WS 14/15 - Universität Bremen
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WS 14/15 - Universität Bremen
1. Vorbereitung Das Wintersemester an der VU University Amsterdam beginnt in der Regel am 1. September. Das bedeutet für die oder den angehenden Erasmus-Studenten enormen Stress, so sie/er noch Klausuren oder Hausarbeiten an der Universität Bremen zu schreiben hat (das Sommersemester in Bremen endet offiziell erst Ende September/Anfang Oktober). Leider hatte ich im Sommersemester den Fehler begangen und besonders viele Seminare, die Hausarbeiten als Prüfungsleistungen vorsehen, gewählt. Das sei an dieser Stelle gesagt: Hausarbeiten schreiben und sich auf das Erasmus-Semester vorbereiten funktioniert gleichzeitig nicht besonders gut. So beendete ich 1 1/2 von 4 Hausarbeiten vor dem Antritt des Auslandssemesters und hatte trotzdem schon den Großteil der beiden Einführungswochen verpasst. Am Mittwoch der zweiten Einführungswoche fuhr ich dann relativ unvorbereitet mit dem vollgepackten Wagen nach Amsterdam, um dort mein Zimmer im Studentenwohnheim zu beziehen. Wie kommt man an ein Zimmer in Amsterdam? Das ist relativ einfach, wenn auch teuer im Vergleich zu Bremen. Bekommt ihr von eurem Erasmus-Koordinator den Platz in Amsterdam zugewiesen, so wird sich sehr bald die VU University per Mail bei euch melden. In den Anhängen findet ihr eine Unmenge an Informationen, auch zur Unterkunft. Und zwar werdet ihr dort auch eine detaillierte Anleitung finden, wie ihr euch bei DUWO (eine Unternehmung die Wohnraum für Studenten bereitstellt, jedoch nicht mit den Deutschen Studentenwerken vergleichbar ist) um ein Zimmer in den Studentenwohnheimen bewerben könnt (hier auch die Fristen beachten und immer mit angeben, dass ihr ein Student der VU University seid, das erhöht eure Chance auf ein Zimmer immens). Die günstigsten Zimmer kosten ca. 340 € im Monat (12 m², geteilte Küche und geteiltes Badezimmer, aber dazu später mehr). Achtung! Wer wirklich in Amsterdam leben möchte, der sollte sich nicht via DUWO um eine Wohnung kümmern, denn die Studentenwohnheime liegen an der Grenze zu Amsterdam in Amstelveen in dem eigenen Stadtteil Uilenstede. Dort findet ihr Studentenwohnheim an Studentenwohnheim, alle ungefähr im Format vom Wohnheim Campus (über der Mensa) in Bremen, jedoch in einem sehr schlechten Zustand. Insgesamt sind in Uilenstede 3.000 bis 4.000 Studenten untergebracht. Das ist eine einmalige Erfahrung, wer sich die Wohnungssuche leicht machen möchte und damit leben kann eine knappe halbe Stunde mit der Tram bis in die Innenstadt zu fahren, der sollte sich für DUWO entscheiden (mehr zu DUWO und der Wohnsituation im Abschnitt Unterkunft). 2. Ankunft Als ich dann so verspätet in Amsterdam ankam, packte mich die Panik. Wie sollte ich bis zum kommenden Montag all die Dinge regeln, für die die anderen bereits anderthalb Wochen Zeit hatten? Glücklicherweise ist die VU University auch auf solche Fälle vorbereitet. Sie ist relativ leicht zu finden und liegt als Campusuniversität direkt am Bahnhof Amsterdam Zuid. Geht man in das Hauptgebäude der VU, so liegt der Service-Desk des International Office direkt zu eurer Linken. Dort wird euch auch bei verspäteter Ankunft mit all euren Fragen und Problemen geholfen. Als Spätankömmling erhielt ich einen dicken DINA4-Briefumschlag mit einer Checkliste, darauf eine ganze Reihe an Dingen, die noch zu erledigen waren. Die wohl wichtigsten Punkte für Studierende aus Deutschland: Registrierung bei den lokalen Behörden in Amstelveen und der Antrag auf Anerkennung der Deutschen Krankenversicherung (die in der Regel im EU-Ausland gilt). Darüber hinaus hatte ich die Möglichkeit ein niederländisches Bankkonto einzurichten, das ist insofern hilfreich, als dass man damit umsonst Geld an den entsprechenden Automaten abheben kann. Da aber das Zahlen per Karte in den Niederlanden viel weiter verbreitet ist als in Deutschland und die Abbuchung über meine Deutsche Girokarte in allen Geschäften problemlos (und ohne zusätzliche Kosten) funktionierte, entschied ich mich dafür mir diesen bürokratischen Aufwand zu ersparen. Trotz verspäteter Ankunft konnte ich noch an einer Einführungsveranstaltung für ErasmusStudenten teilnehmen, ein Zitat aus diesem Vortrag ist mir in der Erinnerung geblieben: „9 is for the professor and 10 is for God.“ 9 und 10, das sind die Bestnoten in den Niederlanden. Die Skala fängt bei der 1 an und geht bis zur 10, erreicht man 5.5 Punkte, so hat man bestanden. Zumindest hatte die Ansage gesessen, so ging es in die erste Woche des Studiums. 3. Studium Eine These vorab: Das Studium an der VU University ist nicht vergleichbar mit dem Studium an der Universität Bremen. Das mag sich überspitzt anhören, aber dennoch: (1) Das Semester an der VU University ist anders strukturiert, es ist in drei Abschnitte unterteilt, die ersten beiden Abschnitte liegen vor den Weihnachtsferien und gehen nahtlos ineinander über. In jedem dieser beiden Abschnitte wählt man in der Regel nur zwei Kurse, diese werden dann aber auch in Doppelstunden unterrichtet, die 120 bis 180 Minuten lang sein können. Wer nun denkt, er habe viel Freizeit, den muss ich enttäuschen, möchte man den Unterrichtsstunden ansatzweise folgen können, so empfiehlt es sich die angegebene Lektüre auch tatsächlich zu lesen, dabei schwankt die Seitenzahl zwischen 80 bis 150 Seiten pro Woche pro Seminar. Dabei ist es üblich, dass die Dozenten am Anfang der Seminare die Inhalte der Lektüre abfragen. Ich habe ausschließlich Seminare, keine Vorlesungen belegt, da schwankte die Teilnehmerzahl zwischen ca. 35 und 55 Studenten. Diese erscheinen in der Regel auch zum Seminar, denn an der VU University gilt die Anwesenheitspflicht, das bedeutet in der Praxis: fehlt man einmal, so ist das in Ordnung, die zweite Abwesenheit muss durch eine extra Aufgabe ausgeglichen werden, nach der Dritten Abwesenheit fällt man in der Regel durch. Das ist der nächste Punkt, in dem sich Amsterdam klar von Bremen abhebt: die Benotungskultur. Die in sozialwissenschaftlichen Fächern eher unübliche Durchfallquote von 50% in Bremen kann in Amsterdam durchaus auftreten. Wie oben bereits erwähnt, werden die Bestnoten kaum vergeben, die Vergabe einer 10 habe ich in den vier Kursen, die ich belegte, nicht erlebt. Auch die Vergabe einer 9 war die absolute Ausnahme. Die Niederländischen Kommilitonen freuten sich aufrichtig über eine 8, häufiger jedoch wurde die 7 vergeben. Zur Verdeutlichung ein Zitat der VU University: „Students in practical courses usually get a grade between 5 and 8. Very few students get a 9, and practically nobody will ever get a 10.“ Soviel sei gesagt: es ist trotzdem nicht unmöglich eine 9 zu erreichen, dafür muss aber ein immenses Pensum an Arbeit investiert werden, die Freizeit und damit das Entdecken von Amsterdam kommt dabei manchmal zu kurz. Insgesamt machte es jedoch den Eindruck, als ginge es den einheimischen Studenten nur um das Bestehen der Kurse. Zu der Umrechnung der Noten in das deutsche System kann ich leider nichts sagen, da die entsprechenden Tabellen der Universität Bremen nicht frei zugänglich sind zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts meine Noten noch nicht umgerechnet wurden. Die Unterschiede in der Lehre sind nicht so gravierend. In Amsterdam wie in Bremen haben mich aus meiner Sicht gute, als auch schlechte Dozenten unterrichtet. Die Erreichbarkeit der Dozenten (via Mail und Sprechstunde) variierte in Amsterdam, ebenso wie sie in Bremen variiert. Lediglich den Aspekt des Forderns habe ich in Amsterdam wesentlich stärker wahrgenommen als in Bremen. Was die Lernbedingungen an der VU University betrifft, so kann man darüber gespaltener Meinung sein. Einerseits befinden sich an jeder Ecke in der Universität Computer, die man mit den Daten des Studentenausweises verwenden kann. Auch hat man, so man denn die Umleitung über einen Proxy auf seinem PC einrichtet, Zugriff auf eine Vielzahl von digitalen Fachzeitschriften und Handbüchern. Zudem sind die Seminarräume modern eingerichtet, mit genügend Steckdosen versehen und stets sauber. Andererseits ist die Ausstattung der Bibliothek der Universität miserabel. Erstens verfügt sie über einen sehr kleinen Präsensbestand, zweitens gibt der Bestand des Magazins dem subjektiven Eindruck nach ebenfalls nicht viel her. Es kam des Öfteren vor, dass dringend benötigte Literatur für einen Essay oder eine Hausarbeit einfach nicht im Bestand der Bibliothek vorhanden war – dabei handelte es sich keinesfalls um Nischenliteratur, sondern um bekannte Publikationen zu dem jeweiligen Thema. Was die VU University für Austauschstudenten meiner Meinung nach sehr attraktiv macht, ist die Möglichkeit die sogenannten Minor, Nebenfächer im Umfang von 30 CP, zu wählen und während des fünfmonatigen Aufenthalts auch abzuschließen. So kann man etwa Development Studies studieren, ich entschied mich für den Minor International Security. Dieser setzte sich aus den fünf, ausschließlich in English gehaltenen, Kursen Security and Policing, Ethics and Integrity of Governance, Politics of International Security und Research Paper International Security zusammen. Während der Fokus der ersten beiden Kurse mehr auf der Innenpolitik und dem Regieren lag, fokussierten die anderen drei Kurse die Außenpolitik. Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle die exzellente Lehre in den Kursen Politics of International Security und Law of International Security. Selten habe ich Dozenten erlebt, die ihr Fachwissen den Studenten so sympathisch vermitteln. Sicherlich auch ein Höhepunkt des Minors war die Exkursion im Rahmen des Kurses Security and Policing zur Koninklijke Marechaussee, zwei hochrangige Offiziere der niederländischen Gendamerie haben uns in ihrer Kaserne am Flughafen Schiphol Einblick in den investigativen Alltag des Grenzschutzes gegeben und berichteten von ihren Erfahrungen als Ermittler in der Ukraine im Fall des abgestürzten Zivilfluges MH17. Solcherlei praktische Exkursionen würden meiner Meinung nach auch das Studium in Bremen bereichern, selbstredend sollte dabei die kritische Distanz der Wissenschaft gewahrt werden. Allgemein lässt sich sagen, dass der Praxisbezug in den Seminaren stets deutlich zu spüren war. 4. Unterkunft Wie bereits oben erwähnt wohnte ich während des Auslandsaufenthalts in einem Studentenwohnheim in Uilenstede. Uilenstede setzt sich aus einer Unmenge an Betonblockbauten zusammen, in denen einige tausend Studenten wohnen. Direkt auf diesem Campus Uilenstede befindet sich ein Sportzentrum der Universität samt Fitnessstudio, in dem die Mitgliedschaft 60 € für drei Monate kostet. Desweiteren gibt es einen kleinen Supermarkt und zwei Imbisse in Uilenstede. Eine Tram- und U-Bahn-Station ist in zwei Minuten zu Fuß zu erreichen. Fährt man mit den Linien 51 und 5 in Richtung Hauptbahnhof, so erreicht man die VU Universität in fünf Minuten, bis ins Zentrum braucht man ca. 30 Minuten. Ein richtiger Supermarkt liegt ebenfalls auf dem Weg zur Universität. Ich entschied mich in Uilenstede für die günstigste Wohnmöglichkeit: 12 m² Zimmer mit Bett, Schreibtisch, Schrank und Kühlschrank, zwei Duschen, zwei Toiletten und die Küche werden mit 12 Mitbewohnern geteilt – Preis: ca. 340 €. Als ich mein Zimmer zum ersten Mal sah, dachte ich eher, es handele sich dabei um einen schlechten Scherz. Die Decke schimmelte, der Boden war dreckig, die Wände hatten seit Jahren keine Farbe mehr gesehen. Nach dem anfänglichen Schock und dem Kauf eines guten Schimmelreinigers fing ich an mich mit meiner Wohnsituation anzufreunden. Die Küche stellte den Lebensmittelpunkt der WG dar, und die meisten meiner Mitbewohner waren nette Menschen, die aus der ganzen Welt kommen: Südkorea, Russland, Costa Rica, Brasilien, Italien, Nigeria, England. Das Zusammenleben in der WG war gesellig, auch wenn es manchmal heftige Meinungsverschiedenheiten darüber gab, in welchem Zustand man Küche und Bad hinterlassen sollte. Selbstredend ist natürlich, dass durch 13 Personen, von denen nicht alle auf Sauberkeit Acht geben, die Wohnung oft in einem eher mäßigem Zustand war. Doch mit Menschen aus so vielen verschiedenen Ländern unter einem Dach zu wohnen, war eine Erfahrung. Der Vermieter hingegen, DUWO, ist nicht zu empfehlen, aber für ausländische Studierende meistens die einzige Möglichkeit bezahlbaren Wohnraum in Amsterdam zu finden. Reparaturen wurden lediglich sporadisch und dann auch erst nach mehrfacher Aufforderung durchgeführt; Besucher, die für eine Nacht im Wohnzimmer der WG übernachteten, wurden von den Angestellten dieser Unternehmung einige Male bei unangekündigten „Inspektionen“ rausgeschmissen – insgesamt erfuhr ich von DUWO eine befremdliche Behandlung, die ich vom Bremer Studentenwerk nicht gewöhnt bin. 5. Lebenshaltungskosten in den Niederlanden Das Leben in Amsterdam ist teurer als das Leben in Bremen. Zwar ist das Fleisch im Supermarkt günstiger, der Großteil der anderen Waren ist jedoch teurer. Auch die Mensa auf dem Campus der VU University ist nicht erschwinglich, eine vollwertige Mahlzeit unter 5 € zu bekommen, fiel mir dort schwer. Hinzu kommt, dass Austauschstudenten kein Semesterticket von der VU University bekommen. So lohnt es sich, die sogenannte OV-Chipkaart zu kaufen. Mit ihr kann man sich an der Station, an der man einsteigt, an Lesegeräten einchecken, an der Zielstation checkt man sich an den selben Geräten wieder aus, gezahlt wird nur die gefahrene Strecke, aufladbar ist sie an den meisten Stationen. Es gibt zwei Arten dieser Karte, die anonymisierte und die personalisierte Chipkaart. Die anonymisierte Variante eignet sich für Austauschstudenten, die sich vornehmlich mit den Verkehrsmitteln des Verkehrsbetriebes in Amsterdam bewegen wollen. Wer relativ günstig durch die Niederlande reisen möchte, dem sein die personalisierte Variante der OV-Chipkaart empfohlen, sie erlaubt es für eine einmalige Zahlung von ca. 50 € eine Option, die ein Jahr lang 40% Rabatt auf alle Züge der Niederländischen Bahn (Neederlandse Spoorwegen) beinhaltet, auf die Karte zu laden, dieser Rabatt gilt jedoch nicht zu den Zeiten des Berufsverkehrs. Wer viel Geld sparen möchte, der schließe sich einfach dem riesigen Heer von Radfahrern in Amsterdam an. Die Drahtesel sind für kleines Geld überall in Amsterdam und natürlich auch in der Einführungswoche zu haben. Einen Hinweis für die BAföG-Empfänger unter euch: Bewerbt euch frühzeitig für die Förderung in den Niederlanden! Ich habe den Fehler begangen, diese erst im August, also kurz vor meiner Abreise, zu beantragen. Es folgte das obligatorische Nachreichen von Unterlagen, die zu dem Zeitpunkt der Beantragung noch nicht vorlagen. Letztendlich dauerte die Bearbeitung meines Antrags so lange, dass ich die Förderung erst einen Monat nach dem Ende meines Auslandsaufenthaltes im Februar erhalten habe. 6. Schluss Abschließend lässt sich sagen, dass die VU University den Erasmus-Studenten mit ihren MinorProgrammen eine gute Ausbildung ermöglicht, die die Bereicherung um einen völlig neuen Studienschwerpunkt (inklusive Orientierung an der Praxis) bietet. Möchte man in diesen Programmen erfolgreich sein, so wird jedoch auch viel abverlangt. Das geht auch durchaus zu Lasten der Freizeit und des Schlafes. Das wohnen in den Studentenwohnheimen von DUWO hat den großen Vorteil, dass diese nah an der Universität liegen, relativ günstig sowie leicht zu haben sind und eine wirklich internationale Erfahrung bieten. Ob das die Nachteile (Hygiene, Entfernung zum Stadtzentrum, schlechter Service) ausgleicht, muss jeder für sich selber entscheiden. Über Amsterdam selber habe ich relativ wenig in diesem Erfahrungsbericht geschrieben, das mag auch daran liegen, dass dafür ein eigener Bericht nötig ist, wenn man nicht den üblichen Phrasen der kulturellen Vielfalt, der Schönheit und Freizügigkeit dieser Stadt verfallen möchte.