Blau-Weiß, Weiß-Blau - Handwerkskammer für München und
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Blau-Weiß, Weiß-Blau - Handwerkskammer für München und
„Blau-Weiß, Weiß-Blau“ Eine Ausstellung in der Galerie Handwerk München vom 19. Juni bis 1. August 2009 Carine Neutjens Die Galerie Handwerk widmet sich in ihrer diesjährigen Sommerausstellung dem Thema „Blau-Weiß, Weiß-Blau“. Die Kombination dieser Farben hat eine lange Tradition. Für manche Epochen der Kulturgeschichte, sogar für einzelne Länder und Regionen wie die Niederlande, Norddeutschland oder Bayern ist sie zum Kennzeichen geworden. Die Farben Blau und Weiß lassen aber auch eine Vielzahl von charakteristischen Materialien und Erscheinungsformen assoziieren: Indigo, Wasser, Wolken, Himmel, Lapislazuli, Perlen, Papier oder Porzellan. Weiß und Blau bilden einen effektvollen Kontrast und haben zu einer Fülle von Mustern und Ornamenten inspiriert. Die Ausstellung in der Galerie Handwerk präsentiert die vielfältige Verbindung beider Farben zu Ornamenten und Dekoren, aber auch die rege und innovative Auseinandersetzung mit der Tradition. Denn gerade Blau-Weiß bildet für die Geschichte des europäischen Kunsthandwerks ein durchgängiges Motiv: die islamischen Fayencedekore in Spanien, die importierten ostasiatischen Porzellane, die Versuche der Nacherfindung des Porzellans mit den blauen Dekoren zunächst in Fayence und schließlich auch im Porzellan, das Zwiebelmuster, die Umdruckdekore mit Beginn der industriellen Revolution im späten 18. Jahrhundert. So präsentieren einige Ausstellungsstücke interessante und lebendige Variationen niederländischer und ostasiatischer Dekore. Auch die bayerische Fayence-Tradition ist mit Arbeiten vertreten. Andere Werke sind durch klare graphische Muster und großflächige Kontraste, das Spielen mit der Farbigkeit und den Anschluss an Naturphänomene, besonders Wasser und Eis, bestimmt. Auch vielfältige Techniken wie die Wachstechnik in der Keramik, Indigofärben im Textil, computergenerierte Dekore oder tradierte asiatische Färbeverfahren fanden dabei Einsatz. Ziel dieser Ausstellung ist es, die Beschäftigung mit Blau und Weiß als Konzept einer Gestaltung im zeitgenössischen Kunsthandwerk zu zeigen und neue Ansätze und Ideen zu präsentieren. Seite 1 Die Ausstellung hat neben Arbeiten internationaler Kunsthandwerker aus den klassischen „Blau-Weiß“-Ländern – den Niederlanden, Belgien, Dänemark und England – auch solche aus Australien, den U.S.A. und der Schweiz versammelt. Einen großen Anteil nehmen Kunsthandwerker aus Bayern ein, wo das Blau-Weiße besonders in der Keramik und dem Textil auf eine lange Tradition zurückblicken kann. Wir danken der Niederländischen Botschaft für ihre Unterstützung der Ausstellung. Seite 2 Blau-Weiß – Anregungen durch die Natur Blau und Weiß sind Farben, die in der Natur vorkommen: Das Weiß der Wolken, des Strands, der Gischt, des Schnees, des Eises, das Blau des Himmels, der See, der Blumen. Gerade Blau wurde früh aus natürlichen Materialien gewonnen: Kobaltoxid als blauer Farbstoff für Glas und Keramik, Lapislazuli als Farbstoff für das Blau der frühen Malerei, Färberwaid und Indigo für die Textilfärbung. Perlen und Porzellan sind Materialien, die aus natürlichen Vorkommen gewonnen werden und durch ihr klares reines Weiß bereits früh faszinierten. Die Reinheit bzw. die Kostbarkeit der Materialien ließ die Farben Blau und Weiß schon früh zu Farben werden, die mit besonders hochstehenden Personen verbunden wurden. In der christlichen Kunst steht Weiß für die Reinheit, und das Blau wird mit Maria verbunden. Blau als Farbe des Wassers wurde früh – so in Ägypten – mit dem Leben und der Fruchtbarkeit verknüpft. In Deutschland war Blau spätestens seit dem 19. Jahrhundert eine Farbe, die für eine besondere Geistesverfassung stand: Novalis ließ mit seiner „Blauen Blume“ in „Heinrich von Ofterdingen“ (1802) Blau zu einer Farbe der Sehnsucht werden. Diese Tendenzen wurden Anfang des 20. Jahrhunderts aufgegriffen. Wassily Kandinsky verband in seiner Schrift „Über das Geistige in der Kunst“ (1910) Blau mit dem Himmel, mit dem Unendlichen, der Ruhe und der Sehnsucht nach dem Reinen. 1912 nannten Wassily Kandinsky und sein Kollege Franz Marc ihre Münchner Künstlervereinigung und deren Almanach „Blauer Reiter“. Verschiedene Arbeiten in der Ausstellung greifen in Form und Dekor Naturmotive auf, die durch Blau-Weiß vorgegeben werden. So erinnern die Arbeiten von Beate Andersen in ihrer Frische und Klarheit, in ihren vertikalen Rillen und den aufgetragenen horizontalen Wellenstreifen an die Strände und das Meer ihrer Heimat Dänemark, lassen Peter Bremers kühle Arbeiten von unterschiedlicher Durchsichtigkeit und klarer Formgebung an Eisberge denken. Auch Carine Neutjens Pâte-de-verre-Gefäße lassen Schnee und gefrorenes Wasser assoziieren. Henk Wolvers graphische Linien in kräftigem Blau wiederum erinnern an Wellen, Wolken und Küstenlandschaften. Die Klarheit und Feinheit verleiht diesen Arbeiten einen Schwebezustand zwischen Abstraktion und Naturassoziation. An Küstenlandschaften erinnern auch die Marmorierungen von Marion Vorster. Die Arbeiten aus durchgefärbtem Porzellan von Cornelia Goossens scheinen ebenfalls Wasserbewegungen verwandt. Das Material Farbe – das Pigment, der Farbstoff – steht bei den Emailarbeiten von Agnes vom Rimscha und den Keramiken von Nandl Eska im Vordergrund. Seite 3 „Water Images“ „Water Images“ Beate Andersen Beate Andersen (geb. 1942 in Dänemark) gehört zu den bekanntesten dänischen Keramikerinnen und wird für ihre symbolischen Formen und optischen Eindrücke geschätzt. Seit den späten 1990erJahren hat sie sich auf gefaltete Formen konzentriert, Gefäße aus Steinzeug, die durch ihre gefalteten Wände, die raue Oberfläche und linearen Muster in gold-braunen oder grau-schwarzen Farbkombinationen charakterisiert sind. Mit diesen ersten Arbeiten ist sie auch in der Keramikgruppe Keramiske Veje in Erscheinung getreten. Ihre aktuellen Arbeiten, die sie „Water Images“ nennt, eine Serie von Gefäßen in unterschiedlicher Größe aus einem Steinzeug-Porzellan-Gemisch, sind auch durch ihre gefalteten, rhythmischen Formen gekennzeichnet. Im Gegensatz zu ihren früheren Arbeiten haben diese Gefäße allerdings einen leichten transparenten Glanz, der an eine bewegte Meeresoberfläche denken lässt. Man fühlt sich erinnert an sanfte Wellen, die ans Ufer schlagen und den Meeresgrund verzerren und in neuen Lichtverhältnissen durchscheinen lassen. In zarten Abstufungen gehen blau-weiße Farbtöne ineinander über und werden von einem Liniendekor unterbrochen. Der Gefäßrand ist geschwungen; das Innere kontrastiert die Keramikerin gerne in einem dunklen Blau. Ausbildung und berufliche Tätigkeit 1960 – 1964 The School of Art and Crafts, Kopenhagen Gründete im Anschluss daran das Studio Strandstræde Keramik mit Gunhild Aaberg und Jane Reumert Seit 1985 Mitglied der Ausstellungsgruppe Keramiske Veje Mitglied der Académie Internationale de la Cèramique Auszeichnungen 1969 1969 – 1999 1970 – 1999 1973, 1989 1977 1977, 1988 1988 1. Preis, Scandinavian Competition of FDB Frederik Nielsen‟s Award in mehreren Jahren: The Danish State Art Foundation in mehreren Jahren: The Danish Bank Anniversary Foundation The Jork Foundation The Flac-Bundgaard Foundation Ole Haslund‟s Award for Artist Højestretssagfører C. L. David‟s Award Seite 4 1989 1989 1990 1994 1997 The Ellen and Knud Dalhoff Larsen Foundation The Krøyer Foundation The October Foundation The Academy Coundl‟s Price Fond Dronning Margarethe og Prins Henriks Fond Henry Heerup‟s Award Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland. Arbeiten in privaten und öffentlichen Sammlungen und Museen. Seite 5 „IP06-99”, 2006 „IP06-68”, 2006 Peter Bremers „Recent travels to the arctic regions have inspired me to create these objects, that refer to the beauty of the polar landscapes and particular icebergs. My intention is not to copy nature but to give expression to my deep emotions that are triggered by the sheer beauty of light and colour given in abundance by the natural world. Unfortunately, so neglected by mankind! Using the technique of kiln casting, enables me to translate the objects I create in hard industrial form into glass that gets in final quality by grinding and polishing. By using special glass, these objects can stay outdoor in our climate without problems. These works are executed with the help of the Lhotsky Studio in the Czech Republic.” Peter Bremers Mehrere Reisen in die Arktis haben Peter Bremers (geb. 1957 in Maastricht, Niederlande) Arbeiten der letzten Jahre stark geprägt. Eisberge und Eisbrocken gießt er in leuchtendem Glas verschiedener Blautöne, zum Teil scharfkantig, wie vom Wind geschliffen, manchmal mit weichen Rundungen und Kurven, wie von der Sonne geschmolzen. Die „treibenden und schwimmenden Eisskulpturen“ verlangten es geradezu, in Glas festgehalten zu werden. Rissige Schichten, wässrige Farben, glatte Oberflächen der Eisberge hält Peter Bremers durch Skizzen und Fotos fest, seine Arbeiten stellen aber niemals Kopien dar, sondern geben die spezifische Gestalt wieder. Seine Objekte verändern ihre Leuchtkraft je nach Lichteinfall und Glasdicke, sie eröffnen dem Betrachter von allen Seiten neue Durch- und Ansichten. Auch die kleinen Arbeiten wirken monumental. Seite 6 Ausbildung und berufliche Tätigkeit 1976 – 1980 University of Fine Arts, Sculpture Department, Maastricht 1986 – 1988 Jan van Eyck-Akademie, Post Academic Institute for Art & Design, Maastricht 1986 Workshop A. D. Copier, Jan van Eyck-Akademie, Maastricht 1987 Workshop Hot Glass bei Willem Heesen, Acquoy 1989 Master Class Glass Sculpure bei Lino Tagliapietra & Carel Visser, Rietfeld Akademie, Amsterdam 1993 Glass Symposium & Workshop Stolzl, Bernbach, Österreich Peter Bremers lebt und arbeitet in Einighausen, Niederlande. Einzelausstellungen (Auswahl) 2008 Museum Ernsting, Coesfeld-Lette Meseo de Arte Contemporaneo en viario de Alcoron, Madrid Kuivato Gallery, Sedona, USA Glasmuseet Ebeltoft, Dänemark 2007 Etienne & van den Doel, Expressive Glass Art, Oisterwijk Salet Arte & Moda, Maastricht Galerie LaForet, Verbiers, Schweiz 2006 Retrospective. Etienne & van den Doel, Expressive Glass Art, Oisterwijk Lee Freed Gallery, Lincoln City, OR, USA Raglan Gallery, Manly, Australien Gallery Luniverre, Paris, Frankreich 2005 Jan van der Toght Museum, Amstelveen Glass Inspiration, Burgdorf, Schweiz 2004 Rosenthal Studio Haus, Hamburg Galerie Le Manoir du Mad (mit Bruce Thurman), Nancy, Frankreich 2003 Galerie LaForet, Verbiers, Schweiz Galerie Splinter, Berlin Jacob Bach galerie, Düsseldorf 2002 Leon Salet Arte & Moda, Maastricht Riley Hawk Galleries, Cleveland, USA Zahlreiche Gruppenausstellungen und Werke in Museen, öffentlichen und privaten Sammlungen und Galerien. Seite 7 Schale Schale Nandl Eska Nadl Eska (geb. 1943 in Weilheim) rekonstruierte in ihren blauen Schalen eine alte ägyptische Technik, wie sie aus altägyptischen Grabfunden bekannt ist. Hier fanden sich Schalen oder Nilpferde mit einer intensiv blauen Glasur, die das Element Wasser meinte. Die Intensität des Blaus scheint bei Nandl Eskas Schalen noch durch die Zierlichkeit der Form gesteigert: die unregelmäßige dünne Oberfläche, die gewellten Ränder, die Risse und Sprünge. Die Arbeiten Nandl Eskas in Quarz-Kieseltechnik entstehen in einem komplizierten Verfahren. Dabei wird eine Masse aus Soda, Kalkspat und Quarzsand in eine Tonkapsel gefüllt. Zugleich wird auf einer Positivform aus Gips, die mit einer dünnen keramischen Haut aus Soda, Quarzsand, Knochenasche und Kupferoxid versehen wird, die Schalenform selbst vorbereitet. Wenn die Haut getrocknet ist, wird sie von der Form abgenommen und in die bereits angefertigte Masse gegeben und zugedeckt. Es folgt ein Brand bei 900-1000° Grad, eine Temperatur, bei der der Glasfluss erfolgt und sich das Kupfer an der Oberfläche ablagert. Je nach Brandlänge und Temperatur variieren die Schalen in Wandungsdicke und Farbigkeit. Einige Schalen weisen eine glänzende, fast glasartig glatte Oberfläche, andere eine partiell raue Oberfläche auf, die an Kalkablagerungen denken lässt und die durch die Farbe inspirierten maritimen Assoziationen fördert. Nach dem Abkühlen wird die Schale mit einem feinen Messer aus dem gebackenen Pulver geschnitten. Dieser Prozess ist wegen der Fragilität der Schalen äußerst kompliziert. Die Anregungen für Nandl Eskas Experimente gehen auf eine Afghanistan-Reise im Jahr 1976 und auf die Beschäftigung mit ägyptischen Glasuren zurück. Ausbildung und berufliche Tätigkeit 1962 – 1968 Akademie der Bildenden Künste München bei den Professoren Oberberger, Nagel, Eska 1968 – 1971 Mitarbeit bei Prof. Eska 1971 Meisterprüfung im Keramikhandwerk seit 1971 freiberuflich tätig 1973 – 1976 Lehrauftrag an der Universität München, Lehrstuhl für Kunsterziehung Seit 1978 Private Kunstschule für Kinder und Erwachsene Seite 8 Auszeichnungen 1975 Jahrespreis der Danner-Stiftung 1978 Bayerischer Staatspreis 1984 Ehrenpreis der Danner-Stiftung 2002 Diessener Keramikpreis 2003 Bayerischer Staatspreis Von Nandl Eska stammen viele Arbeiten im öffentlichen Raum, besonders in München. Sie entwarf z. Bsp. Wandgestaltungen für das Krankenhaus in Bogenhausen und das Kinderkrankenhaus in Schwabing sowie für Kindergärten und Schulen. Zahlreiche Ausstellungen u. a. in München, Coburg, Köln, Stuttgart, Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt a. M. sowie im Ausland. Nandl Eskas Arbeiten befinden sich u.a. in den Sammlungen des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg, des National Museum of History, Taipei, Taiwan und des International Ceramics Festival Mino, Japan. Seite 9 Schale „Suminagashi“ Cornelia Goossens „Meine porzellangefertigten Schalen sind bei 1280-1300° Grad im Elektroofen gebrannt. Die blauen Einfärbungen (Kobaldoxyd) sind in den weißen Porzellanton schichtweise eingelegt, so dass sie durch die ganze Masse gehen, und damit von oben wie unten zu sehen sind. Durch das Dünnerdrücken der zusammen gefügten Schicht verschiebt sich das vorher gerollte Muster unregelmäßig. Die so entstandenen Platten werden dann verformt und teilweise in Negativformen gebrannt. Die ringförmig angeordnete Färbung hat mich veranlasst, die Stücke als „Suminagashi“ zu bezeichnen. Cornelia Goossens Cornelia Goossens (geb. 1946 in München) zeigt in der Ausstellung Porzellanschalen, die mit den unregelmäßigen blauen Linien, ihrem spiraligen Verlauf und dem abwechselnd weißen und unterschiedlich hellblau eingefärbtem Grund an Wasserstrudel erinnern. Ausbildung und berufliche Tätigkeit 1967 – 1969 Gesellenprüfung im Keramikhandwerk 1969 – 1971 Lehrtätigkeit in der Töpferei im Landheim Schondorf Seit 1970 Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Diessener Kunst (ADK) 1973 Meisterprüfung in München bei Franz Eska 1974 – 1975 Studienaufenthalt in Rom 1975 Werkstatt in Diessen Seit 1977 Teilnahme am Diessener Töpfermarkt 1979 Sommerkurs, North Carolina, U.S.A. 1991/1992 Heißglasurkurse in Frauenau bei Erwin Eisch, Sommerschule “Bildwerk” Seit 2002 Arbeiten in Porzellan Ausstellungen: Seit 1977 auf dem Diessener Töpfermarkt und dem Sommermarkt der ADK (Arbeitsgemeinschaft Diessener Künstler) Seite 10 Glasobjekte Glasobjekt Carine Neutjens „My glass-objects are made in pâte de verre technique. This ancient glass-technique gives me the possibility of creating my work in clay. My source of inspiration is nature: lava, coral, stone, wood, etc. From the clayform I make a silica/plaster mould. When the clay is removed from the mould, I start preparing the pâte de verre. I use fine industrial glassbeads which I mix with glue. Usually I stick (with a spoon) a first layer of colourless glasspaste to the inner side of the mould. For the second and sometimes third layer, I mix the glasspaste with coloured glass-powder. Finally I fill the mould with sand in order to prevent the paste from falling down. The mould is placed in the kiln and slowly heated to 700°C. The cooling down during several days is a most delicate process in order to prevent glass-tension. After removing the mould the newborn glass-object is washed.” Carine Neutjens Carine Neutjens (1956 geb. in Mechelen, Belgien) arbeitet mit Pâte de Verre (Glasfluss), ein mit Metalloxiden gefärbtes, bleihaltiges und undurchsichtiges Glas. Sie schafft aus diesem Material faszinierende Gefäße in einer feinen Farbgebung mit zarter kristalliner Oberfläche. Scharfkantige, unebene Abschlusse kontrastieren zu den dickwandigeren wie in Falten geworfenen zumeist bauchigen Gefäßen. Meist wählt sie für ihre tiefen Schalen mit großer Öffnung eine kräftige Farbe . Carine Neutjens‟ Inspiration ist stets die Natur in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen. Bisher handelte es sich dabei um Für die Ausstellung kreierte die Belgierin nun eigens dünnwandige zarte Schalen von längsovaler Form mit unregelmäßiger Kante, die nicht nur in der Struktur, sondern auch in der Farbigkeit an vereiste oder schneeige Oberflächen erinnern. Eine blaue, in tiefe Falten gelegte Schale wiederum erscheint wie eine erfrorene Blüte. Ausbildung 1995 – 1996 1996 – 1997 1997 – 2002 1995 – 2003 Academy Mechelen, Fachrichtung Keramik Academy Mechelen, Fachrichtung Skulptur Academy Lier, Fachrichtung Skulptur Institute für Angewandte Kunst, Glaskunst, Mechelen Seite 11 Ausstellungen (Auswahl) 2005 Glass Gallery Broft, Leerdam Niederlande European Triennal for Ceramics and Glass, Belgien 2006 Contemporary Art Gallery, Laren, Niederlande Galerie Mariska Dirkx, Art Prague Galerie Clara Koch, Amsterdam 2007 Parcours Céramique Carougeois, Genf Galerie Hélène Porée, Paris (Einzelausstellung) Galerie Clara Koch, Amsterdam (Einzelausstellung) 2008 „Collect“, London European Triennal for Ceramics and Glass, Belgien Meister der Moderne, Internationale Handwerksmesse München Zahlreiche Ausstellungen und Werke in Museen, öffentlichen Sammlungen und Galerien. Seite 12 Schale Schale Agnes vom Rimscha „Ich arbeite an neuen Ausdrucksmöglichkeiten im Bereich Gerät. Meine [...] Schalen sind aus dünnem Kupferblech aufgezogen und patiniert, anschließend in mehreren Schichten emailliert und stark überschliffen. Das Emaillieren bietet mir die Möglichkeit, mit einem widerstandsfähigen Material die Oberfläche farblich und strukturell frei zu gestalten. Außerdem bekommt das sehr dünne, instabile Blech durch die Emailschicht Festigkeit, bleibt aber in seiner Erscheinung zart und leicht.“ Agnes von Rimscha Agnes von Rimschas (geb. 1969) Schalen sind aus dünnstem Kupferblech, das mit dem Hammer zu einer Stärke von gerade mal 0,3 mm getrieben wird. Die vielen Emailschichten, die dann aufgetragen werden, werden bei 750°C gebrannt und anschließend stark überschliffen. Ausbildung und beruflicher Werdegang 1988 – 1992 Studium der Kunstgeschichte und Christlichen Archäologie in Erlangen und Berlin 1992 – 1995 Ausbildung zur Silberschmiedin in Kaufbeuren-Neugablonz 1996 – 2000 Studium an der Akademie der Bildenden Künste München bei Prof. Otto Künzli und an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg bei Prof. Ulla Mayer 2000 Meisterschülerin und Abschlusszeugnis in Nürnberg 2001 Diplom in München eigene Werkstatt in Königsberg/Bayern Auszeichnungen (Auswahl) 2000 Anerkennung beim Nachwuchsförderwettbewerb Schmuck und Gerät 2002 Danner-Ehrenpreis 2003 Bayerischer Staatspreis Zahlreiche Ausstellungen und Werke in Museen, Sammlungen und Galerien. Seite 13 Schatulle „Suminagashi“ Schatulle „Suminagashi“ Marion Vorster „Alle Objekte sind Unikate. Die Arbeiten werden aus Pappe und Papier gebaut und mit handgeschöpftem Bütten- oder Japanpapier bezogen. Die Papiere sind von mir handmarmoriert. „Suminagashi“ ist eine komplizierte Marmoriertechnik. Sie wurde im alten Japan als kostbare Unterlage für edle Kalligraphien verwendet. Die geheimnisvolle Präzision und Feinheit der Linien dieser Kunstwerke haben mich besonders fasziniert.“ Marion Vorster Marin Vorsters (geb. 1941) Papierarbeiten für die Ausstellung erinnern an Landschaften, die aus der Luft betrachtet werden, oder aber an Holzmaserungen. Auf blauem Grund bewegen sich konzentrisch von einem Mittelpunkt aus unregelmäßige Linien in hellerem oder dunklem Blau, wobei einzelne Zonen durch schmale weiße Linien eingefasst sind und zur Abgrenzung dienen. Das Weiß steigert die Intensität des Blautones und gibt den Anordnungen zugleich eine gewisse Räumlichkeit. Die unregelmäßigen Ausläufer, die Grundfarbigkeit und die Farbnuancen, die konzentrische Anlage verleihen den Arbeiten eine geheimnisvolle Qualität. Ausbildung 1962 – 1966 Studium der Gebrauchsgrafik an der Grafischen Akademie, München 1966 – 1967 Studium der grafischen Technik (Lithographie und Radierung) an der Beaux Arts, Paris seit 1967 freischaffende Grafikerin Fortbildung als Buchbinderin und Restauratorin 1993 Einrichtung der Papierwerkstatt in Diessen am Ammersee Ausstellungen Seit 1995 Arbeitsgemeinschaft Diessener Kunst 2005 „Sommerfeste“, Galerie Handwerk München 2006 Meister der Moderne, Internationale Handwerksmesse München 2009 „Kunst in der Regierung von Oberbayern“, München Seite 14 Porzellangefäß Porzellangefäß Henk Wolvers Der holländische Keramiker Henk Wolvers widmet sich seit über 20 Jahren ausschließlich dem Porzellan. Seine Konzentration und sein unermüdliches Streben nach neuen Ausdrucksformen, die er dem Material entlockt, haben ihn zu einem wahren Meister werden lassen. Seine Arbeiten sind konsequent; das Zusammenspiel der feinen Porzellanschale, die an Papier erinnert, und die zarte blaue Zeichenführung sind beeindruckend. Wasser, Landschaftsformationen, Wellen und Wolkenlinien assoziiert der Betrachter mit dem Liniengeflecht. Die Lichtdurchlässigkeit der dünnen Haut fasziniert Henk Wolvers, zum Teil durchbricht er sie und schafft neue Strukturen, die an Textil denken lassen. Ausbildung 1974 – 1979 Akademie voor Beeldende Kunst / AKI, Enschede 1977 – 1978 Koninklijke Akademie voor Kunst en Vormgeving, ‟s-Hertogenbosch Auszeichnungen (Auswahl) Internationaal Vocalisten Concours, „s-Hertogenbosch 1994 Inax Design Prize, Tokoname Japan 1995 Hoechst, jubileum geschenken 1997 ABP relatie geschenken 1998 Stichting CIVI, Leidschendam 1999 Kanazawa, World Competition of Arts and Crafts 2002 Ministery for Foreign Affairs, Dakar-Senegal 2005 Waterschap Brabantse Delta, promotionel gifts, Breda Ausstellungen (Auswahl) 1979, 1982, 1983 Galerie Het Kapelhuis, Amersfoort 1981 Jugend Gestaltet, München 1981 Internationaal Keramiek Concours, Faenza 1984 Het Princessehof, Leeuwarden 1985, 1992, 2002 Zwolsche Algemeene, Nieuwegein 1989 Bradford Museum, Bradford 1987, 1988, 1990 ABN Galerie – SBK, Amsterdam Seite 15 1988, 1991, 1993 1996, 1999 1988 1988, 1993 1989 1991 1991, 1992, 1994 1991, 1994, 1997 1998, 2000, 2005 1991, 1996 1992 1993, 1998 1995 1995, 1997 1995, 1999 2001, 2005 1995, 2000, 2003 2006, 2007, 2008 1997, 2000 2002, 2004 1998 1998 1998 1999 2000, 2003, 2005 2000, 2004 2001, 2005 2002 2002 2002 2002, 2005, 2006 2004 2004, 2008 2004 2007 2007, 2008 2007 2008 2008 2008 2008 Galerie Dis, Maastricht Galerie Dis, Maastricht Gemeente Museum, Maassluis Galerie Heine Haus, Hamburg SBK Zeeland, Middelburg Galerie Rondula, Wien Galerie De Ploegh, Amersfoort Galerie Anderwereld, Groningen Galerie Anderwereld, Groningen Singer Museum, Laren Galerie Inart, Amsterdam Galerie Amphora, Oosterbeek X Site - Inax, Tokyo Nancy Margolis, New York, USA Galerie Carla Koch, Amsterdam Galerie Carla Koch, Amsterdam Galerie Terra, Delft Galerie Terra, Delft Art Amsterdam, RAI, Amsterdam Art Amsterdam, RAI, Amsterdam Galerie Maas, Rotterdam SOFA, New York Osaka, Japan, Pronkkamer, Uden, Keramik Galerie Hilde Holstein, Bremen Yingko Ceramics Museum, Taipei, Taiwan Galerie Loes & Reinier, Deventer Galerie de Greef en de Greef, Wassenaar Sotheby‟s, London Masterpieces, Turin Galerie Montana, Apeldoorn, Frank Steyaert Galerie, Gent Galerie Hélène Porée, Paris Galerie Take Away Kunst, Darmstadt Arts & Design Museum, New York, USA Collect, Victoria & Albert Museum, London Galerie Ligne Treize, Parcours Céramique Carougois, Carouge, Schweiz Gallery Flow, London Indiana State Museum, Indianapolis, USA Art London, London Puls Contemporary Ceramics, Brüssel Seite 16 Paperweights, Stäbchen weiß-blau, Filigrantechnik Glasfachschule Zwiesel „Mit dem Wissen, das wir haben, müssen wir spielen, neue Fassetten des Glases finden und erproben. Wir können das hier in dieser Institution, denn wir sind nicht wirtschaftlich orientiert. Und draußen gilt es zu zeigen, dass wir nicht rückwärts gewandt sind, sondern neue Bilder suchen!“ Hans Wudy, zitiert nach: Glasfachschule Zwiesel 1904-2004, Passau 2004, S. 151 Die Glasfachschule Zwiesel wurde 1904 gegründet mit dem Ziel, „Handwerker [auszubilden], die künstlerisch schaffen“ (zitiert nach: Glasfachschule Zwiesel 1904-2004, Passau 2004, S. 10). Im Rahmen der Reformbewegungen des Kunstgewerbes um 1900 sollt auch die Glasherstellung neue Impulse erfahren, sollte eine solide künstlerische und zugleich handwerkliche Ausbildung dem Glas zu einer neuen Blüte verhelfen. In Zwiesel wurde zunächst nur die künstlerische Veredelung des Hohlglases unterrichtet, d. h. Glasmaler, -graveure, Modelleure, Werkmeister und Glasbläser erhielten hier ihre Ausbildung. Die Schule erfuhr im Laufe der Zeit eine Reihe von Änderungen, Erweiterungen und Wechsel sowohl in Hinblick auf die Ausbildung als auch die stilistischen Tendenzen. Ziel blieb und ist auch noch heute die fundierte handwerkliche Ausbildung und die Anleitung zur künstlerischen Gestaltung von sowohl gelungenem Gebrauchsglas als auch Sammlerstücken. 1904 Gründung der Glasfachschule Zwiesel mit dem Bildhauer und Maler Johann Sebastian Schmid als Direktor (bis 1909). Als Vorbild für die Lehrpläne dienten diejenigen der Glasfachschulen in Haida und Steinschönau (Nordböhmen) 1905 Ausstattung der Leichenhalle auf dem zentralen Friedhof durch Schmid und den Holzbildhauer und Lehrer Föcker 1906 Teilnahme an der Bayerischen Jubiläums-Landesausstellung in Nürnberg Seite 17 1910 Berufung von Bruno Mauder, dem kunstgewerblichen Zeichner, zum Direktor (bis zu seinem Tod 1948) 1912 Gewerbeschau in München 1922 Gründung der Gesellschaft „Freunde der Glasfachschule“ 1926 Erweiterung der Schulgebäude 1927 Die Schulgebäude werden Besitz des bayerischen Staates. Der offizielle Name der Schule lautet: Staatliche Fachschule für Glasindustrie und Holzschnitzerei (die Schnitzerei-Abteilung wird 1953 geschlossen) 1937 Ehrendiplom auf der Pariser Weltausstellung für die gezeigten Glasarbeiten 1940 Diplom auf der Triennale in Mailand 1944 Gründung der Abteilung für Glasapparatebau mit Georg Hackl als Leiter 1952 Stephan Erdös wird zum Direktor ernannt (bis 1956) 1953 Bau der Lehr- und Versuchsglashütte wird begonnen; Eröffnung 1955; Inbetriebnahme 1957 mit dem Glasmachermeister Josef Rankl (bis 1974) 1955 Medaillen auf der Triennale in Mailand 1956 Max Gangkofner wird Leiter der Schule (bis 1984) 1958 Teilnahme an der Weltausstellung in Brüssel mit gegossenen farbigen Gläsern 1959 Werkformausstellung der Glasfachschule in der Münchner Handwerkskammer 1965 Beginn der Ingenieurausbildung 1974 Umbenennung in „Staatliches Berufsbildungszentrum für Glas“ mit der Technikerschule, der Berufsfachschule für Glas und der Berufsschule für Glasberufe und optische Industrieberufe 1984 Bernhard Schlagemann wird Leiter der Schule (bis 1996) 1986 erste Teilnahme an der Glasstec-Düsseldorf 1990 Partnerschaft mit der Mosaikschule in Spilimbergo, Italien 1993 Ausstellungen im Bundeskanzleramt in Bonn, in Triest und im Bayerischen Wirtschaftsministerium in München 1995 Erweiterungsbauten der Schule begonnen, Eröffnung 1997 1995 Ausstellung in der Galerie Handwerk München 1997 Hans Wudy wird zum Schulleiter berufen. Er ist in Zwiesel geboren und wurde an der Glasfachschule zum Glasgestalter ausgebildet. 1977 bis 1982 studierte er an der Fachhochschule München und machte sich anschließend als Industriedesigner selbständig. 2000 Heim und Handwerk, München 2001 Internationale Handwerksmesse München Die gezeigten Arbeiten sind in verschiedenen Techniken gearbeitet. Die zumeist kombiniert werden: dem Gieß- und Roll-up-Verfahren, der Überfangtechnik, der Filigrantechnik und „Jucalmotechnik“ sowie der Montagetechnik. Seite 18 Blau-Weißes Porzellan in Asien Seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gelangte chinesisches Porzellan über die portugiesischen Handelsschiffe nach Europa. Die Handelsniederlassungen der Portugiesen befanden sich in Goa und Malakka, seit 1557 auf der Insel Macao. Nach der Gründung der Vereinigten Ostindischen Compagnie 1602 in den Niederlanden nahm der Handel mit Japan und China zu, wobei der Schwerpunkt zunächst jedoch auf Seiden und Lacken lag. Erste Berichte über das chinesische Porzellan gelangten durch den Sohn eines venezianischen Kaufmanns, durch Marco Polo, nach Europa. Dieser hatte sich 1275-1295 in Asien aufgehalten. In seinem Buch von 1298 beschreibt er Kaolinabbau, Lagerung und Gefäßherstellung in Tingui. Das Buch kursierte in Abschriften, bevor es 1477 unter dem Titel „De miracolis mundi“ in Nürnberg gedruckt wurde. In China ist seit der T’ang-Dynastie (618-907) und der Sung Zeit (960-1279) die Verwendung von kaolin- und feldspathaltigem Steinzeug, dem sog. „Protoporzellan“ überliefert. Echtes Porzellan mit farbloser Glasur und blauer Bemalung hat sich aus der Ching-techen-Zeit, der Mitte des 14. Jahrhunderts, erhalten. Dieses wurde während der Ming-Zeit (1368-1644) vervollkommnet. Das ostasiatische Weichporzellan unterscheidet sich von dem europäischen Hartporzellan dadurch, dass es weniger fest und widerstandsfähig ist, aber auch – und das macht seinen ästhetischen Reiz aus – stärker lichtdurchlässig ist. Das chinesische Porzellan wurde handgedreht und luftgetrocknet, bemalt und glasiert und ein Mal gebrannt, nicht wie das europäische in den Schrühbrand gegeben, dann bemalt, glasiert und ein weiteres Mal gebrannt. Die Glasur besteht aus 10% Kaolin, 20% Kalkstein, 30% Quarz, 40% Feldspat. Sie wurde mit dem Pinsel oder durch Besprühen aufgetragen, das in Europa geläufige Begießen mit oder Eintauchen in den Glasurbrei war nur für Innenflächen üblich. Das Porzellan wurde in einen reduzierenden Brand bei 1250-1320° Grad gegeben, wobei die Gegenstände durch Schamottekapseln vor Aschenflug geschützt wurden. Das Zentrum der chinesischen Porzellanmanufakturen lag in Jingdezhen, wo sich die 1369 gegründeten kaiserlichen Manufakturen befanden. Das chinesische Porzellan erschien in Europa besonders wertvoll auf Grund seiner geheimnisvollen und exotischen Herkunft, der zunächst unbekannten Herstellungstechnik, der Seltenheit und dem spezifischen Reiz der Oberflächenwirkung. Diese Aspkte dienten dazu, Macht und Reichtum ihres Besitzers herauszustellen. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gelangte die Kenntnis des Porzellans über Korea nach Japan. Nach dem Koreanisch-japanischen Krieg 1592-1598 holten die japanischen Fürsten koreanische Töpfer nach Japan. Das japanische Porzellanzentrum lag in Karatsu im Gebiet des Feudalherrn Nabeshima im heutigen West-Arita auf der südlichen großen japanischen Insel Kyyushu, damals Hizen, Präfektur Saga, wo der Überlieferung nach unter dem Koreaner Li Sam-p’jong (jap. Ri Sampei oder Kanagae Sampei) Werkstätten entstanden. Die Porzellanerde wurde in der Stadt Arita beim Berg Izumiyama abgebaut und in 10-12 Brennöfen mit weitgehend gleicher Produktion am Shirakawa-Fluß gebrannt. Die frühen japanischen Stücke in Unterglasurblau sind von schlichter Form und in einem eher skizzenhaften Stil bemalt. Sie ahmten zunächst chinesische Vorbilder nach. Das japanische Porzellan erfuhr durch die preiswerteren Waren aus China einen heftigen Druck, zumal die Chinesen auch speziell für den japanischen Markt produzierten. So wurde in der Jingdezhen-Zeit das sog. Tianqui-Porzellan (japan. kosometsuke, altes Blauweiß) für den japanischen Markt hergestellt. Im Bürgerkrieg am Ende der Ming-Dynastie (1368-1644), der zwischen den Anhängern der Ming-Kaiser und denjenigen des Mandschu-Kaisers Shun Chih (1644-1661) tobte, kam es zur Zerstörung der Brennöfen in Jingdezhen und infolgedessen zu einem Zusammenbruch der chinesischen Exporte. Gleichzeitig begannen die Holländer, japanisches Porzellan für den eigenen Gebrauch zu beziehen – zunächst für die Handelsniederlassungen in Batavia, Seite 19 dem späteren Djakarta. Erste Muster japanischen Porzellans wurden 1658 für die „Kammer der 17“ nach Holland verschifft. 1659 gilt als das erste Jahr des Handels mit Arita-Porzellan. Das japanische Porzellan fungierte nicht nur als Ersatz für das chinesische Porzellan, sondern wurde auch wegen seiner höheren Qualität geschätzt. Dabei wurden zuerst noch Vorlagen in Form von Holzmodellen aus Delft nach Arita geschickt. Diese Muster und ihre Bemalung basierten auf chinesischen Vorlagen in Art des Krack-Porzellans der Wanli-Periode (1573-1619) und des Übergangsstils (um 1630, Ming). Der Name Krack-Porzellan leitet sich von dem portugiesischen Wort für Schiff „Carraca“ oder Karacke her. Diese Porzellane trugen ins Blasse tendierende blaue Dekore in einer eher groben flüchtigen Malerei. Kennzeichnend für das Krack Porzellan ist die Felderung um ein Zentralmotiv, während die Arbeiten des Übergangstils durch landschaftliche Szenen mit elongierten Figuren in kräftigem Blau bestimmt waren, bei denen Nebel oder Wolkenbänder die Figuren des Vordergrunds von den Hügellandschaften des Hintergrund trennt. Charakteristisch sind weiterhin das V-förmig eingetragene Gras, die sog. Flaschenbürsten-Bäume und das braune Randband. Probleme mit japanischen Töpfern oder den Behörden sowie die höheren Einkaufspreise für das japanische Porzellan führten dazu, dass, als 1683 die chinesischen Öfen in Jingdezhen unter Kaiser K’ang-hsi (1662-1722) wieder in Betrieb genommen werden konnten, die Holländer auf diese Arbeiten verstärkt zurückgriffen. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden nicht nur Formmodelle aus verschiedenen Materialien nach China gesendet, sondern auch Stichvorlagen, die als Dekorvorbilder fungierten. Im 18. Jahrhundert war das japanische Porzellan in Europa unter den Bezeichnungen Arita und Imari bekannt. Arita bezieht sich auf den Ort der Porzellanproduktion, während es sich bei Imari um den ca. 10 km von Arita entfernten Hafen handelt, in dem das Porzellan über den Hafen Nagasaki auf der Insel Deshima nach Europa verschifft wurde. Die Werkstätten in Arita produzierten weitgehend ähnliche Stücke, wobei sich einige vermutlich auf bestimmte Arbeiten konzentriert haben werden. Bisher erfolgt eine Unterteilung der Arita-Porzellane nach dem Stil ihrer Bemalung – nach Farbigkeit und Motiven – in die Gruppen Imari und Kakiemon. Unter Imari-Porzellan wird das relativ dicht gemusterte Porzellan mit intensiver Farbigkeit und opaken Farben, das für den Export produziert wurde, verstanden. Kobaltblaue Unterglasurfarben wurden hierbei zumeist mit Gold und roter Aufglasurfarbe kombiniert. Die Imari-Porzellane fungierten auch unter der Bezeichnung Brokatware, da die kleinteiligen floralen Motive an Textilmuster erinnerten. Kakiemon wiederum bezeichnet feines Porzellan mit einer klaren durchscheinenden Farbigkeit auf weißem Grund, das in Kakiemon bei Nangawa hergestellt wurde. Die Bezeichnung Kakiemon leitet sich von einem Familienbetrieb in Minami Kawahari bei Arita her. Für die Kakiemon-Dekore sind die feine, skizzenhafte Pinselführung, eine elegante Wirkung, ein aquarellartiger nuancierter Farbauftrag, asymmetrische Kompositionen, das effektvolle Gegeneinander von bemalten und leeren Fläche sowie eine Konzentration auf die Farben Blau, Rot und Grün kennzeichnend. Als Motive wurden Blumen und Vögel bevorzugt. In der Ausstellung der Galerie Handwerk sind verschiedene Künstler vertreten, deren Arbeiten eine Auseinandersetzung mit der Keramik des Nahen und Fernen Ostens zeigen. Bei den australischen Künstlern Robin Best und Vipoo Srivilasa ist dieses im Sinne einer Reflexion über kulturelle Traditionen und Austausch zu sehen. Thematisiert werden hier die befruchtenden und zerstörenden Elemente der kulturellen Begegnungen. Katharine Coleman verfremdet die ostasiatischen Vorbilder, indem sie sie in ein neues Medium übersetzt. Barbara Seidenaths Arbeiten wiederum verwandeln Bestehendes in eine neue Funktion und stellen es in einen neuen Kontext. Seite 20 „China Turkey India Iran“, 2009, unglasiertes Porzellan, kobaltblauer Stift und Blattgold Robin Best Robin Best (geb. 1953 in Perth, Australien) setzt sich mit verschiedenen kulturellen Traditionen auseinander. So mit ihrer eigenen australischen Kultur und der chinesischen, mit der sie nicht nur durch ihre Tätigkeit als Keramikkünstlerin, sondern auch durch zahlreiche Aufenthalte und Projekte vertraut ist. Die gegossenen Gefäße aus weißem Porzellan werden mit blauem Keramikstift bemalt. Formen und Motive verweisen auf die ostasiatische Herkunft, werden aber doch durch Zusammenstellung, Anordnung und Ausschnitthaftigkeit, die Hinzufügung von Einzelmotiven als moderne Arbeiten gekennzeichnet. Robin Bests schlichte und elegante Gefäße funktionieren als Gruppe. Die einzelnen Objekte verweisen jeweils auf einen bestimmten Kontext, der dann in der Gesamtgruppe spannungsvoll aufgegriffen wird – sowohl unter ästhetischen als auch inhaltlichen Kriterien. Best manipuliert nicht nur die Motive, sondern auch die Form. Dieses erfolgt mit Hilfe des Computers, der die ostasiatischen Formen verändert, der sie verflacht und streckt und damit verfremdet. Seite 21 In ihrem „Stilleben“ „In China we trust“ fällt die Kombination von australischer und ostasiatischer Geschichte besonders auf: die auf chinesischen Schnupftabakflaschen beruhenden Formen sind mit blauen Dekoren versehen: In der Mitte ist eine an Wedgwoods Jasper Ware angelehnte Flasche mit Profilporträt in Relief gestellt. Daran schließen sich solche mit Porträts von Elisabeth I. (nach Isaac Oliver; die Flasche folgt der Form des Kleides) und Napoleon (nach Jacques-Louis David) an. „In China we Trust” Es folgen zwei Ausschnitte des im 18. und 19. Jahrhunderts besonders in England bedeutenden „Willow Muster“ (siehe hierzu im Kapitel Umdruckdekore). Den äußeren Abschluss bilden die Darstellungen von Kängurus und eines älteren Farmerpaares (nach Grant Woods Gemälde „American Gothic“, 1930, Art Institute of Chicago). In der Arbeit „Silk Route“ von 2006 wechseln weiße und blau bemalte Flaschen ab. Motive und Ornamente stehen stellvertre„Silk Route” tend für die Kulturen der Seidenstraße und ihre Vermittlung nach Europa. Auch in der für München konzipierten Arbeit „China Turkey India Iran“ verweisen die Muster auf verschiedene Kulturen. Die Doppelkürbisvase ist mit einem feinen Rankenmuster und päonienartigen Blüten, die Schnupftabakflasche mit einem Isznik-Dekor (heutige Türkei) aus stilisierten Tulpen, Nelken und schlanken spitzen Blättern, die Vase mit einem Iris-Motiv und indischen Bogenformen, die Flaschenvase mit einem Maureskendekor in Sternenformen bemalt. Die „Rückseiten“ wiederum thematisieren die Verarbeitung dieser Anregungen in Europa, ihre Übersetzung und Kombination mit anderen Elementen. Robin Bests Zusammenstellungen überzeugen durch die ästhetische Ausgewogenheit und die Feinheit der Malereien. Zugleich bilden sie in den durch Motive und Figuren angelegten kulturellen Hinweisen Reflektionen über die Geschichte und den aktuellen Zustand der Beziehungen zwischen verschiedenen Ländern. „China, India, Turkey and Iran are countries with which Europeans have had an ongoing romantic fascination. While Xian in western China is considered the source of the Silk Route and the far east of Asia, Turkey is its connection to Europe. Along the length of the Silk Route many cultures exchanged patterns and imagery making it one of the riches art caravans in history. Each of these works represents both the traditional pattern of each country and the patterns produced for the European market from the 17th century. The Chinese vase shows a traditional Qing Dynasty on-glaze ‚Famille Verte’ pattern and export ware pattern combining both pattern and imagery from the east and the west. The Turkish vase represents tin-glazed ‚Isnik’ patterns on both sides with the tulip pattern appearing in many Central Asian cultures. [...] The Indian vase supports a traditional pattern for a wall hanging with a version of „The Tree of Life” favoured by the British market on the reverse. The Iranian vase shows an intense pattern from an Seite 22 old parchment and on the reverse a painting from a tin-glazed jar popular in the Europeans in the 19th Century.” Robin Best Ausbildung und Lehrtätigkeit 1976 Diplom Design/Ceramics, South Australian School of Art 1985 – 1989 Lecturer für Keramik am RMIT und der Monash University 1993 Graduate Diploma Visual Arts, University of South Australia 1994 – 2002 Coordinator des CADCeram Industrial Ceramics Project im Rahmen der Einführung des Computer Aided Design im Ceramics Studio der JamFactory 1998 – 2004 Coordinator des Ernabella Ceramics Project im Anangu-Pitjantjatjara-Gebiet im Nordwesten von South Australia 2000 – 2001 Coordinator des Design Lab Project, Acting Head des Ceramics Studio der JamFactory Auszeichnungen (Auswahl) 1995 Arts Projects Assistance Scheme, ArtSA 1999 South Australian Design Awards Merit award Australia Council Development Grant 2001 South Australian Ceramic Award 2002, 2003 Arts Projects Assistance Scheme ArtSA 2003 VACB/Australia Council grant for new work 2004 Artist in Residence, Seto Japan 2005 AsiaLink Residency Beijing Australia China Council Resideny Beijing and Shanghai Ausstellungen (Auswahl) 2002 Robin Best – Marine Forms Madame Mao’s Dowry, Shanghai for Australia Week „Wild Nature” und „Ritual of Tea”, JamFactory 2003 Ancient Futures Kyoto, Japan Light Black, JamFactory und Craft Museum of Modern Art, Tokyo; Museum of Contemporary Art, Kyoto; National Museum for the Arts, Taiwan 2004 Australian Culture Now, The Ian Potter Centre, Melbourne 2005 2005 Collect, Victoria & Albert Museum, London Snuff Madame Mao’s Dowry Shanghai 2006 Writing the Painting, Adelaide Festival of Arts University of South Australia The Secret History of Blue and White, AsiaLink Wanderausstellung 2007 Skins of Asia World, Ceramic Biennale, Icheon, Korea. 2008 Finding Malila, Gadfly Gallery, Perth, Western Australia Die Arbeiten von Robin Best sind u. a. vertreten in den Sammlungen der Art Gallery of Western Australia, der World Ceramic Exposition Foundation, Korea, der National Gallery of Scotland, dem Seto Cultural Centre, Japan, der Art Gallery of South Australia, der Art Gallery of Tasmania, der University of South Australia, der Cambelltown City Art Gallery. Seite 23 „Small Broken China Bowl“, 2008 „Synchronised Swimmers III“, 2007 Katharine Coleman Katharine Colemans (geb. 1949 in Sutton Coldfield) Werke entstehen aus geblasenem Bleikristallglas, das mit farbigem Überfang versehen ist. Für die Gefäßformen arbeitet sie mit Potter Morgan Glass, Carl Nordbruch and Sonja Klingler zusammen. Nach dem Ausglühen wird die Außenseite des Glases durch Schneiden, Gravieren, Schleifen und Polieren bearbeitet. Wichtig ist Katharine Coleman, dass das Glas durchsichtig ist, so dass die aus dem farbigen Überfang herausgeschnittenen Motive der anderen Seite zu sehen sind, die Motive an Tiefe gewinnen und interessante Überschneidungen entstehen. Katharine Colemans Objekte entstehen in Glasgravur durch rotierende Kupferrädchen, durch Diamanten- und Steinräder. Diese ermöglichen klare Konturen und Linien. Diese Rädchen können in unterschiedlicher Breite, Feinheit und Beschaffenheit nach den jeweiligen Bedürfnissen auf Spindeln aufgesetzt werden, die durch einen Ledergurt betrieben werden. Beim Schnitt wird ein mit Öl und Paraffin vermischtes Schmiermittel auf die Glasoberfläche aufgetragen. Zum Polieren des Glases wird ein Korkrad und Bimssteinmehl als Schleifmittel verwendet. Daran schließt sich die Feinpolitur mit Ceroxid und einem Filzrad an. Die Motive, die Katharine Coleman wählt, stammen aus unterschiedlichen Bereichen: Neben geometrischen Dekoren, Stadtansichten, Pflanzen und Früchten, finden sich viele Motive aus der Wasserwelt – Fische, Krebse, Tintenfische, Wellen, Seepferdchen. Wichtige Anregungen hierfür erfuhr die Künstlerin durch ihren Australien-Aufenthalt im Jahre 2006. Für die Münchner Ausstellung hat sie nicht nur ein blaues Fadenmuster (inspiriert durch das Wrack der SS Dunbar, Sydney 1859) und ein Nacheinander blauer Seenadeln geschickt, sondern auch die „Small brocken China bowl“. Als Anregung dienten Scherben von blau-weißem Porzellan aus einem chinesischen Schiffswrack des 15. Jahrhunderts vor der japanischen Küste. Dieses diente als Inspiration dafür, eine Schale puzzlestückartig aus Details verschiedener Porzellanobjekte zusammenzusetzen: eine chinesische Schale mit Bootsmotiven aus dem Dresdner Zwinger, eine chinesische Schale aus der Sammlung des Victoria & Albert Museums London und Motive von chinesisch inspirierten Servicen der englischen Geschirrfirma „Spode“. Katharine Coleman bildet nicht nur eine Schale aus verschiedenen anderen Schalen, sondern überträgt sie auch noch in ein anderes Medium, das sich durch die Durchsichtigkeit von dem eigentlichen Medium, dem Porzellan, unterscheidet. Diese Durchsichtigkeit führt zu einer neuen Wirkung der bekannten Dekore und zugleich zu einem neuartigen Zusammenspiel der Motive. Seite 24 Ausbildung und berufliche Tätigkeit 1984 – 1987 Ausbildung zum Glasschneider und -graveur unter Peter Dreiser am Morley College, Lambeth 2002 – 2005 Vorsitzende der Guild of Glass Engravers 2007 Residency am Northlands Creative Glass Centre, The Scottish Arts Council and Bulls Eye Glass Lehrtätigkeit am Morley College, an der Fundación Centro Nacional del Vidrio at La Granja de San Ildefonso, Segovia, Spanien sowie am Department of 3-Dimensional Design, University College of the Creative Arts in Farnham, Surrey, am BildWerk Frauenau und am West Dean College in Chichester. Auszeichnungen (Auswahl) 2007 The Glass Sellers Prize for Engraving on Glass 2008 The Pearsons Prize for Best Use of Glass in Engraving 2009 MBE für Verdienste im Bereich des Glasschneidens Mitglied der Contemporary Applied Arts und der Art Workers Guild, Fellow of the Guild of Glass Engravers Ausstellungen (Auswahl) 2000 Spring Open, National Glass Centre, Sunderland & The Arts Council Contemporary Glass Society selected exhibition, St Ives 2002 The Glass Museum, Kamenicky Senov, Czech Republic 2003 Jerwood Applied Arts Prize 2003 2004 Cutting Edge, The Guild of Glass Engravers at The Glass Art Gallery 2005 Surface, Structure, Shape, The Axis Gallery, Tokyo 21st Century British Glass, Daniel Katz & Dan Klein Associates, London 2006 Zest Gallery, SOFA, Chicago Adrian Sassoon, New York International Art & Design Fair, The Armory, NY British Glass Biennale, Ruskin Glass Centre, Stourbridge, West Midlands Cutting Edge, Guild of Glass Engravers at The National Glass Centre, Sunderland Coburg Glass Prize Exhibition, Kunstsammlungen der Veste Coburg, Veste Coburg 2007 10 x 10, anlässlich des 10. Geburtstags der Contemporary Glass Society Side by Side, The Devon Guild of Craftsmen, Bovey Tracey The ScottishGallery, Dundas St, Edinburgh 2008 British Glass Biennale, Ruskin Glass Centre, Stourbridge Guild of Glass Engravers national exhibition, Red House Cone, Stourbridge. Scottish Gallery, Dundas St, Edinburgh. Zest Gallery, SOFA New York London Art Fair, Adrian Sassoon, London 2009 Collect, The Scottish Gallery, Saatchi Galleries, London Recollect, Koukan Gallery, Lotus Foundation, London NW3 4PB Ihre Arbeiten sind u. a. vertreten in der Alexander Tutsek Stiftung München, dem Broadfield House Glass Museum, dem Birmingham City Art Gallery & Museum, der Cheltenham Art Gallery & Museum, dem Fitzwilliam Museum Cambridge (Keatley Trust), dem Glasmuseum von Kamenicky Šenov, den Kunstsammlungen der Veste Coburg, dem Museo de la Real Fabrica de Cristales de La Granja, den National Museums of Scotland, Edinburgh und dem Victoria & Albert Museum London. Seite 25 Brosche „Stiefmütterchen“, 1990, Keramikscherben, Silber Brosche „China“, 1990, Porzellanscherbe, Silber Barbara Seidenath Barbara Seidenath (geb. 1960 in München) stellt in München Broschen aus, die Keramikstücke verarbeiten. Dabei wird das Material Keramik nicht nur in eine ungewöhnliche Funktion – in ein Schmuckstück – überführt, sondern präsentiert sich auch durch die Fassung in neuem Zusammenhang. Fünf Scherben mit blauem Rankenwerk werden wie Blütenblätter um eine Goldkugel angeordnet und verbinden sich zu einer Blumenform. Bei der anderen Brosche zeigt die Scherbe eine chinesische Pavillonarchitektur an einer Brücke, vor der ein Baum steht. Der durch den Bruch fragmentierte Baum wird über den Rand der Scherbe in zarten Metallstegen mit Blattbesatz vervollständigt. Barbara Seidenaths Arbeiten dienen nicht nur als Beispiel dafür, wie ostasiatische Keramik auf interessante Weise verarbeitet und in neuem Kontext präsentiert werden kann, sondern exemplifizieren auch das aktuelle Thema der Wiederverwendung von Materialien. Motivwahl und Anordnung der Broschen dokumentieren Barbara Seidenaths Interesse für die Natur und ihre Erscheinungsformen. Ausbildung und berufliche Tätigkeit 1977 – 1980 Staatliche Fachschule für Glas und Schmuck, Neugablonz 1981 Tätigkeit in der Werkstatt von Ulrike Bahr Studium an SUNY, New Paltz 1984 – 1989 Studium an der Akademie der Bildenden Künste, München, bei Prof. Hermann Jünger 1990 Gastdozentin an der Rhode Island School of Design, Providence, Rhode Island, USA seit 1994 Lehrtätigkeit an der Rhode Island School of Design, Providence, Rhode Island, USA Auszeichnungen 1993 Förderpreis der Stadt München 1995 Rhode Island Council for the Arts 1996 National Endowment for the Arts (NEA), New England Teilnahme an zahlreichen internationalen Ausstellungen Seite 26 „Six Open doors II” „Toy”, Fortune Teller Series „Plastic Bag 1”, Fortune Teller Series Vipoo Srivilasa Vipoo Srivilasa (geb. 1969 in Bangkok, Thailand) lebt seit 1997 in Australien. Seine Schalen und Hände sind aus Porzellan gearbeitet und mit der Hand geformt, woraus ihre reizvoll unregelmäßige, haptisch verlockende, relativ dickwandige Form resultiert, und bemalt. Seine blau-weißen Arbeiten verbinden Motive der islamischen Kultur mit solchen des modernen australischen Lebens und seiner eigenen thailändisch-buddhistischen Herkunft. Das Aufgreifen des Blau-Weißen an sich verweist auf den kulturellen Austausch zwischen Ost und West durch den Handel mit der blauweißen Keramik. Der Schalensatz aus der Serie „Lai Krarm“ (die thailändische Bezeichnung für blau dekoriertes Porzellan) z. Bsp. zeigt auf den Außenseiten islamische Dekormotive wie Palmettenbänder und bewegtes Rankenwerk mit großen Blüten, während im Fond die Sinnesorgane in einem modernen Duktus aufgemalt sind. Arbeiten aus seiner Serie der Hände „Fortune Teller“ greifen diese Kombination auf – hier finden sich nun Kängurus, Einkaufstüten und Autoschlüssel – und verbinden sich mit dem Unheil abwehrenden und schützendem Motiv der „Hand der Fatima“ aus dem islamischasiatischen Kulturkreis. Erinnert die aufgestellte Hand an diese Beispiele, so verweisen die leicht gekrümmten Finger auf eine geöffnete Hand, aus der die Zukunft gelesen wird. Die Motive werden von Vipoo Srivilasa additiv nebeneinander gefügt und verweisen in der Zusammenschau auf eine Bedeutung, die sich niemals ganz aufschlüsseln lässt, sondern mit Hinweisen und Assoziationen arbeitet. Der Gestalter bezieht sich dabei auf die thailändische Kunst – die Songkhalok-Keramik und Jataka-Wandmalereien in Wat Khruawan, Bangkok. Ähnlich wie Robin Best dient auch Vipoo Srivilasa das Blau-Weiß als Reflexion über die kulturellen Beziehungen und die Vergangenheit der einzelnen Länder und ihrer Kulturen – einen Bereich, den beide Gestalter auch durch Ausstellungen und Projekte erkunden. Der Keramikkünstler erzählt in seinen Werken auf eine direkte und moderne Weise, arbeitet Alltägliches seines Lebensumfeldes und persönliche Erfahrungen ein. Sein Anliegen ist kein didaktisches, sondern eher ein reflexives, da der Betrachter durch die geläufigen alltäglichen Motive auf sein eigenes Leben zurückverwiesen wird. Die gewisse Ernsthaftigkeit der Arbeiten gerät durch die frische Malweise, die überraschenden Zusammenstellungen und die für den Bereich der Keramik durchaus ungewöhnlichen Motive niemals trocken oder spröde. Ausbildung und berufliche Tätigkeit 1994 Bachelor of Art (Keramik), Rangsit University, Bangkok, Thailand 1997 Post Graduate Diploma (Keramik), Monash University, Melbourne Seite 27 1998 Master of Fine Art and Design (Keramik), University of Tasmania, Hobart Artist in resident, College of Fine Art, University of New South Wales 2002 Visiting Artist, Washington University in Saint Louis, Missouri, USA 2004 Lehrtätigkeit an HOLMGLEN TAFE, Victoria 2006 Teilnahme an VERGE: 11th National Ceramics Conference, Brisbane, Queensland Veranstaltung und Organisation von Clay Alchemy: Culture exchange project between Thai and Australian 2007 Master artist, Clay Edge: 7th Gulgong Ceramic Festival, Gulgong, New South Wales Visiting Artist at Beijing University of Technology, China 2008 Exhibition Co-ordinate, Design Australia, Bangkok, Thailand Ausstellungen (Auswahl) 1997 Mermaids, State Craft Gallery, Melbourne 1998 Ocean Fantasies, Side Space Gallery, Hobart 2000 Ocean Fantasies, Jam Factory Gallery, Adelaide 2001 The Coral Show, Haecceity Art Gallery, Melbourne 2002 Action Man, Haecceity Art Gallery, Melbourne 2003 Mythical Monsters, Freeman 3 Gallery, Hobart 2004 People I Have Met, Skepsi on Swanston, Melbourne 2005 Lai Krarm, Surapon Gallery. Bangkok, Thailand 2006 My Self : My Others, Über Gallery, Melbourne 2008 For The Future, Über Gallery, Melbourne Roop, Root, Ruang, Asia-Australia Arts Centre, Sydney 2009 Colonies, Surapon Gallery, Bangkok Monster by Hands: collaboration project with Thai Celadon, Pong Noi Art Space, Chiang Mai Teilnahme an zahlreichen Gruppenausstellungen, darunter die Wanderausstellung „A Secret History of Blue and White”, Object Gallery, Wagga Wagga Regional Art Gallery, Bathurst Regional Art Gallery, Artisan Queens Land, Gosford Regional Art Gallery, Tamworth Regional Art Gallery, JamFactory South Australia. Auszeichnungen (Auswahl) 1998 Honorary Research Associate, University of Tasmania Northcote Decoration Award, Tasmania Potters’ Society Annual Exhibition, TAS 1999 Highly Commended, Tasmania Potter Society Annual Exhibition, TAS 2001 First Prize (hand building), The City of Redcliffe Excellence in Craft Award, Queensland Merit Prize (paperclay), Port hacking Potters Group Awards 2001, New South Wales 2003 First Prize Golden Teapot Award 2003, Morpeth Gallery, New South Wales 2004 First (Acquisitive) and Third Prize, Artful Teapot Award, Paynter Gallery, Bendigo, Victoria Second Prize, Golden Teapot Award 2004, Morpeth Gallery, New South Wales 2005 Australia/Thailand Institute Project Grant Arts Victoria International Program Grant 2007 Australian Council for the Arts, New Work development Grant, Honorable Mention the 4th World Ceramic Biennale, Icheon, Korea 2008 Arts Victoria International Program Grant Sculpture Award, Suncoast Clayworkers Awards, Queensland Arbeiten von Vipoo Srivilasa befinden sich u. a. in den Sammlungen der Art Bank Australia, Melbourne, des College of Fine Art, University of New South Wales, Sydney, der JamFactory Contemporary Craft & Design, South Australia, des Tasmania Museum and Art Gallery. Seite 28 Fayence und Blau-Weiß Die Nacherfindung des Porzellans bildete in Europa eines der großen Anliegen der europäischen Fürstenhäuser in Hinblick auf Selbstdarstellung, Repräsentation, Handel und Wirtschaft. Die unbekannte Art der Herstellung weckte den Ehrgeiz, technisch den Chinesen gleichzukommen und diese zu übertreffen. Bevor in Meissen das Porzellan nacherfunden wurde, hatte es in Europa schon verschiedene Versuche in dieser Richtung gegeben, die alle daran scheiterten, dass die Massezusammensetzung unbekannt war und dass das Kaolin als Grundstoff fehlte. Ab 1470 experimentierte man in Venedig mit weißem Opalglas, dem sog. „Glasporzellan“. 1575 gründete Francesco Maria I. de’ Medici (1541-1587), der Enkel des porzellanbegeisterten Lorenzo de’ Medici, eine Werkstatt in Florenz, in der das „Medici-Porzellan“, ein steinzeugartiges gelbliches Pseudoporzellan aus Glasmasse und kaolinhaltiger Erde, hergestellt wurde. Die weiße Farbe des Porzellanscherbens wurde durch eine Zinn-Bleiglasur vorgetäuscht, die durch kobaltblaue und manganviolette Dekore nach chinesischen Vorbildern geschmückt wurde. Auch die Fayence bzw. Majolika sollte Porzellan nachahmen. Fayence besitzen einen Scherben, der von Hellbraun bis zu Rot- und Grautönen reichen kann und der durch eine weiße glänzende Zinn-Bleiglasur verdeckt wird. Im Unterschied zum Porzellan bestand bei der Fayence der Nachteil, dass es beim Eingießen heißer Flüssigkeit zu einer Spannung zwischen Glasur und Scherben kommen konnte, da beide einen unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten besitzen, so dass es zur Bildung von Rissen kam. Die Fayence gelangte im 8. Jahrhundert über islamische Töpfer nach Spanien. So bezieht sich auch der italienische Name Majolika auf den spanischen Hauptumschlagplatz Mallorca, über den die Artikel eingeführt wurden. In Italien wurde Majolika seit dem 14. Jahrhundert hergestellt mit Werkstätten in Urbino, Gubbio, Siena und Faenza. Hier wurden auch gerne die Lüsterglasuren nach islamischen Vorbildern produziert. Für die italienische Majolika fungierten als wichtige Vorbilder islamisch-maurische und spanische Produkte, aber auch die in Kupferstichen vervielfältigten Entwürfe der italienischen Renaissancemaler. Als Vorbilder aus dem persisch-türkischen Raum lassen sich die Iznik-Dekore anführen, die eine Farbigkeit aus Kobalt- und Hellblau sowie Türkis aufweisen. Auch diese Arbeiten basierten auf chinesischen Porzellanimporten. Direkt auf chinesische Vorbilder bezieht sich der als „alla porcella“ bekannte Dekor aus feinem linear stilisiertem blauen Rankenwerk auf weißem Grund. In Nordeuropa erhielt die Fayence ihren Namen nach dem italienischen Zentrum Faenza. Die Fayence-Arbeiten imitierten das importierte Krack-Porzellan und ahmten dessen z. T. flüchtige Malweise nach. Besonders intensive Übernahme fanden diese Arbeiten in Nevers und Delft. Delft war mit bis zu 34 Manufakturen zwischen 1660 und 1725 eines der wichtigsten Zentren für Fayence. Die holländischen Fayence-Hersteller nannten sich „porceleynbakker“. Die Importe asiatischen Porzellans am Anfang des 17. Jahrhunderts führten zu einer Vorliebe für blau-weiße Keramiken. Nachdem die ersten Porzellanlieferungen aus Japan 1664 Holland erreichten, ahmten die holländischen Töpfer zunächst die Farbwirkung nach, imitieren aber mit zunehmenden Erfolg des japanischen Porzellans nicht nur dessen Dekore, sondern verfeinerten auch die Qualität ihrer Waren durch Dünnwandigkeit, bessere und gleichmäßig verteilte Glasuren. Eine sehr erfolg- und einflußreiche Delfter Manufaktur war diejenige des Samuel van Eenhorn und später Pieter Adriaen Koeks, „De Grieksche A“, deren Arbeiten unter japanischem Einfluß im K’angsi-Stil entstanden, ebenso wie die Manufakturen unter Rochus Hoppesteyn in Het Jonge Moriaenshooft. Eine holländische Besonderheit bilden nicht nur die Kaststels, die Garnituren für Kaminsims Seite 30 und Schränke, sondern auch die Tulpenvasen, in denen die äußerst kostbaren Tulpen als einzelne Stiele präsentiert wurden. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts kam es auch im deutschsprachigen Bereich zu zahlreichen Manufakturgründungen – entweder auf Initiative des Landesfürsten oder von Privatpersonen: 1661 in Hanau, 1666 in Frankfurt a. M., 1678 in Berlin, 1680 in Kassel, 1707 in Braunschweig, 1710 in Ansbach, 1715/6 in Dorotheenthal (Thüringen), 1719 in Straßburg, 1716 in Bayreuth, 1741 in Fulda und 1746 in Höchst. Die deutschen Fayencen orientierten sich oft an Delfter Arbeiten nach ostasiatischen Vorbildern, zumal es sich bei vielen der Fayencegestalter um Calvinisten handelte, die die katholischen Niederlande wegen ihres Glaubens verlassen hatten. In der Ausstellung der Galerie Handwerk vertreten sind sowohl niederländische als auch deutsche Keramikarbeiten, die sich mit der jeweiligen Blau-Weiß-Tradition beschäftigen. Gesine Hackenberg verwendet besonders niederländische Teller, um aus ihnen neue Funktionen heraus zu entwickeln, wobei zugleich der bestehende Dekor neu interpretiert wird. Dirk Romijn schließt sich an die Fayence-Tradition des 17. Jahrhunderts an, indem er nicht nur die Farbigkeit aufgreift, sondern auch speziell auf die Bedürfnisse bestimmter Blumen wie Tulpen reagiert. In Zusammenarbeit mit einer alten holländischen Fayencemanufaktur entstehen Dekore, die an die alten Waren erinnern und die in ihrer inhaltlichen Auswahl auf die Geschichte des Fayence-Zentrums Delft verweisen. Claire Verkoyens Arbeiten erinnern an Vasengarnituren, die im Holland des 17. Jahrhunderts auf den Schränken und Kaminsimsen aufgestellt wurden. Die Beschäftigung mit Blau-Weiß-Arbeiten des bayerischen Raumes wird durch die Werkstatt Ernst Lösche aus Diessen, einen alten Keramikzentrum vom Ammersee, vertreten. Ernst Lösches Werke nehmen direkt örtliche Traditionen auf, indem sie Formen und Dekore nach lokalen Keramikfunden aufgreifen und damit für die Gegenwart benutzbar machen. Seite 31 „Kitchen Nacklace“ „Spoon Set“ Gésine Hackenberg „Occasionally, the realm of jewellery and commodities shift together very closely...Objects we use often become intimately important and indispensable to us, just as it happens to a piece of jewellery that we wear day in, day out. What people keep and wear often contains a huge emotional value next to its material one. Wearing jewellery on the body is the most intimate, but also direct form of showing this specific relationship to an object. By using materials, shapes, fragments and typical patterns out of another daily context as the base for my jewellery I aim transfer their meaning and emotional impact through my work. My materials of choice are precious metals, antique ceramics, textiles, as well as the very tough and resistant Japanese Urushi lacquer. These all come from the interlocking theme of household, kitchen, table and food culture.” Gésine Hackenberg Gésine Hackenberg (geb. 1972 in Mainz) arbeitet in ihrem Schmuck mit Keramik und Lack. In der Ausstellung zeigt sie Ketten und Löffelpaare, die aus holländischen Tellern mit blauweißen Dekoren herausgeschnitten wurden. Der Rest des Tellers bleibt dabei als Rahmen für die Arbeit erhalten und ihr zugehörig. Der ursprüngliche Zusammenhang wird somit bewusst gehalten. Durch die Funktionsänderung rückt das Alltägliche, der Gebrauchsgegenstand in den Bereich des Schmucks, der sonst eher mit materiell kostbaren Materialien verbunden wird. Durch die Auswahl, durch das Herausnehmen von Einzelstücken entstehen neue Muster und wird ein frischer Blick auf den Dekor gewährt. Doch ist bei den Ketten der ursprüngliche Zustand wieder rekonstruierbar. Auch der verbleibende Teller selbst erhält durch die Fragmentierung, durch die schwungvoll-kurvige Folge der runden Löcher ein neuartiges Erscheinungsbild, eine dekorative Erweiterung des bestehenden Dekors. Ausbildung 1992 – 1995 1996 – 1999 1998 – 2001 Seit 2001 Goldschmiedelehre in Wiesbaden Fachhochschule Pforzheim, Abteilung Schmuck und Gerät Gerrit Rietveld Academie, Amsterdam, Abteilung Schmuck eigenes Atelier in Amsterdam Seite 32 Ausstellungen (Auswahl) 2001 Delfts Blauw. Delft onder de loep, Gemeentemuseum Den Haag 2002 Het paradijs ligt op de keukentafel, Galerie Pont&Plas, Gent 2002 Lepels/Spoons, Galerie Ra, Amsterdam Talente 2002, Internationale Handwerksmesse München, München Home Made Holland, Crafts Council Gallery, London 2003 Tafel Plezier. Ontwerpen voor de Tafel. Museum voor Hegendaagse Kunst. ´s-Hertogenbosch 2004 Somethings, Galerie Ra, Amsterdam 2006 Double Life. Galerie Pont&Plas, Gent 2007 Schmuck 2007, Internationale Handwerksmesse München, München Auszeichnungen 2002 Talente-Preis 2002, München 2005 Startstipendium Stichting Fonds voor de Beeldende Kunsten, Vormgeving en Bouwkunst 2007 Ei, Artist-in-Residence in Beijing, China, mit Ausstellung Arbeiten von Gésine Hackenberg befinden sich u. a. im Gemeentemuseum Den Haag, dem Museum Boymans-van-Beuningen Rotterdam, dem Stedeliij Museum in Amsterdam. Seite 33 „Delft-Blaue Tulpenvase“ „Delft-Blaue Delft-Vase“ Dirk Romijn Dirk Romijn (geb. 1946 in Zaandam, Niederlande) gestaltet Blumenvasen, deren Form und Anlage den Bedürfnissen der dafür vorgesehenen Pflanzen folgen und deren Eigenschaften unterstreichen. So auch seine Amaryllis-Vase, die den hohen vertikalen Wuchs der Pflanze unterstreicht und durch eine Kreisform ergänzt, ihr Weiß oder Rot durch ein zartes Seladongrün ergänzt. Seine Vasen verarbeiten botanische Kenntnisse, indem sie Wachstumseigenschaften und den Flüssigkeitsbedarf der Pflanzen berücksichtigen. So entstanden die nach seinen Entwürfen bei der holländischen Fayencemanufaktur „Koninklijke Tichelaar Makkum“ blau-weiß bemalten Vasen für Tulpen. Ihre kurvige Form betont den Wuchs der Pflanzen, und die blaue Malerei verweist auf die holländischen Fayencen des 17. und 18. Jahrhunderts, in denen ebenfalls Tulpen als kostbare Pflanzen präsentiert wurden. Die Form der Vasen, ihre Beugung und ihr Aufstreben, beziehen sich zugleich auf die wechselhafte Geschichte der Stadt Delft, ein Zentrum für die blau-weißen Fayencen in Holland, auf ihren Niedergang und ihre Blüte. Auch Einzelformen der Vasen verweisen auf die Stadt. So versinnbildlicht das eingeschwungene Ende der einen Vase (Abbildung rechts) die Mikroskop-Linse von Antonie van Leeuwenhoek. Die hier eingefügten Malereien beruhen auf Zeichnungen van Leeuwenhoeks nach den von ihm betrachteten Zellen. Die äußeren Motive wiederum zeigen Hefezellen und verweisen auf eine im 19. Jahrhundert bedeutende Delfter Hefe-und Spiritusfabrik. Die zu einer Sternform verschränkten Quadrate beziehen sich auf zwei Bereiche der Technischen Universität in Delft – Architektur und Wissenschaften. Für die Motive des Vasenkörpers diente eine Vase der Manufaktur „Grieksche A“ von Adriaen Kocks im Amsterdamer Rijksmuseum als Vorbild, die selbst als Motiv auf dem Vasenkörper symbolische für die Delfter Fayencemanufakturen erscheint. Auch andere Motive haben eine auf Delft bezogene Bedeutung: die Buchregale verweisen auf den Gelehrten Hugo de Groot (Grotius), das Segelschiff auf die Admirale Piet Hein und Maarten Harpertszoon Tromp, die Orangenzweige auf das Haus Oranien. Weiterfinden sich Gerste, Hopfen (Delfter Bier), Erdnusspflanzen (Delfter Pflanzenöl), Pfennigkraut und Gänsefingerkraut, Seerosen wie sie in den Delfter Kanälen wachsen, ein Pinsel (Delfter Malerei). Auf den Delfter Maler Jan Vermeer verweist die Pelzmanschette, die von seinem Gemälde einer briefeschreibenden Dame (1665-1670, National Gallery of Art Washington) übernommen wurde. Somit bildet die Vase Seite 34 sowohl in Hinblick auf Funktion, Form und Motivik eine umfassende Hommage an Delft. Die andere Vase (Abbildung links) fordert eine andere Art des Arrangements. Die Öffnung oberhalb des Fußes dient zum Nachgießen von Wasser. Auch hier beziehen sich die blauen Motive der Malerei – Blüten, geometrische Musterbänder und Schuppenflächen – auf Delfter Vorbilder des 17. Jahrhunderts. Der Mündungsbereich erinnert an einen Fisch. Dirk Romijns jüngste Arbeiten, die DNAVasen (gegossenes, montiertes Steinzeug), die sich aus unterschiedlichen, Kobaltblau glasierten Kugeln und Kugelsegmenten zusammensetzt, ist für Fresien konzipiert worden. Die Anordnung der Kugelelemente variiert von Vasenobjekt zu Vasenobjekt, so dass mehrere Vasen eine interessante Gruppe ergeben. Die Vasen zeigen Dirk Romijns Suche nach einer schlichten, aussagekräftigen und „passenden“ Form, die durch Reduktion und Konzentration bestimmt ist. Ausbildung und Lehrtätigkeit 1977 Tätigkeit in der „Werkschuit“, Amsterdam 1978 – 1983 Gerrit Rietveld Academie, Amsterdam (Keramik) bei Jan van der Vaart, Beate Reinheimer und Henk Trumpe sowie Glasurstudien bei Emyy van Deventer 1983 eigene Werkstatt 1984 Zusammenarbeit mit Koninklijke Tichelaar Makkum“ 1995 – 2002 Lehrtätigkeit im Bereich Glasur an der Akademie voor Kunst en Vormgeving“ in s’Hertogenbosch 2000 – 2003 Lehrtätigkeit im Bereich Glasur an der Gerrit Rietveld Akademie, Amsterdam Seit 2008 Lehrtätigkeit an Pier-K, Hoofdoord Ausstellungen (Auswahl) 1984 – 1990 Beteiligung an Gruppenausstellungen im Het Kapelhuis, Amersfoort Seit 1898 Ausstellungen in der Galerie „Terra Keramik“, Delft 1994 Tulpomania, Binnen en Buiten“, Frans Hals Museum, Haarlem Contemporary Classics, Gallerie Ra, Amsterdam Made in Holland, Museum für angewandte Kunst Köln 1995 Tulpenvasen, Schloß Schönbrunn, Wien 1996 Keramik en Delft, Old Church, Delft 1998 In de Vitrine, Frans Hals Museum, Haarlem Keramik aus den Niederlanden, Galerie Handwerk München 1999 Delta Ceramics, Museum Het Princessehof, Leeuwarden Past Present, Gerrit Rietveld Akademie, Amsterdam Holländische Keramik, Yamaki Art Gallery, Osaka 2001 Gallery de Praktijk, Amsterdam 2002 Vasen aus 10 Ländern, Galerie für angewandte Kunst, Bayerischer Kunstgewerbeverein, München 2009 Gallery Eewal, Amsterdam Gallery Terra Delft Auszeichnungen 1997 A.V.A. Keramiek Award, Museum Het Princessehof, Leeuwarden Seite 35 „Into the Blue(s)” Claire Verkoyen „Diese Vasenserie ist inspiriert von chinesischem Porzellan des 17. und 18. Jahrhunderts. In den Arbeiten möchte ich Elemente der wunderbaren östlichen Keramik, die oftmals in koblatblauer Malerei dekoriert ist, aufgreifen. Beim Betrachten der Vasen des 17. und 18. Jahrhunderts mit ihren Naturmotiven, der Darstellung von Insekten, Pflanzen und Blumen, fiel mir die Parallele zu den Themen auf, die ich auf meinen eigenen Vasen zeige. Die Herausforderung bestand nun darin, die traditionellen keramischen mit den modernen digitalen Dekorationsverfahren zu kombinieren. Ich fand eine Expertin und Spezialistin im Bereich der chinesischen Pinselmalerei – An van Mechelen. Mit einem Pinselzug gelingt es ihr, ein Blatt in all seinen Details zu zeichnen. [...] Ausgehend von ihren Arbeiten begann ich selbst, Blumen und Insekten auf dem Computer mit einem 3D-Programm zu zeichnen und dann Siebdruck-Klebevorlagen zu erstellen. Somit sind diese Vasen durch das Spiel zwischen Modernität und Tradition bestimmt. Beim Betrachten der Vasen stellt sich ein seltsames Gefühl des Anachronismus ein.” Claire Verkoyen Claire Verkoyen (geb. 1959 in Willemstad, Curacao) beschäftigt sich immer wieder mit der Tradition der Keramik. Ihre Serie „Into the Blue(s)” greift Arrangements aus chinesischen Vasen mit blauer Malerei auf, die im 17. und 18. Jahrhundert in den Niederlanden auf Schränken oder Kaminsimsen aufgestellt wurden. Sie unterwirft diese Vasengarnituren allerdings gewissen Veränderungen. So unterscheiden sich die Formen und die Zusammenfügung der Einzelteile sowie die Proportionen der Vasen doch von den Vorbildern. Die Malerei wiederum scheint in dem freien pinselbetonten Duktus, dem asymmetrischen Auftrag der Motive, bei dem das Verhältnis von freier und bemalter Fläche genau einkalkuliert ist, eher chinesischen Tuschezeichnungen verwandt. Als Motive finden sich Kirschblüten, Pilze, Chrysanthemen, Vögel und Insekten. Das Besondere ist nun, dass diese Zeichnungen auf dem Computer bearbeitet und mit computergenerierten Motiven kombiniert werden. Speziell für die Ausstellung kreierte Caire Verkoyen ihre „Global Ethnic Plate”. Die Porzellanschale stammt aus Jigdezhen, dem alten chinesischen Porzellanzentrum. Sie wurde mit verschiedenen Stoffmustern aus unterschiedlichen Kulturen im digitalen Verfahren dekoriert. Die Stoffmuster verweisen auf Spanien, Frankreich und den arabischen Raum, wie sie Claire Verkoyen aus ihrer Jugend bekannt sind. Sie verbindet diese Zeugnisse unterschiedlicher Seite 36 Kulturen durch die gemeinsame Farbigkeit. Dabei spielt sie mit Räumlichkeit und Fläche: Die feinen dichten Muster scheinen trotz der angedeutenden Bewegung eher der Fläche verhaftet, während nun gerade die einfarbigen Bereiche durch ihre unregelmässige Einfärbung einen gerwissen Tiefensog entwickeln. Auch diese Arbeit reflektiert Claire Verkoyens Bestreben, Moderne und Tradition zu verbinden. Sie beschäftigt sich mit den Arbeiten der Vergangenheit und der Geschichte der eigenen Gattung und setzt diese variierend und unter Einbezug moderener Techniken fort. „Global Ethnic Plate” Ausbildung und berufliche Tätigkeit 1977 – 1980 Université de Paris VIII, dep. Arts Plastiques 1980 – 1984 Academie St. Joost, Breda, Keramik 1984 – 1985 Studienreise nach Mexiko Claire Verkoyen lehrte an der Keramiek Academie voor Beeldende Vorming in Amsterdam, der Willem De Kooning Akademie in Amsterdam und dem Keramik-Department der Gerrit Rietveld Akademie in Amsterdam. Ausstellungen (Auswahl) 1993 Museum of Ceramics, Het Princessehof, Leeuwarden “Action-Reaction” Arnhems Gemeentemuseum, Arnhem 1999 Gallery Maas, Rotterdam Museum of Ceramics, Het Princessehof, Leeuwarden 2000 Gallery Maas, Rotterdam 2001 World Ceramic Biennale 2001, Korea 2002 Gallery Maas, Rotterdam 2003 World Ceramic Biennale 2003, Korea: Bronzepreis 2004 Gallery Maas, Rotterdam, solo 2005 World Ceramic Biennale, Korea Ceramic Competition Mino, Japan Porcelain, A & D Gallery, Antwerpen SOFA Chicago, The Works Gallery 2006 Biennale de Ceramique, Andenne, Belgien 2007 World Ceramic Biennale, Korea SBK Amstelveen “Pretty Dutch” Museum of Ceramics Het Princessehof, Leeuwarden “Object”, Art Fair Rotterdam, at Art & Craft Too 2008 “Modern Ceramics from The Netherlands”, Gorcums Museum “Vessels from Fire” A&D Gallery Antwerp 5ème Salon Ceramique 14, Paris Digitaler Formenschatz, Galerie Handwerk München Ihre Arbeiten befinden sich u. a. im Gemeentemuseum in Arnhem, im Dordrechts Museum, dem Stedelijk Museum in Amsterdam, der Sammlung Vision Network in Tokyo, dem Museum Boymans van Beuningen in Rotterdam, dem Museum Het Prinsessehof in Leeuwarden, im World Ceramic Center in Ichon (Korea), im Yingge Ceramics Museum in Taiwan. Seite 37 Gartenkugeln in Granatapfelform Fayence-Krug Ernst Lösche In der Werkstatt von Ernst Lösche (geb. 1923, München) entstehen neben anderen Werkbereichen auch originalgetreue Nachbildungen von Diessener Fayencen des 17. und 18. Jahrhunderts. Als Vorbild dienen Keramiken, die seit 1963 auf dem Grundstück des Keramikers, auf dem schon 1679-1726 die Hafnermeister Wilhelm Rauch und Andreas Erntl tätig waren, und dann auch in der Umgebung gefunden wurden. Ernst Lösche beschäftigte sich intensiv mit der Erforschung dieser Funde, bei denen es sich um Reste aus den Werkstattbruchgruben handelt, und setzte seine Erkenntnisse in blau-weißes Fayencegeschirr um. Damit setzt er eine lokale Tradition fort, denn in Diessen befanden sich seit langer Zeit eine große Anzahl von Hafner-Werkstätten, von deren Produktion jedoch bisher wenig bekannt war – eine Lücke, die durch die Keramikfunde geschlossen werden konnte. Insgesamt waren in Diessen und Umgebung wohl 50 Hafnerwerkstätten tätig, die unterschiedliche Arten von Geschirr sowie Ofenkacheln fertigten. Bereits im 11. Jahrhundert wurde hier Keramik produziert, Fayence mit weißer Glasur wohl seit dem 16. Jahrhundert. Diessen konnte sich wegen der Tonvorkommen und seiner Lage an einer wichtigen Handelsstraße nach Italien als ein Keramikzentrum etablieren. In der Werkstatt von Ernst Lösche entsteZinnglasur versehen und mit dem Pinsel in hen Gebrauchsgegenstände von einfacher den Scharffeuerfarben Kobaltblau und Form, darunter bauchige oder birnenförManganbraun bemalt. mige Krüge und Kannen sowie Schüsseln. Charakteristisch für das 17. Jahrhundert sind Krüge mit sechsfach abgeplattetem Bauchbereich, in dessen Feldern sich Tier- und Vogeldarstellungen, Reiter oder christliche Symbole, darunter die Leidenswerkszeuge, finden. Als einfachere Muster in der Blaumalerei dienen aneinandergefügte Spiralen oder auf unterschiedliche Weise stilisierte Granatäpfel, Vögel, geometrische Muster und Schraffuren. Die Dekore folgen den Funden auf dem Grundstück der Keramikwerkstätte. Fayence-Krug, Werkstatt Wilhelm Rauch, Die Fayencen waren mit einer weißen Diessen, um 1690, Stadtmuseum Bayreuth Seite 38 Ausbildung und berufliche Tätigkeit 1945 – 1947 handwerkliche Ausbildung bei Gustav Fröhlich künstlerische Ausbildung bei Akademie-Professor Karl Lösche Seit 1947 eigene Werkstatt in Diessen Seit 1963 Forschungs- und Grabungsstätte „Altdiessener Keramik“ 1968 Mitbegründer der Galerie Handwerk, München 1972-1974 Leiter der Ausstellungen der Galerie Handwerk Auszeichnungen 1959 Diplom Florenz 1963 Bayerischer Staatspreis 1967 Anerkennungsurkunde für handwerkliche Qualität, IHM München 1977 Jahrespreis der Dannerstiftung 1978 Bayerischer Staatspreis 1984 Ehrenpreis der Dannerstiftung 1992 Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik 2005 Goldener Ehrenring der Marktgemeinde Diessen 2006 Denkmalschutzmedaille Seite 39 Porzellan und Blau-Weiß – das Zwiebel- und Strohblumenmuster Das sog. Zweibelmuster wird mit der Meissener Porzellanmanufaktur verbunden. Diese wurde am 23.1.1710 unter August dem Starken gegründet und war seit dem 7.3.1710 auf Albrechtsburg in Meissen untergebracht. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts besaß sie das Monopol der Porzellanherstellung. Die Gründung der Porzellanmanufaktur wurde durch die Nacherfindung der Porzellanmasse des seit 1701 von August dem Starken eigentlich zur Goldgewinnung festgehaltenen Alchemisten Johann Friedrich Böttger (1682-1719) und durch die Konstruktion von Brennspiegeln durch Walther Ehrenfried von Tschirnhaus (1651-1708) ermöglicht. Durch diese Spiegel gelang es erst, die hohen Brenntemperaturen in den Öfen zu erzeugen, welche für das Verwandeln der Aluminium- und Magnesiumsilikate in eine porzellanartige Masse notwendig sind. Böttger produzierte am 15.1.1708 das erste weiße Porzellan und präsentierte im Juli 1708 Proben von weißem Porzellan. 1716 entwickelte Böttger eine blaue Farbe, die zum Nachahmen der beliebten blauweißen chinesischen Porzellane nötig war. Die ersten chinesisch inspirierten Dekore in Meissen entstanden dann in Unterglasurblau. David Köhler und Johannes Gottfried Mehlhorn hatten 1720 erste Erfolge mit seinen Farbexperimenten erzielt. Doch war die kobaltblaue Farbe erst ab 1733 sicher handzuhaben. Nach einer neuen Glasur von 1739 wurde Unterglasurblau ab ca. 1745 umfassend für Servicewaren eingesetzt. In China wird die Malerei auf den ungebrannten Scherben aufgetragen, da das asiatische Weichporzellan wegen des niedrigeren Kaolinanteils eine niedrigere Brenntemperatur verlangt. In Meissen wird diese Malerei nach dem ersten Brand, dem Schrühbrand, aufgetragen und dann ein weiteres Mal gebrannt. Die Maler, die auf die blauen Dekore spezialisiert waren arbeiteten in der „Blauen Stube“. Die unterglasurblauen Dekore in Meissen basierten auf chinesischen Vorbildern, die im Laufe der Zeit zunehmend vereuropäsiert und vereinfacht wurden. Durch Missverständnisse konnte es auch zu Umdeutungen des Dekors kommen. Die frühen beliebten Motive orientierten sich an Arita Porzellanen. So das sog. Tischchenmuster (ab ca. 1732) oder das FelsVogel-Motiv (nach 1730 in Unterglasurblau). Beliebt als Motiv waren die „Indianischen Blumen“, eine phantasievolle Anordnung von Chrysanthemen, Päonien, Gartenzaun, z. T. mit Bambus. Besonders beliebt war seit der zweiten Hälfte des 18. Jahr-hunderts für einfache Geschirre mit Blaudekor das Strohblumenmuster. Der Dekor entstand durch eine Reduktion des chinesischen Formenschatzes und zeigt eine seitlich gesehene Chrysantheme, einen Päonienrest und gebrochene Zweige. Beblätterte Ranken befinden sich in durch vier Linien abgegrenzten gleichartigen Feldern. In die Mitte ist eine Kreisfläche mit strahlenkranzartiger Umrahmung gestellt. Im Zentrum ist eine weitere Chrysantheme eingefügt. Verschiedene Indianische Dekore lassen sich seit 1739, seit der Beendigung der Experimentierphase nachweisen, wobei in den 1740er und 50er Jahren vermehrt Kopien nach chinesischer Blaumalerei erscheinen, darunter Kakiemondekore und besonders die reichen dichten Brokatdekore der Imari, bei denen das Unterglasurblau durch Aufglasurfarbenmalerei in Rot und Gold vervollständigt wurde, oder auch Überdekore, d.h., dass die fertige Blaumalerei von Hausmalern überdekoriert wurde. Der heute noch bekannteste Unterglasurblaudekor ist jedoch das sog. Zwiebelmuster, das zuerst 1739 erwähnt, aber erst nach 1745 in größeren Mengen hergestellt wird. Es geht auf chinesische Vorbilder der K'ang Hsi-Zeit (1662-1722) zurück. Die Fahne der chinesischen Teller zeigt drei knollige Fruchttypen, von denen jeder nur einmal erscheint. Sie werden vom Außenrand hin nach innen orientiert und sind kurzstielig. Seite 1 Dazu zählen: der Granatapfel, der auf Grund seiner vielen Kerne, die durch eine seitliche Aufplatzung sichtbar gemacht werden, für Kindersegen stand; der herzförmige Pfirsich, ein Symbol für langes Leben, bzw. eine Mango mit abgeknickter Fruchtspitze; die in Südchina geläufige Mandarine, die etwas abgeflacht und mit bogigen Strichen wiedergegeben wird. Vielleicht handelt es sich auch um eine Fingerzitrone oder Buddhahand, die gerne mit Pfirsich und Grantapfel kombiniert wurde und für Glück und ein glückliches Leben steht. Dazwischen ist dichtgestreutes randständiges Blatt- und Blütenwerk mit großen Blättern, großer Blüte, Päonienknospen und Chrysanthemen eingefügt. Die Meissener Fahne dagegen zeigt vier Zwiebeln, die aus der „Mandarine“ abgleitet wurden, und vier Phantasiefrüchte, wobei vier nach innen und vier nach außen orientiert sind. Diese Phantasiefrüchte ergeben sich aus dem Verschmelzen von „Pfirsich“ für die Form und Granatapfel für das Gittermuster, das eine Stilisierung der Granatapfelkerne bildet und später wegfällt. Die Genese des Zwiebelmusters läßt sich gut an den erhaltenen Stücken nachvollziehen. Die frühen Arbeiten dokumentieren den Versuch einer möglichst getreuen Kopie. Zwischen 1750-60 ist eine Vereinfachung zu verzeichnen. Der Pfirsich erscheint ohne Gitter, der Stil wird verlängert, so daß eine Mangoartige Form entsteht. Im Spiegel der Meissener Teller findet sich ein Schakiado Bambus mit Winde. Päonie und große Chrysanthemenblüte sind unverändert übernommen worden. Es finden sich weiterhin kleine Chrysanthemen oder Ominaeshi-Blüten. Ominaeshi zählt zu den Herbstpflanzen und ist gekennzeichnet durch ein grasartiges Erscheinungsbild, hochstielige fächerartige offene Blüten. Im chinesischen Teller ist die Kebe mit einem dicht ornamentierten Band markiert, in das einzelne Blüten eingesetzt sind. Für die späteren Zwiebelmusterteller wurde die Bordüre der Kebe wurde von dem um 1732 entstandenen „Tischchenmuster“ übernommen, die aus einer gewellten Blattranke mit Punkten sowie aus Gruppen von langgezogenen Blättern besteht. Ab 1860 wird das „Zwiebelmuster“ zu einem der beliebtesten und meist produzierten Dekore Meissens. Es wird von zahlreichen anderen Manufakturen kopiert und variiert. Selbst Versuche der Manufaktur um 1900 durch die Hinzuziehung bekannter Gestalter des Jugendstils wie Richard Riemerschmid und Henry van de Velde Alternativen für das „Zwiebelmuster“ zu entwickeln, können die Beliebtheit des Dekors nicht beeinträchtigen. Heute gilt das „Zwiebelmuster“ als typisch großbürgerlich-konservativer Dekor. Zudem ist gerade das „Zwiebelmuster“ als Exportschlager der DDR in Erinnerung. Für junge Gestalter wie Maria Volokhova bietet dieser „klassische“ und traditionsreiche Dekor eine Möglichkeit, sich mit der Vergangenheit ihres Mediums auseinanderzusetzen. Freia Schulze übertrug extra für die Ausstellung Motive des „Zwiebelmusters“ in ein fremdes Medium – das Glas. Seite 2 Vase „Zwiebelmuster“ Vase mit blauem Überfang Freia Schulze Die Gefäße der Glaskünstlerin Freia Schulze (geb. 1950 in Lübeck) werden durch Glasschliff, -gravur und Emailfarben dekoriert. Der Glasschliff mit seiner langen Tradition ist durch das Relief, die sich sowohl haptisch als auch visuell vermittelnden Unterschiede der Oberfläche besonders reizvoll. Trinkgläser bezieht Freia Schulze von schwedischen Glashütten, Unikate werden nach ihren Entwürfen am Ofen geblasen und geformt. Hierbei arbeitet sie mit Ingrid Donhauser zusammen, die in Zwiesel ausgebildet wurde und 1983-1997 mit Heinz Fischer eine Werkstatt für Heißglasverarbeitung betrieb. Für Freia Schulze fertigt Ingrid Donhauser Gefäße aus Klarglas, manchmal mit einem dünnen Farbüberfang an der Innenseite. Freia Schulze arbeitet entweder aus einem farbigen Überfang feine Muster heraus, die gerade in der Zartheit der geometrischen Formen an Textilgewebe erinnern können und die mit geometrischen Randbändern kombiniert werden, deren regelmäßige Kontinuität die manchmal fast flirrende Bewegtheit des Wandungsmusters beruhigt, oder aber sie zeigt auf einer gerne auch mattiert-gefrosteten weißen Glasfläche ein dichtes Nebeneinander von bunten emaillierten Elementen. Hier mischen sich in einem lebendigen Arrangement geometrische Körper mit floralen Motiven. Es finden sich auch Gefäße mit linearen Randbändern und einem regelmäßigeren Nebeneinander von Blüten oder Früchten bzw. Blumengirlanden. Diese Arbeiten erinnern in der klassischen Becherform, der leuchtenden Farbigkeit und einer gewissen frischen und fröhlichen Naivität an Glasarbeiten des Biedermeiers. Die klaren geometrischen Musterbänder wiederum scheinen Anregungen durch die Wiener Werkstätten zu verarbeiten. Die Emailfarbe wird bei 540° Grad aufgebrannt, wobei durch mehrfaches Brennen eine hohe Farbintensität entsteht. Auf die farbige Fläche werden die einzelnen Motive oder Ornamentbänder als Folie aufgeklebt. Bei der Bearbeitung mit dem Sandstrahl bleiben diese abgedeckten Bereiche erhalten. Sie stehen dann ungefähr einen Millimeter über der restlichen Glasfläche, so dass noch eine räumliche Wirkung entsteht, die den schwebenden Charakter der Motive unterstreicht. Durch das leuchtend farbige Email und die matt gesandstrahlten Seite 3 Flächen ergibt sich ein reizvoller Kontrast. Zusätzlich bearbeitet Freia Schulze die Glasoberfläche in Gravur. Kennzeichnend für ihr Email ist die Farbvielfalt, die Nuanciertheit, die feinen Übergänge, die Sprenkel, welche einen lebendigen Farbeindruck hinterlassen. Für die Ausstellung entstanden auf den frei geblasenen Gläsern in blauem Überfang Muster, die mit Sandstrahl herausgearbeitet und mit Emailmalerei versehen wurden. Als Motive finden sich Fische, Stabelemente und zwiebelmusterartige Ornamente. Ausbildung und berufliche Tätigkeit 1967 – 1971 Werkkunstschule Schwäbisch-Gmünd, gestaltender Glasschliff bei Prof. Conrad Habermeier, Diplom 1971 – 1972 Studium an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien 1972 – 1975 Studium am College of Art in Stourbridge, besonders Glasguss sowie Verschmelzung- und Einschmelzverfahren 1976 Glasblasen im Studio von Erwin Eisch, Frauenau 1977 Künstlerische Mitarbeiterin der Hergiswiler Glaswerken, Schweiz 1978 Werkstatt in Diessen am Ammersee Seit 1988 Werkstatt in Lübeck Auszeichnungen 2007 Justus Brinkmann Preis für Kunsthandwerk, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg Ausstellungen (Auswahl) 1976 Modernes Glas, Museum für Kunsthandwerk, Frankfurt a. M. 1982 Glas unserer Zeit, Glasmuseum Frauenau 1983 Neues Glas in Deutschland, Kunstmuseum Düsseldorf & Kestner Museum Hannover 1985 II. Coburger Glaspreis, Veste Coburg 1986 GEDOC, Handwerkskammer Köln 1987 4. Triennale, Museum für Kunsthandwerk Frankfurt 1989 – 1995 Glas Now, Japan Seit 1989 Jahresmesse des norddeutschen Kunsthandwerks, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg 1991, 1994 und 1997, 2006 Triennale des norddeutschen Kunsthandwerks, Schloß Gottorf, Schleswig 2001 schön & gut, Stadtmuseum München 2006 III. Coburger Glaspreis, Veste Coburg Freia Schulzes Arbeiten befinden sich u. a. in den Sammlungen des Corning Museum of Glass, des Kunstmuseums Düsseldorf, des Glasmuseums Ebeltoft (Dänemark), des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg, des Grassi-Museums Leipzig, der Kunst-sammlungen der Veste Coburg, des Nishida Museums Toyama und des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums Schloß Gottorf in Schleswig. Seite 4 „Dolci Lacrime“, Tasse, 2006 „Dolci Lacrime“, Tasse, 2006 Maria Volkhova „Mit „Dolci Lacrime“(„Süsse Tränen“) wurde in Venedig im 17. Jahrhundert eine Musik bezeichnet, die angeblich an die Grenzen jeglicher menschlicher Gefühle ging. Sie war traurig und freudig zugleich, was die Hörenden zumeist in große emotionale Verwirrung stürzte. Die Idee [hinter Maria Volkhovas Porzellanarbeiten ist es], die Form und Strukturen des Inneren des Menschen zu verfremden und zu Gebrauchsobjekten umzugestalten. Eine plastische Form, die durch ihren Abstraktionsgrad in gewisser Weise auf ihre Urform hindeutet, sollte mit einer konkreten Funktion verschmolzen werden. Das aus dieser Fusion entstehende Objekt ist erst einmal frei von Leitbildern bezüglich der Gestaltung und frei von der Idee, wie dieses Objekt zu nutzen sei. Lediglich kann der Interessierte erkennen, dass es sich z.B. um ein Gefäß handelt, in welchem Dinge transportiert oder aufbewahrt werden könnten. Diese vage Funktion wird vom Betrachter identifiziert, stellt ihn in seinem, uns allen inhärenten, Forschungsdrang jedoch nicht zufrieden. Nun reichert er entweder diese neue Möglichkeit mit einer gänzlich neuen, differenzierten Funktion an oder aber er sucht nach der eigentlichen Idee, die hinter diesen, ja von einem Menschen interpretierten Gedanken, zu finden sein könnte.“ Maria Volokhova Maria Volokhova (geb. 1980 in Kiew, Ukraine) verändert bei ihren Tassen aus Hartporzellan mit Kobaltdekor in Unterglasurmalerei – z. T. auch mit zusätzlichem Golddekor – die klassische Tassenform durch das Hinzufügen von ranken- oder tentakelartigen Auswüchsen, die auch Henkelfunktion übernehmen können. Die Öffnungen verleihen diesen Auswüchsen auch den Charakter von Schläuchen. Bei Maria Volokhovas Kanne, die sich durch die Schräglage des Körpers und die zusätzlichen „Arme“ ohnehin von der traditionellen Kanne abhebt, wird die Irritation durch den Einschluss zweier Beine noch gesteigert. Es bleibt unklar, ob die Beine zur Kanne gehören oder ob der Besitzer der Beine sich in der Kanne befindet. Dieses Moment der Irritation lenkt zunächst von der Gebrauchsfunktion des Gegenstands ab. Zugleich deuten die Veränderungen der Form, die an Lebewesen erinnernden Elemente auf den Menschen als Gegenstand des besonderen Interesses der Künstlerin hin, das auch ihre Arbeiten im Bereich der Malerei oder Graphik dokumentieren. Als Dekor findet sich eine Variation des Strohblumenmusters – ein Muster aus stilisierten Blümchen und Zweigen – in Unterglasurblau, wie es Meissener Geschirre des 18. und 19. Jahrhunderts schmückt. Es kann von Goldranken überlegt werden und erinnert dann an frühe Arbeiten aus Meissen, bei denen der Unterglasurdekor oftmals durch „Hausmaler“ mit Golddekoren verziert wurde. Als zusätzliches Dekorelement – so bei der Kanne – erscheinen blaue Vögel nach einem Typus, den die Meissener Manufaktur von ostasiatischen Vorbildern übernahm. Seite 5 Diese Verbindung von organischen Formen, Gebrauchsfunktion und kostbaren traditionellem Dekor verleiht Maria Volokhovas Arbeiten eine seltsame Zwischenstellung, die sie umso reizvoller und interessanter werden lässt. Zwei Ansichten „Wie aus dem Herzen ein Mensch wird“ Ausbildung 1997–2004 2000 – 2001 2002 2006 – 2009 2004 2005 – 2007 2006 – 2007 Studium an der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein unter den Professoren Paris, Schrötter, Pleuger und Rug Accademia di belle Arte, Bologna Ohio University, Athens, USA Tokyo Art University (GEIDAI), Tokyo, Japan Diplom Malerei/Grafik, Burg Giebichenstein, Hochschule für Kunst und Design, Halle/Saale Aufbaustudium, Fachbereich Kunst, Burg Giebichenstein, Hochschule für Kunst und Design, Halle/Saale Studienaufenthalt an Geidai, Tokyo University of Art, FB Keramik, Tokyo Auszeichnungen 2005 Stipendium im Rahmen der Graduiertenförderung 2006 „Artist in Lab“, Stipendium der Kunststiftung Sachsen-Anhalt 2007 BKV - Preis 2007 für Junges Kunsthandwerk 2007 – 2009 Monbusho Stipendium der japanischen Regierung, Tokyo Ausstellungen (Auswahl) 2001 „Shift“ Volkspark Gallerie, Halle/Saale; „IN – OUT“, Bologna 2002 „Innere Ansicht”, Halle/Saale; „Graffinova“, Vaasa, Finnland; „Human and Nature“, Kirn; „Art exibition 2002 Halle/Saale“, Halle/Saale 2005 Diplomantenausstellung; Volkspark Galerie, Halle/Saale 2006 „Graduiert!“, Volkspark Gallery, Halle/Saale; GTZ, Frankfurt/ Main; „Artefakte“, Institut für Neurologie, Magdeburg 2007 Talente 2007, Internationale Handwerksmesse München; „Artist in Lab“, Moritzburg; Kunstmuseum Halle/Saale; „Die Kunst der Tafel“, Museum für Kunstgewerbe, Hamburg 2008 „Collage“, Craft2eu, Hamburg; „Grafisch“, LIA , Baumwollspinnerei, Leipzig; „48 Karat“, Halle/ Saale; „Labyrinthe“, Bautzener Kunstverein, Galerie Budissin; ISCAEE Symposium, National Museum of Nairobi, Sosabol Fine Art Festival Pyung Teak, Korea 2009 „Alien Art“, Tokio; „Short Circuit: The Book and The Guts“, Gallery Asumu, Tokio Seite 6 Umdruckdekore oder Transferdruck – Gebrauchsgeschirr in Blau Für den Um- oder Transferdruck auf Porzellan, der seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts praktiziert wurde, bestehen unterschiedliche Verfahren. Die Idee hierfür entwickelte 1756 John Sadler aus Liverpool. Bei dem geläufigsten Verfahren wird der gezeichnete Entwurf als Kupferstich gearbeitet. Die gravierte erwärmte Kupferplatte wird mit Druckfarbe aus Metalloxiden, Ölen und Flussmitteln bestrichen. Die Platte wird dann auf Seidenpapier abgedruckt, das mit einer Mischung aus Seife und Wasser beschichtet wurde, um zu verhindern, dass es an der heißen Platte kleben bleibt. Die gedruckten Motive und Bilder wurden ausgeschnitten und auf das Steingut, das wegen seiner hohen Saugfähigkeit für dieses Verfahren besonders geeignet war, aufgedrückt. Nach dem Wässern kann das Papier leicht abgewischt werden, während die Farbe an der Oberfläche kleben bleibt. Ab 1880 wurden auch lithographische Techniken für den Umdruckdekor angewendet. Das Umdruck-Verfahren wurde von den englischen Keramikmanufakturen in Staffordshire bis ins 19. Jahrhundert hinein angewendet. Es handelt sich um ein präindustrielles Verfahren, denn die Gefäße konnten durch diesen frühen Vorgänger des Abziehbildes einfach, kostengünstig, relativ schnell und in gleichbleibender Qualität dekoriert werden. Besonderer Beliebtheit erfreute sich in England das „Willow“- oder Weidenmuster“, dass z. Bsp. seit 1780 bei Thomas Minton, aber auch bei Spode (seit ca. 1790) und anderen Keramikmanufakturen hergestellt wurde. Dieses blau-weiße Muster diente wie auch die anderen blau-weißen Dekore als Ersatzprodukt des Bürgertums und des Mittelstands für das teurere Porzellan. Das „Willow“-Muster“ wurde mit einer Geschichte verbunden: Koong-see wurde durch ihren Vater die Heirat mit dem geliebten Chang verboten. Als beide fliehen, verfolgt der Vater Chang und lässt ihn töten, worauf sich Koong-see verbrennt. Beide verwandeln sich in Tauben. Diese beiden Vögel sind oberhalb der Weide, die namensgebend für den Dekor war, im Tellerspiegel dargestellt. Zum Grundmuster, das in genau dieser Form in der chinesischen Keramik nicht vorliegt, zählen der Gartenzaun, die Brücke mit drei Figuren, die Weide, der Teepavillon und die Vögel. Die Einzelelemente wurden ebenso wie der Randdekor von den Manufakturen im Detail variiert. er, Seite 1 Assemblage, in-glaze screen-print decals, Zinnglasur, Burgess and Leigh Worchester Teller (1906-1912); Ponteland-Kuh English Countryside, Assemblage mit Enoch Wedgwood Teller, in-glaze Paul Scott Paul Scott schließt sich in seinen Arbeiten an diese englischen Traditionen an. Seine Dekore basieren auf typischen englischen Blau-Weiß-Geschirren des späten 18. und des 19. Jahrhunderts, die er verfremdet und digital verändert. Auch seine Technik, die Arbeit mit Siebdruck-Abziehbildern, die als Unterglasurdekor Verwendung finden, bildet eine moderne Variation des Umdruckdekors. Er setzt einen Trend fort, der die Geschirrherstellung seit dem 17. Jahrhundert bestimmte, denn auch diese griff für ihre Dekore auf asiatische Vorbilder zurück und passte sie dem europäischen Geschmack und Vorstellungen an. Gerade die Landschaftsdarstellungen folgten dabei einem Ideal und hatten mit der zeitgenössischen Realität wenig gemeinsam. Diese Idealisierung macht Paul Scott durch seine „Dekoreingriffe“ deutlich und bezieht sie zugleich kritisch auf die eigene Gegenwart. So wird in seiner Assemblage „The English Countryside“ die liebliche Landschaft mit malerischer Brücke und Burgruine durch einen Stacheldrahtzaun, einen Kampfjet und einen Fabrikschornstein gestört. Paul Scotts Serie „Scott’s Cumbrian Blue(s)“ bezieht sich nicht nur auf die Landschaft, in der viele Keramiker ansässig sind und auf die Farbigkeit, sondern bezieht als Wortspiel auch Melancholie und Traurigkeit ein. Die Serie zeigt Scott als einen Keramikkünstler, der sich intensiv mit den zeitgenössischen Problemen von Klimaveränderung und Umweltschutz beschäftigt. Im Falle seiner Platte „Cumbian blue(s), Three Gorges ... After the Dam“ (Drei Schluchten Damm) ist die Wahl des chinesischen Vorbilds inhaltlich motiviert. Der Name bezieht sich auf den großen Stausee aus dem Yangtze-Fluß. Schon während des Baus zeichneten sich Veränderungen der bisherigen Situation ab, u. a. auch eine Erhöhung des Wasserstands, so dass Umsiedlungen erfolgten. Darauf bezieht sich das Überdecken des traditionellen „Willow“-Musters mit einem wellenartigen Linienmuster, das nur die Baumspitzen und die Vögel sichtbar lässt und damit Überschwemmung assoziiert. Three Gorges – After the Dam (2), in-glaze decal Collage auf Royal Worchester Porzellanteller Seite 2 „The Willow Pattern was designed in Stoke on Trent for industrial mass production. It represents an archetypal English view of the oriental, and the exotic; originally alluding to the expensive, hand-painted landscapes on imported Chinese porcelain. Paul Scott Bei anderen Arbeiten verwendet Paul Scott altes Geschirr verschiedener Manufakturen, auf das er seine Motive aufbringt. Hierbei handelt es sich um moderne Landschaften, in denen sich Fabriken und Stromleitungen befinden. Das traditionelle Blau-Weiß wird nun mit zeitgenössischen Sujets kombiniert. Daneben entstehen auch – im Sinne einer Geschirrassemblage – Zusammenstellungen aus Tellern und aus unregelmäßig geformten Keramikplatten, die mit Kühen und Baumgruppen bedruckt sind. Hieraus bildet Paul Scott eine Art Landschaftsrelief. In der Verwendung alter Keramik, dem Herauskopieren traditioneller Keramikmotive, dem Einfügen zeitgenössischer „Unruhemotive“ in ansonsten idyllische Landschaften, dem Variieren des Bekannten thematisiert Paul Scott den Umgang mit dem Erbe und der Verantwortung gegenüber der Natur. Die Zeugnisse des materiellen und kulturellen Erbes – Objektund Motivwahl – fungieren als Verweisebene. Dieses geschieht auf eine nachhaltige, geistreiche und auch witzige Weise „Millenium Willow for Sellafield (or Plutonium is forever, well 24 Millennia anyway)” Als direkte Auseinandersetzung mit dem „Willow“-Muster ist Paul Scotts Berarbeitung eines Worchester-Tellers zu nennen. Er ersetzte den Teepavillon durch die dampfenden Meiler des Atomkraftwerks Sellafield, in dem sich 1957 ein schwerer Unfall ereignete und das Segelboot durch Frachter. Das Symbol für Radioaktivität und die Gefahrenstoffkennzeichnung werden in die chinesische Ornamentik der Tellerfahne integriert. Dieser Teller macht besonders deutlich wie Paul Scotts Arbeit mit Traditionen funktioniert: Das Bekannte wird auf eine solche Weise verfremdet, dass es erkennbar bleibt und zugleich als Träger von Inhalten dienen kann, die sich auf zeitgenössische Probleme beziehen. Seite 3 Ausbildung und berufliche Tätigkeit 1972 – 1977 S. Martins College, Lancaster 2000 – 2003 The Norma Lipman, Senior Research Fellow, Department of Fine Art, University of Newcastle-upon-Tyne 2002 – 2003 Visual Arts Curator, Beacon Museum and Art Gaalery, Whitehaven, Cumbria 2004 – 2007 Phd fellow Manchester Institute for Research and Innovation in Art and Design, Manchester Metropolitan University Auszeichnungen (Auswahl) 2002 Northern Arts Award zu Forschungen in Hinblick auf Umdruckdekore 2004 Arts Council-Stipendium für Forschungen in Norwegen, Schweden und Finnland 2006 Stipendium des British Council für eine Ausstellung in Stockholm Gastkünstler University of South Australia, The JamFactory, Adelaide, Australien 2007 Gastkünstler am Emily Carr Institute of Art and Design in Vancouver, Kanada Gastkünstler an der Denison University, Granville, Ohio, USA Ausstellungen (Auswahl) 2001 Blue and White (haven), Beacon Museum and Art Gallery, Whitehaven, Cumbria Digital Ceramics, The Light Factory, Charlotte, North Carolina Messages and Meanings: The Narratives of Print, Bankfield Museum, Art Gallery Halifax 2002 Blue+white+radical, Garth Clark Gallery, New York 2003 Cumbrian Blue(s), Tullie House Museum and Art Gallery, Carlisle Telltale. Narratives within Contemporary Crafts, Shipley Art Gallery 2004 Collect, Victoria & Albert Museum London 2005 A Great Mania. The Influence of Delftware, Sun Valley Center for the Arts, Idaho, USA 2006 blås&knåda, Stockholm 2007 Confected Landscapes, Cultural Wall paper and Contemporary Vignettes, Manchester Metropolitan University Dreadful Delights, Nationalmuseum, Stockholm Functional Art, Kopenhagen Unsoiled, Nature/Culture themes in clay, TweedMuseum of Art, Duluth University, Minnesota, USA 2008 Cumbrian Blue(s), Manchester City Art Gallery Object Factory, Gardiner Museum, Toronto Tea’s up, Contemporary Applied Arts, London Gift, Think Tank 2009 Cumbrian Blue(s), the Rörstrand Museum, Lidköping, Schweden Nature and Nation, Museum of the Seam, Jerusalem Object Factory, Museum of Art and Design, New York Paul Scott ist Autor von „Ceramic and Print” (1. Aufl. 1994). Er hat auf zahlreichen Kongressen Vorträge zu diesem Thema gehalten. Arbeiten von Paul Scott befinden sich u. a. in den Sammlungen der Museen von Newcastleupon-Tyne, Carlisle, des National Museums Stockholm, des National Decorative Arts Museums in Trondheim (Norwegen), des National Museum in Stockholm, der Manchester City Art Gallery, der Shipley Art Gallery, des Museums Bellerive in Zürich, des York City Museum and Art Gallery und des Victoria & Albert Museums London. Seite 4 Graphische Muster in Blau-Weiß Die Farbkombination Blau-Weiß lädt – wie die ausgestellten Arbeiten zeigen – zu einer Vielzahl von graphischen Mustern ein. Diese können in größeren Flächen oder als Streifen erscheinen. Streifen verschiedener Breite und Dichte finden ebenso Einsatz wie geometrische Muster, die mit dem Kontrast von klare umgrenzten weißen und kobaltblauen Flächen arbeiten. Welche Breite der Möglichkeiten in der Arbeit mit Streifen besteht, wird in den gezeigten Arbeiten deutlich. Sie können sich auf traditionelle Gebrauchsgeschirre mit Streifendekor beziehen wie die Arbeiten von Sue Binns, das Tafelservice für die Gegenwart thematisieren wie die Arbeiten von Stefanie Hering oder die Materialität des Porzellans, seine Feinheit durch den Dekor aus leuchtend blauen Streifen, Flächen und feinen Quadratrastern betonen wie die Arbeiten von Elisabeth Schaffer und Piet Stockmans. Bei Kap Sun Hwangs Gefäßen betonen die Streifen die Perfektion von Farbigkeit und Oberfläche, gliedern sowohl die Außen- als auch die Innenseiten der Vasen von schlichter Formgebung. Graphische Muster wie diejenigen auf den Flaschen und Vasen von Corrien Ridderikhoff abstrahieren kompliziertere historische Dekore. Weiterhin finden sich – so bei Petra Fischer – eingeprägte Dekore aus stilisierten Pflanzen, die eine textile Qualität besitzen und die Oberflächen im Relief schmücken. Von textilem Charakter sind auch die Musterungen aus Blau-Weiß auf den Gefäßen von Ulrike UmlaufOrrom. Sie basieren auf den Gegebenheiten des Materials selbst. Seite 52 Schalensatz Tassen Kanne Sue Binns Sue Binns erlernte weitgehend autodidaktisch das Töpfer-Handwerk und studierte zudem bei Ian Godfrey an der Montem School. Das Kennzeichen ihrer Gebrauchskeramik sind blaue Streifenmuster. Die Muster entstehen durch das Auftragen von verdünntem Kobalt mit einem Pinsel auf die Glasur. Anschließend wird das Objekt bei 1240° Grad gebrannt. Sue Binns nutzt Streifen in unterschiedlicher Breite, Dichte, Geradheit und Ausrichtung, wodurch eine Fülle von unterschiedlichen Wirkungen entsteht, die einzelnen Gegenstände sich aber dennoch harmonisch zusammenfügen. Als Anregung dienen ihr nicht nur japanische Textilien und Arbeiten der Pop-Art-Künstlerin Bridget Riley, deren Kennzeichen ebenfalls der Streifen ist, sondern auch die Keramik des Mittelmeerraumes und diejenigen der englischen Rye Pottery aus den fünfziger Jahren. Seit 1992 betreibt Sue Binns ihre Töpferei in Nord-London. Ausstellungen (Auswahl) 1996 Chelsea Craft Fair 2000 Tranist Design Rom 2005 Chateau des Bosmelet, Seine Maritime 2006 Origin; Evening Standard Award for Best Domestic Product 2009 „Cup”, Devon Guild of Craftsmen Seite 53 Schalen und Platten Schale und Platte Petra Fischer – 1260 Grad Petra Fischers Schalen und Platten kennzeichnen sich durch die textilen Muster und die sich von dem Weiß des Porzellans in Relief und Farbigkeit absetzenden Dekore. Die Arbeiten entstehen in Überschlagtechnik und werden bei 1260° Grad gebrannt. Die Muster erinnern an Spitzen- und Häkelarbeiten, die Rosetten, Spiralen, Sterne, Blumen und geometrische Arrangements aufweisen. Die farbige Glasur findet sich auf den tiefer liegenden Partien. Sie betont entweder das Muster oder bildet den farbigen Grund, von dem sich das weiße Muster markant abhebt. Ausbildung und berufliche Tätigkeit Lehre, Gesellenzeit und Meisterprüfung 1996 Gründung der eigenen Werkstatt in München 1999 Eröffnung der Ladenwerkstatt 1260 Grad in München Seite 54 Drei Schalen Stephanie Hering Berlin „Für eine Porzellanmanufaktur gibt es nur wenige Farben, die den hohen Brenntemperaturen des Hartporzellans standhalten. Die Farbkombination ist also für eine Porzellanmanufaktur genauso klassisch wie für den Freistaat Bayern. Die Porzellanmanufaktur Hering Berlin greift in ihren blauweißen Themen zum Einen das Dekor „Zwiebelmuster“ auf und interpretiert es zeitgenössisch. Zum Anderen zeigt Hering Berlin in einem feinen Kobaltliniendekor auf Biskuitporzellan die Materialität der Farbe Kobaltblau, die bei 1400°C ausdampft, in den Scherben hineinsinkt, nicht mehr spürbar ist. Blau-Weiß ist für Porzellan die klassische Farbkombination überhaupt. Die Porzellanmanufaktur Hering Berlin interpretiert klassische Themen zeitgenössisch mit dem Anspruch, eine neue Klassik der Tischkultur zu erschaffen.“ Wiebke Lehmann/Stefanie Hering Stefanie Hering Berlin hat es sich zum Ziel gesetzt, moderne Tafelkultur, Funktionalität und traditionelle Techniken zu verbinden. So werden u. a. Service und Objekte mit kobaltblauen Dekoren auf unglasiertem, mattem Biskuitporzellan kreiert. Nachdem das Scharffeuerkobalt auf das Porzellan aufgetragen worden ist, wird es sieben Stunden bei 1300°-1400° gebrannt. Die Serviceteile sind durch Reduktion, Schlichtheit, Eleganz und sorgfältig bedachte Proportionen gekennzeichnet. Dieses betrifft nicht nur die Form allein, sondern ebenso den Dekor. Wichtig ist stets, wo auf dem Objekt die Malerei aufgebracht ist, wie die Abstände zwischen den Linien gehalten sind. Die Zeichnungen aus wenigen Linien sind effektvoll auf dem weißen Porzellangrund angeordnet. Dabei kann es sich um freie Linienmuster, stilisierte Naturmotive in dynamischer Zeichnung von nahezu japanisch anmutender Qualität oder klare Streifenmuster von unterschiedlicher Dichte handeln. In der Manufaktur Stefanie Hering Berlin entstehen sowohl in Handarbeit produzierte Tafelgeschirre als auch Unikate wie Lampen und Objekte. Alle Arbeiten sind geprägt durch die Verwendung von Biskuitporzellan mit matter, weicher Oberfläche, die sorgfältige handwerkliche Fertigung, die überlegte Formgebung und die präzisen Dekore. Die Manufaktur arbeitet mit zahlreichen international renommierten Köchen und Restaurants zusammen. Ausbildung und berufliche Tätigkeit Lehre zur Keramikerin in Ludwigsburg Studium an der Fachhochschule für Keramikgestaltung in Höhr-Grenzhausen Meisterprüfung 1992 Atelier mit Wiebke Lehmann in Berlin 1999 Gründung der Porzellanmanufaktur hering-berlin mit Götz Esslinger und Wiebke Lehmann Seite 55 Auszeichnungen (Auswahl) Hessischer Staatspreis, „red dot award“, ICFF Editors Awards Craftsmanship, Landespreis Berlin 2009 Goldmedaille, Ceramic Biennale, Korea Die Arbeiten von hering berlin befinden sich u. a. in den Sammlungen des Museum of Modern Art in New York, des Musée National de Céramique in Sèvres, des Kunstgewerbemuseums Berlin, des Museums für Kunsthandwerk in angewandte Kunst, Frankfurt a. M., des Grassimuseums in Leipzig. Drei Schalen Seite 56 Gefäße Gefäße Kap-Sun Hwang Kap-Sun Hwang (1963 geb. in Seoul, Süd-Korea) verbindet in seinen Werken eine schlichte elegante Formgebung mit dem Einsatz farbiger Tone. Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Meissener Porzellanmanufaktur setzte er sich intensiv mit dem Thema „Streifen“ auseinander – ein Interesse, das in dem Arrangement der Flächen, den Streifen und Gitterstrukturen auch in seinen blau-weißen Arbeiten deutlich wird. Das ästhetische Experiment wird dabei mit dem technischen verbunden, denn es musste erst eine Möglichkeit gefunden werden, die einzelnen Tonbereiche ohne Rissbildung mit einander zu verbinden. Die Suche nach hoher Qualität und das Ausloten der technischen Möglichkeiten, das Einlassen auf die Bedingungen des Materials prägen die Arbeiten des Keramikers. Sein Interesse gilt dabei sowohl der haptischen als auch der optischen Oberflächenwirkung. In seinen blau-weißen Gefäßen verbindet sich ein dunkles Blau mit einem klaren Weiß. In früheren Arbeiten unterteilte er einen Teil des Gefäßes durch ein blaues Raster in Felder oder Streifen, dem Bereiche gegenübergestellt sind, die durch lebhafte wasserstrudel- oder wolkenartige Formen von kurviger oder streifiger Dynamik bestimmt werden. Musterung und Klarheit, Ruhe und Bewegtheit sind in ein äußerst ausgewogenes und bedachtes Verhältnis gebracht. Andere Arbeiten weisen schmale blaue Streifen auf, die sich an wenigen Stellen „öffnen“, damit die Farbe in das Weiß des Gefäßes einsickern kann. Die Farbe scheint über die lineare Begrenzung in die weißen Flächen zu laufen. Auch bei diesen Gefäßen von schlichter Zylinderform überzeugt Kap-Sun Hwangs Sensibilität für Proportionen. Die in München ausgestellten Arbeiten sind durch schmale blaue Streifen oder breitere blaue Bänder gekennzeichnet, die sich entweder in regelmäßigem Abstand um die Vase legen oder sich in ausgewogener Rhythmisierung abwechseln. Neben einfachen Vasenformen zeigt Kap-Sun Hwang in München auch Vasen mit getreppter Kontur, wobei der Liniendekor ins Räumliche umgesetzt wird. Seite 57 Ausbildung und Lehrtätigkeit 1983 – 1986 Studium der Freien Kunst und der Keramik, Seoul National University, Seoul 1991 – 1998 Studium der Keramik, Muthesius-Hochschule, Kiel bei Johannes Gebhardt und Kerstin Abraham 1998 – 2000 Stipendium der Dr. Hans-Hoch-Stiftung, Neumünster 1998 – 2000 Tätigkeit für die Staatliche Porzellan-Manufaktur Meißen 2000 Gastprofessur, National Academy of Fine Arts, Hang-Zhou, China Seit 2001 Kellinghusen, Schleswig-Holstein Ab 2001 Tätigkeit für die Porzellanmanufaktur Fürstenberg Ab 2003 Professur, Seoul National University, Seoul Ausstellungen (Auswahl) und Auszeichnungen 1992 Kunstverein, Preetz; Kieler Schloß, Kiel 1993 Musée de Carouge, Genf Keramion Frechen Galerie Theis, Berlin 1995 Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum, Kloster Cismar Galerie Amber, Leiden, Holland Keramik Galerie Hilde Holstein, Bremen Keramion, Frechen 1996 Galerie Kadans, Den Haag, Holland „Art GENDA „96“, Kopenhagen, Dänemark Handwerkskammer zu Köln Jahresschau, Kloster Cismar 2002 Justus Brinckmann Preis, Hamburg 2003 Galerie Theis, Berlin 2008 Laureate 2008, Grassi-Messe, Leipzig Seine Arbeiten befinden sich u. a. in den Sammlungen des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg, des Museums für angewandte Kunst Frankfurt a. M., des Museums für Kunsthandwerk/Grassimuseum Leipzig, des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum Schloß Gottdorf, Schleswig sowie des Ichon World Ceramic Center in Süd-Korea. Seite 58 Flaschen Deckelgefäß Corien Ridderikhoff Corien Ridderikhoff (geb. 1953) arbeitet in einer Wachstechnik, die die Prinzipien der Batik auf die Keramik transferiert. Sie trägt Wachs auf die Gefäße auf, die anschließend in blaue (oder schwarze) Glasur getaucht werden. Beim Brennen bei 1270° Grad schmilzt das Wachs. Als Ergebnis entstehen Oberflächen, die durch den Kontrast von glasierten glänzenden und matten Partien sowie durch ein Relief bestimmt sind, das eine Folge des dicken Glasurauftrags ist. Die schlichte, zumeist kantige Form der Gefäße – Flaschen und fünfeckige Deckelgefäße – wird durch geometrische Muster, darunter unterschiedliche Variationen von Zacken-Dekoren, Dreiecken, Quadraten, Radmustern geschmückt. Sie strukturieren die Flächen der Gefäße. Gerade die Deckelgefäße und ihre Zusammenstellung zu einer Gefäßgruppe erinnern an holländische Kamin- und Schrankgarnituren. Von diesen sind Corien Ridderickhoffs Arbeiten jedoch durch die strengen, abstrakten Muster unterschieden. Es kommt hier zu einer Variation, zu einer Neuauffassung von traditionellen künstlerischen Gestaltungsformen. Als ihre Anregungen nennt Corien Ridderickhoff chinesische, japanische und holländische Keramik sowie indonesische Batikarbeiten. 1989 und 1995 reiste sie nach Indonesien, 2005 nach Istanbul, eine weiteres Zentrum für Blau-weiße Keramiken. Ausbildung und berufliche Tätigkeit 1971 – 1977 Gerit Rietveld Academy, Amsterdam 1977 – 1978 Ceramic Work Centre, Heusden 1978 Gründung der Werkstatt Kleikollektief gemeinsam mit der Keramikerin Klaartje Kamermans 12982, 1987 Ceramic Work Centre, Heusden 2004 European Ceramic Work Centre, s‟Hertogenbosch Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland, u. a. in der Galerie Terra Delft. Corien Ridderikhoffs Arbeiten befinden sich in den Sammlungen des Museums Het Princessehof, Leeuwarden, des Westerwaldmuseums in Höhr-Grenzhausen, der Amsterdamse Artoteken, und des Museums voor Hedendaagse Kunst s‟Hertogenbosch. Seite 59 Gitterkubus mit Ausguck, Porzellan, Kobaltschichttechnik, 2007 Gitterkubus „verschlossen“, Kobaltschichttechnik, 2008 Elisabeth Schaffer Elisabeth Schaffer (geb. 1935 in Wien) arbeitet schon seit langem mit der Farbkombination Blau-Weiß. Ihre frei aufgebauten Werke bestehen aus dünn gegossenen Porzellanplatten mit eingewalzten oder einradierten und eingefärbten Porzellanlinien. In der Ausstellung zeigt Elisabeth Schaffer kubische Objekte, deren Form in dem Quadratraster aus eingewalzten blauen Linien wiederholt wird. Die kräftige geschlossene Form wird durch die Feinheit des Linienmusters noch gesteigert. Bei dem einen Objekt (rechts) wiederholt sich die Geschlossenheit der Form in den blauen Quadraten, die sich in unterschiedlicher Anordnung auf der Mitte der jeweiligen Seiten finden, bei dem anderen Objekt (links) wird die Kompaktheit der Form durch die aufgesetzten dünnen griffartigen Scheiben kontrastiert. Das Linienmuster wird über diese Aufsätze hinweg geführt und scheint die Scheiben an die Fläche zu binden, von der sie sich jedoch abheben. Hierdurch entstehen reizvolle räumliche Effekte. Die Kreisform der Scheiben, in deren Mitte sich ein Punkt befindet, bildet einen Kontrast zu den Quadratflächen des Kubus. Elisabeth Schaffer arbeitet gerne mit unregelmäßigen Formen, blauen eleganten Wellenmustern, und verwendete Schnitt und Risse, die die Fragilität des Materials unterstreichen wie die beiden ausgestellten Vasen belegen. Dieses wiederholt sich in den Objekten in der Feinheit und der unregelmäßigen Kontur der Scheibenaufsätze. Ausbildung und berufliche Tätigkeit 1950 – 1954 Keramiklehre und Gesellenprüfung in Wien 1954 – 1955 Studienaufenthalt in Spanien 1956 – 1961 Studium an der Akademie für Angewandte Kunst Wien seit 1982 Mitglied der Académie Internationale de La Céramique, Genf 1984 Gründungsmitglied der Gruppe 83 Studienreise nach Japan Auszeichnungen (Auswahl) 1973 Danner-Preis 1978 Bayerischer Staatspreis München 1982 Westerwaldpreis, Höhr-Grenzhausen Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland. Elisabeth Schaffers Arbeiten befinden sich u. a. in den Sammlungen des Kunstgewerbemuseums Berlin, der Musées Royaux d‟Art et d‟Histoire Brüssel, der Kunstsammlung der Veste Coburg, des Kunstgewerbemuseums Dresden, des Hetjen-Museums Düsseldorf, des Kunstgewerbemuseums in Prag und der Neuen Sammlung München. Seite 60 Wandinstallation „Blue book“ Piet Stockmans Piet Stockmans (geb. 1940 in Leopoldsburg, Belgien) zählt zu den renommiertesten zeitgenössischen Keramikern. Er hat neben seinen künstlerischen keramischen Arbeiten eine „Studio Collection“ geschaffen, die in erster Linie Tafelgeschirr und Objekte für den Innenraum in Kleinstserien beinhaltet. Piet Stockmans hat seine keramische Laufbahn auf den beiden Farben Blau und Weiß aufgebaut. Mit der Gestaltung seines ersten Klassikers, der Tasse „Sonja“ 1967, ist er der zylindrischen schlichten Form seiner Porzellangefäße treu geblieben. Variationen von unterschiedlicher Größe im gleichen Formenkanon sind für sein Werk charakteristisch. Die Gefäße können einen blauen Rand aufweisen, sind unregelmäßig in blaue Glasur getaucht oder mit einem blauen breiten Rand abgeschossen. Piet Stockmans ist berühmt für seine Installationen in Porzellan, die er für Innen- aber auch Außenräume schafft. Durch den Rhythmus von Serien – Gefäße, die er tausendfach wiederholt – verdichtet und konzentriert er Form und Material. Für eine Installation im Provinciaal Museum Hasselt in Belgien 1990 komponierte er mehrere tausend kleine Schälchen gleicher Form zu einem großen unregelmäßigen Bodenbild. Die einzelnen Schalen unterschieden sich z.T. nur durch feinste subtile Unterschiede der blauen Farbe und des Farbauftrags. Für eine andere Installation 1992 in Rilly-Sainte-Syre, Frankreich, wurden hunderte Porzellanstreifen an die hölzerne Außenwand eines Schuppens gehängt. Jeder Streifen sieht auf den ersten Blick wie ein ausgerissener Papierstreifen aus, der in Tinte getaucht wurde. Durch die dichte Anordnung einer vertikal verlaufenden Streifenmenge an der Gebäudeseite und einigen wenigen Streifen, die sich über die Front verteilen, schafft Piet Stockmans den Eindruck von sich im Wind bewegenden leichten Papieren. Die Anlehnung an Naturelemente, das Spiel mit optischen und haptischen Erscheinungen machen seine Arbeiten besonders beeindruckend. In München zeigt Stockmanns neben zarten Bechern mit blauem „Überlauf“ und Buchobjekten eine Installation aus Flügeltassen oder kleinen Zylindern, die im oberen Bereich aufgerissen wurden, um einen flügelartigen Griff auszubilden. Der Boden dieser Zylinder ist blau eingefärbt. Sie sind in unterschiedlich dichtem Arrangement aufgehängt. Seite 61 Berufliche Tätigkeit 1966 – 1989 Designer für Royal Mosa B.V. in Maastricht (NL) 1969 – 1998 Lehrtätigkeit für Produktdesign an der Design Academy in Genk (B) 1983 – 1985 Lehrtätigkeit für Keramik-Design an der Design Academy in Eindhoven (NL) seit 1989 selbständig tätig 1997 – 1999 externer Prüfer am Royal College of Art London Die Arbeiten Piet Stockmans finden sich in allen wichtigen Sammlungen und Museen. Becher, Porzellan, Schlickerguß Preise und Auszeichnungen (Auswahl) 1987 Ion Award, Good industrial design, Maastricht 1988 Official Prize from the Flemish Community for Visual Arts 1993 Award „Art and smell” (NL), Parfüme-Verpackung 1995 Kulturbotschafter für Flandern 1996 RED DOT-Auszeichnung für Höchste Designqualität, Nordrhein Westfalen 1998 van de Velde price for a carreer, Design Vlaanderen 2006 Design for tableware LA MER, European Ceramic Context, Bornholm Wichtigste Ausstellungen seit 1991 Amsterdam (NL) Stedelijk Museum Arnhem (NL) Museum voor Moderne Kunst Barcelona (E) Museu de ceràmica Berlin (D) Ambtswoning Ambassadeur Brussel (B) Vlaams Parlement Chicago (USA) Luminaire Deinze (B) Museum van Deinze en de Leiestreek Gent (B) Designmuseum Gera (D) Haus Schulenburg Henry van de Velde Hasselt (B) Stedelijk Museum Stellingwerff-Waerdenhof Heerlen (NL) StadsgalerijHelsinki (FL) Museum of Art and Design London (GB) Crafts Council, London (GB) New York (USA) Galerie Garth Clark Oostende (B) Provinciaal Museum voor Moderne Kunst und Venetiaanse Gaande- rijen Paris (F) Galerie Ortillés-Fourcat Rome (I) Academia Belgica Selb (D) Europäisches Industriemuseum für Porzellan Seoul (KOR) Tong-in Gallery Toronto (CAN) Gardiner Museum Installation, Museum Hasselt in Belgien 1990 Seite 62 Schalen aus Glas in der Verschmelz- und Absenktechnik (Fusing) Ulrike Umlauf-Orrom „Durch das mehrschichtige, komplexe Verweben von linearen farbigen Strukturen komponiere ich Glas von einer stofflichen Qualität. Daraus forme ich mit Vorliebe klare, strenge Gefäßobjekte.“ Zur Fusing-Technik: „Transparente Glasscheiben werden aufwändig bearbeitet, eingefärbt, vielschichtig in mehreren Bränden im Brennofen zusammengeschmolzen und mit Hilfe von Metall- und Tonformen in ihre endgültige Form gebracht.“ Ulrike Umlauf-Orrom Ulrike Umlauf-Orrom (geb. 1953 in Haßlach/Kronach) ist fasziniert von den Möglichkeiten des Werkstoffs Glas. Besonders interessiert sie Fusing, die Verschmelz- und Absenktechnik, bei der das Glas eine intensive satte Farbigkeit erreichen kann und halbtransparente Farbverschmelzungen mit linearen Mustern möglich sind. Als Anregung dienen ihr japanische Textilien. In der Ausstellung zeigt sie Schalen mit Kreismustern aus horizontalen Streifen auf einem Grund aus vertikalen Streifen, mit Streifenmuster und mit marmorierter Oberfläche. Ausbildung und berufliche Tätigkeit 1973 – 1975 Keramiklehre, Gesellenprüfung 1975 – 1980 Fachhochschule München (Industrie-Design), Diplom 1980 – 1983 Royal College of Art London (Ceramics and Glass), MA-Abschluß 1984 Pilchuck Glass School, USA, bei Bertil Vallien Seit 1986 eigenes Atelier 1992 – 1993 Gastdozentin an der Hochschule der Künste Berlin Entwurfstätigkeit für Hutschenreuther und die Theresienthaler Krystall- und Porzellanmanufaktur. Seite 63 Preise 1980 Stipendium des DAAD für England 1986 Staatlicher Förderungspreis für frei gestaltetes Glas des Freistaates Bayern 2001 Bayerischer Staatspreis 2005 GEDOK-FormART 2005 Beteiligung an Ausstellungen im Münchner Stadtmuseum, auf der Veste Coburg, im Museum für angewandte Kunst in Prag, in der Galerie Axis Tokyo, der Galerie Handwerk München, im Japan and Notojima Glass Art Museum Japan und auf der „Collect“, London. Ihre Arbeiten befinden sich u. a. in den Sammlungen der Veste Coburg, des Glasmuseums Ebeltoft in Dänemark, des museums kunst palast in Düsseldorf, dem Musée des Arts décoratifs Lausanne, dem Wiener Glasmuseum Galerie Lobmeyr, des Glass Art Museum in Notojima. Seite 64 Indigo Indigo (von indikón das Indische) ist ein tiefblauer Farbstoff und bezeichnet zugleich einen bestimmten dunkelblauen Farbton. Der entsprechende Farbstoff wurde entweder aus der indischen Indigopflanze oder dem einheimischen Färberwaid gewonnen. Gegenüber dem Färberwaid besitzt der Indigo einen höheren Farbstoffgehalt und größere Farbechtheit. Bei dem Kreuzblütler Isatis tinctoria oder Färberwaid befindet sich der Farbstoff in den Blättern und Stengeln. Schon im 13. Jahrhundert wurde Färberwaid wirtschaftlich erfolgreich angebaut mit Zentren im Elsass und in Thüringen. Die Qualität des Farbstoffs verändert sich jeweils nach Klima und Bodenbedingungen. Die geernteten Blätter wurden zu einem Brei zermahlen, der dann zur Gärung gebracht wurde. Nach zwei Wochen konnten die sog. Waidkugeln oder Blaukörner geformt werden, welche anschließend getrocknet wurden. Von den Waidhändlern wurden diese Kugeln zerkleinert und in einer weiteren Gärung aufbereitet. Die daraus entstandene Flüssigkeit wurde in Fässern in eines der Handelszentren Frankfurt, Nürnberg, Köln und Speyer transportiert. Die Schmetterlingsblütlerart Indigofera tinctoria wiederum wächst in tropischen und subtropischen Gebieten. Frühe Spuren von Blaufärberei lassen sich in Ägypten, Indien, Mexiko und China nachweisen. Unter Marco Polo gelangten die ersten genaueren Angaben zur orientalischen Textilfärbekunst nach Europa. Er berichtet über Indigogewinnung an der Westküste Indiens. Die Indigo-Pflanzen wurden mit Wasser und verschiedenen Zugaben bei 35°C vergoren. Die Flüssigkeit wurde dann in ein Becken abgegossen und mit Ruten oder Holzstöcken mehrere Stunden lang bearbeitet. Hierdurch gelangt Sauerstoff in die Flüssigkeit, wodurch sich das Indoxyl zu Indigo wandeln kann. Denn nur durch Oxidation an der Luft entsteht aus dem gelben Indoxyl der blaue Indigo. Der wasserunlösliche Farbstoff scheidet sich in diesem Prozess in Form von blauen Flocken ab, die getrocknet und gepresst wurden. Nachdem der Seeweg nach Indien 1498 durch Vasco da Gama entdeckt worden war, wurde der asiatische Indigo durch portugiesische Handelsleute importiert. Diese bezeichneten Indigo als „Anil“ (altindisch nilah = schwarzblau). Nach anfänglichen Transportproblemen und Schwierigkeiten bei der Weiterverarbeitung, nach Befürchtungen in Hinblick auf die einheimische Waidproduktion, gewann der Indigo auch in Europa als genutzter Farbstoff zunehmend an Bedeutung. Durch die 1602 gegründete holländische Ostindische Handelskompagnie wurde die Indigoeinfuhr aus Indien und Indonesien verstärkt. Unter den Spaniern entstanden in den Kolonien in Mittel- und Südamerika große Indigoplantagen. Die Franzosen begannen mit dem Indigo-Anbau in westindischen San Domingo, die Engländer in ihren amerikanischen Kolonien und in Bengalen. Im 19. Jahrhundert beherrschten die Engländer den Indigohandel durch den intensiven Anbau in Britisch-Indien. Weitere bedeutende Anbauorte waren Java, Ceylon, Guatemala, San Salvador, Nicaragua, Mexico und Venezuela. Indigo wurde in unterschiedlicher Qualität angeboten. Die reinsten Sorten enthielten bis 90% Farbstoff und stammten zumeist aus Java. Andere Sorten konnten lediglich 20% Farbstoffgehalt besitzen. Als Zusätze wurden dann Stärke, Berlinerblau, Ruß, Harz und zerkleinerte blauen Stoffreste verwendet. Schriftquellen und archäologische Funde belegen, dass Blaufärberei im Reservedruck bereits in der Antike geläufig war. Im Mittelalter und der Renaissance dienten der Blau- und der Reservedruck als Ersatz für kostbare Webstoffe, deren Muster im Druck nachgeahmt wurden. Hierbei handelte es sich um Pigmentdrucke, ein stempelartiges Druckverfahren, bei dem die Pigmente auf der Faser haften bleiben. Nach dem Niedergang des Blaudrucks im 16. Jahrhundert, gelangte er nach Ende des 30-jähriges Kriegs wieder zu einer neuen Blüte. Ein Höhepunkt wurde Ende des 17. und im 18. Jahrhundert erreicht, nachdem über die Seite 65 ostindischen Handelskompanien blau-weiß bedruckte Kattunstoffe, die „Indiennes“, nach Europa gelangten und auch Informationen über die asiatische Technik des Blaudrucks vermittelt wurden. Die Stoffe waren so beliebt, dass Einfuhrverbote erlassen wurden, um die einheimische Textilindustrie nicht zu beschädigen. Die europäischen Textildrucker wiederum imitierten die „Indiennes“. 1678 wurde die erste Kattundruckerei in Amsterdam gegründet. Weitere Gründungen folgten um 1685 in Frankreich und 1690 in England. In Augsburg wurde 1689 eine Druckerei von dem Tuchscherer Jeremias Neuhofer und dem Färber Daniel Deschler eingerichtet. Die Zahl der Druckereien stieg auch in Deutschland rapide an. Allein in Augsburg wurden innerhalb von vier Jahren 16 Werkstätten gegründet. Im 19. Jahrhundert wurden chemische Verfahren des Ersatzes und der leichteren Bearbeitung entwickelt. 1826 fand Otto Unverdorben eine Methode, das Anilin durch Kalkdestillation aus Indigo zu gewinnen und 1834 gelang es Friedlieb Ferdinand Runge, Anilin aus Steinkohleteer zu erlangen. 1873 erleichterte und beschleunigte der Chemiker Paul Schützenberger (1829-1897) durch hydroschweflige Säure und Natriumhydrosulfit die Indigoverarbeitung. 1878 erfand der Chemiker Adolf von Baeyer die synthetische Herstellung von Indigo aus Isatin. Seine Ergebnisse waren jedoch wirtschaftlich nicht rentabel, so dass weitere synthetische Herstellungsverfahren erprobt wurden. Im Gegenzug zur Entwicklung chemischer Farben wuchs das Interesse im Rahmen der Kunstgewerbereformbewegungen für natürliche Farbstoffe und besonders für die traditionelle Indigo-Färberei. William Morris beispielsweise setzte den Indigo-Ätzdruck bei vielen seiner Muster ein. In seinem Vortrag „Of Dying as an Art“ von 1889 beschäftigte er sich ausführlich mit Indigo und Färberwaid. Beim IndigoÄtzdruck wird der Stoff insgesamt blau eingefärbt. Dann wird das Muster mit Bleichmittel aufgeprägt, so dass entweder das Blau aufhellt oder der Bereich ganz entfärbt wird und weitere Farben aufgedruckt werden können. Durch Ausbleichen an Sonne entsteht ein klares Weiß. Der traditionelle Blaudruck ist in Deutschland seit 1689 urkundlich überliefert. Der Stoff wurde vorbehandelt, in dem er ausgekocht, in eine Sodalauge gegeben und in klarem Wasser ausgespült wurde. Dann wurde er gestärkt und gemangelt, damit der Stoff glatt ist und so einen guten Druck erlaubt. Noch heute wird dabei so verfahren, dass der Leinen- oder Baumwollstoff auf Drucktischen ausgelegt wird. Das Muster wird im Handdruck mit Modeln aufgepresst, deren Muster von dem Formschneider entweder aus dem Holz – vorzugsweise Buchs- oder Birnbaumholz – geschnitzt sind oder auf dem Holz in Form von Messingstiften und -blechen befestigt sind. Die Arbeit mit Metallstiften erlaubte die Anlage von feineren Mustern. Spätere Modelle wurden gegossen. Mit den Modeln wird der Druckpapp aufgetragen. Dieser besteht bei der Blaudruckerei im Kattrepel zu Jever aus „Gummi-arabicum, weißer Tabackspfeifenerde, Kupfervitriol, Grünspan, Bleizucker, Alaun und Bleisulfat etc.“. Der Papp deckt die Flächen des Stoffes ab, die das Muster tragen sollen und schützt den Stoff hier vor der Farbe, er dient als Reserve. Sorgfältig wird jedes Tuch Stück für Stück von Hand als Rapportmuster bedruckt. Die so vorbereiteten Stoffbahnen werden nach der Trocknung und einem Vorbad, das die Farbempfindlichkeit steigert, auf eiserne Kronreifen gespannt und dann in die Indigo-Küpe, einen großen ca. 2,5 m tiefen Holzbottich, getaucht. Der Stoff wird so lange in den Färbebottich gegeben (7 bis 12 Mal für 10-15 Minuten), bis die gewünschte Farbintensität erreicht ist. Der Stoff wird anschließend „grün und blau“ geschlagen, d. h. der Stoff wird dem Sauerstoff ausgesetzt, damit die Farbumwandlung erfolgen kann. Abschließend wird der Papp mit Oleum Vitrioli ausgewaschen, so dass sich das Muster in klarem Weiß von dem umgebenden tiefen Blau abhebt. Seite 66 Der Färbebottich Beim Färben Die Druckereien verfügten über eine großen Grundstock von Mustern, die über Wanderarbeiter über weite Gegenden vermittelt wurden. Die Druckerei von Georg Stark z. B. besitzt heute ungefähr 600 Muster, die u. a. aus Ostfriesland, dem Oldenburger Land, aus Norddeutschland, den Niederlanden, der Schweiz und Ungarn stammen. Großer Granatapfel, 18. Jahrhundert Große indianische Blume, 18. Jahrhundert Seite 67 Georg Stark, Blaudruck im Kattrepel, Jever „Ich drucke ausschließlich historische Dekore, wie sie in der Zeit von ca. 1660 bis 1900 in Gebrauch waren: Sind es bis 1800 oft Motive „exotischer“ asiatischer Herkunft wie Granatäpfel, Pfauenfedern oder Lotosblumen (und natürlich auch europäische christliche Bilddrucke), so finden wir nach 1800 vorwiegend feinere und diskretere Musterungen wie Streublumen oder zierliche Streifendekore. Dazu kommen 20 Muster aus dem „Art Decó“ um 1926.“ Georg Stark Streublumenmuster der Biedermeierzeit (Nr. 133) „Orientalische Blume mit chinesisch anmutender Drachenranke“, um 1700 (Nr. 1555) Die Stoffe von Georg Stark (geb. 1950 in Hannover) zeigen einfache Muster aus Punktreihen, Streifen, Rhomben, kleinen stilisierten Blumen sowie Rankenmuster mit Blüten. Die Beispiele aus der Epoche des Rokoko sind durch große exotische Blumen und Bewegung gekennzeichnet, die sich durch den Verlauf der Bänder und Ranken vermittelt. Einige Muster erinnern in der Kombination von gedrehten Bordüren und Blüten an die im 18. Jahrhundert beliebten sog. „bizarren“ Seiden. Die Biedermeier-Stoffe sind geprägt durch kleine Muster mit stilisierten floralen Motiven wie Punktblüten, die mit geometrischen Motiven wie Rhomben kombiniert werden können und in einer klaren Ordnung nebeneinander gefügt werden. Daneben finden sich auch naturalistischere Motive wie Efeu, Trauben, Beerenzweige, Hopfen, Nelken und Weinblätter sowie asiatische Blumen wie Chrysanthemen, Päonien, Granatäpfel. Eine Besonderheit der Werkstatt im Kattrepel bildet der Druck mit den „Passer“-Modeln. Hierbei wird der Stoff mit den Modeln gedruckt und zunächst hellblau gefärbt. Dann wird er mit einem zweiten Model bedruckt, das genau in den ersten Druck hineinpasst, und ein weiteres Mal in den Färbebottich gegeben, so dass sich ein dunkles Blau entwickelt. Nach dem Auswaschen entsteht so ein weißes und hellblaues Muster auf dunkelblauem Grund. Je nach Kompliziertheit des Mus- ters können für einen solchen Druck bis zu zehn Modelle Verwendung finden. Stoff mit Modeln für den Passer-Druck Seite 68 Ausbildung und berufliche Tätigkeit Studium der Geschichtswissenschaften, Staatsexamen II Gesellenprüfung zum Maschinenschlosser 1983 Aufnahme der Forschungen zum Blaudruckerhandwerk 1985 Eröffnung der „Blaudruckerei im Kattrepel“ Forschungen zur Handwerksgeschichte in Deutschland, Niederlande, Schweiz, Ungarn, Frankreich, Russland etc. 1995 Gemeinschaftsausstellung mit dem japanischen Indigo-Färber Murata Tokuyuki, Siebold-Palais Würzburg, gefördert durch die deutsch-japanische Gesellschaft 2000 Teilnahme am Innovations-Förderprogramm des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft zur Rekonstruierung des Druck- und Färbeverfahrens „Illumination“ aus dem späten 18. Jahrhundert 2002 Niederländisches Projekt „MolArt“: gemeinsame Forschungen mit dem „Centraal Lab Amsterdam“ in der Werkstatt im Lattrepel an der Indigo-Küpe zur Verwendung von Indigo im 17. Jahrhundert durch Rembrandt u.a. 2004 Durchführung einer internationalen Indigo-Handwerksausstellung, gefördert durch Programme der EU, mit Teilnehmern aus Deutschland, Niederlande, Russland, China, Ungarn 2007 Durchführung einer deutsch-niederländischen Gemeinschaftsausstellung zum Handwerk mit dem letzten Blaufärber Hollands, gefördert durch die „Ems-Dollart-Regio“ und Dokumentation der niederländischen Werkstatt mit ihren Dessins Beim Auftragen des Papps auf das Model Beim Aufdruckes des Papps auf den Stoff Seite 69 Indische Schals in Weiß-Blau In der Ausstellung werden mit Indigo gefärbte Schals in verschiedenen Web- und Färbetechniken aus unterschiedlichen Gegenden Indiens präsentiert. Die Schals sind von Nadia Kolesnikoff für die Ausstellung zur Verfügung gestellt worden. Handgewebter Mashru-Stoff mit bandhaniTechnik, Patan, Gudjarat Handgewebter Mashru-Stoff mit Batik-Technik, Patan, Gudjarat Mashru Bei Mashru handelt es sich um eine Stoffkombination, um einen Webstoff aus Baumwolle und Seide. Ursprünglich wurde es von muslimischen Männern getragen, da ihnen das Tragen von reiner Seide verboten war. Diese Webtechnik war im Irak und den arabischen Ländern gebräuchlich. Dieses hat zur Etablierung der Mashru-Tradition in Indien geführt. Einst wurden diese Stoffe im ganzen Land gewebt, doch inzwischen ist ihre Herstellung auf den Bereich von Gujarat beschränkt. Patan ist dabei eines der wichtigsten Zentren. Mashru wird in verschiedenen Stilen gewebt, darunter ikatartige Streifenmuster, mit zusätzlichen Kettfäden, mit herabgesenkten Kettfäden, auf einem einfachen Grubenwebstuhl. Handgewebter Baumwollstoff Supata, Bandhani-Technik, Gujarat Shibori Shibori (Shiborizome) ist eine japanische Bezeichnung für verschiedene Färbetechniken durch Abbinden, Abnähen, Fälteln, Falten, Drehen oder Zusammenpressen. Im Westen werden einige dieser Verfahren als Batik bezeichnet, wobei es keine passende sprachliche Seite 70 Bezeichnung für die Vielfalt der japanischen shibori-Techniken gibt. In Indien werden diese Verfahren besonders in Gujarat (bandhani) und Delhi (shibori) ausgeführt. Es besteht eine unendliche Vielzahl von Möglichkeiten, in denen der Stoff gebunden, genäht, gefaltet, gedreht oder zusammengepresst werden kann und jede mündet in unterschiedliche Muster. Jede Methode wird in Hinblick auf eine bestimmte Wirkung angewendet und unter Berücksichtigung des verwendeten Stoffes. Deswegen ist die für shibori verwendete Technik nicht nur abhängig von dem gewünschten Muster, sondern auch von den Gegebenheiten des zu färbenden Stoffes. Verschiedene Verfahren können auch miteinander kombiniert werden, um besonders reiche Effekte zu erzielen. Handgewebter Baumwoll-Dupata, Handdruck, Handgewebter Stoff aus Tussah-Seide und Bananenblatt, Gujarat Siebdruck, Bihar Handdruck Das Verfahren des Handdrucks findet sind in ganz Indien. Die wichtigen Zentren des Baumwolldrucks sind die Wüstengebiete von Gujarat und Rajasthan. Krapprot (Alizarin), Indigo und viele pflanzliche Farben werden in diesen Regionen im Handdruck verwendet. Verschiedene Verfahren wie der Direkt-, Reserven- und Siebdruck werden in Indien eingesetzt. Bei dem Kalamkari-Verfahren wird der Stoff mit einem Griffel mit Farbe und Beize dekoriert. Diese Methode ist sehr verbreitet. Bei dem in Indien sehr beliebten Direktdruck wird ein gebleichter Baumwoll- oder Seidenstoff mit geschnitzten Holzmodeln bedruckt. Wenn kein heller Grund gewünscht ist, wird der Stoff zuvor gefärbt. Dann werden zunächst die Konturen gedruckt, anschließend werden mit weiteren Modeln die farbigen Füllflächen hinzugefügt. In der Regel werden drei oder vier verschiedene Farben verwendet. Die geeignete Jahreszeit für den Handdruck sind die trockenen Monate. Die besten Ergebnisse werden beim Druck mit dem frischen Model erzielt, bei dem die Linien sich noch klar abheben. Die Entwürfe werden von den nakshabandhas auf das Material und die Webart abgestimmt. Zum Druck werden Holz- oder Metallmodel verwendet, die dann per Hand zumeist mit Pflanzenfarben, aber auch mit mineralischen und nichttoxischen Farben auf die Stoffe aufgedruckt werden. Ausgrabungen haben belegt, dass Handdruck im 17. Jahrhundert in Gujarat gebräuchlich war. Heute gibt es mehrere Zentren in Indien. Seite 71 Handgewebter Baumwoll-Ikat für Turban, bandhaniTechnik mit ungewöhnlichem Muster, Orissa Handgewebter Baumwoll-Ikat, Indigogefärbt, Andra Pradesh Ikat Die in der Ausstellung gezeigten Ikats stammen aus Andhra Pradesh, Orissa und Gujarat. Orissa-Ikats sind auch bekannt unter der Bezeichnung „yarn tie and dye“. Es herrscht die Auffassung, dass Batik eine innovative Technik ist, die in Indien erfunden wurde, dann nach Indonesien gelangte, ein weiteres Land mit alter Batik-Tradition. Bei dem Ikat-Färbeprozess werden die mehrfarbigen Muster durch die Kettfäden, die Schussfäden oder beide erzielt. Die Fäden, die das Muster bilden, werden einzeln gefärbt, um den gewünschten Effekt zu erhalten. Die einfache Verbindung der Fäden erzielt äußerst komplizierte Muster, die erst in der vollendeten Webarbeit deutlich werden. Ikat ist eine äußerst präzise Färbetechnik und erfordert deswegen großes Können. Die vertikalen Fäden, die Kette, oder die horizontalen Fäden, der Schuss, werden durch Streifen aus Pflanzen- oder Plastikfaser abgebunden, um ein Muster zu erhalten; dann werden diese Fäden gefärbt. Die Pflanzenfasern werden zunehmend entfernt, und die Fäden werden in weitere Farbbäder gegeben bis der Färbeprozess abgeschlossen ist. Nach der Trocknung werden sie sorgfältig gewebt, so dass Muster auf dem Stoff entstehen. In Indien wird die Ikat-Technik unterschiedlich bezeichnet: „patola“ in Gujarat, „bandha“ in Orissa, „pagdu bandhu“, „buddavasi“ and „chitki“ in Andhra Pradesh. Der Orissa-Ikat hat eine längere Tradition als derjenige in Andhra Pradesh oder Gujarat. Zu den beliebten Motiven zählen ein stilisierter Fisch und die „Rudraksha“-Perle (oder Beere). Hier wird die Farbigkeit Faden für Faden aufgebaut. Bei „Rudraksha” handelt es sich um einen großen immergrünen breitblättrigen Baum, der im Gebiet der Ganges-Ebene bis zum Fuße des Himalaya und auch in Nepal wächst. Nadia Kolesnikoff Seite 72 Textil Trompetenschal Dörte Behn Dörte Behn (geb. 1952 in Hamburg) arbeitet als Textilkünstlerin und Designerin in Hamburg. Die in München gezeigten Schals entstanden in Doppelgewebe aus Wolle, Leinen und Seide. Dörte Behn experimentiert mit Geweben und ihrer räumlichen Wirkung. So öffnen sich die München ausgestellten Schals am Ende jeweils tütenförmig. Diese Formänderung wird durch einen Wechsel in der Farbigkeit betont. Die entsprechend als Trompetenschals bezeichneten Arbeiten faszinieren durch die Leichtigkeit und Transparenz des Gewebes sowie die Schönheit der Farbnuancen. Dörte Behn achtet stets darauf, die Verbindung der Gewebeschichten und die Art und Weise, wie der Schal getragen werden soll, aufeinander abzustimmen. Beide bedingen einander. Ausbildung 1972 – 1983 Studium der Medizin, Philosophie und Sinologie an der Universität Hamburg Auszeichnungen (Auswahl) 1993 Hessischer Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk 1994 New Exhibitors Prize, Chelsea Crafts Fair, London 1995 Stipendium des Landes Schleswig-Holstein Förderpreis der Erwin-Amsinck-Stiftung, Hamburg 1996 Preis für das beste Einzelstück, Handwerkskammer Hamburg Seite 73 1998 European Prize for Contemporary Art- and Design-Led Crafts, WorldCrafts Council Europe Preis der Justus-Brinckmann Gesellschaft Hamburg 2002 Projektförderung, Kulturbehörde Hamburg 2003 Landespreis Berlin Ausstellungen (Auswahl) 1993 Design Preis Schweiz, Kunstmuseum Solothurn 1994 Triennale für deutsches Kunsthandwerk, Museum für angewandte Kunst, Frankfurt 1996 Design Preis Schweiz, Musée des Arts décoratifs, Lausanne 1997 5. Internationale Textilausstellung, Museum of Kyoto Grassi-Messe, Leipzig 1998 European Prize for Contemporary Art-and Design-Led Crafts, Wien u. a. O. 2000 Contemporary Arts and Crafts from Germany, Goethe Institut, New Delhi Sterbedecken, Galerie für angewandte Kunst, München Grassi Messe, Leipzig 2002 Modelle +Zeichnungen, Saarländisches Künstlerhaus, Saarbrücken 2003 Corporal Identity, 9. Triennale für Form und Inhalt, verschiedene Orte International Showcase, Contemporary Applied Arts, London 2004 Meister der Moderne, Internationale Handwerksmesse München Galerie Claudia Bollag, Schweiz Grassi Messe, Leipzig 2005 Craft Show, Philadelphia Museum of Art 2006 Una visione diversa della belleza, Rosemarie Jäger, Galerie im Kelterhaus 2007 Blickfang, Zürich Galerie für angewandte Kunst München 2008 Tour d’Europe des Arts Appliqués: L’Allemagne, Mons 2009 International Focus, CAA, London Arbeiten von Dörte Behn befinden sich u. a. in den Sammlungen des Victoria & Albert Museum London, des Museums für Angewandte Kunst Wien, des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg, des Grassi Museums Leipzig, des Museums für Angewandte Kunst, Frankfurt a. M. Seite 74 Steinläuferkissen, Broschiergewebe (Baumwolle, Schurwolle, Seide), handgewebt Maria Hößle-Stix Maria Hößle-Stix arbeitet in einer Vielzahl textiler Techniken. Für die Ausstellung webte sie einen blaugrundigen Stoff, dessen weiße und gelbe Käfer an die mit fluoreszierendem Garn eingewebten Glühwürmchen erinnern, die das Licht speichern und dann in der Dunkelheit leuchten, für welche sie 2005 den Grassipreis erhielt. Maria Hößle-Stix arbeitet auch in der Smok-Technik, bei der Stoff in kleine gleichmäßige Falten gerafft wird, auf dem Jacquardwebstuhl und mit Lanciergeweben. Ausbildung und berufliche Tätigkeit 1983 – 1989 Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, Klasse Textilkunst und Flächendesign bei Prof. Eusemann, Meisterschülerin, Diplom 1998 Meisterprüfung im Weberhandwerk seit 1991 eigene Werkstatt für Textilgestaltung in Nürnberg 1994 – 1996 Lehrauftrag an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, Klasse Textilkunst 1998 – 1999 Künstlerische Assistentin bei Prof. Hanns Herpich an der Akademie der Bildenden Künste, Klasse Textilkunst 1999 – 2001 Lehrauftrag an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, Klasse Textilkunst seit 2005 Lehrauftrag an der Hochschule für angewandte Wissenschaften – Fachhochschule Hof, Fakultät Textil und Design, Studiengang Textildesign seit 2006 Webermeisterin in der Textilwerkstatt der Camphill-Werkstatt am Goldbach in Nürnberg seit 2008 Werkstattleitung Camphill-Werkstatt Seite 75 Auszeichnungen (Auswahl) 1993 Ehrenpreis „Danner Preis 93“ 1996 Ehrenpreis „Danner Preis 96“ 1997 Bayerischer Staatspreis, Internationale Handwerksmesse München 2000 Bronze Preis, 3rd Daegu International Textile Design Competition, Korea 2005 Grassipreis der Sparkasse Leipzig Ausstellungen (Auswahl) 1998 Exempla, 50. Internationale Handwerksmesse München 2000 Jahresmesse des norddeutschen Kunsthandwerks, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg 2003 Rosemarie Jäger, Galerie im Kelterhaus, Hochheim am Main Galerie Hain, Haslach Österreich 2005 Grassimesse, Grassimuseum Leipzig 2007 format und weihnachten, Galerie format, Augsburg 2008 Stoffe zum Träumen, Handwerksform Hannover „zwischenräume(n)“, Haslach Arbeiten von Maria Hößle-Stix befinden sich in den Sammlungen des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg und des Grassimuseums Leipzig. Seite 76 Tischdecken Monika Holler Monika Hollers Arbeiten aus hochwertigem Leinen stehen in der Tradition der Wegscheider Handweber. Ihre Ausbildung erfuhr sie in einer mechanischen Weberei, wo sie die Grundfähigkeiten wie Spulen, Haspeln, Kettenscheren, das fadengerechte Einnähen der Webmuster erlernte. Nachdem sie von 1964 bis 1971 in einer Handweberei tätig war, arbeitete Monika Holler seit 1972 als einzige Frau in der Wegscheider Handwebergenossenschaft, die 1904 gegründet und 2002 aufgelöst wurde. Hier wurden auch noch Jacquardwebstühle verwendet, die mit der Hand und dem Fuß betätigt wurden. Seit 2003 arbeitet Monika Holler selbstständig als Hausweberin. Monika Hollers Textilien entstehen am Schaftwebstuhl, der weitgehend von Männern betätigt wird, sowie am Kontermarschwebstuhl. Basierend auf alter Familientradition, webt sie am Schaftwebstuhl zwölf verschiedene Muster in unterschiedlichen Farben. Zu ihren Mustern zählen das „Großmutter-Muster“, das „Fenstermuster“, das „Gittermuster“, der „Durchbruch“, der „Scheindreher“, der „Pfäser“ und der „Schwedenstern“, das Gesellenstück ihres Mannes Gerhard Holler, der ebenfalls Weber ist. Monika Holler stammt aus einer alten Weberfamilie. Seit dem späten 18. Jahrhundert wurden von ihren Vorfahren schon Tischdecken und Bettwäsche gewebt. Auch ihre Spezialität ist die Tischwäsche. Blau gehört zu einer ihrer bevorzugten Farben und sie verarbeitet es in unterschiedlichen Nuancen von Hellblau bis Tiefblau, Petrol und Türkis. Es finden sich unterschiedliche Rhomben- oder Kreismuster – mit Kreuz- oder Sternfüllung, Karo- und Rhombenfüllung – sowie Zickzack- und Quadratmuster. Die Arbeiten von Monika Holler überzeugen durch die hohe Qualität, die sich sowohl in der Kraft und Beständigkeit der Farben als auch in der Regelmäßigkeit der Webarbeit und den feinteiligen Mustern zeigt. Seite 77 Kissen Alrun Meister Alrun Meisters (geb. 1947 in Aschersleben) Kissen in Flickenwerk sind durch klare graphische Muster geprägt. Hier finden sich Streifen, ineinander geschachtelte Quadrate, Quadratraster oder Streifendreiecke. Die überlegte Verteilung der Linien, Farb- und Hell-Dunkelwerte scheint Alrun Meisters Ausbildung in der Malerei zu reflektieren. Hierdurch entstehen ähnlich wie in der Malerei der 1960er Jahre Räumlichkeit, spannungsvolle Kontraste und Dynamik. Andere Kissen zeigen wiederum fröhliche Muster aus stilisierten Blumen. Alrun Meister arbeitet in der Patchwork- und der Flickentechnik. Ausbildung und beruflicher Werdegang 1963 – 1966 Glas- und Porzellanmalerlehre, Fachhochschule für Glas und Schmuck, Neugablonz 1966 – 1967 Werkkunstschule Kassel, Angewandte Malerei 1967 – 1972 Akademie der bildenden Künste Nürnberg, Gestaltungslehre und Textildesign 1972 – 1980 Atelierleiterin bei Ackermann Göggingen AG Augsburg Seit 1980 freiberuflich in München Seite 78 Handtücher, Leinen Betty Nyberg Von Betty Nyberg aus Odense stammen Servietten, Läufer, Hand- und Geschirrtücher mit blauen Streifen-, Karo- oder geometrischen Mustern. Die Farbzusammenstellung ist äußerst bedacht gewählt. Einzelne Akzente wie Türkis oder Orange werden gewählt, um dem Blautönen, die von einem feinen Hellblau bis zu einem tiefen Dunkelbau reichen, zusätzliche Farbintensität, Frische und Leuchtkraft zu verleihen. Die Muster können recht schlichte Streifenbahnen, schottisch kariert anmutende Flächen und geometrische Musterstreifen und -flächen umfassen, die eher an traditionelle dänische Webarbeiten angelehnt zu sein scheinen. Unterschiedliche Oberflächeneffekte entstehen durch die gewählte Webart und das verwendete Garn: von glatten Flächen über glatte Flächen mit einzelnen haptisch sich abhebenden Bereichen zu strukturierten Oberflächen, bei denen das „Relief“ und das visuelle Muster einander entsprechen. Alle Entwürfe kennzeichnen sich durch Klarheit und eine fein abgestimmte Harmonie von Farbe und Muster Betty Nybergs Anliegen ist es, dem Material entsprechende Textilien für den alltäglichen Gebrauch zu schaffen, die durch Haltbarkeit, Schönheit und Qualität bestimmt sind. Handtücher, Leinen Seite 79 Seidenschals Maja Vogl Maja Vogls (geb. 1956 in Kempten/Allgäu) Stolen und Kissenbezüge in Seide entstehen auf dem Handwebstuhl. Sie arbeitet mit feinen Seidengarnen in Schappe- und Haspelqualität von der Dichte industriell hergestellter Nähseide. Hieraus ergibt sich die intensive Leuchtkraft der Farben und die hohe Webdichte, denn auf einen Zentimeter kommen ungefähr 50 Schussfäden, so dass die gesamte Garnlänge einer Stola 12 km erreichen kann, sie aber trotzdem äußerst leicht von Gewicht ist. Maja Vogl bedient sich der traditionellen Bindungsarten – der Atlas-, Leinwand- und Köperbindung. Sie verarbeitet die Seide zu glatten gleichmäßigen Oberflächen, wodurch die Leuchtkraft der Farben gesteigert wird. Ihre Textilarbeiten sind gekennzeichnet durch Feinheit des Materials, Glanz des Stoffes, die ausgewählte Kombinationen zumeist leuchtender Farben. Die Farben werden in einem überlegten Arrangement zusammengestellt unter sorgfältigem Abwägen der Proportionen und der Anordnung der Einzelelemente – der Flächen, Balken, Streifen und Quadraten. Die Textilien scheinen als Arbeiten von graphischer Qualität und Klarheit. Ein zusätzlicher Reiz bei den Stolen ist die unterschiedliche Gestaltung der beiden Seiten. Maja Vogl arbeitet mit feinsten Nuancen, die gerade die Wirkung ihrer Arbeiten ausmachen: So fügt sie einzelne dünne andersfarbige Fäden in ihre Flächen ein, die die Leuchtkraft der anderen Farbe unterstreichen und als Strukturelement fungieren. Sie können eine Felderung vornehmen und sorgen mit dezentesten Mitteln für ein gliederndes graphisches Element. Spannung entsteht durch den Verzicht auf Symmetrie. Maja Vogl zeigt eine Vorliebe für leuchtende Grundfarben. Sie nutzt die Effekte der Komplementärkonstraste aus, arbeitet zugleich auch mit Tönen, die auf der Farbskala nahe beieinanderliegen und nimmt unübliche Kombinationen von Farbwerten vor. Ihre Arbeiten gewinnen gerade aus der effektvollen Reduziertheit Eleganz und Wirkkraft. In der Ausstellung präsentiert Maja Vogl Schals und Kissen in Schappe- und Haspelseide in Leinwand- und Atlasbindung, bei denen verschiedene Blautöne mit Weiß kombiniert werden. Balken und Quadrate rhythmisieren die Flächen. Seite 80 Ausbildung weitere berufliche Lebensdaten 1975 fachgebundene Hochschulreife/Gestaltung 1975 – 1977 Lehre mit Gesellenprüfung der Handweberei bei Sigrid Reeckmann, Bayreuth seit 1977 eigene Werkstatt 1978 – 1985 Studium der Malerei an der Akademie der Bildenden Künste bei Prof. Rudi Tröger, München seit 1995 Mitglied im Bayerischen Kunstgewerbeverein, München seit 1996 Mitglied bei der GEDOK, München 2001 – 2003 künstlerische Leitung der Nürnberger Gobelin-Manufaktur 2008 Bayerischer Staatspreis Ausstellungen (Auswahl) 2001 Galerie Rosi Jäger, Hochheim/Main Angewandte Kunst, Hypokundenhalle, München schön und gut,150 Jahre Bayerischer Kunstgewerbeverein, Stadtmuseum München 2003 arts+crafts, Kunstverein Passau, St. Anna Kapelle, Passau 2004 Körperkontakt, Rosenheim Galerie Tittmann, Thurnau 2005 GEDOKFormART 2005, Stuttgart Sommerfeste, Galerie Handwerk, München Dannerpreis 2005, Bayerisches Nationalmuseum München 2006 Meister der Moderne, Internationale Handwerksmesse München Der Kranz der Minerva, Galerie Handwerk, München 2007 GEDOKFormART 2007, Lübeck Farbe bekennen, Handwerkskammer Köln 2008 Tag für Tag, GEDOK München Abteilung „Angewandte Kunst“, Regensburg Leder und Seide, Galerie des Bayerischen Kunstgewerbevereins, München Dannerpreis 2008, H-2 Zentrum für Gegenwartskunst, Glaspalast Augsburg 2009 Galerie Rosi Jäger, Hochheim/Main Seite 81 GALERIE HANDWERK “Blau-Weiß Weiß-Blau” 19. Juni bis 1. August 2009 Ausstellerverzeichnis Glas Peter Bremers Everstraat 63 6142 BB Einighausen Niederlande Tel. +31 46 451 05 42 [email protected] www.bremers.com Ulrike Umlauf-Orrom Bannzeile 41 86911 Diessen Tel. 08807 4510 [email protected] www.umlauforrom-glas.de Keramik Katharine Coleman Unit 19 Craft Central 21 Clerkenwell Green London EC1R 0DX Großbritannien Tel. +44 7976 81 26 60 [email protected] www.katharinecoleman.co.uk Beate Andersen Strandstræde Keramik Lille Standstræde 14 1254 Copenhagen Dänemark Tel. +45 33 11 99 46 [email protected] www.beate-andersen.dk Glasfachschule Zwiesel Staatl. Berufsbildungszentrum für Glas Fachschulstr. 15-19 94227 Zwiesel Tel. 09922 84440 Fax 09922 844448 [email protected] Robin Best JamFactory Contemporary Craft & Design PO Box 10090 Adelaide BC South Australia 5000 Tel. +61 (0)8 8410 0727 Fax +61 (0)8 8231 0434 [email protected] Carine Neutjens Schommen 19/3 2820 Bonheiden Belgien Tel. +32 496 07 50 32 [email protected] www.carineneutjens.be Freia Schulze Langer Lohberg 58 23552 Lübeck Tel. 0451 745 10 Fax 0451 749 19 [email protected] www.freia-schulze.de Sue Binns 25 Bedford Road London N15 4HA Großbritannien Tel. +44 2088 00 59 23 [email protected] www.suebinnspottery.co.uk Nandl Eska Schellingstr. 42 80799 München Tel. 089 272 38 68 Fax 089 273 724 25 [email protected] www.nandl-eska.de Seite 82 Petra Fischer 1260 Grad Sedanstraße 27 81667 München Tel. 089 44 77 06 88 Fax 089 44 77 06 89 [email protected] www.1260grad.de Cornelia Goossens Wengen 17 86911 Diessen Tel. 08807 17 73 Fax 08807 94 96 86 [email protected] Hering Berlin Stephanie Hering Berlin GmbH Königsweg 303 14109 Berlin Tel. 030 810 5411 0 Fax 030 810 5411 29 [email protected] www.hering-berlin.de Kap-Sun Hwang Am Markt 4 25548 Kellinghusen Tel. 04822 36 28 20 www.kapsunhwang.de Ernst Lösche Am Kirchsteig 19 86911 Diessen Tel. 08807 18 77 Fax 08807 911 55 [email protected] www.loesche-keramik.de Corien Ridderikhoff Oude Looiersstraat 82I 1016 VK Amsterdam Niederlande Tel. +31 20 622 32 64 02 Fax +31 20 622 57 27 [email protected] Dirk Romijn Lijtweg 701 2341 HD Oegstgeest Niederlande Tel. +31 71 517 44 41 Elisabeth Schaffer Planegger Str. 15 82131 Gauting Tel. 089 850 58 45 [email protected] Paul Scott 2 Holly Cottage, Blencogo, Wigton Cumbria CA7 0BZ Großbritannien Tel. +44 1697 36 17 06 Mobil +44 7775 68 09 38 [email protected] www.cumbrianblues.com Vipoo Srivilasa c/o Uber Gallery 52 Fitzroy Street St. Kilda 3182 Australien Tel. +61 3 8598 99 14 Fax +61 3 8598 99 15 [email protected] www.ubergallery.com Seite 83 Piet Stockmans Dennenstraat 5 3600 Genk Belgien Tel. +32 89 382 362 Fax +32 89 385 489 [email protected] www.pietstockmans.be Claire Verkoyen 3e Wittenburgerdwarsstraat 5 1018 KR Amsterdam Niederlande Tel. +31 20 638 35 95 [email protected] www.claireverkoyen.com Maria Volokhova Belterstr. 17 04347 Leipzig Tel. 0341 233 33 67 Mobil 0179 3203266 [email protected] www.volokhova.blogspot. com Schmuck und Gerät Gésine Hackenberg Van Gentstraat 10 hs 1055 PE Amsterdam Niederlande Tel. +31 6 135 99 200 [email protected] www.gesinehackenberg.com Agnes von Rimscha Urbanstr. 22 90480 Nürnberg Tel. 0911 408 86 85 [email protected] Barbara Seidenath 42 Cole Avenue Providence RI 02906 USA Tel. +1 401 421 1634 [email protected] Textil Henk Wolvers Lange Putstraat 4 5211 KN’s-Hertogenbosch Niederlande Tel. +31 73 613 24 44 [email protected] www.henkwolvers.com Papier Marion Vorster Prälatenstr. 24 86911 Diessen Tel. 08807 15 12 Fax 08807 15 12 Dörte Behn Gaußstr. 13 d 22765 Hamburg Mobil 0160 97 95 10 53 [email protected] www.doerte.behn.de Maria Hößle-Stix Parkstr. 12 90409 Nürnberg Tel. 0911 46 95 67 [email protected] Monika Holler Monika’s Handwebleinen Kasberg 78 94110 Wegscheid Tel. und Fax 08592 13 77 [email protected] Seite 84 Nadia Kolesnikoff 11, Rue Dugommier 75012 Paris Frankreich Tel. +33 6 61 97 10 76 [email protected] Alrun Meister Anglerstr. 14 80339 München Tel. und Fax 089 54 07 16 77 Betty Nyberg Lahnsgade 83 5000 Odense C. Dänemark Tel. und Fax +45 66 11 58 86 Georg Stark Blaudruckerei im Kattrepel 26441 Jever Tel. 04461 713 88 [email protected] www.blaudruckerei.de Maja Vogl Schulweg 2 93170 Bernhardswald Tel. 09407 906 49 Fax 09407 906 59 Seite 85