Die Mischung macht`s
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Die Mischung macht`s
musikmarkt 09|13 recorded music remix Die Mischung macht’s Man nehme einen guten Pop-Song, füge ein paar Beats und eine Bassline hinzu – fertig ist der clubtaugliche Sommer-Hit. Remixe sind nicht nur eine kreative Spielwiese für Künstler, sondern auch ein lukratives Marketing-Tool für die Labels. | In the Mix(er): ein bisschen mehr Bass, ein fetter Beat – fertig ist der Remix | Foto: Fotolia ykke wer? Bis zum Sommer 2012 war Lykke Li mit ihren melancholischen, eigenwilligen Indie-Pop-Songs eher einem Insiderpublikum bekannt. Dank einer Remix-Version ihres Tracks „I Follow Rivers“, die die Bilder der Fußball-EM von „ran“ untermalte, wurde die schwedische Singer/ Songwriterin zum europaweiten Popstar. Immer mehr Künstler – oder deren Plattenfirmen – vertrauen angesagten, namhaften Produzenten oder jungen, in Insider-Kreisen bekannten DJs ihre Songs an und vergeben regelmäßig Remix-Aufträge. Dadurch erreichen sie Hörer, die sich ansonsten möglicherweise nicht für ihre Musik interessieren würden. „Lykke Li und ihr A&R-Team haben schon immer Wert auf gute Remixer gelegt“, erläutert Julia Labonte, Senior Brand Mana- L 22 ger Urban/Progressive bei Warner Music in Hamburg. So hat die Schwedin zuvor bereits so unterschiedliche Künstler wie Metronomy, Tyler The Creator oder David Sitek von TV On The Radio an ihre Songs gelassen. Den Magician-Remix von „I Follow Rivers“ hat Lykke Li persönlich abgenommen, wie Labonte verrät. „Sie sieht diese Bearbeitung als eine eigenständige künstlerische Arbeit an.“ Die House-Version des Belgiers von Lykke Lis im Original düsteren Song erreichte in zahlreichen Ländern die Top 10 der Charts. Allein in Deutschland hielt sich der Song fünf Wochen auf Platz eins. Nach Wochen an der Spitze wurde Lykke Li von einer anderen, zuvor eher unbekannten Indie-Band abgelöst – und zwar wieder mit einem Remix. Asaf Avidan & The Mojos eroberten mit einer Club- Version ihres Songs „One Day/Reckoning Song“ die Pole Position, wo sich der Titel sieben Wochen lang festsetzte. Der Berliner DJ und Produzent Wankelmut verpasste dem Folk-Tune einen tanzbaren Beat. Columbia Four Music veröffentlichte den Remix im Juni 2012, der darauf in acht europäischen Ländern auf Platz eins landete (u.a. in GSA). Mittlerweile verkaufte sich die Single weltweit über eine Million Mal. Win-Win-Situation Asaf Avidan & The Mojos wurden 2009 von Sony Music gesignt. Dank des WankelmutRemixes gelang dem israelischen Quintett um Frontmann und Sänger Asaf Avidan vergangenen Sommer der Durchbruch. Der Remix war keine Auftragsarbeit. DJ Wankelmut, | Asaf Avidan & The Mojos vertrauten ihren „Reckoning Song“ dem Berliner DJ Wankelmut an | Foto: Sony Music der mit bürgerlichem Namen Jacob Dilßner heißt, wollte den Song, den er auf einer Reise gehört hatte, in seine Sets einbauen. „Die Stimme und der Ausdruck, wie Asaf Avidan den Song singt, ist etwas sehr Besonderes und hat eine große Faszination auf mich ausgestrahlt“, erzählt Wankelmut. Und so bastelte er sich Ende 2011 einen eigenen Edit. Schnell machte der Track in einschlägigen OnlineBlogs die Runde. „Anfang 2012 bekam ich den Tipp, dass Wankelmuts Remix im Web kursiert“, so Volker Mietke, Director A&R bei Four Music, gegenüber „Musikmarkt“. „Ich kenne das Management (Heiko Beck/Uli Nefzer) von Wankelmut schon seit einigen Jahren und wir haben uns dann schnell geeinigt. Dank unserer Sony-Music-Kollegen im Ausland wurde der Track zum Millionensel- ler.“ Asaf Avidan war von dem Remix wohl nicht sofort überzeugt. „Es hat einiges an Überzeugungsarbeit benötigt“, verrät Mietke, „aber am Ende ist es ja für alle Beteiligten ein großartiger Erfolg geworden.“ Vom Chartserfolg von „One Day/Reckoning Song“ profitierte auch Wankelmut. Im November veröffentlichte der 25-Jährige aus Berlin eine eigene Mix-Compilation. Zudem erhielt er nach seinem Erfolg zahlreiche Remix-Anfragen. So gaben unter anderem Gossip, die seine vorherige Arbeit kannten, einen Remix für ihren Song „Get A Job“ in Auftrag. Der Kontakt wurde über Sony Music hergestellt. Während Remixe vielen Musikfans vor allem als Füllmaterial von physischen Maxi-Singles bekannt sein dürften, genießt diese Form der im überblick | Lykke Li ließ den DJ und Produzenten The Magician an ihren Song „I Follow Rivers“ | Foto: Warner Music recorded music musikmarkt 09|13 remix | Wankelmut hat u.a. Songs von Gossip und Asaf Avidan neu interpretiert | Foto: Ben Wolf Neuinterpretation längst ein höheres Ansehen. Bereits ab 1998 wurde jährlich ein „Remixer Of The Year“ mit einem Grammy Award geehrt – der erste ging an House-Legende Frankie Knuckles. 2002 wurde die Kategorie dann in „Best Remixed Recording“ umbenannt. Mit dem Preis soll laut Grammy-Statuten eine Person honoriert werden, die zuvor aufgenommenes Material verändert und daraus etwas Neues und Einzigartiges geschaffen hat. Zu den bisherigen Gewinnern zählen u.a. der Brite Stuart Price und der Franzose David Guetta, die den Preis je zweimal gewannen. In den letzten zwei Jahren ging der Grammy für den besten Remix jeweils an Shootingstar Skrillex. Der US-amerikanische DJ und Produzent, bürgerlich Sonny Moore, tritt weltweit in den großen Hallen auf und Erfolgreiche Remix-Alben und Remix-Tracks (Auswahl) Back” annahm. Der Hamburger machte aus dem ziemlich schrägen Downbeat-Track einen House-Stampfer, der weltweit die Clubs eroberte. Viele Künstler veröffentlichen heute komplette Remix-Alben. Lady Gaga zum Beispiel hat bereits zwei Longplayer mit Remixen am Start. Dafür ließ die geschäftstüchtige Sängerin so unterschiedliche Acts wie die Pet Shop Boys, Hurts und The Horrors an ihre Songs ran. Zu „verspäteten” Club-Hits kamen auch zwei Ikonen der Pop-Geschichte. Über 20 Jahre nachdem Bob Marley den Song „Sun Is Shining” eingespielt hatte, avancierte der Titel 1999 in einer Remix-Version des dänischen DJ Funkstar De Luxe zu einem europaweiten Sommer-Hit. Bereits 1987 legte Madonna mit „You Can Dance“ ein komplettes Remix-Album mit neuen Versionen von Songs ihrer ersten drei LPs vor. „J To Tha L-O! The Remixes“ von Jennifer Lopez war 2002 das erste Remix-Album, das auf Platz eins der US-Charts einstieg. Eines der erfolgreichsten Remix-Alben stammt von Michael Jackson. Sein 1997 veröffentlichtes Werk „Blood On The Dance Floor“, das neben acht Remixen seines Albums „HIStory“ auch fünf neue Songs enthält, gilt als bis dato meistverkauftes Remix-Album. Das britische Pop-Duo Everything But The Girl feierte 1995 mit „Mis- sing” internationale Chartserfolge – dank Todd Terry. Während das eher gemächliche Original in England gerade mal Platz 69 der Charts erreichte, entwickelte sich die Dance-Version des New Yorker House-Produzenten zu einem weltweiten Nummer-eins-Hit. Das britische Duo Moloko war mit seinen schrägen Trip-Hop-Nummern eher einem Insider-Publikum bekannt, bis sich Boris Dlugosch ihres Songs „Sing It Ein Niederländer brachte Elvis Presley 25 Jahre nach seinem Tod wieder ins Gespräch. Für eine Werbe-Kampagne eines Sportartikelherstellers zur Fußball-WM 2002 fertigte Junkie XL alias Tom Holkenborg einen Remix des ElvisTitels „A Little Less Conversation” – ursprünglich aus dem Jahr 1968 – an. Der Track wurde in über 20 Ländern ein Nummer-eins-Hit. Die Hip-Hop-Formation Run DMC erlebte 1997 ein Revival. US-Produzent Jason Nevins unterlegte ihren Rap-Klassiker „It’s Like That” aus dem Jahr 1983 mit einem Dance-Beat und verhalf der Kult-Band zu späten Chartserfolgen. Im August 1997 erreichte die Band Cornershop mit ihrem Song „Brimful Of Asha” Platz 60 der britischen Charts. Sechs Monate später thronte das Stück auf Platz eins des Rankings – dank eines Remixes von Fatboy Slim. | rw 23 hintergrund musikmarkt 09|13 recorded music remix Remixe: Welche Rolle spielt die GEMA? Ein Remix ist die Neuabmischung eines bestimmten Songs. Laut Definition handelt es sich um ein Neueinspielen eines bestehenden Musikwerkes unter Verwendung des alten Bandmaterials. Im Unterschied zur Cover-Version werden beim Remix die Bestandteile des Originals neu arrangiert und zusammengesetzt. Es werden also zum Beispiel Gesangsparts weggelassen oder verfremdet, das Tempo wird verändert, zusätzliche Instrumente hinzugefügt oder Klangeffekte entfernt. Diese Neuinterpretation kann dann dem Original nach wie vor sehr ähnlich sein oder nur noch Fragmente davon enthalten und nach einem komplett neuen Song klingen. Als Beispiel: Während die Magician-Version von Lykke Lis „I Follow Rivers“ ein Remix ist, handelt es sich bei der Version von Triggerfinger desselben Songs um ein Cover. Die belgische Band landete mit ihrer Version auf Platz neun der deutschen Charts. Wem diese Definition nicht genügt, für den gibt‘s hier die volle rechtliche Packung. „Musikmarkt“ hat bei der GEMA nachgefragt. Hier die Antwort: Die GEMA nimmt gemäß Wahrnehmungs- und Berechtigungsvertrag lediglich bestimmte urheberrechtliche Nutzungsrechte wahr, insbesondere die Aufführungs-, Sende-, Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte, sowie – unter einer auflösenden Bedingung – das Filmherstellungsrecht. Das Bearbeitungsrecht sowie Urheberpersönlichkeitsrechte werden von der GEMA jedoch nicht wahrgenommen. Beim Remix werden einzelne Stimmen einer bestehenden Aufnahme neu abgemischt. Solange bestehende Musikwerke oder Werkteile lediglich neu kombiniert werden, bleibt es grundsätzlich bei den bereits vorhandenen erstmaligen Aufnahmen, so dass kein neues Musikwerk entsteht. Geht jedoch der Remix über eine bloße Veränderung oder Verbesserung des Sounds hinaus, so liegt eine Bearbeitung von vorbestehenden Musikwerken vor, mit der Folge, dass eine eigene schutzfähige Bearbeitung i.S.v. § 3 Urheberrechtsgesetz (UrhG) entsteht. Die Hersteller von Remixen sind verpflichtet die Abklärung der Bearbeitungsrechte (§§ 23 Abs. 1, 39 UrhG) und ggf. auch der Urheberpersönlichkeitsrechte (§§ 12-14 UrhG) bei den Rechteinhabern durchzuführen. Die GEMA kann diese Rechte nicht vergeben, da ihr diese Rechte nicht durch den Wahrnehmungs- und Berechtigungsvertrag übertragen wurden. Bei Detailfragen dürfen wir an unsere Rechtsabteilung verweisen. Nutzungsrechte für Remixe, die eine eigenständige Werkschöpfung i.S.v. § 3 UrhG darstellen, können – entsprechende Anmeldung bei der GEMA vorausgesetzt – von der GEMA gemäß Wahrnehmungs- und Berechtigungsvertrag wahrgenommen werden. Sofern ein Musikwerk als Remix beispielsweise durch Herstellung eines Tonträgers genutzt wird, erfolgt dessen Anmeldung und weitere Bearbeitung zu den veröffentlichten Vergütungssätzen und nach den üblichen Abläufen. Die Ausschüttung der Vergütung erfolgt an die Berechtigten, ggf. auch an die Bearbeiter der Musikwerke, sofern es sich um eine von den Rechteinhabern genehmigte Bearbeitung handelt. Die leistungsschutzrechtliche Seite ist davon getrennt zu betrachten. Sofern Musikwerke von vorbestehenden Tonträgern verwandt wurden und eine erneute Vervielfältigung beispielsweise auf Audio-CD erfolgt, ist das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers gem. § 85 Abs. 1 UrhG betroffen. Auch hier gilt das oben dargestellte: Solange bestehende Aufnahmen oder Aufnahmenteile lediglich neu kombiniert werden, bleibt es grundsätzlich bei den bereits vorhandenen erstmaligen Aufnahmen, so dass kein neuer Tonträger und dementsprechend auch kein weiteres Tonträgerherstellerrecht entsteht. Die Leistungsschutzrechte der Tonträgerhersteller werden von der GVL wahrgenommen; so dass wir bei weiteren Fragen dorthin verweisen dürfen. 24 hat für verschiedene Stars wie Lady Gaga und Bruno Mars Remixe angefertigt – und ihnen dadurch geholfen, neue Fans hinzuzugewinnen. Denn ein radikaler Remix kann zum Beispiel einen Rock-Song auch tanzwütigen Club-Kids schmackhaft machen. Zudem kann ein Remix einen Song bzw. einen Künstler im Club, im Radio oder im Netz bekannt machen, erklärt Julia Labonte. Außerdem dienen Remixe als Zusatzmaterial für Single-Bundles, sowohl online als auch physisch. Mit den verschiedenen Remix-Versionen wird ein zusätzlicher Kaufreiz geboten. Eine genaue Verkaufsauswertung für Remixe gibt es nicht, da eine saubere Kennung nicht möglich sei, wie es von Seiten des Bundesverbands Musikindustrie auf Anfrage von „Musikmarkt“ heißt. Man beobachte jedoch eine steigende Tendenz. Vor allem durch den internationalen kommerziellen Erfolg von Dance-Musik wurden Remixe in den vergangenen Jahren immer beliebter. „Die Clubkultur ist noch immer sehr lebendig und natürlich werden Remixe dafür gemacht“, so Volker Mietke von Four Music. „Und auch für den Musikfan bieten sie einen Mehrwert. Im besten Fall zieht der Remix dann wie bei Lykke Li und Asaf Avidan solche Kreise, dass viele Menschen auf den Künstler aufmerksam werden – und der Künstler über diesen erfolgreich wird.“ Neue Käuferschichten ansprechen Ob Pop-Diva Madonna oder Indie-Bands wie Bloc Party – Sänger und Sängerinnen sowie Bands aus den unterschiedlichsten musikalischen Ecken setzen auf Remixe. Wann lohnt es sich, einen Remix in Auftrag zu geben? „Um einen guten Song auch in der Clublandschaft bekannt zu machen und dadurch neue Fans für den Act zu gewinnen“, erläutert Julia Labonte von Warner Music. „Oder gegebenenfalls um den Song bzw. die vorhandenen Remixe um einen für den deutschen Markt kompatibleren Remix zu erweitern.“ Die wirtschaftlichen Aspekte von Remixen finden sich bereits in den Wurzeln der Remix-Kultur. In den Siebzigern wurde in der New Yorker Disco-Szene mit langen RemixVersionen bekannter Radio-Hits experimentiert. Denn die Musikindustrie entdeckte das Publikum in den Diskotheken neben den Radiohörern als neue Zielgruppe. Um die Songs für die Clubs interessanter zu machen, wurden sie „tanzbar“ gemacht. Denn mit dreiminütigen Popsongs konnte man auf der Tanzfläche nicht für die nötige Stimmung sorgen. Als einer der Remix-Pioniere gilt US-Produzent Tom Moulton, der beispielsweise Gloria Gaynors 1975er Album „Never Can Say Goodbye“ als durchgehenden Mix produzierte. Dank Remix zum Superstar Gegen Ende der siebziger Jahre waren Remixe schon derart weiterentwickelt, dass sie DJs Türen in die Musikindustrie öffnen konnten. Viele legten sich einen eigenen, unverkennbaren Stil zu und hinterließen auf unterschiedlichen Tracks ihre Handschrift. Heute genießen DJs wie David Guetta oder Skrillex längst selbst Superstar-Status. Auch der 23-jährige Anton Zaslavski aus Kaiserslautern, der unter dem Künstlernamen Zedd unter anderem Songs von den Black Eyed Peas, Skrillex, Justin Bieber Songs tatsächlich in etwas einzigartig Neuem? Ist ein Remix ein eigenständiger Song? „Im besten Fall ist es die eigenständige Interpretation des Originals“, findet Volker Mietke von Four Music. Ein Vergleich: Man nimmt ein Gemälde, zerschneidet es in Stücke und setzt diese dann neu zusammen. Einige Original-Teile werden verworfen und anders als die Original-Versionen und können teilweise neuen Genres zugeordnet werden. Auch Paul van Dyk veröffentlichte zu seinem sechsten Album, „Evolution”, das letztes Jahr erschien, vor kurzem ein Remix-Album. Wer sich für „(R)Evolution” an seinen Tracks zu schaffen machen durfte, bestimmte Paul van | Björk ließ die Songs ihres Albums „Biophilia“ von diversen Künstlern remixen | Foto: Inez van Lamsweerde/Vinoodh Matadin | Jamie XX remixte u.a. das letzte Album des legendären USMusikers Gil Scott-Heron | Foto: Mischa Richter | The Weeknd lässt u.a. Songs von Lady Gaga in einem neuen Licht glänzen | Foto: Universal Music zeitliche Verfügbarkeit der Remixer eine Rolle. „Viele arbeiten an eigenen Veröffentlichungen und haben nur bedingt Zeit.“ Auch der Preis, der Verghandlungssache ist, sei natürlich von Bedeutung. Schon immer waren Remixe also ein wirtschaftliches Marketing-Tool der Musikbranche. Gleichzeitig dienen sie aber auch als kreative Spielwiese für DJs und haben einen künstlerischen Anspruch. So kann ein Remix neue Komponenten eines Songs zum Vorschein bringen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Neuinterpretation von Jamie xx, HausProduzent der britischen Band The xx, von Adeles Nummer-eins-Hit „Rolling In The Deep“. In der Version des umtriebigen Soundtüftlers wird die pulsierende SoulNummer zu einem coolen Dubstep-Track. Der junge Brite hat ein Händchen für innovative Remixe. „We’re New Here“, seine RemixAusgabe von Gil Scott-Herons letztem Studioalbum „I’m New Here“, wurde von Kritikern hoch gelobt. Auch der Kanadier The Weeknd ist bekannt für seine stilprägenden Remixe, mit denen er neue Facetten bekannter Songs zeigt. Lady Gagas Eurodance-Brummer „Marry The Night“ wird bei ihm zu einer reduzierten, modernen R’n’B-Nummer. Und hin und wieder deckt die überarbeitete Version nicht nur neue Seiten eines Songs auf, sondern ist sogar erfolgreicher als das Original – wie im Fall von Lykke Li und Asaf Avidan. Doch resultiert die Fremdbearbeitung eines durch eigene Pinselstriche ersetzt. Ist das Resultat dieses kreativen Prozesses ein neues Kunstwerk? Ja, findet Björk. Die Isländerin ließ von den Songs ihres letzten Studioalbums, „Biophilia“, von verschiedenen Künstlern Remixe anfertigen und veröffentlichte diese unter dem Titel „Bastards“ auf einer CD. Dabei ging es Björk nicht um die besten Einzeltracks, sondern um die „perfekte Remix-Auswahl, die als Ganzes funktioniert“. „Mich hat das unglaublich beeindruckt, wie ,Biophilia’ in diesen Remix-Versionen auf vollkommenes Neuland transportiert wird und dabei trotzdem die Essenz der jeweiligen Original-Tracks erhalten bleibt“, so die Sängerin. Tatsächlich funktioniert Björks Remix-Album als eigenständiges Werk. Die Songs klingen Dyk selbst. Unter den Auserwählten sind u.a. Woody van Eyden, Alex M.O.R.P.H. und Pedro del Mar. „Natürlich entsprangen die Originale der Tracks auf ,Evolution’ meiner Vision”, so Paul van Dyk. „Bis heute haben die Singles daraus wundervolle, kreative Remixes entstehen lassen, darunter viele, die mich echt weggehauen haben, als ich sie hörte, und die ich im vergangenen Jahr immer wieder bei meinen Clubauftritten und im Radio spielte. Sie sind die Basis für dieses Album.“ Nicht alle Künstler sehen Remixe jedoch als lukratives Geschäft. „Wenn du einen Remix ablieferst und er wird ein Hit, hast du natürlich Glück gehabt. Wenn du an dem Remix allerdings nicht beteiligt wirst, hat es dir auch nichts gebracht“, meint etwa DJ Antoine, der vor kurzem sein neues Album „Sky Is The Limit“ vorlegte. In der Vergangenheit hat er u.a. Remixe für Example und Guru Josh gemacht. Seit seinem Erfolg mit Smash-Hits wie | DJ Antoine hat u.a. Remixe für Stars wie Example und Guru Josh produziert | Foto: Kontor recorded music und Lady Gaga remixte, wurde zum international gefragten Produzenten. Nach welchen Kriterien werden die „Remixer” denn überhaupt ausgewählt? „Je nach Bedarf. Braucht man den ,Namen’, um damit Aufmerksamkeit zu erzielen oder setzt man auf Innovativität bzw. neue Sounds“, erklärt Labonte. Zusätzlich spielt natürlich auch die musikmarkt 09|13 remix 25 musikmarkt 09|13 recorded music remix „Welcome To St. Tropez“ und „Ma chérie“ erhält er sehr viele Anfragen für Remix-Aufträge. „Mein Team und ich verspüren aber gar keine so große Lust mehr, Remixe zu machen, das haben wir früher einfach schon ausgereizt. Wir haben uns vorgenommen, erstmal die Hände von Remixen zu lassen.“ Ein Remix bringe zwar schnelles Geld, aber: „Man gibt natürlich auch seine Ideen weg und investiert seine Energie“, so DJ Antoine gegenüber „Musikmarkt“. „Lieber mache ich einen geilen Song mit Aussicht auf internationalen Erfolg. Das bringt meiner Karriere tausendmal Mal mehr.“ Warum das ganze? Was animiert einen überhaupt dazu, einen Remix eines Songs zu basteln? DJ Big Joe, ein Teil des DJ-Duos Drunken Masters, dazu: „Wir haben einen sehr breit gefächerten Musikgeschmack. Allerdings passen nicht alle Songs in unser DJ-Set. Deshalb haben wir angefangen, Songs, die wir feiern, zu remixen, damit wir sie auch im Club auflegen können.“ Songs von „Kumpels“ wie K.I.Z („Urlaub fürs Gehirn“) oder Marteria („Lila Wolken“) seien natürlich bereits Hits, passten aber dennoch nicht in das Elektro-Club-Set der Drunken Masters. „Mit einem Remix verpassen wir den Songs einen neuen Anstrich und bauen sie so in unser Set ein.“ Big Joe remixt nicht nur als Teil der Drunken Masters. Gemeinsam mit dem ebenfalls aus dem Allgäu stammenden Produzenten Niklas Köllner hat er The Ionics gegründet. Das Duo zeichnet unter anderem für den Silbermond-Remix zu „Für dich schlägt mein Herz“ verantwortlich. Auftragsarbeiten wie diese seien aber eher die Ausnahme, erklärt Big Joe: „In den meisten Fällen sind die Künstler auf uns zugekommen, weil sie unseren Sound feiern.“ So war es bei K.I.Z aber auch bei Casper, dessen Single „So Perfekt“ von den Drunken Masters geremixt wurde. Der Song ist im Original auf Caspers | Lady Gaga lässt ihre Song regelmäßig von angesagten Künstlern remixen | Foto:Hedi Slimane | Zedd alias Anton Zaslavski wurde mit Remixen für Stars wie Justin Bieber selbst zum Superstar | Foto: Alexander Eggebeen Nummer-eins-Album „XOXO“ zu hören. Live spielt der Bielefelder Rapper gerne die Drunken-Masters-Version. Auf YouTube kann man sehen, warum. Ein Remix ist per Definition die Bearbeitung eines bereits bestehenden Werks (s. Kasten S. 24). Big Joe erklärt: „Man hat keinen Anspruch auf GEMA, da Original-Komposition und -Text von jemand anderem stammen.“ Für einen Remix wird man also in der Regel einmal bezahlt, an GEMA-Einnahmen partizipiert man dagegen nicht. Big Joe verdeutlicht dies an einem interessanten Beispiel: Sido gelang mit „Mein Block“ der Durchbruch. Das Original ist auf Sidos Debütalbum „Maske“ zu hören. Die Single, die auch ständig im Fernsehen lief, war jedoch ein Remix der Beathoavenz. Die Beathoavenz-Version verkaufte sich prächtig, warf auch entsprechend viel Tantiemen ab – die Beathoavenz sahen davon laut Big Joe allerdings nie etwas, weil es sich um einen Remix handelte. Bei der Crookers-Version von Kid Cudi sei es dasselbe gewesen, so Big Joe. Der Remix wurde viel erfolgreicher, die Crookers profitierten davon in monetärer Hinsicht allerdings weniger. Es könne zwar sein, dass die Produzenten eines Remixes am Verkauf des Songs beteiligt würden, erklärt Big Joe. Wenn der Song allerdings im Radio und Fernsehen gespielt werde, sehe es für den Remix-Produzenten nicht so rosig aus. Bei aller Kalkulation, mit der man gerne Versucht, einen Hit zu landen: Am Ende ist es schwer, ein Geheimrezept zu finden. Vom Erfolg des Wankelmut-Remixes von „One Day/Reckoning Song“ war ein Großteil der Underground-Techno-Szene – in der Wankelmut bis dahin wandelte – überrascht. Asaf Avidan selbst gab einmal in einem Radio-Interview zu, den Remix anfangs überhaupt nicht gemocht zu haben. Beschweren wird er sich jedenfalls nicht mehr. Am Ende bleibt die Erkenntnis: Ein Remix hat das Potenzial, die Szene gehörig aufzumischen – gewollt oder ungewollt. | Renzo Wellinger/Gideon Gottfried Wie alles beginnt Am Anfang steht die Anfrage eine Labels: „Habt ihr Bock, diesen Song zu remixen?“ Wenn das Interesse beim Produzenten besteht, erhält er von den Labels entweder das Acappella oder den gesamten Song in seinen Einzelspuren. Oft bezahlen Labels verschiedene Produzenten für einen Remix und die Künstler wählen anschließend den aus, der ihnen am besten gefällt. Big Joe: „Wir haben zum Beispiel einen Remix für Seeed gemacht, die Band hat sich jedoch für einen anderen entschieden. Der Remix landete dafür auf unserem aktuellen Mixtape, ,Hour Of Power‘.“ Im Elektro-Genre sei es wieder anders, erklärt Big Joe. „Da läuft das eher wie im HipHop: Die featuren uns, wir featuren die. Wir haben beispielsweise einen Remix zu Beef Theaters ,President Evil‘ gemacht, daraufhin haben Beef Theater ,Toy Girl‘ von uns geremixt.“ Keine Garantie auf Erfolg „Bei ,Lila Wolken‘ wollte das Label einen Remix haben, der ursprünglich auch veröffentlicht werden sollte“, erinnert sich Big Joe. Da der Song allerdings so erfolgreich war – mittlerweile mit Platin ausgezeichnet – entschied man sich, das Projekt für sich stehen zu lassen. So kam es, dass der Drunken-Masters-Remix zu „Lila Wolken“ nie offiziell veröffentlich wurde. | Die Drunken Masters werkelten bereits an Songs von Marteria, K.I.Z und Seeed | Foto: Andi Mayr 26