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musik & bildung
Thema
Kalifornische Jugendkulturen –
gesungen und erforscht
Bernhard Hofmann
Surfen
und
Skaten
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musik & bildung
Thema
McDonald’s, Hippie-Bewegung, die Unterhaltungsindustrie Hollywoods, iPod:
All das hat seinen Ursprung in Kalifornien, dem „Amerika Amerikas“.1 Songs
wie Surfin’ USA (The Beach Boys), California Dreaming (The Mamas & The Papas), San Francisco (Scott McKenzie),
Hotel California (The Eagles) oder Californication (Red Hot Chili Peppers) lassen
erkennen, dass das Stichwort „Kalifornien“ in der Rock- und Popmusik mehrfach aufgegriffen worden ist und dabei in
unterschiedlicher Weise mit je spezifischen Erscheinungsformen von Jugendkultur in Verbindung steht. Dies wird an
zwei Beispielen – California und Dani California – für den Unterricht aufbereitet.
Die Thematik eröffnet vielfältige Zugangsweisen; den jeweiligen Bedingungen, Intentionen und Möglichkeiten entsprechend wird sich die Unterrichtsplanung unterschiedlich konkretisieren. Die
folgenden Überlegungen richten sich auf
drei bis vier Unterrichtseinheiten in der
Sekundarstufe I (8./9. Klasse, Realschule
bzw. Gymnasium) und tragen Vorgaben
aktueller Lehrpläne Rechnung.
„California“ – Hintergrund
Lenny Kravitz, 1964 geboren, zog mit seinen Eltern 1974 von New York nach Los
Angeles. Sein Song California (M 2) kann
als autobiografische Skizze gelesen werden, als Erinnerung an die 1970er-Jahre,
an Jugendtage voller Sonne, Skaten, Musik und Meer.
„I was converted to the other side“ – damit ist wohl nicht allein jener Wechsel
von der Ost- zur Westküste der USA gemeint, sondern auch und vor allem ein
persönlicher Wandel. Denn im Text geht
es durchweg um Erlebnisse und Erfah-
rungen, wie sie für das Jugendalter geradezu typisch sind.2 So ist von Tastversuchen erster Liebe die Rede, ebenso von
Peer-groups („schoolyard boys“). Heimlichkeit und Übertretung von Verboten
werden ins Bild des Drogenkonsums gesetzt: „Purple Hairs“ heißt eine bestimmte Cannabissorte; eine Anspielung auf
den Song Purple Haze von Jimi Hendrix
ist ebenfalls denkbar. Musik als wichtigen Faktor soziokultureller Orientierung
Jugendlicher bringt Kravitz ausführlich
zur Sprache. Neben der Glamrock-Gruppe „Kiss“ listet er Protagonisten der so
genannten British-Invasion der 1960erJahre auf (The Beatles, The Rolling Stones, The Who), dazu die britische Hardrock-Band Led Zeppelin, die seit Ende
der 1960er-Jahre in den USA große Erfolge feiern konnte. Jener Epoche erweist
Kravitz auch musikalisch die Ehre. So ist
am Schluss von California ein Pick
Scratch3 zu hören (und im Video zu sehen). Vielleicht ist das bloß als tonmalerisches Saitensurfen gemeint, jedenfalls
handelt es sich um einen Klangeffekt,
mit dem Led-Zeppelin-Gitarrist Jimmy Page den Chorus von Whole Lotta Love
(1969) unverwechselbar geprägt hatte.
Eine „Anspielung“ in doppeltem Wortsinn versteckt sich auch in der Melodie:
Der Beginn von California entspricht hinsichtlich Tonhöhen und Tondauern dem
Anfang des Rolling-Stones-Klassikers
Let’s spend the night together (siehe Notenbeispiele unten, jeweils nach C-Dur
transponiert).
Mehr zum „West Coast Lifestyle“ und der
Entstehung der damaligen Jugendkultur
finden Sie auf dem Arbeitsblatt M 1.
„California“ – spielen und singen
Die Unterrichtssequenz beginnt mit Musikmachen im Klassenverband.
Drumset
Zuerst lässt sich das Klassen-Drumset
hören. Die ganze Klasse musiziert eine
Schlagzeugfigur, die sich aus drei Pattern
zusammensetzt (siehe M 2 unten).
Den Anfang macht das HiHat-Pattern.
Falls nötig, kann ein rhythmisch gesprochener Hilfstext die Sicherheit im Umgang mit dem Timing erhöhen (z. B.
„Lenny Kravitz, Lenny Kravitz …“). Basedrum-Pattern (Hilfstext z. B. „Led –
Zepp’lin -“) und Snare-Pattern („– Who –
Kiss“) schließen sich an.
Sobald jedes Pattern eingeübt ist, teilt
sich die Klasse in drei Gruppen auf, jede
Gruppe übernimmt ein Pattern und
wechselt auf ein Zeichen zum nächsten.
Alle drei Pattern gleichzeitig zu spielen,
ist nicht nötig – und erfahrungsgemäß
für die Mehrzahl der SchülerInnen auch
kaum erreichbar.
Während das Klassen-Drumset im Spiel
fortfährt, wählt die Lehrkraft drei SchülerInnen aus, die je ein Pattern an den zugehörigen Instrumenten übernehmen.
Aus Gründen der Lautstärke-Entwicklung
empfiehlt es sich, statt Schlagzeugstöcken („Sticks“) so genannte Rods („Ruten“) bereitzustellen und die Basedrum
mit geeignetem Material zu dämpfen.
Die rhythmische Figur in Takt 4 üben wiederum alle (z. B. mit der Hand auf den
Bauch klopfen; Hilfstext: „– und jetzt –
nochmal von vorn!“). Die Erarbeitung des
Rhythmustracks mündet in einen Gesamtdurchgang, etwa zum Original von
CD (HB 4).
Gesang
Auf dem Arbeitsblatt M 2 wurde der
Song wegen der besseren Sanglichkeit
nach G-Dur transponiert. Die SchülerInnen hören den Originaltrack und verfolgen Melodie und Text im jeweiligen Lead-
Lenny Kravitz: California (2004)
I
was con-ver-ted to
the
o- ther
side_
on the day
I’ve got-ten here_
The Rolling Stones: Let’s spend the night together (1967)
Oh don’t you wor-ry
‘bout what’s on your
mind_ oh_
my_
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sheet und üben den Song in geeigneter
Weise ein (z. B. abschnittweise, langsam,
ggf. den Text nur rhythmisch rezitierend,
per „Papageienmethode“). Die Zweistim-
migkeit im Chorus könnten sich Mädchen (Oberstimme) und Jungen (Unterstimme) teilen, eventuell übernehmen
Schüler-SolistInnen oder notfalls die
Lehrkraft die fehlende Stimme.
Gitarre
Die Gitarrenbegleitung besteht fast
durchweg aus so genannten E-Bass-„Powerchords“ (Grundton + Quinte) in
durchgehenden Achteln (ausgenommen
Takt 4); sie kann von versierten SchülerInnen oder von der Lehrkraft übernommen werden. Der E-Bass spielt die
Grundtöne mit; wenn man statt Achtel
Viertel spielt und in Takt 4 aussetzt, ist
der Basspart auch für ungeübte SchülerInnen zu bewältigen. Zur Vorübung singt
die ganze Klasse die Bass-Stimme auf
der Silbe „doom“ und spielt dazu „Luftbass“.
„California“ – erforschen
Dem Musikmachen folgt eine Phase der
Reflexion zu Text und Kontext. Wissenswertes zur Entstehung der im Song beschriebenen Jugendkultur und passende
Fragestellungen finden sich auf dem Arbeitsblatt M 1 (dazugehörige Lösungen
auf musikpaedagogik-online.de). Bevor
die Klasse das Musikvideo zum Song von
Lenny Kravitz (siehe Hinweis in „Hör-Bibliothek“) betrachtet und den Text auf M
1 liest, könnte ein Impuls der Lehrkraft
lauten: „Über die Jugendlichen, die ihr
nun kennen lernt, könnt ihr eine Menge
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herausfinden: Wo und zu welcher Zeit sie
leben, wie alt sie sind, welche Kleidung
sie tragen, wo und wie sie ihre Freizeit
gestalten, welche Musik sie hören – die
Beobachtungen der SchülerInnen werden an der Tafel und im Heft festgehalten.
Die SchülerInnen erhalten (z. B. als
Hausaufgabe) den Auftrag, einen der gefundenen Begriffe mittels Bild und Kurztext auf einem Poster (Format DIN A4) zu
erklären. Dabei wird festgelegt, wer für
welchen Begriff zuständig ist und wo Informationen zu finden sind (Recherche
im Musiklexikon, Internet, Sportgeschäft). Um einen Eindruck der Musikgruppen zu vermitteln, sind Songausschnitte von Vorteil (z. B. siehe Hörbibliothek).
Am Beginn der folgenden Unterrichtseinheit gestalten die SchülerInnen eine Ausstellung zu jener Jugendkultur der
1970er-Jahre, wie sie in Kravitz’ Song zur
Sprache kommt. Sie bringen ihre Poster
an den Wänden im Unterrichtsraum an,
geordnet nach den Rubriken „Kleidung“,
„Sport“ und „Musik“. So können die
SchülerInnen von Poster zu Poster gehen
und sich informieren; dazu werden die
Songausschnitte eingespielt. In einem
weiteren Schritt gibt es Gelegenheit, im
Plenum Nachfragen an die jeweiligen
„Experten“ zu richten. Weitere Informationen gibt die Lehrkraft.
Falls Zeit bleiben sollte, könnte sich ein
Vergleich zum unbeschwerten SurfSound aus dem Kalifornien der frühen
1960er-Jahre anfügen (z. B. The Beach
Boys: Surfin’ USA, im Text ist ausführlich von Surfplätzen und auch von Bekleidung die Rede).
„Dani California“ – Hintergrund
Das Album Stadium Arcadium der Red
Hot Chili Peppers (RHCP) stand 2006 31
Wochen lang in den deutschen Longplaycharts, darunter fünf Wochen an der
Spitzenposition. Dani California, eine der
ausgekoppelten Singles, erreichte Platz
zwölf der deutschen Hitparade. Sowohl
der Songtext als auch das zugehörige
Musikvideo erscheinen für unser Thema
ergiebig und relevant, allerdings, wie
sich noch zeigen wird, unter je unterschiedlichem Aspekt. Daher trennt sich
die Interpretation an dieser Stelle auf.
Musikvideo
Das Musikvideo zu Dani California erweist sich für eine Thematisierung von
Jugendkultur, genauer: von Rockmusikbzw. Mediengeschichte in der Schule, als
Paradebeispiel. Denn es bietet einen
fünfminütigen Schnelldurchlauf zur
Rockmusikgeschichte wie auch ein Brevier zur Präsentation von Rockmusik im
Fernsehen. Im Video wechselt die Band
immer wieder Kleidung und Aussehen,
schlüpft in die Rollen stilprägender Rockmusiker und erscheint schließlich „unverkleidet“ nach ihrer eigenen Art (M 4; eine
Entschlüsselung der dargestellten Künstler und Bands befindet sich auf musikpaedagogik-online.de). Obschon eine
Identifizierung mit bestimmten Persönlichkeiten offensichtlich nicht durchgängig beabsichtigt ist, entsprechen Instrumente und Bühnenequipment, Frisuren
und Kleidung, Accessoires und Inszenierung zeit- und genretypischen Vorbildern
bis in kleine Details (siehe Bilder und Informationen M 3).
Songtext
In erster Näherung gibt der Songtext
(M 5) Rätsel auf, zumal dann, wenn man
versucht, Video und Song in Zusammenhang zu bringen: Wer und was ist mit Dani California gemeint und was hat das,
was der Text andeutend erzählt, überhaupt mit Bildern zur Rockmusikgeschichte zu tun? An dieser Stelle öffnet
sich viel Raum für allerlei Mutmaßungen.
...mehr erfahren Sie in Heft 2/2007!