Mit großer Lust und dem nötigen Ernst - Hu

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Mit großer Lust und dem nötigen Ernst - Hu
HUMBOLDT
Die Zeitung der Alma Mater Berolinensis
Ausgabe 6 – 2009/2010
www.hu-berlin.de/pr/zeitung
Jahrgang 54 · 22. April 2010
„Mit großer Lust
und dem nötigen Ernst“
Konzil wählt Jan-Hendrik Olbertz zum neuen Präsidenten
Die Humboldt-Universität zu Berlin hat
einen neuen Präsidenten gewählt:
Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz. Der NochKultusminister Sachsen-Anhalts hat am
20. April 2010 überwältigende Zustimmung vom Konzil erhalten: Er bekam
49 Ja-Stimmen, sechs Konzilsmitglieder
stimmten mit Nein, es gab zwei
ungültige Stimmen.
Amtsinhaber Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph
Markschies gratulierte seinem Nachfolger herzlich und gab bekannt, dass er
die Amtsgeschäfte zum 18. Oktober an
den neuen Präsidenten übergeben wird
und damit zwei Monate vor Ablauf seiner
Amtszeit ausscheidet. Wie an dieser Stelle
schon berichtet, wurde an der HumboldtUniversität vorzeitig gewählt, um dem
neuen Präsidenten die Mitwirkung an der
Bewerbung für die dritte Förderlinie der
zweiten Runde der ­Exzellenzinitiative zu
ermöglichen.
Olbertz, der Mitglied der Martin-LutherUniversität in Halle-Wittenberg ist, nahm
die Wahl mit Freude an und betonte, dass
er das Amt mit „großer Lust und dem
nötigen Ernst“ antreten wird. „Nur die
Humboldt-Universität konnte mich dazu
reizen, jetzt einen beruflichen Wechsel
zu wagen“, erklärte der 55-Jährige, der
in den nächsten Wochen durch die Universität reisen wird, um sie ­detailliert
Im Rahmen der
Humboldt-Reden zu Europa
spricht
Václav Klaus
Neben der Bewerbung für die dritte ­Säule
der Exzellenzinitiative gehört dazu auch
ein neuer Zuschnitt des Präsidiums. So
überlegt Olbertz, das Amt des Vizepräsidenten für Lehre und Internationales
wieder in die Hände von zwei Kollegen
zu legen. Denn besonders wichtig ist
dem Erziehungswissenschaftler, ein neues Konzept für die Lehre zu formulieren,
das den rasanten Entwicklungen und
­Veränderungen im Bereich der Wissenschaft Stand hält.
Präsident Markschies (links) gratuliert Olbertz:
„Ein überzeugendes Wahlergebnis für einen überzeugenden Nachfolger“
Foto: Prusowski
kennenzulernen. Schon bei ­seinen Vorgesprächen zur Wahl sei ihm die große
Identifikation der Humboldtianer mit
ihrer Institution quer durch alle Statusgruppen aufgefallen. Dies hätte ihm
auch den Mut gegeben, sich den neuen Herausforderungen, aber auch den
hohen Erwartungen, die er bei diesen
­Gesprächen gespürt habe, zu stellen.
Der designierte Präsident formulierte
drei Hauptaufgaben für die nächste Zeit.
Jan-Hendrik Olbertz absolvierte nach einem Intermezzo als Erzieher ein Studium zum Diplom-Lehrer für Deutsch
und Musik. Danach folgte eine Assistenz an der Martin-Luther-Uni in HalleWittenberg in der Sektion Erziehungs­
wissenschaften. 1992 wurde er Professor
für Erziehungswissenschaft in Halle und
war im Akademischen Senat, im Konzil
und im Landesschulbeirat Sachsen-Anhalts aktiv. Er ist Gründungsdirektor des
Instituts für Hochschulforschung (HoF)
in Wittenberg gewesen, bevor er zum
Direktor der Franckeschen Stiftungen
in Halle berufen wurde, einem christlichen Sozial- und Bildungswerk. Nach der
Landtagswahl 2002 wurde der parteilose
Olbertz als Kultusminister in die Landesregierung von Sachsen-Anhalt berufen.
Dieses Amt wird er voraussichtlich zum
Sommer ­niederlegen.
Red.
Französische Comics als Brücke
zwischen Schule und Universität
Erste Schülergesellschaft in den Geisteswissenschaften gegründet
Präsident der Tschechischen Republik
zum Thema:
„Die Form der heutigen
europäischen Integration“
am 29. April 2010 um 11 Uhr
im Auditorium maximum der HumboldtUniversität zu Berlin.
Der Vortrag findet in deutscher Sprache
statt.
www.whi-berlin.de
Helmholtz-Vorlesungen
Prof Dr. Gerald H. Haug
ETH Zürich
„Wer führt wen, wozu – und wie?
Governance und Handlungsspielräume
der Universität des 21. Jahrhunderts“
Donnerstag, 6. Mai 2010, 18.30 Uhr
Wista Management GmbH, Rudower
Chaussee 17, 12489 Berlin-Adlershof,
Einstein-Newton-Kabinett
In seinem Vortrag bringt Gerald Haug Licht
in den Argumentationsdschungel um den
Klimawandel und zeigt auf, welchen Einfluss
der Mensch aus geowissenschaftlicher Sicht
auf den Klimawandel hat.
www.kulturtechnik.hu-berlin.de/hvl-aktuell
Mit freundlicher Unterstützung der Berliner Zeitung
Doping für jedermann? Längst bezieht sich
der Begriff Doping auch auf Manager, ­Banker
oder gar Studenten. Ein Verbundprojekt untersucht den
Missbrauch von Stimulanzien
in Sport und Alltag
Seite 3
Eine Einführung in die französische
Sprachwissenschaft und in verschie­dene
Berufsfelder bekommen interessierte Schülerinnen und Schüler seit dem
­Sommersemester 2010 am Institut für
Romanistik in der ersten geisteswissenschaftlichen Schülergesellschaft der HU.
„Die Schülergesellschaft versteht sich als
Bindeglied zwischen Schule und Hochschule, vor allem aber als Labor für den
Berufseinstieg. Die Entscheidung bei der
Wahl des Studiums soll den Gymnasiasten damit erleichtert werden“, sagt Xavier
­Bihan, Gründer der Schülergesellschaft.
Zielgruppe sind Schülerinnen und Schüler der 11. bis 13. Klassen mit sehr guten
Französischkenntnissen. Jeder Teilnehmer
bekommt am Ende des Semesters eine
Teilnahmebescheinigung. Die Teilnehmenden sollen sich einen Einblick in die UniWelt schon vor dem Abitur verschaffen.
Ihnen werden verschiedene Arbeits- und
Forschungsgebiete im Fachbereich Französisch sowie eine Auswahl an möglichen
Berufsfeldern vorgestellt, etwa Comic- oder
Filmübersetzer, Sprachwissenschaftler,
­Lektor oder Dolmetscher. Offizieller Partner ist das Institut Français de Berlin.
Red.
Erziehungswissenschaftlerin
erhielt Bundesverdienstkreuz
Für ihre herausragenden wissenschaftlichen Leistungen und vor allem für ihren
kontinuierlichen Einsatz für die Förderung des weiblichen Wissenschafts-Nachwuchses erhielt Prof. Dr. Wiltrud Gieseke
das Verdienstkreuz der Bundesrepublik
Deutschland. „Mit ihrem großen Engagement hat Frau Prof. Dr. Wiltrud Gieseke
einen wichtigen Beitrag zur wissenschaftlichen Frauenförderung geleistet. Zu ihrem Verdienst gehört auch, dass sie Geschlechterperspektiven und Geschlechtergerechtigkeit in die Forschung im Bereich
der Erwachsenenbildung integriert hat“, so
Staatssekretärin Almuth Nehring-Venus.
„Gerade im Berufsfeld Bildung klaffen die
hohe Präsenz von Frauen in der Praxis
und das Fehlen weiblicher Definitions- und
Deutungsmacht in der Forschung eklatant
auseinander. Frau Prof. Dr. Wiltrud Gieseke
hat durch ihr berufliches Wirken wesentliche Verbesserungen erreicht.“ Sie hat sich
insbesondere für die Einrichtung von Studiengängen zur berufsbegleitenden Weiterbildung engagiert und damit Möglichkeiten
für Menschen mit brüchigen Bildungsbiographien eröffnet. Insbesondere Frauen
profitieren von Studiengängen, die große
Flexibilität in Bezug auf Zeitstrukturen und
Anwesenheit erfordern.
Red./SenWiTeFr
Flüssigkeitsströme im Takt: Die ­Pumpe
­„Acuros“ zweier Jungunternehmer ermöglicht pulsationsfreie Ströme von
­Flüssigkeiten, die Zellkulturtechnik und Nananalytik vorantreiben.
Seite 4
Krankheiten, Therapien und Schicksale: Im
Berliner Medizinhistorischen Museum ist
die Ausstellung „Charité. 300
Jahre Medizin in Berlin“ zu
sehen. Zur Schau ist eine Festschrift erschienen.
Seite 7
Feierliche Schlüsselübergabe
in der Humboldt Graduate School
Am 21. April 2010 feierte die Humboldt Graduate School (HGS), die Dachorganisation für Promo­
tionsprogramme der Humboldt-Universität zu Berlin, die Hausübergabe nach der Renovierung
und den Auftakt des Mentoring Programms für Promovierende „Raum für Perspektiven in der
Wissenschaft“. Die im Jahr 2006 gegründete HGS findet in dem historischen und aufwändig restaurierten Gebäude der ehemaligen Tierarzneischule aus dem 19. Jahrhundert in der Luisenstraße 56 einen festen Standort. Optimale Arbeitsbedingungen wurden hier sowohl für das Management und viele Mitgliedsprogramme der HGS als auch für zahlreiche Promovierende geschaffen.
Gemeinschaftsbereiche und kurze Wege fördern den Austausch und die Netzwerkbildung. Als
Zentraleinrichtung ist die HGS für das zentrale Qualitätsmanagement sowie den außerfachlichen
Servicebereich verantwortlich.
Foto: Matthias Heyde
Tag der Informatik
Am 6. Mai 2010 findet ab 13 Uhr der Tag
der Informatik statt. Neben fachlichen
Vorträgen zu Themen, wie „Trends in effizienten Algorithmen“, „Die in Hirndaten
verborgene Information – eine Herausforderung an die Signalanalyse“ und „Neue
3D-Technologien: Vom flachen Bild in die
dritte Dimension“, werden auch die besten
Diplomarbeiten prämiert. In der „Hum-
boldt Informatik Gong Show“ ­werden
in Zwei-Minuten-Vorträgen ­Diplomund Promotionsprojekte vorgestellt. Ab
17.30 Uhr findet ein geselliges Bei­
sammensein statt.
Erwin-Schrödinger-Zentrum, Konferenzraum 0‘119, Rudower Chaussee 26,
Campus Adlershof.
u ni kate­
Ein wenig verwundert reibt man sich
deutschen Professors gehört, daß er
schon die Augen: Als ich im Oktober
höchst unkollegial mit seinen Fach2005 zum Präsidenten unserer Univerkollegen (und natürlich erst recht mit
sität gewählt wurde, gab es gerade nur
den Fachkolleginnen …) umgeht. Da
einen geschäftsführenden Präsidenten.
streitet man sich um die ZimmerEingearbeitet von meinem Vorgänger
zahl von Büros, die Verteilung der
wurde ich aus bekannten GrünHilfskraftmittel der Fakultät, die
den nicht. Wohl hat er mir auf
Prädikate bei Korrekturen von
Anfrage immer wieder guten und
Arbeiten für die eigenen Schüler
klugen Rat gegeben, aber an eiUnter der Überschrift
– und natürlich und immer wienen wöchentlichen jour-fixe war
„Unikate“ schreibt der
der um Berufungen. Inzwischen
beispielsweise angesichts der
Präsident der
gibt es sogar die früher verpönFülle seiner neuen Aufgaben gar
Humboldt-Universität
ten Kollegenrezensionen. Wahrnicht zu denken. Nun habe ich
zu Berlin, Prof. Dr.
scheinlich gehen alle Gerüchte
aus dieser meiner Situation vor
Christoph Markschies,
über Unkollegialität deswegen
nahezu fünf Jahren den Schluß
regel­mäßig über Erlebso gut, weil man vom deutschen
gezogen, meinem Nachfolger
nisse aus seinem univerProfessor so etwas implizit erdie Einarbeitung (beispielsweisitären Alltag, die von
wartet, irgendwie. Ich habe unse in Form eines solchen jour
allgemeinerem Interesse
sere Humboldt-Universität in
fixe) anzubieten. Wir haben kolsind. Er freut sich über
den vergangenen Jahren meist
legial verabredet, das auch so
Reaktionen:
ziemlich anders erlebt: Viele
[email protected]
zu halten. Und prompt melden
Projekte, Graduiertenschulen,
sich wieder Menschen, die der
Sonderforschungsbereiche und
Ansicht sind, so etwas könne gar nicht gehen,
Exzellenzcluster, aber auch viele Institute sind
Vorgänger und Nachfolger könnten gewiß
von einer ganz heiteren Kooperation geprägt,
nicht kooperieren und einer müsse schließlich
in der Kolleginnen und Kollegen verschiedendas Sagen haben. Griechisch heißt das, wenn
ster Herkunft, wissenschaftlicher Prägung und
einer das Sagen hat, übrigens: Monarchie. Die
Lebenserfahrung gemeinsam manchen Karren
deutsche Universität ist, auch wenn das außerziehen und manchen Stein einen Berg herhalb Berlins gelegentlich anders gesehen wird,
aufschieben, ohne daß er zurückrollt. Anders
keine Monarchie. Sie war es während ihrer
wäre Universität unter den schwierigen BeGeschichte auch nur in sehr finsteren Zeiten,
dingungen Berlins weder gegenwärtig noch in
in Zeiten, als die Staatsform keine Monarchie
den vergangenen zweihundert Jahren möglich
war. Wieso können sich manche Menschen
gewesen. Und ich bin ganz zuversichtlich, daß
so schlecht vorstellen, daß deutsche Profesdas auch in den nächsten Monaten und Jahren
soren zusammenarbeiten, gut, ­heiter, kollefür unsere Humboldt-Universität gilt.
gial? Wahrscheinlich, weil es zum Bild des
Ihr Christoph Markschies
Die Humboldt-Universität präsentiert ihre
Jubiläumsausstellung „Mittendrin. Eine
Ausstellung macht Geschichte“. Auf einer
thematischen Zeitreise werden die ­Besucher
Zeugen einer stolzen, aber auch gebrochenen Universitätsgeschichte. Seite 8
HU200.DE
Aktuell
Seite 2
Die Umzugswagen rollten
HUMBOLDT · 22. April 2010
Energiesicherheit im Ostseeraum
Internationale Sommer-Universität am Nordeuropa-Institut
Aufgrund der anstehenden, mehrjährigen Baumaßnahmen im Hauptgebäude zogen das Institut für
Geschichtswissenschaften, das Institut für Klassische Philologie und die Verwaltung der Philosophischen
Fakultät I in das Quartier Stadtmitte, Friedrichstraße 191-193 (Ecke Leipziger Straße) um. Hiervon
sind neben allen Einrichtungen und Lehrstühlen der Institute auch die Prüfungsämter sowie einige Lehrveranstaltungen ab dem Sommersemester 2010 betroffen. Bitte beachten Sie die neuen Telefonnummern.
Infos: www.philfak1.hu-berlin.de, www2.hu-berlin.de/klassphil
Foto: Martin Ibold
Personalia
Postdoc der
Wenner Gren-Foundation
Seit dem 5. April 2010 ist Dr. Susanne
Dodillet vom Institut für Literatur, Ideengeschichte und Religion der Universität Göteborg, mit Förderung der Wenner
Gren-Foundation als Postdoc an der Abteilung Vergleichende Erziehungswissenschaft des Instituts für Erziehungswissenschaften tätig. Mit Ausgangspunkt in einer
aktuellen schwedischen Schulreform untersucht sie in ihrem Postdocprojekt „How
to explain advanced placement tracks. A
comparative history of educational ­science
in Sweden, East and West Germany“
­erziehungswissenschaftliche Kontroversen über Spezialklassen sowie Eliten- und
Hochbegabtenförderung in Schweden,
Westdeutschland und der DDR.
Arno Langenbach verstorben
Am 11. Februar
2010 ist Prof. Dr.
Arno Langenbach
im Alter von 81 Jahren verstorben. Von
1965 bis zu seiner
Emeritierung im
Jahr 1994 war er Inhaber des Lehrstuhls für Angewandte Analysis an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Mit seiner Lehr- und Forschungstätigkeit an
der Humboldt-Universität und am KarlWeierstrass-Institut schuf er eine international anerkannte wissenschaftliche Schule
zur nichtlinearen Funktionalanalysis sowie
zu nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen und deren Anwendungen in Naturwissenschaft und Technik. Viele seiner
zahlreichen Schüler und deren Schüler arbeiten heute an Hochschulen, wissenschaftlichen Instituten und in Forschungs- und
Entwicklungsabteilungen der Industrie. In
den 1990er Jahren setzte er sich als Mitglied der Strukturkommission maßgeblich
für die Neugestaltung der Mathematik an
der Humboldt-Universität ein. Vor mehr als
50 Jahren gründete Arno Langenbach ein
Seminar am damaligen Forschungsinstitut
für Angewandte Mathematik der Akademie
der Wissenschaften, das er bis zu seiner
Emeritierung leitete und das noch heute als
„Berliner Oberseminar Nichtlineare Partielle Differentialgleichungen (LangenbachSeminar)“ seinen Namen trägt.
Das Institut für Mathematik
Foto: Portraitsammlung UB/Waltraud Harre
Hans-Rosenberg-Gedächtnis-Preis
Die Heinrich-August-und-Dörte-WinklerStiftung in der Friedrich-Ebert-Stiftung
verlieh am 22. März 2010 in der Humboldt-Universität zum vierten Mal den mit
5.000 Euro ausgestatteten Hans-Rosenberg-Gedächtnis-Preis zur Förderung von
Nachwuchshistorikern. Diese alle zwei
Jahre vergebene Auszeichnung ging an
den Historiker Dr. Sebastian Ullrich für
seine Dissertation: „Der Weimar-Komplex. Das Scheitern der ersten deutschen
Demokratie und die politische Kultur der
frühen Bundesrepublik 1945–1959“. Ullrich, Jahrgang 1975, studierte Geschichte,
Philosophie und Politikwissenschaft in Berlin und Cambridge und promovierte 2008
an der Humboldt-Universität zu Berlin. Der
Historiker hat den „Weimar-Komplex“ für
die unmittelbare Nachkriegszeit und das
Gründungsjahrzehnt der Bundesrepublik
erstmals umfassend und quellennah untersucht. Dabei wird deutlich, wie umstritten
die „Lehren aus Weimar“ zunächst waren
und was für unterschiedliche Wert- und
Ordnungsvorstellungen miteinander in
den Debatten um das Scheitern der ersten
deutschen Demokratie konkurrierten. Erst
im Laufe der 1950er Jahre bildete sich der
spezifisch bundesrepublikanische Weimarbezug heraus, dessen Überreste sich bis
heute in den historisch-politischen Debatten beobachten lassen.
Name gesucht
Die Humboldt-Universität bekommt eine neue Serviceeinrichtung: Zum 1. Juni 2010 wird
das Call Center für Studierende an den Start gehen.
Wenn Sie einen Vorschlag für den Namen des Call Centers haben, schicken Sie ihn bis zum
15. Mai 2010 an [email protected]. Für die besten zehn Vorschläge gibt es ein
Präsent aus dem ­HumboldtStore.
Impressum
Herausgeber: Der Präsident
Redaktion: Heike Zappe (verantw.),
Constanze Haase, Ljiljana Nikolic,
Thomas Richter, Silvio Schwartz (online)
Unter den Linden 6, 10099 Berlin
Tel. (030) 2093-2948, Fax -2107
[email protected]
www.hu-berlin.de/pr/zeitung
Layout, Anzeigenverwaltung:
Unicom Werbeagentur GmbH
[email protected]
www.unicommunication.de
Tel.: (030) 509 69 89 - 0
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 16 vom
01.02.2005, www.hochschulmedia.de
Erscheinungsweise: semestermonatlich
Auflage: 10.000 Ex.
Für unverlangt eingesandte Beiträge wird
keine Haftung übernommen. Gezeichnete
Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung
des Herausgebers oder der Redaktion wieder.
Bei Nachdruck Quellenangabe und Beleg
erbeten.
HUMBOLDT erscheint wieder am
20. Mai 2010
(Redaktionsschluss: 4. Mai 2010)
Frauen und Männer sollen sich von dieser Pub­
likation gleichermaßen angesprochen fühlen.
Allein zur besseren Lesbarkeit werden häufig
geschlechterspezifische ­Formulierungen auf
die maskuline Form beschränkt.
Wie kann die Energieversorgung in den
Ostseestaaten sicher gestellt werden? Diese und andere Fragen waren Gegenstand
der ersten internationalen Sommer-Universität des Nordeuropa-Instituts der HU
und Københavns Universitet im vergangenen Jahr. Aufgrund der positiven Resonanz der Partner, Teilnehmer und Dozenten wird das interdisziplinäre Erasmus-Intensivprogramm vom 1. bis 12. September
2010 ein zweites Mal in Berlin angeboten.
Der Schwerpunkt der englischsprachigen
Sommer-Universität sind Themen der
europäischen Energiepolitik, Energienetze und erneuerbaren Energien. Ebenfalls
thematisiert werden in den Seminaren
und Exkursionen Kooperationen innerhalb der Ostseeregion, Aspekte der Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit oder der
Bau der Nord Stream Pipeline.
Exkursionen führen ins Bundeskanzleramt, ins Europäische Energie-Institut Berlin und zu einer nachhaltig angelegten
Wohnsiedlung. Kostenfrei teilnehmen
können Masterstudierende aller Fachrichtungen der HU und der Universitäten
Kopenhagen, Turku, Tartu und Gdansk.
Für externe Interessenten wird eine geringe Teilnehmergebühr erhoben. Für die
erfolgreiche Beteiligung erhalten die Studierenden fünf ECTS.
Inken Dose
Bewerbungsschluss ist der 15. Juni 2010,
alle Unterlagen sind auf Englisch einzu­
reichen: [email protected]
http://international.hu-berlin.de/an_die_
hu/sommer-winter-unis/sommeruniversitat/
energy/index_htm.
Politische Praxis studieren
Berufsbegleitender Studiengang „Humboldt-Viadrina School of Governance“
Wie lassen sich für die wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen der
Gegenwart in der Praxis möglichst gute
Lösungen finden? Die Berliner HumboldtViadrina School of Governance bietet mit
dem berufsbegleitenden Studium zum
Master of Public Policy (MPP) einzigartige Möglichkeiten, wegweisende Lösungen
zu entwickeln und konkret umzusetzen.
Die Humboldt-Viadrina School of Governance ist ein Gemeinschaftsprojekt der
Humboldt-Universität zu Berlin und der
Europa-Universität Viadrina in Frankfurt
(Oder). Im Kraftfeld von Politik, Wirtschaft
und Zivilgesellschaft existiert hier eine
einmalige Kombination aus Forschung,
Lehre und Forum. Zentral für die Studierenden ist das eigene politische Projekt,
das sie aus ihrer beruflichen Praxis mit-
bringen und mit dem sie sich bewerben.
Individuell gefördert von der Hochschule
und im Austausch mit anderen Studierenden entwickeln sie Lösungen und realisieren sie in der Praxis. Durch das eigene
Projekt bekommen das im Masterstudiengang vermittelte Wissen und die insbesondere in den Präsenzphasen entwickelten
Fähigkeiten einen lebendigen Bezug.
Das zweijährige Studium ist gleichzeitig intellektuell anspruchsvoll, praktisch
wertvoll und höchst partizipativ. Entwerfen, Kommunizieren und Umsetzen gesellschaftlich wertvoller Projekte sind die
entscheidenden vermittelten Qualifikationen. Bewerbungsschluss für den nächsten
Jahrgang ist der 31. Mai 2010.
www.humboldt-viadrina.org
Adlershofer Dissertationspreis
Der mit 3.000 Euro dotierte Adlershofer Dissertationspreis 2009 geht an
Dr. Robert Gaschler vom Institut für
Psychologie für seine mit summa cum
laude bewertete Arbeit „Infor­mation
Reduction as Item-general Strategy
Change“. Bereits zum achten Mal würdigen damit die Humboldt-Universität,
die außer­universitären Forschungseinrichtungen in Adlershof (Igafa) und die
Wista-­Management GmbH herausragende Leistungen ihres wissenschaftlichen Nachwuchses. Der Preis wird am
28. April 2010 verliehen. Den Festvortrag
hält Prof. Dr. Gerd Gigerenzer vom MaxPlanck-Institut für Bildungsforschung
über „Bauchentscheidungen: die Intelligenz des ­Un­bewussten“.
Ab 16 Uhr, im Erwin-Schrödinger­Zentrum, Rudower Chaussee 26.
Symposium zu
Genetikerin Elisabeth Schiemann
„Vom AufBruch der Genetik und der
Frauen in den UmBrüchen“ lautet der Titel eines interdisziplinären Symposiums,
das der Berliner Pflanzengenetikerin Elisabeth Schiemann (1881-1972) gewidmet
ist und am 6. und 7. Mai 2010 stattfindet.
Schiemann war eine der ersten Studentinnen und Professorinnen in ­Deutschland,
gehörte der ersten Genetikergeneration an und gilt als Wegbereiterin der
Archäobotanik. Die Veranstaltung findet im Jakob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum, Geschwister-Scholl-Str. 1/3, beziehungsweise in der Dorotheenstraße 24,
Raum 1308 statt.
www.gender.hu-berlin.de
Gespräch über Literatur
„Liebe in Zeiten des Umbruchs“ – Caroline und Wilhelm von Humboldt. Eine öffentliche Abendveranstaltung mit
Christoph Markschies, Jürgen Trabant
und der Autorin Hazel Rosenstrauch am
6. Mai 2010 um 19 Uhr im Senatssaal der
Humboldt-Universität im Hauptgebäude,
Unter den Linden 6, 10117 Berlin.
Das Buch „Wahlverwandt und ebenbürtig.
Caroline und Wilhelm von Humboldt“
von Hazel Rosenstrauch ist im EichbornVerlag erschienen.
Symposium zu Bildungsökonomie
Am 26. Mai 2010 veranstaltet das Humboldt-Forum Wirtschaft e.V. (HUFW)
unter der Schirmherrschaft von Gesine Schwan von 9 bis 19 Uhr sein 10.
Ökonomisches Symposium zum Thema
„Wa(h)re Bildung – Von der Wissensgesellschaft zur Wissenswirtschaft?“ im
Audimax der HU, Unter den Linden 6.
Die Bildungsökonomie ist eine junge Teildisziplin der Volkswirtschaftslehre, die
Effekte der Bildung auf den Einzelnen
und die Gemeinschaft untersucht, in-
dem sie die Renditen der Bildung schätzt.
Wichtige Forschungsfelder sind außerdem die Nachfrage sowie Bereitstellung
und Finanzierung von Bildungsangeboten. Vor diesem Hintergrund diskutieren
die Teilnehmer des Symposiums über
die Themen Humankapital, Studiengebühren, die Zukunft der Bildungsinstitutionen, den Status der Universitäten in
der Forschungslandschaft und die Kontro­
verse über Eliten- oder Breitenförderung.
www.hufw.de
Mit einem Koffer
nach Berlin
Das Mentorenprogramm „Studis4Studis“
für internationale Studierende
„Dann machen wir einen auf dicke ­Hose“,
schlägt Maraike ihrer polnischen Austauschstudentin Natalia vor. Jetzt, zu
Semesterbeginn, sitzen die beiden gemeinsam in einem Café in Mitte und
unterhalten sich über ihren gemeinsamen
Studiengang Psychologie in Deutschland
und Polen und über das Berliner Nachtleben. „Aber verstehst du was ‚einen auf
dicke Hosen machen’ bedeutet?” hakt
Maraike noch mal nach.
Seit Anfang März wohnt Natalia in Berlin
und studiert mit dem Erasmus-Austauschprogramm an der Humboldt-Universität
zu Berlin. Als Natalia in Berlin ankam,
kannte sie lediglich die Adresse des Wohnheims, in dem sie das Sommersemester
wohnen würde. Aber wo sollte sie eine
deutsche Handykarte kaufen? Oder ein
gebrauchtes Fahrrad? Und eine günstige
Bettdecke mit Kissen? Um die Ankunft in
der neuen Stadt zu erleichtern, wurde Natalia über das Mentorenprogramm „Studis4Studis“ der Abteilung Internationales
die HU-Studentin Maraike zugeteilt. Bereits seit zwei Jahren bietet das Programm
internationalen Neuankömmligen Hilfestellung im Uni-Alltag. Die Universität
übernimmt eine Vermittlerrolle.
Im Sommersemester 2010 meldeten sich
127 Mentoren, denen Studierende aus
Ländern aller Kontinente zugewiesen
wurden. Das Engagement der Mentoren
bleibt dabei unentgeltlich und geht meist
weit über Starthilfeschwierigkeiten hinaus.
Maraike und Natalia beispielsweise treffen sich öfter, um gemeinsam die Stadt
zu erkunden. Dabei sprechen die beiden
immer deutsch. „Sonst hätte ich auch
nicht nach Deutschland kommen müssen.
Die alltägliche Sprachpraxis hilft sehr“,
meint Natalia und lacht über Maraikes
Erklärungen deutscher Redewendungen.
Oft treten während des Semesters Fragen
auf, wie beispielsweise an einer deutschen
Hochschule ein Essay zu schreiben sei
oder ein Referat gehalten werde. Auch die
Universitätsverwaltung und Visabürokratie sorgen des Öfteren für Unklarheiten
bei den Austauschstudierenden.
Wiebke, eine der Organisatorinnen des
Mentorenprogramms, kennt die Unsicherheiten und Verwirrungen, mit denen
man anfänglich in einem unbekannten
Land umgehen muss. An zwei Händen
zählt sie die Sprachen ab, die sie durch
ihre Auslandsaufenthalte spricht. Sie erzählt von zwei kubanischen Studentinnen,
die in diesem Semester kein Zimmer im
Wohnheim bekommen konnten und nun
in ihrem Zimmer Unterschlupf gefunden haben. „Dafür wurde ich gleich im
Sommer nach Kuba eingeladen“, erklärt
Wiebke. Doch wie rege der Kontakt zwischen den einzelnen Berliner und internationalen Studierenden ausfällt, bleibt
allen Teilnehmenden selber überlassen.
Bei der Anmeldung für das Mentorenprogramm können – je nach Zeitmöglichkeit
und Aufwandsbereitschaft - von beiden
Seiten Präferenzen – wie „Hilfe bei der
Wohnungssuche“, „Sightseeing“, „UniTour“, „Party“ oder auch „Sprachtande“
angegeben werden. Manchmal kommen
über „Studis4Studis“ Freundschaften zustande, manchmal findet auch einfach
eine halbstündige Tour durch das Hauptgebäude, die Bibliothek und die Mensa
statt. Und manchmal folgt nach einer
Begrüßungsemail gar kein Kontakt mehr.
Doch wer schon einmal sich länger im
Ausland aufgehalten hat, wird wissen,
wie beruhigend es sein kann, einfach
um jemanden zu wissen, der einem im
Notfall bei Fragen zur Seite stehen kann.
Mit einer großen Party heißt die Abteilung
Internationales alle Neuankömmlinge am
23. April 2010 in der Kalkscheune willkommen. Wer Lust hat, kann dort auch „einen
auf dicke Hose machen“ – wie Maraike
Natalia erklärte. Lisa O‘Conner
evz.hu-berlin.de/studierende/orbis/
studis4studis
Forschung / Campus
HUMBOLDT · 22. April 2010
Seite 3
Doping für jedermann?
ilinx wirbelt durch
die Kulturwissenschaft
Neue Zeitschrift mit HU-Beteiligung
erscheint nun jährlich
Ein Verbundprojekt untersucht den Missbrauch von Stimulanzien im Sport und Alltag
Claudia Pechstein, Jan Ullrich und Dieter
Baumann haben eines gemeinsam: sie
wurden des Dopings verdächtigt. Wer
dopt, der betrügt, oder etwa nicht? Längst
bezieht sich der Begriff Doping nicht
mehr nur auf Hochleistungs- oder Fitnesssportler, sondern ebenso auf Manager,
Banker oder gar Studenten.
„Die Bedeutung des Begriffes Doping hat
eine bemerkenswerte Erweiterung erfahren. Doping am Arbeitsplatz oder Hirndoping sind in den Sprachgebrauch eingegangen“, sagt Elk Franke. Der Sportwissenschaftler ist Leiter des transdisziplinären
Verbundprojektes „Translating Doping –
Doping übersetzen“ zwischen HumboldtUniversität und Technischer Universität,
das vom Ministerium für Bildung und
Forschung finanziert wird. Das Projekt
verfolgt das Ziel, das Wissen über Doping­
risiken für die Gesellschaft durch geisteswissenschaftliche Übersetzungsleistung
verständlich und anwendbar zu machen
– durch Aufklärung von Dopingpraktiken
und Präventionsmöglichkeiten.
Leistungssportler, die ihr Potenzial durch
die Einnahme unerlaubter Substanzen steigern, werden in der Öffentlichkeit diffamiert. Hält sich ein Manager oder Student
mit zwei Nebenjobs Geist und Körper mit
Amphetaminpräparaten (Weckamine) wie
Ritalin „wach“, wird sein Verhalten mit
einer Leistungssteigerung entschuldigt,
die der Gesellschaft zu Gute kommt. Wie
passen diese Ansichten zusammen? „Das
Motto höher, weiter, schneller ist kennzeichnend für unsere produkt- und ergebnisorientierte Dienstleistungsgesellschaft
geworden. Was früher der Kaffee war, sind
heute Aufputschmittel“, so Franke. Der
ursprünglich moralisch gekennzeichnete
Begriff Doping ist zu einem deskriptiven
Fachliche Kompetenzen angehender
Mathematiklehrkräfte mittelmäßig
Deutsche Grundschullehrkräfte und Gymnasiallehrer, die Mathematik als Fach studiert haben, zeigen im internationalen Vergleich am Ende ihrer Ausbildung gute bis
sehr gute Leistungen. Grundschullehrkräfte
ohne eine solche Vertiefung sowie Hauptund Realschullehrer bleiben dagegen hinter
vergleichbaren Lehrkräften in anderen Ländern zurück.
Diese Diskrepanz deckte die internationale
Vergleichsstudie TEDS-M (Teacher Education and Development Study in Mathematics) auf, in deren Rahmen mehr als 20.000
Mathematiklehrer im letzten Jahr der Lehrerausbildung zu ihren fachlichen und didaktischen Kompetenzen getestet wurden.
„Ein Teil unserer Lehrkräfte wird damit
unzureichend auf ihre anspruchsvolle Aufgabe vorbereitet, Schülerinnen und Schüler
zu den staatlich gesetzten Bildungsstandards zu führen“, resümiert Sigrid Blömeke, HU-Professorin und Leiterin der Studie.
In kaum einem Land zeigen sich so große
Unterschiede in den fachbezogenen Kompetenzen der Lehrkräfte einer Schulstufe
wie in Deutschland.
Info:
[email protected]
Höher, weiter, schneller durch Tabletten?
Begriff geworden. „Es geht nicht mehr darum, ob man dopt, sondern darum, einen
Grenzwert nicht zu übersteigen.“
Fünf Millionen Deutsche trainieren in Fitnesscentern, rund eine Million davon dopt
regelmäßig – Studien zufolge. Ob beim
Sport, vor der Vorlesung oder im Büro: das
Neuartige ist, dass gesunde, leistungsbereite Menschen freiwillig Psychopharmaka zu
sich nehmen, ohne therapeutischen Zweck.
Das Phänomen wird unter dem Schlagwort
„Enhancement“ diskutiert. „Die selbst verantwortete Einnahme und Dosierung von
solchen Mitteln könnte epidemisch zunehmen, wenn die diskutierte Liberalisierung
Foto: photodisc
als Freigabe verstanden wird“, glaubt Verbundkoordinator Giselher Spitzer. Parallelen zum Missbrauch von Schmerz- und
Rheumamitteln gibt es.
Zumal die Doping- und EnhancementDebatte auch den Sport- und Freizeitbereich bei Kindern und Jugendlichen erreicht hat. Ist die Anwendung von Ritalin
bei Kindern mit Aufmerksamkeits-Defizit-/Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS)
tatsächlich ausschließlich Therapie oder
gezielte Leistungssteigerung, fragen sich
die Wissenschaftler. „Bisher weiß man
kaum ­etwas über die Langzeitwirkung des
­Medikaments, aber die Verschreibungen
nehmen weiter zu. Immer mehr Kinder
und Jugendliche in Sportvereinen verstoßen durch die Einnahme gegen das
Dopingverbot. Bei einem offiziellen Wettkampf würden sie disqualifiziert und mit
Sperre bestraft“, erklärt Spitzer.
Diese Entwicklung ist unter anderem mit
mangelnder Aufklärung zu erklären. In der
letzten Phase des auf drei Jahre angelegten
Projekts werden die Verbundpartner daher
zielgruppenorientiert Materialien ausarbeiten, die zur Präventionsarbeit genutzt werden können.
Ein Etappenziel haben die HU-Wissenschaftler bereits erreicht: unter maßgeblicher Beteiligung der Rechts- und Rehabilitationswissenschaftler der Universität haben die Sportwissenschaftler Forschungs­
ergebnisse zusammengestellt, die im Sinne
eines „Vademecum Anti-Doping“ die rechtlichen Grundlagen und das naturwissenschaftliche Wissen über Doping bündelt –
ausgehend von dem Begriff „Natürlichkeit“
als Maßstab für den Dopingdiskurs. „Nur
wenn davon ausgegangen werden kann,
dass im Wettkampf die natürlichen Veranlagungen das Handeln bestimmen, ist
auch jene sinnstiftende Identifizierung mit
dem Athleten möglich“, sagt Elk Franke.
Gemeinsam mit deutschen Sportverbänden wollen die HU-Wissenschaftler regelmäßige Bluttests auf den Weg bringen, die
bisher rechtlich nur schwer durchzusetzen
waren, da sie aus juristischer Sicht eine
Körperverletzung darstellen. Hier ist dem
Verbund ein Durchbruch geglückt, indem
Strafrecht, Kriminalprävention und Sport­
ethik zum selben Ergebnis kommen: Zur
Erhaltung des Rechtsgutes „Sport“ erscheinen Bluttests zumutbar – per Vertrag.
Constanze Haase
www2.hu-berlin.de/translating-doping
„Ich denke niemals in Worten“
Ein Tableau zum bildnerischen Denken bei Charles Sanders Peirce
Charles Sanders Peirce (1839-1914) war
Naturwissenschaftler und Logiker, Erfinder der Philosophie des Pragmatismus
und Schöpfer einer umfangreichen Zeichentheorie (semeiotic). Die Unterscheidung von Icon, Index und Symbol des
auf dem Campus der Harvard-Universität
aufgewachsenen, hoch begabten Theoretikers hat Schule gemacht.
Umso erstaunlicher ist es, dass das auf
insgesamt 30 Bände angelegte Editionsprojekt von Peirces Nachlass, das die
Texte seiner Manuskripte chronologisch
erfasst, seit den 1980er Jahren bis heute
erst bei Band 8 angekommen ist. Wer
sich aber die bis zu 100.000 handschriftlich verfassten Manuskriptseiten genauer
anschaut, entdeckt beim Durchblättern
von Peirces monumentalem handschriftlichen OEuvre jedoch weit mehr als nur
Text. Denn Peirces Notizbücher enthalten eine unglaubliche Fülle an ikonischen Formen, die über rein textliche
­Notationen hinausgehen: beiläufig, wie
zur Entspannung hingeworfene Randzeichnungen, präzise graphische, tabel-
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Labyrinth mit Minotaurus, Ms. 1521, undatiert,
Houghton Library, Harvard University
ilinx, das ist griechisch und bedeutet
­„Wirbel“. Wirbel und Turbulenzen entstehen
dort, wo temporär und momenthaft verschiedene Einflüsse aufeinander treffen. ilinx, Berliner Beiträge zur Kulturwissenschaft: Wirbel,
Ströme, Turbulenzen, eine neue Zeitschrift,
lanciert vom Institut für Kulturwissenschaft
der HU wendet diese Dynamik kulturtheoretisch mit dem Anspruch auf experimen­
telle und anspruchsvolle Neuadressierungen
relevanter ­Themen an. „ilinx ist auf der
Schnittstelle zwischen Wissenschaft und
Kunst positioniert“, sagt Redaktions­mitglied
­Sebastian Gießmann.
313 Seiten umfasst die Zeitschrift, deren Erstausgabe damit eher das Format eines Buches
angenommen hat. „ilinx ver­sammelt alle
Formen intellektueller Auseinandersetzung
von international bekannten Künstlerinnen
Foto: Gießmann
wie der Fotografin Zoe Leonard bis hin zu
Theoretikern wie dem französischen Philosophen Michel Serres, von dem eine Erstübersetzung zur „Geburt der Physik bei Lukrez“
veröffentlicht wurde, auf die wir besonders
stolz sind“, erläutert Gießmann. 16 Beiträge,
darunter ausführliche Aufsätze, ­essayistische
Betrachtungen und pointierte Analysen wie
etwa zur Wetterlage der Börsenturbulenzen
stehen neben ästhetisch herausragenden
Comics wie Marc-Antoine Mathieus „Der
Wirbel“. Surrealistisch angehauchte Meditationen zur Kulturtheorie des Spiels überkreuzen sich mit präzisen Auswertungen von
Theaterexperimenten wie der Utopienbörse
USE im Berliner Theater Hebbel am Ufer.
­„Neben einem wissenschaftlichen Publikum
soll ilinx die deutschsprachige Kulturszene
in Medien, Museen und Politik sowie ein
internationales Publikum mit Interesse an
experimentellen Formen wie dem Mix aus
Theorie mit künstlerischen Formaten ansprechen“, so Gießmann.
Entsprungen ist ilinx einer Initiative von
Nachwuchswissenschaftlern des Instituts
für Kulturwissenschaft der HU, das die
Zeitschrift gemeinsam mit der Redaktion,
die sich aus der Initiative gegründet hat,
herausgibt. „Innovativ ist von der wissenschaftlichen Seite her vor allem das Peer
Review-System der Redaktion – ein Novum
in der historischen Kulturwissenschaft“,
weiß Gießmann. Dabei werden die Artikel vor Veröffentlichung durch ebenbürtige
Wissenschaftler untersucht. So sollen gute
Texte noch den nötigen Feinschliff bis zur
Exzellenz erhalten. Gleichzeitig machen die
Gutachter inhaltliche Vorschläge zur Verbesserung der eingereichten Arbeiten.
„Epistemy“, Ms. 1538, undatiert, Houghton Library, Harvard University
larische und diagrammatische Überlegungen, bis hin zu fein ausgearbeiteten
Darstellungen naturwissenschaftlicher
Probleme; daneben Fratzen, Masken, Grimassen und Karikaturen von unmittelbarer Ausdrucksstärke.
Bemerkenswert ist dabei, dass die Zeichnungen bisher nicht nur weitgehend von
der Forschung ignoriert wurden, sondern
noch nicht einmal systematisch erfasst
worden sind. Peirces bildnerisches Denken scheint sich demnach in die Liste
der unzähligen Neuentdeckungen wissenschaftlicher Werke einzureihen, deren
Bilder und Abbildungen allzu lang von
den Geisteswissenschaften vernachlässigt
worden sind. Vor diesem Hintergrund
ist nun erstmals eine Auswahl von 35
seiner Zeichnungen in den Räumen der
Kolleg-Forschergruppe „Bildakt und Verkörperung“ zu sehen, die 2008 von dem
Philosophen John Michael Krois und dem
Repros: Kolleg-Forschergruppe.
Kunsthistoriker Horst Bredekamp ins Leben gerufen wurde. Die im Rahmen eines Workshops zu Peirces bildnerischem
Denken präsentierten Reproduktionen
aus der Microfilm-Ausgabe der Houghton Library der Harvard University sind
als Tableau konzipiert, dessen Anordnung rearrangierbar ist. Der Betrachter
ist eingeladen, sich sein eigenes Bild zu
­machen, um die Zusammenhänge der
Bilder zu ­erforschen.
Die Zeitschrift erscheint nun jährlich. 2010
entsteht die zweite Ausgabe unter dem Titel
Mimesen. Wieder werden wissenschaftliche
mit künstlerischen Beiträgen verbunden.
Gefragt ist dabei nach Techniken, Agenten
und Methoden, mit denen Ähnlichkeiten
erzeugt werden – in künstlerischen oder kultischen, technischen oder wissenschaftlichen
­Prozessen. Constanze Haase
ilinx 1, 2009: „Wirbel, Ströme, Turbulenzen“.
Berliner Beiträge zur Kulturwissenschaft,
Philo Fine Arts, Hamburg, ISBN 978-3-86572-588-2,
14 Euro
www.ilinx-kultur.org
Franz Engel und Moritz Queisner
Zeichnungen von Charles Sanders
Peirce (1839-1914)
Die Tafeln können nach Absprache
bis Semesterende besichtigt werden.
Charlottenstraße 42/Ecke Dorotheenstr.,
10117 Berlin
Tel. 2093-99150
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Campus
Seite 4
Planen in schwierigen Zeiten
Projektmanager aus Kultur und Wirtschaft
berichten aus ihrem Arbeitsleben
In der bildungspolitischen Debatte der letzten Jahre wird oft bedauert, dass Hochschulabsolventen keine oder nur wenige
praktische Fähigkeiten in ihr Berufsleben
mitbringen. Eine von Studierenden organisierte Veranstaltung „Projektmanagement
für die Praxis“ im Rahmen eines Career Center Kurses in Kooperation mit der proventis
GmbH bot im März mehr als 60 Unternehmensvertretern und Studenten Gelegenheit,
sich über das Thema auszutauschen.
Die Grundproblematik des Projektmanagements brachte Eiko Feuerhak auf den Punkt:
„Wir haben im Bereich des Bauwesens die
Erfahrung gemacht, dass die Termine immer straffer werden, die Kosten minimiert
werden sollen, aber die Qualität nicht leiden
darf.“ Architektin Dana Knauer unterstrich
die Wichtigkeit von Projektvorlagen, Entscheidungsprotokollen und besonders der
Kommunikation. BWL-Student Christian
Berger berichtete, dass ihm Wissen im Bereich Projektmanagement bei der Planung
und Durchführung des Fundraising Projekts
„platzstiften.de“ an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät sehr geholfen habe,
dessen Initiator er ist.
Am Beispiel des Militärtransportflugzeugs
A400M, das von Airbus mit Beteiligung der
P3 Ingenieurgesellschaft geplant und gebaut
wird, illustrierte Ingenieur Gunnar Dröscher,
dass das beste Projektmanagement bei
Großprojekten mit höchster Komplexität an
seine Grenzen stößt, weil die ursprüngliche
Planung durch verteilte gleichzeitige Entwicklung immer wieder geändert werden muss.
Die Studenten lernten bei der Planung der
Veranstaltung zunächst grundsätzliche
Techniken zur Steuerung von Projekten unter hohen Qualitätsanforderungen, Zeit- und
Kostendruck kennen. Ein weiterer Schwerpunkt bestand in der Reflexion der Kommunikation in der Gruppe. Einzigartig wurde
der Kurs dadurch, dass die Studenten ihr
Wissen sofort in praktische Arbeit umsetzen
und mit der Planung und Durchführung eines realen Projektes beschäftigt waren. Der
nächste Kurs „Projektmanagement“ beginnt
am 6. August 2010. Lucia Vachek
www.careercenter.hu-berlin.de
Fallstudienwettbewerb 2010
Die Studentenorganisationen AIESEC und
IAESTE organisieren wieder einen Fallstudienwettbewerb, genannt Case Study Competition. Dieses Jahr wird er am 27. Mai
2010 im Bundespresseamt Berlin stattfinden.
Vier renommierte Unternehmen – Deutsche
Telekom, PricewaterhouseCoopers, Deloitte,
Ernst & Young – stellen jeweils eine Fallstudie
zur Verfügung, die dann von je 15 Studenten
in Gruppen bearbeitet und am Ende des
Tages präsentiert wird. Im Anschluss wird zu
jeder Fallstudie eine Siegergruppe ermittelt.
Diese Veranstaltung bietet Studierenden
die Möglichkeit, Kontakt zu hochrangigen
­Unternehmen zu knüpfen und ihre fachlichen
Kompetenzen zu beweisen. Außerdem ist die
Teilnahme inklusive Verpflegung für Studierende kostenlos.
Bewerbungsschluss ist der 7. Mai 2010.
Bewerbungen:
www.aiesec-berlin.de/CSC
Katja Schult
HUMBOLDT · 22. April 2010
Flüssigkeitsströme nach dem Osmoseprinzip
Erfindung von „Acuros“ ermöglicht pulsationsfreie Ströme von Flüssigkeiten für Zellkulturtechnik und Nanoanalytik
Wenn Helge Adleff durch Deutschland
reist und sein Produkt in wissenschaftlichen Institutionen präsentiert, dann hält
er ein Gerät in den Händen, das er selbst
entwickelt hat – zusammen mit einem
Professor vom Institut für Biologie der
Humboldt-Universität und seinem Geschäftspartner.
Der rechteckige Kasten ist etwa so groß wie
ein Schuhkarton, trägt den Schriftzug Acuros und ist in der Lage, Flüssigkeitsströme
pulsationsfrei zu befördern – eine Eigenschaft, die im biologischen oder chemischen Labor, in der Zellkulturtechnik, Nanoanalytik oder auch bei chemischen Analysen auf einem Mikrochip, eine herausragende Rolle spielt. Allerdings gelingt es mit
herkömmlichen elektromechanischen Mikropumpen aufgrund von Reibungseffekten
oder Unregelmäßigkeiten in der Mechanik
nicht, einen kontinuierlichen Fließprozess
herzustellen. Typische Flussraten bewegen
sich zwischen wenigen Nanolitern und einigen Mikrolitern pro Minute. „Es kann
zu Ungenauigkeiten kommen, die umso
stärker ins Gewicht fallen, je kleiner die
Fließgeschwindigkeit ist“, erklärt der Jungunternehmer.
Helge Adleff mit der Mikropumpe, die Flüssigkeitsströme pulsationsfrei befördert.
Fotos: Humboldt-Innovation
Auf das Problem in der fluidischen Mikrotechnik ist Adleff als wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Institut für Biologie gestoßen, wo er die Porosität von Zellwänden
erforscht hat und anfing, eine Mikropumpe
zu entwickeln, die ohne mechanische Elemente und elektrischen Antrieb funktioniert. Unterstützt wurde er nicht nur von
seinem Professor, Rudolf Ehwald, er kam
auch mit Thilo Guschauski in Kontakt,
der gerade beim Abschluss seines Maschinenbaustudiums war, und sich ebenso wie
Adleff eine Unternehmensgründung vorstellen konnte.
Zusammen haben sie später die Acuros
GmbH gegründet hat, die seit 2008 ihren
Sitz im Innovations- und GründerZentrum
an der Rudower Chaussee am Wissenschafts- und Technologiestandort Adlerhof
hat. Nachdem klar war, dass die Erfindung
Innovationspotenzial in sich trägt, haben
die beiden Jungunternehmer an EXISTSEED teilgenommen, einem Programm
des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung, mit dem Existenzgründungen
aus Hochschulen in der Vorphase fachlich
und persönlich unterstützt und finanziell
gefördert werden. „Wir haben viel gelernt
Asterix und Obelix auf Pikardisch
HumboldtFoto wandert
durch Berlin
Studentin Annette Hilscher untersucht die Vitalität der französischen Regionalsprache
Champagnisch, Wallonisch, Normannisch,
Pikardisch: Die Franzosen sprechen viele
Dialekte. Letzterer, das Pikardische, ist eine
nordfranzösische Regionalsprache; sie wird
in der Picardie, dem Artois, in FranzösischFlandern und in Belgien im Westen Walloniens gesprochen.
Studentin Annette Hilscher hat sich dem
Pikardischen im wahrsten Sinne des Wortes
verschrieben – ihre Bachelorarbeit wird eine
soziolinguistische Studie über die pikardische Sprache, mit besonderem Schwerpunkt auf Spracherwerb, Sprachkompetenz
und dem kulturellen Leben. „Französische
Regionalsprachen sind heute fast vollständig durch das Hochfranzösisch verdrängt.
Deshalb entstehen wie beim Pikardischen
nur regionale Akzente, so genannte Aussprachevarianten mit einer eigenen Lautentwicklung und Besonderheiten in Wortschatz
und Grammatik“, erklärt die Studentin der
Romanistik und Sozialwissenschaften.
Um zu analysieren, wie dieser Dialekt weitergegeben wird, hat die 23-Jährige in Schulen und der Université de Picardie hospitiert. Sie führte Interviews mit Lehrern und
Schülern, aber auch Aktiven des kulturellen
Lebens, wie Buchhändlern, Musikern und
Schriftstellern. „Mein großes Glück aber
war, dass ich zum 30-jährigen Jubiläum der
Zeitschrift ,Ch’Lanchron´ einen Fragebogen
beilegen durfte, der an 1.500 Haushalte verschickt wurde“, sagt die Studentin. Einen
ersten Kontakt hatte ihr betreuender Professor, Peter Stein, vom Institut für Romanistik hergestellt. 180 ausgefüllte Fragebögen
kamen zurück – derzeit wertet Annette
Hilscher die Antworten aus, im Mai wird sie
die Arbeit abgeben. „Im Pikardischen gibt
es keine einheitliche Orthografie, da über
die Hälfte aller Befragten den Dialekt mündlich, beispielsweise über die Großeltern, beigebracht bekommen“, sagt die angehende
Absolventin über ihre Ergebnisse.
Sie will Antworten finden auf die zentrale
soziolinguistische Fragestellung nach Joshua Fishman, einem amerikanischen Soziolinguisten: Wer spricht welche Sprache
wann und mit wem? Annette Hilscher unterscheidet zwischen formalisiertem – etwa
über den Wahlunterricht – und informellem
Spracherwerb über Familie und ­Freunde,
sowie aktiver (Sprechen und Schreiben)
und passiver Sprachkompetenz (Hör- und
Leseverstehen). „Pikardisch war lange eine
mündliche Sprache – zu Hause in der Familie oder beim Kommunizieren mit Freunden. In der alltäglichen Kommunikation ist
es heute weitgehend verloren gegangen.“
Dennoch hat sie einen Aufschwung der
Regionalsprache festgestellt. „Es gibt Unmengen Autoren, die wieder auf Pikar­disch
schreiben. Asterix und Obelix und ‚Der
kleine Prinz’ wurden ins Pikardische übersetzt; Theater- und Musikgruppen gründen
sich verstärkt“, erzählt Hilscher. Die Basis
ist der kulturelle Wert der Sprache: Er wird
mit Heimat, Kultur und Gemeinschaft verbunden.
Dass sich eine Deutsche aus Berlin für ihre
Sprache interessiert, fanden die Nordfranzosen so prestigeträchtig, dass ein Team vom
Dritten Französischen Fernsehprogramm
eine Reportage über Annette Hilschers Forschungen drehte. „Ich vermute, die Franzosen betrachten meine Arbeit als Form einer
erfolgreichen europäischen Integration“,
sagt sie. Constanze Haase
Akademische Kreuzfahrt von Rotterdam nach Berlin
Geographiestudenten erkunden europäische Hafenstandorte vor dem Hintergrund des Strukturwandels
Flüsse sind seit Jahrhunderten wichtige
Transportadern und nicht zuletzt mitverantwortlich für die Prosperität vieler Städte in
Mittel- und Nordeuropa – man erinnere sich
nur an die Hansezeit. Die Binnenschifffahrt
ist ein fester Bestandteil zur Bewältigung
des Verkehrsaufkommens. Der Transport
auf dem Wasser ist wirtschaftlich und umweltschonend zugleich – ein modernes Binnenschiff ersetzt etwa 150 Lastkraftwagen.
Cirka 10.000 Jeanshosen passen in einen
20-Fuß-Container. Doch nicht nur die Logistiknetze befinden sich im Wandel, auch
Hafenstandorte und Wasserstraßen müssen
den neuen Ansprüchen genügen. Mit einer
Verbreiterung der Kanäle, dem Bau größerer Schleusen, der Erhöhung von Brücken
und der Verlagerung von Hafen­standorten
aus den historischen Zentren sollen diese
ehrgeizigen Ziele erreicht werden.
und 2006 beim Businessplan-Wettbewerb
Berlin-Brandenburg mitgemacht, wo wir
unter die ersten Zehn kamen“, erklärt
­Adleff.
Das Prinzip der Pumpe der Acuros GmbH,
die bis zu einem halben Jahr in Funktion
sein kann, basiert auf dem Prozess der
Osmose. Pflanzen nehmen beispielsweise
durch Osmose Wasser in ihr Leitgewebe
auf und leiten es von den Wurzeln bis in die
Spitze. Die miniaturisierte Pumpe funktioniert mittels einer Hohlfaser, die sich um einen Behälter mit einem Osmotikum windet
und wasserdurchlässig ist. Auf dem Weg
durch die Hohlfaser wird die Konzentration
der Lösung aufgrund des Osmoseprozesses
kontinuierlich verändert, um am Ende in
verdünnter Form auf das Reservoir, in dem
sich die zu pumpende Flüssigkeit befindet,
zu drücken. Das Prinzip der Osmose ist
aber nicht nur für den Einsatz in der Labortechnik interessant, auch Patienten können
davon profitieren. „Wir bieten auch eine
Einwegminipumpe an, die beispielsweise
für Schmerzpatienten eine kontinuierliche
Medikamentengabe ermöglicht, ohne ihre
Mobilität einzuschränken“, erklärt Helge
Adleff. Zusammen mit Kooperationspartnern an der TU Dresden arbeiten die zwei
Jungunternehmer außerdem an einem miniaturisierten Labor für Zellkulturtechnik,
mit der niedergelassene Ärzte in die Lage
versetzt werden sollen, Material für kleinere
Haut- und Knochentransplantationen herzustellen. Die beiden Unternehmer arbeiten hart daran, dass der Schriftzug Acuros
in vielen Arztpraxen, die im Bereich der
regenerativen Medizin arbeiten, zu lesen
sein wird. Ljiljana Nikolic
Dabei wurde analysiert, welche Potenziale
sich im Güterverkehr durch den Ausbau der
Wasserwege ergeben oder welche Nachnutzungsmöglichkeiten für ehemalige innerstädtische Hafenstandorte vorhanden sind.
Die Exkursiongruppe auf dem Reiseschiff MS Fluvius im Rotterdamer Hafen.
Vor diesem Hintergrund bereisten Studierende der Humboldt-Universität und der
Universität Tübingen zwei Wochen unter
Leitung der Wirtschaftsgeographen Sebastian Kinder, Lech Suwala und Dennis Klo-
Foto: privat
se auf einem Binnenschiff Flüsse, Kanäle,
Hafenstädte und trafen dabei auf Experten
aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft,
die zum Thema Strukturwandel Rede und
Antwort standen.
Während in Rotterdam beispielsweise auf
einem ehemaligen Hafengelände ein hochmoderner Dienstleistungsstandort mit
preisgekrönten Prestigebauten von Rem
Koolhaas und Norman Foster entsteht, wird
in Duisburg am Innenhafen oder in Münster am Stadthafen versucht, durch kreative Industrien eine Wiederbelebung dieser
Quartiere durch Künstler, Musiker, Architekten unter Erhaltung der historischen
Bausubstanz voranzutreiben. Die Ergebnisse werden in einem Projektbericht und
mehreren Publikationen münden. Lech Suwala
Christoph Heyl: Unter den Linden II
Alltag und Alltägliches. Ungewöhnliches
und Überraschendes. Stille Einsichten
und Trubel. So stellt sich die Auswahl
an Fotografien dar, die an der HumboldtUniversität in den vergangenen zwei Jahren entstanden sind und zu dem Fotowettbewerb „HumboldtFoto“ eingereicht
wurden.
Im 200. Jubiläumsjahr der Universität ist
diese Bildauswahl in einer Wanderausstellung auf Reisen. Im Abgeordnetenhaus
von Berlin wurde sie am 13. April eröffnet. Bis zum 28. April 2010 ist sie dort
zu sehen, Abgeordnetenhaus von Berlin, Wandelhalle, Niederkirchnerstraße 5,
10117 Berlin, geöffnet Montag bis Freitag,
9 bis 18 Uhr.
Die nächste Station: 4. bis 15. Mai 2010,
Campus Adlershof, Erwin-SchrödingerZentrum, Rudower Chaussee 26, 12489
Berlin. Im Rahmen der HU200-Jubiläumswoche
vom 20. bis 29. Mai 2010 in den Potsdamer Platz Arkaden, Alte Potsdamer Straße 7, 10785 Berlin, geöffnet Montag bis
Samstag 9 bis 21 Uhr.
Vor Ort und in einer Online-Galerie besteht die Möglichkeit, einen Publikumspreis zu vergeben, der Ende des Jahres
verliehen wird.
www.hu-berlin.de/fotowettbewerb
Campus
HUMBOLDT · 22. April 2010
Seite 5
Ein Statistiker der ersten Stunde
Ti p p s & Ter mine
Zum Gedenken an Ladislaus von Bortkiewicz wurde ein Lehrstuhl eingerichtet
Kubanische
Sommer-Filmreihe
Am 23. April startet mit dem preisgekrönten
Melodram Erdbeer und Schokolade (Originaltitel: Fresa y chocolate) des kubanischen Regisseurs Tomás Gutiérrez Alea aus dem Jahr
1993 eine Filmreihe der HU und der Botschaft
Kubas. „Mit der Sommer-Filmreihe haben wir
ein kleines feines Programm aufgelegt, das
uns die vielfältigen Aspekte der kubanischen
Kultur und des gesellschaftlichen Lebens der
Karibik-Insel auf unterhaltsame und intelligente Weise näherbringt“, sagt Ursula Hans,
Leiterin der Abteilung Internationales. Im
September 2010 ist eine wissenschaftliche
Studienreise von „Humboldt Exkursionen“
nach Kuba geplant: Der Archäologe Veit Stürmer wird einen kurzen Einblick in das Programm der Reise geben.
Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr im
Foyer des Kinosaals, Hauptgebäude, Unter
den Linden 6.
Korruption beleuchten
Die Mosse-Lectures im Sommersemester
Korruption schafft eigene Systeme von Abhängigkeiten, etwa bei der Mafia. Im unternehmerischen Bereich schafft sie Marktanteile und sichert Arbeitsplätze, im Sport sorgt
sie für Höchstleistungen, oft allerdings im
Schatten von Dopingaffären. Ist diese Dynamik von Korruption nicht nur ein Störfall der
Gesellschaft, sondern ihr fester Bestandteil,
ein Streit der Gesellschaft mit sich selbst?
Die Mosse-Lectures, präsentiert vom Institut
für deutsche Literatur, werden diesen Fragen
nachgehen.
Den Auftakt am Donnerstag, 29. April 2010,
19 Uhr c.t., macht Stephan A. Janse, Präsident der Zeppelin Universität, Professor für
strategische Organisation und Finanzierung
zu „Tabuisierung, Medialisierung und Moralisierung der Korruption“, Senatssaal, Hauptgebäude, Unter den Linden 6.
Weitere Termine:
www.mosse-lectures.de
Im Vorlesungsraum 109 hing viele Jahre
ein Portrait von ihm. Aber im Februar 1938
hatte der Pedell (wir würden heute Hausmeister sagen) dem Direktor berichten
müssen, dass das Portrait „verschwunden“
war. Er merkte an, dass das Portrait vermutlich gestohlen wurde, „weil die Täter
annahmen, er sei nicht deutschblütig“ gewesen.
Ladislaus von Bortkiewicz hielt fast 30 ­Jahre
lang im Gebäude Unter den Linden seine
Vorlesungen und war auch in der Spandauer Straße tätig – im gleichen Gebäude
befindet sich heute der nach ihm benannte
Lehrstuhl. Der Ladislaus von Bortkiewicz
Chair of Statistics am Centre for Applied
Statistics and Economics (C.A.S.E.) wurde
2009 in der Wirtschaftswissenschaftlichen
Fakultät eingerichtet. Im Januar wurde die
Benennung feierlich bekannt gegeben.
Als Kind polnischer Eltern wurde Ladislaus
von Bortkiewicz am 7. August 1868 in St.
Petersburg, der Hauptstadt des Russischen
Zarenreiches geboren. Er erhielt eine ausgezeichnete Schulbildung und studierte
Jura, anschließend Staatswissenschaften
beziehungsweise Nationalökonomie, Statistik und Mathematik an der Universität
Göttingen. Von 1895 bis 1897 bereitete er
seine Habilitation an der – damals Preußischen – Universität Straßburg vor und wurde Privatdozent. Sein besonderes Interesse
an Statistik wurde von seinem Doktorvater
in Göttingen, dem berühmten Wilhelm Lexis, geweckt. In Straßburg beeinflusste ihn
Georg Friedrich Knapp.
Mit seinem 1898 publizierten Büchlein
„Das Gesetz der kleinen Zahlen“ wurde
Bortkiewicz weltweit bekannt. In dieser
Broschüre behandelte er vor allem die
Poisson-Verteilung. Nach seiner Habilitation kehrte er nach St. Petersburg zurück
und arbeitete für die Eisenbahn, bis er die
Chance erhielt, in Berlin zu wirken – und
fast 30 Jahre lang blieb.
Ladislaus von Bortkiewicz war ein außergewöhnlicher Ökonom, Statistiker und Mathematiker. Er lehrte sowohl an der Friedrich-Wilhelms-Universität als auch an der
Der Ökonom Ladislaus von Bortkiewicz
(1868-1931)
Abb: Porträtsammlung UB
1906 gegründeten Berliner Handelshochschule. 1901 wurde er außerordentlicher
Professor für Staatswissenschaft und Statistik an der Berliner Universität. Von 1913
bis 1931 war er einer der vier Direktoren
des Staatswissenschaftlich-Statistischen Seminars; zusammen mit Max Sering, Heinrich Herkner und Ludwig Bernhard. Erst
1920 erhielt er eine ordentliche Professur,
ein persönliches Ordinariat, was dazu führte, dass es ab 1931 keine Professur für Statistik mehr gab, da diese nach seinem Tod
nicht wieder besetzt werden konnte. Von
1906 bis zum Wintersemester 1922/23 war
Ladislaus von Bortkiewicz außerdem Professor für Mathematik und Statistik an der
Handelshochschule Berlin – der heutigen
Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.
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Ladislaus von Bortkiewicz arbeitete zu sehr
verschiedenen Gebieten, zur klassischen
Ökonomie und zur Bevölkerungsstatistik,
außerdem zur Wahrscheinlichkeitstheorie,
mathematischen Ökonomie und physikalischen Statistik. Er leistete wesentliche
Beiträge zur Entwicklung all dieser Gebiete
und manche seiner Publikationen wurden
zu klassischen Arbeiten in der mathematischen Statistik. Leider publizierte er viele seiner Arbeiten in unterschiedlichsten
Zeitschriften, und schon seine Kollegen
beklagten, dass er keine Werkausgabe hinterließ. Neben vielen anderen wurde Bortkiewicz von zwei Kollegen wertgeschätzt,
die wegen des NS-Regimes ins Exil getrieben wurden: von dem Wiener Ökonomen
Joseph Schumpeter und dem Heidelberger
Mathematiker Emil Julius Gumbel; dieser
hatte sich 1931 vergeblich um die Nachfolge
als Professor in Berlin beworben. Im Exil
in den USA verfassten Schumpeter und
Gumbel Skizzen zum Werk von Ladislaus
von Bortkiewicz und erinnerten an ihn und
sein Werk, insbesondere zur politischen
Ökonomie.
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Geschichte
HUMBOLDT · 22. April 2010
Seite 7
Krankheiten, Therapien und Schicksale
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Die Charité begeht ihr 300-jähriges Jubiläum – eine Ausstellung und ein Buch würdigen es
Armprothese
nach Sauerbruch, um 1940,
Berliner Medizinhistorisches Museum
Foto: Thomas Bruns
Im Berliner Medizinhistorischen Museum der Charité kann seit März die
Ausstellung „Charité. 300 Jahre Medizin
in Berlin“ besucht werden. Sie führt in
zwei Sälen und zwei zeitlichen Durchläufen durch die Geschichte der Medizin in
Berlin.
Das Schild „Nach Berlin“ und eine Ratte sehen die Besucher der Ausstellung
zuerst. Das possierlich scheinende Tier
steht für die Infektionsgefahr, und das
Schild weist darauf hin, dass die Charité
für einige Jahrzehnte vor den Toren der
Stadt zu finden war. Der erste Saal ist
den verschiedenen Krankheiten und den
jeweiligen Heilungsmöglichkeiten gewidmet: Erkrankungen des Brustraums im
18. Jahrhundert werden in den Blick genommen, die Syphilis wird in Moulagen
beispielhaft vorgeführt. Im beginnenden
Industriezeitalter sind Diphtherie und
die Verletzungen durch Unfälle relevant.
Durch die Jahrzehnte hindurch geht es
bis hin zu den heutigen Volkskrankheiten
Rheuma und Krebs.
Sonderausstellung bis 27. Februar 2011
im Berliner Medizinhistorischen Museum
der Charité, Charitéplatz 1, Berlin-Mitte,
Öffnungszeiten: Di, Do, Fr, So 10 - 17 Uhr,
Mi/Sa 10 - 19 Uhr, Mo geschlossen
Daneben wird die Breite der medizinischen Einrichtungen in Berlin gezeigt: so
die Militärärztliche Akademie und das Institut für Infektionskrankheiten. Es wird
deutlich gemacht, dass die Medizin ganz
im Virchowschen Sinn eine soziale Wissenschaft ist und die oft genug prekären
Lebensbedingungen der Berliner werden
ein Stück weit sichtbar.
Für den zweiten Saal hat Kuratorin Isabel
Atzl zwei Frauen und 40 Männer ausgewählt, die beispielhaft für Leistungen
der Berliner Medizin stehen. Franziska
Tiburtius (1843-1927) war die erste niedergelassene Ärztin in Berlin überhaupt.
Die zweite Ärztin an der Charité war
­Rahel Hirsch (1870-1953). Sie war 1913 die
erste Frau, die Professor der Medizin in
­Preußen wurde. Gut 200 Jahre waren also
vergangen, bis Frauen solche Positionen
erreichen konnten.
Bei den anderen Forschern sei nur kurz
auf Ferdinand Sauerbruch (1875-1951) eingegangen. Er steht wie vielleicht kein
anderer für die im beginnenden 20. Jahrhundert erreichten Möglichkeiten und für
die Verstrickungen in der Zeit des Nationalsozialismus. So war er der erste, der
ein Verfahren etablierte, mit dem man
den Brustkorb operativ öffnen kann. Er
entwickelte eine Oberarmprothese, die als
Sauerbruch-Arm bekannt wurde. Ab 1933
unterstützte er die neuen Machthaber,
indem er einen eigenen Brief „An die
Buc h t ip p
Ärzteschaft der Welt“ am „Bekenntnis der
Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler
und zum Nationalsozialismus“ verfasste.
Andererseits sprach er sich gegen das so
genannte Euthanasie-Programm aus.
Die Charité
Die Geschichte eines
Krankenhauses
Hrsg. Johanna Bleker
und Volker Hess
Akademie Verlag Berlin
2010, 299 S., 52 Abb.,
69,80 Euro,
ISBN 978-3-05-004525-2
Die Ausstellung gelangt schließlich in der
Gegenwart an und gibt Einblicke in die
vielfältigen Tätigkeitsfelder der Medizin
mit ihren aktuellen Möglichkeiten.
Tom Werner
Krankenjournal aus der Charité für die Jahre
1857 bis 1860
Foto: Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité
Die Ausstellungsbesucher werden danach
vielleicht noch mehr wissen wollen, und diesen sei eine Neuerscheinung ans Herz gelegt. Johanna Bleker und Volker Hess haben
„Die Charité – Geschichte(n) eines Krankenhauses“ herausgegeben. In neun Kapiteln
stellen verschiedene Autoren in Schritten von
20 bis 80 Jahren die Veränderungen des Krankenhauses Charité von den Anfängen bis zum
Mauerbau dar. Damit wird allerdings die Seite
der Universitätsmedizin nicht berücksichtigt.
Sehr wohl einbezogen werden politische Aspekte, denn die Charité ist immer auch als
politisch gesteuerte und geordnete Struktur
zu denken. In jedem Kapitel gibt es neben
der Darstellung der medizinhistorischen Perspektiven beispielhaft eine Krankengeschichte, um die allgemeine Entwicklung am besonderen Fall zu zeigen. Ein interessantes und
vor allem ein gut zu lesendes Buch. Die Lücke
zur Gegenwart ergibt sich aus dem aktuellen
Forschungsstand. Derzeit ist es noch nicht
möglich, eine Geschichte der Charité bis in
die Zeit nach der Wiedervereinigung fortzusetzen. Hier ist noch Arbeit zu leisten.
Leidenschaft und Intensität
Zum Tod des Malers Wolfgang Frankenstein und seinem Beitrag für die Kunsterziehung
Am 6. März 2010 verstarb der Maler
Wolfgang Frankenstein mit 91 Jahren in
Berlin. In den Jahren 1968 bis 1983 war er
Leiter des Bereichs Kunsterziehung an der
Humboldt-Universität.
aus seinem Arbeitsraum auf die Berliner
Museumsinsel und die Spree ist in den
Skizzenbüchern mit manch sensationeller
Eintragung zu finden.
Im Zentrum Frankensteins wissenschaftlicher Arbeit am Bereich Kunsterziehung
stand die Erarbeitung theoretischer Positionen, die auf der Basis neu akzeptierter
Vielfalt in der Kunst den Einblick in Gestaltungs- und Rezeptionsprozesse ermöglichen und die gängigen Kategorien der
Werkanalyse erweitern sollten. Normativen Tendenzen in der kunstpraktischen
und kunstpädagogischen Ausbildung entgegen zu wirken, war wesentliches Ziel.
Die lebendige Präsenz dieser Persönlichkeit – eines Menschen mit Leidenschaft
und Intensität, der unbeirrbar für seine
Ziele eintrat – ist allen vertraut geblieben,
die mit ihm damals gearbeitet haben. Wir
bewunderten seine farbintensiven Bilder,
die in zahlreichen Werkausstellungen ihre Kraft entfalteten. Wir schätzten ihn als
engagierten Streiter in Sachen Kunst und
als Kenner internationaler Kunstprozesse.
Wolfgang Frankenstein, am 5. Mai 1918
– auf den Tag genau 100 Jahre nach Karl
Marx – geboren, durchlebte das 20. Jahrhundert in niederdrückenden Momenten
der Verzweiflung und hoch beglückenden
Augenblicken des Erfolgs: In der Nazizeit
als rassistisch Verfolgter durch Studienverbot und Haft gequält, war er nach dem
Krieg mit Elan in die Kunstszene eingestiegen. Er war künstlerischer Leiter der
Galerie Rosen, Autor der Kulturzeitschrift
Athena, Mitbegründer des Künstlerkabaretts „Badewanne”, assoziiert mit der
Künstlergruppe Cobra. Der Maler war befreundet mit Karl Schmidt-Rottluff, Werner Heldt und Alexandro Camaro, in Sachen Unesco unterwegs, mit Renato Guttuso, Diego Rivera, Gabriele Mucchi und
Der Maler Wolfgang Frankenstein (1918-2010) Ende der 1980er Jahre in seinem Atelier.
Marino Marini bekannt. Von Künstlern wie
Heinrich Ehmsen und Max Kaus wurde er
gefördert, nachdem er sich entschlossen
hatte, seiner politischen Überzeugungen
und Ideale wegen im Ostteil Berlins als
Mitkonstrukteur des sozialistischen Experiments auf deutschem Boden zu wirken.
Seit 1962 in Greifswald und ab 1968
in Berlin im Rahmen einer künstleri-
Foto: privat
schen und wissenschaftlichen Professur
aktiv, konnte Wolfgang Frankenstein seine
künstlerisch-praktischen Erfahrungen direkt in die Lehre und die beliebten Exkursionen und Praktika einbringen. Die Burgstraße 26 erinnerte ihn mit dem schäbigen
Charme des Unperfekten, Provisorischen,
bohemienhaft an die lebenshungrige Zeit
nach Kriegsende. Hier hat Frankenstein
Erfolge und Rückschläge erlebt. Der Blick
Antifaschisten und Humanisten der Gründergeneration des Instituts hatten starke
politische Impulse neben das motivierende Potenzial der Reformpädagogik gestellt. Der komplizierten Wahrnehmung
künstlerischer Äußerungen in der Gegenwart gerecht zu werden, galt als neue Herausforderung. In die damalige Hochschullandschaft hat sich der Bereich Kunsterziehung der Humboldt-Universität mit
einem unverwechselbaren Profil der Fachlehrerausbildung eingebracht. Der Beitrag
Frankensteins ist unbestritten.
Wir schätzten die Persönlichkeit, die die
kühnen Ideen des Wissenschaftlers mit
dem produktiven Schaffen des Künstlers
verband. Marieluise Schaum
140. Todestag: Heinrich Magnus
2.5.1802 - 4.4.1870, Physiker und Chemiker
Im Mai 1802 wurde Heinrich Magnus als
Sohn einer wohlhabenden Berliner Kaufmannsfamilie geboren. Er studierte Chemie und Physik in seiner Heimatstadt und
wurde 1827 promoviert. Nach einigen Jahren im Ausland habilitierte er sich 1831
über chemische Technologie. 1834 erhielt
Magnus eine außerordentliche und 1845
eine ordentliche Professur für Technologie
an der Friedrich-Wilhelms-Universität. Er
engagierte sich sehr für die Förderung des
wissenschaftlichen Nachwuchses. Das in
seinem Privathaus Am Kupfergraben eingerichtete Privatlaboratorium öffnete er Studenten und Wissenschaftlern. Im Jahr 1843
initiierte Magnus dort ein Physikalisches
Kolloquium, das dazu diente, die neuesten
Publikationen auf dem Gebiet der Physik
zu diskutieren. Im Laufe der Jahre gingen
aus diesem Kreis eine Reihe bedeutender
Schüler hervor. Darunter auch Hermann
von Helmholtz, der Magnus´ Nachfolger
am Lehrstuhl Physik der Berliner Universität wurde. Noch heute ist das so genannte
Magnushaus der Sitz der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.
120. Geburtstag: Walter Grotrian
21.4.1890 - 3.3.1954, Astrophysiker
Walter Grotrian wurde im Jahr 1890 in Aachen
geboren. Sein Interesse für die Physik wurde
schon früh durch seinen Vater, der Professor
für Elektrotechnik war, geweckt. Nach dem
Studium in Aachen und Göttingen wurde
er über den Gleichstromlichtbogen promoviert. Sein guter Ruf als Spektroskopiker
führte Grotrian 1922 an das Astrophysikalische Observatorium in Potsdam. Zugleich
lehrte er an der Berliner Friedrich-WilhemsUniversität, wo er sich auch habilitierte. 1929
nahm Grotrian an einer SonnenfinsternisExpedition nach Sumatra teil, bei der er mit
einer eigenen Apparatur das noch völlig
unerforschte Spektrum der Sonnenkorona
maß. Durch die Analyse der Daten gelang es
Grotrian, die Komponenten des Koronaspektrums zu identifizieren und physikalisch richtig zu deuten, was zu dem Schluss führte,
dass in der Korona Temperaturen von über
einer Million Grad vorherrschen müssen.
Seit Ende des Zweiten Weltkrieges arbeitete
er am Aufbau eines europäischen Netzes
von Stationen zur Erfassung der veränderlichen Strahlungen der Sonne mit. 1954 starb
der Astrophysiker im Alter von 63 Jahren. Die
Stadt Potsdam hat zu Ehren Walter Grotrians
eine Straße nach ihm benannt.
250. Geburtstag: Sigismund Hermbstädt
14.4.1760 - 22.10.1833, Chemiker
Der 1760 geborene Hermbstädt studierte
Arzneiwissenschaft in Erfurt und arbeitete
nach seiner Promotion in verschiedenen
deutschen Apotheken. Unter stetiger Fortsetzung seiner Studien hielt er ab 1787
Privatvorlesungen über Chemie, Physik,
Technologie und Pharmazie in Berlin. 1791
wurde er als ordentlicher Professor für Chemie und Pharmazie an das Collegium medico-chirurgicum berufen und gleichzeitig
mit der Verwaltung der königlichen Hofapotheke betraut. Auf Vorschlag von Alexander
von Humboldt wurde Hermbstädt 1810 als
außerordentlicher Professor für Technologie
an die neu gegründete Berliner Universität
berufen. Seit 1811 war er dort ordentlicher
Professor für Chemie und Technologie.
Hermbstädt hatte wesentlichen Einfluss auf
das chemische Denken seiner Zeit. Er beschäftigte sich mit den Anwendungen der
Landwirtschaft, der Technologie und der
Pharmazie. Seine darüber veröffentlichten
Abhandlungen sorgten für die Verbreitung
von vorhandenem Praxiswissen. Außerdem
bereicherte er die Forschung durch seine
Mitgliedschaften in der Leopoldina und der
Akademie der Wissenschaften Berlin.
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HUMBOLDT · 22. April 2010
Mittendrin. Eine Universität macht Geschichte
Die Jubiläumsausstellung im Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum
Amtskette und Talar, das Zepter des
Rektors oder Hegels Schreibtisch –
mit solchen Stücken aus den reichen
Sammlungen der Universität, aber auch
zahlreichen Ton- und Filmdokumenten
bezeugt die Ausstellung Kontinuitäten
und Brüche der Universitätsgeschichte.
Trotz ihrer vergleichweise kurzen Geschichte muss „die Humboldt“, wie Studenten und Lehrende sie nennen, sich
nicht hinter traditionsreicheren Universitäten verstecken. Im 19. Jahrhundert
beginnt die Reihe klangvoller Namen mit
den Brüdern Humboldt, Hegel, Schleiermacher und setzt sich im 20. Jahrhundert mit Medizinern und Naturwissenschaftlern wie Albert Einstein, Lise
Meitner, Max Planck und Otto Hahn fort.
Mit der Zahl von 29 Nobelpreisträgern
unter ihren Lehrenden überflügelt die
Humboldt-Universität alle anderen deutschen Hochschulen.
Dieser Kubus führt zur Ausstellung in der
Universitätsbibliothek.
Foto: Heike Zappe
Die Besucher des Grimm-Zentrums werden von
kräftgen Farben und Kleinoden in den Bann der
Ausstellung gezogen. Foto: Heike Zappe
Charismatische Geister machen den
Ruhm einer Universität aus, und entlang
von Personen und Personalien erzählen
auch die Kuratorinnen der Ausstellung,
Ilka Thom und Kirsten Weining die Geschichte 200-jähriger Wissenschaft und
Wissensvermittlung – ohne dabei auf
bloßes name-dropping zu verfallen. An
Werk und Werdegang von Lehrenden,
Studierenden und Mitarbeitern, aber
auch an traditionsreichen Lehrorten machen sie brennglasartig einzelne Facetten
der Universitätsgeschichte fest. Deshalb
entschied man sich gemeinsam mit den
Ausstellungsdesignern Tom Duncan und
Noel McCauley für die Form dezentraler, autarker Informationseinheiten.„Die
Betrachter erfahren etwas über das Leben der Studentenschaft, welche Gepflogenheiten es gab, wer überhaupt daran
teilhaben durfte“, erklärt Kuratorin Ilka
Thom. „Diese thematischen Zeitreisen
sind unabhängig voneinander verständlich, man kann sich beim Gang durch die
Ausstellung also ganz von seinen Interessen leiten lassen.“
Einen festen Rundgang gibt es nicht,
denn den räumlichen Mittelpunkt des
Grimm-Zentrums bilden die jeden Tag
von vielen hundert Besuchern frequentierten Zugänge zu den Lesesälen. Die
S iemensvorlesungen
Und jetzt –
Richtungen der Zukunft
Unter welchen Bedingungen ist in Zukunft ein gutes Leben möglich? Um
sich dieser Frage anzunähern, veranstalten die Humboldt-Universität zu Berlin anlässlich ihres Jubiläums und die
­Siemens Stiftung München die Redereihe
„Und jetzt – Richtungen der Zukunft“.
Eingeladen sind elf Gäste, die in ihren
Vorträgen Fragen nach den Zukunftsaussichten einer immer komplexer werdenden Welt stellen. Ausgangspunkt für
ihre Reflexionen bilden die aktuellen globalen Krisen und Gefährdungen. In den
Reden werden Modelle und Szenarien
vorgestellt, die das Potenzial besitzen,
vom Denken zum Handeln zu führen und
Anstöße zur Weiterentwicklung offener,
verantwortlicher und problemlösungskompetenter Gesellschaften zu bieten.
Referenten sind: Baroness Susan Greenfield, Josef Winkler, Sunita Narain, Harald
Welzer, Stephan A. Jansen Charles Taylor,
Arjun Appadurai, Eva Illouz, Paul Collier,
Martin Hoffmann, Marcel Hénaff. Es moderiert Thomas Macho.
28. April bis 30. Juni 2010, mittwochs
19 Uhr, Humboldt-Universität zu Berlin,
Hauptgebäude, Kinosaal,
Unter den Linden 6.
Jutta Allmendinger über Bildung, Geschlecht
und ihre Teilnahme am zweiten HumboldtStreitgespräch
dokumente und Filme auf integrierten
Bildschirmen visualisieren und vertiefen
die Erzählung. Einige der Würfel kann
man betreten, vor allem da, wo sich die
konzentrierte Vertiefung in ein Thema
anbietet.
Berlin ist keine sonderlich alte Universität,
verglichen mit manch anderer Alma Mater
klangvollen Namens wie Heidelberg, Tübingen oder Göttingen. Auf ein 200-jähriges
Bestehen kann die erste Berliner Universität
2010 zurückblicken. Von dem Theologen
Friedrich Schleiermacher und dem Sprachwissenschaftler Wilhelm von Humboldt ging
die Initiative zur Gründung maßgeblich
aus. Den nächsten Höhepunkt in ihrem
runden Jubiläum begeht sie jetzt mit der
Ausstellung: „Mittendrin. Eine Universität
macht Geschichte“. Gezeigt wird sie im
Grimm-Zentrum, der erst vergangenes Jahr
eingeweihten Zentralbibliothek am Bahnhof
Friedrichstraße.
Die im Rotspektrum von Magenta bis
Karminrot lackierten hölzernen Kuben
geben der Schau eine starke Präsenz.
„Die Präsentation ist räumlich verstreut,
ich denke aber schon, dass man sie
als Einheit erleben kann“,
sagt Szenograph McCauley.
Die mediengestützt auf und
innerhalb der Würfel präsentierten Themen wecken
seiner Meinung nach sogar
leichter das Interesse eines
Bibliotheksbesuchers als eine große, geschlossene Ausstellung. Doch „Mittendrin“
sollte nicht nur Orientierung
ermöglichen und Interesse
wecken, sie soll eben auch ein
Festgeschenk sein, den Glanz
Zeitschriftenband aus der Universitätsbibliothek einer erfolgreichen Wissenmit Einschusslöchern aus dem Jahr 1919 oder 1920, Foto: UB schaftsinstitution vermitteln.
Deshalb kommt die ergänzenmit der Szenografie der Schau beauftrag- de Farbe Gold ins Spiel. In Gold legen
ten Architekten Duncan und McCauley sich an vielen Punkten großformatige
entschlossen sich, die Ausstellung de- Bilder über die glatte rote Fläche der Kuzentral um diesen belebte Mitte herum ben – das Portal unter den Linden oder
zu gruppieren: Korrespondierend mit Konterfeis berühmter Lehrender sind solFrank Peter Jäger
den Rastermaßen von Max Dudlers Bi- che Motive. bliotheksbau entwarfen sie in Rottönen
lackierte Kuben in sieben Größen. „Sie
Die Ausstellung „Mittendrin.
entspringen diesem Raster und springen
Eine Universität macht Geschichte“ ist
aus ihm heraus“, sagt Noel McCauley,
bis zum 15. August 2010 im Jacob-unddenn sie stehen kreuz und quer in der
Wilhelm-Grimm-Zentrum, GeschwisterFoyerhalle. Inseln, die Nachbarschaften
Scholl-Str. 1/3, 10117 Berlin, zu sehen.
bilden, jedoch in sich geschlossen sind,
Geöffnet montags bis freitags von 8 bis 24
so wie Denken und Wissensaneignung
Uhr, sonnabends und sonntags von 10 bis
stets Leistungen des Individuums sind.
Auf den Wänden der Kuben wird in Wort
und Bild in die Themen eingeführt, Ton-
143 Meter Wandzeitung und eine alte Druckmaschine
Zu jedem Jubiläum gehören sinnstiftende
Anekdoten. Zur studentischen Ausstellung
„stud. Berlin > 200 Jahre Studieren in
Berlin“ könnte die folgende Geschichte im
kollektiven Gedächtnis haften bleiben: Im
Herbst 2007 kommt es zu einer denkwürdigen Begegnung zwischen dem damaligen
Vizepräsidenten für Lehre, dem Bildungshistoriker Elmar Tenorth, und dem studentisch gebliebenen Bildungspraktiker Bernd
Schilfert von der Humboldt-Initiative (HUI). Der Professor arbeitet an der Jubiläumsausstellung samt einer mehrbändigen Festschrift zur Geschichte der Universität und
fragt nach, ob nicht die HU-I die Darstellung der Geschichte der Studierendenschaft
übernehmen wolle. So wird es erzählt.
Mehr als zwei Jahre später herrscht hektische Betriebsamkeit: In diversen WGs,
Bibliotheken, Archiven und RefRat-Büros
wird noch an Ausstellungstafeln gearbeitet.
Der Countdown läuft. Am 4. Mai 2010 soll
die studentische Ausstellung im Foyer des
Seminargebäudes am Hegelplatz eröffnet
werden. Auf insgesamt 143 Metern in allen
sechs Etagen des Seminargebäudes werden erfolgreiche wie gescheiterte, emanzipatorische wie rückwärtsgewandte, demokratische und autoritäre Unternehmungen
dargestellt, den studentischen Einfluss in
18 Uhr. Der Eintritt ist frei.
www.hu200.de
Studentischer Schläger
Krosno Odrzańskie (ehemals Crossen), Polen,
Mitte 19. Jh. Stiftung Stadtmuseum Berlin
Studentenpack packt aus
der Universität, auf die Wissenschaft, aber
auch außerhalb des „Elfenbeinturms“, zu
organisieren.
Längst sind es nicht mehr allein die in
der HU-I engagierten Studierenden und
Absolventen, die an der Realisation der
Ausstellung und der Veranstaltungsreihe
„Nachlese – die üble“ arbeiten. Das Studierendenparlament hat eine Kommission eingesetzt und den Großteil der Finanzierung
übernommen. Eine Nabelschau soll jedoch
vermieden werden, ebenso wie eine Erfolgsgeschichte der Studierendenschaft. Studierende der FU und andere Studierendenausschüsse wurden als Mitveranstalter geworben, und das Berliner Bodoni-Museum
spendete eine historische Druckmaschine
mit einem Flugblattsatz von 1848.
Die Ausstellung wird am 4. Mai 2010 um
18 Uhr im Foyer des Seminargebäudes am
Hegelplatz mit Freibier und einer Rede des
ehemaligen „Leipziger Studentenführers“
Peer Pasternack eröffnet. Der Titel seines
Beitrags ist programmatisch für das ganze Projekt: „Keine Zeit perfekt zu sein –
­Studierende und ihre Selbstorganisation“.
Micha Plöse
Ausstellungsdauer: 4. Mai – 31. Oktober 2010
„Streit braucht
einen langen Atem“
Auf den Spuren von Einstein,
Planck und Helmholtz
„Man merkt eben doch noch mehr und
mehr an den Dingen als man denkt, daß
man sich im Zentrum der eigenen Wissenschaft befindet.“ Dieses emphatische
Bekenntnis für Berlin ist in einem Brief
von Heinrich Hertz an seine Eltern aus dem
Jahre 1880 zu lesen, als dieser Student der
Berliner Universität war. Berlin hatte sich
in jenen Jahren zu einer europäischen Metropole entwickelt, in der Wissenschaft und
Technik von zentraler Bedeutung waren.
Namentlich in der Physik repräsentierte
die Stadt und ihre Wissenschaftsinstitutionen, allen voran die Berliner Universität,
eine Hochkultur, die in den Jahrzehnten
um die Jahrhundertwende die allgemeine
Geschichte der Physik aufs engste mit der
Geschichte der Berliner Physik verknüpfte.
Über den Aufstieg und den Niedergang dieser Hochkultur physikalischer Forschung
will die Ringvorlesung des Instituts für
Physik im Sommersemester informieren.
Physik in Berlin
Ringvorlesung des Instituts für Physik zum
200. Universitätsjubiläum, Lise-MeitnerHaus, Christian Gerthsen-Hörsaal,
Newtonstraße 15, Campus Adlershof,
wöchentlich mittwochs um 17:15 Uhr.
Nächster Termin: 28. April 2010,
Prof. Dr. Werner Ebeling
„Die Berliner Schule der Thermodynamik“.
Bildung, Arbeit,
Armut, Frauen – für
Jutta Allmendinger
sind das die zentralen gesellschaftlichen
Fragen. Die 43-Jährige ist Präsidentin
des Wissenschaftszentrums Berlin
Die Bildungssoziologin für Sozialforschung
Jutta Allmendinger
und Professorin
Foto: David Ausserhofer für die Bereiche
Bildungssoziologie
und Arbeitsmarktforschung an der HU. Am
29. April 2010 wird sie als Gast beim zweiten
Humboldt-Streitgespräch auf dem Podium
sitzen und über die Zukunft der Wissenschaftsgesellschaft streiten.
Frau Allmendinger, was brauchen Forscher,
um innovativ zu sein?
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
brauchen beides: Ruhe und Anregung. Sie
brauchen Freiräume, um zu lesen, und das
weit über ihr spezialisiertes Forschungsthema hinaus. Sie brauchen Zeit für den Dialog
und den Streit, mit sich selbst, mit Kollegen
und Studenten. Und sie brauchen Zeit zum
Forschen und zum Schreiben. Zeit ist das
wichtigste Gut.
Kann man über Bildung überhaupt streiten?
Welche Debatte sollte das Streitgespräch
anstoßen?
Klar kann man über Bildung streiten, lang
und trefflich. Viele Personen meinen, dass
wir bereits an die Grenzen der Bildung
gestoßen sind und der Anteil gut Gebildeter
nicht erhöht, der Sockel von Bildungsarmen
nicht abgebaut werden könne. Doch von
dem Streitgespräch erwarte ich mir mehr:
Wie leben wir in einer Gesellschaft, in
der Leben und Arbeiten immer mehr entgrenzt, in der bezahlte und unbezahlte
Arbeit immer mehr verschwimmen? Eine
Wissensgesellschaft hat andere Takte als die
Industriegesellschaft. Leistungsmessung
über Zeiteinheiten ist ihr nicht angemessen,
man misst in anderen Einheiten. Die Frage
ist, welche das sind?
Bildung erneuern, wie könnte das in
Deutschland gelingen?
Wir alle müssen Chancengleichheit als Wert
setzen und als Ziel verfolgen. Dabei geht es
nicht um Gleichmacherei. Viele Kinder aus
bildungsfernen Schichten und Migrantenfamilien bleiben weit unter ihren Möglichkeiten. Hier anzusetzen hilft den Menschen,
der Wirtschaft und der Gesellschaft.
Welche Rolle spielt die Gleichstellung der
Geschlechter bei diesem Thema?
Ich forsche über soziale Ungleichheiten.
Das Geschlecht spielt eine wichtige Rolle.
Das sieht man in der wissenschaftlichen
Praxis, nicht nur an Problemen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sondern auch
an Stereotypisierungen, an der Macht alter
Netzwerke, an Führungsstilen.
Sie wurden in Harvard promoviert. Was
machen die USA in der Ausbildung von
Nachwuchswissenschaftlern besser als
Deutschland?
In den USA hat der Wettbewerb um die besten Nachwuchskräfte viel früher als bei uns
begonnen. Die Wertschätzung ist höher, die
Akzeptanz von Vielfalt, der Blick auf das
ganze Leben – Arbeit und Familie.
Methodenstreit, Elitestreit – wird in Deutschlands Wissenschafts- und Forschungslandschaft zu viel oder zu wenig gestritten?
Ein Streit muss aufmerksam und ehrlich
geführt werden und nicht einfach Dogmen
oder Ideologien folgen. Ein Streit braucht
den langen Atem, die guten Argumente,
eine gute Empirie. Heute erleben wir, dass
um die Spitze viel gestritten wird. Wir fragen, was die Guten durch Schulreformen
verlieren. Und leider nur selten, was die
Bildungsarmen gewinnen.
Die Fragen stellte Constanze Haase