarf von den Institutionen gemietet
werden können.
• Aufgrund der geografischen Lage
(Wolfsburg liegt in Deutschlands Mitte;
Wolfsburg hat starke Partner rundherum
= regionaler Gedanke) liegt ein großes
Potenzial im Bereich der regionalen Vernetzung und des Austauschs.
• Im Bereich der Interkultur könnte Wolfsburg vielfältige Impulse setzen, um der
wachsenden Bedeutung der interkulturellen Realität gerecht zu werden.
• WOB ist keine gewachsene Kulturstadt,
bietet trotzdem unglaublich viel Hochkultur, auf welche die Wolfsburger stolz sein
und die sie als Chance für ein besseres
Image nutzen sollen.
• Touristen sollten herzlich aufgenommen,
bestens bedient und als wirtschaftliches
Potenzial und zufriedene Touristen als
weltweite Botschafter gesehen werden.
• Schaffung zusätzlicher Plakatierungsmöglichkeiten für die Kultureinrichtungen, um
für Veranstaltungen werben zu können.
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Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
• Gründung einer zentralen Unterstützungsstelle im Bereich Presse/PR mit der
Stadt als zuständiger Ansprechpartnerin,
um eine professionellere Außenwirkung
erzielen zu können.
• Der Kulturentwicklungsplan wird als
Chance gesehen, da er den Schwerpunkt
auf das Wort „Entwicklung“ legt und eine
Bürgerbeteiligung vorsieht.
• Das Verteilen von speziellen Kultur-Begrüßungsgutscheinen für neue Familien und
Migranten, um diese für das kulturelle
Leben in Wolfsburg von Anfang an begeistern zu können.
• Gesprächsplattform Kultur!Sprich! um
weitere Teilnehmer erweitern (Vollständigkeit). Eine bessere terminliche und
inhaltliche Absprache bei Veranstaltungen verschiedener Kulturanbieter kann zu
einer höheren Auslastung der einzelnen
Veranstaltungen führen.
• Das Anbieten von Kombiangeboten für
unterschiedliche kulturelle Veranstaltungen kann den Institutionen zusätzliche
Besucher einbringen.
• Durch den Einsatz von Kulturbotschaftern für die verschiedenen Zielgruppen
(Seniorenresidenzen, Schulen, Migranten,
Sportvereine) können diese in die Kulturlandschaft integriert werden.
• Insgesamt: dem demografischen Wandel
Rechnung tragen und in allen Bereichen
Angebote für die ältere Generation entwickeln, die deren wirkliche Bedürfnisse
befriedigen, keine Alibiangebote.
• Barrierefreiheit durchgängig in allen Institutionen als Aushängeschild der Stadt
Wolfsburg (Wohlfühlstadt!).
• Kulturelle Bildung setzt sich aus den
unterschiedlichsten Genres zusammen.
Festzuhalten ist, dass Bildung immer
entscheidender wird für den Erfolg im
ökonomischen Leben und damit eine
wesentliche Chance ist. Kreative, soziale
und kommunikative Kompetenz sowie
das Beherrschen von Multitasking sind
ebenso wichtig wie kognitives Wissen.
Experten versichern, dass kulturelle
Bildung wesentlich für die Persönlichkeitsbildung und Leistungsfähigkeit des
Menschen ist.
Allgemeine Risiken
• Das aktuell stattfindende „kulturelle Wettrüsten“ mit Braunschweig und Hannover
kann sich negativ auf die bestehende
Kulturlandschaft der beteiligten Städte
auswirken. Ressourcenvergeudung.
• Kommerzialisierung der Kultur durch
inhaltliche Verarmung mit einer Ausgrenzung von nicht beliebtem, gut verkäuflichem Angebot. Kultur kann sich nur
entwickeln, wenn Experimentelles statt
gemütlicher Wohlfühlkultur unterstützt
wird.
• Es kommt durch die Ausstellungs- und
Veranstaltungspolitik der Einrichtungen
zu einer Wettbewerbssituation innerhalb
Wolfsburgs, bei der sich die Einrichtungen gegenseitig die Besucher abziehen.
• Abhängigkeit vieler freier Kulturinstitutionen von einem starken ehrenamtlichen
Engagement der Mitglieder. Geht dieses
zurück, leidet darunter die Angebotsquantität und -qualität. Zentrale Schulung und Steuerung sind anzustreben,
ebenso die Einführung einer professionellen Ehrenamtsplattform, um Frührentner
und rüstige Ältere sinnvoll nach ihren
Möglichkeiten und Fähigkeiten einzusetzen.
• Viele Elternhäuser berücksichtigen bei
der Erziehung kaum oder gar nicht die
verschiedenen kulturellen Aspekte, so
dass die Kinder entsprechend selten mit
kulturellen Angeboten in Berührung
kommen.
• Wachsende Erschwerung eines chancengleichen Zugangs zu Kultur aufgrund
ökonomischer und sozialer Ungleichheit
des Publikums.
• Es findet in vielen Bereichen eine
Polarisierung von kulturnahen und kulturfernen Gesellschaftsschichten statt,
wodurch eine Begeisterung der kulturfernen Schichten für die bestehenden
Angebote zunehmend schwieriger wird.
• Die von der Stadt genannte und immer
wieder betonte Finanznot Wolfsburgs ist
ein großes Risiko für den Bereich Kultur.
Mitwirkende am
Kulturentwicklungsplan
der Stadt Wolfsburg
Der Beirat zum
Kulturentwicklungsplan
Vorsitzende:
Axel Bosse
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Sandra Straube
PUG-Fraktion
Mitglieder:
Wilfried Andacht
CDU-Fraktion
Heike Bartels
Agentur „just be agency“
Hans-Rüdiger Bromann-Manthey Fraktion WL
Petra Buntzoll
Stadtbibliothek
Willi Dörr
IG-Metall
Astrid Elisat
Agentur „just be agency”
Dr. Bettina Greffrath
Historische Museen
Prälat Heinrich Günther
Katholische Kirche
Dr. Wolfgang Guthardt
phæno
Thomas Muth
VV Finanzen und Controlling,
Kultur und Bildung
Sylvia Nichterwitz
Integrationsreferat
Prof. Dr. Susanne Pfleger
Städtische Galerie
Imam Mohamed Ibrahim
Islamisches Kulturzentrum
Anita Placenti-Grau Institut für Zeitgeschichte und
Stadtpräsentation
Dr. Stefano Jorio
Italienisches Kulturinstitut
Joachim Schingale
Wolfsburg Marketing GmbH
Nina Karmann
Autostadt
Dr. Birgit Schneider-Bönninger
Kultur und Bildung
Carola Kirsch
Jugend
Rainer Steinkamp
Theater Wolfsburg
Anja Kress
Autostadt
Oliver Syring
Wolfsburg AG
Hans-Joachim Lenke
Evangelische Kirche
Dr. Hans-Joachim Throl
FDP-Fraktion
Ulrike Lorenz
Kulturbüro
Rita Werneyer
Kunstmuseum Wolfsburg
Andreas Meyer
Musikschule
Frank-Helmut Zaddach
SPD-Fraktion
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
67
Teilnehmer des Workshops zum
Kulturentwicklungsplan am 06.
März 2010
Arbeitskreis „Kultur-Anbieter“
Unterteilt in fünf Arbeitsgruppen
Bildende Kunst
Brigitte Digel
Städtische Galerie
Monika Kiekenap-Wilhelm
Historische Museen, Moderatorin
Dieter Söchtig
Kunstverein Wolfsburg
Doris Weiß
10 KW/Ateliergemeinschaft Burg Neuhaus
Darstellende Kunst
Ozana Costin
Holzbanktheater
Christine Fechner
Drömling-Tee Ater
68
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
Yvonne Gerth
Drömling-Tee Ater
Andrea Haupt
Wolfsburger figurentheater-Compagnie
Renate Heidersberger-Weber
Experimentierbühne
Arnold Landen
Holzbanktheater
Andrea Otto
Drömling-Tee Ater
Günter Pawel
Kultur und Bildung, Moderator
Britta Roller
Tanzendes Theater
Christel Rothe
GalerieTheater Wolfsburg e.V.
Imke Thiel
Experimentierbühne
Nicole Trnka
Institut für Zeitgeschichte und
Stadtpräsentation
Stadtgeschichte/Ortsteile
Roland Beilner
Lehrer
Axel Bosse
Vorsitzender Beirat Kulturentwicklungsplan
Kristina Dykan
Hoffmann-von-Fallersleben-Gesellschaft
Dr. Bettina Greffrath
Historische Museen
Horst Gülde
Vertreter Ortsteil Vorsfelde
Dr. Hans-Viggo von Hülsen
Förderverein Stadtmuseum
Dr. Maria Schlelein
Arbeitsgemeinschaft Heimatpfleger
Dr. Birgit Schneider-Bönninger
Kultur und Bildung
Dr. Kurt Schuster
Hoffmann-von-Fallersleben-Gesellschaft
Bärbel Weist
Vertreterin Ortsteil Fallersleben
Vermittlung Kultur und
Bildung + Literatur
Imam Mohamed Ibrahim
Islamisches Kulturzentrum
Jugend- und Subkultur
Helge Allermann
Jugendhaus OST
Bernhard Zimbelmann
Porschehütte
Detlev Binder
Kulturnutzer
Dr. Stefano Jorio
Italienisches Kulturinstitut
Arne Hintz/Fr. Voigt
Schlachthaus (ehemalig)
Dr. Antonio Balistreri
Hans Karweik
Kulturredakteur
Dr. Justin Hoffmann
Kunstverein Wolfsburg
Sabine Engel
Ulrike Lorenz
Kulturbüro
Jens Hortmeyer
Stadtjugendring
Bodo Fleckstein
Johanna Pohlmann phæno
David Mellino
Culture Shocks
Heiko Gintz
Uwe Rabe
CongressPark
Theo Müller
Schülersprecher THG
Dieter Plünecke
Frank Rauschenbach
Hallenbad – Kultur am Schachtweg
John Murdoch
Autor Theaterstücke
Elfi Schmidt
Dr. Erna Reimann
BZW
Sebastiano Placenti
DJ
Dr. Dirko Thomsen
Anette Rugen
Stadtbibliothek
Anita Placenti-Grau
Institut für Zeitgeschichte und
Stadtpräsentation
Annegret Schulze
Literaturkreis
Sybille Thomas Personal, Moderatorin
Musik
Evelyn Kumpf-Wilke
Moderatorin
Markus Manderscheid
Kirchenkreiskantor
Helmut Meier
Chorverband Wolfsburg
Herr Meier
Stadtwerke Orchester
Dora Balistreri
Walter Fink
Siegfried Mahlmann
Betty Rannenberg
Ursula Seck
Hanne Wurps
Andreas Plate
Hallenbad – Kultur am Schachtweg
Severine Schellerer
Culture Shocks
Bernd Schulz Honorarkraft Städtische Galerie
Elke Schulz
Honorarkraft Museen
Thorsten Skowronski
Sauna – Club
Robert Stockkamp
Herausgeber „tacho“
Andreas Meyer
Musikschule
Sandra Straube
Stellv. Vorsitzende Beirat
Kulturentwicklungsplan
Herr Stute
Stadtwerke Orchester
Thorsten Vogel
Freizeitheime Jugend
Julian Werner
Jugendhaus OST
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
69
Teilnehmer des Führungskräftecurriculums am 11. Juni 2010
Werner Bone
GB Soziales und Gesundheit
Johannes Glücklich
GB Informationstechnologie
Thema „Stadt mit Kultur!“
Burkhard Boßdorf
Referat Rats- und Rechtsangelegenheiten
Eva Gommermann
GB Soziales und Gesundheit
Iris Bothe
GB Schule
Dr. Bettina Greffrath
Historische Museen
Peter Albrecht
GB Stadtplanung und Bauberatung
Petra Buntzoll
Stadtbibliothek
Karin Günterberg
GB Jugend
Dr. Tim Baedermann
Referat Rats- und Rechtsangelegenheiten
Christian Cordes
GB Jugend
Dr. Friedrich Habermann
Gesundheitsamt
Jürgen Ballmann
GB Straßenbau und Projektkoordination
Alexander Dennebaum
Trainee Oberbürgermeister
Elisabeth Hagemann-Herwig
GB Finanzen und Controlling
Waltraud Barkmann-Hoppe
GB Grün
Melanie Ebeling-Kariger
GB Informationstechnologie
Bernd-Michael Hilbig
GB Sport und Bäder
Andreas Bauer
Koordinationsreferent VV I
Christian Ebner
Feuerwehr
Karin Hoffmann
Wolfsburger Entwässerungsbetriebe
Linda Beuth
GB Finanzen und Controlling
Dr. Herbert Engel
Wolfsburger Abfallwirtschaft
und Straßenreinigung
Manfred Hüller
Referat Repräsentationen,
Internationale Beziehungen
Hartmut Gemoll
GB Grundstücks- und
Gebäudemanagement
Timo Kaupert
GB Schule
Wolfsburg kulturelles Zentrum
heute und in Zukunft
Jürgen Bley
GB Bürgerdienste
Andreas Bode
GB Straßenbau und Projektkoordination
70
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
Carola Kirsch
GB Jugend
Manfred Klaebe
GB Soziales und Gesundheit
Marlis Klos
GB Finanzen und Controlling
Daniela Krier
Koordinationsreferentin der Stadtbaurätin
Dieter Kuhfeld
GB Sport und Bäder
Sigrid Landsmann
GB Grundstücks- und
Gebäudemanagement
Dr. Stefan Leopold
Veterinäramt
Ulrike Lorenz
Kulturbüro
Roswita Lücke
GB Schule
Thomas Lüsse
GB Grundstücks- und
Gebäudemanagement
Winfried Nagler
GB Grundstücks- und
Gebäudemanagement
Kerstin Schöbel
GB Stadtplanung und Bauberatung
Sylvia Nichterwitz
Integrationsreferat
Birgit Schulz
GB Grundstücks- und
Gebäudemanagement
Burkhardt Noltemeyer
Wolfsburger Entwässerungsbetriebe
Nadine Steinhardt
GB Personal
Karsten Ostendorf
GB Sport und Bäder
Holger Stoye
Wolfsburg Marketing GmbH
Prof. Dr. Susanne Pfleger
Städtische Galerie
Jan Strehmann
Referat Strategische Planung/
Stadtentwicklung/Statistik
Axel Piepers
GB Schule
Anita Placenti-Grau
Institut für Zeitgeschichte und
Stadtpräsentation
Monika Thomas
Stadtbaurätin (VV IV)
Sybille Thomas
GB Personal
Lucie Pötter-Brandt
Gesamtschwerbehindertenvertretung
Petra Türke
GB Personal
Helmut Prinke
GB Grün
Dennis Weilmann
Referat Zentrale Koordination, OB-Büro,
Kommunikation
Birgit Rabofski
BZW/VHS gGmbH
Veronika von Manowski
Klinikum
Frank Rauschenbach
Hallenbad – Kultur am Schachtweg
Dr. Gerhard Meier
Wolfsburger Entwässerungsbetriebe
Ingrid Reher
GB Personal
Volker Menninger
GB Finanzen und Controlling
Gerald Rentz
GB Informationstechnologie
Andreas Meyer
Musikschule
Wolfgang Rettke
GB Personal
Kathrin Mohrs
Projekt „Wohlfühlstadt“
Klaus Rinke
GB Klinikum
Klaus Mohrs
Erster Stadtrat (VV I)
Reinhard Rodemann
GB Jugend
Diethelm Müller
GB Personal
Claudia Schablitzky-Kaiser
Koordinationsreferentin VV III
Helga Müller-Bertram
Referat Rechnungsprüfungsamt
Axel Schachel
GB Personal
Thomas Muth
Stadtrat (VV III)
Dr. Birgit Schneider-Bönninger
GB Kultur und Bildung
Hans-Joachim Wels
GB Klinikum
Silke Westphalen
GB Grün
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
71
Redaktion
Bildnachweis KEP
Chefredaktion:
Titel Ali Altschaffel
S. 3 Ali Altschaffel
S. 5 1: Ivonne Dekarski 2: Ali Altschaffel
S. 6/7 Ali Altschaffel
S. 9 Lars Landmann
S. 10 Lars Landmann
S. 13 Heinrich Heidersberger
S. 17 Willi Luther
S. 18 Ali Altschaffel
S. 19 Ali Altschaffel
S. 21 Ali Altschaffel
S. 22 Bernd Schulz
S. 24 Zooey Braun
S. 26/27 Michael von Hassel
S. 30 1: Joachim Thies
2: Klaus Gottschick
3: Kerstin Naucke
4: Klaus Gottschick
S. 31 1: Lars Landmann
2: Historische Museen
3: Kerstin Naucke
4: Historische Museen
S. 32 1: Manfred Hensel
2: Kerstin Naucke
3: Bernward Comes
4: Klaus Helmke
S. 33 1: Kerstin Naucke
2: Kerstin Naucke
3: Matthias Leitzke
4: Hallenbad
S. 34 1: Klaus Helmke
2: Jörg Scheibe
3: Lars Landmann
4: Lars Landmann
S. 35 1: Kerstin Naucke
2: Helge Landmann
3: Stadt Wolfsburg
4: Kerstin Naucke
S. 36 1: Kerstin Naucke
2: Lars Landmann
3: Joachim Thies
4: Kunstmuseum
S. 37 1: Städtische Galerie
2: Kerstin Naucke
3: Städtische Galerie
4: Städtische Galerie
S. 38 1: Städtische Galerie
2: Städtische Galerie
3: Klaus Helmke
4: Kunstverein
S. 39 1 – 4: Lars Landmann
S. 40 1: Figurentheater–Compagnie
2: Matthias Langer, Braunschweig
3: Günter Poley
4: Helge Landmann
S. 41 1: Theater
2: Hallenbad
Simone Neteler
Birgit Schneider-Bönninger
Redaktion und Texte Teil B:
Ingrid Eichstädt
Monika Kamphenkel
Ina Kathert
Monika Kiekenap-Wilhelm
Birgit Schneider-Bönninger
Florian Wonneberger
Schriftliche Beiträge zu Einzelaspekten
wurden verfasst von:
Matthias Bosenick
Petra Buntzoll
Chris-Silke Fischer
Nicole Froberg
Bettina Greffrath
Justin Hoffmann
Jens Hortmeyer
Manfred Hüller
Nina Karmann
Anja Kreß
Andreas Meyer
Sylvia Nichterwitz
Susanne Pfleger
Anita Placenti-Grau
Frank Rauschenbach
Bernd Rodrian
Rainer Steinkamp
Bernd Upadek
Agenturbegleitung:
just be agency Design und Produktion:
geckodesign
Herausgeber:
Stadt Wolfsburg
Oktober 2011
72
Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg
3: Figurentheater–Compagnie
4: Hallenbad
S. 42 1: Günter Poley
2: Kerstin Naucke
3: Hallenbad
4: phæno
S. 43 1 – 4: phæno
S. 44 1: Günter Poley
2: Aktionstheater PAN.OPTIKUM
3. Stadtbibliothek
4: Ali Altschaffel
S. 45 oben: Kerstin Naucke
mittig: Klaus Helmke
unten: Städtische Galerie
S. 46/47 Kerstin Naucke
S. 52 1: Lars Landmann
2: Klaus Hackländer
S. 55 1 – 2: Lars Landmann
S. 57 Ali Altschaffel
S. 60 Matthias Leitzke
S. 63 1 – 2: Angelika Böttcher
S. 64 Heike Bartels
S. 67 Manfred Hensel
S. 68 oben: Lars Landmann
unten 1: Lars Landmann
2: Heike Bartels
3: Lars Landmann
S. 69 1: Heike Bartels
2 – 3: Lars Landmann
S. 70 alle: Lars Landmann
S. 71 alle: Lars Landmann