Tierfabeln - Fabeltiere

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Tierfabeln - Fabeltiere
Tierfabeln - Fabeltiere
Tierfabeln
-----------------------------Fabeltiere, Chimären
und Sagengestalten
Tierfabeln
... entstanden in Babylon (ca. 4. 000 v. Chr.),
in dem allgemeinen Verständnis,
dass Mensch und Tier eine Seele besitzen.
Mensch - Tier - Vergleich reicht also zurück
bis in früheste Zeiten menschlicher Kultur.
Tierfabeln
Mensch wollte sich die Kraft des Tieres
einverleiben (Löwe, Adler, ...)
Eigenschaften des Tieres dienten als Metapher
für Charakter oder Verhalten beim Menschen
Fuchs = listig, schlau
Bär = plump, gutmütig
Löwe = majestätisch
Tierfabel
Kurze Erzählung mit belehrender Absicht
(fabula docet et delectat)
Tiere besitzen menschliche Eigenschaften
(häufig: Fuchs, Wolf)
Erzählung zielt auf Schlußpointe,
an die sich allgemeingültige Moral anschließt
Typischer Aufbau einer Fabel
Promythion - vorangestellte Nutzanwendung/Lehre
·
·
·
·
Ausgangssituation der Handlung
Auslösung der Handlung (actio, Rede, 1. Handlungsteil)
Reaktion des Betroffenen (reactio, Gegenrede,
2. Handlungsteil)
Ergebnis der Handlung (eventus)
Epimythion - nachgestellte Nutzanwendung/Moral
Bedeutung von Tierfabeln
Aussagen, die gemacht werden, betreffen die Menschen:
Tiere reden und handeln wie Menschen
Demaskierung menschlicher Schwächen (Äsop),
Zurechtweisung in unterhaltsamer Form
Von Kirchenvätern in christl. Gedankengut übernommen
In Klöstern gesammelt, illustriert und neue dazu
geschrieben (Unterricht- und Predigtstoff)
Tierfabeldarstellungen
Ab dem Mittelalter wurden Tierfabeln
in und an den Kirchen bildlich dargestellt
(Symbolgehalt der Tiere)
Neu: Lehre von der Ungleichheit der Geschöpfe
(Veränderung der Symbolik)
Wolf = listig und schlau, wird zu Räuber und Teufel
Fuchs = falscher Prophet und Prediger
Tierfabeldarstellungen
Straßburger Münster (gegenüber der Kanzel):
Holzschnitte mit Mensch-Tier-Karikatur
Johann Fischart, Franziskaner Nass (Nasus)
Identifikation eines Tieres mit einer bestimmten
Eigenschaft führte zur Gleichsetzung dieser
Eigenschaft mit dem Namen dieses Tieres
Germanische Fabeltradition
Name
Tier
Charakter
Adebar
Adelheid
Grimbart
Isegrim
Reineke
Meister Lampe
Meister Petz
Storch
Gans
Dachs
Wolf
Fuchs
Hase
Bär
stolz
geschwätzig
bedächtig, ruhig
dem Bauch gehorchend
schlau und hinterlistig
vorlaut und ängstlich
gutmütig
Roman de Fauvel
Pferd als Allegorie der Falschheit
88 Blätter auf Pergament
Flaterie (Schmeichelei)
Avarice (Geiz)
U/Vilanie (Niederträchtigkeit)
Variété (Unbeständigkeit)
Envie (Neid)
Lâcheté (Feigheit)
Tierfabeln
Wandel in der Mensch-Tier-Beziehung:
• Beobachtung von Fähigkeiten der Tiere:
Austausch von Eigenschaften zwischen
Mensch und Tier war wünschenswert
(Interpretation)
• Entwicklung von Symbolen (Projektion)
• Zuordnung von Eigenschaften je nach den
Bedürfnissen der Gesellschaft (Manipulation)
Fabelwesen
Fabeltiere
Chimären
Allegorische Tiergestalten
Sagengestalten und sonstige Fabelwesen
Mischwesen-1
Mischwesen-2
Fabelwesen
... haben in Wirklichkeit nie existiert,
sondern sind menschlicher Phantasie entsprungen
... stehen im Zusammenhang mit Schöpfungsmythen
(Skorpionmensch im Gilgamesch-Epos)
... sind wichtige Symbole über die Zeiten hinweg
Fabelwesen
• leben in fernen Gegenden:
räumliche Entfernung macht sie geheimnisvoller
• haben Macht über Naturkräfte (Feuer, Wasser)
• Zusammensetzung aus Teilen unterschiedlicher
Lebewesen (z.B.: Löwe, Adler) unterstreicht die
Gegensätzlichkeit der ursprünglichen Wesen
Fabelwesen als „Schwellenwesen“
• Fabelwesen verdeutlichen Grenzen
zwischen unterschiedlichen Wesen
• Fabelwesen überwinden diese Grenzen
• Bewachen die Grenze zwischen Leben und Tod:
z.B. Kerberos
• Bewachen Eingänge zu Heiligtümern und
Schätzen:
z.B. Drachen
Fabelwesen
• als Gegner von Helden:
Chimäre – Bellerophon
Drache – hl. Georg
Fafnir – Siegfried
Hydra - Herakles
• in der Heraldik:
Drachen, Greif, Einhorn
Entstehung der Fabelwesen
a) Vervielfältigung von Körperteilen: Hydra
Hydra
Entstehung der Fabelwesen
a) Vervielfältigung von Körperteilen: Hydra
b) Aus Teilen unterschiedlicher Tiere: Greif
Vogel Greif
Wappen von Greifswald
Greif
Greife graben Gold aus der Erde und bewachen es
gegenüber den Arimaspen & Skythen
Im Christentum: Sinnbild von Hoffart und Habgier
In frühen Zivilisationen als Talisman,
heute als Firmenlogo: Saab, Generali, Brauerei
Entstehung der Fabelwesen
a) Vervielfältigung von Körperteilen: Hydra
b) Aus Teilen unterschiedlicher Tiere: Greif
c) Verbindung zwischen Mensch und Tier: Satyr
Satyr
Literatur über Fabelwesen
Historia animalium
(Aristoteles, 4. Jh. v. Chr.)
9 Bücher, Unterschiede der 550 Wirbeltierarten
Physiologus
(in Alexandria, 2./3. Jh. n. Chr.)
Physiologus
Enthält Teile der antiken Naturlehre des
Aristoteles mit naturkundlichen Aussagen;
48 Beispiele wirklicher Tiere,
Fabeltiere, Pflanzen und Steine
Zuerst Bibelspruch, dann naturgeschichtliche
Erzählung, dann erfolgt Auslegung:
Verhalten des Tieres wird mit best. Situation
der Heilsgeschichte verglichen und gedeutet
Physiologus
Löwe, als Symbol für Wachsamkeit, schläft mit
offenen Augen.
Ebenso schläft der Gekreuzigte, aber als Gott
wacht er zur Rechten des Vaters.
......................................
Fuchs stellt sich tot, bis sich Vögel auf seinen
Körper setzen, dann ergreift er sie und frißt sie.
Ebenso listig ist der Teufel:
Er verzehrt diejenigen, die sündigen.
Literatur über Fabelwesen
Bestiarien
(Mittelalter)
als didaktische Medien
für Belehrungen in Moral und Religion
De animalibus
(Albertus Magnus, 13. Jh.)
Literatur über Fabelwesen
Historia animalium
Conrad Gessner
geb. 1516 in Zürich, 49 Jahre, Vater Kürschner
4 Bände:
Lebendgebärende Vierbeiner
Eierlegende Vierbeiner
Vögel
Fische und Wassertiere
Literatur über Fabelwesen
Historia animalium
4.500 Seiten, 65 Bildtafeln
Nashorn von A. Dürer,
aber auch Fabeltiere, z.B. Einhorn
Von jeder Tierart wurden Aussehen,
Verhaltensgewohnheiten und Nützlichkeit
für Ernährung und Medizin beschrieben.
Literatur über Fabelwesen
Historia animalium
Ulisse Aldrovandi
geb. 1522 in Bologna, 78 Jahre, Vater Notar
Elf Bände, davon 3 über Vögel
(Ergänzung zu Gessner)
Historia monstrorum
Fabelwesen (Kentaur, Satyr, Chimäre)
Einteilung der Fabelwesen
1. Fabeltiere im engeren Sinn
2. Chimären
3. Allegorische Tiergestalten
4. Sagengestalten
und sonstige Fabelwesen
1. Fabeltiere im engeren Sinn
Einhorn
Phönix
Drache
Einhorn
Einhorn
Horn schützt als Getränk gegen Gifte
(im 17. Jh.: Stoßzahn des Narwals)
Symbolik des Einhorns:
Keuschheit, Jungfräulichkeit
Fang des Einhorns:
reine Jungfrau hat Macht über das Einhorn;
Grimm’s Märchen vom tapferen Schneiderlein
Phönix
Phönix
... wurde zum Symbol für einen
Glück verheißenden Neubeginn
nach einem persönlich
erfahrenen Missgeschick
Phönix
... fliegt alle 500 Jahre von Indien nach Ägypten,
wo er sich auf einem Altar verbrennen läßt.
Am 1. Tag findet man einen Wurm in der Asche,
der sich am 2. Tag in einen jungen Vogel entwickelt
und am 3. Tag verjüngt nach Indien zurückfliegt.
(Symbol für Auferstehung Christi)
Drachen
Drachen
China: gutmütig, herrschen über Wetter
Hindu: bösartig, bringen riesige Wassermassen
Altes Testament: Quelle aller Sünden
Neues Testament: Symbol für Böses
Drachen
• Drache als Hüter des goldenen Vlieses:
langer Hals mit 100 Augen
• Ladon: bewacht die goldenen Äpfel der Hesperiden
• Nibelungen-Sage (Fafnir - Siegfried)
.........................................
Von fahrenden Händlern: gedörrte Rochen
etwas verändert, um das Volk zu täuschen
2. Chimären
a) aus verschiedenen Tieren
b) halbmenschliche Wesen
Chimären
a) aus verschiedenen Tieren:
Schiege
Chimäre
Basilisk
Greif
Triton
Schiege
In den 80er Jahren konnte eine deutsche
Forschergruppe eine Chimäre
zwischen Schaf und Ziege erschaffen.
(Fusion von Schaf- und Ziegenembryo)
Chimäre
Chimäre
König Iobates gab Bellerophon den Auftrag,
die Chimäre zu töten.
Hierzu stellte ihm Pallas Athene
das geflügelte Pferd Pegasus zur Verfügung.
Aus der Luft konnte er die Chimäre
mit seinen Pfeilen erlegen.
Basilisk-1
Cockatrice
Basilisk
Ursprung im antiken Mittelmeerraum;
griechisch: König der Schlangen
in Europa: in tiefen Brunnen, Schächten, Kellern
Gifthauch bringt Sträucher zum Absterben
und sprengt Steine
Menschen werden schwach und sterben,
Vieh wird von Seuchen befallen
Deutscher Aberglaube: Spiegel vorhalten;
Krähen des Hahnes tötet ihn
Basilisk
...schlüpft aus dem dotterlosen Ei eines Hahnes,
das in den Mist gelegt, von einer Schlange oder
Kröte oder der Wärme des Mistes ausgebrütet
wird (Bereits von Albertus Magnus als Fabel erkannt)
Sinnbild des Bösen: Wollust
Ende 15. Jh.: Syphilis auf sein Gift zurückgeführt
Triton
Meer-Ungeheuer-2
Chimären
b) halbmenschliche Wesen:
Grabwächter
Sphinx
Minotaurus
Kentaur
Satyr
Mantichora
Skylla, Nixe
Sirene, Harpyie
Grabwächter
Sphinx
Minotaurus
Kentaur
Mantichora
Skylla
Skylla
Oberkörper einer jungen Frau,
Unterleib aus sechs Hunden
...lebte gegenüber Charybdis
auf einem Felsen an der
Meeresenge von Messina
„zwischen Skylla und Charybdis”
Meerjungfrau
als Galionsfigur an Schiffen
gefälschte Meerjungfrau (18. Jh.):
oberen Torso eines Affen
an Fischschwanz genäht
Sirene
Sirene
Vogelkörper mit Frauenkopf oder
Frauenkörper mit Flügeln
Orpheus übertönte den Gesang;
Odysseus ließ sich an Mast binden
Christl. Symbolik:
Freuden dieser Welt, Wollust
Frau als Wurzel allen Übels (11. Jh.)
Wissen um die Zukunft
Harpyie
Harpyie
Vogelkörper mit Frauenkopf,
schrille Schreie,
fauliger Gestank,
unersättliche Fressgier
Wissen um die Zukunft
3. Allegorische Tiergestalten
Mittelalter:
Tiere hatten allegorische Bedeutung,
naturhistorische Fragen traten
völlig in den Hintergrund
Christliche Tiersymbolik
Evangelisten als Mischwesen (Symbolik):
Matthäus: Engel (Menschwerdung)
Markus: Löwe mit Flügeln (Macht)
Lukas: Stier mit Flügeln (Opfer)
Johannes: Adler (Auferstehung)
Pelikan
Geschichte von der außergewöhnlichen
Mutterliebe des Pelikans:
... reißt mit dem Schnabel die Brust auf und
bietet das Blut den Jungen als Nahrung an
Bernickelgans
Nonnen- oder Ringelgans,
auch Brand- oder Bernikelgans
(keine Nester, keine Eier)
Entenbaum, Entenmuschel
Vegetabilische Herkunft rechtfertigte
den Gebrauch als Fastenspeise
Entenbaum-2
Allegorische Tiergestalten
Reformationszeit:
Kritik am Mönchstum
durch Schandbriefe und -bilder
mit Mensch-Tier-Karikatur
Mischwesen mit halb tierischer,
halb menschlicher Gestalt
(Mensch mit Eselskopf = Papst,
Mensch mit Hundekopf = Dominikaner)
Meermönch
Fisch in Bischofsgestalt
Gessner berichtet von einem Karpfen
mit Menschengesicht, der 1545 in Retz
am Bodensee gefangen wurde.
Bei Aldrovandi wurde er in Retz
in einem österr. Fluss gefangen
Mönchskalb
1522 in Waltersdorf bei Freiburg geboren,
von Lukas Cranach gezeichnet;
als göttliches Zeichen gegen das Mönchstum
Papstesel
1496 tot aus dem Tiber geborgen
Eselskopf, Rumpf glatt;
Hals, Schulter, linker Arm und
beide Beine mit Schuppen bedeckt.
rechter Unterarm: Fuß eines Huftieres
linker Arm: menschliche Hand
rechter Fuß: Paarhufer
linker Fuß: Krallen wie Greif
4. Sagengestalten
und sonstige Fabelwesen (FW)
Dämonen
.................................................
Lokale FW
FW bei H. Bosch
Literarische FW
„Wissenschaftliche“ FW
Lokale Fabelwesen
Yeti
Bigfoot
Loch Ness Monster
Fabelwesen bei H. Bosch
Hieronymus Bosch (1450 – 1516)
Versuchung des hl. Antonius
Die sieben Todsünden
Der Garten der Lüste
Garten der Lüste
Fabelwesen bei H. Bosch
Weiterentwicklung von Fabelwesen
zu Furcht erregenden Kreaturen
Dämonen quälen wehrlose Menschen
und führen sie der Verdammnis zu
Literarische Fabelwesen
Jabberwocky (Lewis Caroll)
..............................................................
Fuchur (Michael Ende)
Gremlin (Joe Dante)
Jabberwocky
Gremlin
„Wissenschaftliche“ Fabelwesen
Schräger Hangnager
Rhinogradentia
Wolpertinger
Steinlaus
Wolpertinger
Wolpertinger
(L. Ganghofer: Hirschbockbirkfuchsauergams)
... ernähren sich von „preußischen Weichschädeln“
... können ausschließlich von jungen, gutaussehenden
Frauen gesichtet werden, wenn diese sich in der
Abenddämmerung bei Vollmond der Begleitung
eines rechten, zünftigen Mannsbildes
anvertrauen, das die richtigen Stellen an
abgelegenen Waldrändern kennt.
Steinlaus
Steinlaus
1976 Loriot
1982 Pschyrembel
0,3 - 3 mm „Nagetier“
Tagesbedarf 28 kg
Ende der Steinzeit
Fall der Berliner Mauer
Chinesische Mauer
Ende
Fabeldichter
Äsop (ca. 600 v. Chr.)
Phaedrus (20 v. Chr. – 50 n. Chr.)
16. Jh.: Martin Luther, Hans Sachs
17. Jh.: Spangenberg, La Fontaine
18. Jh.: Gellert, Lessing
19. Jh.: Pestalozzi, Andersen
20. Jh.: Schnurre
Dämonen
Ahasver
Golem
kopfloser Reiter
Nosferatu
Vampir
Zombie
Ahasver (ewiger Jude)
Jerusalemer Schuster hat kreuztragendem Jesus
Ruhepause auf seiner Türschwelle verwehrt.
Darf nicht zur Ruhe kommen,
bis am Ende der Tage Jesus wiederkommt.
(Zeugnis gegen das Judentum)
Golem (Prag)
Rabbi Löw; 17.03.1580; Lehm aus der Moldau
Zum Leben erweckt durch Zettel mit dem Schem
(Namen Gottes) unter der Zunge.
Kontrollierte nachts jeden Lastenträger,
ob er ein totes Kind mit sich führe.
Nosferatu
griechisch: Nosophoros (= Pestbringer)
in Lumpen gekleidet, kahlköpfig, bucklig
angespitzte Schneidezähne
(Ratte als Symboltier)