Kulturentwicklungsplan zum
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Kulturentwicklungsplan zum
Kultur im 21. Jahrhundert Für die Stadt > für die Bürger > für die Zukunft Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 1 > Inhalt Seite Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg Theorie, Praxis und Visionen Kultur im 21. Jahrhundert: Für die Stadt – für die Bürger – für die Zukunft Thomas Muth 3 4 Kulturentwicklungsplanung – elementares Mittel für den Aufbau einer modernen Kulturlandschaft Simone Neteler und Birgit Schneider-Bönninger Teil A: Theorie 8 I. Richtungsweisende Impulse für die Kulturpolitik Simone Neteler und Birgit Schneider-Bönninger 11 II. Stadt ist Kultur Axel Bosse 20 III. Ein Konzept für die Zukunft Simone Neteler und Birgit Schneider-Bönninger 23 IV. Kreative Bürger in einer kreativen Stadt Simone Neteler und Birgit Schneider-Bönninger Teil B: Praxis Zehn Schwerpunkte für die Kulturentwicklung in Wolfsburg Einblicke, Ziele und Schlüsselprojekte 28 Präambel 30 1 Kulturelles Erbe und Erinnerungskultur 32 2 Orts- und Stadtteilkultur, Soziokultur und Bürgerengagement 33 3 Jugendkultur, Subkultur, Freie Szene und Offene Räume 34 4 Internationalität, Integration und Interkultur 36 5 Kulturelle Bildung 38 6 Zeitgenössische Kunst 39 7 Baukultur 40 8 Theater, Musik, Literatur und Veranstaltungskultur 42 9 Wissenschaft und neue Technologien 44 10 Kulturmarketing und Kulturförderung, Kultur- und Kreativwirtschaft Teil C: Visionen 49 I. Modell für Europa: der Wolfsburger BildungsCampus am Klieversberg Iris Bothe und Birgit Rabofski 53 II. Das Alvar-Aalto-Kulturhaus: zurück in die Zukunft Nicole Froberg und Monika Kiekenap-Wilhelm 56 III. Die Utopie des Realen Susanne Pfleger 58 IV. Das Zuhause der Zukunft Julius von Ingelheim 61 V. Die Welt in einem Haus: das „Haus der Nationen“ Dirk Grabow und Sylvia Nichterwitz 64 Anhang, Redaktion, Bildnachweis Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung (wie z.B. „Bürgerinnen und Bürger“) verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichberechtigung für beide Geschlechter. Kultur im 21. Jahrhundert: Für die Stadt – für die Bürger – für die Zukunft Das Kulturkonzept der Stadt Wolfsburg Thomas Muth Der vorliegende Kulturentwicklungsplan (KEP) und die in ihm zusammengestellten vielseitigen Projekte sowie Arbeitsansätze fühlen sich der Tradition zur Moderne verpflichtet – und damit einem Oberziel, das die Stadt Wolfsburg seit jeher prägt. Städtische Kulturpolitik möchte Zeichen setzen und dabei visionär, innovativ, ja, außergewöhnlich sein. Sie möchte nach innen wie nach außen sichtbar und erlebbar machen, dass die Stadt ein attraktiver Lebensraum ist, der gleichermaßen Identifikations- und Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Der in Wolfsburg 1997 mit dem Stadtleitbild eingeschlagene Weg – Innovation durch Kunst und Technik – hat sich langfristig als die richtige Strategie erwiesen: Heute präsentiert sich die Kultur in unserer Stadt mobil, modern und kreativ. Dafür stehen die kulturellen Flaggschiffe wie z. B. das phæno oder das Kunstmuseum genauso wie auch eine Vielzahl kleinerer, doch trotzdem beachtenswerter Projekte. Sie alle wissen auf ihre Art zu überzeugen, sie alle verbindet ein beeindruckend exklusiver Qualitätsanspruch! Diesen hohen Anspruch an Qualität auch für die Zukunft zu sichern und zu erfüllen, dabei die nachhaltige Wertigkeit der Angebote, wenn möglich, noch auszubauen – genau diese Ziele hat sich der hier vorliegende KEP gesetzt. Dabei sollen die gestaltenden Potenziale der Stadt für eine effektive, hochwertige und erfolgreiche Kulturarbeit gebündelt und vernetzt werden. Im Austausch miteinander kann eine innovative, Zeichen setzende Kulturarbeit gelingen; aufeinander abgestimmt prägen alle gemeinsam im Rahmen der eigenen Möglichkeiten das Gesamterscheinungsbild unserer Stadt. Im Mittelpunkt städtischer Kulturarbeit steht dabei immer und vor allem, kulturellen Projekten den Boden zu ebnen, indem die dafür nötigen Strukturen verbessert bzw. gegebenenfalls neu geschaffen werden. Der Wolfsburger Kulturentwicklungsplan möchte dazu beitragen, innerhalb der Stadt eine Plattform für kreative Veränderung zu bieten. Es gilt, nicht eindimensional, sondern mehrgleisig zu denken. Die Stärken vorhandener Angebote sind zu erkennen, zu unterstützen und zu fördern. Parallel dazu sind jedoch weitere neue Möglichkeiten für städtische Kulturprojekte auszuloten. In diesem Sinne bietet der KEP nicht nur Anreize zum Konsum von Kultur, sondern auch fundierte Anregungen für eigene Kulturinitiativen. Das aufgefächerte Kaleidoskop erarbeiteter Schlüsselprojekte bietet dabei den Nährboden, auf dem auch mutige und beherzte Visionen in unserer Stadt ihren Platz finden und Wirklichkeit werden können. Ziel ist es, dass Wolfsburg seiner Tradition treu bleibt und sich auch in Zukunft da, wo es nötig ist, immer wieder neu erfindet. Schließlich ist Wolfsburg die Stadt, in der Neues immer möglich war – die dafür nötige Aufgeschlossenheit und den ureigenen Pioniergeist gilt es mit dem Kulturentwicklungsplan in das nächste Jahrzehnt zu tragen. Schon heute bietet Wolfsburg dank seines vielfältigen Kulturangebots Einheimischen, Neubürgern und Touristen eine feste Basis für gelebte Identifikation und lebendige Aktivität. Bereits jetzt sind es zahlreiche Kommunikations- und Experimentiermöglichkeiten, die Wolfsburg modern, attraktiv und in seiner Einzigartigkeit erkennbar werden lassen. Sie sind es, die unsere Stadt „er-lebenswert“ machen! So haben alle im vorliegenden Kulturentwicklungsplan präsentierten und kreierten Projekte schon von Haus aus eine überzeugende Grundlage, um sie weiterzuentwickeln oder gegebenenfalls neu zu realisieren. Wir in Wolfsburg wissen, dass auf dem Weg in die Zukunft Bestehendes nie außer Acht gelassen werden sollte: Eine Stärkung vorhandener Strukturen, das Herausheben verborgener Schätze und die Zusammenschau wichtiger Facetten – nur das zusammengenommen trägt maßgeblich dazu bei, Gutes noch besser zu machen. Der erste Schritt ist getan, die Eckpfeiler sind gesetzt. Die zehn Schwerpunkte des Wolfsburger Kulturentwicklungsplans bieten Instrumente sowohl zur weiteren Profilierung der Stärken als auch für neue kulturelle Meilensteine. Dazu gehören aktuell u.a. das „Artist-in-Residence“-Programm, das Weltraumlabor des Planetariums, die Kultur im öffentlichen Raum, die Kunstmeile Porschestraße, das Kunstfestival, die Neuerfindung des Alvar-Aalto-Kulturhauses als Haus der Kultur und Baukultur, aber auch das historische Dreigestirn Burg Neuhaus, Schloss Wolfsburg und Schloss Fallersleben. Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg wurde von einem mehrköpfigen Redaktionsteam verfasst. An der detaillierten Ausarbeitung von Zielen und Schlüsselprojekten innerhalb der kulturellen Schwerpunktthemen waren zahlreiche Personen aus Kultur, Politik, Wirtschaft und städtischer Verwaltung, aber auch kulturinteressierte Bürger beteiligt. Ihnen allen sei für ihre Kreativität und ihr leidenschaftliches Engagement gedankt. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang Axel Bosse und Sandra Straube, die beiden Vorsitzenden des Beirats, sowie die Agentur „just be agency“, die den KEP-Prozess begleitete. Kultur wird oft als ein „weicher Standortfaktor“ bezeichnet. Sie ist aber weit mehr! Sie ist es, die uns geistige Nahrung gibt. Sie schafft die nötigen Freiräume, die für kreatives Denken in all seiner Vielfalt nötig sind. Moderne Politik des 21. Jahrhunderts zeichnet sich durch neue Formen der Bürgerbeteiligung in Planungs- und Veränderungsprozessen aus. Mit dem vorliegenden KEP ist eine tragfähige Grundlage für eine innovative Kulturarbeit Wolfsburgs errichtet. Nun bleibt es der Politik vorbehalten, die Richtung zu weisen: für die Stadt – für die Bürger – für die Zukunft. Thomas Muth (*1966) studierte Kulturmanagement sowie Verwaltungsbetriebswirtschaft und Wirtschaftswissenschaften. Er ist seit Juli 2008 als Verwaltungsvorstand und Stadtrat der Stadt Wolfsburg tätig und leitet das Dezernat für Finanzen und Controlling, Kultur und Bildung. Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg ist unter seiner Federführung entstanden. Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 3 Kulturentwicklungsplanung – elementares Mittel für den Aufbau einer modernen Kulturlandschaft Simone Neteler und Birgit Schneider-Bönninger „Kultur für alle“ ist „Kultur von allen“1 Kultur und Gesellschaft sind zwei Größen, die nicht ohne die jeweils andere zu denken sind. So wie die Kultur aus der Gesellschaft entspringt, ist sie gleichzeitig von ihr beeinflusst und deren Wandlungsprozessen unterworfen. Die Gesellschaft ist immer in Bewegung, gesellschaftliche Veränderungen sind zeitabhängig und spiegeln sich in Begriffen wie Globalisierung, Medialisierung, aber auch Individualisierung, Pluralisierung, Migration oder Integration. Die damit verbundenen Herausforderungen haben Auswirkungen auf das Leben der Menschen miteinander; entsprechend ändern sich Lebensentwürfe und familiäre Strukturen, was sich auch in Wortneuschöpfungen wie „Singlehaushalt“ oder „Patchworkfamilie“ offenbart. Auf der anderen Seite wirkt die aus der Kultur erwachsende Kraft auf die Gesellschaft zurück, gibt ihr Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung, fördert das eigene Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein, ja, Kultur gibt ohne Frage auch bedeutende Impulse dafür, dass sich die Menschen mit ihrer Heimat identifizieren. Kultur wird somit zu einem Gradmesser von Standortqualitäten einer Stadt oder Region, zu einem wichtigen Kriterium, wenn es darum geht, Lebensbedingungen, überzeugende Infrastrukturen oder eben auch soziale Qualitäten einer Gesellschaft zu bewerten. Kultur verbindet dabei Tradition und Moderne, denn sie versucht, zu bewahren und zeigt gleichzeitig eine 1 Das Motto ist von Prof. Oliver Scheytt in seinem Buch „Kulturstaat Deutschland. Plädoyer für eine aktivierende Kulturpolitik“ (Bielefeld 2008) ausführlich begründet worden. Siehe hierzu auch das Vorwort im Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ (Regensburg 2008): „Kunst und Kultur dürfen kein Luxusgut einiger weniger Privilegierter sein. Die Teilhabe aller an der Kultur muss gewährleistet sein, denn sie bedeutet auch Teilhabe an der Gesellschaft. Eine starke Breitenkultur, an der sich jeder aktiv beteiligen kann, ist insofern eine Voraussetzung für ein flächendeckendes Angebot von Kultur für alle und von allen“ (S. 13). 4 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg zukunftsgewandte Offenheit für Neues, für das Innovative. Die hier nur kurz beschriebene Wechselbeziehung und gegenseitige Wirkungsnahme von Kultur und Gesellschaft im Wandel der Zeiten hat entscheidende Auswirkungen auf die Kulturpolitik, die heutzutage nicht mehr nur „Kultur für alle“ anbieten, sondern im besten Falle auch „Kultur von allen“ fördern sollte. Über die Planbarkeit von kultureller Entwicklung Es ist keine Frage des Blickwinkels, sondern eine Tatsache, dass moderne Gesellschaften heute vor großen Herausforderungen stehen. Die demografische Entwicklung, die Globalisierung, die Möglichkeiten (und Risiken) der Neuen Medien, allen voran des Internets, aber auch die Notwendigkeit eines ressourcenschonenden Lebens fordern uns auf, kreativ und weitsichtig, verantwortungsvoll und ausgewogen Lösungen anzubieten. Die dabei entstehende Gesellschaftsstruktur wird an alle neue Anforderungen stellen – im Sinne der oben beschriebenen Wechselwirkung mit der Kultur auch an die Kulturpolitik. Deshalb muss diese mit neuen Konzepten, mit angepassten Strategien und Zielen, dabei immer aufbauend auf dem Vorhandenen, den Kulturbetrieb sichern und für die neuen Zeiten „fit“ machen. Ein wesentliches Instrument für den Aufbau einer gleichzeitig modernen und bewahrenden, offenen und in sich gefestigten Kulturlandschaft, einer Kulturlandschaft für die Gesellschaft und gleichzeitig für das einzelne Individuum stellt die Kulturentwicklungsplanung dar. So empfiehlt auch die EnqueteKommission „Kultur in Deutschland“ (2003 – 2007), deren Erkenntnisse wir in einer Zusammenfassung dieser Publikation als Basis voranstellen, in ihrem Schlussbericht nachdrücklich die Erarbeitung von Kulturentwicklungsplänen, da diese „langfristig kulturelle Infrastruktur“ sichern.2 Ein Kulturentwicklungsplan (KEP) plant dabei nicht direkt Kunst und Kultur. Vielmehr definiert er den Ist-Zustand der kulturellen Situation in der Kommune, er 2 Deutscher Bundestag (Hrsg.): Kultur in Deutschland. Schlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages (15. und 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages) Regensburg 2008, S. 334. dokumentiert also aktuelle Ziele und den allgemeinen Stand der Kulturarbeit vor Ort. In einem zweiten Schritt leitet er für einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren – also mittel- und langfristig – unterschiedliche Entwicklungsphasen und Ziele ab, zudem formuliert er kreative Maßnahmen und Projekte „vernetzter“ Kulturarbeit. Grundsätzlich betrachtet Kulturentwicklungsplanung nicht nur einzelne Institutionen, sondern erfasst den gesamten Kulturbereich einer Kommune und trägt zur Analyse der Kulturstruktur bei. Kulturentwicklungsplanung als Annäherung und kreativer Prozess zur Neugestaltung einer Kulturlandschaft hat in der Bundesrepublik Deutschland durchaus Tradition. Bereits Mitte der 1970er-Jahre erarbeiteten Städte wie Göttingen, Osnabrück oder Nürnberg einen KEP. Heutzutage liegen Kulturentwicklungspläne im Trend, wie die entsprechenden Arbeiten für Oldenburg (2007), Leipzig (2008) oder Köln (2009) beweisen. Der Begriff „Kulturentwicklungsplan“ signalisiert durch die Verbindung von inhaltlichen Perspektiven und mittelfristiger Planung kulturpolitischen Gestaltungswillen und Aufbruch. Werden Kunst und Kultur als wichtige Faktoren für gesellschaftliche Innovationskraft tatsächlich ernst genommen, kann es nicht bei der „bloßen“ Verwaltung und damit mehr oder weniger Fortschreibung „alter“ Gewohnheiten bleiben. Es bedarf vielmehr des Versuchs, Impulse und Initiativen zur Weiterentwicklung des städtischen Kulturund Kunstlebens anzuregen und in Gang zu setzen. Auch und gerade provokative Thesen sind ganz im Sinne einer zeitgemäßen Kulturentwicklungsplanung, die in einem breiten gesellschaftlichen Diskurs entsteht und damit, aber selbstverständlich auch in ihrer Wirkung, das öffentliche Interesse an Kultur stärkt. Die Ergebnisse von Kulturentwicklungsplanung sind in der Ausrichtung und in den ausgewiesenen Zielen äußerst differenziert und nicht von Kommune zu Kommune oder von Region zu Region übertragbar, da der jeweilige KEP die einzelnen städtischen Besonderheiten berücksichtigt, ja, auf genau diesen aufbaut. Ein Kulturentwicklungsplan für Wolfsburg Auch Wolfsburg hat solche Spezifika zu bieten. So wurde der kulturelle Status der Stadt einerseits in den 1950er- und 1960er-Jahren definiert, wie das zweite Kapitel des KEP ausführlich darlegen wird. Objekte wie das Alvar-Aalto-Kulturhaus oder andere klassische Architektur der Moderne, z.B. der Theaterbau des Berliner Baumeisters Hans Scharoun, stammen aus dieser Zeit und haben im kulturellen Leben der Stadt ihren herausragenden Platz gefunden. Damals wurde auch der Grundstock für eine mittlerweile beeindruckende Sammlung zeitgenössischer Kunst gelegt. Seit der Eingemeindung 1972 ist zudem unbestritten, dass sich das kulturelle Leben in Wolfsburg nicht nur auf die zentralen Kulturangebote, Veranstaltungen und Institutionen, sondern auch auf die dezentralen Voraussetzungen und Aktivitäten in 20 Stadt- und Ortsteilen stützt. Aus der Gründungsgeschichte der Stadt ergibt sich außerdem eine seit vielen Jahren bewusst gelebte, bürgerschaftlich initiierte Erinnerungskultur, die sich der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit verpflichtet fühlt und diese auch aktiv an Erinnerungsorten praktiziert. Mit Autostadt, Kunstmuseum und phæno hat sich darüber hinaus in Wolfsburg an der Schwelle zum 21. Jahrhundert Kultur mit Niveau und internationaler Ausstrahlung verankert, die aber – allemal im Falle des phæno – elitäre Züge meidet und mit hohen Besucherzahlen nachweist, dass hier eine kulturelle Teilhabe breiter Kreise stattfindet. „Ideen zur weiteren Entwicklung der Kultur unserer Stadt zu überlegen und Vorschläge darüber zu formulieren.“ Damit wurde die Initialzündung für die Erarbeitung eines Kulturentwicklungsplans gegeben, der in einem breiten demokratischen Prozess – in Zusammenarbeit von kulturinteressierten Bürgern, Kulturschaffenden, Experten und Politikern – kreativ entworfen wurde. Eingebettet in die strategische Kommunalpolitik und basierend auf dem Stadtleitbild von 1997, legt der KEP der Stadt Wolfsburg unter der Prämisse der „kreativen Stadt“ die Prioritäten und Rahmenbedingungen für die Kulturpolitik in Wolfsburg für die nächsten zehn Jahre und damit bis 2021 fest. Der Kulturausschuss der Stadt Wolfsburg hat den Kulturentwicklungsplan in die vorliegende Form gebracht und dem Rat der Stadt Wolfsburg zur Beschlussfassung vorgelegt. Der Rat der Stadt Wolfsburg hat den KEP in der Sitzung vom 22. Juni 2011 beschlossen. Der KEP Wolfsburg ist damit zwar fertiggestellt, wird aber aktuellen Entwicklungen und Bedürfnissen immer wieder flexibel angepasst. Änderungen und Neujustierungen werden angesichts des kulturellen und gesellschaftlichen Wandels regelmäßig unumgänglich sein und den zuständigen Organen zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt werden. Die jährliche Festlegung und Priorisierung der Schlüsselprojekte in den einzelnen kulturellen Schwerpunkten obliegt der Entscheidung der politischen Gremien. Konsens für die Kultur: KEP einstimmig vom Rat der Stadt Wolfsburg verabschiedet. Der KEP gliedert sich in drei zentrale Abschnitte: Der erste Teil beschreibt allgemeine kultur- und kommunalpolitische Grundlagen, der zweite Teil skizziert die konkreten zehn Schwerpunkte der Kulturentwicklung und ein dritter Abschnitt entfaltet Visionen sowie Utopien. Im Anhang findet sich sowohl die Dokumentation des Beteiligungsprozesses als auch ein Auszug aus der SWOT-Analyse („just be agency“). Betrachtet man die Gesamtsituation allerdings genauer, wird schnell deutlich, dass sich auch die Kulturpolitik in Wolfsburg neu „erfinden“ und positionieren muss, um auf neue Herausforderungen angemessen reagieren zu können. Die Ausbildung einer partizipatorischen kulturellen Identität Wolfsburgs, die Inklusion unterschiedlicher Kulturnutzer, Vernetzung und Qualität sind zentrale Eckpunkte einer Kulturpolitik von morgen. Vor diesem Hintergrund formulierte die SPD-Fraktion im Januar 2006 einen Antrag, der die Entwicklung eines organisatorischen Rahmens für ein Gremium einforderte, dessen Aufgabe es sein sollte, Simone Neteler (*1966) war nach einem Studium der Publizistik, Germanistik und Psychologie viele Jahre enge Mitarbeiterin des Schriftstellers Walter Kempowski. Sie lebt als freie Journalistin und Autorin in Berlin. Dr. Birgit Schneider-Bönninger (*1963) ist promovierte Historikerin. Seit 1999 gestaltet sie Kulturarbeit in Wolfsburg, seit 2010 als Geschäftsbereichsleiterin Kultur und Bildung. Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 5 6 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg A Theorie Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 7 I. Richtungsweisende Impulse für die Kulturpolitik Zu den Ergebnissen der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ (2003 – 2007) Simone Neteler und Birgit Schneider-Bönninger Bestandsaufnahme und Handlungsempfehlungen für den Bund, die Länder und die Kommunen Die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages hat im Dezember 2007 mit ihrem Abschlussbericht eine der umfassendsten Untersuchungen zur Situation der deutschen Kunst- und Kulturlandschaft in der Geschichte der Bundesrepublik vorgelegt.3 3 Die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ wurde auf Beschluss des Deutschen Bundestages eingesetzt und nahm im Oktober 2003 ihre Arbeit auf. In der Kommission waren Abgeordnete aller im Bundestag vertretenen Fraktionen sowie elf Sachverständige Mitglieder aus der Landespolitik, Wirtschaft und künstlerischen Praxis vertreten. Die Kommission beschäftigte sich während der 15. Legislaturperiode zunächst mit der deutschen Kulturlandschaft. Im Zentrum der Beratungen standen anfänglich die öffentliche und private Förderung von Kunst und Kultur unter Berücksichtigung des Strukturwandels, die wirtschaftliche und soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler sowie die kulturelle Grundversorgung in der Kulturlandschaft und dem Kulturstandort Deutschland. Infolge vorgezogener Wahlen zum Deutschen Bundestag im Jahr 2005 konnte die Kommission ihre Arbeit nicht abschließen; stattdessen wurde ein Zwischenbericht verfasst, der die bisherigen Arbeitsergebnisse festhielt und in dem sich die Kommissionsmitglieder einstimmig für die Aufnahme des „Staatsziels Kultur“ im Grundgesetz aussprachen. Die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ konstituierte sich nach den Neuwahlen in der 16. Legislaturperiode erneut. Ihre Aufgabenbereiche wurden dabei explizit um die Themenfelder Kulturwirtschaft, kulturelle Bildung, Kultur in der Informations- und Mediengesellschaft sowie europäische Kulturpolitik erweitert. Am 11. Dezember 2007 überreichte die Enquete-Kommission Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert ihren Abschlussbericht. Das Kompendium für eine zukunftsgerichtete Kulturpolitik wurde einstimmig und parteiübergreifend verabschiedet. 8 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg Der nach insgesamt vierjähriger Arbeit präsentierte Report erfüllt zwei wesentliche Aufgaben: Zum einen bietet er eine äußerst vielschichtige Bestandsaufnahme des kulturellen Lebens, zum anderen formuliert er insgesamt 456 konkrete Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige und visionär ausgerichtete Kulturpolitik. Zwar fungieren Enquete-Kommissionen grundsätzlich als Beratungsgremien des Deutschen Bundestages, doch hat die Kommission „Kultur in Deutschland“ nicht nur Empfehlungen für den Bundesgesetzgeber ausgesprochen, sondern darüber hinaus auch die Bundesländer, Kommunen und die Institutionen des kulturellen Lebens in ihre Betrachtungen miteinbezogen. Damit berücksichtigt die Kommission die Tatsache, dass gerade Länder und Kommunen eine besondere Verantwortung tragen, wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur zu verbessern. Die formulierten Empfehlungen richten sich entsprechend nicht nur an bundespolitische Einrichtungen, sondern bieten darüber hinaus eine wichtige Informations- und Argumentationshilfe für die Kulturarbeit direkt vor Ort. eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen, und die über Kunst und Literatur hinaus auch Lebensformen, Formen des Zusammenlebens, Wertesysteme, Traditionen und Überzeugungen umfasst“.4 In diesem Zusammenhang erhält auch der Begriff der „kulturellen Vielfalt“ eine weitreichende Bedeutung. So definierte die UNESCO im „Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“ im Jahr 2005: „Kulturelle Vielfalt bezieht sich auf die mannigfaltige Weise, in der die Kulturen von Gruppen und Gesellschaften zum Ausdruck kommen. […] Die kulturelle Vielfalt zeigt sich nicht nur in der unterschiedlichen Weise, in der das Kulturerbe der Menschheit durch Kultur und kulturelle Vielfalt eine Vielzahl kultureller Ausdrucksformen zum Ausdruck gebracht, bereichert und weitergegeben wird, sondern auch in den vielfältigen Arten des künstlerischen Schaffens, der Herstellung, der Verbreitung, des Vertriebs und des Genusses von kulturellen Ausdrucksformen, unabhängig davon, Der Enquete-Bericht legt einen breit gefächerten Kulturbegriff zugrunde, wie er seit der UNESCO-Kulturkonferenz von Mexiko im Jahr 1982 international gilt und im Laufe der Jahre immer wieder angepasst und erweitert worden ist. Danach wird die Kultur als „Gesamtheit der unverwechselbaren geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Eigenschaften angesehen […], die Kultur in der Stadt ist wesentlich mehr als Kultur von der Stadt. 4 Deutscher Bundestag (Hrsg.): Kultur in Deutschland. Schlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages (15. und 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages). Regensburg 2008, S. 57. welche Mittel und Technologien verwendet werden.“5 Erhalt und Förderung dieser kulturellen Vielfalt werden im Enquete-Bericht als erstrebenswerte Ziele festgeschrieben; zudem sollen alle Mitglieder der Gesellschaft die Möglichkeit haben, „ihren eigenen kulturellen Interessen zu folgen, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und am kulturellen Leben teilzunehmen“6, was auch als wesentliche Aufgabe kultureller Bildung angesehen wird. Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik Der Kulturbegriff im Sinne der UNESCO zielt auf die Gesellschaft als Ganzes wie auch auf das einzelne Individuum. Der Begriff „Kultur“ beinhaltet entsprechend die spezifischen Eigenschaften einer Gesellschaft, aber auch die unzähligen Entfaltungsmöglichkeiten des einzelnen Individuums. Die Kulturpolitik muss sowohl die individuellen wie auch die gemeinschaftlichen Wirkungen von Kultur offenlegen und berücksichtigen. Auf der anderen Seite agiert sie selbst in inhaltlichen Bereichen von Kunst und Kultur und trägt für das eigene Handeln Verantwortung. Erfolgreiche Kulturpolitik berücksichtigt die beiden Dimensionen von Kultur – Wirkung und Handeln – gleichermaßen; sie vermittelt also „zwischen gesellschaftlicher Situation/Entwicklung einerseits und staatlichem/kommunalem Handeln im Blick darauf andererseits.“7 Kulturpolitik zielt dabei selbst auf eine gesellschaftliche Wirkung und ist Teil des demokratischen Handelns, was die Kommission mit dem Kernsatz „Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik“ untermauert.8 Vor diesem Hintergrund ist das von der Enquete-Kommission entworfene Leitbild für den Kulturstaat Deutschland nicht das eines subsidiär aufgebauten Kulturstaates, sondern setzt auf eine „aktivierende“ und partizipatorische Rolle des Staates: Das heißt, Staat und Kommunen sind verantwortlich für einen Großteil der kulturellen Infrastruktur, beziehen darüber hinaus jedoch Akteure und Institutionen aus Wirtschaft und Gesellschaft bewusst in die Verantwortung mit ein. Oliver Scheytt, Kulturpolitiker, Professor für Kulturpolitik und selbst Sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission, hat dafür 5 Ebenda, S. 58. 6 Ebenda. 7 Ebenda, S. 64. 8 Ebenda, S. 63. den Begriff des „aktivierenden Kulturstaates“ geprägt9: „Aktivierende Kulturpolitik operiert nicht nur mit Blick auf die Bereitstellung von Ressourcen und die Gestaltung von Recht, sondern setzt dafür vor allem auf die Gestaltung von Relationen und das Zusammenspiel aller“.10 Dies bedingt laut Enquete-Bericht eine offene Gestaltung der Willensbildung, insbesondere durch den kulturpolitischen Diskurs mit gesellschaftlichen Akteuren: „Kulturpolitik ist also kein ‚Closed-Shop‘ der öffentlich verantworteten und getragenen Institutionen, sie lebt vielmehr vom Diskurs und der Teilhabe zahlreicher Akteure aus der kulturellen Szene und der Bürgerschaft“.11 Dahinter steht die Einsicht, dass gesellschaftliche Probleme nicht nur durch den Staat im Grundgesetz zu verankern“12 und als Artikel 20b GG einzufügen mit der Formulierung: „Der Staat schützt und fördert die Kultur.“13 Damit greift die Kommission einen Vorschlag auf, der bereits in dem EnqueteZwischenbericht „Kultur in Deutschland – Kultur als Staatsziel“ aus dem Jahr 2005 formuliert worden war und der als Kapitel 2.4 in den Schlussbericht eingegangen ist. Auch wenn dies vielleicht eine der grundlegendsten Empfehlungen der EnqueteKommission „Kultur in Deutschland“ darstellt, zumindest aber diejenige ist, die viel Aufmerksamkeit erregt hat, so sollen die weiteren Forderungen nicht vergessen werden. Die Kommission empfiehlt und begründet eine verbindlichere Form der Kulturförderung, die Neubewertung der Lichtinszenierung im Rahmen der Phaenomenale: Das Science & Art Festival lädt seit 2007 zu künstlerischer, wissenschaftlicher und medialer Auseinandersetzung ein. gelöst werden können, sondern – wenn möglich – auch die Bürgergesellschaft einbezogen werden und kompetent Verantwortung übernehmen soll. Kultur als Staatsziel Bundeskulturpolitik, eine Stärkung der kulturellen Bildung, die Unterstützung der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie auch des bürgerschaftlichen Engagements, das allerdings nicht als Ersatz für staatliche Kulturförderung verstanden werden dürfe. Als eine der Kernforderungen empfiehlt die Enquete-Kommission, „Kultur als Staatsziel Kulturpolitik ist Kommunalpolitik 9 Siehe dazu: Scheytt, Oliver: Kulturstaat Deutschland. Plädoyer für eine aktivierende Kulturpolitik. Bielefeld 2008. Die FDP-Fraktion und der Sachverständige Olaf Zimmermann bevorzugen dagegen den Begriff des „ermöglichenden Kulturstaates“. Sie sehen den Staat primär in der Pflicht, Rahmenbedingungen für die Kultur zu setzen. Darüber hinaus kommen die Kommissionsmitglieder zu der Einschätzung, dass Kunst und Kultur als integrale Bestandteile der Gesellschaft dauerhaft gesichert werden müssen, wobei vor allem der kommunale Bereich im Mittelpunkt der Betrachtungen steht: „Kulturpolitik ist in der 10 Scheytt, Oliver: Aktivierender Kulturstaat. In: Kulturpolitische Mitteilungen, Nr. 122, III/2008, S. 36. 11 Deutscher Bundestag (Hrsg.): Kultur in Deutschland. Schlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages (15. und 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages). Regensburg 2008, S. 65. 12 Ebenda, S. 89. 13 Ebenda. Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 9 Bundesrepublik Deutschland in erster Linie Kommunalpolitik“.14 Präsidium und Hauptausschuss des Deutschen Städtetages haben in ihrer Herbstsitzung 2009 die kommunal relevanten Aussagen und Empfehlungen der EnqueteKommission begrüßt und zudem grundsätzliche Aussagen zu einer Kulturpolitik der Gemeinden und Städte formuliert.15 Ganz im Sinne des „aktivierenden Kulturstaates“ plädiert auch der Städtetag für eine gesamtgesellschaftliche Leistungserbringung: „Kultur in der Stadt ist wesentlich mehr als Kultur von der Stadt“.16 Bei der Ausweisung des kommunalen Kulturauftrags spielt der Begriff „Governance“ eine zentrale Rolle. Dahinter verbirgt sich ein Verwaltungsleitbild, welches sich auf die Idee des „aktivierenden Staates“ zurückfüh- werden nicht gegeneinander ausgespielt, sondern miteinander verbunden“.17 Zur Umsetzung von Governance dienen auch Kulturentwicklungspläne, die sowohl von der Enquete-Kommission als auch vom Deutschen Städtetag als überzeugende Planungsinstrumente nachdrücklich eingefordert werden. Im bundesdeutschen Kulturdiskurs findet derzeit ein Paradigmenwechsel statt. Olaf Schwencke, einer der Wegbereiter der „Neuen Kulturpolitik“ in den 1970erJahren, plädiert vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts (wie beispielsweise dem demografischen Wandel, der Medialisierung, der Kluft zwischen Armut und Reichtum etc.) für eine Kulturpolitik der Zukunft, in der Kultur endgültig nicht mehr als Ressort, Die Kulturgesellschaft wiederum ist der Reflexionsraum bzw. die Matrix für eine Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik. Mit den Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission hat sich der Stellenwert von Kultur in der Politik auf nationaler Ebene erhöht: „Es ist das entschiedene Interesse, die Kreativität und das Engagement der Bürger, was die Kulturnation ausmacht. Es geht darum, Raum und Unterstützung dafür zu schaffen. […] Der Schlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages ‚Kultur in Deutschland‘ ist eine Fundgrube praktischer Vorschläge dafür. So genau ist die kulturelle Landschaft Deutschlands noch nie vermessen worden.“19 „Hoffmannstadt Fallersleben“: Buchpräsentation im Hoffmannhaus. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 – 1874), der Dichter der deutschen Nationalhymne, wurde im Ortsteil Fallersleben geboren. ren lässt. Das Prinzip „Governance“ hat den Anspruch, die kulturpolitischen Aufgaben auf mehrere Akteure zu verteilen und nicht nur durch staatliches Handeln zu garantieren. Die angestrebten Ziele sollen kooperativ erreicht werden: „Das Governance-Konzept setzt nicht auf Aufgaben- und Verantwortungstrennung, sondern auf Verantwortungsteilung und Kooperation, mithin auf Verantwortungspartnerschaft. […] Die Handlungslogiken Hierarchie (Staat), Tausch (Markt) und Solidarität (Bürgergesellschaft) 14 Ebenda, S. 71. 15 Deutscher Städtetag (Hrsg.): Kultur in Deutschland aus Sicht der Städte. Positionsbestimmung zum Bericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages, Beschluss des Hauptausschusses des Deutschen Städtetages in der 196. Sitzung am 05.11.2009 in Berlin. 16 Ebenda. 10 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg sondern als „Querschnittsaufgabe“ begriffen wird, die neue Allianzen und Synergien erfordert. Der ehemalige Münchener Kulturreferent Siegfried Hummel spricht von der „Kulturpolitik der Zweiten Moderne“ in einer alternden wie dialogisch orientierten Gesellschaft, die radikal in anderen Politiken intervenieren muss: „Kulturpolitiker müssen sich […] in den Niederungen der Arbeitspolitik, der Bildungspolitik und auch in der der Verfassungspolitik zu Wort melden und dort die Mühen der Ebene auf sich nehmen.“18 17 Knoblich, Tobias J.: Zur Begründung von Cultural Governance. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 08/2009, 16.02.2009. 18 Hummel, Siegfried: Die Zukunft der Kulturpolitik der Zweiten Moderne in der alternden Gesellschaft. Unveröffentlichtes Manuskript. Abrufbar unter: http:// www.ifg.uni-osnabrueck.de/uploads/Hummel/Die_ Zukunft_der_Kulturpolitik.pdf. 19 Altbundespräsident Horst Köhler in seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit am 03.10.2008 in Hamburg. II. Stadt ist Kultur Wolfsburg auf dem Weg zur Kulturstadt Axel Bosse „Eine Stadt besteht aus unterschiedlichen Arten von Menschen; ähnliche Menschen bringen keine Stadt zuwege.“ Aristoteles [zitiert nach R. Sennett: Fleisch und Stein. Berlin 1995] Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager, die sich 1945 schnell mit Flüchtlingen aus dem Osten gefüllt hatten. Das Werk gab in dieser Situation nicht nur der „Stadt“ den nötigen Rückhalt, sondern vor allem auch den Menschen, die jetzt die Geschicke dieser Stadt in ihre Hände nahmen. Die Kultur der Stadt entsteht durch die Bürger (1945 – 1972) Städte sind aus Sicht der Soziologie mit vielen Menschen besiedelte, fest umgrenzte Siedlungen (Gemeinden) mit eigener Markthoheit, eigener Regierung, eigenem Kult und sozial differenzierter Einwohnerschaft. Ersteres unterscheidet die Stadt vom Dorf, Letzteres von Lagern wie Arbeitslagern, Straflagern oder Winterquartieren von Heeren.20 Mit dem Ende der Zwangsarbeiterlager 1945 versuchte man vis-à-vis des Volkswagenwerks, dem gerade beschriebenen ersten Siedlungsfragment das Gesicht einer Stadt zu geben. Doch spiegelte sich das Städtische nicht in entsprechenden Bauten – die gab es 1945 in dem vom Krieg zerstörten Deutschland in keiner Stadt –, sondern in dem Bemühen der Menschen, ein städtisches Leben zu organisieren. Dabei waren die Vorstellungen darüber, was städtisches Leben beinhalten sollte, von klassischen Vorbildern geprägt. Für die Menschen bilden Bibliothek, Volkshochschule, Theater und Museum, wie auch die Kirchen, die ursprünglich nicht vorgesehen waren, den Kern kulturellen Lebens einer Stadt.21 „Der Steinklotz hebt sich aus der Landschaft, als hätte ein Riese ihn da hineingeworfen, mitten in die Ebene.“ Mit diesen Worten beschreibt Horst Mönnich in seinem 1951 erschienenen Buch „Die Autostadt“ das Volkswagenwerk. Die „Stadt“ am gegenüberliegenden Ufer des Mittellandkanals wie auch ihre Einwohner waren zu diesem Zeitpunkt Fremdkörper in einer von Bauern und landwirtschaftsnaher Industrie geprägten Kulturlandschaft. Das im Laufe des Zweiten Weltkriegs zu zwei Dritteln zerstörte Autowerk bildete das Rückgrat der Wolfsburger Kernstadt. Dieses Stadtfragment glich 1945 allerdings eher einer Siedlung, die sich – ähnlich mittelalterlichen Städten – wie im Schutze einer Festung entwickelte. Denn nördlich des Mittellandkanals, einer Art „Festungsgraben,“ lag das Werk, das mit seiner durch 22 Treppenhäuser streng gegliederten fast 2 km langen Front auch den Charakter einer überdimensionalen Wasserburg hat. Im Süden dagegen fand sich die unfertige Stadt, deren Steinbauten durch Barackensiedlungen und Behelfsheime ergänzt wurden – Überbleibsel aus der Zeit der 20 Vgl. den Eintrag „Stadt“ auf www.wikipedia.de. 21 1951 wurde mit der St. Christophorus der erste Kirchenneubau nach dem Zweiten Weltkrieg in Wolfsburg geweiht. Entsprechend waren dies auch in Wolfsburg die Einrichtungen, die auf Initiative der ersten Bürger in der Stadt neu entstanden: 1946 wurde die Bibliothek wiedereröffnet, 1949 konnten die ersten neuen Bücher beschafft werden. Ebenfalls 1946 wurde der Volkshochschulverein gegründet und zehn Jahre später kommunalisiert. Volkshochschule und Bibliothek zogen 1962 gemeinsam in das neu errichtete Kulturzentrum von Alvar Aalto (die räumliche Nähe von Erwachsenenbildung und Bibliothek gilt heute für Einrichtungen dieser Art wieder als wesentlicher Erfolgsfaktor). Bis in das Jahr 1947 reicht die Vorgeschichte des Theaters zurück. Die erste Aufführung nach dem Krieg – ein Gastspiel des Lessingtheaters Wolfenbüttel – wurde den Wolfsburgern in Fallersleben geboten. Da in Wolfsburg noch eine geeignete Spielstätte fehlte, organisierte man nach Eröffnung des Staatstheaters Braunschweig seit 1948 gemeinsame Fahrten dorthin. Es folgten Vorstellungen auf einer provisorischen Bühne im Haus der Stadtwerke an der Kleiststraße. Am 22. März 1954 wurde der Kulturring ins Vereinsregister eingetragen, aus diesem Jahr stammen auch erste Theaterbaupläne für den Südkopf. Später wurden Theaterstücke auf der Bühne des „Delphin-Palasts“ und der Aula des Ratsgymnasiums aufgeführt, ab 1964 fanden die Vorstellungen im „Imperial“-Kino statt, bis man sie schließlich in den Saal der Stadthalle verlegen konnte. 1973 wurde Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 11 dann endlich das Theater am Nordhang des Klieversbergs bezogen. Mit der Ausstellung „Wolfsburg im Aufbau“ begann im Herbst 1949 die Einrichtung des Wolfsburger Heimatmuseums, das im Dezember 1951 im Dachgeschoss der Goetheschule in der Lessingstraße eröffnet wurde (dieses Museum zog 1980 erst in den Gewölbekeller des Schlosses und fand dann im Jahr 2000 in den Schlossremisen eine neue Heimat). Große Teile der damaligen Bevölkerung Wolfsburgs, aber auch der umliegenden Städte und Gemeinden waren Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Das kulturelle Leben dieser Heimatvertriebenen spielte sich in Landsmannschaften und eigenen Vereinen ab. Es fand damit teilweise parallel zum traditionellen kulturellen Leben der ortsansässigen Bevölkerung statt. Aus dieser existenten Parallelität erwuchsen mit der Zeit kulturelle Vereinigungen wie der „Gemischte Chor Vorsfelde“ (1962 durch Umbenennung des „Chors der Landsmannschaften“ oder des „Flüchtlingschors“, wie die Vorsfelder damals sagten, entstanden) oder der Fanfaren- und Hörnerzug „Elche“, der den Namenszusatz DJO (Deutsche Jugend des Ostens) später ablegte. Diese kulturellen Vereinigungen sind bis heute fest in den „Kulturbetrieb“ der jeweiligen Ortsteile integriert. Das Schloss, ein Bauwerk aus vorbürgerlicher Vergangenheit, hatte zunächst nichts mit dem kulturellen Leben der Stadt zu tun. Verkauft durch den Grafen von der Schulenburg im Jahr 1943 für 560.000 Reichsmark an die „Stadt des KdF-Wagens“, wurde es 1947 von der inzwischen in Wolfsburg umbenannten Stadt mit folgendem Zeitungsinserat zum Verkauf angeboten: „Schloß aus Stadtbesitz zu verkaufen (Weser-Renaissance), in günstiger Lage am Mittelland-Kanal u. Bahnstrecke Hannover/ Berlin. Nähe Braunschweig. Über 80 Räume […] (insges. 3,88,10 ha). Gewerbliche Nutzung möglich. […]“ Das Land Niedersachsen erwarb die renovierungsbedürftige Schlossanlage, wollte sie aber bereits 1961 wieder abgeben. So bot sich für die Wolfsburger Stadtverwaltung die Gelegenheit, das historische Bauwerk zurückzukaufen. Die Idee, ein Museum im Schloss aufzubauen, wurde allerdings nach kurzer Zeit wieder aufgegeben. Nur einige, aus der Sammlung des 12 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg amerikanischen Zeitungsverlegers Hearst stammende und aus den USA nach Wolfsburg importierte Möbelstücke zeugen noch von diesem Versuch einer Museumsgründung. Die zweite Seite der Wolfsburger Kulturentwicklung Schon in den städtischen Anfängen gab es immer wieder vom Volkswagenwerk geforderte und getragene Einflüsse auf die Entwicklung einer urbanen Kultur: „Herr Dr. Nordhoff bittet, sich künftig in noch viel stärkerem Maße Gedanken zu machen, welches Gesicht und welche Ordnung die Stadt Wolfsburg einmal bekommen solle. Beides müsse der Bedeutung entsprechen, die das Werk habe, durch das sie lebe.“22 Die Aktivitäten des bürgerlichen Wolfsburgs trugen dem Rechnung. Der von der Tradition des Dessauer Bauhauses geprägte Oberstadtdirektor Dr. Wolfgang Hesse hatte schon 1954/1955 erste Grafiken der Klassischen Moderne für die Stadt erworben. Im Jahr 1958 wurde der Preis „Junge Stadt sieht Junge Kunst“ gestiftet, 1959 der Kunstverein von Wolfsburger Bürgern gegründet. „Auf der Suche nach dem, was für menschliches Leben einer Stadt unentbehrlich ist, konnte mit der Einpflanzung von Sport und Kunst durch herausragende Vertreter dieser Gattung nicht gewartet werden, bis diese Mitbürger aus eigener Wurzel gewachsen waren.“ So begründete Oberbürgermeister Dr. Uwe-Jens Nissen die Ansiedlung der Künstlergruppe „Schloßstraße 8“ im Schloss Wolfsburg. Und in einem Katalog des Kunstvereins hieß es dazu: „Das inzwischen in Besitz genommene Schloss Wolfsburg, die teuerste Ruine der Stadt, zugleich ihr Namensträger, wartete auf eine sinnvolle Nutzung; und so wie neue Betonpfähle als Ersatz für die verrotteten Eichenstützen das Ganze erhalten und tragen sollten, mussten nun im kulturellen Bereich auch Neugründungen in Wolfsburg vollzogen werden.“23 Parallel dazu organisierte das Volkswagenwerk Ausstellungen, beginnend mit Franz Marc 1952, und Konzerte, die Weltkunst in die Provinz brachten. Dieser Weg wird bis heute weiter beschritten. Autostadt und Kunstmuseum sind die Institutionen, die dieser Tradition verpflichtet sind. 22 N. N.: In König Nordhoffs Reich. In: Der Spiegel, 33/1955. 23 Siehe Vorwort von Dr. Uwe-Jens Nissen in: Katalog „Schloßstraße 8“, Ausstellung im Schloss Wolfsburg, Kunstverein Wolfsburg 1988. Die für 1972 geplante Fertigstellung des Theaters verzögerte sich durch einen Baustopp, der sich aus finanziellen Schwierigkeiten der Stadt ergab, um ein Jahr. Die Eröffnung des Schauspielhauses 1973 kann als formaler Abschluss der Schaffung von Institutionen einer klassisch europäischen Stadt angesehen werden. Auf dem Weg zur Großstadt (1972 – 1995) Das Jahr 1972 war für Wolfsburg mit der Eingemeindung der Kleinstädte Fallersleben und Vorsfelde sowie von 18 bisher eigenständigen Dörfern ein zentraler Schritt auf dem Weg zur Großstadt mit mehr als 100.000 Einwohnern. Damalige Überlegungen und Zukunftsplanungen liefen auf eine Stadtgröße von mehr als 200.000 Einwohnern hinaus. Von diesen Grundüberlegungen zeugt bis heute – gleichsam als Anfang und Ende der Träume vom Größenwachstum der Stadt – das Schillerteichcenter auf dem Gelände der ehemaligen Schillermühle.24 Im selben Jahr, in dem man in Wolfsburg noch Großstadtträume träumte und pflegte, veröffentlichte der Club of Rome die für die Zukunft prägende Untersuchung zu den „Grenzen des Wachstums“. So war dieser Übergang im mehrfachen Sinn Ende und Anfang zugleich.25 Die Frage der kulturellen Entwicklung der neu hinzugewonnenen ländlichen Strukturen stellte sich kaum jemand, da die eingemeindeten Dörfer und Kleinstädte planerisch vor allem als Flächenreserve für die Realisierung der Großstadtträume vorgesehen waren. So hielten sich die seitens der Stadt Wolfsburg durchgeführten Maßnahmen zu einer Integration des kulturellen Lebens der neuen Orts- und Stadtteile in Grenzen. 1973 wurde die Gemeindebücherei Fallersleben in die Strukturen der Stadtbibliothek integriert, 1975 folgte die Vorsfelder Volksbücherei. Ebenso wurden die Volkshochschulen zusammengeführt. Auch zog das von der Hoffmann-von-FallerslebenGesellschaft betriebene Museum vom 24 Ursprünglich waren hier mehrere Bauten dieser Größenordnung vorgesehen. 25 1972 wurde Willy Brandt nach dem Scheitern des konstruktiven Misstrauensvotums mit überwältigender Mehrheit gewählt, der Grundlagenvertrag mit der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) unterzeichnet sowie Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof verhaftet – allesamt Ereignisse, die auch die kulturelle Entwicklung der alten Bundesrepublik prägten. Forsthaus in das dortige Schloss. Grundsätzlich aber verfügten diese eingemeindeten Orte über ein breit gefächertes kulturelles Leben, dessen Rückgrat teilweise von sehr alten und in der Geschichte der Gemeinden tief verwurzelten Vereinen gebildet wurde. Die Infrastruktur in diesen Orten war noch geprägt durch die Landwirtschaft, landwirtschaftsnahe Industrie und durch selbstständige Kaufleute, die nicht unerhebliche finanzielle Beiträge zum kulturellen Leben leisteten. In der Kernstadt erlebten die in den 1950er- und 1960er-Jahren entstandenen kulturellen Einrichtungen ihre erste Blüte: Der Kunstverein zeigte im Schloss Wolfsburg richtungsweisende Ausstellungen, dazu kam der regelmäßig verliehene Kunstpreis „Junge Stadt sieht Junge Kunst“ und die Eröffnung der Städtischen Galerie im Ostflügel des Schlosses im Jahr 1974. Die Künstlergruppe „Schloßstraße 8“ zeigte nicht nur regelmäßig Arbeiten im Kunstverein, sondern ihre Mitglieder waren als Dozenten der Volkshochschule auch eng mit dem kulturellen Leben innerhalb der Stadt verbunden. Mit der Einrichtung einer Druckwerkstatt gab Wolfsburg Gastkünstlern zudem die Möglichkeit, vor Ort zu arbeiten. Mehr als 3.000 Belegdrucke im Bestand der Städtischen Galerie sind ein durchaus eindrucksvolles Ergebnis dieser Künstlerförderung. Die in den Gründerjahren nach 1945 entwickelten kulturellen Einrichtungen und das in diesem Kontext stehende kulturelle Leben der Stadt orientierten sich an klassischen bürgerlichen Idealen. Kulturelle Innovation in der jungen Stadt Zu Beginn der 1970er-Jahre waren 40 % der Einwohner Wolfsburgs unter 25 Jahre alt26 und damit also nach 1945 geboren. Wie damals überall auf der Welt waren diese Menschen auf der Suche nach kulturellen Ausdrucksformen, die sich von denen der klassischen Bildungsbürger abhoben. In den Räumen der Industriediakonie – damals noch eine Holzbaracke an der 26 Aus der Zeit vor der Eingemeindung liegen Zahlen zur Altersstruktur aus dem Jahr 1964 vor. Damals betrug der Anteil der 18-Jährigen 29,3%, zur Gruppe der bis 25-Jährigen gehörten 42,9% der Bevölkerung. Im Jahr 1976 zählten 24,3% zur Gruppe der bis 15-Jährigen und 39,6% zur Gruppe der bis 25-Jährigen. Zum Vergleich: Heute sind gerade einmal 15% der Bevölkerung unter 18 Jahren und 23 % jünger als 25 Jahre. Kleiststraße – gründete Helmut Donat die „Commode 2000“ (heute würde man dies als selbst verwaltetes Jugendzentrum bezeichnen, damals kannte man diesen Begriff allerdings noch nicht). Donat, der später nach Bremen ging, war „Waldecker“27 und holte aufgrund seiner dort entstandenen Kontakte die damals noch weitgehend unbekannten Künstler Reinhard Mey, Hannes Wader und Schobert & Black nach Wolfsburg. Das Programm der „Commode 2000“ beinhaltete freitags Folkloreveranstaltungen mit Sängern oder Gruppen, samstags gab es den obligatorischen Discobetrieb für Jugendliche, sonntags war die Einrichtung schlicht Treffpunkt und Gesprächsort für Interessierte, Freunde und Bekannte. Die Montagabende waren bestimmten Themen Gruppe Floh de Cologne, das in der „Arche“ in der Kleiststraße stattfinden musste, weil die IGM den Saal im Gewerkschaftshaus nicht zur Verfügung gestellt hatte und das Ausweichquartier, die Aula des Ratsgymnasiums, wegen eines Brandanschlags nicht mehr zur Verfügung stand. All diese Aktivitäten und die zahlreichen Veranstaltungsorte – wie die „Insel“ am Dunantplatz, der„Jovi-Keller“ in der Seilerstraße, der „Ratskeller“ in Fallersleben (heute Commerzbank), der Saal im „KZ“28 oder die „City-Bar“ gegenüber dem „Hotel Noak“ – boten der Wolfsburger Musikszene zahlreiche Auftrittsmöglichkeiten. Der Mangel an Orten für diese selbst organisierte Musikszene in der Stadt führte gegen Ende der 1970er-Jahre zu einer Die Druckwerkstatt im Schloss Wolfsburg: Sie zählt zu den ältesten Kunsttraditionen der Stadt und hat seit Einrichtung im Jahr 1961 über 300 Künstler angezogen. aus Politik und Zeitgeschichte vorbehalten. Nach einem Gebäudebrand zog man in den Keller unter das „Delphin“ in die Porschestraße. Die „Commode 2000“ begründete das Jazz- und Folklorefestival im Schloss Wolfsburg, das bis 1978 ohne Beteiligung der Kulturverwaltung organisiert wurde. Im Saal des Gewerkschaftshauses wurden Konzerte von Gruppen wie Amon Düül II, Jethro Tull oder Lokomotive Kreuzberg von aktiven Jugendlichen selbst geplant und durchgeführt. Im Zuge der Lehrlingsbewegung organisierte der AWL (Arbeitskreis Wolfsburger Lehrlinge) 1972 ein Konzert der teilweisen „Landflucht“. Beispiele dafür sind die Veranstaltungen der 1978 gegründeten Jazz Freunde Wolfsburg im „Gemütlichen Heinrich“ in Weyhausen und die 1979 eröffnete Diskothek „Jembker Hof“. Zum Ende der 1970er-Jahre entstanden zusätzlich neue Veranstaltungen, die zunächst als einfache selbst organisierte Straßenfeste begannen und bis heute mit professioneller Organisation durch die Verkehrsvereine weiter bestehen, so beispielsweise im Jahr 1975 das Altstadtfest in Fallersleben, gefolgt vom Vorsfelder Eberfest, das 1982 zum ersten Mal stattfand. 27 Eine ursprünglich von der bündischen Jugend und dem Arbeitskreis Burg Waldeck entwickelte Idee, nach der in einer Art musischen Bauhütte Sänger und Musikanten, aber auch Autoren und Wissenschaftler zusammentreffen sollten. 28 „KZ“ war die umgangssprachliche Bezeichnung für das Kulturzentrum (heute Alvar-Aalto-Kulturhaus). Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 13 1995 – und weiter, immer weiter Das Projekt „Wolfsburg“ stand kurz vor seinem 60. Geburtstag auf der Kippe. Hätte man 1995 zwischen Betriebsrat und Management nicht nach Lösungen abseits von festgefahrenen Handlungsschemata gesucht, wären durch Massenentlassungen in einem nie da gewesenen Ausmaß ganze Stadtteile Wolfsburgs entvölkert und damit letztendlich die Stadt selbst in Frage gestellt worden.29 Angesichts dieses Einschnitts in bisher geübte und niemals hinterfragte Stadtentwicklungspraxis begann man von unterschiedlichen Seiten, das Projekt „Wolfsburg“ – die Stadt und ihre Zukunft – neu zu denken. Es handelte sich dabei allerdings nicht nur um eine singuläre Wolfsburger Fragestellung, sondern hier spiegelten sich grundsätzlich auch zentrale gesellschaftliche Debatten und Modeströmungen der damaligen Zeit. Urbanität, Städtebau und Leben in der Stadt, Revitalisierung der Innenstädte in Anbetracht der Globalisierung, Rückbau angesichts schrumpfender Bevölkerungszahlen, Bautätigkeit auf dem ehemaligen Mauerstreifen im wiedervereinigten Berlin – das waren die Themen dieses von Stadtplanern, Architekten und Sozialwissenschaftlern geführten Diskurses. „Die Stadt verliert ihre traditionellen politischen und wirtschaftlichen Funktionen. Sie wird zum Ort der Zerstreuung. Aber überall Hennes & Mauritz und Cats, überall Benetton und Phantom der Oper?“30 „Überall ist Megamall“31 oder „Urbanität als Lebensweise ist ortlos geworden“32 – so lauten typische Titel von Zeitungsartikeln zum Thema „Zukunft der Stadtkerne“. In dieser Situation machten sich Stadt wie auch Volkswagen auf die Suche nach Lösungen, die das Projekt „Wolfsburg“ nach überstandener Krise wieder zu neuer Blüte bringen sollten. Der Rat der Stadt initiierte die Leitbilddebatte mit dem Ziel, eine gemeinsame 29 Die bis dahin gefundenen Lösungen hießen: „Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich“ auf der einen Seite, „Gesundschrumpfen durch Personalabbau“ auf der anderen Seite. Die Wolfsburger Lösung (28,8-Stunden-Woche bei Lohnverzicht, um Massenentlassungen zu verhindern) war anfänglich der Führung der IG Metall in Frankfurt genauso suspekt wie dem Arbeitgeberverband. 30 Ulrich Greiner: Total vergnügt. In: Die Zeit, 05.04.1996. 31 Carola Schulz: Überall ist Megamall. In: AKP – Fachzeitschrift für Alternative Kommunalpolitik, 5/1997. 32 Walter Seibel: Urbanität als Lebensweise ist ortlos geworden. In: Frankfurter Rundschau, 29.07.2000. 14 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg Leitidee für die Zukunft der Stadt zu entwickeln. In einem siebenmonatigen Prozess wurde das Stadtleitbild erarbeitet, wobei über 200 Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Verwaltung in einer Leitbildkommission und in sechs Facharbeitskreisen die Stärken und Schwächen der Stadt analysierten und konkrete Oberziele formulierten. Zur Vorbereitung der Leitbilddebatte hatte die Stadt eine Befragung zu Sichtweisen der Bürger durchführen lassen. Auf die Frage nach den Eigenschaften von Wolfsburg gaben 59 % der befragten Wolfsburger Bürger „kulturell aufgeschlossen“ als positives Merkmal an. Von den 18 Eigenschaften, nach denen gefragt wurde, wurden 1996 nur die Eigenschaften „sauber“ mit 69 %, „umweltfreundlich“ mit 66 % und „bildungsfreundlich“ mit 60 % besser eingestuft.33 Das Leitbild unter dem Slogan „Lust an Entdeckungen“ wurde im Juni 1997 einstimmig vom Rat der Stadt verabschiedet. In ihm ist mit der Aussage „Innovation durch Kunst und Technik“ der zentrale Zukunftsbegriff für die Stadt dargelegt worden. „Die für das Leitbild verantwortliche Kommission entschied sich unter den für die Stadtentwicklung interessanten Profilvarianten für eine, die die Triebfeder von Volkswagen einschließt, gleichzeitig aber eigenständige Perspektiven eröffnet.“34 In demselben Jahr, in dem die Stadt den Leitbildprozess in Gang setzte, kündigte Volkswagen an, auf dem Gelände des Kohle- und Tanklagers und des Parkplatzes Ost, auf dem ein Jahr zuvor noch die Rolling Stones ihr Konzert gegeben hatten, eine „Neue Autostadt“ zu errichten. Bereits Anfang der 1990er-Jahre hatte der Begriff „Wolfsburg – Die Volkswagenstadt“ eine Wandlung erfahren, indem schleichend (nicht einmal von Volkswagen selbst gesteuert) der Begriff „Wolfsburg, Hauptstadt von Volkswagen“ in politische Treueschwüre Einzug hielt. Der Hauptstadtbegriff wurde dann auch schnell für das geplante Projekt eingesetzt. Die weltumspannenden Konzerne traten an der Schwelle zum 21. Jahrhundert im Zuge der Globalisierung in die Fußstapfen der nationalstaatlich geprägten Imperien des 19. Jahrhunderts. Mit der Ankündigung des Baus der „Neuen Autostadt“ bedeutete „Hauptstadt von Volkswagen“ für Wolfsburg von nun an nicht mehr nur Sitz der „Regierung“, also des Konzernvorstands, sondern auch und ganz besonders Repräsentation und Zurschaustellung der Macht. Die „Neue Autostadt“ wurde von Otto Ferdinand Wachs damals als „Neue europäische Hauptstadt des Automobilbaus“, als „Walhalla der Marken und Mythen“ bezeichnet. Der Bau eines Tempelbezirks der Hauptstadt wurde in Angriff genommen. Da mit dem Bau der „Neuen Autostadt“ die Öffnung des Werks zur Stadt hin angekündigt wurde, stand die Stadt unter Zugzwang. Zum Zeitpunkt der Eröffnung der Autostadt im Jahr 2000 wurde der Nordkopf deshalb als Ort einer temporären künstlerischen Installation genutzt. Heute sind die Baustellenschilder von Thomas Huber, das Kistenhaus von Wolfgang Winter und Berthold Hörbelt in der „Kalotte“ längst Vergangenheit. Einzig die Objekte, die Julian Opie für das Gelände gestaltete, sind noch vorhanden. In der damaligen Broschüre zu diesem Projekt hieß es: „Zugegebenermaßen hätte die Stadt gerne bereits im Jahr 2000 ihre endgültige Antwort auf die Autostadt präsentiert.“35 Für die Fläche war vom Rat der Stadt bereits der Bau eines Science Centers beschlossen worden, für das Zaha Hadid gerade den Architektenwettbewerb gewonnen hatte. Das Science Center hatte damals hohen symbolischen Wert als Sinnbild der selbstbewussten Stadt. Der damalige Kulturdezernent Dr. Wolfgang Guthardt formulierte das so: „Die Gründung des Science Centers durch die Stadt Wolfsburg beruht auf der Willensbildung der Bürger und unterscheidet sich dadurch wesentlich von anderen Initiativen in Deutschland.“36 Autostadt wie phæno, aber auch das quasi als Vorbote dieser Projekte im Jahr 1994 eröffnete Kunstmuseum haben sich seitdem zu zentralen Orten der Kultur in der Stadt entwickelt. Das blieb nicht ohne Auswirkungen auf den bisherigen Kulturbetrieb und hat diesen in weiten Teilen nachhaltig verändert. Kunstverein, Städtische Galerie, das Institut Heidersberger usw.: Einrichtungen der Bildenden Kunst in Wolfsburg 33 Ursula Funke: Wolfsburg aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger. Fachhochschule Mainz 1996. 35 Ebenda. 34 Dr. Wolfgang Guthardt: „Wolfsburg: Innovation durch Kunst und Technik“. In: zwischenzeitzwischenraum. Mai 2000. 36 Siehe die Broschüre des Kulturdezernats: „Lust am Entdecken/Ein Science Center für Wolfsburg“. Wolfsburg 1999. Die Bildende Kunst war in Wolfsburg durch Kunstverein und Städtische Galerie bis 1994 fast ausschließlich im Schloss zu Hause. Beide Einrichtungen wurden bis 1999 in Personalunion geleitet. Doch bereits im Oktober 1997 hatte der Rat der Stadt Wolfsburg die räumliche und personelle Trennung von Städtischer Galerie und Kunstverein beschlossen. In der Begründung wurde ausdrücklich darauf verwiesen, dass durch die notwendige Profilierung der Stadt im Vorfeld der Expo 2000 und der „Neuen Autostadt“ ein solcher Schritt erforderlich geworden sei.37 Unter eigenständiger Leitung von Barbara Steiner (1999 – 2001), Doris Berger (2001 – 2004) und Justin Hoffmann wurde der Kunstverein neu ausgerichtet. Das Ergebnis: 2007 wurde der Kunstverein Wolfsburg von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine (ADKV) als bester Kunstverein Deutschlands ausgezeichnet. Darüber hinaus wurde im Jahr 1998 der Verein Junge Kunst gegründet. Mit seiner Ladengalerie in der Schillerstraße gibt er seit mehr als zehn Jahren jungen Künstlern eine Ausstellungsmöglichkeit. Häufig ist es für die hier präsentierenden Künstler die erste Ausstellung mit größerer Öffentlichkeitswirkung und zentraler Wahrnehmung durch die Medien. Galerie. Neben dem Ankaufsetat sind deshalb für die Zukunft auch die personellen und räumlichen Ressourcen zur Pflege der Sammlung sicherzustellen. Mit der Gründung des Vereins Jugend in der Galerie wurden auch neue Möglichkeiten der Einwerbung von Drittmitteln für die Städtische Galerie eröffnet. Die Städtische Galerie entwickelte für sich ein eigenes Profil und hat damit die Weichen für den Weg in die Zukunft gestellt. Durch die abgeschlossene Renovierung des Süd- und Westflügels des Schlosses können im Gegensatz zu den begrenzten Anfängen im Ostflügel weitere Ausstellungsflächen genutzt werden. Daneben hat die Stadt auch in finanziell schwierigen Zeiten einen Ankaufsetat für den weiteren Ausbau der Bestände der Städtischen Galerie zur Verfügung gestellt. Die Sammlung besteht aus vier Gruppen: Arbeiten für das junge Magazin „Stern“ und nicht zuletzt mit Industriefotografie für verschiedene Firmen hat Heinrich Heidersberger Fotografiegeschichte geschrieben. Das Institut Heidersberger, das im Schloss Wolfsburg – und damit an der ehemaligen Wirkungsstätte des Fotografen – untergebracht ist, wurde im Jahr 2002 gegründet. Hier wird das Lebenswerk Heinrich Heidersbergers wissenschaftlich erschlossen und auch publizistisch aufgearbeitet. • Sammlung Malerei und Skulptur (ca. 900), • Grafische Sammlung (ca. 1.500), • Sammlung Fotografie und Neue Medien (ca. 500) und • Druckbelege der Gastkünstler, die während des Aufenthalts in der Druckwerkstatt hergestellt wurden (ca. 3.000). Pflege und Ausbau der Sammlung sind ein wichtiger, wenn auch kaum sichtbarer Bestandteil der Arbeit der Städtischen 37 Ratsvorlage 402 aus dem Jahr 1997. Der zu den Gründungsmitgliedern der Gruppe „Schloßstraße 8“ gehörende Fotograf Heinrich Heidersberger hat wie kein anderer die Geschichte der Architektur Wolfsburgs dokumentiert. Das vor kurzem neu aufgelegte Buch „Wolfsburg“, das 1963 zum ersten Mal erschien, zeigt die Stadt, wie Heidersberger sie nach seiner Übersiedlung 1961 vorfand. Doch lässt sich das Schaffen dieses Künstlers nicht nur auf die Architekturfotografie reduzieren. Mit seinen „Rhythmogrammen“, Die Kultur in der Stadt entsteht durch die Bürger. Im Jahr 1991 startete das Kulturbüro im Schlosshof mit der Internationalen Sommerbühne. Diese Veranstaltungsreihe knüpft an die Traditionen des ehrenamtlich organisierten Jazz- und Folklorefestivals der 1970er-Jahre an und ist ein fester Bestandteil des Wolfsburger Kulturlebens geworden. Der Freundeskreis Sommerbühne unterstützt das Sommerfestival durch ehrenamtliche Tätigkeit. Im Gegensatz dazu misslang allerdings der Versuch, mit Wolfsburg open ein Musikfestival zu installieren, das Bands aus Wolfsburg und der Region die Möglichkeit hätte geben sollen, vor einem breiteren Publikum aufzutreten. Dieses nicht kommerzielle, ehrenamtlich organisierte Festival scheiterte nach Einschätzung der Macher an mangelnder Unterstützung seitens der Stadt. Auch die Veranstaltungsreihe „Wolfsburger Künstler stellen aus“, die das Kulturbüro in der Bürgerhalle des Rathauses über Jahre hinweg durchführte, wurde 2003 eingestellt. Dem engagierten Kunstprojekt „Werkstatt Schloss“ drohte ein ähnliches Schicksal. Hier konnte allerdings ein Weg gefunden werden, der die Weiterführung erlaubte. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die beschränkten personellen Kapazitäten und finanziellen Mittel in den letzten Jahren immer wieder verstärkt für Großereignisse eingesetzt wurden, die als Instrumente der Wirtschafts- und Tourismusförderung dienen und sicher auch mehr glamouröse Ziele bieten. Die „Gartenromantik“, eine Verkaufsausstellung von Produkten rund um den heimischen Rollrasen, wurde vom Kulturbüro initiiert. Das mit der „Gartenromantik“ praktizierte Public-Private-Partnership-Modell hat zwar das Wolfsburger Schloss als Veranstaltungsort in der Region bekannt gemacht, doch reiht sich diese Ausstellung damit trotzdem in eine nach der Jahrtausendwende zunehmende Festivalisierung des kulturellen Lebens der Stadt ein. In diesem Zusammenhang sind ebenso zu nennen: • die Durchführung und Entwicklung von Kulturprogrammen zur Landesgartenschau, • die (gescheiterte) Bewerbung für die Kulturhauptstadt, • der „Tag der Niedersachsen“ und aktuell • das Kulturprogramm zur FIFA FrauenWM 2011 sowie • der „Tag der Braunschweigischen Landschaft“. All diese Veranstaltungen binden finanzielle Mittel und personelle Kapazitäten. Sie sind in gewissem Sinne auch der Versuch seitens der Stadt, im Rahmen der eigenen Möglichkeiten mit den Spektakeln der Autostadt mitzuhalten. Das Theater Die durch Umstrukturierungen innerhalb der Wolfsburger Kulturlandschaft im Bereich der Bildenden Kunst ausgelösten und umgesetzten Veränderungen und eine damit verbundene Schärfung von Profilen steht dem Theater noch bevor bzw. hat hier erst begonnen. Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 15 Wolfsburg ist eine der wenigen Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern in Deutschland, die kein eigenes Theaterensemble haben38. Dr. Volkmar Köhler erklärte noch 2008 in seinem Festvortrag zum 35. Geburtstag des Theaters: „Die Konzeption dieses Theaters hat sich als tragfähig und richtig erwiesen […]. Von Anfang an stand fest, dass wir nicht den Weg traditionsreicher Nachbartheater mit stehenden Ensembles gehen sollten.“39 Angesichts der aktuellen Entwicklungen muss dieses Konzept allerdings hinterfragt werden. Mit den Movimentos Festwochen und den damit verbundenen Konzerten als auch Lesungen agiert die Autostadt mit einem ähnlichen Ansatz. Dabei ist die finanzielle Kraft der Autostadt wesentlich größer als die des Theaters. Modernes Tanztheater ist in Wolfsburg heute eigentlich nur noch im Rahmen von Movimentos denkbar. Bleibt angesichts dieser Prognose für das Theater nur noch der Rest, den die Autostadt nicht veranstalten mag? Eine über das traditionelle Weihnachtsmärchen hinausgehende verstärkte eigene Produktion von Stücken böte dem Theater die Möglichkeit, einen eigenständigen Charakter zu gewinnen und damit eine Zukunftsperspektive zu entwickeln. Eine Kooperation mit dem Staatstheater Braunschweig (wie z.B. bei der Uraufführung der Oper „Carmen“), besonders aber das aktuell auf den Weg gebrachte Stück zu August Heinrich Hoffmann von Fallersleben könnte dem Wolfsburger Theater ein neues Profil geben. Als Nebeneffekt würde die Anwesenheit von Schauspielern, Bühnen- und Kostümbildnern das kulturelle Leben der Stadt zusätzlich bereichern. Der CongressPark Der 1958 als Stadthalle eröffnete CongressPark Wolfsburg war lange Zeit der zentrale Veranstaltungsort für Ausstellungen und Konzerte in der Stadt. Inzwischen haben sich – wie auch in anderen Städten – die Gewichte verschoben. Nach diversen An- und Umbauten des CongressParks ist es nicht mehr gelungen, ein eigenständiges Profil für diesen Veranstaltungsort zu entwickeln. So haben andere spezialisierte Veranstaltungsräumlichkeiten auf der 38 In den 23 Großstädten, die eine ähnliche Einwohnerzahl wie Wolfsburg haben (von Hildesheim [103.000 Einwohner] bis Würzburg [133.500 Einwohner]), verfügen nur drei über kein eigenes Theaterensemble. 39 Festvortrag Volkmar Köhler: 35 Jahre Theater [Manuskript, IZS, S 49, Sammlung Köhler]. 16 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg einen Seite Funktionen des CongressParks übernommen, auf der anderen Seite haben sich bestimmte Veranstaltungsformen auch überlebt. Die Bockbierfeste oder die großen Faschingspartys in den 1970er-Jahren, aber auch Konzertveranstaltungen, die noch die Halle füllen konnten, haben ihr Publikum verloren. Das Planetarium Die der Stadt 1978 von Volkswagen geschenkte Technik für ein Planetarium ist 2010 grundlegend modernisiert worden, genauso wie das 1983 am Fuße des Klieversbergs von der Stadt errichtete Planetariumsgebäude, das von Grund auf saniert wurde. Die alte Technik und ein relativ schlechter Zustand des Gebäudes, aber auch das lange Zeit ungeklärte Konzept für die Zukunft des Planetariums hatten die Attraktivität des Angebots mehr und mehr eingeschränkt und zu einem merklichen Besucherrückgang geführt. Zusätzlich hatte der Mangel an Finanzmitteln den Niedergang des Planetariums noch beschleunigt. Mit der oben erwähnten, durch eine Spende von Volkswagen ermöglichten Sanierung des Gebäudes und der neu installierten Full-Dome-Technik eröffnet sich dem Planetarium die Chance, an die erfolgreichen Anfangsjahre anzuknüpfen. Das „Hallenbad – Kultur am Schachtweg“ Nach einjähriger Umbauzeit wurde im Jahr 2007 das „Hallenbad – Kultur am Schachtweg“ mit einem Konzert der Gruppe Revolverheld wiedereröffnet. Im „Hallenbad“ fand das Tanzende Theater Wolfsburg nach vielen Jahren endlich eine Heimat. Übungsräume für Bands stehen zur Verfügung. Auch ein Programmkino hat hier seinen Platz in der städtischen Kulturlandschaft gefunden. Der ursprüngliche Ansatz, das „Hallenbad“ als Zentrum für „junge“ Kultur zu etablieren, hat sich allerdings nur in Teilen verwirklichen lassen. Versuche, die „Marke Hallenbad“ mit eigenen Musicalproduktionen (wie „Wob city“ [2007] und „non stopp wob“ [2008]), gepaart mit höherwertiger Gastronomie, im gehobenen Preissegment zu positionieren, haben sich als nicht richtungsweisend erwiesen. Diese Experimente haben allerdings dazu beigetragen, dass für die Jugend der Stadt und die subkulturelle Szene das „OST“ weiterhin die erste Adresse geblieben ist. Mittlerweile hat sich zwischen Autostadt und „Hallenbad“ bzw. dem Tanzenden Theater eine Kooperationsebene entwickelt. Die Musikschule Seit mehr als 40 Jahren hilft die Musikschule der Stadt Wolfsburg der Bevölkerung, musikalische Fähigkeiten zu entdecken, zu entwickeln und individuell zu fördern. Die breit angelegte Arbeit der Musikschule hat Wolfsburg eine große Zahl von musikalisch gut ausgebildeten Menschen beschert, die (später) auf unterschiedlichste Weise durchaus das kulturelle Leben der Stadt bereichern. Der jährlich stattfindende MusikschulGrandPrix ist mit mehr als 100 Teilnehmern ein Höhepunkt des Schullebens. Auf Basis dieser Breitenarbeit erreichen Schüler der Musikschule auch immer wieder ausgezeichnete Platzierungen oder Preise bei den Regional- und Landeswettbewerben „Jugend musiziert“. Die Musikschule ist damit ein Erfolgskonzept, das die Stadt auch in Krisenzeiten nie zur Disposition gestellt hat. Die VHS Das Alvar-Aalto-Kulturhaus war 1963 als kulturelles Zentrum der Stadt eröffnet worden. Bibliothek, Volkshochschule und Jugendzentrum hatten in diesem Haus eine Heimat gefunden. Doch dann war als Erstes das selbst verwaltete Jugendzentrum in die ehemalige Gaststätte „Noak“ (auf dem Gelände des heutigen Südkopfcenters) umgezogen. Im Jahr 2001 erfolgte der endgültige Auszug der letzten Teile der Verwaltung der BZW Wolfsburg in die umgestaltete Hermann-Löns-Schule. Die Volkshochschule fusionierte im Jahr 2005 mit der Berufsbildungsstätte (BSW) zum Bildungszentrum Wolfsburg gGmbH (BZW). Die Aufgaben bezogen sich einerseits auf den klassischen Volkshochschulbetrieb, insbesondere auf die Anregung zur Weiterbildung durch Kurse, Lehrgänge und Seminare. Daneben sollten über die Tochtergesellschaft n@work Qualifizierungs GmbH neue Geschäftsfelder entwickelt werden, um z.B. an von der Bundesanstalt für Arbeit finanzierten Qualifizierungsprogrammen teilnehmen zu können. Die Hoffnungen, die man in diese Struktur gesetzt hatte, erfüllten sich nicht. Mit der jetzt erfolgten Trennung von BZW gGmbH und n@work GmbH wird die Volkshochschule wieder so aufgestellt, dass sie bei der Entwicklung der Bildungslandschaft am Klieversberg eine zentrale Rolle für die Erwachsenenbildung im 21. Jahrhundert übernehmen kann. Die Stadtbibliothek Auch nach dem Auszug des Jugendzentrums und der VHS stößt die Stadtbibliothek seit einigen Jahren im Alvar-Aalto-Kulturhaus an räumliche Grenzen. Die etwaige Prognose, dass man nur lange genug warten müsse, um zu erleben, wie die Menschen das Interesse am Buch verlieren und der verstärkte Einsatz elektronischer Medien Buch und Bibliotheken überflüssig macht, hat sich nicht bewahrheitet. Die Versuche, mit externer Beratungsleistung eine Zukunft der Bibliothek zu entwickeln, hatten im Kern immer nur den Abbau von Personal und die Schließung von Zweigstellen zum Inhalt. Um den notwendigen Raum für die Bibliothek zu schaffen, wäre ein kompletter Umbau des Alvar-Aalto-Kulturhauses notwendig. Dies würde allerdings den architektonisch bedeutsamen Charakter des Hauses gänzlich zerstören. Eine Bibliothek ist mehr als eine Ansammlung von Büchern. Prof. Dr. Falk Jaeger hat in seinem Vortrag anlässlich der Vergabe des Koller-Preises 2010 darauf hingewiesen, dass im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts weiterhin ein Neubauboom bei Museen und Bibliotheken besteht. Er führte die neue Attraktivität der Bibliotheken auf die Suche der Menschen nach Schutzräumen zurück, die Suche nach Schutzräumen vor der Reizüberflutung durch die Neuen Medien in allen anderen Bereichen des Lebens. Neben der Zentralbibliothek stellen die Zweigstellen, die Schulbibliotheken und der Bibliotheksbus wichtige kulturelle Verbindungen zwischen den dezentralen Ortsteilen und dem Stadtzentrum dar. Das phæno 1999 gab das Kulturdezernat eine umfangreiche Broschüre mit dem Titel „Lust am Entdecken/Ein Science Center für Wolfsburg“ heraus. Die Entscheidung für das phæno war im Kontext der Stadtleitbilddebatte getroffen worden. So heißt es in der Konzeption für das spätere phæno: „Wie in kaum einer anderen Stadt sind in Wolfsburg Entstehungsgeschichte, Wohlstand und Zukunftsperspektive mit Technik und Naturwissenschaft verknüpft. Wolfsburgs Stärke ist ‚Lust an Entdeckungen’, d.h. Innovationsgeist […]. Das Science Center wird geprägt vom Entdeckergeist, den die Kompetenzaussage der Stadt einfordert. Die zentralen Maximen des städtischen Leitbildes sind auch die Kennworte des Science Centers: • Jede Verbesserung fängt bei uns an • Besondere Offenheit • Aktionsfelder mit Werkstätten • Zukunftsorientierte Lösungen entwickeln und leben.“ Dies alles ist in den darauffolgenden Jahren verloren gegangen und auch aus dem Bewusstsein der Einwohner der Stadt Wolfsburg verschwunden. Die Pariser sind stolz auf ihren Eiffelturm, die Kölner auf ihren Dom, aber die Liebe der Wolfsburger zu „ihrem“ architektonischen Weltwunder ist Wolfsburg: die Kulturarbeit der christlichen Kirchen! In den evangelischen Kirchen- und den katholischen Pfarrgemeinden wird Kulturarbeit in einem Umfang und einer Qualität betrieben, die an dieser Stelle nur in Ansätzen gewürdigt werden kann. Kirchen- und Gospelchöre, Bläsergruppen sowie Kammermusikkreise geben den Menschen in Wolfsburg die Möglichkeit aktiver Teilhabe. Auch die Erwachsenenbildung, Frauengruppen und die Jugendarbeit der christlichen Kirchen sind wesentliche Eckpfeiler des kulturellen Lebens in Wolfsburg. Ihre wichtige Rolle als Auftraggeber für Künstler wird an herausragenden Arbeiten wie dem Altarbild von Gerd Winner in der Das Alvar-Aalto-Kulturhaus: Mit dem Gebäude mitten in Wolfsburgs Innenstadt hat der finnische Baumeister Alvar Aalto ein architektonisches Meisterwerk hinterlassen. Der Zentralraum der Erwachsenenbibliothek bietet Lesevergnügen in besonderem Ambiente. doch eher unterkühlt. Das phæno ist inzwischen ein viel besuchter außerschulischer Lernort geworden. Eine Rückbesinnung auf den Gründungsimpuls ist für die Zukunft zwingend. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Aktivitäten in Wolfsburg, wo die Dinge von den Wolfsburgerinnen und Wolfsburgern selbst in die Hand genommen werden, wo sich kulturelles Leben unabhängig entwickelt. Die christlichen Kirchen Neben den zahlreichen kulturellen Einrichtungen, die unabhängig von der Kulturverwaltung der Stadt bestehen, gibt es einen in der Öffentlichkeit häufig wenig beachteten Bereich kulturellen Engagements in St. Heinrich-Kirche oder der Altarraumgestaltung von Stephan Balkenhol in der Bonhoeffer-Kirchengemeinde deutlich. Das Islamische Kulturzentrum Den in den 1960er-Jahren nach Wolfsburg gekommenen Italienern folgten in den 1970er-Jahren zahlreiche Tunesier. Ähnlich den italienischen Arbeitsmigranten sind viele von ihnen in Wolfsburg geblieben und in der Stadt am Mittellandkanal heimisch geworden. Im Jahr 1978 wurde der Islamische Verein Wolfsburg gegründet. Er fand an verschiedenen Plätzen der Stadt Unterkunft, bis er 2006 in das Islamische Kulturzentrum einziehen konnte. Die Errichtung dieses Zentrums wurde möglich dank einer großzügigen Unterstützung des Herrschers des Emirats Sharjah, Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 17 Sheikh Dr. Sultan Bin Mohamed Al-Qasimi. Mit dem Bau begonnen wurde im Jahr 2004, die Eröffnung des Zentrums mit Moschee fand im Juni 2006 statt.40 Der Erhalt historischer Bauwerke: Beispiel Fallersleben Im Rahmen der Bau- und Sanierungsarbeiten am Schloss Fallersleben wurden verschiedene historische Teile entdeckt wie der Brunnen oder die Gewölbe. Die Verwaltung hatte angesichts dieser Entdeckungen vorgeschlagen, die freigelegten Objekte wieder zuzuschütten. Im Rahmen einer äußerst engagierten Bürgerinitiative wurden jedoch Spenden gesammelt, die eine Erhaltung der historisch bedeutsamen Bausubstanz ermöglichten. Heute sind die Gewölbe im Schloss Fallersleben sichtbar Garten Rechnung getragen. Die eingemeindeten Dörfer entwickelten sich zum Wohnort für Pendler. Im Ergebnis wohnen heute in den eingemeindeten Ortsteilen mehr Menschen als in den Quartieren des ursprünglichen Stadtkerns. Neuhaus, das im Jahr 1938, als der Grundstein für das Volkswagenwerk gelegt wurde, 129 Einwohner zählte, wuchs beispielsweise bis zur Eingemeindung auf die sechsfache Bevölkerungszahl, 2008 waren es 1.731 Einwohner. Das entspricht dem 13,5-Fachen der Bevölkerung des Jahres 1938. Hier kann die Burg Neuhaus als Restkern des ursprünglichen Ortes helfen, auch für zugezogene Bürger Identität zu stiften. Im Vergleich dazu hatte Brackstedt im Jahr 1938 bereits 251 Einwohner, 2008 hat sich die Einwohnerzahl auf 1.000 vervierfacht, Im Rahmen der Ausstellung „Walking Distance from the Studio“ inszenierte der Künstler Francis Alÿs im Jahr 2004 eine Aktion, bei der er einen Käfer durch die Innenstadt schob. und zugänglich. Hier wird der Stadt wie auch den Ortsteilen ein zukunftsweisendes Beispiel gegeben, wie Menschen etwas zuwege bringen können, wenn sie als Bürgerinnen und Bürger aktiv werden und die Dinge in die eigenen Hände nehmen. Verschwindet die Stadt? – Global Village Die in das Wolfsburger Stadtgebiet integrierten Dörfer und Kleinstädte haben seit 1972 einen mehrfachen Wandel erfahren. Mit der Ausweisung von Baugebieten in den Ortsteilen wurde dem Bedürfnis nach Leben auf dem Lande im Eigenheim mit 40 Bemerkenswert ist, dass der Kontakt mit Sharjah auf die Plastik „Sandspirale“ von Günther Uecker zurückgeht, die 1970 für die Sammlung der Städtischen Galerie gekauft worden war. Das Kunstwerk war 2002 als Teil des Kunstprojekts „Wasser – Sand – Weite“ in Sharjah ausgestellt worden. 18 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg Tendenz steigend. Hier gibt es allerdings keinen Ort wie die Burg in Neuhaus, der vergleichbar identitätsstiftend wirken könnte. Das Dorf – früher Inbegriff rückständiger weltfremder Bewohner – beherbergt heute Menschen, die über das Internet Kontakte in alle Welt haben können, die Urlaubsreisen in fernste Länder gemacht haben, über Zweitwohnsitze an der Ostsee verfügen oder als Fußballprofis auch schon in europäischen Metropolen ihr Geld verdient haben. Aber nicht nur die Bevölkerungsentwicklung hat die Dörfer verändert, sondern auch die vorher von Landwirtschaft und landwirtschaftsnaher Industrie geprägte wirtschaftliche Struktur. Hier haben sich durch einen Konzentrationsprozess in der Landwirtschaft und der landwirtschaftsnahen Industrie wesentliche Veränderungen ergeben. Schule, Post, Gasthof, Kolonialwarenladen, Bahnhof/Haltestelle – das waren die im 19. Jahrhundert auch in kleinen Dörfern auftretenden Vorboten des Wandels zu einer „frühindustriellen“ Dorfstruktur. Windmühle, Molkerei, Sägewerk, Konserven- und Zuckerfabriken ergänzten diese Struktur und bestimmten das Leben in den größeren Gemeinden. Nach nur wenigen Jahrzehnten gehörte diese landwirtschaftsnahe Industrie allerdings schon wieder der Vergangenheit an. Heute sind auch die Post und der Kaufladen nahezu verschwunden, teilweise sogar die Dorfschule als letzter Kern der alten Ordnung. Die Dorfidentität, welche die alten Dorfgemeinschaften mit Volksfesten, in Chören, Schützen- und Sportvereinen, aber auch durch gemeinsame Arbeit entwickelt hatten, existiert nur noch in Resten. Die Finanzierung kultureller Aktivitäten, die früher durch Spenden ortsansässiger Unternehmer, Kaufleute und Bauern gestützt wurde, ist aufgrund der sich verändernden Strukturen rückläufig. Im Spannungsfeld zwischen „Schlafdorf“ für Pendler und neuen ortsteilspezifischen Formen der „Dorfkultur“ gilt es Rahmenbedingungen für ehrenamtliche Kulturarbeit zu erhalten und gegebenenfalls auch zu schaffen. Die Phaenomenale Im Jahr 2007 startete auf Initiative von Justin Hoffmann die erste Phaenomenale. Diese ohne Mitwirkung teurer Agenturen und ohne externe Beratungsleistung entstandene Idee aus den Denkwerkstätten Wolfsburger Kreativer hat sich inzwischen zu einem regionalen Festival für Kunst und Wissenschaft entwickelt, für das es in Deutschland nichts Vergleichbares gibt.41 Mit der Phaenomenale besitzt Wolfsburg ein eindrucksvolles Alleinstellungsmerkmal für die Stadt und die Region. Die Gedanken des Stadtleitbildes wurden aufgenommen und mit Leben gefüllt. 41 Die Phaenomenale ist in Europa nur mit der ars electronica in Linz vergleichbar, einem Festival zur Präsentation und Förderung von Kunst in enger Verbindung mit (digitaler) Technologie und gesellschaftlichen Fragestellungen. Die Berichterstattung – auch in überregionalen Medien – macht das zukünftige Potenzial dieses Festivals deutlich.42 Tattoo you „Ornament ist Verbrechen“, so schrieb Adolf Loos Anfang des 20. Jahrhunderts. In seiner Beweisführung erklärte er, dass Tätowierungen entweder zur Kultur primitiver Völker oder – in modernen Gesellschaften – zur Kultur der Kriminellen gehörten. In Zeiten der Massenproduktion ist offensichtlich das Kunstwerk auf der eigenen Haut zu einem Merkmal und Zeichen menschlicher Individualität geworden. Die in Wolfsburg ansässigen Tattoo-Studios sind auf dieser Basis inzwischen Teil der Stadtkultur geworden. Wollywood Mit der Verabschiedung des novellierten Landesrundfunkgesetzes durch den Niedersächsischen Landtag im Jahr 1993 war die Möglichkeit von Offenen Fernsehkanälen gegeben. 1996 startete in Wolfsburg der niedersachsenweit erste Offene Kanal. Seit 2004 wird OKTV als TV38 – Fernsehen zwischen Harz und Heide weitergeführt. Untergebracht in einem Studio in Westhagen, arbeitet TV38 als regionaler Fernsehsender. Nirgendwo sonst ist der technische Wandel für jedermann so sichtbar wie auf dem Sektor der visuellen Kommunikation. Ging es 1993 noch darum, freie Kanäle des Kabelfernsehens für lokale Bürgersender zu sichern, sind es heute die Entwicklungen der digitalen Aufnahmetechnik und das Internet, die neue, weitreichende Chancen eröffnen. Ob der von Ali Altschaffel produzierte Wolfsburg-Film oder das unter dem Namen WOB-Stories von Olaf Levin produzierte Internetfernsehen – beides zeigt nicht nur die aktuellen technischen Möglichkeiten, sondern auch, dass es in Wolfsburg hoch qualifizierte Macher gibt, deren Potenzial für die kulturelle Entwicklung der Stadt und die immer wieder beschworene „Kreativwirtschaft“ noch lange nicht ausgeschöpft ist. 42 Vergliche man das Budget dieser Veranstaltung beispielsweise mit dem der Movimentos Festwochen, würde schnell deutlich, wie mit kreativen Ansätzen und einem Bruchteil an finanziellen Mitteln hohe Aufmerksamkeit erzielt werden kann. Der Erfolg der Phaenomenale resultiert aus der Übereinstimmung von Stadtleitbild und Veranstaltungskonzept. Stadt ist Kultur Der Gang durch 70 Jahre kultureller Entwicklung Wolfsburgs zeigt die Leistung, die die Bürger dieser Stadt erbracht haben, um in ihr leben zu können. Nicht alles konnte erfasst und niedergeschrieben werden. Es lässt sich aber feststellen, dass in den vergangenen Jahrzehnten ein vielfältiges Kulturleben in der neu gegründeten Stadt entstanden ist. Es hat sich entwickelt und verändert, an einigen Punkten allerdings auch überlebt. An mancher Stelle ist die Vielfalt des Wolfsburger Kulturlebens auch gefährdet. Dabei kann es sich um baulichen Verfall handeln, der – um ein Beispiel zu nennen – beim Planetarium gerade noch gestoppt werden konnte. Dabei kann es sich aber auch um Auswirkungen der neu entstandenen Vielfalt handeln, die ehemals wichtige Veranstaltungsstätten wie den CongressPark obsolet erscheinen lässt, da früher wahrgenommene Aufgaben heute an besser geeigneten Orten stattfinden. Es haben sich auch neue Muster der Bürgerbeteiligung herausgebildet, die den Beweis einer dauerhaften Funktion noch nicht erbracht haben. Zahlreiche „Freundeskreise“ überlassen das Handeln und das Fällen von Entscheidungen trotz allen Engagements einer professionellen Geschäftsführung. Dem Mitglied ist eine Rolle als ehrenamtlicher Helfer zugewiesen. Die Möglichkeiten der inhaltlichen Einflussnahme sind dabei für den Einzelnen begrenzt, man folgt eher Kundenbindungsstrategien des Produktmarketings und kreiert Wege, um Mittel aus Subventionstöpfen zu erhalten. Andere Initiativen zeigen dagegen das Potenzial, das sich erschließen lässt, wenn die Menschen selbst die Dinge in die Hand nehmen und beginnen, zu gestalten. Die lange Fokussierung der Stadtentwicklung auf den Tourismus hat in Wolfsburg Spuren hinterlassen. „Die Kulissenarchitektur und Verführungskunst verwandeln die Stadt zur Einschaltquotenstadt, es zählen allein die Touristen, die möglichst zahlreich angelockt werden sollen. So verkommt die Stadt zu einem riesigen Freizeitpark, nichts ist mehr echt, alles täuscht.“43 Demgegenüber ist Wolfsburgs Reichtum eine lebendige Kulturszene im Schatten der touristischen Leuchttürme. Dort spürt man städtisches Leben. Dort ist Teilhabe möglich. Dieses kulturelle Leben macht die 43 C. Hansmann: Die Idee der Stadt als anthropologisches Spiel. Karlsruhe 2004, S.173. Stadt auch attraktiv für diejenigen, die hier in Wolfsburg wohnen und leben möchten. Bessere Botschafter als alte und neue Bürger der Stadt, die davon berichten, kann kein noch so teures Marketing hervorbringen. Es wird Aufgabe städtischer Kulturpolitik sein, dieses kulturelle Leben zu stärken. Der Kulturentwicklungsplan (KEP) kann einen Rahmen für diese Aufgabe abstecken. Der KEP kann allerdings nicht die handelnden Menschen ersetzen, die das kulturelle Leben prägen und gestalten. Die Zukunft einer Stadt wird hier geschrieben. Oder, um es mit den Worten des amerikanischen Architekturkritikers und Wissenschaftlers Lewis Mumford zu sagen: „Daher müssen wir uns jetzt die Stadt nicht in erster Linie als einen Ort vorstellen, wo man Geschäfte macht oder regiert, sondern als wichtiges Organ, das der neuen menschlichen Persönlichkeit Ausdruck verleiht und Geltung verschafft, der Persönlichkeit des Menschen in der Welt.“44 44 L. Mumford: Die Stadt. Geschichte und Ausblick. Stuttgart 1979, S. 670 [im Original: The City in History. New York 1961 (aus dem Amerikanischen von Helmut Lindemann)]. Axel Bosse (*1952) war nach dem Maschinenbaustudium bei Volkswagen tätig, zuletzt als Produktplaner für neue Fahrzeugprojekte. Er engagiert sich in der Wolfsburger Kunst- und Kulturszene, u.a. im Kunstverein Wolfsburg (Vorstand) und ist selbst „Sammler und Zeichner“. Er hat den Kulturentwicklungsplan als Vorsitzender des Beirats begleitet. Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 19 III. Ein Konzept für die Zukunft Das Wolfsburger Stadtleitbild von 1997 und die strategischen Oberziele Simone Neteler und Birgit Schneider-Bönninger „Jede Verbesserung unserer Stadt fängt bei uns an!“ Mit dem Kulturentwicklungsplan nimmt Wolfsburg nicht zum ersten Mal die städtische Zukunft in den Blick. Schon einmal, Anfang der 1990er-Jahre, als die Volkswagen AG von den einschneidenden Strukturproblemen der Automobilindustrie betroffen war, musste man in Wolfsburg auf die Herausforderungen der Autokrise reagieren und eine zukunftsgewandte neue Identität finden. Dies gelang einerseits durch die Gründung der Wolfsburg AG, einer Public Private Partnership der Stadt Wolfsburg und der Volkswagen AG, die seitdem das Konzept AutoVision erfolgreich umsetzt, andererseits aber auch durch neue Wirkungsziele, wie sie im Stadtleitbild von 1997 festgeschrieben wurden. Gerade das Leitbild lieferte eine wichtige visionäre Grundlage für Planungen der zukünftigen Stadtentwicklung – eine Grundlage, die bis heute von Bedeutung ist und deshalb an dieser Stelle skizziert werden soll. Mit dem Stadtleitbild präsentierte sich Wolfsburg als fortschrittliche, innovationsfreudige Stadt der Moderne, die nach demokratischen Regeln tragbare Konzepte für die Zukunft entwirft, um den Ansprüchen einer sich rasant verändernden globalen Welt zu begegnen. Die Konzeption ist nach ganzheitlichen, partnerschaftlichen und prozessorientierten Prinzipien entworfen; das Leitmotiv „Zukunftsorientierte Lösungen entwickeln und leben“ wurde in sechs sogenannten Werkstätten von rund 200 20 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft umgesetzt.45 Getreu der These: „Jede Verbesserung unserer Stadt fängt bei uns an!“, wurde Wolfsburg quasi zu einer Experimentierplattform, die Bürgerinnen und Bürger waren gefordert, Verantwortung zu übernehmen und sich aktiv in die Arbeit ein- Das Stadtleitbild (1997) erzeugte eine Aufbruchstimmung, die längst zu einem Markenzeichen Wolfsburgs geworden ist. zubringen. So entstand unter Mitwirkung vieler eine tragfähige „Navigationshilfe auf der Fahrt in die Zukunft“, wie es Dr. Wolfgang Guthardt, der damalige Stadtrat und 45 Die Aufbruchstimmung und Experimentierfreude, die sich mit dem Stadtleitbild verband, spiegelt sich in dem Motto „Lust an Entdeckungen“. Auch das Logo der Stadt bestehend aus vier Quadraten ging aus dem Stadtleitbild hervor. Es versinnbildlicht Herkunft und Zukunftspotenzial der Stadt. So steht das kleine blaue Quadrat (Blau als Farbe des Konzerns) für den Aufbau des Volkswagenwerks als Dreh- und Angelpunkt, verbunden mit seiner Philosophie eines innovativen Unternehmens. Das frische Grün symbolisiert die „Stadt im Grünen“, insbesondere Wachstum, Jugendlichkeit und Modellcharakter. Die beiden oberen Quadrate spiegeln die enge Verzahnung von Stadt und Werk sowie den gemeinsamen Weg in das neue Jahrtausend – eine Stadt im Wandel mit einem Bündel zukunftsweisender Projekte. heutige Direktor des phæno, in seinen einleitenden Worten zum Stadtleitbild auf den Punkt brachte. Guthardt, der an dem Projekt maßgeblich beteiligt war, beschrieb auch die Bedeutung, die sich mit dem Leitbild verknüpfte: „Es soll uns helfen, die Identität unserer Stadt klarer zu fassen und sie damit für uns selbst transparent zu machen. Es baut auf den vorhandenen Image-Faktoren auf und nimmt ein Stück Zukunft vorweg – es gibt uns eine Idee, eine Vision von dem Wolfsburg, in dem wir in Zukunft leben wollen.“ Das Stadtleitbild widmet sich in den Werkstätten „Highlights und Tourismus“ bzw. „Kultur, Sport, Bildung“ auch dem Thema „Kultur in Wolfsburg“. Dabei wird in der Liaison von zeitgenössischer Kunst und Technik eine besondere Stärke der Stadt gesehen. Man folgte dem Motto: „Innovation durch Kunst und Technik“ und formulierte im Leitbild: „Gerade in touristischer Hinsicht kann ein Imageaufbau nur mit unverwechselbaren Stärken der Stadt zum Ziel führen. In den Bereichen Kunst, hier der modernen und zeitgenössischen Kunst, und Technik, hier der zukunftsweisenden Technik im Sinne von Mobilität, sehen wir die großen Innovationspotenziale für die Stadt Wolfsburg.“ Weitere die Kultur betreffende Zielformulierungen lauten: „Erreichen möglichst vieler Menschen durch vielfältige Angebote Dazu gehört auch das • Fördern von Entfaltungsmöglichkeiten spezifischer Interessen, um damit das Entstehen von ‚Szenen‘ zu unterstützen • Stärken der Profilbildung von Schulen, Vereinen und Initiativen • qualitatives Aufwerten des Stadtbildes durch Kunst im öffentlichen Raum und andere markante Angebote Ausbau des Innovativen und des Internationalen zu besonderen Markenzeichen • Entwickeln und Präsentieren von […] neuen kulturellen Ausdrucksformen. Nutzen besonderer Spannungsfelder zwischen Tradition und Moderne […] Verbessern von Mitgestaltung und Mitverantwortung • Menschen zur Mitgestaltung und Initiative in Vereinen, Einrichtungen und Initiativen motivieren […] 14 Jahre Stadtleitbild – eine kurze Bilanz Im Rückblick betrachtet, war das Leitbild für die städtische Neuausrichtung ein Glücksgriff. Es sensibilisierte für die Stärken und Schwächen der Stadt, setzte Diskussionen in Gang, förderte das Bürgerengagement und gab Wolfsburg mit der Verpflichtung zu Fortschrittsdenken und Innovationskraft ein eindeutiges Profil. Entsprechend ist es auch dem Leitbild zu danken, dass sich die Stadt von da an ausdrücklich und bewusst dem Neuen und Experimentellen zuwandte. Insgesamt gilt das Stadtleitbild trotz seiner bereits 14-jährigen Gültigkeit noch immer als ein originärer, zukunftsweisender und ganzheitlicher Weg für eine tragfähige Stadtentwicklung. Es gab eine Richtung vor und erzeugte eine Aufbruchstimmung, die längst zu einem überzeugenden Markenzeichen Wolfsburgs geworden ist. Auch wenn manche Kritiker anmerken, dass es als zielgebende Größe zu abstrakt geblieben sei,46 sind viele der damals festgeschriebenen und ins Auge gefassten Vorhaben erreicht worden (z.B. Attraktivitätssteigerung als Einkaufsstadt, Erhöhung der Eigentumsquote) bzw. befinden sich noch in der Entwicklung (z.B. Schulversuche/Neue Schule-BildungsCampus auf dem Klieversberg (siehe Teil C: Visionen, I ). Trotzdem scheinen die damalig formulierten Maximen im heutigen politischen und 46 Bertelsmann Stiftung/Hans-Böckler-Stiftung/KGSt (Hrsg.): Mitarbeiterorientierte Zielvereinbarungen in der Kommunalverwaltung – Vom Konzept zur Umsetzung. Gütersloh u.a. 2002, S. 14. Das phæno: Mit diesem Bauwerk der Architektin Zaha Hadid fand die Zukunft ihren Platz in Wolfsburg. Das Science Center ist seit Eröffnung im Jahr 2005 ein Publikumsmagnet. gesellschaftlichen Bewusstsein weitgehend verblasst. Umso mehr kann und muss der Kulturentwicklungsplan auch als Chance gesehen werden, die Schlüsselthemen des Stadtleitbildes neu zu beleben. Die Oberziele lauten: • Arbeit und Wirtschaft sichern und ausbauen „Lebenswerte Zukunftsund Wohlfühlstadt“: die strategischen Oberziele und Handlungsfelder der Stadt Wolfsburg • Familie, Integration und Chancengerechtigkeit fördern Die im Stadtleitbild formulierten Ansätze und Perspektiven haben ihre Fortschreibung teilweise in der neuen strategischen Ausrichtung der Stadtpolitik gefunden. Mit Einführung von „Doppik“ und Produkthaushalt (2009) haben Politik und Verwaltung die Instrumente einer nachhaltigen Steuerung des Haushalts optimiert. Damit wird Entscheidungsträgern aus Rat und Verwaltung ein neu strukturierter Gestaltungsspielraum eröffnet, um über die Festlegung von Zielen, Kennzahlen und die hierfür erforderlichen Ressourcen zu entscheiden. Übergeordnetes Masterziel für Wolfsburg und seine Entwicklung ist es, eine „lebenswerte Zukunfts- und Wohlfühlstadt mit Qualität, Profil und Ausstrahlung“ zu werden. Um dies zu erreichen, sind wiederum fünf strategische Entwicklungsperspektiven als generelle Oberziele benannt, die hinsichtlich der bestehenden Handlungsfelder übergreifend und leitend für das Kontraktmanagement anzusehen sind. • Bildungs- und Kulturangebote erweitern • Stadtentwicklung und Stadtqualität fortentwickeln • Stadtverwaltung als bürgerfreundlichen Dienstleister ausbauen. Die ausgewiesenen 23 Handlungsfelder beinhalten konkret zu realisierende Ziele, die im Haushalt in Verbindung mit den jeweiligen Produkten dargestellt werden. Die strategischen Oberziele und Handlungsfelder sind dabei immer wieder den sich wandelnden inneren und äußeren Einflüssen anzupassen. Sie sind also nicht statisch, sondern vielmehr dynamisch angelegt. Die den Kulturbereich betreffenden Themen lassen sich mehreren Oberzielen und Handlungsfeldern zuordnen. Das zentrale Handlungsfeld lautet jedoch: „Kultur und Kunst als Standortfaktor profilieren“. Diesem übergeordneten Ziel folgen die Vorhaben: • „Tourismus- und Freizeitangebote weiterentwickeln“, • „Kinder- und familienfreundliche Angebote erweitern“ sowie • „Lebenswerte und lebendige Stadtund Ortsteile erhalten und fördern“. Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 21 Es versteht sich von selbst, dass der Kulturentwicklungsplan diese Oberziele und Handlungsfelder berücksichtigt und entsprechend weiterentwickelt. Ausblick Unter dem Arbeitstitel „Stadtkonzept Wolfsburg 2020+“ wird sich Wolfsburg mit seiner zukünftigen Entwicklung weiterhin beschäftigen. Es gilt, Bilanz zu ziehen sowie gleichzeitig Visionen und Perspektiven über Wege in die Zukunft zu entwickeln. Dabei ist auch auszuloten, wie man sich auf diese Zukunftsperspektiven heute schon einstellen kann. Das „Stadtkonzept Wolfsburg 2020+“ ist als Herausforderung und Chance zu sehen, einen öffentlichen Dialog über langfristige Entwicklungsmöglichkeiten, Stadt- und Lebensqualität zu initiieren bzw. diesen fortzusetzen. Es geht letztlich darum, sich offen für Zukunftsfragen zu zeigen, dabei die Wirtschaft, Politik und die gesellschaftliche Basis zum Mitdenken anzuregen sowie eine breite und qualifizierte Beteiligung der Bürger an dem Prozess umzusetzen. „Hallenbad – Kultur am Schachtweg“: Aus dem ersten Wolfsburger Hallenbad wurde 2007 ein Kulturzentrum der besonderen Art, das vor allem jungen Menschen eine kreative Plattform bietet. Hier ist eine Lichtinszenierung des Wolfsburger Künstlers Bernd Schulz zu sehen. 22 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg IV. Kreative Bürger in einer kreativen Stadt Simone Neteler und Birgit Schneider-Bönninger Die Idee der „kreativen Stadt“ Das Urbane und das Kreative sind erst in den letzten Jahrzehnten als sich gegenseitig befruchtende Variablen innerhalb der Stadtforschung anerkannt. Dabei gehen die Wurzeln solcher Überlegungen durchaus zurück bis in die Antike. Man denke nur an den städtischen Marktplatz im alten Griechenland, die Agora. Dieser als kommunikativer und kreativer Ort konzipierte städtische Mittelpunkt war ein zentrales Merkmal der griechischen Polis – und gleichzeitig eine gesellschaftliche Institution. Hier trafen sich die Bürger, hier wurden Informationen und Meinungen, aber auch Waren ausgetauscht, hier wurde über Wohl und Wehe der Stadt und ihrer Bewohner diskutiert und entschieden. Das neuzeitliche Konzept der „kreativen Stadt“ trägt zumindest noch entfernte Züge dieser antiken Idee, auch wenn es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder neu entworfen worden und mittlerweile aus der modernen Stadtforschung nicht mehr wegzudenken ist. Der Topos der „kreativen Stadt“ fungiert dabei als Leitbild für die moderne Stadtentwicklung, er zeigt Möglichkeiten auf, wie sich Städte heutzutage den zahlreichen Herausforderungen stellen können, die sich nicht zuletzt aus dem Wandel von der Industrie- zu einer Wissensgesellschaft ergeben. Entwickelt wurde der Ansatz der „kreativen Stadt“ von dem britischen Städteforscher Charles Landry, der dabei wiederum Ideen des amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Richard Florida aufgriff. Florida beschreibt Zusammenhänge zwischen der „creative class“ und dem ökonomischen Erfolg einer Stadt oder Region. Demnach sichert eine Stadt ihren Aufschwung, wenn sie für kreative Menschen attraktiv ist. Oder anders ausgedrückt: Erst das kreative Potenzial der städtischen Bürgerschaft garantiert das Maß an Wohlstand und Fortschritt der Stadt. Kreativ sind nach Floridas Definition aber nicht nur Künstler, Beschäftigte in den Medien, Grafiker oder Architekten, sondern auch Informatiker, Naturwissen- Der KEP ist Initialzündung und kein Schlusspunkt. schaftler, Mathematiker und Ingenieure genauso wie Beschäftigte im Bildungsbereich, Lehrer und Verwaltungsangestellte. Passend zu dieser breit gefächerten Definition der „creative class“ benennt Richard Florida drei Faktoren, die sogenannten drei Ts, die ein Anwachsen von kreativer Kraft innerhalb der Stadt fördern: Talente, Toleranz und Technologie. Die Talente der Menschen zu fördern, sich als Stadtgesellschaft tolerant zu zeigen gegenüber anderen Kulturen und divergenten Lebensformen, sich dem technologischen Fortschritt zu öffnen – all das macht eine Stadt attraktiv für die Kreativen. Talente, Toleranz und Technologie stehen dabei in einer Wechselbeziehung zueinander: So zieht ein tolerantes Stadtklima kreative Talente an. Diese wiederum machen die Stadt für Unternehmen wissensintensiver Sparten wie z.B. für den Dienstleistungssektor oder Unternehmen der neuen Technologien interessant. Deren Ansiedlung innerhalb der weltoffenen und toleranten Stadt bedingt wiederum den Zuzug weiterer kreativer Köpfe. Charles Landry, der heute weltweit als Städteberater tätig ist, beschreibt die Kreativität als „neue Währung“, doch sind ihm Floridas Interpretationen für die stadtpolitische Praxis etwas zu pauschal. Schließlich sei jede Stadt anders und müsse entsprechend ihre Besonderheiten entwickeln, also selbst kreativ werden, sein und bleiben. Hier wird deutlich, dass es bei dem Modell der „kreativen Stadt“ um mehr geht als um die bloße Ansiedlung von Kultur- und Kreativwirtschaft, zu der u.a. der Architektur-, Kunst- und Buchmarkt, die Film-, Musik- und Designwirtschaft, aber auch der gesamte Medien- und Werbemarkt gehören. Nach Charles Landry ist eine kreative Stadt „ein Ort, wo es Kreativität in jedem Bereich gibt, auch in der Verwaltung.“47 Es gilt, das eigene urbane Potenzial zu erkennen und es einzubringen – um als „kreative Stadt“ auf Dauer zu bestehen. Das ist die Basis, um glaubhaft Talente 47 Landry, Charles: Creative Cities and Creative Business – International Experiences. Vortrag anlässlich der Tagung „Kreative Quartiere – Chance für die Immobilienwirtschaft in der Metropole Ruhr“ am 20.11.2009 im Dortmunder Harenberg-City-Center. Abrufbar unter: http:// www.wirtschaftsfoerderung-dortmund.de/de/region/ kreativequartiere/03_landry.jsp Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 23 zu fördern, Toleranz zu leben, den technischen Fortschritt zu praktizieren – und damit kreatives Potenzial auszubilden, anzuziehen und bei sich zu halten. Genau hier sieht die moderne Stadtentwicklungsforschung den Schlüssel für die Städte, um eine überzeugende Lebensperspektive für die Menschen zu bieten und als urbane Metropolen auch in Zukunft im besten Sinne des Wortes innovativ zu sein. Wolfsburg – Stadt mit Potenzial Nach diesen skizzierten Ansätzen moderner Stadtforschung fällt es nicht schwer, Wolfsburg als „kreative Stadt“ zu denken. Im Gegenteil – es ist sogar mehr als naheliegend. Schließlich verfügt Wolfsburg seine charakteristischen Stadtmerkmale aktiv und zukunftsträchtig einzusetzen. Nur so konnte eine hochmoderne industrielle Basis entstehen, ein Zentrum für Forschung und Entwicklung mit mehr als 10.000 Ingenieuren, dazu eine schon heute durchaus überzeugende Bildungsund Wissenslandschaft, nicht zu sprechen von der gelungenen Installation überregional strahlender kultureller Leuchttürme (phæno, Autostadt und Kunstmuseum) in die kulturelle Stadtlandschaft. Schon diese kurze Aufzählung gibt einen kleinen Einblick in das kreative Potenzial, das in Wolfsburg zu Hause ist – begründet von vielen Bürgern, die in den Bereichen Kunst, Architektur, Bildung, Forschung und last, but not least in der Technologie kreativ sind. Das Kunstmuseum Wolfsburg: Die Institution für moderne und zeitgenössische Kunst ist auch international anerkannt. Hier ist eine Fensterarbeit des Künstlers Beat Streuli zu sehen. mit seinem ungebrochenen Pioniergeist, seiner Prägung durch Volkswagen und seinem unumstößlichen Bekenntnis zur Moderne über drei gewachsene Besonderheiten, die die Stadt am Mittellandkanal von anderen deutschen Städten maßgeblich unterscheidet und ihre Identität auf vielfältige Weise bestimmt. Als das Zuhause eines weltweit agierenden und wirkenden Konzerns besitzt Wolfsburg zudem das Potenzial von Internationalität – ein Potenzial, das allerdings noch viel mehr bewusst gemacht und in Szene gesetzt werden könnte. Schließlich ist es eine Ressource, die für die Zukunftsgestaltung immer mehr an Bedeutung und Wert gewinnen wird. Wolfsburg hat in seiner noch jungen Geschichte immer wieder bewiesen, 24 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg Doch es kommt noch ein weiterer, alles entscheidender Faktor hinzu, der zeigt, dass Wolfsburg beste Voraussetzungen mitbringt, um eine im Sinne der Landry’schen Definition „kreative Stadt“ zu werden. Denn in der niedersächsischen Autometropole ist gegenseitige Toleranz nicht nur ein Wort, sondern gewachsene Realität. So zeigte die Wolfsburger Stadtgesellschaft schon in ihren Anfängen nach Ende des Zweiten Weltkriegs, dass sie sich auf die Integration neuer Mitbürgerinnen und Mitbürger versteht. Damals kamen Flüchtlingsströme aus den ehemals deutschen Ostgebieten in die Stadt, um hier ein neues Zuhause zu finden. Ähnlich verhielt es sich ein gutes Jahrzehnt später, als südeuropäische Arbeiter nach Wolfsburg kamen – und viele von ihnen blieben. Heute leben in der Stadt am Mittellandkanal 137 Nationalitäten friedlich miteinander – und machen Wolfsburg damit zu einer weltoffenen, multikulturellen Stadt. Hier sind Offenheit, Versöhnlichkeit und Toleranz nicht nur blinde Gesten, sondern Tradition gewordene Verpflichtung und Bereicherung. Rund um solche historischen und sozialen Kristallisationskerne existiert in Wolfsburg eine Vielzahl an lebendigen Stadtteilkulturen. Damit bringt Wolfsburg all das mit, was Richard Florida und auch Charles Landry als Maximen ausgeben, um das moderne idealtypische Bild der „kreativen Stadt“ zu verwirklichen: Talente, Toleranz und Technologie. Schon in der Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2010 versuchte die Stadt, ihr ureigenes Potenzial – Stadt des Autos, Stadt mit Pioniergeist und damit verbundener Aufbruchstimmung, Stadt mit dem Bekenntnis zur Moderne – kreativ einzubringen: „Wissenschaftlich, industriell, kulturell oder künstlerisch: Alles was in Wolfsburg generiert, kreiert, geschaffen wird, dient weitgehend dem Zeitgenössischen oder geschieht in der Perspektive des Künftigen“. An der Schwelle zum 21. Jahrhundert hat sich Wolfsburg angesichts der Autokrise einmal mehr neu erfinden müssen – und das mit Erfolg! So präsentiert sich die Stadt heute nicht mehr nur als reiner Industriestandort, der mit den Folgen der Monoindustrie zu kämpfen hat, sondern als niedersächsische Metropole, die es in die Welt zieht und die auf Wissen und Dienstleistung baut. Kultur, Bildung, Wissenschaft und Internationalität sind die tragenden Säulen der neuen Stadtgesellschaft. So bewertet eine aktuelle PrognosStudie unter dem Titel „Zukunftsatlas 2010“ Wolfsburg als „zukunftsfähigste Stadt Norddeutschlands“, die sich unter 412 Städten und Landkreisen in der bundesweiten Spitzengruppe wiederfindet. Berücksichtigt wurde dabei die jüngste Entwicklung bezüglich der Indikatoren Demografie, Wohlstand, soziale Lage, Arbeitsmarkt, Wettbewerb und Innovation. Die Wolfsburger Kulturlandschaft heute und in Zukunft Auch wenn in Wolfsburg – wie dargelegt – gute Grundlagen vorhanden sind, sich zu einer modernen „kreativen Stadt“ zu entwickeln, müssen schon jetzt die Weichen gestellt werden, um diesen Status auch dauerhaft zu halten und auszubauen. Dieses wird mit der momentan in Wolfsburg scheinbar dominierenden Event- und „Leuchtturmkultur“ allein nicht zu realisieren sein. Schließlich kann nur ein lebendiges kulturelles Umfeld (junge) Kreative nachhaltig an sich binden, wozu laut Definition eben nicht nur Künstler und Designer, sondern auch Wissenschaftler, Techniker und Gründer gehören. Heute wandert doch noch mancher ab, denn attraktive Metropolen wie Berlin oder Hamburg sind nicht weit. Die Wolfsburger Kulturlandschaft vielfältig zu gestalten, sie auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zuzuschneiden und die Menschen gleichzeitig agieren und teilhaben zu lassen – das wird eine der ganz großen Herausforderungen für die Kulturpolitik der nächsten Jahre sein. Dabei kann sich Wolfsburg auf jeden Fall auf alte Werte und die gewachsenen Traditionen verlassen. Doch müssen sie sich mit den Zeiten wandeln und entwickeln, um auch morgen noch die frühere Strahlkraft zu entfalten. Zudem sind Tugenden noch einmal neu zu verankern, beispielsweise die Lust daran, Demokratie zu leben, oder der Mut, gegen Intoleranz und Verfolgung einzutreten. Kunst und Kultur sind zu pflegen und in jedweder Form zu fördern. Künstler und Kulturschaffende bilden nun einmal das kulturelle Zentrum und sollen entsprechend auch Unterstützung erfahren. Denn „sie erschließen Kreativität in einer Bevölkerung. Sie sind keineswegs nur dekorative Elemente. Daher sind Aufwendungen für sie […] unverzichtbare Investitionen in die Entwicklung einer Gesellschaft.“48 Wolfsburg hat sich schon immer – sowohl in seiner „Vorgeschichte“ als auch in der jungen Stadtgeschichte – mit deutlicher 48 Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen (Hrsg.): Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland. Entwicklung, Ursachen und Maßnahmen. Teil III: Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungslage. Bonn 1996/1997, S. 9. Abrufbar unter: http://www.bayern.de/Anlage4500338/BerichtderKommissionfuerZukunftsfragenderFreistaatenBayernundSachsen-Teil3.pdf. Wertschätzung für Kreativpotenziale hervorgetan. Dichter, Denker, Pioniere, Kunstpreise, Kunstpräsenz im öffentlichen Raum, moderne Architektur, Traditionsinseln, Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, das Schloss Wolfsburg mit Kunstverein und Städtischer Galerie, das AlvarAalto-Kulturhaus, das „Hallenbad“ und das bereits erwähnte phæno oder das Kunstmuseum Wolfsburg – all dies begründet seit Jahrhunderten bzw. seit Jahrzehnten ein einzigartiges kreatives Konglomerat, das in dieser Dichte und Vielschichtigkeit nicht oft zu finden ist. Trotzdem besteht Nachholbedarf in den Bereichen Kreative Räume, Jugendkultur, Subkultur, Stadtteilkultur und Szenequartiere. Wolfsburg bringt all das mit, um die „kreative Stadt“ zu verwirklichen: Talente, Toleranz und Technologie. Die in Wolfsburg bereits gelungene Verbindung von Wissenschaft, Kunst und Technik – selbst Resultat eines kreativen Handelns innerhalb der Stadt – muss fortgeführt werden. Von Vorteil wird dabei sein, dass die Region schon heute mit renommierten Hochschulen und weiteren Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen besticht. zumindest skizzierte Anregungen bei der Erwachsenenbildung aufbauen. Gelingt es, diesen kreativen Umgang mit Bildung und Kunst altersübergreifend zu fördern, kann im Rahmen kultureller Bildung und auch der künstlerischen Betätigung eine ungeahnte Breitenwirkung einsetzen. Richtungsweisend und modellhaft ist die Vision der Bildungslandschaft (siehe Teil C: Visionen, I ), die aus Vernetzung entsteht. Ein freies und solidarisches Bildungssystem garantiert darüber hinaus auch das Zusammenwachsen einer kritisch aufgeklärten Stadtgesellschaft, für die Toleranz mehr ist als nur ein Wort. Nur ein tatsächlich mündiger Bürger wird sich selbstbewusst in der Wissensgesellschaft von morgen positionieren und behaupten können – ein Bürger, der sich interessiert und einbringt, der teilhat und anbietet, der offen ist für Neues und kritisch hinterfragt, der experimentiert, improvisiert, spontan ist und, wenn es sein muss, auch nach unkonventionellen Lösungen sucht. Wolfsburg ist auf dem Weg zur „kreativen Stadt“ – und sollte sich dabei nicht aufhalten lassen. Die kulturpolitischen Vertreter werden diesen Prozess mit viel Idealismus begleiten, sie werden den Kreativen zuhören und die Bürger immer wieder zur aktiven Beteiligung und Teilhabe auffordern. Lebenslanges Lernen als Basis für kreatives Handeln Richard Florida hat als eine Quintessenz seiner Ausführungen „Kreativität für alle“ gefordert. Dies scheint eine tragfähige Fortführung des allseits bekannten „Kultur für alle“ zu sein, könnte dieser Maxime damit doch der zeitgemäße Ruf nach „Kultur von allen“ folgen. Ungewohnte, neue Situationen brauchen kreatives Handeln von jedem von uns – unter diesem Blickwinkel erhält der Slogan vom „lebenslangen Lernen“ eine neue Dimension. Die Möglichkeiten dazu müssen von der Kindheit bis ins hohe Alter geschaffen werden. Wolfsburg kann hier auf bereits begonnene Maßnahmen wie die Ausweitung von Ganztagsangeboten für Kinder und Jugendliche, aber auch auf Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 25 26 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg B Praxis Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 27 > Präambel Der Idee der „kreativen Stadt“ verpflichtet, liegt dem Wolfsburger Kulturentwicklungsplan eine Kulturstrategie zugrunde, die aus den städtischen Qualitäten, Besonderheiten und Potenzialen programmatische Ansätze entwickelt und diese immer wieder zeitgemäß anpasst. Traditionsbewusstsein und Experimentierlust, künstlerisches Risiko und Professionalität, Offenheit und Neugierde, Zusammenhalt und Teilhabe, Weltoffenheit und Toleranz – das sind die zentralen Maximen, die die emotionale Basis für ein kulturelles Heimatgefühl in Wolfsburg legen. Darauf ist aufzubauen – auch im Hinblick auf die zukünftige Ausrichtung des kulturellen Engagements. Die Stadt Wolfsburg bekennt sich zu einer integrativen, die Vielfalt und den Diskurs fördernden Kulturpolitik. Diese steht für die Schaffung eines solidarischen Miteinanders 28 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg in der Kernstadt sowie den Stadt- und Ortsteilen, aber auch für Flexibilität und Forschergeist. Wolfsburger Kulturpolitik im 21. Jahrhundert sieht sich der Bewahrung und Pflege des kulturellen Erbes verpflichtet, erschöpft sich jedoch nicht in bloßer Verwaltung des Bestehenden und Bewährten. Immer geht es ihr auch um dessen dynamische und exzeptionelle Fortschreibung. So verstanden, ist Kulturpolitik auch wesentliche Säule einer Stadtentwicklung. Entsprechend entwerfen die zehn Schwerpunkte des Wolfsburger Kulturentwicklungsplans das Bild einer dynamischen, vielfältigen Kulturstadt und bilden den gemeinsamen kulturellen Nenner, mit dem sich Kulturschaffende und -nutzer, Politik und Verwaltung identifizieren. > Zehn Schwerpunkte für die Kulturentwicklung in Wolfsburg 1 Kulturelles Erbe und Erinnerungskultur 2 Orts- und Stadtteilkultur, Soziokultur und Bürgerengagement 3 Jugendkultur, Subkultur, Freie Szene und Offene Räume 4 Internationalität, Integration und Interkultur 5 Kulturelle Bildung 6 Zeitgenössische Kunst 7 Baukultur 8 Theater, Musik, Literatur und Veranstaltungskultur 9 Wissenschaft und neue Technologien 10 Kulturmarketing und Kulturförderung, Kultur- und Kreativwirtschaft Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 29 1 Kulturelles Erbe und Erinnerungskultur „Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.“ Richard von Weizsäcker Wolfsburg gilt als eine der bedeutendsten Stadtgründungen des 20. Jahrhunderts. Im Jahr 1938 legten die Nationalsozialisten nahe Fallersleben den Grundstein für das Volkswagenwerk, zu dem parallel eine moderne Industriestadt entstehen sollte. In der sogenannten „Stadt des KdF-Wagens“ wollte das NS-Regime den Traum einer in Europa einzigartigen monumentalen Industriegründung verwirklichen, um dort ein Automobil für alle zu bauen. Im Verlauf des von den Nazis geführten Zweiten Weltkriegs wurde das Projekt „KdF-Wagen“ gestoppt; stattdessen wurden das Werk und die Stadt Orte von Rüstungsproduktion und Zwangsarbeit. Das Kriegsende markierte einen Neubeginn. In Wolfsburg umbenannt, wurden die Kriegsschäden am Werk schnell behoben und nahm man die Autoproduktion wieder auf. Entscheidend war in diesem Zusammenhang auch die Zuwanderung von Flüchtlingen und Vertriebenen, die das erforderliche Arbeitspotenzial stellten. Später kamen erste ausländische Arbeitskräfte hinzu. Damit waren die Weichen für den rasanten wirtschaftlichen Aufstieg des Volkswagenwerks in den 1950er- und 1960er-Jahren gestellt. Im Zuge der Integration der Bundesrepublik in den westlichen Markt wurde das Volkswagenwerk zum Motor und der in Wolfsburg produzierte Käfer zum Symbol des Wirtschaftswunders. Aus der spezifischen Rolle, die diese Stadtgründung während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft spielte, 30 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg erwächst eine besondere historische Verantwortung. Sie fordert eine bewusste Auseinandersetzung mit der NSVergangenheit und der demokratischen Genese in der Nachkriegszeit. Wolfsburg fühlt sich einer aktiven und nachhaltigen Erinnerungskultur verpflichtet. Die Einweihung des zentralen Zwangsarbeiterdenkmals auf dem Sara-Frenkel-Platz im Jahr 2010 ist nur ein Beispiel für dieses Engagement, das auf breiten gesellschaftlichen Schultern ruht. So gehen städtische Kulturinstitutionen, die Historische Kommunikation der Volkswagen AG, die IG Metall und der Initiativkreis für die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter offensiv mit den dunklen Jahren der Stadtgeschichte um. Auch die Landsmannschaften der Pommern, Schlesier oder Russlanddeutschen leben heute die Idee der Versöhnung und leisten in Wolfsburg einen aktiven Beitrag zur Völkerverständigung. Wolfsburg wird sich auch weiterhin mit seiner NSVergangenheit bewusst auseinandersetzen und sich als Demokratiewerkstatt etablieren, in der Erinnern zur Versöhnung beiträgt. Ein weiteres markantes und gleichzeitig prägendes Element der Wolfsburger Stadtgeschichte ist die Tatsache, dass im Ortsteil Fallersleben mit August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 – 1874) der Dichter der deutschen Nationalhymne geboren wurde. Das Hoffmannvon-Fallersleben-Museum im Schloss Fallersleben ist das einzige Museum für den Dichter, der nicht nur „Das Lied der Deutschen“, sondern auch Hunderte heute noch verbreiteter Kinder- und Volkslieder verfasste. Das Museum bewahrt als wichtiger deutscher Erinnerungsort einzigartige kulturhistorische Sammlungen zur deutschen Literatur-, Musik- und Politikgeschichte, die es seit 1991 im Kontext der National- und europäischen Geschichte präsentiert. Zusammen mit der von der Hoffmannvon-Fallersleben-Gesellschaft betreuten Studienstätte unterstützt das Museum die Forschung zu dem Themenkreis. Schließlich gilt August Heinrich Hoffmann von Fallersleben auch als Repräsentant von freiheitlichen Ideen, die zu geschichtlich wirksamen Kräften wurden und heute wie auch in Zukunft Leitbilder politischen Handelns bleiben müssen. Als zusätzliche historische Besonderheit kann zudem die Gebietsreform 1972 gelten, in deren Zuge es zu einer gelungenen Verschmelzung der jungen Stadt Wolfsburg mit den 20 jahrhundertealten umliegenden Dörfern und Städten kam. Es ist ein Paradoxon der Wolfsburger Geschichte, dass die noch junge Stadt damals quasi von einem Moment zum anderen nicht nur ein größeres Stadtgebiet, sondern gewachsene Traditionen und damit eine eindrückliche Vorgeschichte gewann. Die Bockwindmühle in Kästorf, aber auch die vielen Fachwerkhäuser, Höfe und Kirchen in den Ortsteilen und der Kernstadt (Heßlingen, St. Annen) sind bauliche Zeugen dieser weit vor die Stadtgründung zurückreichenden Vergangenheit. Zu den historisch bedeutsamen Inseln im Stadtgebiet gehört neben den Ortsteilen auch das historische Dreigestirn aus Schloss Wolfsburg als Namensgeber der Stadt, Schloss Fallersleben und Burg Neuhaus als romantisches Zeugnis einer mittelalterlichen Burganlage. Die Pflege des kulturellen Erbes wird in Wolfsburg im Wesentlichen durch die Historischen Museen und das Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation (IZS) im Sinne der Trias „Erforschen, Bewahren, Vermitteln“ getragen. Hierbei fungieren die Historischen Museen als Objektgedächtnis der Stadt. Das Stadtmuseum Schloss Wolfsburg – 2001 mit dem Museumspreis für Neugestaltung der Niedersächsischen Sparkassenstiftung ausgezeichnet – gilt als eines der innovativsten Stadtmuseen Niedersachsens. Bewusst wurde das Museum als moderne Stadtpräsentation konzipiert: Einerseits zeichnet es für Wolfsburger Gäste ein vielschichtiges Porträt dieser Modellstadt der deutschen Nachkriegsgeschichte, andererseits arbeitet es intensiv mit Bürgergruppen zusammen und bietet seinen Besuchern viele Anknüpfungspunkte für die Reflexion der eigenen Biografie. Museen, Archive sowie die zahlreichen Heimat- und Kulturvereine sind in besonderer Weise geeignet, Vorurteile gegenüber der modernen, oft als gesichts- und geschichtslos angesehenen Stadt Wolfsburg zu entkräften und den kulturellen Reichtum des Wolfsburger Raumes ins Bewusstsein zu rücken. Ziele • Stärkung des Geschichtsbewusstseins und Bildung einer gemeinsamen urbanen Stadtidentität • Vermittlung der Geschichte des Wolfsburger Raumes und der Stadtgeschichte im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne • Erforschung und Darstellung vor allem des modellhaften Charakters der Wolfsburger Entwicklung in der deutschen Zeitgeschichte Stadtpräsentation und in seiner Rolle als Museum der Bürger • Beschreibung von Demokratie und historischer Verantwortung als „Mission Statement“, als Leitidee der Geschichtsvermittlung • Popularisierung des Wissens über die Bedeutung August Heinrich Hoffmann von Fallerslebens für die Freiheits- und Demokratiebewegung des 19. Jahrhunderts auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene • Stärkere Akzentuierung der Bedeutung von Mobilität und Bewegung in der stadtgeschichtlichen Präsentation und Vermittlung • Erinnern für die Zukunft: Kreation von neuen Formen einer lebendigen und nachhaltigen Erinnerungskultur (multimediale, künstlerische und gestaltpädagogische Zugänge) • Nutzung der Historischen Museen und des IZS als Orte des kulturellen Gedächtnisses genauso wie als „Laboratorium“ und „Zukunftswerkstatt“ (Gegenwartsdokumentation für die Zukunft) Schlüsselprojekte • Aufbau eines digitalen Archivs (Bildarchiv, digitales Findbuch) zur Nutzung durch die Wolfsburger Bevölkerung und alle städtischen Organe (IZS) • Entwicklung eines Geschichtsportals und Weblogs (virtuelles Stadtgedächtnis) zur regionalen und überregionalen Nutzung (IZS) Volkswagen AG bei industrie- und alltagsgeschichtlichen Themen (Stadtmuseum) • „Modern aus Tradition“: Gestaltung des „Tages der Braunschweigischen Landschaft 2012“ • Wiedereröffnung und Weiterentwicklung der Landwirtschaftsausstellung, z. B. Darstellung der Entwicklung vor und während des Stadtaufbaus sowie der aktuellen Situation der Landwirtschaft und Traditionspflege in Wolfsburg • Neugestaltung der Dauerausstellung des Hoffmann-von-Fallersleben-Museums (auf dem neuesten Forschungsstand, gegenwartsorientiert und den veränderten Rezeptionsgewohnheiten entsprechend angepasst) • Ausbau des Hoffmann-von-Fallersleben-Museums zu einem bundesweit wirkenden Zentrum der literatur- und politikgeschichtlichen Forschung und politischen Bildung • Anpassung der Räumlichkeiten der Historischen Museen an die Erfordernisse der Zertifizierung durch den Museumsverband von Niedersachsen und Bremen (u. a. Verbesserung der Depotsituation) • Erlebnis Schlösser und Burg: Inszenierungen zur Geschichte von Schloss Wolfsburg, Burg Neuhaus und Schloss Fallersleben (z. B. Illuminationen, Projektionen oder multimediale Rundgänge) • Realisierung von Projekten im Themenfeld „Demokratie“: Forschungsprojekt „Wolfsburgs Weg zur Demokratie“, Gestaltungsprojekte „Orte der Demokratie“, „Kunst gegen Vergessen“ (IZS) • Betonung historischer Kontinuität mit Blick auf die Orts- und Stadtteile • „Geschichte wird gemacht“: Erarbeitung von Ortschroniken, Firmen- und Familiengeschichten sowie von „Wolfsburg erzählt“; Gestaltung einer neuen Veranstaltungs- und Buchreihe mit Menschen einer Erlebnisgeneration • Weiterentwicklung des Stadtmuseums zu einer jederzeit aktuellen • Ausbau der Zusammenarbeit mit der Historischen Kommunikation der Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 31 2 Orts- und Stadtteilkultur, Soziokultur und Bürgerengagement „Kultur ist, wie der ganze Mensch lebt.“ Bertolt Brecht Eine Besonderheit Wolfsburgs liegt in seiner kommunalen und siedlungsgeografischen Struktur. So gliedert sich die Großstadt Wolfsburg in insgesamt 40 Stadtteile. Dabei ist die eigentliche Kernstadt von 20 Stadtund Ortsteilen umgeben – 18 Dörfer und die zwei Städte Fallersleben und Vorsfelde, die allesamt im Zuge der Gebietsreform von 1972 eingemeindet wurden. Das Leben in diesen umliegenden Stadt- und Ortsteilen ist durch jahrhundertealte Traditionen geprägt. Architektonisch von klassischen Dorf- und Kleinstadtkernen bestimmt, konnte die dort ansässige Bevölkerung teilweise schon lange vor der Eingemeindung vielfältige kulturelle Angebote nutzen. Chöre, Landsmannschaften, Kultur- und Heimatvereine bestimmten mit ihren Aktivitäten das gesellschaftliche Leben. Sie pflegen bis heute das historische Erbe. Dadurch erfüllen sie auch eine geschichtsstiftende Funktion für die moderne Stadt Wolfsburg und sorgen dafür, dass Menschen diese als Heimat begreifen und annehmen. Neu erschlossene Baugebiete in den Ortsteilen ziehen Neubürger an; das hier praktizierte kulturelle Leben fördert deren Integration in die Stadtgesellschaft. So verwundert es nicht, dass heute mehr Menschen im Umland als in der Kernstadt leben. Stadt- und Ortsteilkultur sind unverzichtbare Grundlagen des Zusammenlebens in Wolfsburg. Sie bieten durch die gewachsenen historischen Strukturen vor Ort und ihre Verankerung im unmittelbaren Wohnumfeld Möglichkeiten zu kultureller Teilhabe, zu Mitgestaltung, Begegnung und Kommunikation. Damit ist Stadtteilkultur Basis für gelebte Demokratie. Sie bildet einen 32 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg unverzichtbaren Bestandteil städtischer wie auch persönlicher Identität und ist zentrale Grundlage für zukünftiges Handeln. Eine aktive und inspirierte Stadt- bzw. Ortsteilkultur ist damit ein wichtiger Wegweiser für die Wolfsburger Zukunft. Der KEP unternimmt deshalb den Versuch, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen zentraler und dezentraler Kulturstruktur zu gestalten. Die Soziokulturarbeit zeichnet sich durch spartenübergreifende, kulturelle Aktivitäten im sozialen Bereich aus. Hauptakteure sind in Wolfsburg die IG Metall und die Kirchen, jedoch verknüpfen auch Institutionen wie das „Hallenbad – Kultur am Schachtweg“ verschiedenste kulturelle Angebote mit sozialem Engagement. Es gilt, Kultur im wahrsten Sinne des Wortes zu verorten, d.h., ein kulturelles Leben nicht nur in der Kernstadt, sondern auch in den umliegenden Stadtund Ortsteilen fest zu verankern. Eine insgesamt tragfähige und vielfältige Soziokultur ist von zentraler Bedeutung im Hinblick auf das städtische Leben. Für eine Kulturentwicklung, die dieser Bedeutung entspricht, ist der chancengleiche Zugang zu Kunst und Kultur ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit. Unter diesem Gesichtspunkt ist ein dezentrales und breites Kulturangebot seitens Wolfsburger Kultureinrichtungen, aber auch seitens der aktiven Bürger essenziell. Zudem ist das Leben in Wolfsburg geprägt von einem angeregten Bürgerengagement. Wolfsburgerinnen und Wolfsburger arbeiten in Beratungsstellen und Einrichtungen mit. Ihr aktives Handeln in der „SonderBar“, der „Kontaktstelle Bürgerengagement“ oder dem Deutsch-Italienischen Freundeskreis zeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger in ihrem direkten Umfeld Einfluss sowohl auf kulturelle als auch auf gesellschaftliche Prozesse nehmen wollen. Außerdem spiegelt sich in Institutionen wie der Bürgerstiftung Wolfsburg eine neue soziokulturelle Kraft, die das bürgerschaftliche Engagement gleichsam offenbart und stützt. Aktive Stiftungen sind eine Bereicherung. Sie wirken als unverzichtbare und verlässliche Partner des Gemeinwesens Wolfsburg und können mit ihrem Engagement zum Wohl der Stadt, aber insbesondere auch zum Wohl der hier lebenden Bürger beitragen. Ziele • Förderung einer vielfältigen Stadt- und Ortsteilkultur als Element kultureller Attraktivität und Identitätsbildung • Ermöglichung von niedrigschwelligen Zugängen zu Kunst und Kultur • Förderung autonomer kultureller Gestaltungs- und Ausdrucksformen in den Stadt- und Ortsteilen • Verbesserung der Infrastruktur im Hinblick auf den öffentlichen Personennahverkehr (Stadtteilkultur wird erreichbarer) • Vertiefung der Kooperationspraxis mit in den Stadtteilen ansässigen Schulen im Zuge der Ganztagsschulentwicklung • Optimierung der Kulturarbeit auf Stadtund Ortsteilebene • Öffnung der Heimat- und Kulturvereine für jugendkulturelle Formate • Erhaltung archäologischer und geologischer Stätten und Lehrpfade sowie intensivere Vermittlung von Kenntnissen zur Wolfsburger Erd- und Vorgeschichte • „Partizipation durch Kultur“: Ermunterung zu aktiver Bürgerbeteiligung und Teilnahme an kulturellen Prozessen wie auch Projekten (Beteiligungsprojekte) • Stärkung der kommunikativen und sozialen Vernetzung dezentraler Kulturanbieter • Förderung von mehr Transparenz und Effizienz durch Vernetzung und Koordination bestehender Stiftungen • Etablierung des Freiwilligen Sozialen Jahres Kultur (FSJ Kultur) • Anregung stadtteilbezogener Kultur- und Kunstentwicklungen als Gegengewicht zu der Eventkultur in der Kernstadt (Kunstpfade, Mini-Konzerte, Bürgerfrühstück etc.) Schlüsselprojekte • Stärkung des Projekts „Über die Dörfer gehen“: Inszenierung mobiler Kulturprojekte und -angebote (mobile Theaterbühne für Laienspiel, Wanderausstellungen, musikalische Initiativen) • Installierung von regelmäßigen Gesprächsrunden zu orts- und stadtteilspezifischer Kulturentwicklung unter Einbeziehung der Kulturvereine sowie aller involvierten Organisationen, Personen und Institutionen vor Ort • Herausgabe eines Kulturstadtplans, der die kulturellen Initiativen und Anlaufstellen in den Orts- und Stadtteilen auflistet • Konzeptionelle Weiterentwicklung des bestehenden Modells der Stadtteil- und Schulbibliotheken • Aufbau des Projekts „Kultur vor Ort“: Gründung von historischen Arbeitskreisen, Erkundung und Dokumentation von Ortsgeschichten durch Alteingesessene und Neuzugezogene, Installierung von historischen Rundgängen und Kirchenführungen • Entwicklung eines Konzepts für eine technische und räumliche Infrastruktur in den Stadt- und Ortsteilen • Belebung des Wanderpfads „ARS NATURA“ mit Skulpturen und Installationen • Gründung einer Stiftungsinitiative zur Vernetzung und Koordination bestehender Stiftungen • Entwicklung stadtteilbezogener Angebote durch das Junge Theater, offene und generationsübergreifende Projekte durch Theaterpädagogen zur Zusammenführung verschiedener Generationen und Bildungsschichten • Förderung des Projekts „Kultur trifft Arbeit“ und im Rahmen dessen Intensivierung der Kooperation zwischen IG Metall und dem Theater (Angebot für Wolfsburger Bürger, das sich durch ungewöhnliche Auftrittsorte – wie beispielsweise Hinterhöfe – und besondere Vorstellungszeiten – nicht nur am Abend – auszeichnet) 3 Jugendkultur, Subkultur, Freie Szene und Offene Räume „In den Straßen, Gassen, Winkeln und all dem Treiben in dieser Stadt liegt so viel, in sich verborgen durch des Alltags grauer Star.“ Gruppe Rehlachs, Wolfsburg Wolfsburg verfügt mit seinen Freizeitheimen, Jugendtreffs, Aktivspielplätzen und dem Jugendzeltplatz über ein dichtes Angebot organisierter Kinder- und Jugendarbeit. Unter der Regie des Geschäftsbereichs Jugend hat sich das Kinderkulturprogramm „Beste Plätze“ beachtlich entwickelt. Dem Stadtjugendring Wolfsburg gehören über 70 Jugendgruppen an. Daneben existieren zahlreiche selbst organisierte Initiativen und Einrichtungen, die im Sinne von Jugend- und Subkulturen agieren – mit eigenen Regeln, Strukturen und Ausdrucksformen. Die Geschichte der Subkulturen in Wolfsburg geht bis in die 1950er-Jahre zurück, als der Rock’n’ Roll die junge Stadt im Sturm eroberte. Doch Jugend- und Subkulturen wandeln sich ständig. In Wolfsburg dominieren aktuell mehrere Strömungen: Metal/Rock (mit verschiedenen Veranstaltungen und Proberäumen in der „Rockbar“ oder dem „Hallenbad – Kultur am Schachtweg“), House (mit dem Veranstalter und Label „5050“) und Hip-Hop (mit Aktivitäten in den Bereichen Rap, Breakdance und Graffiti). Räume für subkulturelle Bewegungen und alternative Musikkultur sind das selbst verwaltete „Jugendhaus OST“ und das „Hallenbad“, in dem u.a. der szeneorientierte „Sauna-Club“ untergebracht ist. Eine Wand in der Dieselstraße steht Graffitisprayern zur Verfügung, an der sie ganz legal ihrer Kunst nachgehen können und die von den Sprayern quasi als „Hall of Fame“ genutzt wird. Orte wie diese fungieren als Katalysatoren. Sie regen Entwicklungen innerhalb der Subkulturen erfolgreich an. Hinzu kommen zahlreiche kleinere Projekte und Initiativen, die oftmals nur den eigenen Anhängern bekannt sind und die in der Regel kein Interesse daran haben, öffentlich wahrgenommen zu werden. Nur ein Bruchteil der in Wolfsburg aktiven Jugend- und Subkulturen tritt tatsächlich öffentlich in Erscheinung, beispielsweise die Künstlergruppe „Rehlachs“, die der Wolfsburger Bevölkerung mit eigens initiierten Aktionen „urbane Überraschungen“ bereiten möchte. Förderung von Subkultur bedeutet das Zulassen von Freiräumen, in denen Neues entstehen kann. Subkulturen wie diese sind es, die in ihrer vielfältigen Ausprägung eines der Fundamente für eine kreative Stadt mit kreativen Bürgern bilden. Kulturell aktive Einwohner fördern die Identifikation mit der Heimatstadt. Sie sind begeisterte, begeisternde und umso glaubhaftere Botschafter nach außen. Freie Kulturschaffende bilden eine der tragenden Säulen des kulturellen Gefüges einer Gesellschaft. Mit ihrer Fantasie, aber auch der ihnen eigenen Nähe zu sozialen und künstlerischen Erfordernissen kommt dieser Gruppe eine außerordentliche Bedeutung zu. Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 33 Kultur wächst am besten auf den verschiedenen Nährböden der unterschiedlichen Initiativen vor Ort. Sie gedeiht gerade in den Breiten des Laienbereichs überzeugend, der eine der kulturellen Grundlagen innerhalb der Gesellschaft bildet. Ungenutzte Räume innerhalb der Stadt zu öffnen und sie neuen kreativen Kräften zur Verfügung zu stellen, scheint ein probates Mittel, den Laienbereich zu stärken und kreative Köpfe anzusprechen. Die Etablierung kreativer Milieus hat wiederum positive Effekte auf das städtische Leben und strahlt auf dieses zurück. Insbesondere in der Stadtentwicklung können aufgrund integrierter Entwicklungskonzepte investive und nicht investive Mittel aus den Bereichen Kultur, lokale Ökonomie und Bildung für die Entstehung kreativer Milieus zusammenfließen und im Verbund eingesetzt werden. Entwicklungspotenzial zum kreativen Quartier hat in Wolfsburg vor allem der Bereich um das „Hallenbad“ – mit dem Stadtjugendring, dem Studentenwohnheim, der Ostfalia und zahlreichen Szeneläden. Hier liegt ein urbanes kreatives Kraftfeld, dessen Potenziale das gesellschaftliche Leben in Wolfsburg bereichern können. Dies ist notwendig, um kreative Stadt zu werden und als solche dauerhaft zu bestehen. Ziele • Stärkung der Akzeptanz von Jugendund Subkulturen als Motor für neue Stile und Strömungen mit eigenen Werten als auch teilhabeorientierten Kommunikationsformen in der Stadtentwicklung • Unterstützung von nicht kommerzieller und progressiver Kultur als legitime Kulturpraxis in ihrer vollen Bandbreite unter Ausschluss verfassungsfeindlicher Strömungen • Sicherung von Entfaltungsmöglichkeiten und Schaffung von kreativen Räumen für die Freie Szene und subkulturelle Kulturformen 34 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg • Erhaltung von sub- und jugendkulturellen Orten und Szenen (insbesondere des „Jugendhaus OST“) • Etablierung des „Hallenbads“ als mittelnde Brücke zwischen Jugend- und Subkultur sowie der Öffentlichkeit • Einbeziehung der Studenten als Akteure in der Freien Szene • Gezielte Förderung von Auftrittsmöglichkeiten lokaler sowie regionaler Künstler und Bands, insbesondere von Nachwuchskünstlern • Stärkung der Akzeptanz von OffRäumen (wie ungenutzten Bauten, Brachen, Leerständen), welche die Möglichkeit freier Gestaltung und Handhabe geben • Konzeptionelle Entwicklung von technischer und räumlicher Infrastruktur (Off-Räume) Schlüsselprojekte • Einrichtung eines „Offenen Ateliers“ in der Städtischen Galerie Wolfsburg • Ausbau des Jugendbereichs des Islamischen Kulturzentrums zu einer Kulturstätte für alle Wolfsburger Jugendlichen, die hier selbst ein Konzept erarbeiten, das ihren speziellen Bedürfnissen gerecht wird • Befragung der Wolfsburger Jugendlichen, um die Bedürfnisse der 14- bis 24-Jährigen herauszufiltern • Ausbau der Galerie des Vereins Junge Kunst zum belebten Szenetreff für intensive Gespräche und Diskussionen rund um die Bildende Kunst 4 Internationalität, Integration und Interkultur • „Modular City“ (Stadtjugendring): Etablierung eines Festivalformats für Jugend- und Subkulturen „Denn es ist normal, verschieden zu sein.“ Richard von Weizsäcker • „PartyCube“ und „ProbeBox“: Schaffung von Proberäumen mit Workshops resp. Partyräumen auf dem Gelände des „Hallenbads – Kultur am Schachtweg“ Die Wolfsburger Stadtgeschichte ist seit Ende des Zweiten Weltkriegs von Zuwanderung und integrativen Herausforderungen bestimmt. Nach den Flüchtlingen und Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten kamen ab den 1960er-Jahren erst italienische Arbeitskräfte, später auch Menschen aus anderen europäischen Ländern in die Stadt, um bei Volkswagen zu arbeiten. Angesichts dieser Tatsache wundert es nicht, dass in Wolfsburg früher als in anderen deutschen Städten auch auf politischer Ebene integrative Maßnahmen ergriffen wurden. So entstand mit dem deutsch-italienischen Kontaktausschuss im Jahr 1969 der erste Versuch einer kommunalen Mitbestimmung. Im Jahr 1974 wurden in Wolfsburg das erste Ausländerreferat der Bundesrepublik Deutschland und ein Ausschuss für Ausländerangelegenheiten eingerichtet – zwei Meilensteine im Hinblick auf die Integrationspolitik der Stadt, aber auch für das ganze Land. • Etablierung des „Sauna-Clubs“ als Anlaufpunkt für eine kreative Musikszene • „Parkour-Park“ (Westhagen): Bau eines Bewegungsparcours mit Flächen zur Gestaltung durch Graffitikünstler • Freigabe und Ausschreibung von Street-Art-Flächen im Stadtbild für die Gestaltung von Künstlerinnen und Künstlern der Freien Szene • Prüfung der Beteiligungsmöglichkeiten der subkulturellen Szene am Kulturportal (siehe auch Schwerpunkt 10) • Durchführung von Open-StageVeranstaltungen (Konzertreihen im „Hallenbad“ oder auch im Allerpark, Band-Contest, DJ-Contest im „SaunaClub“, Slams, Veranstaltungen in der Cone Hall des phæno) Es ist besonders die italienische Gemeinde, die auf das städtische Leben in Wolfsburg in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Einfluss genommen hat. Das Italienische Kulturinstitut (Istituto Italiano di Cultura), eröffnet im November 1985, ist heute eins von sieben Institutionen dieser Art in Deutschland und zentrales Aushängeschild der interkulturellen Einrichtungen in Wolfsburg. Zuständig für das gesamte Land Niedersachsen, schlägt es mit seinen kulturellen Angeboten bis heute eine Brücke zu den aktuellen Entwicklungen in Italien. Die Kernkompetenz des Kulturinstituts – die Verbreitung der italienischen Sprache und Kultur – wird speziell in Wolfsburg ausgeweitet auf den Erhalt der Bindung hier lebender Italiener an ihre heimatliche Kultur und Sprache. Auch die Wolfsburger Leonardo da Vinci Gesamtschule, eine der erfolgreichsten deutschen Reformschulen, lässt mit ihrem bilingualen Unterricht und einer interkulturellen Erziehung gelungene Integration zu städtischer Wirklichkeit werden. Darüber hinaus sind zahlreiche italienische Kulturvereine in der Stadt aktiv, in denen sich Mitbürgerinnen und Mitbürger aus unterschiedlichen Regionen Italiens engagieren und heimatliche Traditionen und Kontakte pflegen. Ein kultureller und gesellschaftlicher Treffpunkt für alle ist das Centro Italiano in der Innenstadt. Außerdem existieren in Wolfsburg mittlerweile mehr als 40 ausländische Kulturvereine. Sie sind unverzichtbare Orte der Traditionspflege und bieten geschützte Räume auch für die Identitätsbildung nachfolgender Generationen. Als weitere herausragende Einrichtung besteht seit dem Jahr 2006 das Islamische Kulturzentrum in Wolfsburg. Hier finden Ausstellungen, aber auch Führungen und Vorträge für islamische Gläubige und Gäste statt. Die Moschee, eine Bibliothek und ein Restaurant geben vielfältige Einblicke in die arabische Lebenswelt. Der Bau des architektonisch bemerkenswerten Gebäudes wurde durch Kulturkontakte zum Emirat Sharjah möglich, das einen Großteil der Kosten übernommen hat. Eine tragfähige Brücke zu den zahlreichen in der Stadt vertretenen Nationen bildet der Internationale Freundeskreis Wolfsburg. Zudem sind feste kulturelle Bande mit den Partnerstädten geknüpft: So bestehen zu der italienischen Provinz Pesaro-Urbino, der russischen Stadt Togliatti sowie dem polnischen BielskoBiala besonders intensive und regelmäßige Kontakte. Außerdem sind in den letzten Jahren lebendige und anregende Städtefreundschaften entstanden, so z. B. mit Toyohashi (Japan), Puebla (Mexiko), Dalian (China) oder Jendouba (Tunesien). 137 Nationen entwickeln die Vision einer „Kultur der Kulturen“, die auf Wertschätzung und Toleranz basiert. finden sie besonders leicht einen Zugang und eine Beziehung zu den verschiedenen Kulturen und deren Lebensgefühlen. Aber nicht nur die musikalischen Programme, auch Literatur, Theater, kulinarische Spezialitäten oder die Spiele der Kinder vermitteln einen kleinen Eindruck von der Vielfalt der Kulturen und machen Lust auf mehr. War das Wolfsburger Stadtbild über viele Jahre hinweg insbesondere von italienischen Kultureinflüssen mitgeprägt, so ist im Zuge der verschiedenen Einwanderungswellen und Flüchtlingsbewegungen heute eine kulturelle Vielfalt innerhalb der Stadtgesellschaft entstanden, die inzwischen 137 Nationalitäten umfasst. Dementsprechend entwirft das aktuell entwickelte Integrationskonzept der Stadt Wolfsburg die Vision zu einer gemeinsamen „Kultur der Kulturen“ mit gegenseitiger Wertschätzung und Akzeptanz. Ziele • „Kultur der Kulturen“: Wertschätzung und Stärkung kultureller Vielfalt und Offenheit • Förderung von Inklusion statt Integration Das städtische Integrationsreferat bietet regelmäßig Möglichkeiten der Begegnung an, beispielsweise organisiert es die Interkulturellen Wochen, die Internationale Weihnachtsfeier oder die stadtübergreifende Ramadanfeier. Veranstaltungen dieser Art werden von den Menschen verschiedener Kulturkreise genutzt, um sich in ihrer unverwechselbaren Eigenart präsentieren zu können. Sie finden aber auch großes Interesse bei den deutschen Mitbürgern, die die Gelegenheit zum Kennen- und Verstehenlernen nutzen. So erleben die Besucher bei größeren spartenübergreifenden interkulturellen Festen in Wolfsburg, wie sehr die Kultur unterschiedlicher Nationen das Leben in Deutschland bereichert. Über die Musik • Wahrnehmung von Transkulturalität als Potenzial zukünftiger Stadtentwicklung • Wertschätzung der Alltagskultur ausländischer Mitbürger • Etablierung des Istituto Italiano di Cultura Wolfsburg und des Islamischen Kulturzentrums als Kulturstätten für alle Wolfsburger und Menschen der Region • Stärkung des Erscheinungsbildes und des Ansehens Wolfsburgs als international offene und zukunftsorientierte Stadt, auch durch die Aktivitäten des Internationalen Freundeskreises • Stärkung von Synergien und Kooperationen zwischen etablierten Kulturinstitutionen und -vereinen • Vertiefung der internationalen Partnerschaftsbeziehungen auf dem Gebiet des künstlerischen Austauschs Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 35 • Einrichtung von multikulturellen Begegnungsstätten • Unterstützung des interkulturellen Lernens durch verschiedene Medien (Stadtbibliothek, Volkshochschule, Fabi, Familienzentren, Mehrgenerationenhaus) • Übernahme und an hiesige Angebote angepasste Umsetzung von Projekten aus dem internationalen Freizeit- und Bildungsbereich Schlüsselprojekte • Neuausrichtung der Interkulturellen Woche in Kooperation des Integrationsreferats mit dem Geschäftsbereich Kultur und Bildung • Einrichtung von internationalen Bibliotheken bzw. fremdsprachigen Buchbeständen in Bibliotheken • Kulturelle Belebung der Piazza Italia („Das italienische Herz der Stadt“) mit (italienischen) Märkten, Kleinkunst und Konzerten • Durchführung internationaler Kunstprojekte • Begründung einer Galerie für Künstler der Wolfsburger Partnerstädte 36 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 5 Kulturelle Bildung „Wer Kultur verstehen will, muss sie zuerst selber machen.“ Zitat nach Leonard Bernstein Demografischer Wandel, Integration aller Bevölkerungsteile und -schichten oder der Umgang mit Neuen Medien sind nur einige der Herausforderungen, denen sich unsere Gesellschaft, aber auch jeder Einzelne zukünftig stellen muss. In diesem Zusammenhang erlangt auch der Begriff „Kulturelle Bildung“ immer mehr an Bedeutung. Doch was verbirgt sich dahinter? Vereinfacht ausgedrückt lässt sich sagen: Kulturelle Bildung ist lebenslanges Lernen, sowohl innerhalb wie außerhalb von klassischen Bildungseinrichtungen, sowohl privat als auch öffentlich begleitet. Die kulturelle Bildung ist eins der wesentlichen Fundamente, auf dem sich das gesellschaftliche Zusammenleben in Zukunft gründen muss und soll. Entsprechend versteht sich Wolfsburg als Kulturstadt für alle Generationen. Dazu gehören die Akzeptanz der alt gewordenen Mitbürgerinnen und Mitbürger inklusive der Förderung ihrer Aktivitäten. Senioren sind keine Last, sondern Bereicherung einer Zivilgesellschaft. Auf der anderen Seite gehört zu einer funktionierenden Kulturstadt für alle Generationen auch, der Kinder- und Jugendkultur einen hohen Stellenwert einzuräumen. Die Lust auf die Vielfalt von Kunst und Kultur zu wecken, ist eine entscheidende pädagogische Perspektive, um Denk- und Kritikfähigkeit genauso wie eine tolerante Gesinnung bei der heranwachsenden Generation zu fördern und sie damit für die Herausforderungen des Lebens zu wappnen. Kulturelle Bildung fördert Schlüsselkompetenzen besonders im sozialen und kommunikativen Bereich. Sie eröffnet dem Einzelnen Möglichkeiten, die Welt zu verstehen und den eigenen Platz zu finden, kurz: Kulturelle Bildung macht jeden fit für die Zukunft. Dies ist und wird in einer sich immer rasanter verändernden Gesellschaft immer wichtiger. Kulturelle Bildungsarbeit wird in Wolfsburg von einer Vielzahl von Einrichtungen und Akteuren auf einem qualitativ äußerst hochwertigen Niveau betrieben – z.T. mit bundesweitem Modellcharakter. Angebote aus den Bereichen Museums-, Archiv- und Theaterpädagogik (Junges Theater), zudem inszenierte Bildung (Autostadt), visuelle Bildung (Kunstmuseum), naturwissenschaftlich-technische Workshops und Erforschungsstationen (phæno) sowie Weiterbildung (Volkshochschule und Fabi) schaffen zielgruppenspezifische Zugänge für gesellschaftliche Gruppierungen und werden den ständig sich ändernden Bedarfssituationen angepasst. So reichen beispielsweise die Angebote der Autostadt von der frühkindlichen Bildung bis zum Programm 55plus. Eine herausgehobene Stellung im Bereich der Erwachsenen- und Weiterbildung kommt dem Bildungszentrum Wolfsburger Volkshochschule gGmbH zu, dessen besonderes Bemühen bildungsbenachteiligten Personen und Gruppen gilt. Es begleitet Menschen zunehmend während ihrer gesamten Bildungsbiografie. Der Geschäftsbereich Kultur und Bildung hat in der Geschäftsstelle den Bereich Kulturelle Bildung (KuBi) mit den Kreativwerkstätten im Alvar-Aalto-Kulturhaus (niedrigschwellige Kunstvermittlung für Kinder und Jugendliche) aus der Taufe gehoben. Gemäß den städtischen Schwerpunktzielen „Familienfreundlichkeit“ und „Bildungsqualität“ ist es eine zentrale Aufgabe, Kultur in der Wolfsburger Bildungslandschaft fest zu verankern und damit einen Zugang zur Kultur „für alle von allen“ zu schaffen. Somit ist eine Schnittstelle gebildet worden zwischen dem Geschäftsbereich Kultur und Bildung und allen Wolfsburger Bildungsakteuren bzw. -trägern. KuBi versteht sich als Garant für die Entwicklung und Gestaltung kultureller Bildung, als ressourcenübergreifende Drehscheibe, die neue Formen der Zusammenarbeit ermöglicht und ein produktives Klima für Kreativität und innovative Projekte schafft. Der institutionelle Rahmen ist dabei ein wesentlicher Faktor für die anhaltende Sicherung der Angebote bei gleichzeitiger Qualitätskontrolle. Ziele • Entwicklung eines Gesamtkonzepts „Kulturelle Bildung“ • Etablierung der kulturellen Bildung (KuBi) als fester Bestandteil in der städtischen Kulturlandschaft • Stärkere Vernetzung von Kultur- und Bildungseinrichtungen • „Brücken statt Brüche“: Erleichterung von Bildungsübergängen und Durchlässigkeiten im Rahmen des bildungsbiografischen Ansatzes (VHS) • Einbindung kultureller Bildungsangebote in das Kita- und Schulprogramm (z.B. flächendeckende Musikerziehung in den Kindertagesstätten) • Ausbau der außerschulischen Lernorte (z. B. IZS, Historische Museen, Städtische Galerie, Stadtbibliothek, Musikschule) • Fortführung der auf persönliche Erfolgserlebnisse angelegten populären Handlungsmöglichkeiten für jedermann als Stärkung einer „Kultur für alle“ (phæno) • Stärkere Ausgestaltung des phæno als Publikumserfolg, z.B. im Sinne einer erlebnisreichen Familienfreizeit und -bildung • Entwicklung und Förderung von intergenerativen und niedrigschwelligen Angeboten • „Kultur als Schulfach“: Einbindung von Kultur direkt in das Kita- und Schulprogramm und Vertiefung der Kooperationspraxis mit Schulen • Stärkung von Kooperationen der kulturellen Akteure untereinander • Öffnung des Jungen Theaters für Interessengruppen aus der Jugendkultur • Durchführung stadtteilbezogener Projekte im Bereich des Kinder- und Jugendtheaters • Förderung gemeinsamer Theaterprojekte von Kindern, Jugendlichen, Senioren oder gehandicapten Akteuren • „Lebenslanges Lernen, alterslose Kultur“: Entwicklung von generationsübergreifenden Kultur- und Bildungsprogrammen Es ist eine zentrale Aufgabe, Kultur in der Wolfsburger Bildungslandschaft zu integrieren und Zugang zu einer „Kultur für alle“ zu schaffen. Schlüsselprojekte • Herausgabe eines Kinderstadtführers für Wolfsburg (IZS) • „Jeder Mensch ist ein Künstler“ (Joseph Beuys): Einrichtung einer „Kinder- und Jugendkunstschule“ (Kreativwerkstätten), zentral (AAK) und dezentral (KuBi) • „@home in Wolfsburg“: Entwicklung realer und virtueller Stadtrundgänge für (studentische) Neubürger • „Hoffmann geht zur Schule“: Entwicklung von geschichts-, kunst- und musikpädagogischen Projekten (Hoffmann-von-Fallersleben-Museum in Zusammenarbeit mit Schulen und der Musikschule Wolfsburg) • Entwicklung eines musikalischen Figurentheaterstücks zu August Heinrich Hoffmann von Fallersleben für Kinder im Grundschulalter (Musikschule und WFC) • „Wolfsburg – unsere Stadt“: Installierung von museumspädagogischen Ausstellungs- und Vor-Ort-Projekten wie z. B. Museumskoffer, Schulworkshops zur Stadtgeschichte etc. (Stadtmuseum) • Implementierung eines Spiralcurriculums (Leseförderung und Medienkompetenz in verschiedenen Altersgruppen mit Bibliotheksführerschein) • Reaktivierung der Werkstätten im Alvar-Aalto-Kulturhaus für Projekte der kulturellen Bildung (KuBi) • Entwicklung einer trägerübergreifenden Bildungs- und Weiterbildungsberatung (VHS) • „Kulturkreisel“: Installierung von temporären Kunstprojekten auf Verkehrskreiseln in Kooperation mit Künstlern und freien Kulturgruppen bzw. -initiativen (KuBi) • „Junges Theatercafé“: Aufbau eines gemeinsamen Treffpunkts für alle theaterinteressierten Kinder und Jugendlichen • Einberufung einer Stadtkonferenz „Kulturelle Bildung“ (Ideenpool) • Entwicklung neuer Vermittlungsprogramme der städtischen Kulturinstitutionen, die eine gezieltere Ansprache kulturfernerer Schichten erlauben, z.B. „mobiles Atelier“ (phæno, Städtische Galerie, Historische Museen, IZS, Theater) • Förderung von Kunst in der Schule und in Kitas, z. B. Kunstprojekte, Schulhofgestaltung, Künstlerpool oder Kulturkoffer (KuBi) Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 37 6 Zeitgenössische Kunst „Kunst ist nicht Luxus, sondern Notwendigkeit.“ Lyonel Feininger Die Stadt Wolfsburg kann als Mittelpunkt für zeitgenössische Kunst bezeichnet werden. So zieht sich eine Kunstachse quer durch die Stadt, deren Eckpunkte durch das privat finanzierte Kunstmuseum mit seinen auch international anerkannten Ausstellungen und durch das Wolfsburger Schloss gesetzt sind. Das historische Schloss – mit Kunstverein, Städtischer Galerie, dem Institut Heidersberger und der Druckwerkstatt – bildet ein besonderes Kraftzentrum für die zeitgenössische Kunst in Wolfsburg und hat als solches eine langjährige Tradition. So wurde der Kunstverein bereits 1959 gegründet. Er ist damit die älteste Kunstinstitution der Stadt und gleichzeitig auch die avantgardistischste. Die Aktivitäten des Kunstvereins sind preisgekrönt (ADKV-Preis 2007). Mit seinen unkonventionellen und experimentellen Projekten, Ausstellungen sowie den Kunstpreisen arti (für Wolfsburger Künstler) und arteen (für Jugendliche) festigt er sein innovatives Profil immer wieder neu. Die Städtische Galerie belegt mit ihrer international anerkannten hochkarätigen Sammlung von Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts den umfangreichsten Part der Ausstellungsräume im Schloss. Die von ihr organisierte Verleihung des Kunstpreises „Junge Stadt sieht Junge Kunst“ stellt alle drei Jahre einen Höhepunkt im kulturellen Leben der Stadt dar. Das Institut Heidersberger bewahrt das umfangreiche Werk des Wolfsburger Fotografen Heinrich Heidersberger, der mit Industrie- und Architekturfotografie, aber auch mit sogenannten „Rhythmogrammen“ international bekannt wurde und bis heute hohe Anerkennung erfährt. 38 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg Auch die Keramikerin Dorothea Chabert, wie Heidersberger Mitglied der in den 1960erJahren im Schloss gegründeten Künstlergruppe „Schloßstraße 8“, gehört zu den Wolfsburger Künstlern mit internationalem Renommee. Aus der Zeit der „Schloßstraße 8“ stammt auch die Druckwerkstatt, in der bis heute Gastkünstler im Rahmen einer regen und engagierten Künstlerförderung arbeiten. Zudem werden das Schloss, sein Gewölbekeller und auch die Bürgerwerkstatt von der Künstlergruppe „10 KW“ und von anderen Künstlern für Ausstellungen und Präsentationen genutzt. „Artist in Residence“: Wolfsburg fördert den künstlerischen Nachwuchs und festigt das Profil als Zentrum für Junge Kunst. Die Vermittlung künstlerischer Inhalte an erwachsene Besucher, Kinder und Jugendliche besetzt im Angebot der Städtischen Galerie einen prominenten Platz – genauso wie bei „Werkstatt Schloss“, einem Kunstprojekt mit Workshops für Auszubildende und Schüler. Kunstwerke von internationalen Künstlern in der Autostadt, die sich in stimmiger Weise mit Architektur und Parklandschaft verbinden, stellen einen weiteren Schwerpunkt in der Kunstachse zwischen Schloss und Kunstmuseum dar. Darüber hinaus offenbaren die Innenstadt und auch die Wolfsburger Ortsteile ein breites Kaleidoskop der Bildenden Kunst – mit dem Verein Junge Kunst, der junge Künstler aus der nationalen und internationalen Szene fördert, mit dem Italienischen Kulturinstitut, das zeitgenössische Künstler Italiens präsentiert, mit der Hirtenhausgalerie, dem GalerieTheater Rothe, der Galerie Porschehütte und vielen weiteren Räumen, die temporär für Ausstellungen moderner Kunst genutzt werden. Außerdem zeugen verschiedene Kunstwerke in der Stadt davon, dass gerade in den Aufbaujahren Kunst am Bau besonders gefördert wurde. Dieser Tradition folgend, ist die Kunst im Stadtbild in der jüngsten Vergangenheit durch Neuankäufe forciert worden. Neben dem Schloss Wolfsburg hat sich auch die Burg Neuhaus als lebendiges Zentrum für zeitgenössische Kunst etabliert. In ihr sind heute die Ateliers der sieben Burgkünstler und dazugehörige Ausstellungsräume untergebracht. Außerdem findet sich eine Gästewohnung für Künstler, die mehrere Wochen hier leben, arbeiten und ausstellen. Ziele • Festigung der Position und des Images Wolfsburgs als Zentrum für zeitgenössische Kunst • Erweiterung der Sammlung zeitgenössischer Kunst der Städtischen Galerie Wolfsburg • Installierung des Kunstpreises „Junge Stadt sieht Junge Kunst“ als Marketinginstrument • Ausbau von Kooperationen innerhalb der Kunstszene Wolfsburgs (siehe Schwerpunkt 8) • Weitere Unterstützung und Förderung junger Künstler und der lokalen Künstlerszene • Etablierung und stärkere Wahrnehmung des Wolfsburger Schlosses als „Kunstschloss“ • Zeitgeschichtliche und wissenschaftliche Aufarbeitung des Lebenswerks von Heinrich Heidersberger • Aufwertung des Stadtbildes durch Kunst im öffentlichen Raum (innerhalb der Kernstadt sowie der Stadt- und Ortsteile) • Besetzung der Fußgängerzone als Kunstzone • Etablierung der Kulturburg Neuhaus (Geschichte und Kunst) • Steigerung des internationalen Flairs der Stadt durch mehr Künstler aus dem Ausland, die in Wolfsburg leben und arbeiten • Ausbau der Satelliten (exterritoriale Angebote der Städtischen Galerie Wolfsburg) • Förderung des Zusammentreffens von Kunst und Wissenschaft im phæno, z.B. durch Exponate, Ausstellungen und Gastworkshops • „Monet in Wolfsburg“: Einrichtung eines Farbgartens rund um die Porschehütte, in dem Pflanzen nach einem Gemälde von Claude Monet gesetzt werden Schlüsselprojekte • „Artist in Residence“: Unterstützung des Programms mit projektgebundenen Stipendien für junge Künstler (siehe Schwerpunkt 8) • Planung eines spartenübergreifenden „Künstlerwohnheims“ zur Ansiedlung junger Künstler • Gesamtsanierung des „Kunstschlosses“ Wolfsburg (kulturelle Erweiterung) • Anpassung der Räumlichkeiten der Städtischen Galerie an die Erfordernisse der Zertifizierung durch den Museumsverband Niedersachsen und Bremen • „Art to use“: Präsentation von mobilen Arbeiten für innen und außen sowie von „In-situ“-Arbeiten in den Ausstellungsräumen der Städtischen Galerie • Einbindung von Neuen Medien in die Arbeit der Druckwerkstatt • Ausbau des Instituts Heidersberger zu einem Forum für Fotografie und Medienkunst • Reaktivierung und Erweiterung des Skulpturenparks am Schloss • „Junge Kunst in alten Mauern“: Installierung von temporären Kunstprojekten am Schloss als Hinweis auf den zeitgenössischen Inhalt • Etablierung von Festivals der Bildenden Künste (Kunstsommer, Skulpturenprojekte) • Erarbeitung und Umsetzung eines neuen kulturellen Nutzungskonzepts für die Burg Neuhaus • Eröffnung eines „Kunstladens“ im Schaufenster des Alvar-Aalto-Kulturhauses mit Atelierzone und Präsentationen/Installationen (Kunstverein) • Einrichtung eines Foto-Medien-Kabinetts (Städtische Galerie Wolfsburg) • Ausschreibung eines bundesweiten Wettbewerbs für Kunst im öffentlichen Raum (analog dem Koller-Preis für Architekturstudenten) mit angeschlossenem Symposium 7 Baukultur „Baukultur ist bunt. Baukultur braucht alle.“ Michael Braun Städtebau und Architektur als dreidimensionaler Ausdruck von Kultur werden als unverwechselbarer Imagefaktor für Städte angesehen. Das gilt für Wolfsburg in besonderer Weise, denn die Stadt war in ihrer kurzen, spannenden Geschichte vielfach Vorreiter städtebaulicher Trends in der Bundesrepublik Deutschland. Wolfsburg ist ein seltenes und umso charakteristischeres Beispiel für eine geplante Stadtentwicklung, das die gesellschaftlichen Prozesse und städtebaulichen Ideen des 20. Jahrhunderts nahezu unverfälscht abbildet. Die Baukultur hat bis heute große Bedeutung für die Identität der Stadt und das Selbstbewusstsein ihrer Bevölkerung. Mit dem Alvar-Aalto-Kulturhaus, dem Theaterbau Hans Scharouns und der Bauskulptur phæno von Zaha Hadid verfügt Wolfsburg über gleich drei herausragende Architekturikonen, ihres Zeichens wegweisende Kulturbauten von internationalem Rang, die seit Mitte der 1950er-Jahre entlang der zentralen Stadtachse entstanden. Hinzu kommen die beiden Kirchen Alvar Aaltos – Stephanus und Heilig-Geist –, die Wolfsburg zu einer zentralen Aalto-Hochburg außerhalb Finnlands machen, sowie ein umfangreicher Bestand an bemerkenswerten Bauwerken der Nachkriegsmoderne, die in ihrem Volumen das Bild einer modernen Stadt prägen, wie sie in Europa kein zweites Mal zu finden ist. Mehrere Tausend betreute Architekturbesucher zählt Wolfsburg jährlich – eine Tatsache, die demonstriert, wie hoch die vorhandene Baukultur als Imagefaktor einer Stadt einzustufen ist, die in erster Linie noch immer als Industriestadt für den Automobilbau wahrgenommen wird. Dabei ist Architektur nicht nur ein Thema für eine begrenzte Fachwelt, sondern entfaltet unter Studierenden ebenso wie unter Kunst- und Architekturtouristen durchaus eine breite öffentliche Wirkung. Baukultur in Wolfsburg hat bis heute große Bedeutung für die Identität der Stadt und das Selbstbewusstsein ihrer Bevölkerung. Als bundesweit einzigartig gilt das in Wolfsburg ansässige Forum Architektur, eine kommunale Einrichtung, die baukulturelle Themen gleichwertig neben den klassischen Kulturressorts Geschichte, Literatur, Kunst und Musik im städtischen Leben verankert. Bereits 2001 gegründet, zählt die Institution zu den frühesten Vorreitern des aktuellen Baukultur-Trends der Bundesrepublik und genießt damit überregionale Wahrnehmung und Vorbildcharakter. Als Folge hat das Land Niedersachsen im Jahr 2010 den Aufbau eines landesweiten „Netzwerks Baukultur in Niedersachsen“ mit einer Geschäftsstelle in Wolfsburg initiiert. Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 39 Ziele • „Haus der Stadtbaukunst“: Grundsätzliche Weiterentwicklung des Alvar-AaltoKulturhauses zu einem etablierten Ausstellungs- und Veranstaltungsort sowie zu einem festen Anlaufpunkt für alle Architekturbesucher der Stadt (siehe Schwerpunkt 8 und Teil C, Visionen, II ) • Erforschung, Vermittlung und Pflege zentraler Architekturikonen • Sensibilisierung der Bevölkerung für das umfangreiche bauliche Erbe der Nachkriegsmoderne • Fortführung des öffentlich geführten Dialogs über bauliche und städtebauliche Qualitäten als wichtige Standortfaktoren und der Alvar Aalto Gesellschaft Österreich/Schweiz) • Neugestaltung und Etablierung eines zentralen Info-Punkts „Baukultur“ am Rathausplatz mit einem realen und virtuellen „Schaufenster der Architektur in Niedersachsen“ (siehe Schwerpunkt 10) • Förderung eines länderübergreifenden norddeutschen Baukultur-Netzwerks in Zusammenarbeit mit der Bundesstiftung Baukultur, das Baukultur-Akteure zusammenbringt • Darstellung und Dokumentation der Pilotprojekte „Schule baut“ und „SchulBau-Tage“ sowie Fortsetzung der Baukulturvermittlung für Kinder und Jugendliche als Projektarbeit 8 Theater, Musik, Literatur und Veranstaltungskultur „Unsere Vorväter haben reichlich zu allen Künsten beigetragen, zur Musik und zum Theater […] und zur Literatur. Alle diese Schöpfungen brachten ihnen wirtschaftlich kaum etwas ein. Aber wer würde diese Anstrengungen bedauern?“ Robert Jungk • Weiterentwicklung und Ausbau der Geschäftsstelle des „Netzwerks Baukultur Niedersachsen“ im Alvar-Aalto-Kulturhaus bis 2013 als Diskussionsforum, Aktionsbündnis und Kontaktbörse Wolfsburg wartet mit vielen Facetten der darstellenden Kunst auf. Manches Angebot hat seinen Ursprung bereits in der Nachkriegszeit, so z.B. der Theaterring oder die Musikschule. Das im Jahr 1973 erbaute Theater Wolfsburg gehört seit seiner Eröffnung zu den großen kulturellen Anbietern für die Stadt und die Region. Im Reigen der von namhaften Architekten konzipierten öffentlichen Gebäude nimmt der von Hans Scharoun entworfene Bau seinen festen Platz in Wolfsburg ein. Die Bühne gehört zu den zehn größten Theatern ohne Ensemble im deutschsprachigen Raum mit regelmäßigem Spielbetrieb. Sprech- und Musiktheater finden hier optimale Aufführungsvoraussetzungen. Eine deutliche Erweiterung seiner Angebotspalette erfuhr das Haus mit der Einrichtung des Jungen Theaters in der Spielzeit 2008/2009. Neben dem Stadttheater hat sich eine freie – städtisch subventionierte – Theaterszene etabliert, die z. T. in eigenen Häusern untergebracht ist. Hierzu zählen z. B. die Wolfsburger Figurentheater-Compagnie (WFC) in der Bollmohr-Scheune, das Tanzende Theater und das Galerie-Theater. • „Aalto-Festspiele“: Inszenierung des Alvar-Aalto-Kulturhauses zum 50-jährigen Jubiläum 2012 (kombiniert mit einem internationalen Fachdiskurs in Zusammenarbeit mit der Alvar Aalto Stiftung Helsinki Wolfsburg bietet zudem ein vielschichtiges musikalisches Angebot, das neben den Veranstaltungen der professionellen Anbieter (Autostadt, Theater, „Hallenbad“, CongressPark) auch eine beeindruckende • Förderung des Interesses bei allen Bevölkerungsschichten (insbesondere auch bei Kindern und Jugendlichen) für baukulturelle Themen • „Baukultur und Schule“: Stärkung der Außendarstellung von Kompetenzen und Vermittlungsprojekten im Bildungssektor als herausragende Qualität des Bildungsstandorts Wolfsburg • Prüfung der Kooperationsmöglichkeiten mit den Architekturhochschulen in Berlin, Braunschweig und Hannover • Betonung der Vielfalt baukultureller Aspekte (Stadt- und Landschaftsplanung, Städtebau, Architektur, Ingenieurbau, Infrastrukturplanung, Denkmalschutz, Konstruktion, Bauwirtschaft und Planungsprozesse), die sich im besten Falle zu einer Gesamtqualität verbinden Schlüsselprojekte 40 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg • Fortführung der Themenjahre zur Baukultur • Umsetzung einer temporären Installation nach dem Vorbild des Projekts „Schlüsseltore“ (Wolfsburger Koller-Anerkennung 2008, Julia Trostmann) zum 75-jährigen Jubiläum der Stadt 2013 • Fortführung und Weiterentwicklung der Hochschulprojekte „Wolfsburger Koller-Preis“ und „Studentenakademie Wolfsburg“ • Vermarktung des phæno und der anderen außergewöhnlichen Bauten im Rahmen von Architekturrouten und gemeinsamen Veröffentlichungen Laienmusikszene beinhaltet. So sind derzeit rund 20 Chöre in den hiesigen Chorverbänden organisiert und auch die Wolfsburger Kirchen bieten als wichtiger Kulturfaktor regelmäßig Konzerte, kammermusikalische und kulturelle Programme im Rahmen von Kirchenmusik an. Im weiten Feld zwischen den überregional ausgelegten und wirkenden Veranstaltungen des städtischen Kulturbereichs (Internationale Sommerbühne, Musikschule der Stadt Wolfsburg) und den freien Trägern wie dem Istituto Italiano di Cultura sowie lokalen Kulturvereinen werden viele musikalische Interessen qualifiziert bedient. Die Musikschule der Stadt Wolfsburg trägt durch ihr Unterrichtsangebot dazu bei, musikalisches Interesse insbesondere bei Kindern und Jugendlichen zu wecken und ein großes Potenzial an Musikern in der Stadt auszubilden. Eine studienvorbereitende Abteilung sorgt für Förderung und Qualifizierung begabter Schülerinnen und Schüler. Die Musikschulzentrale in der Goetheschule wird nicht nur für den originären Musikschulunterricht und von den rund 20 Ensembles, Chören und Orchestern der Musikschule der Stadt Wolfsburg genutzt. Vielmehr gelten die Räumlichkeiten inzwischen grundsätzlich als „Haus der Musik“ und bieten entsprechend zwei Wolfsburger Chören, dem Wolfsburger Akkordeonorchester und dem Volkswagen Philharmonic Orchestra einen geeigneten Platz zum Üben und Proben. Eine freie Musikszene hat sich im Rockbüro des Kulturzentrums „Hallenbad – Kultur am Schachtweg“ angesiedelt. Das literarische Leben in Wolfsburg ist ebenfalls vielfältig. Das Angebot der Stadtbibliothek berücksichtigt Zielgruppen in unterschiedlichen Lern- und Lebensphasen. Dadurch werden Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit in der Wolfsburger Bevölkerung gefördert. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Institutionen, Vereine und Initiativen, die eine breite Palette literarischer Veranstaltungen anbieten. Zu diesen Einrichtungen gehören insbesondere der Literaturkreis Wolfsburg, der sich an Erwachsene richtet, und der Verein Lesewölfe mit einem Angebot für Kinder und Jugendliche. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch die Hoffmann-vonFallersleben-Gesellschaft. Sie betreut und finanziert eine Studienstätte, die das Werk des Dichters wissenschaftlich aufarbeitet und zugänglich macht. Mit dem biennal verliehenen „Hoffmann-von-FallerslebenPreis für zeitkritische Dichtung“ und den gekürten Preisträgern erweist sich die Gesellschaft stets am Puls der Zeit. Impulse setzen in der Veranstaltungskultur: Eigenproduktionen im Theater, Kleinkunst auf der Dachterrasse (AAK), eine „Konzertmuschel“ im Freiraum Neben den vielen über das Stadtgebiet verteilten Veranstaltungsorten hat sich in zentraler Lage auch das „Hallenbad – Kultur am Schachtweg“ etabliert. In den Bereichen Musik, Literatur, Kabarett, Kino, Comedy und Theater ist es als Initiator, Mittler und Anbieter für unterschiedliche Zielgruppen in Wolfsburg interessant und aktiv. Ein Alleinstellungsmerkmal innerhalb der Veranstaltungskultur in Wolfsburg kommt der Autostadt zu. Sie vertritt seit zehn Jahren den Anspruch, Menschen verschiedenen Alters und unterschiedlicher Herkunft für das Thema „Mobilität“ zu begeistern. Die Autostadt ist die Kommunikationsplattform des Volkswagenkonzerns und ein Ort der Kultur. Sie schafft Angebote, Attraktionen und Inszenierungen, lädt Künstler und Intellektuelle ein, um gemeinsam mit den Gästen die verschiedenen Facetten der Mobilität zu erforschen. Das ZeitHaus, das Mobilitätsdeck, die Movimentos Festwochen, die im April und Mai eines jeden Jahres stattfinden, sind ebenso Bestandteil des Kulturortes Autostadt wie die ganzjährigen Veranstaltungsreihen und Events im Winter und Sommer. Mit rund 2 Mio. Besuchern pro Jahr ist die Autostadt ein Publikumsmagnet und trägt dazu bei, neue Impulse zu setzen. Ziele • Erhalt und Weiterentwicklung der Vielfalt des Theater- und Tanzangebots in Wolfsburg, auch durch Vernetzung mit anderen städtischen Anbietern • Förderung von Kooperationen des Theaters mit Ensembletheatern zum Aufbau von Repertoiresituationen im Spielplan (ähnlich der Kooperation mit dem Staatstheater Braunschweig in puncto „Carmen“) • Planung und Durchführung identitätsstiftender Eigenproduktionen (Theater) • Stärkung des Profils der Musikschule als qualitativ hochwertiger Anbieter von musikalischer Bildung und Ausbau der Aktivitäten im Rahmen der kulturellen Grundversorgung und Zielgruppenorientierung • Implementierung musikalischer Bildungsangebote im Bereich der Ganztagsschule (Musikschule) • Sicherung der Ensemblearbeit und der Begabtenförderung (Musikschule) • Zukunftsfähige Ausrichtung der traditionell verankerten Chor- und Instrumentalgruppenarbeit • Unterstützung von musikalischen, literarischen und das Theater betreffenden Kulturangeboten in den Stadt- und Ortsteilen • Entwicklung einer zukunftsweisenden Bibliotheksphilosophie (Selbstlern- Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 41 zentrum, kultureller Treffpunkt, Wohlfühlort) • Sanierung der KulturTurnhalle der Goetheschule • Etablierung und Stärkung der Bibliothek als Teil der Bildungslandschaft und Stützpunkt für lebenslanges, vernetztes und innovatives Lernen • Einrichtung einer „Konzertmuschel“ für Veranstaltungen • Weiterentwicklung der Schulbibliotheken zu Mediotheken • Unterstützung der Aktivitäten der Hoffmann-von-Fallersleben-Gesellschaft • „Lebendiges literarisches Erbe im Schloss Fallersleben“: Etablierung des Hoffmann-Museums als Ausstellungsund Veranstaltungshaus der Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts • „Kulturschloss“: Weiterentwicklung von Schloss Wolfsburg zu einem überregional wahrgenommenen Veranstaltungsund Repräsentationsort • Stärkung der Kooperation mit Schulen, Einrichtungen und Vereinen (Musikschule) • „Haus der Kultur“: Weiterentwicklung des Alvar-Aalto-Kulturhauses zu einem etablierten Veranstaltungsort mit multifunktionaler kultureller Nutzung (siehe Schwerpunkt 7 und Teil C: Visionen II) • Nutzung und Ausbau von Freiflächen im „Hallenbad“ als Probe-, Atelier- und Kreativräume • Realisierung des Hoffmann-Projekts der Musikschule und der WFC für Kinder im Grundschulalter • Installierung von Projekten zur Förderung der Lese- und Medienkompetenz • Ausschreibung eines Stipendiums „Stadtschreiber“ • Etablierung des Gewerkschaftshauses als Kulturstätte • Wiederbelebung und Neuauflage des „Literaturwolf-Preises“ • Förderung von Projekten zur kreativen Auseinandersetzung mit dem Werk August Heinrich Hoffmann von Fallerslebens und dem literarischen Erbe des 19. und 20. Jahrhunderts (besonders für Kinder und Jugendliche, aber auch generationenübergreifend) • Fortsetzung erfolgreicher Veranstaltungs- und Festivalformate im und am Schloss Wolfsburg (Internationale Sommerbühne, Adventsmarkt) • Ausschreibung von Kleinkunstfestivals • Gezielte Unterstützung von Kleinkunst • Ausbau des Literaturfestivals „Lesetage“, Einführung einer Poesienacht im Schlossgarten durch den Literaturkreis und „Literatur on tour“ mit wechselnden Veranstaltungsorten in Wolfsburg (z. B. Burg Neuhaus, Rathausdach oder „Schiller am Schillerteich“) Schlüsselprojekte • Gründung und Etablierung einer eigenen Radiostation in Wolfsburg, z. B. im Hallenbadturm • Förderung von literarischen Angeboten des Literaturkreises und des vereins Lesewölfe • Planung und Durchführung der Generalsanierung des Theaters • Verstärkung von Eigenproduktionen im Theater (Hoffmann-Inszenierung 2013) • Erprobung kooperativer und avantgardistischer Theaterformen • „Wir machen die Musik“: Umsetzung des landesweiten Musikalisierungskonzepts stadtweit und flächendeckend in allen Kitas (Musikschule) • Ausrichtung von und Teilnahme an musikalischen Wettbewerben (Nachwuchsförderung) 42 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg • Etablierung eines regelmäßigen Festivals im Theater für regionale und Wolfsburger Laiengruppen 9 Wissenschaft und neue Technologien „Die Wissenschaft ist der Verstand der Welt, die Kunst ihre Seele.“ Maxim Gorki Wolfsburg ist eine Stadt, die Fortschritt schafft und in der Technik und Mobilität zu Hause sind. Bereits das Stadtleitbild aus dem Jahr 1997 erkennt in der Synthese von moderner Kunst und Technik im Sinne von Mobilität enorme Ressourcen und Potenziale der Stadt. Wolfsburg verfügt über eines der bundesweit größten außeruniversitären Innovationszentren, der „Forschung und Entwicklung“ des Volkswagenkonzerns (mit der AutoUni, der Ostfalia sowie dem Niedersächsischen Forschungszentrum Fahrzeugtechnik), und ist darüber hinaus Teil der ForschungsRegion Wolfsburg – Braunschweig, die sich zum Spitzenreiter der europäischen Forschungsstandorte entwickelt. Überzeugender Inbegriff für das „Prinzip Fortschritt“ und die angestrebte Symbiose von Kultur und modernsten Technologien ist das Wissenschaftsmuseum phæno. Dieses Science Center, weltweit beachtetes Spitzenerzeugnis lebhafter Fantasie, ist eine Herausforderung der Wahrnehmung und steht schon baulich für Innovation und Avantgarde. Damit ist es ein Symbol für das „junge“, offene Wolfsburg. Zudem und vor allem ist das phæno aber auch eine Schatzkammer physikalischer, biologischer sowie chemischer Phänomene und ihres Verhaltens – ein Ort der Veranschaulichung, des Involviertwerdens, der Denkanstöße und des Verstehens, kurz: ein Ort der Nachwuchsförderung in großem Stil. Eine weitere bedeutende naturwissenschaftliche Facette des Erlebens steuert das Planetarium Wolfsburg bei. Schließlich setzt es im Hinblick auf Planetariumstechnik auch weltweit Maßstäbe und entführt seine Besucher mit entsprechend modernster Technologie in kosmische Welten. Das Planetarium öffnet sich darüber hinaus immer wieder auch den „schönen Künsten“, indem es den Kuppelraum und die außergewöhnlichen technischen Gegebenheiten für künstlerische Darbietungen unterschiedlichster Art zur Verfügung stellt. In der „kreativen Stadt“ tritt die Wissenschaft mit den Bürgern in einen Dialog. Aktuelle Forschungsergebnisse führen über konkrete Projekte in die Wissenspraxis und auf diese Weise zu einer neuen Qualität der Lebenssituation. Entsprechend sind Wolfsburger Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen gefordert, gemeinsam aktiv an der Arbeit für die Zukunft mitzuwirken. Das bedeutet, sich auch den Fragen nach einem sinnvollen Einsatz von Technologien immer wieder neu zu stellen und auch mögliche nachteilige Begleiterscheinungen eines ungehemmten Wachstums im Blick zu behalten. Mit der rasant fortschreitenden Medientechnik verbinden sich kultur- und bildungspolitische Herausforderungen, die in den kommenden Jahren bewältigt werden müssen, so z. B. die Nutzung von virtuellen Netzwerken, neuen digitalen Interfaces (Schnittstellen zwischen Menschen und ihrer Umwelt) oder von E-Learning. Andererseits bieten sich hier aber auch bisher ungeahnte Möglichkeiten des kulturellen Ausdrucks und der kreativen Reflexion aktueller Entwicklungen, die im Zusammenspiel von Kultur und neuesten (Medien)technologien entstehen. So werden Kunstwerke selbst zu Interpretationen der Medien bzw. des Medialen und bilden diskursive Voraussetzungen und gesellschaftliche Kontexte für eine technologisch gestützte Selbstkritik der Künste sowie der modernen Gesellschaft. Auf solchen theoretischen Grundüberlegungen basiert auch die Phaenomenale, ein wichtiges Festival für Science & Art. Dieses Gemeinschaftsprojekt der Stadt Wolfsburg und des Kunstvereins mit unterschiedlichen Partnern lädt zu künstlerischer und wissenschaftlicher Auseinandersetzung ein, um den Besuchern die gesellschaftlichen, aber auch kulturellen Phänomene, die dem technologischen Wandel entspringen, zu präsentieren. Weiterentwicklung der Phaenomenale zu einem Science & Art Festival, das die Verbindung zwischen zeitgenössischer europäischer Medienkunst und der lokalen kreativen Szene lanciert. Ziele • Stärkere Profilierung Wolfsburgs als Wissenschaftsstandort • Generierung eines hohen Erlebnis-, Lern- und Erinnerungswertes des phæno für eine große Besucherzahl, um auf breiter Basis ein positives Wolfsburg-Bild zu erzeugen • Inszenierung des avantgardistischen Bauwerks phæno und dessen auf Auseinandersetzung sowie Erkenntnis zielenden Inhalts als „Logo“ für Aufgeschlossenheit, Risikobereitschaft und Innovationskraft der Stadt (und des Unternehmens) Lernszenarien (Lernateliers, Selbstlernzentren) • Schaffung von Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit • Positionierung des Planetariums als exponierter und populärer Ort (natur-) wissenschaftlicher Bildung • Ausbau der Kooperation städtischer Einrichtungen mit der International Partnership Initiative e.V. (IPI) • Stärkung der Medienkunst innerhalb der Kulturlandschaft Wolfsburgs Schlüsselprojekte • Weiterentwicklung des Science & Art Festivals Phaenomenale • Förderung neuer Programme im Planetarium, die neben der Astronomie auch andere Wissenschaften berücksichtigen • Einrichtung eines „Weltraumlabors“ im Planetarium mit Exponaten zur interaktiven Erforschung des Weltraums • Entwicklung und Verankerung von Zukunftskonferenzen, in denen über Chancen und Risiken des gesellschaftlichen Fortschritts debattiert und mögliche Szenarien von morgen aufgezeigt werden • Fortsetzung bzw. Neuauflage erfolgreicher Impulsveranstaltungen (Geist und Gehirn; Diskurse-Reflexionen und Diskussionen über Urbanität) • Installierung von Denk- und Zukunftswerkstätten • Entwicklung einer FamilienUni (VHS/ Bildungslandschaft) • Schaffung von Flächen und Foren für Medienkünstler • Ausbau der „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) im phæno • Positionierung des BildungsCampus am Klieversberg als Basis für die Wissensgesellschaft der Zukunft (siehe Teil C: Visionen, I ) • Entwicklung innovativer Weiterbildungsformate und zukunftsweisender Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 43 10 Kulturmarketing und Kulturförderung, Kulturund Kreativwirtschaft „Hier wird neue Energie gefördert. Sie heißt Kultur.“ Aus der Kampagne „Ruhr.2010“ Kulturmarketing stellt die Kunst dar, Kultur wie ein Produkt zu vermarkten, ohne dabei Qualität oder Profil einzubüßen. Aufbau von Vertrauen und Bekanntheit, Kommunikation von Werten, Kundenorientierung und auch der Servicegedanke bilden in diesem Zusammenhang zentrale Maßnahmen. Als Segment eines umfassenden Stadtmarketings – in Wolfsburg grundsätzlich durch die Wolfsburg Marketing Gesellschaft (WMG) sichergestellt – zielt das strategische Kulturmarketing des Geschäftsbereichs Kultur und Bildung darauf, Menschen für Wolfsburg zu gewinnen und auf dem Weg in die Zukunft mitzunehmen, damit sie sich mit dem Leitmotiv der „kreativen Stadt“ identifizieren. Kulturmarketing macht die kreative Wirklichkeit Wolfsburgs auf neue Weise produktiv. Dies gilt sowohl für die Imagewirkung nach außen als auch für die Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort. Unter Kulturförderung ist die Förderung kultureller Aktivitäten mit öffentlichen Mitteln zu verstehen. Sie verteilt sich in der Stadt Wolfsburg auf mehrere Bereiche: institutionelle Kulturförderung, Förderung kultureller Aktivitäten und Jubiläen, aber auch von Chören, Spielmannsund Fanfarenzügen, Orchestern und Tanzgruppen. Weiterhin stehen für die Kultur- und Heimatpflege städtische Fördermittel zur Verfügung. Zur Realisierung kultureller Einzelprojekte können darüber hinaus Sponsoring- und Stiftungsmittel akquiriert werden. Ein Stiftungsleitfaden 44 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg gibt dabei Hinweise für ein strategisches und operatives Vorgehen. Die Zukunft gehört der „creative class“ – da sind sich die Trendforscher und eine 2008 gegründete Initiative der Bundesregierung zur Kultur- und Kreativwirtschaft einig. Zu dieser wirtschaftlichen Sparte werden Unternehmen gezählt, die überwiegend erwerbswirtschaftlich im Bereich der Entwicklung und Verbreitung von kulturellen Produkten tätig sind. Dies umfasst künstlerische, literarische, architektonische, musische oder andere kreative Inhalte, Produkte, Werke oder Produktionen. Doch Kreativität ist nicht nur ein Wirtschafts- und wichtiger Tourismusfaktor, sondern sorgt auch für Frische und Attraktivität einer Stadt, was wiederum positive Auswirkungen auf die Stadtentwicklung hat: Schließlich erhöht kulturelle Attraktivität die Lebensqualität und damit die Zuwanderungsbereitschaft. Wolfsburg braucht eine neue Kultur der Vernetzung. Wolfsburg hat die Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft als Zukunftsbranche erkannt und sich in die Anfang 2010 ausgerufene KreativRegion38, eine Interessenvertretung aller Kreativen der Region, eingebracht. Mit Foren („Nachtflug“), dem „Designpreis LIONEL“ und Unternehmensgründungen rüstet sich die Region für die kreativwirtschaftliche Zukunft (getreu dem Slogan: „Kreativwirtschaft kommt!“). Der Anteil der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Region Braunschweig/Wolfsburg wird für Wolfsburg derzeit in einer Studie ermittelt. Im Kontext der drei Bereiche Kulturmarketing, Kulturförderung sowie der Kultur- und Kreativwirtschaft versteht sich die Kulturverwaltung als Schnittstelle und Mittler im Dialog zwischen Kulturpolitik, Kulturschaffenden und der Bevölkerung. Ziele • Ausbau der Geschäftsstelle Kultur und Bildung zu einer universellen Serviceagentur • Aufbau eines eigenständigen Kulturmarketings zur strategischen Kommunikation der Wolfsburger Kultur mit überregionaler Wirkung • Stärkere Vernetzung aller Kulturschaffenden • Offensivere Nutzung der Potenziale der „Kulturstadt“ Wolfsburg für den Städtetourismus und das Stadtmarketing • Entwicklung einer Strategie für eine zukunftsorientierte Kulturförderung • Stärkere Akzentuierung und Profilierung des Kultur- und Kreativwirtschaftsstandorts Wolfsburg • Erhöhung der Akzeptanz und Anerkennung für Kultur, die direkt aus Wolfsburg kommt • „Historisches Dreigestirn“: Stärkung von Schloss Wolfsburg, Schloss Fallersleben und Burg Neuhaus als Imageträger und Zentren für Kultur und Kreativität Schlüsselprojekte • Etablierung der KulturInfo im AlvarAalto-Kulturhaus • „Die Propheten im eigenen Land sehen“: Installierung einer identitätsstiftenden Kultur-Kampagne mit lokalen Kulturtalenten • Aufbau eines „Netzwerks Kultur“, auch mit Blick auf die Kultur- und Kreativwirtschaft • Einrichtung und Pflege eines Kulturportals • Entwicklung und Vertrieb einer eigenen „Kulturkollektion“ (z. B. KlangBild Wolfsburg) • Realisierung eines Kulturleitsystems zu den wichtigen öffentlichen und freien Kultureinrichtungen („Kulturstecknadeln“) • Entwicklung von speziellen Neubürger-Kultur-Programmen (Kulturtouren, Matineen) • Begründung von Themenjahren in der Kultur („Italiener“, „Hoffmann“, „Region“ etc.) • Weiterentwicklung des Masterplans „Licht“ für die kulturell genutzten Gebäude Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 45 46 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg C Visio nen Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 47 48 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg I. Modell für Europa: der Wolfsburger BildungsCampus am Klieversberg Information – Inspiration – Innovation Iris Bothe und Birgit Rabofski Bildung – der wichtigste Standortfaktor der Zukunft Das moderne Leben bringt nicht nur größere Chancen und mehr Möglichkeiten für die Individuen mit sich, sondern auch größere Risiken und Unsicherheiten. Die Menschen können zwischen verschiedenen Lebensmodellen wählen, gleichzeitig müssen sie jedoch selbst die Verantwortung für diese Wahl und für die Gestaltung ihres Lebens übernehmen. Immer mehr Menschen bleiben zwar länger in formalen Bildungs- und Ausbildungsprozessen, doch der Abstand zwischen denen, die ausreichend qualifiziert sind, um sich im Arbeitsmarkt zu behaupten, und denen, die „auf der Strecke“ bleiben, wird immer größer. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund, dass inzwischen zwei Drittel des gesellschaftlichen Wissenserwerbs „informell“ erfolgen. Durch den demografischen Wandel wird sich auch das Verhältnis der Generationen, die Beziehung zwischen Alt und Jung, von Menschen im Erwerbsleben und solchen mit Bedarfsleistungen verändern. Zusätzlich wird unsere Gesellschaft immer mehr zu einem multikulturellen Mosaik. Diese Vielfalt birgt in sämtlichen Lebensbereichen ein großes Potenzial für Kreativität und Innovation, gleichzeitig aber auch für Verunsicherung und Ausgrenzung. In einer Gesellschaft, deren Produktivität an dem Faktor „Wissen“ gemessen wird, sind Informationen, Kenntnisse und Fähigkeiten, die sich auf dem neuesten Stand befinden, von immenser Bedeutung. Das Leben in einer Wissensgesellschaft erfordert Strukturen im Lebensumfeld, die allen eine partizipative Teilhabe am Wissenserwerb ermöglichen. Dabei sollte niemand zurückbleiben, aber auch niemand behindert werden. Das bedeutet, dass die Menschen in dieser Wissensgesellschaft die Fähigkeiten und Möglichkeiten haben müssen, Wissen zu erlangen und dieses unter sich gleichzeitig ständig verändernden Rahmenbedingungen für ihren Lebensvollzug zu nutzen. Wolfsburg auf dem Weg zur Bildungsstadt Vor diesem Hintergrund beschäftigen sich Politik und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland seit gut zehn Jahren mit den Themen „Fachkräftemangel“, „demografische Entwicklung“, „hohe Schulabbrecherquote“, „Analphabetismus“ sowie „Jugendarbeitslosigkeit“ und damit mit der Bedeutung des lebenslangen/ lebensbegleitenden Lernens. Das Bewusstsein, dass Bildung ein wesentlicher Standortfaktor ist, ist als Konsens vorhanden: Alle wissen, dass das Bildungsniveau der Bevölkerung entscheidend für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung einer Region ist. Alle wissen, dass die gesellschaftlichen Folgekosten gescheiterter Bildungsbiografien immens und kaum wieder auszugleichen sind. Wolfsburg hat sich schon vor geraumer Zeit auf den Weg gemacht, sich diesen Herausforderungen aktiv zu stellen, die Stadt befindet sich in einer Phase der Umorientierung. Die Qualitätsentwicklung von Kindertagesstätten und Schulen, die gezielte Personalentwicklung der städtischen Beschäftigten, das umfangreiche und differenzierte Bildungsangebot der Wolfsburger Volkshochschule Vision BildungsCampus: Die Vernetzung von Bildungsinstitutionen ermöglicht „Brücken statt Brüche“ und verbessert die Bildungschancen aller Bürger. (VHS) und anderer Einrichtungen für Bürgerinnen und Bürger im gesamten Stadtgebiet sowie die immensen Investitionen in beteiligungsorientierte und reflektierte Neu- und Umbaumaßnahmen an öffentlichen Bildungseinrichtungen sowie deren qualitative Einrichtung und Ausstattung sind nur einige Beispiele dafür, dass die Stadt Wolfsburg eins der am meisten diskutierten gesellschaftlichen und politischen Themen unserer Zeit ernst nimmt und sich zur Bildungsstadt entwickeln möchte. Das veränderte Selbstverständnis der Stadt als Gestalterin der Schullandschaft vor Ort führte 2007 zu der Einführung des Wolfsburger Rahmenkonzepts für Ganztagsschulen. Mit der finanziellen und pädagogischen Unterstützung der Stadt konnten innerhalb von drei Jahren 17 Grundschulen ein fünf- und dabei ganztägiges Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 49 und ganzheitliches Bildungsangebot entwickeln. Ein weiterer Schritt zur Gestaltung der kommunalen Schul- und Bildungslandschaft war die Einrichtung eines Bildungsbüros im Jahr 2009. Netzwerkbildung, Fort- und Weiterbildung, Gestaltung bildungsbiografischer Übergänge sind wesentliche Themen. Die Idee der Ganztagsschulen und die Netzwerkarbeit wurden systematisch gefördert, sodass die Stadt bereits umsetzt, was republikweit unter dem Motto „Entwicklung von Bildungslandschaften“ diskutiert wird – ein Motto, nach dem den Kommunen durch Förderprogramme wie „Lernen vor Ort“ finanzielle Anreize geboten werden, Bildungsnetzwerke zu entwickeln und voranzutreiben. Die Wolfsburger Bildungslandschaft muss angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen folgenden kommunalen Zielen dienen: • Gleiche Zugangschancen für alle Menschen zu hochwertigem lebenslangem Lernen, ausgerichtet auf die Bedürfnisse des Einzelnen, • Entwicklung unterschiedlicher Lernarrangements für lebensbegleitende Teilhabe am Lernen in den unterschiedlichen Lebenssituationen unter Einbeziehung Neuer Medien und informeller Lerngelegenheiten, • Lernen und Leben mit allen Sinnen in Umgebungen, die Wohlbefinden fördern, • Ermutigung und Befähigung der Menschen zu einer noch aktiveren Mitwirkung an allen Bereichen des modernen öffentlichen Lebens. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, dass alle zentralen Akteure sich ihrer gemeinsamen Verantwortung für lebenslanges Lernen bewusst sind: Kindertagesstätten, Schulen, Verwaltung, Jugendarbeit, Institutionen der Erwachsenenbildung, Kultureinrichtungen, Organisationen, Vereine und Verbände sowie – nicht zuletzt – die Bürgerinnen und Bürger selbst. Gemeinsames Ziel ist, eine Bildungslandschaft zu entwickeln, in der jeder die Möglichkeit hat, sein Potenzial voll zu entfalten, und in der jedem das Gefühl vermittelt wird, einen Beitrag leisten zu können und dazuzugehören. Hintergrund und Perspektiven der Wolfsburger Agenda „Bildungslandschaft“ – der BildungsCampus Vor dem Hintergrund der Eröffnung der Neuen Schule Wolfsburg (ein Geschenk von Volkswagen an die Stadt zum 70. Geburtstag) zum Schuljahr 2009/2010 und dem damit verbundenen Umzug der Wolfsburger Volkshochschule wurde im Jahr 2010 die Neugestaltung des Areals auf dem Klieversberg ein zentrales Thema für die Stadt. Dieses Thema ist bereits seit dem Jahr 2000 im politischen Diskurs präsent und drückt den lang anhaltenden Wunsch aus, im Süden ein attraktives Einfahrtstor für die Stadt zu gestalten und sich dort auch als Bildungsstadt nachhaltig aufzustellen. So soll die Chance genutzt werden, eine neuartige und innovative Bildungslandschaft zur Schaffung neuer Lernkulturen und Weiterbildungsformate in gemeinsamer Verantwortung aller Bildungsakteure zu gestalten. Notwendige Neubauten für die Neue Schule und die Volkshochschule eröffnen konzeptionelle und architektonisch innovative Gestaltungsoptionen, die die Stadt Wolfsburg aktiv nutzen möchte. 50 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg Im Sommer 2010 startete ein umfassender Beteiligungsprozess zur Planung des pädagogischen Konzepts als Basis einer zukunftsorientierten Architektur sowie der dazugehörigen Freiraumgestaltung. Durch diesen Prozess soll dem ausdrücklichen politischen Wunsch entsprochen werden, auf dem Areal Klieversberg das Thema „Bildung“ innovativ und positiv mit den Wolfsburger Bürgerinnen und Bürgern und für diese zu entwickeln und zu etablieren. Künftig sollen an diesem Standort neben den dort bereits angesiedelten Institutionen Theater, Planetarium, CongressPark und Neue Schule (Grundschule und Sek. I) auch die Sek. II, die Volkshochschule, die Stadtbibliothek und das Medienzentrum einen BildungsCampus in der Bildungslandschaft Wolfsburg begründen. Zielsetzung ist die inhaltliche und räumliche Zusammenführung von Volkshochschule, Stadtbibliothek, des Medienzentrums und der Sek. II der Neuen Schule Wolfsburg, denn Sek.-II-Schülerinnen und -Schüler lernen wie Erwachsene. Dadurch werden Synergien freigesetzt und der Weg bereitet für die Entwicklung neuer Lernkulturen und neuer Weiterbildungsformate. Ein besonderes Merkmal dieses Prozesses ist es, die Vernetzung der Bildungs- und Kulturinstitutionen, die auf dem Klieversberg angesiedelt sind, aus der Sicht des lebenslangen/lebensbegleitenden Lernens (Bildungsbiografie von der Geburt bis ins hohe Alter) zu betrachten und sich nicht nur auf den Teilbereich des schulischen (formalen) Lernens zu beziehen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, den BildungsCampus am Klieversberg und die Wolfsburger Bildungslandschaft dauerhaft zu vernetzen und so die lebendige gesamtstädtische Bildungslandschaft zukunftsweisend weiterzuentwickeln. Inhalte der Neugestaltung des BildungsCampus Im Zuge der Neugestaltung wird die Frage geklärt werden müssen, welche Erwartungen an eine erfolgreiche Vernetzung der unterschiedlichen Bildungs- und Kulturinstitutionen gestellt werden und wie das Lernen in der Zukunft aussehen wird. Es geht um viel mehr, als durch einen geplanten gemeinsamen Neubau für die Volkshochschule, die Stadtbibliothek, das Medienzentrum und die Sek. II auf dem Areal räumliche Synergien zu schaffen und gemeinsame Lernorte zu nutzen. Es geht zusätzlich darum, auch architektonisch und inhaltlich ein neues visionäres Angebot von Erlebnislernen, Lernen, Leben und Selbstlernen im Sinne neuer Lernkulturen und innovativer Weiterbildungsformate in der Verbindung von formalem, nonformalem und informellem Lernen zu schaffen. Dabei ist die Bedeutung der Social Media nicht zu unterschätzen. Die rasante Entwicklung in diesem Segment und die Bedeutung für Selbstlernprozesse sind ein entscheidender Faktor für zukunftsweisende pädagogische Konzepte. Der Beteiligungsprozess als Motor und Weg Dieser Themenkomplex wird seit Juni 2010 in einem gemeinschaftlichen Prozess mit Beteiligten aus unterschiedlichen Geschäftsbereichen (Jugend, Kultur, Schule, Hochbau, Planer, Integrationsreferat) und Tochtergesellschaften (VHS, Musikschule, Planetarium, Theater, Wohnungsbaugenossenschaft, Sport etc.) der Stadtverwaltung diskutiert und hat für den Realisierungsprozess des geplanten Neubaus eine herausragende Bedeutung. Den Auftakt dieses Beteiligungsprozesses bildeten am 16. Juni 2010 zwei Impulsvorträge von Prof. Dr. Jürgen Oelkers (Universität Zürich) und Frauke Burgdorff (Montag Stiftungen, Jugend und Gesellschaft | Urbane Räume) aus Bonn. Der am 17. Juni 2010 ganztägig auf dem Klieversberg durchgeführte Auftaktworkshop diente dazu, eine Akzeptanz für die Neugestaltung des Areals herzustellen, beteiligte und interessierte Institutionen einzubinden und erste Schritte einzuleiten. In der Folge gründete sich eine Projektgruppe, für die eine Lenkungsgruppe die Vordenkerfraktion für den weiteren lebendigen Prozess bildet. Nun stehen die verschiedenen (Bildungs)Einrichtungen vor den nächsten Schritten, um den BildungsCampus am Klieversberg und seine Vernetzung zur Wolfsburger Bildungslandschaft zu implementieren. In den kommenden Wochen und Monaten sollen die im bisherigen Prozess entwickelten Gedanken und Ideen Wirklichkeit werden: Es werden die Einrichtung eines Bildungssalons als zentrale Informations- und Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger sowie die Vernetzung und Kooperation zahlreicher Bildungseinrichtungen vorangetrieben. Mit regelmäßigen Treffen, den sogenannten „Jours fixes “, wird den teilnehmenden Institutionen eine Plattform geboten, um Interessen zu bündeln, Aktionen zu sondieren und Synergien zu schaffen. Parallel dazu wird in einem kontinuierlichen Diskurs mit Politik und Verwaltung der Stadt Wolfsburg, Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher Zielgruppen (Jugend, Senioren, Kinder, Familien, Eltern, Migrantinnen und Migranten), Schulen und Eltern die Entwicklung des BildungsCampus am Klieversberg und seine Verzahnung mit der Wolfsburger Bildungslandschaft diskutiert. Neue Erkenntnisse und Entwicklungen werden aus dem BildungsCampus in die Bildungslandschaft transferiert; umgekehrt werden Impulse aus der Bildungslandschaft aufgenommen. Zeitgleich wird im Rahmen der Wolfsburger Schulmodernisierung (155-Millionen-Programm) eine engere Kooperation zwischen Schule, Stadtbibliothek, Medienzentrum und Volkshochschule geplant und u. a. durch innovative innenarchitektonische Gestaltung umgesetzt. Im weiteren Verlauf des Prozesses gilt es, neue Beteiligungsformen unter Berücksichtigung Neuer Medien auszuprobieren und insbesondere angemessene Beteiligungsformen für Jugendliche einzusetzen. Das zentrale Element und damit die Basis für die Weiterarbeit in den oben dargestellten Beteiligungsstrukturen ist die Entwicklung eines inspirierenden, innovativen und in die Zukunft ausgerichteten Bildungsverständnisses: • Welches Menschenbild legen wir zugrunde? • Welche Bedeutung haben die Neuen Medien für innovative und nachhaltige Bildungsprozesse? • Welche innovativen Weiterbildungsformate und welche neuen Lernkulturen müssen gestaltet werden? • Wie sieht die Veränderung der Rollen vom Wissensvermittler zum Coach und Begleiter in Lernprozessen aus? • Wie gestaltet man Plattformen zum eigenverantwortlichen Lernen? • Wie schafft man soziale Formen eigenverantwortlichen Lernens und stärkt Kommunikationsfähigkeiten? • Wie sieht das Verhältnis von Freizeit zu Bildung aus (schulische – außerschulische Lernorte; Verhältnis formales, nonformales und informelles Lernen)? • Wie gelingt die Einbeziehung der Eltern in Bildungsinstitutionen (Kita – Schule)? • Wie fördert man einen niedrigschwelligen Bildungszugang und gestaltet Chancengleichheit? • Welche Anforderungen werden zukünftig an Bildungsinstitutionen (Kindertagesstätten, Schulen, Erwachsenenbildungseinrichtungen) gestellt? • Wie gestaltet man gelingende Übergänge zwischen den verschiedenen Bildungsinstitutionen? • Welche Strukturen garantieren ein nachhaltiges zielgerichtetes und wirksames Netzwerk? • Welche Qualitätsstandards ermöglichen eine zielgerichtete transparente Evaluation? Unabhängig von institutionsbezogenen Interessen und im Hinblick auf den bildungsbiografischen Ansatz des lebensbegleitenden/lebenslangen Lernens werden zukunftsgerichtete Thesen/ Leitideen für ein Wolfsburger Bildungsleitbild erarbeitet, das in der Folge institutionsbezogen heruntergebrochen werden kann. Ziele der nächsten zehn Jahre Kindertagesstätten, Schulen, Jugendarbeit, berufliche Bildung sowie Erwachsenenbildung, Kultureinrichtungen, Initiativen, Planer, Kirchen, Vereine und auch ehrenamtlich Aktive wie z. B. der Seniorenring Wolfsburg bilden die Wolfsburger Bildungslandschaft. Folgende Ziele sollen in den nächsten zehn Jahren erreicht werden: • Lokale Akteure übernehmen Verantwortung für erfolgreiche Bildungsbiografien. • Lokale Akteure verstehen sich als Lernende im Prozess. • Bildungsberatung wird generationsübergreifend und lebensbegleitend angeboten. • Effektive Lehr- und Lernmethoden als auch -kontexte für das lebenslange und lebensumspannende Lernen werden unter Berücksichtigung der Neuen Medien entwickelt. • Lernanlässe werden bereitgestellt, um Chancengleichheit zu schaffen. • Bürgerinnen und Bürger erhalten Freiräume, um die Wolfsburger Bildungslandschaft aktiv zu gestalten. • Bildungschancen werden flächendeckend verbessert. • Die Bildungsbeteiligung wird erhöht. • Bildungsstätten und Kultureinrichtungen als außerschulische Lernorte entwickeln sich zur Bildungslandschaft. • Die Methoden der Bewertung von Lernbeteiligung und -erfolg werden geändert und verbessert, insbesondere im Bereich des nicht formalen und des informellen Lernens (Portfolio). • Bildungsmöglichkeiten und -gelegenheiten werden systematisch in den Blick genommen und es wird neben der formalen Bildung auch nonformale sowie informelle Bildung betrachtet und einbezogen. Visionäre Bildungslandschaft Visionär ist der im Zusammenhang mit der Gestaltung von Bildungslandschaften oft nicht im Fokus stehende Aspekt, auf welche Weise vielfältige Bildungsangebote und -institutionen organisiert und gesteuert werden können. Bisher übliche Formen der bürokratischen Organisation werden durch neue Formen der Gestaltung in diskursiven, partizipativen Prozessen abgelöst. Erste Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 51 Ansätze in Linz (Österreich) zeigen beispielsweise, dass allein die enge räumliche Verbindung einer VHS mit einer Stadtbibliothek zu einer eklatanten Steigerung von Besucherinnen und Besuchern beider Einrichtungen geführt hat, es damit also gelungen ist, einen niedrigschwelligen Zugang zu Bildung zu schaffen. Wolfsburg will beide Bereiche auch organisatorisch und konzeptionell verzahnen und durch die Verbindung mit einem Selbstlernzentrum und einem Medienzentrum die Entwicklung Neuer Medien für unterschiedliche Lernprozesse forcieren. Lebenslanges Lernen stellt die dreifache Herausforderung an alle Beteiligten, die Ausbildung der Identität der Lernenden zu fördern, Eigeninitiative und Selbstlernfähigkeit zu vermitteln sowie Grundlagen- und Orientierungswissen als auch Schlüsselkompetenzen für ein konstruktives Weiterlernen mitzugeben. Aus diesem Grund bedarf die Entwicklung des BildungsCampus und der Wolfsburger Bildungslandschaft gemeinsamer Projekte und Kampagnen, in denen Kooperation und neue Lernarrangements nicht nur gedacht werden, sondern auch praktisch stattfinden. Ein Beispiel hierfür ist die von der Volkshochschule konzipierte FamilienUni Wolfsburg. Hier wird für einen überschaubaren Zeitraum (ca. eine Woche) eine Bildungskampagne in Kooperation mit Hochschulen, den örtlichen Schulen, Familieneinrichtungen, Bildungs-, Kultur- und Sporteinrichtungen, der Autostadt u. a. durchgeführt, die Wolfsburg gemeinsam als bildungs- und familienfreundliche Stadt nach innen und nach außen präsentieren und erleben lassen. Familiäre und biografische Lebensabschnitte (Geburt, Kleinkindalter, Schule, Peergroups, Pubertät, Ehe, Elternschaft, Beruf, Alter u.a.) werden im Fokus des Themenangebots der Iris Bothe (*1967) studierte Sozialpädagogik in Braunschweig. Sie ist seit 1993 bei der Stadt Wolfsburg mit unterschiedlichen Aufgaben betraut, war Stadtjugendpflegerin, Leiterin der Abteilung Kindertagesbetreuung und leitet seit 2009 den Geschäftsbereich Schule. 52 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg FamilienUni Wolfsburg stehen und von attraktiven Kulturveranstaltungen für alle Altersklassen umrahmt. Die Vision umfasst also alle Bildungsbereiche. Die Vernetzung von Bildungsinstitutionen und -infrastruktur wird dazu führen, die Bildungschancen aller Bürgerinnen und Bürger qualitativ wie quantitativ zu verbessern. Sie schaffen niedrigschwellige Bildungszugänge. Übergänge zwischen Bildungsphasen und Bildungsorten lassen sich einfacher – weil systematisch und strukturiert – gestalten. Alle bildungsrelevanten Zuständigkeiten und Angebote sollen vernetzt werden, um die Bildungschancen von der frühen Kindheit bis ins hohe Alter zu verbessern und zu optimieren. Ein besonderer Fokus wird dabei natürlich auf die Gestaltung von Übergängen gelegt im Sinne des Mottos: „Brücken statt Brüche“. Von der Schaffung von Ganztagsschulen und der Einrichtung eines Bildungsbüros, von der Einzelschule über ein Schulnetzwerk im Quartier zu einer Schullandschaft entwickelt sich die Stadt zu einer Bildungslandschaft im Gefüge eines städtischen Bildungs- und Kulturnetzwerks, in dem entlang der Bildungsbiografie eines Menschen lebensbegleitendes Lernen gestaltet wird, das generationsübergreifend ist. Dr. Birgit Rabofski (*1958) studierte Germanistik, Anglistik, Pädagogik und Philosophie in Bochum, Oxford, Bristol und Hannover. 1988 folgte die Promotion im Fach Anglistik. Nach verschiedenen Stationen im Bereich der Erwachsenenbildung hat sie im Juni 2010 die Geschäftsführung des Bildungszentrums Wolfsburger Volkshochschule GmbH übernommen. II. Das Alvar-Aalto-Kulturhaus: zurück in die Zukunft Multifunktionalität bietet auch heute überzeugende Perspektiven Nicole Froberg und Monika Kiekenap-Wilhelm Aalto im 21. Jahrhundert – aktueller denn je Das 1962 fertiggestellte Gebäude des Architekten Alvar Aalto in der Wolfsburger Innenstadt ist ein herausragendes Zeugnis europäischer Architektur des vergangenen Jahrhunderts. Es muss sowohl in seiner einzigartigen Konzeption als auch in der Ausbildung von Raum, Form, Detail und Material als Gesamtkunstwerk betrachtet werden. Nach dem Prinzip einer antiken Agora entworfen, prägen Durchlässigkeit und Transparenz die Architektur. Der Bau steht für Kommunikation, Reflexion und geistigen Diskurs – er schafft damit Freiräume für kulturelles Handeln. Aaltos Konzept der räumlichen Nähe von Jugendzentrum, Erwachsenenbildung und Bibliothek hat bis heute nichts an „Modernität“ verloren. Das Gebäude selbst konnte mit dem Wachstum der Stadt und den gewandelten Nutzeranforderungen der drei genannten Institutionen allerdings nicht mithalten. Multifunktionalität als zukunftsweisendes Prinzip Das aktuell weiterentwickelte Nutzungskonzept stellt das Prinzip der Multifunktionalität wieder in den Mittelpunkt. Es intendiert eine ebenso geschichtsbewusste wie kreative kulturelle Nutzung eines historischen Baudenkmals sowie eine behutsame Rückführung originärer Raumfunktionen. Das Gebäude wird als baukulturelles Erbe internationalen Rangs wahrgenommen und wiederbelebt. Damit ergreift die Stadt Wolfsburg die Chance, sich noch stärker als Stadt der Baukultur zu profilieren. Als Haus der Kultur und Baukultur, als zentrales Veranstaltungsforum, Ort der Stadt- und Zeitgeschichte, als Bildungsund Kreativstätte für junge Menschen und Standort einer Akademie für Stadtbaukunst erfährt das Alvar-Aalto-Kulturhaus (AAK) sein Comeback als urbaner Ort und kulturelles Zentrum für Wolfsburg. Ganz im Sinne des multifunktionalen Ursprungskonzepts werden wissenschaftliche und kulturelle Einrichtungen unter einem Dach vereint und bereichern sich gegenseitig. Auf dem Weg zur „kreativen Stadt“ (eins der zentralen Leitmotive des Kulturentwicklungsplans) versteht sich das AAK als Verhandlungsort zeitgenössischer ästhetischer und gesellschaftlicher Positionen, aber auch als Verbindungsstück der klassischen künstlerischen Moderne mit Zukunftsvisionen. Als kreatives Zentrum leistet das Alvar-Aalto-Kulturhaus die Vermittlung von Stadt- und Architekturgeschichte, die sich der historischen Forschung und der Auseinandersetzung mit Zeitgeschichte ebenso widmet wie den Zukunftsfragen der Städte. Die sich aus der Integration verschiedener Nutzungen ergebenen Synergien sind Voraussetzung für die Lebendigkeit und den offenen, kommunikativen Charakter des Hauses. Vision Aalto-City: Aalto im 21. Jahrhundert – mit multifunktionaler Perspektive aktueller denn je. Mit der Vernetzung von Stadtbibliothek, VHS, Medienzentrum und Neuer Schule wird das Ursprungskonzept des Hauses im BildungsCampus eine neue räumliche Form finden. Die Nutzer Forum Architektur Als einzigartige kommunale Institution in Deutschland greift das Forum Architektur das Alleinstellungsmerkmal Wolfsburgs als „Stadt der Moderne“ auf, um am konkreten Beispiel baukulturelle Werte zu vermitteln. Im Themenrahmen „Stadt – Raum – Geschichte“ sensibilisiert es die Öffentlichkeit für die Planung, Herstellung und Nutzung der gebauten Umwelt. Ziel der Vermittlungstätigkeit ist ein breiter öffentlicher Dialog über bauliche und städtebauliche Qualitäten. Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 53 „Netzwerk Baukultur in Niedersachsen“ Das vom Land Niedersachsen 2009 ins Leben gerufene Netzwerk ist Schnittstelle des in diesem Bundesland vielfältig vorhandenen baukulturellen Engagements von Bürgerinnen und Bürgern, Vereinen, Verbänden, Institutionen, Hochschulen, Kommunen und dem Land Niedersachsen mit derzeit rund 100 Baukultur-Akteuren. Es begreift sich als Info-Punkt und Kontaktstelle, Impulsgeber und öffentlichkeitswirksamer Interessenvertreter der Baukultur in Niedersachsen. Das Raumkonzept des Alvar-AaltoKulturhauses Erwachsenenbibliothek Die früheren Bibliotheksräume bieten dem Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation (IZS) ein neues Zuhause. Die ehemalige Erwachsenenbibliothek wird weiterhin als Bibliothek genutzt. Sie beheimatet eine Fachbibliothek mit den Themenschwerpunkten „Stadtgeschichte“ und „Städtebau“ sowie eine Präsentation zur Stadtbaugeschichte und Stadtentwicklung. Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation (IZS) Der Einzug des Instituts für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation in das Alvar-Aalto-Kulturhaus bietet die einmalige Chance für eine zukunftsgerichtete Präsentation der Stadtgeschichte, verbunden mit der Perspektive, dabei auch Anregungen für die künftige Stadtgestaltung zu bieten. Zeitungsleseraum Der Raum bleibt in seiner 2011 wiederhergestellten Funktion erhalten. Kinderbibliothek Kulturverwaltung mit Kreativwerkstätten Die Geschäftsstelle des Geschäftsbereichs Kultur und Bildung sowie die Geschäftsbereichsleitung sind Sitz der städtischen Kulturverwaltung und -förderung sowie Motor der städtischen Kulturentwicklung. Ihr angeschlossen sind die Kreativwerkstätten und der zentrale Info-Punkt „Kultur“. Akademie für Stadtbaukunst Die schon vorhandenen vielfältigen Kooperationen mit Hochschulen aus dem gesamten Bundesgebiet werden ausgebaut zu einer Akademie für Stadtbaukunst. Sie denkt die stadtplanerischen Visionen des 20. Jahrhunderts weiter, initiiert Forschungsprojekte, Stipendien, Publikationen, Workshops und öffentliche Vorlesungsreihen. Externe Nutzer Mit den für den Veranstaltungsbereich ausgewiesenen Räumlichkeiten steht das Haus stadtweit externen Nutzern zur Verfügung. Für die Kinderbibliothek ist eine Nutzung für Veranstaltungen und Aktionen von, aber selbstverständlich auch mit Kindern und Jugendlichen vorgesehen. Die Hörsäle Das Spektrum der fünf Hörsäle kann weiterhin von den Nutzern des Hauses und von Dritten multifunktional bespielt werden. Veranstaltungssaal Dem Mehrzwecksaal wird seine originäre Funktion als zentrales Forum zurückgegeben. Der Raum eignet sich für kulturelle Veranstaltungen jeder Art, z. B. für Kabarett, Konzerte, Lesungen, Preisverleihungen, Tanzabende, Clubbings, Vorträge, Wechselausstellungen etc. Das Foyer mit Dachterrasse und Feuerstelle Das obere Foyer ist ein Ort der Kommunikation. Es kann als Präsentations-, Empfangs- und/oder Veranstaltungsfläche genutzt werden. Das Themenspektrum „Stadt – Raum – Geschichte“ soll dabei einen Schwerpunkt bilden. Die Dachterrasse wird nach der Sanierung im Sinne des ursprünglichen Nutzungsgedankens reaktiviert und als öffentlicher Raum durch Kleingruppen genutzt. Küche Die Küche ist nicht nur ein Ort der logistischen Infrastruktur für Veranstaltungen (Anlaufstelle für Catering). Zusammen mit der Dachterrasse kann sie zu einem Sommercafé ausgebaut werden. 54 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg Werkstatträume im 1. Obergeschoss Fazit Mit der Einrichtung der Kreativwerkstätten wurden die bis dahin als Lagerräume genutzten Werkstatträume in ihre originäre Nutzung zurückgeführt. Durch niedrigschwellige Angebote machen die Kreativwerkstätten Kinder und Jugendliche im Sinne Alvar Aaltos mit den Bildenden Künsten vertraut. Dank der räumlichen Nähe zur Feuerstelle, der Dachterrasse und der ehemaligen Kinderbibliothek steht so ein ganzes Raumkaleidoskop für die Arbeit mit jungen Menschen zur Verfügung. Da die Kreativwerkstätten auch dezentral arbeiten, können die Werkstatträume ebenfalls von anderen Nutzern des Hauses bespielt werden. Ziel ist es, die besondere Qualität des Hauses einem breiten Publikum (Fachpublikum und Laien) deutlich und ganzheitlich zugänglich zu machen. Populäre Programmangebote wie auch wissenschaftliche Forschungsmöglichkeiten ergänzen sich und führen zu einer Nutzungsvielfalt, die den Möglichkeiten des Alvar-Aalto-Kulturhauses genau entspricht. Lesungen, Filmvorführungen und Vortragsreihen, Architekturworkshops sowie spezielle Angebote für Kinder und Jugendliche machen das Alvar-Aalto-Kulturhaus wieder zu einem lebendigen städtischen Veranstaltungsort, der damit gleichzeitig inhaltliches Profil zurückgewinnt und die architektonische Dimension des Hauses erlebbar macht: „Nichts Altes wird neu geboren. Aber es verschwindet auch nicht ganz. Und das, was einmal war, kommt immer wieder in neuer Form.“ (Alvar Aalto) In ihrer Summe bietet die Umnutzung des Alvar-Aalto-Kulturhauses die einmalige Chance, die Profilierung Wolfsburgs als „Stadt der Architektur“ weiter zu forcieren. Als solche kann Wolfsburg für ganz Norddeutschland eine Vorreiterrolle in der zeitgemäßen Erschließung und Vermittlung von Stadtgeschichte sowie von Baukultur einnehmen. 1. Obergeschoss Die Büroräume bleiben Sitz des Geschäftsbereichs Kultur und Bildung sowie der Kulturverwaltung. Ladenzeile Als „Schaufenster der (Bau-)Kultur“ fungiert die Ladenzeile an der „Stadtseite“ des Alvar-Aalto-Kulturhauses. Die KulturInfo und das „Netzwerk Baukultur in Niedersachsen“ sind öffentliche Ansprechpartner für Bürger, Gäste der Stadt und Architekturtouristen in allen Fragen rund um Kultur und Architektur. Der Kunstverein Wolfsburg nutzt den ehemaligen „Blumenladen“ als offenes Atelier. Die übrigen Geschäfte stehen als Präsentationsräume für Wolfsburger Kulturschaffende zur Verfügung. Damit wird einer wesentlichen Forderung des Kulturentwicklungsplans Rechnung getragen. Monika Kiekenap-Wilhelm (*1966) studierte Geschichte, Germanistik und Politologie an der Universität Bonn und war seit 1999 Ausstellungskuratorin, später stellvertretende Leiterin der Historischen Museen Wolfsburg. Seit 2011 leitet sie die Kreativwerkstätten im Alvar-Aalto Kulturhaus und ist verantwortlich für die kulturelle Bildung im Geschäftsbereich Kultur und Bildung der Stadt Wolfsburg. Nicole Froberg (*1972) studierte Architektur an der TU Braunschweig. Seit 2001 leitet sie das Forum Architektur der Stadt Wolfsburg mit den Schwerpunkten „Architekturkommunikation und Architekturvermittlung“. Im Jahr 2010 übernahm sie zudem die Geschäftsstelle des „Netzwerkes Baukultur Niedersachsen“. Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 55 III. Die Utopie des Realen Wolfsburger Visionen in der zeitgenössischen Kunst Susanne Pfleger Ein Abend im Spätsommer 2020. Ankunft auf dem Hauptbahnhof in Wolfsburg. Der ICE, vierte Generation, ist pünktlich. Gleich zwei Überraschungen auf dem Bahnhofsgelände: eine große Video-Mapping-Projektion an den Gebäudefassaden gegenüber, Initial der Begrüßung zum spannenden Leben in der Stadt. Und: der kleine Parkplatz für zehn Autos, genauer Elektroautos, die die ortsansässige Autofabrik her- und aufgestellt hat. Die Autofabrik, das wissen alle, ist das Volkswagenwerk. Die Elektroautos, maximal für zwei Personen gebaut, besteigt man, wählt eines von zwölf angegebenen Zielen, startet und kommt mit dieser mobilen Einrichtung ohne jeglichen Eingriff der Wageninsassen z. B. zum Alvar-Aalto-Kulturhaus, zum Schloss, zum Kunstmuseum, in die Autostadt, zum Theater oder zum Planetarium. Ein lockeres, leicht abenteuerliches Unternehmen. Der Garten als Sinnbild für das Prozesshafte, das sich ständig Wandelnde hat Künstler von jeher interessiert. Renommierte Künstlerinnen und Künstler haben den Garten als Experimentierfeld für die Beziehung Mensch – Natur in der besonderen Stadtlandschaft Wolfsburg zu ihrem Thema gemacht. Die Klarheit des Designs – der Wege, der Straßen, der Plätze –, die Harmonie der Relationen, in denen sie zueinander stehen, ergeben gleichsam ein Gerüst, hinter dem sich die verschiedenen Aktivitäten der Menschen ausbreiten können. Es sind Wiesen angelegt, die man betreten kann, von Künstlern und jungen Designern wurden beispielhafte Spiel- und Treffplätze für Kinder und Jugendliche entworfen, bemerkenswert der Pavillon der Amsterdamer Architekten UNStudio, der den lang gehegten Wunsch nach einer „Konzertmuschel“ mit einer dynamischen Skulptur beantwortete. In der Stadtlandschaft ist Ein Kunstwerk als Stadt Beide „Installationen“ verdanken ihre Existenz einer mutigen Kulturplanung für Wolfsburg. Schon vor Jahren machte man sich auf den Weg zur Utopie der idealen Stadt. Heute ist Kunst hier omnipräsent, und die Stadt scheint ein großes Atelier für ein vielfältiges kreatives Potenzial. Wolfsburg wurde als Gartenstadt geplant und angelegt. In der jüngsten Vergangenheit ist aus dieser Grundvorstellung heraus eine außerordentlich schöne Stadtlandschaft, eine Stadtlandschaftsarchitektur entstanden. Die Stadt als „soziale Plastik“. Die zahlreichen Details sind optisch aufeinander bezogen. Natürlich auf Grundlage jüngster ökologischer Erkenntnisse. Flaniert man durch die Stadt, so fühlt man sich nicht fremd. Es scheint, dass der hier geformte Ausdruck von Kultur Vertrauen schafft, ein Gefühl, nicht ausgeschlossen zu sein. Das bedingt auch die individuelle Rückeroberung des Stadtraums durch die emsigen Guerilla-Gärtner, die mit ihren spontanen Pflanzaktionen die Wolfsburger immer wieder überraschen. Über Nacht werden blühende Zeichen gesetzt. Die so entstandenen blumigen Oasen oder sogar landwirtschaftlich genutzten Flächen fördern das Miteinander. Sie bieten Raum für Integration, interkulturellen Dialog, soziale Interaktion. 56 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg Vision Kunst-Stadt-Laboratorium: In der Stadt der Zukunft ist zeitgenössische Kunst omnipotent und der Stadtraum ein großes Atelier für kreatives Potenzial. jedes Blumenbeet, jeder Zierstrauch, jeder Pflasterstein, ja, sind sogar die Bushaltestellen ein nächstes, potenzielles Kunstwerk. An manchen Orten hat man den Eindruck, dass sich diese Landschaft dank leichter Erdaufschüttungen, kleiner Teiche, Wasserläufe und etlicher Brunnen zu bewegen scheint. Eine Art meditativen Pol bilden überall einheitlich gestaltete Sitzgelegenheiten – Bänke, einzelne Stühle aus grauem Beton und dunklem Holz. All diese Elemente natürlich in Zusammenarbeit mit kreativen Köpfen aus der ganzen Welt entwickelt. Es gibt nichts, womit in Wolfsburg nicht künstlerisch experimentiert wird – und das Erstaunliche: Das strenge Design schafft nicht nur Atmosphäre, sondern suggeriert sogar Bequemlichkeit. Kunst prägt das urbane Image – Urbanität prägt Kunst Die Skulpturen der Künstlerinnen und Künstler, die im öffentlichen Raum Wolfsburgs schon immer eine Rolle spielten, wurden in die neu entstandene Landschaft integriert, nie demonstrativ, sondern als zusätzlich hineingewachsener Teil. Die Zentren der Stadt, der Stadtteile und der Vororte sind in diese gebaute Kulturlandschaft, in der die Stadtteilkultur nun entschieden intensiviert werden konnte und kann, gleichermaßen miteinbezogen. Die, die sie betreten, fühlen sich als Teil der künstlerisch geformten, schönen Anlagen, die einem Baum nachgebildet zu sein scheinen – ein Stamm und weit in alle Richtungen ausgebreitete Äste. Neue Brücken zwischen Mensch und Natur. Man spürt die Energie, die Natur und Kultur zusammenhält. Zudem: Ein die Generationen umfassendes Konzept wird spürbar. Ein Bild sozial gelungener Integration. In dieser radikal präzisen Neugestaltung der Stadt wirken die fünf über den Stadtraum verteilten Videoprojektionen wie Signale. Sie eröffnen eine Aussicht, andererseits spenden sie Licht. Eine dieser leuchtenden Flächen steht als Entree, wie schon erwähnt, am Bahnhof. Die anderen sind im Zentrum der Stadt und an drei fensterlosen Gebäudefassaden in den Vororten aufgestellt. Sie sind erste sichtbare Zeichen einer Kunst im hoch industrialisierten Raum, der Kunst im Bereich eines Weltkonzerns. Sie prägen auf ihre Weise das urbane Image. Die Stadt ist erleuchtet. Das neue Licht verändert Wolfsburg. Sämtliche alten Straßenlaternen in der Stadt sind vor sechs Jahren beseitigt worden und durch ein klares, nach allen Seiten hin strahlendes, fast möchte man sagen „Lichtinstrument“ ersetzt – natürlich in bester Korrespondenz mit der gesamten Anlage der Stadtlandschaft. Und: gespeist durch regenerative Energien. Ökologie und Hightechfuturismus sind in Wolfsburg kein Widerspruch. Dieses Kunst-Stadt-Laboratorium ist ideal für eine Ausweitung künstlerischer Praxis und ein fruchtbarer Boden für eine junge, wilde Kunstszene. Wolfsburg ist weithin bekannt für seine lebendige Subkultur. Die Street-Art-Künstler bespielen regelmäßig den Stadtraum mit temporären Eingriffen. Während manche Künstler schon ganze Hauswände gestaltet haben, können aufmerksame Passanten kleinformatige, dafür aber umso überraschendere Interventionen entdecken. Wolfsburg mit seinen unvergleichlichen Bedingungen ist für viele der Ort, an dem sie ihre Träume verwirklichen und sich – und damit die Stadt – neu erfinden. In diese lockere Atmosphäre eingebettet ist das Gebäude des neuen Informations- und Medienzentrums, eine weitere architektonische Besonderheit von Tadao Ando, eingerichtet nicht nur für die, die sich weiterbilden wollen, sondern ebenso für die, die eine künstlerisch durchdachte Internetplattform gestalten und so die Visualisierung der Stadt in den virtuellen Raum erweitern. Man beschäftigt sich hier mit der dringend notwendigen Ästhetik für das digitale Zeitalter. Wolfsburg ist global mit aller Welt verbunden: Menschen aus aller Welt besuchen die Stadt, Menschen aus aller Welt arbeiten in der Stadt. Eine Lebenswelt, in der Technik, Ästhetik und das Soziale als Einheit begriffen und realisiert sind. Im Blickfeld bleibt das internationale Geschehen – im Bereich der Industrie, im Bereich der Kunst. Man ist sehr darauf konzentriert, alles die Stadt Betreffende aller Welt mitzuteilen. Das Internet als eine auch der Kunst und dem Design verpflichtete Institution. Seine Klientel ist überall zu Hause, wird also nicht nur ein Informations-, sondern ebenso ein Gesprächspartner, den es zu pflegen gilt. Kein Stillstand. Im Fokus der Gegenwartskunst Auf dem Weg zum Renaissanceschloss, in dem nicht nur die Städtische Galerie ihren Sitz hat, ist eine kleine Kunstmeile entstanden. Alle Skulpturen kommen aus dem Bestand der Galerie, deren Sammlung ständig wächst. Das Schloss selbst ist schon seit Jahrzehnten auch Heimat von Künstlern. Neue Ateliers kamen hinzu. Im Vordergrund stehen die Förderung künstlerischer Prozesse und deren Umsetzung in verschiedene Projekte. Mit ihrem Programm ermöglicht die Städtische Galerie der jungen Generation von Künstlerinnen und Künstlern, neue Wege zu beschreiten. So ist um das Schloss herum ein Freiraum für die experimentelle Kunst, für Alternativen, die dort geprüft werden, entstanden. In Wolfsburg, dem Kunstwerk als Stadt, gab und gibt es besondere Zentren: das Kunstmuseum und das Alvar-Aalto-Kulturhaus mit Umgebung; die AutoUni, die erheblich ausgebaut wurde und auch zwei neue Lehrstühle erhalten hat, einen für Kunst als interventionistische Praxis und einen für Urban Design; und es gibt die vielfältigen Aktivitäten im Schlossbereich. Diese Zentren werden getragen von der konstruierten Stadtlandschaft. Das Faszinierende ist, dass es Wolfsburg überzeugend gelungen ist, ein der Modernität verpflichtetes Gesamtbild herzustellen – im Fokus der Kunst der Gegenwart. Dort ist Partizipation dank differenziert gestalteter Einrichtungen selbstverständlich. Dort kann man sich bilden, so man will auf höchstem Niveau. Dort kann man lernen nach eigenen Kriterien und mit Vorgaben, die die Stadt bereitgestellt hat. Nicht zu vergessen sind die Kunstbiennale in Partnerschaft mit dem Emirat Sharjah und die zahlreichen Symposien über Themen, die uns aktuell bewegen. Ein kompaktes, ein visionäres, in die Zukunft gerichtetes Programm. Dem Ganzen verpflichtet, als Ganzes realisiert. Niemand war überrascht, als gestern bekannt wurde, dass 2021 das erste Weltkunstforum in Wolfsburg stattfindet. Die Zukunft hat längst begonnen. Die Autorin dankt Maix Mayer, von dessen Ausstellung „Die Utopie des Realen – eine künstlerische Bestandsaufnahme des öffentlichen Stadtraums“ der Titel für diesen Beitrag übernommen wurde. Prof. Dr. Susanne Pfleger (*1957) studierte Kunstgeschichte, Romanistik und Musikwissenschaften in Heidelberg und Florenz. Sie ist seit 1997 Direktorin der Städtischen Galerie Wolfsburg und lehrt an der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein in Halle. Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 57 IV. Das Zuhause der Zukunft Die Region und ihre Schätze Julius von Ingelheim Vor gut einem Jahr besuchte ich im fernen Lissabon eine Vorstellung des Kabarettisten Andreas Rebers. Das dortige GoetheInstitut hatte den Abend für die große deutsche Gemeinde und die vielen Portugiesen der Stadt, die eine besondere Affinität zu Deutschland haben, organisiert. Alles fing damit an, dass sich Andreas Rebers als Deutscher natürlich auf Deutsch vorstellte. Dem folgte der Hinweis, er käme aus der bekanntesten Stadt Deutschlands. Mit einer eingeschobenen künstlerischen Pause ließ er uns grübeln, welche Stadt wohl gemeint sein könnte: Berlin, Hamburg, München??? – Doch dann verblüffte er uns mit der Nennung: „Braunschweig.“ Erstes vorsichtiges Gelächter, dann sein bestätigendes: „Ja, Braunschweig! Das kennen Sie alle – vom Vorbeifahren!“ Gellendes Gelächter. Nur ich lachte nicht. Ich wohne in Braunschweig! Als gebürtiger Süddeutscher streift man diesen Teil der Republik eigentlich nur während der Schulzeit: einmal im reinen Geografieunterricht, bei dem unsere Region allenfalls als Ausläufer der Eiszeit im Gedächtnis haften geblieben ist. Dann erst wieder im Mittelalter, als Heinrich der Löwe hier kraftvoll, aber am Ende als Verlierer sein Revier absteckte, und schließlich in der Neuzeit, in der der Volkswagen die deutsche Massenmobilisierung einläuten sollte und mit Wolfsburg eine neue Stadt zentral in Deutschland entstand, die allerdings durch den Krieg mitsamt der Region erst einmal an den Rand des Landes geschoben wurde. Der Beginn einer Zeitreise So oberflächlich begegnete ich 1991 zum ersten Mal der Region, die damals in den Reisewünschen der älteren Kollegen bei Audi mit „Südschweden“ betitelt und wie eine Strafversetzung empfunden wurde. Als junger Mensch allerdings, der mit Volkswagen die Chance verband, einmal in die große weite Welt versetzt zu werden, näherte man sich der Hauptstadt des Konzerns mit viel Respekt. Nach langer Autobahnfahrt nahm ich damals mit einem gewissen Herzklopfen über die Braunschweiger Straße Kurs auf die Innenstadt Wolfsburgs. Dieses Entree war eigentlich sehr vielversprechend. Die Braunschweiger Straße erinnerte an einen amerikanischen Parkway – großzügig und schön begrünt. 58 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg Je mehr ich mich allerdings dem Zentrum näherte, desto größer wurde die Ernüchterung. Der Bahnhof mit seinen Randbauten ließ mich dann doch eher vermuten, ich sei in einen denkmalgeschützten Teil der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) geraten und nicht an den Konzernsitz eines Global Players. Die Enttäuschung hielt an, als ich mich im Werk auf den schier endlosen Gängen der antiquiert wirkenden Büros der Südstraße verlor. Dennoch setzte sich für mich persönlich damals nicht nur mein Karriereweg in Wolfsburg fort, sondern es begann eine Zeitreise, denn ich wollte der Geschichte „meines“ Unternehmens natürlich auf die Spur kommen. So beschäftigte ich mich abends und an den Wochenenden mit der Vergangenheit und Gegenwart Volkswagens – und damit zwangsläufig mit der Geschichte der ganzen Region. Diese ist bei näherem Hinsehen nicht nur sehr viel länger als man denkt, sondern auch ungeheuer spannend. Erst hier vor Ort erschließen sich historische Zusammenhänge bildhaft, die sonst so abstrakt und fremd geblieben wären, wie eben in der Schule, wo man sich für die nächste Schularbeit schnell den trockenen Stoff anlernte. Deutsche Geschichte des Hochmittelalters vollzog sich genau hier. Hier siedelten die Sachsen auf den fruchtbarsten Böden, hier eroberte sich Karl der Große nicht nur den Osten seines Reiches, sondern auch den Harz mit seinem Reichtum an Bodenschätzen. Hier erst versteht man, warum sich eine Kaiserpfalz an die nächste reihte, um diese Schatztruhe zu sichern, und warum diejenige von Goslar so repräsentativ rekonstruiert wurde. Das Geschlecht der Liudolfinger und das der Welfen wird lebendig in vielen geschichtsträchtigen Bauten. Und man versteht, welche Rolle die alten Verkehrs- und Handelsstraßen über Jahrtausende gespielt haben – so wie heute die viel befahrene A 2. Schließlich lassen sich noch eine ungeheure Vielzahl von Klöstern oder deren Ruinen entdecken und damit wird auch die spirituelle Grundlage für diesen reichen Landstrich transparent. Die Wolfsburger Metamorphose Vieles ist im Zweiten Weltkrieg zerstört worden oder in Vergessenheit geraten, weil der Eiserne Vorhang alle Verbindungen kappte und die gesamte Region zum Zonenrandgebiet machte. Heute steht sie aber wieder dort, wo sie früher bereits gestanden hatte: ganz weit vorne in der wirtschaftlichen und damit auch in der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung. So jedenfalls erlebte ich die letzten 20 Jahre. Dabei konnte ich dank meiner bislang vier beruflichen Stationen am Konzernsitz Volkswagen die Entwicklung der Region in einer Art Zeitraffer miterleben. Man staunt heute nicht schlecht, wenn man sich zurückerinnert an den ersten Besuch in Wolfsburg. Gerade Wolfsburg, das damals eigentlich nur mit dem Superlativ, immer noch das Zuhause des größten Automobilwerks der Welt zu sein, auftrumpfen konnte, hat eine wahre Metamorphose erlebt: von der reinen Arbeiter- und Industriestadt hin zur Erlebnisstadt, wie heute die touristischen Hinweisschilder entlang der Autobahn stolz verkünden. Stolz, den vermisste man damals bei den Menschen hier, heute dagegen zeigen sie, wie stolz sie auf ihre Stadt sind. Dazu beigetragen hat aber nicht nur der Erfolg von Volkswagen und der damit verbundene Reichtum im Geldbeutel, ursächlich dafür sind meines Erachtens die sichtbaren und erlebbaren Veränderungen im Stadtbild und im gesellschaftlichen Leben. Wer heute mit dem Zug oder dem Auto nach Wolfsburg reist, ist überrascht, welch architektonische Highlights das Stadtbild schmücken. Aber Autostadt, phæno, Kunstmuseum und natürlich das altehrwürdige Schloss sind nicht nur schöne Hüllen. Sie beherbergen künstlerisch und/oder technisch Hervorragendes – sie bieten außergewöhnliche Attraktionen, die inzwischen Menschen aus aller Welt anziehen. Diese Gebäude setzen fort, was man in dem Wolfsburger Architekturführer bis in die Gründerjahre der Stadt beeindruckend verfolgen kann. Es gilt der Satz: „Unglaublich, aber Wolfsburg!“ wenn man sich mit mehreren Klicks durch den städtischen Internetauftritt gearbeitet hat. Ein Kaufmann würde seine beste Ware im Schaufenster ganz vorne auslegen, so denkt man sich! Doch wer sich die Braunschweiger Geheimnisse erst einmal erschlossen hat, wird feststellen, dass die Lebensqualität, die man hier genießen kann, sehr, sehr hoch ist: die hochkarätigen Inszenierungen des Staatstheaters, die wunderbaren Gemälde im Herzog Anton Ulrich-Museum, die Vielzahl an Kleinkunst, die Hochschulen, die Konzerte und Sportveranstaltungen – alles Attribute einer Stadt, die als ehemalige Residenzstadt lange Erfahrung mit wirklichem Reichtum hat. Ähnlich verhält es sich mit einem weiteren Kleinod der Region: mit Wolfenbüttel. Auf Schritt und Tritt begegnet man auch hier dem alten Herzogtum und spätestens dort versteht man, mit welchem Hintergrund Anna Amalia als Herzogin von SachsenWeimar in Thüringen gewirkt hat. Wer in unsere Region kommt, ist überrascht von dem, was ihn hier erwartet – weil er es nicht erwartet hat. Die größte Überraschung bietet hier zweifelsohne Wolfsburg, das man mit Vision Region: Wer sich mit seiner Heimat näher beschäftigt, der stellt am Ende fest: Hier ist nicht nur die Geschichte zu Hause, hier ist auch das Zuhause der Zukunft. Nicht alle Wolfsburger sind jedoch Wolfsburger! Die Stadt wuchs und wächst durch Menschen, die Wolfsburg als zweite Heimat gewählt haben oder die Tag für Tag zur Arbeit hierher pendeln. Nur 35 % der im Wolfsburger Volkswagenwerk Beschäftigten wohnen auch in Wolfsburg, dem wirtschaftlichen Motor der gesamten Region; all die anderen Angestellten pendeln im Extremfall von Hannover oder gar Berlin in die Stadt, die laut der Prognos-Studie mit dem Titel „Zukunftsatlas 2010“ auch verkehrstechnisch zu einer der am besten erschlossendsten deutschen Städte gehört. Modernität und Innovation gleichsetzt. Bei genauerem Hinsehen erschließt sich dem Betrachter jedoch auch hier ein ganzes Kaleidoskop historischer Persönlichkeiten, Orte und Besonderheiten, das von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, dem Dichter der Nationalhymne, über das Geburtshaus Heinrich Büssings im Wolfsburger Ortsteil Nordsteimke bis hin zum Schloss Wolfsburg und den jahrhundertealten Ortsteilen reicht. Der Wolfsburger Raum war historisch immer geprägt von seiner Grenzlage zwischen dem Herzogtum Braunschweig und dem Fürstentum Lüneburg, später dem Königreich Hannover. „ZeitOrte“ Heute ist die Region Braunschweig-Wolfsburg durchzogen von einer ganzen Reihe kommunaler und weiterer „Zuständigkeits“Grenzen, aber wer sich auf die historischen, kunsthistorischen und architektonischen Aspekte konzentriert, dem öffnet sich eine wahre Schatztruhe. Viele dieser regionalen Schätze findet man nun auch wohlgeordnet im Internet unter www.zeitorte.de. Was die Tourismusverantwortlichen da mit Unterstützung der Europäischen Union bebildern und schildern, liest sich wie ein Katalog, mit dem man endlich auch Freunden und Bekannten außerhalb der Region deutlich machen kann, weshalb es sich lohnt, hier zu leben, zu arbeiten oder einfach nur hierher zu fahren. Spätestens jetzt nimmt die Betrachtung wieder einen größeren Beobachtungswinkel ein und die Region Braunschweig/Wolfsburg rückt erneut ins Blickfeld: Braunschweigs wirtschaftliche Fundamente reichen weit zurück. Wer sich in Braunschweig bewegt und mit den Alteingesessenen spricht, dem begegnet ein gewisser hanseatischer Stolz. Viele alte Namen der Industriegeschichte wie Büssing oder Rollei mögen zwar Vergangenheit sein, aber die Stadt hat neue Player gewonnen, die nicht nur mit Volkswagen verbunden sind, sondern auch wirtschaftlich eine Vielfalt widerspiegeln. Trotzdem hat auch hier der Zeitraffer eine Zeitreise erlebbar gemacht, denn man empfindet das Braunschweig des Jahres 2011 sehr viel entstaubter als das von 1991. Diese Stadt versammelt einige Superlative bei sich, allerdings so vornehm und zurückhaltend, dass man sie erst entdeckt, Das Zuhause der Zukunft Wer aber rastet, der rostet. In diesem Sinne haben die Bürgermeister der drei Oberzentren Braunschweig, Salzgitter und Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 59 Wolfsburg sowie die Landräte von Gifhorn, Goslar, Helmstedt, Peine und Wolfenbüttel mit Vertretern von Wirtschaft und Gewerkschaft die Initiative „Allianz für die Region“ gestartet. Sie verfolgen damit das Ziel, Arbeitsplätze und Lebensqualität weiter zu fördern und gemeinsam den nächsten großen Schritt nach vorn zu unternehmen. Zwar weist die bereits zitierte PrognosStudie die Region heute schon als Kraftzentrum Norddeutschlands aus, gibt allerdings auch deutliche Hinweise darauf, dass noch einiges dafür getan werden muss, um diesen Titel nachhaltig abzusichern. Ein wichtiger Aspekt ist dabei, die Attraktivität der gesamten Region weiter zu steigern und die reizvollen Seiten nach außen zu tragen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Historisch betrachtet ist die Region Braunschweig/Wolfsburg mehr als attraktiv – keine Frage! Aber sich auf „Markenzeichen“ wie Heinrich den Löwen, den VW Käfer oder den Löwen Büssings, der auf jeder MAN-Kühlerhaube national wie international unterwegs ist, auszuruhen, ist heute zu wenig. Hier ist die europäische Hochburg von Forschung und Entwicklung, hier residieren Hightechfirmen, hier finden sich diverse Spitzeneinrichtungen des Bundes und hier lernen Tausende von Studenten an einer der besten technischen Universitäten Deutschlands, wie man mit Vorsprung durch Wissen die deutsche Wirtschaft auf Weltklasseniveau halten kann. Liebhaber von Kunst und Kultur finden hier hochkarätige Museen und Attraktionen der Gegenwart wie das Kunstmuseum, das phæno oder die Autostadt in Wolfsburg, die mit Weltklassedarbietungen wie Movimentos die Menschen begeistert. Wer sich mit seiner Heimat näher beschäftigt, der stellt am Ende fest: Hier ist nicht nur die Geschichte zu Hause, hier ist auch das Zuhause der Zukunft. Julius von Ingelheim (*1957) studierte Jura und ist seit 1990 für den Volkswagenkonzern tätig. Nach Leitungsfunktionen in verschiedenen Konzerngesellschaften wurde er im Juni 2010 Sprecher des Vorstands der Wolfsburg AG und ab 2011 auch Geschäftsführer der projekt REGION BRAUNSCHWEIG GMBH. Beide Unternehmen engagieren sich als „Allianz für die Region“ für mehr Beschäftigung und Lebensqualität in der Region Braunschweig/Wolfsburg. 60 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg V. Die Welt in einem Haus: das „Haus der Nationen“ Vielfalt leben! Eine Vision zum Integrationskonzept Wolfsburg Dirk Grabow und Sylvia Nichterwitz Ein Blick zurück in die Einwanderungsgeschichte Während der letzten Jahrzehnte entwickelte sich nur sehr zögerlich eine öffentliche Debatte über Fragen der Migration und der auf Integration abzielenden Ausgestaltung der Bundesrepublik Deutschland als eine Einwanderungsgesellschaft. Ausgehend von den Bedürfnissen einer sich rasant entwickelnden Volkswirtschaft, wurden seit den frühen 1960er-Jahren im Rahmen von Anwerbeabkommen u. a. Arbeitskräfte aus Italien, Spanien, der Türkei und aus Tunesien auch nach Wolfsburg geholt. Migration und Integration wurden in dieser Zeit politisch ausschließlich unter dem Blickwinkel ökonomischer Sachzwänge diskutiert. Der Anwerbestopp im Jahr 1973 sowie das nur mit mäßigem Erfolg aufgelegte Rückführungsprogramm 1982 schärften den Blick für die sozialpolitische Dimension der Migrationsproblematik. Im Rahmen massiver wohlfahrtsstaatlicher Subventionen, die zumeist unter dem Zeichen einer gut gemeinten Integrationspolitik standen, flossen Geldmittel, die allein jedoch nicht ausreichten, um alle Zuwanderer in die Mitte unserer Gesellschaft zu integrieren. Im öffentlichen Diskurs entstand oft genug der gegenteilige Eindruck. In den Medien und auch in privaten Gesprächen wurden Schieflagen sichtbar, die zu unnötigen Zuspitzungen und für ein demokratisch verfasstes Gemeinwesen unerträglichen Polarisierungen führten. Anstatt sich dem Fremden anzunähern, sich vorurteilsfrei zu öffnen, gewannen Vorbehalte und auch offene Anfeindungen immer breiteren Raum. Migration und damit verbunden Wege der Integration schienen sich zu einer heillosen Konfliktgeschichte auszuweiten. Dies kann den Ansprüchen einer aufnehmenden Gesellschaft nicht gerecht werden, die – im relativen Wohlstand lebend – über genügend Spielräume verfügt, um Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen ihre Herkunftsländer verlassen haben, in ihrer Würde anzuerkennen und vorbehaltlos aufzunehmen. Dies mag in unserer De-facto-Einwanderungsgesellschaft noch längst nicht Geschichte sein, aber es öffnet uns den Blick auf die Handlungsfelder einer verantwortungsbewussten Kulturpolitik – gerade auch auf lokaler Ebene. Wolfsburg – ein „Haus der Nationen“ Im Rahmen der 2010 angeregten Entwicklung eines Wolfsburger Integrationskonzepts engagierten sich Bürgerinnen und Bürger im Handlungsfeld Kultur, um dort individuelle Erfahrungen der Migration mit einzubringen – Menschen mit Zuwanderungsgeschichte der ersten und zweiten Generation, die für sich die Tatsache einer dauerhaften Einwanderung akzeptiert haben und selbstbewusst am kulturellen Leben partizipieren wollen. Sie haben die Sprachlosigkeit überwunden und suchen den bereichernden Dialog mit Akteuren der Stadtgesellschaft. Sie fragen nach Gestaltungsspielräumen, um ihren Kindern auf ihre Herkunft bezogene Identifikationsangebote machen zu können. Mehrfach wurde in den Arbeitskreisen die Vorstellung von einem „Haus der Nationen“ geäußert. Unabhängig von der Materialisierung eines konkreten Gebäudes halten wir uns Wolfsburg visionär als ein „Haus der Nationen“ vor Augen. Dieses Haus würde zu einem herausragenden Ort für eine Kultur der gegenseitigen Wertschätzung, wenn darin die Rahmenbedingungen für Kunst, Kultur und Bildung von Bürgerinnen und Bürgern mit Zuwanderungsgeschichte verbessert werden könnten. Wenn Menschen mit Zuwanderungsgeschichte dort eigene Institutionen aufbauen und in Eigenverantwortung ihr jeweiliges kulturelles Erbe bewahren und präsentieren könnten. Wie das Haus aussieht Das „Zimmer der Sprachen“ Ein erster Rundgang führt in das „Zimmer der Sprachen“. Mitarbeiter von Migrantenorganisationen haben unter Anleitung von Fachleuten in verschiedenen Abteilungen Sprachlabore eingerichtet, in denen Menschen jedweder Herkunft Sprachkenntnisse erwerben und vertiefen können. Kompetente Muttersprachler geben Kindern aller Altersstufen qualifizierten Sprachunterricht und vermitteln grundlegende Kenntnisse der jeweiligen Kulturkreise. Interessierte deutschsprachige Mitbürger sind ebenfalls willkommen, auch wenn sie nur einige wenige Worte erlernen wollen, um sich auf einer Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 61 Urlaubsreise mit der einheimischen Bevölkerung in Alltagszusammenhängen leichter zu verständigen. Um den vielfältigen Sprachschatz der Herkunftsländer dauerhaft bewahren zu können, haben verantwortungsbewusste Akteure damit begonnen, eine Sammlung von authentischen Bild- und Tondokumenten zusammenzustellen. Auf diese Weise werden neben den Hochsprachen auch selten gesprochene Dialekte festgehalten und für vertiefende Studien zur Verfügung gestellt. beredt Auskunft über die Zeit der Einwanderung geben und oft genug auch aussagekräftige Bezüge zu den Herkunftsländern herstellen. Neben einer Dauerausstellung werden themenbezogen zeitlich begrenzte Sonderausstellungen für die Öffentlichkeit vorbereitet. Für uns ist dieser Ort das Herzstück des „Hauses der Nationen“. Hier wird der Schmerz erlebbar, der mit dem Verlassen der Heimatländer einsetzte, sowie das Leid erfahrbar, das die Menschen ertrugen, die sich in einer ihr fremden, selten freundlich gesonnenen Umgebung unter vielen Entbehrungen neu einleben mussten. Die „Bibliothek der kulturellen Vielfalt“ Im Anschluss daran betreten wir die „Bibliothek der kulturellen Vielfalt“. Hier wurden die maßgeblichen literarischen, philosophischen, theologischen sowie wissenschaftlichen Werke aus den unterschiedlichen Kulturkreisen zusammengetragen. Diese Bibliothek wird für individuelle Lektüren in den Originalsprachen genutzt, daneben sind ergänzend Exemplare in deutscher Übersetzung vorhanden. Es sind ausreichend Mittel verfügbar, den Bestand zu pflegen oder auch seltene bibliophile Ausgaben zu erwerben. Das „Café der Literatur“ Damit die gedruckten Worte lebendig bleiben, wurde nebenan das „Café der Literatur“ eingerichtet. Mitarbeiter leiten fremdsprachliche und auch deutschsprachige Gesprächskreise an, die u. a. aktuelle literarische Entwicklungen zum Inhalt haben. Es werden Vorträge zu einzelnen Autoren oder literarischen Themen angeboten. Regelmäßig werden ausländische Autorinnen und Autoren zu Lesungen eingeladen. Sie tragen aus ihren Werken vor und stellen sich den Fragen einer interessierten Zuhörerschaft. Wegen der Musikalität der Vorträge sind beim Publikum besonders die zweisprachigen Lesungen beliebt. Hier wurde auch die Idee eines jährlich stattfindenden Interkulturellen Literaturfestivals geboren. Die „Galerie der Bilder“ Wir treten hinaus auf die „Galerie der Bilder“. Neben einer beachtlichen Sammlung von Werken zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler mit Zuwanderungsgeschichte werden in regelmä- Vision Integration: Mit dem „Haus der Nationen“ entsteht ein Ort der kulturellen Vielfalt und des gesellschaftlichen Diskurses. ßigem Turnus Kunstschaffende aus aller Welt nach Wolfsburg eingeladen. Es werden Stipendien vergeben, die es ermöglichen, dass die Gastkünstler für einige Wochen in den angrenzenden Ateliers arbeiten können. Es war nicht verpflichtend, aber einige der Stipendiaten haben ihren Aufenthalt auch dafür genutzt, eine Malschule aufzubauen. Kinder aller Altersgruppen werden unter fachkundiger Anleitung mit Arbeitstechniken der Bildenden Kunst vertraut gemacht. Ist ein Projekt beendet worden, erhalten die Nachwuchskünstler selbstverständlich Gelegenheit, ihre Werke an prominenter Stelle der Öffentlichkeit vorzustellen. Die „Schreib-Werkstätten“ Um junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte an die ästhetische Praxis des Schreibens heranzuführen, begründeten Autoren in Selbstverwaltung „Schreib-Werkstätten“. Neben der konzentrierten Beschäftigung mit ihrer eigenen Lebenssituation haben sich die jungen Autoren der Aufgabe gestellt, im Rahmen von Interviews mit Zuwanderern der ersten und zweiten Generation individuelle Migrationsverläufe zu dokumentieren. Das „Zimmer der Integrationsgeschichte“ Wir begegnen solch einer Projektgruppe im „Zimmer der Integrationsgeschichte“, während deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit enthusiastischem Eifer die authentischen Lebensbeschreibungen von Zugewanderten aus aller Welt in die Archive einpflegen. Nebenher haben sie während der Befragungen die unterschiedlichsten Artefakte gesammelt und aufbereitet, die 62 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg Das „Atrium der kulturellen Vielfalt“ Damit kommen wir in den größten Raum im „Haus der Nationen“, in das „Atrium der kulturellen Vielfalt“. Ein licht- und luftdurchfluteter Ort der Begegnung, der zwanglosen Geselligkeit und gleichzeitig auch der attraktivste Platz für Ausstellungen. Bei einer Tasse Tee oder einem abessinischen Mokka kann nach afrikanischer Art in begrünten Nischen palavert werden. Vormittags haben sich kleine „Basare“ im Atrium eingerichtet, die Spezialitäten aus aller Welt feilbieten. Auch kleine Kunsthandwerk-Stände zeigen ihre Fertigungskunst wie z. B. filigrane Goldschmiedearbeiten aus dem Irak. Das Atrium wird genutzt, wenn im Verlauf des Jahres hohe Feiertage oder traditionelle Feste gefeiert werden. Als Veranstaltungsort verfügt das Atrium über eine Bühne, die für Aufführungen aller Art genutzt werden kann. Dem Atrium sind kleinere Versammlungsräume angegliedert. Darin finden gruppenspezifische Beratungsangebote statt, hier können Vereine ihre Mitgliederversammlungen durchführen, hier kann geplant und organisiert werden. Ein Rat der Nationen, bestehend aus den unterschiedlichen Organisationseinheiten, plant und regelt sämtliche Belange vom „Haus der Nationen“. Der „Raum der Klänge“ Aus einem nahe gelegenen „Raum der Klänge“ werden seltsame Gegenstände auf die Bühne getragen. Wir gehen den Musikern entgegen und stehen unmittelbar vor einer großen Sammlung zweifellos authentischer Musikinstrumente, die von den Zuwanderern aus aller Welt mitgebracht wurden. Wie uns einer der Lehrer erklärt, werden junge Menschen mit der traditionellen Musik und den Instrumenten ihrer Herkunftsländer vertraut gemacht. Talente erlernen die erforderlichen Spieltechniken und das traditionelle Repertoire, um sich dann – zusammen mit den Tänzern – auf der großen Bühne des Atriums zu zeigen. Der Lehrer berichtet von ausgesprochen guten Musikern, die schon in jungen Jahren alle erforderlichen Fertigkeiten an den Instrumenten erworben haben und die sich nun an neuen, zeitgemäßen Instrumenten und Musikformen versuchen. Ein Resümee Wir haben das „Haus der Nationen“ bei unserem visionären Besuch als einen frei zugänglichen und gleichzeitig bereichernden Aufenthaltsort kennengelernt, der alle Bürgerinnen und Bürger mit oder ohne Zuwanderungsgeschichte zum Verweilen einlädt. Ein Ort interkultureller Vielfalt und heterogener Kulturlandschaften mit vielen Attraktionen und gesellschaftlich notwendigen Diskursen. Dort kann gleichberechtigt über das kulturell Gemeinsame, aber auch über das Trennende und in seiner Differenz wiederum dialektisch Verbindende und damit über das Anerkennenswerte im gesellschaftlichen Miteinander verhandelt werden. Aus der Vielfalt der Kulturen unserer Stadt entsteht eine neue Kultur der Kulturen. Der „Garten der kulturellen Vielfalt“ Begleitet von fremdartigen Klängen, erkunden wir das „Haus der Nationen“ weiter und treten ein in den „Garten der kulturellen Vielfalt“. Menschen der verschiedenen Kulturen mit Freude und Liebe zum Bebauen und Bewahren bestellen gemeinsam dieses Gartenkleinod. Hier findet der Besucher einen Ruhepol für die Seele. Dirk Grabow (*1957) studierte Germanistik, Pädagogik und Kulturwissenschaften in Braunschweig und Hildesheim. Er ist seit 2009 als Koordinator für Hausaufgabenhilfe im Integrationsreferat der Stadt Wolfsburg tätig. Sylvia Nichterwitz (*1960) ist studierte Diplom-Sozialpädagogin. Nach Lehr- und Wanderjahren in Südafrika arbeitete sie in der Landeshauptstadt Hannover an interkulturellen Projekten mit. Seit 2009 ist sie Leiterin des Integrationsreferats der Stadt Wolfsburg. Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 63 Anhang Dokumentation KEP-Prozess 23. Juni 2009 Beschluss des Verwaltungsausschusses zur Beauftragung der Agentur „just be agency“ auf der Grundlage der Vorlage 888/2009 10. Juni 2010 4. Sitzung des Beirats (u. a. Vorstellung aller Ergebnisse des Workshops und der Internetbefragung) ab August 2009 Aufnahme der prozessbegleitenden Arbeiten durch die Agentur 11. Juni 2010 Führungskräftecurriculum der Stadt Wolfsburg zum Thema „Stadt mit Kultur!“ Wolfsburg – kulturelles Zentrum heute und in Zukunft; verschiedene Schwerpunkte der Wolfsburger Kultur wurden hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen analysiert und Visionen für die Zukunft entwickelt. 15. September 2009 Gründung des Beirats zum Kulturentwicklungsplan; Aufgabe des Beirats ist es, den Prozess des Kulturentwicklungsplans beratend und informierend zu begleiten. Er besteht aus Vertretern kultureller Einrichtungen, aller Fraktionen des Rats und der Verwaltung. 25. November 2009 2. Sitzung des Beirats (u. a. Bericht über den aktuellen Stand zum KEP, Einsetzung von Arbeitskreisen) 6. März 2010 Workshop zum Kulturentwicklungsplan mit ca. 80 Kulturschaffenden und kulturinteressierten Bürgerinnen und Bürgern im CongressPark Wolfsburg. Aufgeteilt in die Arbeitskreise „Kulturanbieter“, „Kulturnutzer“ sowie „Jugend- und Subkultur“, wurden Wünsche, Visionen und Ideen für eine moderne Kulturentwicklung in Wolfsburg erarbeitet. 11. März 2010 3. Sitzung des Beirates (u. a. Information zum Workshop und zur Bürgerbeteiligung per Internet) 1. – 30. Mai 2010 Veröffentlichung der Ergebnisse des Workshops im Internet; Bürgerbeteiligung am KEP mittels eines Onlinefragebogens 64 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg ab September 2010 Auswertung des Materials und Beginn der redaktionellen Arbeit durch den Geschäftsbereich Kultur und Bildung 08. September 2010 Kulturausschuss (Sachstandsinfo) 23. November 2010 Kulturausschuss (Sachstandsinfo) 12. Februar2011 Workshop des Beirats zum Kulturentwicklungsplan; Diskussion der Handlungsfelder, insbesondere zu den Zielen und Schlüsselprojekten 12. April – 04. Mai 2011 Verwaltungsvorstand 01. Juni 2011 5. Sitzung des Beirats 15. Juni 2011 Kulturausschuss 22. Juni 2011 Beschluss des Rats der Stadt Wolfsburg zum Kulturentwicklungsplan Auszug aus der SWOT-Analyse zum Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 2010 Agentur „just be agency“ Das klassische Werkzeug SWOT-Analyse dient hier als Basis für die Erarbeitung einer ganzheitlichen Strategie. Mit ihrer Hilfe kristallisieren wir die Stärken, Schwächen sowie Chancen und Risiken heraus. Für diesen Kulturentwicklungsplan liefert die SWOT-Analyse als neutrale Bewertungsgrundlage die Basis für die Identifizierung der Schwerpunkte und versetzt den Leser in die Lage, die aktuelle Kulturlandschaft Wolfsburgs einzuordnen und zu bewerten. Die SWOT-Analyse bedient sich der im Vorfeld erarbeiteten Fragebögen für die Institute und die freien Kultureinrichtungen, der Ergebnisse aus den Workshops mit den Bürgern und Kulturinteressierten, der Ergebnisse der Internetbefragung und der rund 50 Gespräche mit den Wolfsburger Kulturexperten. Im Rahmen der Auswertung werden Stärken und Chancen gemeinsam betrachtet und versucht, diese zu maximieren. Hieraus ergeben sich fundierte Schwerpunkte und Handlungsempfehlungen, aus denen sich Initiativen und Maßnahmen ableiten lassen. Ebenso werden im Rahmen der Auswertung die Schwächen und Risiken identifiziert, untersucht und versucht, diese zu minimieren. Die Schlussfolgerungen daraus fließen in die Schwerpunkte und Handlungsempfehlungen ein, um daraus wiederum die wesentlichen Maßnahmen ableiten zu können. Allgemeine Stärken • Die Wolfsburger Kulturlandschaft bietet eine enorme Vielfalt und bedient alle Sparten. • Kultur in Wolfsburg besitzt bei den Bürgern einen hohen Stellenwert und wird in ihrer Vielfalt von einer breiten Bevölkerung, zunehmend einer beständig wachsenden bürgerlichen Mittelschicht, überdurchschnittlich genutzt. • Die Kultur hat sich in den letzten Jahren quantitativ und qualitativ sehr positiv entwickelt: quantitativ die letzten zehn Jahre mit dem Entstehen der Institutionen Autostadt, Kunstmuseum, phæno, aber auch dem „Hallenbad“ und dem Jungen Theater; qualitativ mit der Ansiedlung von Hochkultur durch eben genannte Institutionen, aber vor allem auch durch das Bestehen und Weiterentwickeln kleinerer Anbieter wie der Wolfsburger Figurentheater-Compagnie. Diese hat es geschafft, sich in Wolfsburg zu etablieren, zu halten, immer neue Zielgruppen zu erschließen und konsequent ein hochwertiges Programm zu bieten. Die Stärke Wolfsburgs liegt in der sich ergänzenden Kombination von Hochkultur mit Nischenkultur. • Durch monatliche Veranstaltungen wie Kultur!Sprich! als Kommunikationsplattform kommen unterschiedliche Institutionen in einen Dialog miteinander und tauschen sich regelmäßig zu aktuellen Themen aus. • Die durch Kooperationen beispielsweise auch nach außen hin sichtbare Kombination von Hochkultur mit Nischenkultur (Autostadt – „Hallenbad“ – phæno –Wolfsburger Figurentheater-Compagnie, Theater – IG Metall) zeichnet Wolfsburg aus. • Das Wohlfühlstadt-Programm in Wolfsburg hat durch die finanzielle Unterstützung einen positiven Einfluss auf die Kulturlandschaft. • Der VfL Wolfsburg gehört zwar zum Bereich Sport, ist aber so stark, dass er Wolfsburg zu Bekanntheit verhilft und für ein positives Image der Stadt sorgt; das hilft auch der Kultur. durchgängiges Kulturangebot. In den Ferien gibt es zu wenig Programm, im Herbst und Winter besteht ein Überangebot. • Kulturinstitutionen werden schlecht oder gar nicht durch die Wolfsburg Marketing Gesellschaft vertreten oder gar vermarktet. • Wolfsburg wird weder regional noch bundesweit als Kulturstadt gesehen – trotz wichtiger, renommierter und hervorragend arbeitender Kultureinrichtungen. • Die präsente und besondere Architektur spielt bei der Vermarktung keine Rolle und ist über die Stadtgrenzen hinaus nicht bekannt. Namen wie Koller, Hadid, Aalto und Scharoun werden nicht als Pfund genutzt. • WOB2GO, der Onlineveranstaltungskalender, entspricht nicht den Erwartungen der Kulturschaffenden, ist nicht benutzerfreundlich. • Große Kultureinrichtungen zeigen sich stark und dominant, wodurch neue Initiativen schwerer entstehen und wachsen können. • Viele der kleineren kulturellen Einrichtungen klagen über die begrenzte Reichweite ihrer Pressearbeit und Werbung. Allgemeine Schwächen • Es fehlt ein interner Jahresplan für alle Kulturanbieter zur besseren Abstimmung der Veranstaltungen. • Die einzelnen Kulturbereiche agieren isoliert statt vernetzt. • Kunst im Stadtbild ist nirgendwo für die Öffentlichkeit dokumentiert. • Die Stadt legt besonderen Wert auf die Außenwirkung Wolfsburgs (und investiert in die sogenannten Leuchttürme), statt nach innen zu investieren für einen direkten Nutzen der Wolfsburger. • Der Politik fehlt eine Hilfestellung, wie die kleinen Wolfsburger Schätze als eine große und glänzende Perle darzustellen sind. • Den Wolfsburgern fehlt die Neugier, sie lieben bewährte Klassiker. Das liegt auch daran, dass in Wolfsburg nicht so viele sogenannte Intellektuelle leben. • Wolfsburg unterliegt einem andauernden Minderwertigkeitskomplex wegen verschiedenster Fehlentscheidungen: Bau einer Fußgängerzone statt der besser passenden Flanier-Auto-Meile, Bau der trostlosen City-Galerie, schlechtes Konzept für die Markthalle, Piazza Italia ist ein Hauptverkehrsknotenpunkt statt ein atmosphärischer Platz mit Cafés und Bistros (wie in Italien). • Konjunkturelle Wellentäler und saisonale Schwankungen verhindern ein • Umgang mit den hiesigen Künstlern, z.B. „10 KW“ oder die Gruppe „Rehlachs“ sie werden von der Stadt nicht geliebt und nicht akzeptiert, nicht ernst genommen und nicht unterstützt. Wolfsburg muss akzeptieren, dass zurzeit keine größeren Künstler aus der Stadt erwachsen, es gibt zurzeit keinen neuen „Heidersberger“. • Es fehlen sogenannte Off-Räume; das ist eine strukturelle Schwäche an mangelnden Frei-Räumen, was Nischenkulturen und Subkultur erschwert. • Es gibt für Kulturinteressierte keinen öffentlich zugänglichen Monatsplan aller Kulturanbieter außerhalb des Internets. Das große Angebot überfordert das Publikum in der Differenzierung der Auswahl. • Die Anbindung des öffentlichen Personennahverkehrs nach kulturellen Veranstaltungen von der Innenstadt in die Ortsteile stellt durch die schlechte Busanbindung für Menschen ohne eigenes Auto ein Problem dar. Für Kulturnutzer ist die Strecke von Wolfsburg nach Braunschweig ohne Auto spätabends Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 65 und nachts nicht zu überbrücken. Movimentos-Zuschauer verlassen kurz vor Vorstellungsende die Veranstaltung, um rechtzeitig am Bahnhof zu sein. • Im Bereich der Werbung gibt es bisher kaum gemeinsame Maßnahmen. Es fehlt eine Strategie für gemeinsames Marketing aller Institutionen Wolfsburgs. • Es kursieren verschiedene Veranstaltungskalender, was die Pflege für die einzelnen Institutionen schwieriger werden lässt. • Die Trennung der Politikbereiche Kultur und Freizeit sowie Arbeit und Bildung in der Verwaltung wird als problematisch angesehen. Allgemeine Chancen • Alte und leer stehende Räume in den Ortsteilen und der Innenstadt könnten für die Kulturarbeit nutzbar gemacht werden. • Eine zentrale städtische Ausleihmöglichkeit für Werbung (Aufsteller, Hinweisschilder, Stadtteilwerbemöglichkeit, Schautafeln für Ankündigungen) würde vielen (auch nicht städtischen) Kulturanbietern mit knappem Budget helfen, ihre Veranstaltungen erfolgreich durchzuführen. Das könnte mit „Wohlfühlstadt“ gebrandet werden. • Einen Plan mit freien Räumen (Ratsgymnasium, Bauhof, CongressPark) für alle zugänglich machen, die dann kostenlos oder gegen eine geringe Gebühr bei Bedarf von den Institutionen gemietet werden können. • Aufgrund der geografischen Lage (Wolfsburg liegt in Deutschlands Mitte; Wolfsburg hat starke Partner rundherum = regionaler Gedanke) liegt ein großes Potenzial im Bereich der regionalen Vernetzung und des Austauschs. • Im Bereich der Interkultur könnte Wolfsburg vielfältige Impulse setzen, um der wachsenden Bedeutung der interkulturellen Realität gerecht zu werden. • WOB ist keine gewachsene Kulturstadt, bietet trotzdem unglaublich viel Hochkultur, auf welche die Wolfsburger stolz sein und die sie als Chance für ein besseres Image nutzen sollen. • Touristen sollten herzlich aufgenommen, bestens bedient und als wirtschaftliches Potenzial und zufriedene Touristen als weltweite Botschafter gesehen werden. • Schaffung zusätzlicher Plakatierungsmöglichkeiten für die Kultureinrichtungen, um für Veranstaltungen werben zu können. 66 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg • Gründung einer zentralen Unterstützungsstelle im Bereich Presse/PR mit der Stadt als zuständiger Ansprechpartnerin, um eine professionellere Außenwirkung erzielen zu können. • Der Kulturentwicklungsplan wird als Chance gesehen, da er den Schwerpunkt auf das Wort „Entwicklung“ legt und eine Bürgerbeteiligung vorsieht. • Das Verteilen von speziellen Kultur-Begrüßungsgutscheinen für neue Familien und Migranten, um diese für das kulturelle Leben in Wolfsburg von Anfang an begeistern zu können. • Gesprächsplattform Kultur!Sprich! um weitere Teilnehmer erweitern (Vollständigkeit). Eine bessere terminliche und inhaltliche Absprache bei Veranstaltungen verschiedener Kulturanbieter kann zu einer höheren Auslastung der einzelnen Veranstaltungen führen. • Das Anbieten von Kombiangeboten für unterschiedliche kulturelle Veranstaltungen kann den Institutionen zusätzliche Besucher einbringen. • Durch den Einsatz von Kulturbotschaftern für die verschiedenen Zielgruppen (Seniorenresidenzen, Schulen, Migranten, Sportvereine) können diese in die Kulturlandschaft integriert werden. • Insgesamt: dem demografischen Wandel Rechnung tragen und in allen Bereichen Angebote für die ältere Generation entwickeln, die deren wirkliche Bedürfnisse befriedigen, keine Alibiangebote. • Barrierefreiheit durchgängig in allen Institutionen als Aushängeschild der Stadt Wolfsburg (Wohlfühlstadt!). • Kulturelle Bildung setzt sich aus den unterschiedlichsten Genres zusammen. Festzuhalten ist, dass Bildung immer entscheidender wird für den Erfolg im ökonomischen Leben und damit eine wesentliche Chance ist. Kreative, soziale und kommunikative Kompetenz sowie das Beherrschen von Multitasking sind ebenso wichtig wie kognitives Wissen. Experten versichern, dass kulturelle Bildung wesentlich für die Persönlichkeitsbildung und Leistungsfähigkeit des Menschen ist. Allgemeine Risiken • Das aktuell stattfindende „kulturelle Wettrüsten“ mit Braunschweig und Hannover kann sich negativ auf die bestehende Kulturlandschaft der beteiligten Städte auswirken. Ressourcenvergeudung. • Kommerzialisierung der Kultur durch inhaltliche Verarmung mit einer Ausgrenzung von nicht beliebtem, gut verkäuflichem Angebot. Kultur kann sich nur entwickeln, wenn Experimentelles statt gemütlicher Wohlfühlkultur unterstützt wird. • Es kommt durch die Ausstellungs- und Veranstaltungspolitik der Einrichtungen zu einer Wettbewerbssituation innerhalb Wolfsburgs, bei der sich die Einrichtungen gegenseitig die Besucher abziehen. • Abhängigkeit vieler freier Kulturinstitutionen von einem starken ehrenamtlichen Engagement der Mitglieder. Geht dieses zurück, leidet darunter die Angebotsquantität und -qualität. Zentrale Schulung und Steuerung sind anzustreben, ebenso die Einführung einer professionellen Ehrenamtsplattform, um Frührentner und rüstige Ältere sinnvoll nach ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten einzusetzen. • Viele Elternhäuser berücksichtigen bei der Erziehung kaum oder gar nicht die verschiedenen kulturellen Aspekte, so dass die Kinder entsprechend selten mit kulturellen Angeboten in Berührung kommen. • Wachsende Erschwerung eines chancengleichen Zugangs zu Kultur aufgrund ökonomischer und sozialer Ungleichheit des Publikums. • Es findet in vielen Bereichen eine Polarisierung von kulturnahen und kulturfernen Gesellschaftsschichten statt, wodurch eine Begeisterung der kulturfernen Schichten für die bestehenden Angebote zunehmend schwieriger wird. • Die von der Stadt genannte und immer wieder betonte Finanznot Wolfsburgs ist ein großes Risiko für den Bereich Kultur. Mitwirkende am Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg Der Beirat zum Kulturentwicklungsplan Vorsitzende: Axel Bosse Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Sandra Straube PUG-Fraktion Mitglieder: Wilfried Andacht CDU-Fraktion Heike Bartels Agentur „just be agency“ Hans-Rüdiger Bromann-Manthey Fraktion WL Petra Buntzoll Stadtbibliothek Willi Dörr IG-Metall Astrid Elisat Agentur „just be agency” Dr. Bettina Greffrath Historische Museen Prälat Heinrich Günther Katholische Kirche Dr. Wolfgang Guthardt phæno Thomas Muth VV Finanzen und Controlling, Kultur und Bildung Sylvia Nichterwitz Integrationsreferat Prof. Dr. Susanne Pfleger Städtische Galerie Imam Mohamed Ibrahim Islamisches Kulturzentrum Anita Placenti-Grau Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation Dr. Stefano Jorio Italienisches Kulturinstitut Joachim Schingale Wolfsburg Marketing GmbH Nina Karmann Autostadt Dr. Birgit Schneider-Bönninger Kultur und Bildung Carola Kirsch Jugend Rainer Steinkamp Theater Wolfsburg Anja Kress Autostadt Oliver Syring Wolfsburg AG Hans-Joachim Lenke Evangelische Kirche Dr. Hans-Joachim Throl FDP-Fraktion Ulrike Lorenz Kulturbüro Rita Werneyer Kunstmuseum Wolfsburg Andreas Meyer Musikschule Frank-Helmut Zaddach SPD-Fraktion Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 67 Teilnehmer des Workshops zum Kulturentwicklungsplan am 06. März 2010 Arbeitskreis „Kultur-Anbieter“ Unterteilt in fünf Arbeitsgruppen Bildende Kunst Brigitte Digel Städtische Galerie Monika Kiekenap-Wilhelm Historische Museen, Moderatorin Dieter Söchtig Kunstverein Wolfsburg Doris Weiß 10 KW/Ateliergemeinschaft Burg Neuhaus Darstellende Kunst Ozana Costin Holzbanktheater Christine Fechner Drömling-Tee Ater 68 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg Yvonne Gerth Drömling-Tee Ater Andrea Haupt Wolfsburger figurentheater-Compagnie Renate Heidersberger-Weber Experimentierbühne Arnold Landen Holzbanktheater Andrea Otto Drömling-Tee Ater Günter Pawel Kultur und Bildung, Moderator Britta Roller Tanzendes Theater Christel Rothe GalerieTheater Wolfsburg e.V. Imke Thiel Experimentierbühne Nicole Trnka Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation Stadtgeschichte/Ortsteile Roland Beilner Lehrer Axel Bosse Vorsitzender Beirat Kulturentwicklungsplan Kristina Dykan Hoffmann-von-Fallersleben-Gesellschaft Dr. Bettina Greffrath Historische Museen Horst Gülde Vertreter Ortsteil Vorsfelde Dr. Hans-Viggo von Hülsen Förderverein Stadtmuseum Dr. Maria Schlelein Arbeitsgemeinschaft Heimatpfleger Dr. Birgit Schneider-Bönninger Kultur und Bildung Dr. Kurt Schuster Hoffmann-von-Fallersleben-Gesellschaft Bärbel Weist Vertreterin Ortsteil Fallersleben Vermittlung Kultur und Bildung + Literatur Imam Mohamed Ibrahim Islamisches Kulturzentrum Jugend- und Subkultur Helge Allermann Jugendhaus OST Bernhard Zimbelmann Porschehütte Detlev Binder Kulturnutzer Dr. Stefano Jorio Italienisches Kulturinstitut Arne Hintz/Fr. Voigt Schlachthaus (ehemalig) Dr. Antonio Balistreri Hans Karweik Kulturredakteur Dr. Justin Hoffmann Kunstverein Wolfsburg Sabine Engel Ulrike Lorenz Kulturbüro Jens Hortmeyer Stadtjugendring Bodo Fleckstein Johanna Pohlmann phæno David Mellino Culture Shocks Heiko Gintz Uwe Rabe CongressPark Theo Müller Schülersprecher THG Dieter Plünecke Frank Rauschenbach Hallenbad – Kultur am Schachtweg John Murdoch Autor Theaterstücke Elfi Schmidt Dr. Erna Reimann BZW Sebastiano Placenti DJ Dr. Dirko Thomsen Anette Rugen Stadtbibliothek Anita Placenti-Grau Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation Annegret Schulze Literaturkreis Sybille Thomas Personal, Moderatorin Musik Evelyn Kumpf-Wilke Moderatorin Markus Manderscheid Kirchenkreiskantor Helmut Meier Chorverband Wolfsburg Herr Meier Stadtwerke Orchester Dora Balistreri Walter Fink Siegfried Mahlmann Betty Rannenberg Ursula Seck Hanne Wurps Andreas Plate Hallenbad – Kultur am Schachtweg Severine Schellerer Culture Shocks Bernd Schulz Honorarkraft Städtische Galerie Elke Schulz Honorarkraft Museen Thorsten Skowronski Sauna – Club Robert Stockkamp Herausgeber „tacho“ Andreas Meyer Musikschule Sandra Straube Stellv. Vorsitzende Beirat Kulturentwicklungsplan Herr Stute Stadtwerke Orchester Thorsten Vogel Freizeitheime Jugend Julian Werner Jugendhaus OST Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 69 Teilnehmer des Führungskräftecurriculums am 11. Juni 2010 Werner Bone GB Soziales und Gesundheit Johannes Glücklich GB Informationstechnologie Thema „Stadt mit Kultur!“ Burkhard Boßdorf Referat Rats- und Rechtsangelegenheiten Eva Gommermann GB Soziales und Gesundheit Iris Bothe GB Schule Dr. Bettina Greffrath Historische Museen Peter Albrecht GB Stadtplanung und Bauberatung Petra Buntzoll Stadtbibliothek Karin Günterberg GB Jugend Dr. Tim Baedermann Referat Rats- und Rechtsangelegenheiten Christian Cordes GB Jugend Dr. Friedrich Habermann Gesundheitsamt Jürgen Ballmann GB Straßenbau und Projektkoordination Alexander Dennebaum Trainee Oberbürgermeister Elisabeth Hagemann-Herwig GB Finanzen und Controlling Waltraud Barkmann-Hoppe GB Grün Melanie Ebeling-Kariger GB Informationstechnologie Bernd-Michael Hilbig GB Sport und Bäder Andreas Bauer Koordinationsreferent VV I Christian Ebner Feuerwehr Karin Hoffmann Wolfsburger Entwässerungsbetriebe Linda Beuth GB Finanzen und Controlling Dr. Herbert Engel Wolfsburger Abfallwirtschaft und Straßenreinigung Manfred Hüller Referat Repräsentationen, Internationale Beziehungen Hartmut Gemoll GB Grundstücks- und Gebäudemanagement Timo Kaupert GB Schule Wolfsburg kulturelles Zentrum heute und in Zukunft Jürgen Bley GB Bürgerdienste Andreas Bode GB Straßenbau und Projektkoordination 70 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg Carola Kirsch GB Jugend Manfred Klaebe GB Soziales und Gesundheit Marlis Klos GB Finanzen und Controlling Daniela Krier Koordinationsreferentin der Stadtbaurätin Dieter Kuhfeld GB Sport und Bäder Sigrid Landsmann GB Grundstücks- und Gebäudemanagement Dr. Stefan Leopold Veterinäramt Ulrike Lorenz Kulturbüro Roswita Lücke GB Schule Thomas Lüsse GB Grundstücks- und Gebäudemanagement Winfried Nagler GB Grundstücks- und Gebäudemanagement Kerstin Schöbel GB Stadtplanung und Bauberatung Sylvia Nichterwitz Integrationsreferat Birgit Schulz GB Grundstücks- und Gebäudemanagement Burkhardt Noltemeyer Wolfsburger Entwässerungsbetriebe Nadine Steinhardt GB Personal Karsten Ostendorf GB Sport und Bäder Holger Stoye Wolfsburg Marketing GmbH Prof. Dr. Susanne Pfleger Städtische Galerie Jan Strehmann Referat Strategische Planung/ Stadtentwicklung/Statistik Axel Piepers GB Schule Anita Placenti-Grau Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation Monika Thomas Stadtbaurätin (VV IV) Sybille Thomas GB Personal Lucie Pötter-Brandt Gesamtschwerbehindertenvertretung Petra Türke GB Personal Helmut Prinke GB Grün Dennis Weilmann Referat Zentrale Koordination, OB-Büro, Kommunikation Birgit Rabofski BZW/VHS gGmbH Veronika von Manowski Klinikum Frank Rauschenbach Hallenbad – Kultur am Schachtweg Dr. Gerhard Meier Wolfsburger Entwässerungsbetriebe Ingrid Reher GB Personal Volker Menninger GB Finanzen und Controlling Gerald Rentz GB Informationstechnologie Andreas Meyer Musikschule Wolfgang Rettke GB Personal Kathrin Mohrs Projekt „Wohlfühlstadt“ Klaus Rinke GB Klinikum Klaus Mohrs Erster Stadtrat (VV I) Reinhard Rodemann GB Jugend Diethelm Müller GB Personal Claudia Schablitzky-Kaiser Koordinationsreferentin VV III Helga Müller-Bertram Referat Rechnungsprüfungsamt Axel Schachel GB Personal Thomas Muth Stadtrat (VV III) Dr. Birgit Schneider-Bönninger GB Kultur und Bildung Hans-Joachim Wels GB Klinikum Silke Westphalen GB Grün Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 71 Redaktion Bildnachweis KEP Chefredaktion: Titel Ali Altschaffel S. 3 Ali Altschaffel S. 5 1: Ivonne Dekarski 2: Ali Altschaffel S. 6/7 Ali Altschaffel S. 9 Lars Landmann S. 10 Lars Landmann S. 13 Heinrich Heidersberger S. 17 Willi Luther S. 18 Ali Altschaffel S. 19 Ali Altschaffel S. 21 Ali Altschaffel S. 22 Bernd Schulz S. 24 Zooey Braun S. 26/27 Michael von Hassel S. 30 1: Joachim Thies 2: Klaus Gottschick 3: Kerstin Naucke 4: Klaus Gottschick S. 31 1: Lars Landmann 2: Historische Museen 3: Kerstin Naucke 4: Historische Museen S. 32 1: Manfred Hensel 2: Kerstin Naucke 3: Bernward Comes 4: Klaus Helmke S. 33 1: Kerstin Naucke 2: Kerstin Naucke 3: Matthias Leitzke 4: Hallenbad S. 34 1: Klaus Helmke 2: Jörg Scheibe 3: Lars Landmann 4: Lars Landmann S. 35 1: Kerstin Naucke 2: Helge Landmann 3: Stadt Wolfsburg 4: Kerstin Naucke S. 36 1: Kerstin Naucke 2: Lars Landmann 3: Joachim Thies 4: Kunstmuseum S. 37 1: Städtische Galerie 2: Kerstin Naucke 3: Städtische Galerie 4: Städtische Galerie S. 38 1: Städtische Galerie 2: Städtische Galerie 3: Klaus Helmke 4: Kunstverein S. 39 1 – 4: Lars Landmann S. 40 1: Figurentheater–Compagnie 2: Matthias Langer, Braunschweig 3: Günter Poley 4: Helge Landmann S. 41 1: Theater 2: Hallenbad Simone Neteler Birgit Schneider-Bönninger Redaktion und Texte Teil B: Ingrid Eichstädt Monika Kamphenkel Ina Kathert Monika Kiekenap-Wilhelm Birgit Schneider-Bönninger Florian Wonneberger Schriftliche Beiträge zu Einzelaspekten wurden verfasst von: Matthias Bosenick Petra Buntzoll Chris-Silke Fischer Nicole Froberg Bettina Greffrath Justin Hoffmann Jens Hortmeyer Manfred Hüller Nina Karmann Anja Kreß Andreas Meyer Sylvia Nichterwitz Susanne Pfleger Anita Placenti-Grau Frank Rauschenbach Bernd Rodrian Rainer Steinkamp Bernd Upadek Agenturbegleitung: just be agency Design und Produktion: geckodesign Herausgeber: Stadt Wolfsburg Oktober 2011 72 Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Wolfsburg 3: Figurentheater–Compagnie 4: Hallenbad S. 42 1: Günter Poley 2: Kerstin Naucke 3: Hallenbad 4: phæno S. 43 1 – 4: phæno S. 44 1: Günter Poley 2: Aktionstheater PAN.OPTIKUM 3. Stadtbibliothek 4: Ali Altschaffel S. 45 oben: Kerstin Naucke mittig: Klaus Helmke unten: Städtische Galerie S. 46/47 Kerstin Naucke S. 52 1: Lars Landmann 2: Klaus Hackländer S. 55 1 – 2: Lars Landmann S. 57 Ali Altschaffel S. 60 Matthias Leitzke S. 63 1 – 2: Angelika Böttcher S. 64 Heike Bartels S. 67 Manfred Hensel S. 68 oben: Lars Landmann unten 1: Lars Landmann 2: Heike Bartels 3: Lars Landmann S. 69 1: Heike Bartels 2 – 3: Lars Landmann S. 70 alle: Lars Landmann S. 71 alle: Lars Landmann