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Naturräume Lateinamerikas – Axel Borsdorf und Hannes Hoffert
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Naturräume Lateinamerikas vom Feuerland bis in die Karibik
1 Hydrologie, oder: Die Gewässer Lateinamerikas
Die Hydrologie erfasst, beschreibt und erklärt Eigenschaften und Erscheinungsformen des
Wassers auf und unter der Landoberfläche einschließlich seiner räumlichen Verteilung und
anthropogenen Beeinflussung. Sie hat traditionell zwei Kernbereiche: die Hydrologie der
Meere (Ozeanologie) und die Hydrologie des Festlandes (Gewässerkunde), zu der die
Limnologie (Seenkunde), die Hydrogeologie (Grundwasserkunde) und die Glaziologie
(Entstehung und Verbreitung des Eises) zählen. Die moderne Entwicklung der Hydrologie
rückt jedoch von diesen klassischen Sachgebieten zunehmend ab und orientiert sich an der
Komplexität des hydrologischen Prozessgefüges. Hierbei tritt neben die Physikalische oder
Theoretische Hydrologie die Angewandte Hydrologie mit ihren Teilgebieten (u.a. operative
Hydrologie, Ingenieurhydrologie, Angewandte Regionale Hydrologie). Diese modernere
Auffassung definiert die Hydrologie nicht nach dem Erfahrungsobjekt, sondern dem
Erkenntnisobjekt. Demnach gehören die Erforschung von Wasserkreislauf, Wasserhaushalt,
Wasserressourcen, die Entwicklung hydrologischer Vorhersagemethoden für Wasserstand,
Abfluss, Grundwasser und Eis zu den Erkenntniszielen der Hydrologie. Dabei kommt der
Nutzung und Bewirtschaftung von Wasser ein hoher Stellenwert zu. In Anbetracht der großen
Bedeutung des Wassers für zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen zeichnet sich die
Wasserforschung durch einen interdisziplinären Ansatz aus, wobei Hydrogeographie,
Geophysik, Biologie, Chemie und Physik die wichtigsten Partner darstellen.
Für Lateinamerika hat die Hydrologie eine besondere Bedeutung, da der Kontinent regional
sowohl mit den Problemen des Überangebots von Wasser als auch des Wassermangels zu
kämpfen hat.
In der geographischen Forschung kommt dem Wasser ein hoher Stellenwert zu. Es ist Teil der
Naturausstattung und somit auch Teil der Naturraumausstattung, ihrem räumlichen Aspekt.
Die Hydrogeographie untersucht daher das Wasser als Teil des Naturraums in seinen
Erscheinungsformen, den räumlichen Strukturen, die diese bilden, den ihm innewohnenden
Kräften und ihren Wirkungen, den Leistungen und Nutzungen, sowie dem zeitlichgenetischen Aspekt. Als Teildisziplin der Geographie untersucht sie den Geofaktor Wasser
nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit den anderen Geofaktoren, insbesondere Klima,
Relief, Vegetation und Boden, aber auch dem Menschen. Wasser ist Teil des
Naturraumpotentials ("physisch-geographisches Potential") und bieten dem Menschen daher
vielfältige Möglichkeiten der Nutzung, es stellt aber auch ein nicht zu unterschätzendes
Risikopotential (Naturgefahrenpotential) dar.
1.1 Die Ozeane und Meere Lateinamerikas
Lateinamerika wird von zwei Ozeanen und einem Meer umflossen: dem Pazifischen Ozean,
dem Atlantischen Ozean und dem Amerikanischen Mittelmeer (Golf von Mexiko und
Karibisches Meer). Gemeinsam bilden sie ohne Randmeere eine Fläche von 254.710.000 km².
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Grunddaten der Lateinamerika umgebenden Ozeane (ohne Nebenmeere) und Meere
Ozean/Meer
Fläche Mio. km² Inhalt Mio. km³ mittl. Tiefe (m) max. Tiefe (m)
Pazifik
Atlantik
166,24
84,11
4,36
696,19
322,98
9,43
254,71
1028,6
Amerikanisches
Mittelmeer
Summe
4188
3844
2164
11022
9219
7680
Quelle: Dietrich, G.: Ozeanographie. (=Das geographische Seminar). Braunschweig 3- Aufl.
1970, S. 65
1.1.1 Der Meeresboden
Pazifik und Atlantik weisen im Bereich Lateinamerikas bei allen Ähnlichkeiten markante
Unterschiede des Meeresbodens auf. Zu den Gemeinsamkeiten gehört das Vorhandensein
aller marinen Oberflächenformengruppen (Vollformen: Rücken, Schwellen, Plateaus;
Hohlformen: Becken, Mulden, Gräben). Sie sind jedoch in sehr unterschiedlicher Form
gruppiert. Hierfür ist der Plattenbau der Erdkruste verantwortlich. An der Pazifikküste
Lateinamerikas stoßen die sich langsam in Richtung Westen bewegende Amerikanische Platte
mit den dynamischen und wesentlich kleineren Einheiten der Kokos-Platte (Mittel/Zentralamerika) und Nazca-Platte (nördliches und zentrales Südamerika) zusammen, die sich
nach Osten und zugleich in Form einer Seitenverschiebung auch nach Norden bewegen.
Dadurch wird an der Westküste ozeanisches Krustenmaterial subduziert (in die Tiefen des
Erdmantels verfrachtet), die Ausbildung eines außerordentlich tiefen Meeresgrabens (8050 m)
ist die Folge (Atacama- oder Perugraben) unmittelbar vor der Küste ist die Folge.
Im Atlantik dagegen reicht der Schelf weiter in das Meer hinaus und erreicht bei den auf dem
Schelf gelegenden Falkland-Inseln im Süden seine größte Ausdehnung. Anders stellt sich das
Amerikanische Mittelmeer dar. Sein karibischer Teil liegt auf der Karibik-Platte, die,
eingelagert in die Amerikanische Platte, sich wiederum in außerordentlich aktiver Bewegung
befindet. Hier trennt der 7680 m tiefe Caymangraben die Karibik vom Mexikanischen Golf
und der mit 9219 m noch tiefere Puerto-Rico-Graben vom Atlantik.
1.1.2 Die Meeresströmungen
Meeresströmungen sind Wasserbewegungen im Ozean, die im Gegensatz zu Wellen und
Turbulenzen längere Zeit andauern und sich über ein größeres Gebiet erstrecken. Sie
werden durch Einflüsse des Windes oder durch Druckgradientkräfte (Dichte und Temperatur)
im Wasser selbst, aber auch, wie die Winde, durch die ablenkende Kraft der Erdrotation
(Korioliskraft) hervorgerufen und ihre Richtung durch den Küstenverlauf modifiziert.
Die Erforschung von Meeresströmungen ist aus verschiedenen Gründen wichtig: Sie
verursachen Wärme- und Stofftransporte und bewirken dadurch die Verteilung von
Nährstoffen (wichtig für die Meeresfauna und –flora), gelösten Gasen (CO2) und
Schadstoffen. Deshalb werden sie im Rahmen der Klimaforschung und zur Beschreibung der
Funktion von Ökosystemen untersucht.
Meeresströmungen werden in kalte und warme Strömungen klassifiziert. Die Temperatur
der Meeresströmung – in Relation zu benachbartem oder tieferen Meereswasser und der u.U.
der benachbarten Küste – kann enorme Auswirkungen auf das Klima – insbesondere das
Niederschlagsgeschehen auf den Kontinenten haben.
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Verlauf und Intensität von Meeresströmungen waren und sind für die Schifffahrt wichtig,
haben frühe Kulturmigrationen ermöglicht und die Entdeckungsgeschichte der Welt
maßgeblich mitbestimmt. Starke Strömungen, wie im Golfstrom, erreichen
Geschwindigkeiten von mehreren m/s, schwache im Inneren der großräumigen Wirbel wenige
cm/s. So ist es verständlich, dass Meeresströmungen nicht nur selbst durch den Küstenverlauf
beeinflusst werden, sondern umgekehrt sie die Küstengestalt mitbestimmen können
(Kliffküste, Ausgleichsküste mit Strandversatz etc.).
So waren es ursprünglich auch Schiffsbeobachtungen, die zu ersten Karten der
Meeresströmungen führten. Moderne Methoden haben Aufschlüsse über die Schichtung des
strömenden Wassers ergeben.
Anhand einer Karte der Meeresströmungen (vgl. Karte Klimaklassifikation Köppen) lassen
sich leicht merkbare Regeln zur ihrer Verteilung merken. Nördlich des Äquators gibt es einen
nach Westen gerichteten warmen Äquatorialstrom. Nördlich und südlich davon gilt folgende
Regel: Die Westseiten der Kontinente werden von kalten Meeresströmungen umspült, die
Ostseiten dagegen von warmen. Nur Europa und Alaska machen eine Ausnahme, da der
Golfstrom und der Pazifische Strom warmes Wasser aus dem Äquatorialstrom nach Norden
schaufeln.
Für Lateinamerika bedeutet dies: West- und Ostküste Zentralamerikas werden von warmen
Meereswasser umspült, das im Pazifik bis an die Guayas-Bucht bei Guayaquil, im Atlantik
mit dem Brasilstrom gar bis Bahia Blanca in Patagonien reicht. Die übrige Pazifikküste
dagegen unterliegt dem Einfluss des kalten Humboldtstroms, die südpatagonische
Atlantikküste dem kalten Falklandstrom.
Wegen der Bedeutung für das El Niño Phänomen sollen die Strömungsverhältnisse im
Pazifik beispielhaft vorgestellt werden.
Entgegen seinem Namen ist der Pazifik keineswegs ein friedlicher, »stiller« Ozean: Drei
Viertel aller Wolken der Erde entstehen hier, ebenso die meisten Wirbelstürme. In den
Strömungen dieses Ozeans stecken gigantische Energiemengen; im Pazifik treten auch
besonders viele Tsunamis auf, das sind Wellenphänomene, die durch geologische Prozesse
wie Erdbeben oder Vulkanausbrüche entstehen und nach Durchqueren des Ozeans
katastrophale Schäden in Asien oder Amerika anrichten können. Für das wissenschaftlich
korrekt »El Niño/Southern Oscillation« (ENSO) genannte Klimaphänomen sind vor allem die
niederen südlichen Breiten des Pazifiks wichtig, also etwa der Bereich zwischen den
Philippinen, Indonesien und Nordaustralien im Westen und Ecuador, Peru und Nordchile im
Osten. Welche Wind- und Meeresströmungen herrschen in diesem Gebiet vor, und auf welche
Weise werden sie bei einem ENSO-Ereignis gestört?
Die großräumigen Windsysteme auf der Erde sind vor allem von meridionalen, also nordsüdlich ausgerichteten Luftdruckgegensätzen geprägt. In der Nähe des Äquators (ITC)
herrscht niedriger Luftdruck, an den sich in etwa 30º nördlicher und südlicher Breite eine
Zone von Hochdruckgebieten anschließt, wozu beispielsweise das Azorenhoch, aber auch ein
relativ ortsfestes Hochdruckgebiet westlich von Peru gehören. Weiter polwärts findet sich
eine Zone von Tiefdruckgebieten bei ungefähr 60º Nord beziehungsweise Süd, während an
den Polen selbst wiederum Hochdruck herrscht. Da die Luft bestrebt ist, Luftdruckgegensätze
auszugleichen, ergibt sich insbesondere zwischen Äquator und den Subtropen eine
Luftströmung in Richtung des Äquators. Diese korrespondiert mit einer entgegengesetzt
gerichteten Strömung in höheren Luftschichten; die sich so ergebende Luftzirkulation wird
Hadleyzirkulation genannt. Nun dreht sich aber die Erde bekanntermaßen um ihre eigene
Achse, und dies führt wie auf einem Karussell nicht nur zum Auftreten von Fliehkräften,
sondern von der Corioliskraft. Durch sie werden die zum Äquator gerichteten Winde der
Hadleyzirkulation auf der Südhalbkugel zu südöstlichen Winden (Südostpassaten). Diese
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transportieren zunächst trockene Luft vom peruanischen Hochdruckgebiet nach Indonesien
und Nordostaustralien, wobei sie sich mit Feuchtigkeit anreichern und schließlich am
asiatisch-australischen Festland abregnen.
Das System der globalen Meeresströmungen ist jedoch noch komplizierter als das
(vereinfachte) Schema der Windsysteme. Es beruht unter anderem auf dem Transport von
kaltem, nährstoffreichem Wasser aus den Polregionen zum Äquator (meist an den östlichen
Küsten der Ozeane) und dem polwärts gerichteten Transport von warmem Wasser, wie zum
Beispiel beim Golfstrom. Außerdem spielen die Corioliskraft und die Wechselwirkung
zwischen Ozean und Atmosphäre eine große Rolle, beispielsweise treiben die Passatwinde
gleichgerichtete Passatströmungen in Atlantik und Pazifik an. Der südliche Pazifik besitzt im
Osten, also an der südamerikanischen Küste, eine kalte, nährstoffreiche, nordwärts gerichtete
Strömung, den Humboldtstrom. Von der peruanischen Küste nach Nordwesten gerichtet ist
eine zum äquatorialen Strömungssystem gehörende Passatströmung, die bis zur asiatischaustralischen Küste reicht und wie die Winde Wärme und Wasser transportiert: Der
Meeresspiegel am westlichen Rand des Pazifiks liegt im Normalfall um 50 bis 60 Zentimeter
über, am östlichen Rand dagegen um etwa 20 Zentimeter unter dem mittleren Meeresniveau.
1923 erkannte der britische Meteorologe Sir Gilbert Walker, dass Variationen in den
Luftdruckverhältnissen im östlichen und westlichen Südpazifik Einflüsse auf das Windsystem
und das Klima in dieser Region haben. Ihm zu Ehren wird die Hadleyzirkulation in diesem
Gebiet auch Walkerzirkulation genannt. Wenn nämlich die Luftdruckdifferenz abnimmt,
nehmen auch die Passatwinde und die von ihnen angetriebenen Meeresströmungen ab bei
einer Umkehr der Druckverhältnisse würden sich also auch die Meeresströmungen umkehren.
Tatsächlich kommt es zu mehr oder weniger regelmäßigen Schwankungen dieser
Luftdruckdifferenz; Walker prägte hierfür den Begriff »Southern Oscillation«. Ein Maß für
die Stärke dieser Schwankungen ist der Southern Oscillation Index (SOI), der die Differenz
des Luftdrucks auf der Insel Tahiti und dem in der Stadt Darwin in Nordaustralien angibt. Bei
normalen Klimaverhältnissen ist dieser positiv, bei einem El-Niño-Ereignis dagegen negativ
denn genau diese Umkehrung des SOI ist die Ursache für die verheerenden Auswirkungen
eines El Niño. Diese Verbindung von Southern Oscillations und El Niño wurde
wissenschaftlich erstmals 1969 von dem amerikanischen Meteorologen Jacob Bjerknes
formuliert.
Wenn die Passatwinde aufhören, das Meerwasser Richtung Australien und Indonesien zu
treiben so erkannte Bjerknes, bildet sich eine Welle warmen Wassers, die einige Wochen bis
Monate danach die südamerikanische Küste erreicht. Dadurch kommt es dort zu einem
Massensterben von Mikroorganismen, die nur im etwa zehn Grad Celsius kühleren Wasser
des Humboldtstroms gedeihen können. Dies pflanzt sich über die Nahrungskette bis zu den
Fischen und den von ihnen lebenden Meeressäugern, Seevögeln und der lokalen
Fischereiwirtschaft fort. Gleichzeitig wehen westliche Winde, die sich über dem nun warmen
Ozean mit Feuchtigkeit angereichert haben, landeinwärts und führen dort zu teilweise
sintflutartigen Regenfällen. Außer dem SOI gibt es noch eine weitere Kenngröße, den Niño-3Index, der die Anomalie der ostpazifischen Meerestemperaturen angibt. Langjährige
Beobachtungen haben gezeigt, dass SOI und Niño-3-Index genau gegenläufig korreliert sind:
Hohe SOI-Werte korrespondieren mit niedrigen Werten des Niño-3-Index und umgekehrt.
Was geschieht mit den Strömungsverhältnissen in Ozean und Atmosphäre, wenn sich ein ElNiño-Extrem voll ausgebildet hat? Aufgrund von bestimmten Windschubverhältnissen bilden
sich im Pazifik als Rossbywellen bezeichnete großräumige Meereswellen mit Wellenlängen
bis zu 3000 km, die ihren Ursprung in der Breitenabhängigkeit der Corioliskraft haben. Wenn
diese Wellen am Westrand des Pazifiks reflektiert werden, erreichen sie als Kelvinwellen
wieder den Ostpazifik; hier wirken sie gerade so auf die Wassertemperatur ein, dass die
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Anomalie geschwächt wird und schließlich ihr Vorzeichen umkehrt. Es kommt dann zu einer
Verstärkung der normalen Unterschiede in Luftdruck und Temperatur, es wird also in
Südamerika noch trockener, in Indonesien noch feuchter. Dieses sich an ein El-Niño-Ereignis
anschließende Klimaphänomen wird »La Niña« genannt, frei übersetzt: »Christkindels
Schwester«. Aber La Niña löst auch wieder Rossbywellen aus, welche die ostpazifische
Temperaturanomalie erneut umkehren, sodass man einen Zyklus von Verstärkungen und
Abschwächungen beziehungsweise Umkehrungen des SOI erwarten kann, der sich zumindest
qualitativ in den beobachteten Klimadaten widerspiegelt. Die Laufzeit der das Klimasignal
umkehrenden Meereswellen bestimmt die Dauer eines ENSO-Zyklus die enorme Größe des
Pazifikbeckens erklärt somit die relativ lange Dauer dieser Klimaanomalie. Ungeklärt ist
allerdings bisher, warum es manchmal zu so katastrophal heftigen und manchmal nur zu recht
schwachen El-Niño- und La-Niña-Ereignissen kommt.
1.2 Limnologie: Die Binnengewässer Lateinamerikas
Die Limnologie als Teilgebiet der Hydrologie (eine zweite Schule der Limnologie ordnet die
Teildisziplin der Ökologie zu) erfasst, beschreibt und erklärt die Struktur, die Dynamik, den
Stoff- und Energiehaushalt sowie die Wirkungen der Binnengewässer. Sie versucht auch, die
Systemeigenschaften der Gewässer zu erfassen, zu beschreiben, modellhaft zu erklären und
Prognosen abzugeben. Zur Limnologie gehören die Seenkunde sowie die Fluß- und
Quellenkunde. Im Rahmen der Abhandlung der Natur in Lateinamerika erfolgt keine
umfassende Darstellung limnologischer Verhältnisse in Lateinamerika. Auf die nicht
sichtbaren bio-ökologischen Zusammenhängen (Gewässerfauna und -flora) wird ebenso
wenig eingegangen wie auf die Gewässerphysik und Gewässerchemie. Vielmehr wird der
Schwerpunkt auf die sichtbaren (geographischen) Phänomene gelegt. Gewässerkunde wird
hier unter hydrogeographischer Perspektive behandelt.
1.2.1 Die Flüsse Lateinamerikas
Drei große Stromsysteme kennzeichnen Südamerika. Es sind dies von N nach S das Orinoco-,
das Amazonas- und das La-Plata-System. Sie entwässern sämtlich zum Altlantik. Dennoch
gibt es auch in Südamerika große Ströme, die keinem dieser Hauptsysteme zugeordnet sind.
Die wichtigsten sind Río Magdalena und Cauca in Kolumbien, die vom Bergland von
Guayana kommenden Ströme (Essequibo, Demerara, Maroni, Oiapoque), der Río BíoBío in
Chile und die Flüsse Patagoniens (von N nach S: Colorado, Negro, Chubut, Deseado, Sta.
Cruz und Turbio, sowie der in den Pazifik entwässernde Baker). Mittel- und Zentralamerika
besitzen keine so mächtigen Stromsysteme, weil die Landmasse in den feuchten Tropen
geringer ist und in den ariden Gebieten die Niederschlagsmenge zur Speisung großer Flüsse
nicht ausreicht. Eine Ausnahme macht der Grenzfluss zu den USA, der Río Bravo del Norte
(in den USA Rio Grande genannt).
Die größten Flüsse Lateinamerikas sind
• Amazonas (mit Ucayali und Apurimac)
6.400 km
Peru, Brasilien
• Paraná (mit Rio Grande)
4.500 km
Brasilien, Paraguay,
Argentinien
• Madeira-Mamoré-Guaporé
3.240 km
Brasilien
• Rio Púrus
3.211 km
Brasilien
• Río Bravo del Norte/Rio Grande
3.100 km
Mexiko/USA
• Rio Sao Francisco
2.900 km
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1.2.1.1 Sedimentführung
Eine vor allem in den tropischen Regionen wichtige Einteilung der Flüsse erfolgt nach der
Farbe ihres Wassers. Diese steht für den Sediment- und Nährstoffgehalt der Flüsse, und diese
sind wiederum von der Lage der Quellregion bzw. den geologisch-geomorphologischen
Verhältnissen im Einzugsbereich abhängig. Man unterscheidet Weißwasser-,
Schwarzwasser- und Klarwasserflüsse. Die Unterscheidung dieser verschiedenen
Flusstypen wurde der interessierten Öffentlichkeit bekannt, als Alexander von Humboldt von
der erfolgreichen Suche nach der Cassiquiare-Bifurkation, einer natürlichen Verbindung des
Orinoco- und Amazonas-Flussregimes berichtete. Der Cassiquiare weist zur einen Hälfte
nährstoffarmes Schwarzwasser aus dem Guayana-Bergland auf, zu anderen Hälfte
nährstoffreiches Weißwasser aus den Ebenen der venezolanischen Llanos. Um nicht von den
Moskitos zerstochen zu werden, die ausschließlich über dem für sie vorteilhaften Weißwasser
umherschwirrten, zog Humboldt die Fahrt durch das mückenfreie Schwarzwasser vor.
1.2.1.1.1 Weißwasserfluss
Weißwasserflüsse sind mineralreiche und trübe Flüsse, in denen bei neutralem Säuregehalte
des Wassers eine vielfältige Fauna und Flora gute Lebensbedingungen hat.
Der klassische Weißwasserfluss Südamerikas ist der Río de la Plata: der "Silberfluss". Sein
Name stammt nicht von (nicht vorhandenen) Silbervorkommen im Hinterland, sondern von
seinem im Gegenlicht silbrig glänzenden Wasser. Anderen Beobachtern erscheint dieses
Wasser weiß - und das wird deutlich, wenn man sich mit Überseeschiff der La-Plata
Mündung nähert und beobachtet, wie sich das sedimentführende Wasser des Binnenflusses
mit dem schwarz-grünen Meereswasser mischt.
Ähnlich erscheint das Wasser des Amazonas in Schrägsicht weiß, und auch dort wird der
Kontrast zu nicht so sedimentbefrachtetem Wasser an der Einmündung von Schwarz- oder
Weißwasserflüssen besonders augenfällig, etwa an der Einmündung des Rio Negro in den
Amazonas bei Manaus.
Die "weiße", eigentlich aber hellbraune, Farbe des Wassers wird hervorgerufen durch die
reiche, tonige Sedimentfracht, die diese Flüsse mit sich führen. Ihre Quell- und Nebenflüsse
entspringen in den Anden oder anderen Regionen mit hoher Bodenabspülung und
transportieren dieses Material über die gesamte Länge des Flusses bis in das Meer. Dort, wo
das Gefälle geringer wird, lagert sich das mitgeführte Material auch ab und führt zur
Bildung von Dammufern oder/und - bei Mäandrieren des Flusses - auch zur Bildung von
Umlaufseen.
Weißwasserflüsse bieten aufgrund der nährstoffreichen Sedimente vielen Lebewesen im
und auf dem Wasser Existenzmöglichkeiten. Bei Überschwemmungen düngen sie die
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Flussaue (in Brasilien: Varzea) und erlauben zwischen den Überflutungen eine intensive
Nutzung der jungen, fruchtbaren Böden.
1.2.1.1.1.1 Dammuferfluss
Sedimentreiche Flüsse, so viele Weißwasserflüsse Lateinamerikas, sind oft durch eine
periodisch unterschiedliche Wasserführung gekennzeichnet. Herrscht - an Ort und Stelle
oder im Oberlauf des Flusses - Regenzeit, so tritt der Fluß über die Ufer. Damit nimmt
im Ufer- und Überschwemmungsgebiet die Flussgeschwindigkeit plötzlich ab. Besonders
krass ist die Reduktion der Transportkraft im direkten Uferbereich, wo die gröberen
Anteil der Flussfracht sofort abgelagert werden, während die feineren, tonigen
Bestandteile sich noch eine Weile im Wasser halten und in den periphereren Teilen der
Flussaue abgelagert werden. Die sich im unmittelbaren Uferbereich akkumulierenden
Grobsedimente führen im Laufe der Zeit dazu, dass ein Uferwall oder -damm gebildet
wird, so dass der Flussspiegel allmählich über dem mittleren Niveau der Flussaue liegen
kann. Der Amazonas ist der klassische Dammuferfluss Lateinamerikas, aber auch der
Río Paraguay oder der Río Parana sind in ihren Mittel- und Unterläufen mit Dammufern
versehen.
1.2.1.1.1.1.1 Amazonas
Der Amazonas (vgl. Geologie des Amazonasbeckens) ist in Bezug auf sein
Einzugsgebiet, die Anzahl der Nebenflüsse, die Abflussmenge der größte Strom der
Welt und mit einer Länge von etwa 6 280 Kilometern nach dem Nil der zweitlängste
Fluss. Sein Einzugsgebiet umfasst mehr als sieben Mio. km², von denen etwa die
Hälfte in Brasilien liegt, während der Rest auf Peru, Ecuador, Bolivien und Venezuela
verteilt ist. Der Wasserabfluss des Amazonas beträgt zwischen 34 und 121 Millionen
Liter pro Sekunde. Ein Fünftel des Süßwassers, das in die Weltmeere fließt, stammt
aus dem Amazonas.
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Die größten Quellflüsse des Amazonas, der Río Ucayali und der Río Marañón,
entspringen im ewigen Eis der Hochanden und fließen parallel zueinander nach
Norden, bis sie sich bei Nauta in Peru vereinigen. Von dieser Stelle an fließt der
Hauptstrom des Amazonas in östlicher Richtung zum Atlantik; bis zur Mündung des
Rio Negro bei Manaus nennt man ihn in Brasilien Rio Solimões. Der Amazonas
mündet mit einer etwa 250 Kilometer breiten Trichtermündung in den Atlantik. Dort
lagert er seine Sedimente (täglich durchschnittlich 3 Mio. t) ab, die ein Labyrinth von
Inseln bilden, wodurch der Fluss in einzelne Arme aufgeteilt wird. Allein die
Mündung des Hauptstromes, der Rio Pará, ist 80 km breit. Bei Neu- oder Vollmond
bewegt sich eine Flutwelle, die vom Meer kommt, mit einer Geschwindigkeit von
mehr als 65 Kilometer pro Stunde etwa 650 Kilometer flussaufwärts. Dabei entstehen
oft Wellen mit einer Höhe bis zu fünf Metern.
Das gesamte Einzugsgebiet des Amazonas liegt in den inneren Tropen. Die mittlere
Jahrestemperatur beträgt im Mittel- und Unterlauf etwa 26 °C bei einer
Luftfeuchtigkeit von über 80 Prozent. Schwere Regenfälle ergießen sich während des
ganzen Jahres, insbesondere zwischen Januar und Juni, auf große Teile des
Tieflandes. Jahreszeitliche Veränderungen der Niederschlagsmengen spiegeln sich in
Breite, Fließgeschwindigkeit und Abflussmenge des Flusses wider. Im
Jahresdurchschnitt fallen zwischen 2 000 Millimeter und 3 000 Millimeter
Niederschlag. In Brasilien ist der Fluss bei Niedrigwasser zwischen 1,6 Kilometer und
zehn Kilometer breit und verbreitert sich – da das ihn umgebende Land überwiegend
flach ist – bei der jährlich wiederkehrenden Flut bis auf mehr als 50 Kilometer. Die
Fließgeschwindigkeit schwankt zwischen 2,4 und 8 km/h, und der Wasserspiegel
steigt bei Hochwasser oft 15 Meter über Normalhöhe. Aufgrund dieser riesigen
Wassermenge hat der Amazonas ein tiefes Bett in der Ebene gegraben, durch die er
fließt. Bei Óbidos in Brasilien beträgt seine Tiefe im Mittel gut 90 Meter.
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Daher kann der Amazonas auch von Hochseeschiffen jeder Größe auf zwei Dritteln
seiner Länge befahren werden. Manaus, das fast 1 600 Kilometer von der Küste
entfernt liegt, hat einen Hafen für Hochseeschiffe. Schiffe bis zu
3 000 Bruttoregistertonnen können darüber hinaus auch noch Iquitos in Peru anlaufen,
das sich 3 700 Kilometer von der Amazonasmündung befindet; die Stadt ist damit der
am weitesten vom Meer entfernte Seehafen. Flussschiffe mit geringerer Tonnage
können außerdem mehr als 100 der größeren Nebenflüsse befahren.
Der Amazonas ist ein klassischer Dammuferfluss, der jenseits des Dammes eine
überaus breite Flussaue (Várzea) besitzt. Diese grenzt mit einem Steilufer an die sog.
terra firme, eine aus jungen Sandsteinen gebildete Ebene.
1.2.1.1.1.1.2 Paraná
Der Paraná ist mit knapp 4000 km der zweitlängste Fluss Lateinamerikas. Die
Quellflüsse sind der nicht schiffbare Rio Paranaíba und der auf etwa 500 Kilometern
befahrbare Rio Grande, mit dem zusammen er eine Länge von 4500 km erreicht. Der
Rio Paranaíba entspringt in der Westabdachung der Serra Mata da Corda, er wendet
sich dann in südlicher Richtung. Bei Rubinéia vereinigt er sich mit dem in der Serra
da Mantiqueira entspringenden Rio Grande. Wie bei den Quellflüssen wird auf den
meisten linken Nebenflüssen des Paraná die Schifffahrt durch Wasserfälle und
Stromschnellen behindert, die durch die Bruchstrukturen des brasilianischen Schildes
bzw. der vulkanischen Trappdecken verursacht werden. Von den Sete Quedas-Fällen
(heute vom Itaipú-Stausee überflutet) bis zu den Iguaçu-Fällen bildet der Paraná die
Grenze zwischen Brasilien und Paraguay, anschließend bis etwa Corrientes die
Grenze zwischen Paraguay und Argentinien. Bei Corrientes mündet auch der
Paraguay als wichtigster Nebenfluss in den Paraná. Dann fließt er durch Argentinien,
bis er mit dem Uruguay in den Río de la Plata mündet. Für Argentinien und Paraguay
ist der Paraná eine wichtige Verkehrsader, insgesamt sind etwa 600 Kilometer für
Seeschiffe befahrbar. Bis zu 7 m tiefe Schiffe können den Hafen von Rosario
erreichen, große Flussdampfer mit einem Tiefgang von zwei Metern den von
Corrientes. Der Paraná bildet mit seinen Zuflüssen das zweitgrößte
Wassereinzugsgebiet in Südamerika, zusammen mit dem Río de la Plata umfasst es
3,1 Millionen Quadratkilometer.
1.2.1.1.1.1.3 Orinoco
Der Orinoco, im Oberlauf Paraguá genannt, gehört mit seinen 2 140 km Länge nicht
zu den zehn längsten Strömen Süd- oder gar Lateinamerikas. Dennoch bildet er eines
der drei großen hydrographischen Becken Südamerikas. Er entspringt in der Sierra
Parima im Bergland von Guayana. Nach Austritt aus dem Hochland umfließt er dieses
in großem, nach Nordosten offenem Bogen. 40 km unterhalb Esmeralda stellt die
durch Alexander von Humboldts Forschungen bekannte Bifurkation über den 290 km
langen Río Casiquiare und den Rio Negro eine Verbindung mit dem Amazonas her.
Später fließt er nach Norden und bildet einen Teil der Grenze zwischen Venezuela
und Kolumbien. Anschließend stürzt er über die Stromschnellen von Maipures und
Atures und erhält von Westen Zufluss von Meta und Apure.Unterhalb der Mündung
des Río Apuré beginnt der ostwärts gerichtete Unterlauf des Orinoco in den Savannen
der Llanos. Er mündet mit vier großen und zahlreichen kleinen Mündungsarmen in
einem etwa 30 000 km2 großen und 190 km langen Delta in den Atlantischen Ozean.
Das
gesamte
Einzugsgebiet
des
Stromes
umfasst
ungefähr
1 165 500 Quadratkilometer. Die durchschnittliche Abflussmenge beträgt etwa
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30 Millionen Liter pro Sekunde, wobei der Hauptteil dieser Menge aus
Schmelzwasser besteht. Der Orinoco ist auf einer Länge von etwa 420 Kilometern für
Hochseeschiffe befahrbar, von der Mündung bis zur Stadt Ciudad Bolívar, dem
wichtigsten Handels- und Verarbeitungszentrum des Orinocobeckens. Für kleinere
Schiffe ist der Fluss etwa 1 600 Kilometer schiffbar.
1.2.1.1.2 Schwarzwasserfluss
Schwarzwasserflüsse führen klares Wasser, das jedoch braun gefärbt ist. In ihnen entfaltes
sich wegen des hohen Säuregrades kaum pflanzliches oder tierisches Leben.
Im Unterschied zu den Weißwasserflüssen entspringen Schwarzwasserflüsse in oft
anmoorigen Regionen auf kristallinen Untergründen. Dadurch besitzen sie - wenn überhaupt
- eine eher durch gröbere Quarz- und Gruspartikel gebildete Sedimentfracht. Bestimmend
für ihre in Schrägsicht tiefschwarz erscheinende Oberfläche - in Wahrheit ist das Wasser
braun, aber völlig klar - ist die Sättigung mit Humussäuren, die aus den Hochmooren
stammen, die sich im Quellbereich auf den Hochmooren der alten Schilde ausgebildet
haben. Die meisten Schwarzwasserflüsse entspringen also im Guayanabergland und
strömen dem Río Orinoco oder dem Rio Amazonas zu. Der bekannteste ist der Rio Negro,
dessen Bezeichnung namengebend für diesen Flusstyp ist. Der Nährstoffgehalt tendiert in
diesen Flüssen gegen Null, da nicht nur die nährstoffreichen Sedimente fehlen, sondern
auch die Humussäuren zusätzlich alles Leben abtöten.
1.2.1.1.2.1 Rio Negro
Der Rio Negro ist einer der wichtigen und wohl auch bekanntesten Nebenflüsse des
Amazonas. Er entspringt als Río Guainía im Südosten von Kolumbien, fließt zuerst nach
Osten, wobei er einen Teil der Grenze zwischen Kolumbien und Venezuela bildet, dann
in südlicher Richtung nach Brasilien und schließlich nach Südosten, bis er nach etwa
2 250 Kilometern bei Manaus in den Amazonas mündet. Auf brasilianischem Gebiet
verästelt er sich in viele Arme (Überschwemmungsgebiete). Seine größten Nebenflüsse
sind der Uaupés und Rio Branco. Der Brazo Casiquiare (Bifurkation) verbindet den Rio
Negro mit dem Orinoco. Der Fluss erhielt seinen Namen aufgrund seines schwarzen,
durch Humussäuren gefärbten klaren Wassers. Das schwarze Wasser des Río Negro kann
noch viele Kilometer nach der Einmündung in den Amazonas von dessen milchigen
Fluten unterschieden werden.
1.2.1.1.3 Klarwasserfluss
Nicht alle Flüsse, die in kristallinen Gebirgen entspringen, nehmen Humussäuren auf und
werden somit zu Schwarzwasserflüssen. Ihnen fehlt somit einerseits die tonige, braun-weiße
Trübe der Weißwasserflüsse, aber auch die schwarz-braune Durchfärbung des
Schwarzwassers. Im Unterschied dazu ist ihr Wasser völlig klar und farblos. Der Rio San
Francisco und seine Nebenflüsse sind die bekanntesten Klarwasserflüsse. Ähnlich den
Schwarzwasserflüssen ist auch ihr Nährstoffgehalt sehr gering.
1.2.1.1.3.1 Sao Francisco
Der Rio São Francisco ist mit 2897 km Länge der fünftgrößte Strom Südamerikas und
liegt in ganz Lateinamerika an sechster Stelle. Er entspringt in der Serra da Canastra im
brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais und mündet nördlich von Aracaju in den
Atlantischen Ozean. Er entwässert eien Fläche von 551.410 km², ist im Mittellauf auf
einer Länge von 1368 km schiffbar und wird auch zur Energiegewinnung genutzt:
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Kraftwerke befinden sich an den Staudämmen Três Marias (500 MW), Sobradinho (1050
MW), an den 84 m hohen Wasserfällen Cachoeira de Paulo Afonso (2 900 MW) sowie
Moxotó (400 MW) und Itaparica (2500 MW). Am Unterlauf wird die Schifffahrt durch
Stromschnellen und Wasserfälle behindert. Es sind vor allem seine industriell nicht
verschmutzten Nebenflüsse aus dem Brasilianischen Bergland, die ihm überaus klares
Wasser zuführen und dem Typus der Klarwasserflüsse entsprechen.
1.2.1.1.4 Karstflüsse
Besteht das Sediment aus Kalk, ist das Wasser oft türkisblau gefärbt. Kommt es in solchen
Flüssen, deren Wasser mit Kalk gesättigt ist, zu Stufen im Längsprofil und somit zur
Ausbildung von Wasserfällen und Stromschnellen, so können sich dort herrliche
Versinterungen (Kalkausfällungen) bilden. Diese führen dann zur Ausbildung von kleinen
und größeren Becken, deren Rand sich allmählich hebt, weil dort die Kalkausfällung
besonders intensiv ist. Aqua Azul in Chiapas oder die Becken des Río Tulijá bei Palenque
sind solche Bildungen.
1.2.1.2 Entwässerungsregionen
Nach der Entwässerungsart ihrer Einzugs- und Durchzugsbereiche lassen sich auch in
Südamerika verschiedene Flusstypen identifizieren:
Flüsse, die in humiden Regionen entspringen, auf dem Weg durch aride Landschaften ihr
Wasser verlieren oder in einen Endsee münden, werden als endoreisch bezeichnet. Solche
Flüsse sind z.B. der Río Pilocomayo oder der Río Dulce in Argentinien, die sich in
abflusslose Endseen ergießen.Der Río Dulce ensteht aus der Vereinigung mehrerer Flüsse, die
von den feuchten Osthängen der Sierra de Anconquija herabkommen. In vielen Windungen
durchzieht er die südliche Chaco-Ebene. Obwohl seine Quellen in einem der regenreichsten
Gebirge Argentiniens liegen, verliert der Río Dulce so viel Wasser durch Verdunstung und
Versickerung (und seit dem 20. Jh. auch durch Bewässerung), daß er nur zeitweise das Mar
Chiquita, einen der großen Salzseen des argentinischen Interior erreicht.
Allein in Argentinien hat eine Fläche von der dreifachen Größe Frankreichs keinen Abfluss
zum Meer! Solche Regionen werden auch als Gebiete der Binnenentwässerung (oder:
abflusslose Gebiete) bezeichnet.Hauptgebiete dieser Binnenentwässerung sind der zentrale
Teil des paraguayischen Chaco, der Streifen zwischen Pilcomayo und Bermejo, das Gebiet
zwischen Bermejo und dem nördlichen Río Salado, das große zusammenhängende Gebiet der
Puna und des bolivianischen Altiplano, der Großteil der Pampinen Sierren Argentiniens (mit
Ausnahme der Einzugsbereiche von Río Tercero, Río Cuarto), die Pampa bis dicht an den Río
Colorado und das Gebiet zwischen Río Negro und Río Senguerr (mit Ausnahme des
Fremdlingsflusses Río Chubut).
Flüsse, deren Quellen im ariden Gebiet liegen und dieses auch nicht verlassen, werden als
areische Gewässer benannt. Der längste Fluss Chiles, der Río Loa, gespeist aus den
Schmelzwässern von Andengletschern in extrem ariden Gebiet ist ein solcher Fluss. Andere
Fließgewässer entspringen zwar in humiden Regionen und münden auch in solchen,
durchqueren auf ihrem Lauf aber aride Gebiete und erleiden dabei nicht selten große
Wasserverluste. Dies sind diareische Gewässer. Da ihre Existenz in den Trockengebieten
nicht aus den dort herrschenden klimatischen Bedingungen erklärt werden kann, werden sie
auch auch Fremdlingsflüsse (auch: allochthone Flüsse) bezeichnet. Die Flussoasen des
Kleinen Nordens Chile, aber auch alle Flüsse Ostpatagoniens sind derartige Fremdlingsflüsse.
Sie entspringen in der regenreichen Kordillere, erhalten aber auf ihrem Weg durch das
trockene Steppenland des Kleinen Nordens bzw. der patagonischen Pampa keine Zuflüsse
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mehr. Ihre Wasserführung hängt allein von den Regen- und Schneefällen in den Anden ab.
Verglichen mit ihrer Lauflänge erscheint ihr Einzugsbereich daher klein. Die kastenförmig
eingesnkten Täler sind im Mittel- und Unterlauf breit, die Flussbetten gewunden und mit
Kies- und Sandbänken durchsetzt. Sie sind für die Flussschiffahrt unbrauchbar. Eiszeitliche
Terrassen bieten jedoch hervorragende Möglichkeiten für die Anlage von
Bewässerungskulturen, während die Flussaue selbst allenfalls für Weidezwecke nutzbar ist.
Autochthone Flüsse dagegen fließen in humid-semihumiden Großregionen, die den
Nachschub von Wasser gewährleisten. Die drei großen Stromsysteme Südamerikas gehören
diesem Typus an.
In aller Regel (Ausnahme: Karstregionen) sind die autochthone Flüsse perennierend (
Abflußregime), d.h. durch ihr Bett strömt ständig und während des ganzes Jahres Wasser.
Die endoreischen und diareischen Flüsse können durchaus auch periodisch sein d.h. dass sie
regelmäßig - etwa in der trockensten Jahreszeit - ihre Wasserführung völlig verlieren.
Areische Flüsse sind sogar zuweilen episodisch, d.h. dass sie nur nach Regenereignissen
Wasser führen (z.B. Wadis).
1.2.1.2.1 Abflussregime
Unter Abflußregime versteht man den charakteristischen Ganz des Abflusses eines
Gewässers, der durch die Milieufaktoren Klima, Relief, Vegetation und durch den
hydrogeologischen Aufbau eines Gebietes gesteuert wird. Das Klima ist hierbei der
wichtigste Einflußfaktor.
Nach ihrer Wasserführung lassen sich Flüsse in drei Klassen einteilen:
1. Flüsse mit ganzjährigem Abfluß (= perennierende oder ausdauernde Flüsse). Ihr
Verbreitungsgebiet sind die Tropen im Bereich der Regenwälder und Feuchtsavannen und
humiden Außertropen.
2. Flüsse, die mindestens einen Monat im Jahr trocken fallen. Diese periodisch
wasserführenden Flüssen finden sich in wechselfeuchten Klimaten (Trocken- und
Dornsavanne, Steppenklima). Ihr Vorkommen hängt neben der klimatischen Trockenheit
auch von der Grundwasserspeicherung ab. Nordmexiko, Nordwestargentinien und
Patagonien kennen derartige Fließgewässer.
3. Flüsse, die nur selten und unregelmäßig Wasser führen. Diese episodisch
wasserführenden Gerinne, auch Trockenflüsse genannt, sind in extremen Trockengebieten,
in denen im Ablauf mehrerer Jahre nur gelegentlich Niederschlag fällt, anzutreffen. In den
Küstenwüsten Chiles und Perus, in den Pampinen Sierren oder in Baja California finden
sich solche Wadis.
Aber auch die perennierenden Fließgewässer weisen in der Regel im Jahreslauf eine
wechselnde Wasserführung auf. Je nach der Ausdehnung und Lage des hydrographischen
Einzugsbereichs eines Flußsystems kann das Abflußregime einfach oder komplex sein. Von
einem einfachen Regime sprechen wir, wenn nur ein Einflußfaktor wirksam wird, komplex
dagegen ist ein Regime, wenn im gesamten hydrographischen System unterschiedliche
Faktoren zu verschiedenen Zeiten wirksam sind.
Sind Regenzeiten für die wechselnde Wasserführung verantwortlich, sprechen wir von
einem pluvialen Abflußregime (Hochwasser während der Regenzeit[en], Niedrigwasser
während der Trockenzeit[en]). Die Ströme der Guayana-Länder gehorchen z.B. diesem
Abflußgang, sie sind relativ kurz, ihr gesamtes System unterliegt daher dem Einfluß der
Regenzeit, die den ganzen Einzugsbereich etwa gleichzeitig erfaßt. Sie haben daher eine
einfaches pluviales Abflußregime. Amazonas und Orinoco dagegen haben komplexe
pluviale Regime, da ihre Quell- und Zubringerflüsse aus Regionen stammen, in denen die
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Regenzeit zu unterschiedlichen Zeiten einsetzt. Sie beginnt im Süden, so dass die von dort
einströmenden Flüsse dem Amazonas eine erstes Hochwasser im Februar/März bescheren.
Im August erreicht der Regen die nördlichen Zubringerflüsse, die dann dem Amazonas
neuerlich einen Wasserhochstand bringen.
In den Hochgebirgen bzw. bei Flüssen, die unterhalb der vergletscherten Gipfelregion
entspringen, herrscht dagegen ein nivales Abflußregime. Dies ist z.B. bei den Flüssen
Zentralchiles oder Westpatagoniens der Fall. Ist die Abflußganglinie fast ausschließlich
vom Schmelzwasseranfall bestimmt, sprechen wir von einem glazialen Regime, das immer
dann gegeben ist, wenn das Einzugsgebiet ganzjährig zu 15-20 % von Schnee bedeckt ist.
Dies ist in Lateinamerika nur in einem einzigen Fall gegeben, dem Oberlauf des Río Baker
in der südchilenischen Provinz Aisén, darüber hinaus nur auf der antarktischen Halbinsel.
Bei den nivalen Regimen der winterkalten Tief- und Bergländer überlagen sich bereits
Niederschlag und Schmelzwasseranfall, freilich bei Dominanz der Schneeschmelze. Im
Etesienklima (Winterregen) fallen Schneeschmelze und Regenzeit auseinander, dort finden
wir also komplexe Abflüsse mit Maxima im Sommer und Winter. Da die Flüsse in diesen
Zeiten reichlich Wasser führen, in den Übergangsjahreszeiten aber nahezu versiegen, bilden
sie breite schotterbedeckte Talauen (sog. Torrenten), in denen sie über lange Strecken des
Jahres zu verschwinden scheinen.
Vor allem nivale Regime gehen im Mittel- und Unterlauf häufig in Retentionsregime (von
lat.: retendere - zurückhalten) über. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Fluß beim
Austritt des Gebirges in einen See (oft Zungenbeckensee) mündet. Da der Abfluß des Sees
relativ gleichmäßig Wasser abgibt, verschwinden die Charakteristik des nivalen Typs
unterhalb des Sees, der wir ein Ausgleichspuffer wirkt. Für die Bewässerung schafft ein
solches Retentionsregime die besten Voraussetzungen.
1.2.1.3 Täler im Längs- und Querprofil
Täler werden vor allem nach ihrem Querprofil unterschieden (Talformen). Dieses ist abhängig
von Abtragung und Transport und diese hängen von der Reliefenergie, von den klimatischen
- und vor allem klimageomorphologischen - Bedingungen und vom Abflußregime ab. Bei
hoher Reliefenergie überwiegt die Tiefenerosion, es bilden sich tief eingeschnittene
Kerbtäler (V-Täler). Sie sind in der chilenischen Küstenkordillere oder den pampinen
Sierren Argentiniens zu bewundern.
Wurden solche Täler glazial überformt, sind sie zu Trögen (U-Täler) umgewandelt worden.
Lehrbuchhafte Trogtäler weist die chilenisch-argentinische Hochkordillere auf, aber auch die
Patagonische Kordillere. Stufen, die für das glaziale Relief typisch sind, werden mit
Klammen durchschnitten. Eine solche Klamm ist ein Tal mit senkrechten Wänden, das keine
Talsohle ausbilden kann, weil es ausschließlich in die Tiefe erodiert. Sie sind in den Anden
oder den mittelamerikanischen Kordilleren weniger häufig anzutreffen als in den Alpen, weil
das Eisstromnetz dort weniger flächenhaft ausgebildet war. Wirklich schöne Klammen finden
sich daher nur in der Südkordillere.
Formal ähnlich den Klammen sind die Canyons, die freilich nicht glazialer Entstehung sind.
Mit dem Colca-Cañon in Peru hat Lateinamerika den tiefsten Canyon der Welt aufzuweisen.
Canyons entstehen, wenn Flüsse Gelände- oder Gebirgsschwellen durchschneiden und dabei
so mit der Tiefenerosion in Anspruch genommen sind, dass sie keine Lateralerosionskraft
besitzen und keine Auen ausbilden können.
Sehr charakteristisch für große Teile Lateinamerikas - insbesondere die tropischen - sind die
Muldentäler und Flachmuldentäler, in denen die Flüsse z.T. Dammufer bilden. Sie sind
typische Formen exzessiver Talbildung auf tiefgründig verwitterten tropischen Oberflächen.
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Für das Längsprofil aller Täler gilt zunächst die Idealform des Abflusses in Form einer
Parabel mit steilem Oberlauf und flachem Unterlauf. Jedes Fließgewässer hat die Tendenz,
diese Form zu erreichen, wird jedoch durch Vorformen, Tektonik oder Gesteinsunterschiede
daran gehindert, diese Idealform rasch zu erreichen. Eine solche Vorformung kann die
glaziale Überprägung eines Talsystems sein. Gletscher tendieren dazu, Stufen im
Längsprofil herauszumodellieren. Solche Stufen werden heute vielfach durch Klammen
zerschnitten.
Tektonisch bedingt ist der steile Abfall der brasilianischen Trappdecken zum La-PlataBecken, sind aber auch große Einbrüche intramontaner Becken oder die Herausbildung von
Horsten in den Kordilleren. Im Gebiet der alten Schilde herrscht die für Kratone typische
germanotype Tektonik, d.h. tektonische Spannungen können sich nur im Zerbrechen von
Gesteinsschollen, nicht aber in deren Verbiegung oder Faltung entladen. Dort sind demnach
tektonisch bedingte Reliefstufen sehr häufig anzutreffen.
Auf Gesteinsunterschiede, etwa die Querung eines Tales durch einen Härtlingzug, gehen
weitere Stufen im Längsprofil zurück. In Chile sind solche Härtlinge oft sekundär durch
Kontaktmetamorphose gebildet worden. Überhitzte Gas-Schmelzwasser-Lava-Ströme aus
ausbrechenden Vulkanen (sog. Lahare) haben das anstehende Gestein durch die hohen
Temperaturen so gehärtet, dass es der rückschreitenden Erosion Widerstand entgegensetzt.
Stufen im Längsprofil haben oft die Ausbildung von Wasserfällen und Stromschnellen zur
Folge.
1.2.1.3.1 Wasserfälle und Stromschnellen
In Afrika behinderten die Stromschnellen, die sich am Übergang von der Küstenebene zur
kristallinen afrikanischen Pultscholle gebildet haben, die rasche kolonisatorische
Durchdringung und die frühe Eroberung durch die Europäer. Ganz anders in Lateinamerika,
wo die großen Ströme den Konquistadoren ideale Transportmöglichkeiten boten. Dennoch
hat auch Lateinamerika einige spektakuläre Wasserfälle und Katarakte zu bieten.
1.2.1.4 Die Nutzung der Wasserkraft
Trotz seines beeindruckenden Wasserreichtums ist das hydroelektrische Potential
Lateinamerikas auf wenige Hauptregionen beschränkt. Neben dem Wasserdargebot ist die
Reliefenergie entscheidend, und diese ist nur im Hoch- oder Mittelgebirge und an markanten
Geländestufen oder Flexuren (Verbiegungen der Erdoberfläche) gegeben. Damit scheiden
aride Regionen ebenso für die Gewinnung von Energie aus Wasser aus wie die Regionen
exzessiver Talbildung, d.h. rezenter Rumpfflächenbildung. Wenn dennoch Stammdämme in
schwach reliefierten Flachmuldentälern errichtet werden, wie dies in dem unter extremer
Energieknappheit leidenden Brasilien der Fall ist, werden riesige Flächen überflutet, die
Stromausbeute bleibt dennoch relativ gering.
Wesentlich besser sind die Bedingungen in den nicht vollariden Teilen der Hochkordillere
und am Andenrand, wo große Pumpspeicherwerke angelegt wurden. Wo die Flüsse
ausreichend Wasser transportieren, sind auch Laufkraftwerke möglich. Das größte künstliche
Wasserreservoir zur Stromerzeugung ist der Itaipú-Staudamm im Dreiländereck BrasilienParaguay-Argentinien.
1.2.1.4.1 Itaipú - das weltgrößte Wasserkraftwerk
Der Itaipú-Stausee, dessen Wassermassen die 18 Turbinen des gleichnamigen
Wasserkraftwerks antreiben, liegt an der Grenze von Paraguay und Brasilien, ca. 14 km
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nördlich der "Freundschaftsbrücke", die beide Länder zwischen ihren Städten Foz do Iguaçu
und Ciudad del Este verbindet, und nahe der Grenze zu Argentinien. Nach jahrelangen
Planungen wurde der Staudamm 1982 fertiggestellt. Das Wasserkraftwerk hat eine
Kapazität von 12.600 Megawatt, die mit den 18 Generatoren (a 700 MW) erzeugt werden
kann. Mit der in Itaipú erzeugten Energie werden 95 % des Elektroenergiebedarfs von
Paraguay und 24% des brasilianischen Konsums abgedeckt. Die Baukosten betrugen 20
Mrd. US-Dollar.
Das Staudammprojekt hatte jedoch auch gravierende ökologische und soziale
Folgewirkungen.
6900
Bauernfamilien
mußten
weichen,
weitere
1600
nichtlandwirtschaftliche Gebäude aufgegeben werden. Insgesamt waren in Brasilien 42.400
Bewohner und in Paraguay ca. 25.000 Bewohner von Enteignungen und Umsiedlungen
betroffen. Der Stausee schluckte 800 km² Agrarfläche und 600 km² Waldland. 577 km
Straßen und Wege wurden überflutet und 50 km Eisenbahnstrecke verwanden auf dem
Seegrund.
Heute ist Itaipú sowohl für Ferntouristen aus Übersee (Besichtigung) als auch für
Brasilianer (Wassererholung, Ökomuseum) ein beliebtes Urlaubsziel.
Einige Fakten zu Itaipú
• Die Staudammhöhe von 196 m entspricht einem 65stöckigen Gebäude
• Mit dem verbauten Eisen und Stahl könnte man 380 Eiffeltürme bauen
• Die Leistung entspricht der Leistung von 434.000 Barrel Erdöl/Tag
Der Abtrag von Erde und Gestein betrug das 8,5fache des Eurotunnels zwischen Frankreich
und England.
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1.2.2 Seen in Lateinamerika
Als See bezeichnet man eine wassergefüllte geschlossene Hohlform. Für ihre Entstehung sind
zwei Bedingungen nötig: Die Existenz einer solchen Hohlform und klimatische Verhältnisse,
die ihre Füllung mit Wasser wenigstens während eines Teils des Jahres erlauben
(ausreichende Humidität).
Diese Ausgangsform kann sehr unterschiedlich entstanden sein: Konstruktiv als tektonisches
Einbruchsbecken oder epirogenetisches (d.h. durch Verbiegung entstandenes) Becken, ferner
als vulkanische Form (Kratersee, Maar) oder vulkanogene Einbruchsform (Calderasee),
destruktiv (d.h. durch Abtragungsvorgänge gestaltet) durch Glazialerosion als Kar-,
Zungenbecken-, Trogtal- oder Rinnensee, aber auch als Toteissee oder Söll, durch Deflation
(Ausblasung) oder Karstmorphologie (Poljesee), schließlich auch obstruktiv (abgedämmt)
durch Stau (hinter Schwemmfächern, Lavaströmen, Bergstürzen, Dammufern [Umlaufsee,
Várzeasee], Strandwällen). Ferner gibt es auch anthropogene, d.h. durch Menschen
geschaffene, wassergefüllte Hohlformen, wie etwa Stauseen oder Seen in Hohlformen, die
durch Einsturz von Schächten und Stollen entstanden sind.
Seen treten häufig in Gruppen auf und bilden dann Seenregionen. In Lateinamerika sind es
die Andenrandseen in Südchile und Südargentinien, die Altiplanoseen in Bolivien oder die
Hochgebirgsseen der Cordillera Blanca in Peru, die sämtlich glazigener Entstehung sind, aber
auch die vulkanogenen Krater- und Calderaseen in den Vulkanregionen der Hochkordillere.
Zu unterscheiden sind schließlich die Süßwasser- und die Salzseen. Der Salzgehalt des
Wassers hängt in starkem Maße von der Verdunstung ab, die in ariden Klimaten besonders
hoch ist. Wenn ein im ariden Klima gelegener See über einen Abfluß verfügt, muß er nicht
unbedingt versalzen. So erfreut sich die um den Titicacasee lebende Bevölkerung eines
großen Süßwasserreservoirs, das für Ernährung, Bewässerung und Fischfang benutzt werden
kann. Endseen dagegen sind immer auch Salzseen, so der Poopósee in Bolivien, in den der
Titicacasee entwässert. Dort verdunstet das Wasser, die Salze fallen aus und bilden
schließlich Krusten. Wo dieser Vorgang lange anhält und kein kontinuierlicher Zufluß erfolgt,
bilden sich schließlich Salare (Salzpfannen). Die eindrucksvollsten und größten Salare
Südamerikas sind der Salar de Atacama in Nordchile und die Salare Uyuli und Coipasa in
Bolivien.
Die größten natürlichen Seen Lateinamerikas sind
Titicacasee
8.300 km²
Bolivien
Nicaraguasee
8.000 km²
Nicaragua
Poopósee
2.800 km²
Bolivien
Lago General Carrera/Buenos Aires
2.240 km²
Chile/Argentinien
Argentinosee
1.415 km²
Argentinien
Managuasee
1.050 km²
Nicaragua
Lago Colhué Huapi max. 803 km²
Argentinien: Patagonien
Lago Llanquihue
740 km²
Chile
Lago Nahuel Huapi 550 km²
Argentinien
1.2.2.1 Konstruktiv gebildete Seen
Als konstruktiv gebildete Seen bezeichnet man wassergefüllte Hohlformen, die durch
tektonische Einbruchsvorgänge oder epirogenetische Verbiegungen, aber auch solche, die
durch Vulkanismus entstanden sind.
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1.2.2.1.1 Tektogene Seen
Nicht nur die alten Schilde (Guayana- und Brasilianisches Bergland, Patagonischer Schild)
sind durch Bruchtektonik charakterisiert, auch jene Teile der Anden, in denen alt- und
jungkristalline Gesteine den Untergrund bilden. Zu diesen zählen die Granite, die in den
Südanden einen riesigen Batholithen (d.h. einen aufgedrungenen magmatischen Komplex,
der langsam abkühlte) bilden, in den zentralen Anden nicht nur in batholithischer Form,
sondern auch als Lakkolithe (d.h. in das Nachbargestein eingedrungene magmatische
Masse) ausgebildet sein können. Auch der junges magmatisches Gestein, das bei nicht
allzuschneller Abkühlung Andesite und Basalte hervorbringt, ist nicht faltbar und zerbricht
daher bei tektonischer Beanspruchung. Dies ist der Grund, warum bei einem im Prinzip
alpinotypen Gebirge wie den Anden Formen der Bruchtektonik ebenso häufig und z.T.
sogar häufiger angetroffen werden, als Faltungsformen. Intramontane Becken - das
bekannteste ist natürlich der bolivianische Altiplano mit dem Titicacasee - sind daher
außerordentlich häufig und werden oft von Seen oder Salaren eingenommen. Zu diesen
zählen der Nicaragua-See, der Titicaca- und Poopó-See, die Salare von Uyuní und Atacama,
aber z.B. auch der Maracaibo-See, der im strengen Sinn kein See ist, sondern eine
Meeresbucht.
1.2.2.1.1.1 Der Titicacasee
Der beiderseits der Grenze zwischen Peru und Bolivien gelegene Titicacasee ist mit
einer Gesamtfläche von ca. 8300 km2. der größter Hochlandsee der Erde und zugleich der
größte See Südamerikas. Mit einer Höhe von 3812m über dem Meeresspiegel ist er auch
der höchstgelegene schiffbare See der Erde. Seine Länge beträgt je nach Wasserstand bis
zu 196 km. Im Mittel ist er 56 km breit und maximal 281m tief. Im See liegen zahlreiche
großenteils bewohnte Inseln, darüber hinaus hat das Fischervolk der Uro künstliche, aus
Schilfgras aufgeschichtete "Inseln" angelegt, auf denen sie in Hütten aus Schilfmatten
wohnen und den See mit Schilfbooten befahren. Der Altiplanosee wird durch den
Desaguadero in den Poopó-See entwässert und hat bildet daher ein riesiges
Süßwasserreservoir. Seine enorme Wasserfläche hat zudem mikroklimatischen Einfluß
und verringert die nächtliche Auskühlung.
Diese Gunstfaktoren sind möglicherweise mitverantwortlich für die Entstehung der
Kultur von Tiahuanaco, einst am Seeufer gelegen, heute aber durch Verlandungsprozesse
davon getrennt.
1.2.2.1.2 Vulkanogene Seen
Während die Skulpturkräfte der Erde (Verwitterung, Abtragung und Akkumulation) die
Tendenz haben, die Erdoberfläche auszugleichen, sind die Strukturkräfte (Tektonik,
Vulkanismus) für die Akzentuierung des Reliefs verantwortlich. Der Vulkanismus bringt
dabei nicht nur zahlreiche Vollformen (z.B. Schicht- und Schildvulkane, Kryptovulkane,
Lavaströme etc.) hervor, sondern auch Hohlformen, wie Krater und Calderen. In humiden
Klimaten füllen sich diese mit Wasser und bilden vulkanogene Seen. Sekundär vulkanischer
Entstehung sind freilich auch die von Lavaströmen aufgestauten Seen, die systematisch den
obstruktiv gebildeten zugerechnet werden.
1.2.2.1.2.1 Der Atitlánsee
Der Atitlánsee (Lago de Atitlán) liegt 1ÿ562ÿm über dem Meeresspiegel im zentralen
Hochland Südwestguatemalas. Er hat eine Fläche von 126 km2, erreicht eine maximale
Tiefe von 384ÿm tief. Der See wird umringt von Vulkanen, darunter der gleichnamige
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und mit 3537 m höchste Volcán Atitlán. Weitere Vulkane, deren Lavaströme das
geschlossene Seebecken formen, sind der San Pedro und der Toliman.
1.2.2.2 Destruktiv gebildete Seen
Destruktiv gebildete Seen entstehen durch Abtragungsvorgänge, sind also im Unterschied zu
den konstruktiven keine (endogen verursachten) Struktur-, sondern (exogen gestaltete)
Skulpturformen. Kräfte, die zu ihrer Ausformung führen, sind Eis, Wind und Korrasion
(chemische Lösung von Gestein). Die ausschürfende Kraft des Eises schafft in der
Gipfelregion der Gebirge Kare, die nach Abschmelzen von Schnee und Eis mit Wasser gefüllt
werden und Karseen bilden. In den Zentralanden, aber auch in den Nordanden und den
mittelamerikanischen Kordilleren sind solche Seen auf die höchsten Gipfelregionen
beschränkt, in den Südanden reichen sie dagegen bis 800 m Meereshöhe hinunter. In den
Trogtälern können sich vor Längsstufen der Täler Trogtalseen bilden, auch diese sind aber
wie die Zungenbeckenseen im Gebirgsvorland auf die südlichen Anden beschränkt. In
Patagonien finden sich auch Hohlformen, die als Toteislöcher und Sölle gedeutet werden
können.
Viele der dortigen Hohlformen - sie sind freilich nicht immer auch wassergefüllt - sind jedoch
durch Deflation, d.h. die ausblasende Kraft des Windes, entstanden. Sie sind daher als
Deflationswannen zu bezeichnen.
Für den mediterranen Karst sind Poljen, große Hohlformen mit tischebenem Grund,
charakteristisch, die periodisch oder episodisch mit Wasser gefüllt sind. Sie werden dann als
Poljeseen bezeichnet. In dieser Form sind sie in Lateinamerika unbekannt, weil dort der Karst
vor allem als tropischer Vollformenkarst ausgebildet ist. Einzig die Halbinsel Yucatán hat wie manche aus Kalk aufgebaute Karibikinseln - wegen ihres nach Norden immer arider
werdenden Klimas durchaus mediterrane Karstformen aufzuweisen. Auch darin finden sich
Seen in oft kreisrunden Hohlformen, den sog. Cenotes, die als auf den Karstwasserspiegel
hinabreichende Dolinen und Polje zu erklären sind.
1.2.2.2.1 Glaziale Seen
Das sog. Neumaiersche Prinzip, wonach sich Stoffe unterschiedlicher Dichte in Form von
Wellen übereinander bewegen, und die spezifische Physik der Eisbewegung in
Großschollen bringen in enger Zusammenarbeit nicht nur gestufte Längsprofile der Täler
hervor, sondern auch die verschiedensten Hohlformen. Für die Entstehung von Karen (und
späteren Karseen) kommt noch die starke physikalische Verwitterung (Forstsprengung) an
der sog. Schwarz-Weiß-Grenze zwischen (dunklem) Feld und (weißem) Firn hinzu, die die
Ränder der Hohlform erweitert und damit ihr Volumen vergrößert. Bei den
Zungenbeckenseen wirkt dagegen die Akkumulation des vom Gletscher transportierten
Materials mit. Dieses wird als Endmoränen vor der Gletscherzunge aufgewölbt und bildet
einen natürlich Damm gegen den freien Abfluß der Schmelzwässer, die sich - ist die
Gletscherzunge erst einmal abgetaut - hinter den Endmoränen als länglich ausgeformte Seen
stauen. So hat der Zungenbeckensee auch obstruktive Ursachen, da aber in erster Linie die
glaziale Übertiefung für die Hohlformbildung verantwortlich ist und sich somit auch ohne
Endmoränen eine Wasserfläche bilden würde, gehört er dennoch zum Typus der destruktiv
gebildeten Seen.
1.2.2.2.1.1 Lago Argentino
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Der Lago Argentino (Argentinosee) ist mit 1415 km² Fläche der zweitgrößte der
patagonischen Zungenbeckenseen. Er weist mehrere schmale Arme auf, die durch
natürliche Kanäle miteinander verbunden sind. In einen dieser Kanäle mündet der vom
Südlichen Patagonischen Inlandeis abkommende Morenogletscher (ca. 30 km lang, ca. 5
km breit), der bei seinen häufigen Vorstößen den Kanal überfährt und das Wasser des mit
Zufluß versehenen Seeteils anstaut. Dieses wiederum läßt die Gletscherzunge im Laufe
von einigen Monaten abschmelzen, worauf sich dann plötzlich das angestaute Seewasser
der einen Seehälfte in die andere ergißt.
Der See liegt im 6.000 km² großen Nationalpark Los Glaciares, der in die UNESCOWeltnaturerbeliste aufgenommen ist.
1.2.2.3 Obstruktiv gebildete Seen
Obstruktiv entstanden sind solche Seen, die durch natürliche Dammbildung (Dammufer,
Umlaufsee) oder durch stauende Wirkungen von vulkanischen Ergüssen, Ablagerungern von
Massenversatz (Bergsturzmasse, Murschuttkegel), fluviatiler Sedimente (Schwemmfächer)
oder schließlich auch marin oder/und äolisch verfrachteter Sedimente (Strandwall,
Dünenwall) entstanden sind.
Viele Seen in Lateinamerika gehören diesem Typus an.
1.2.2.3.1 Strandsee
An Ausgleichsküsten kann es zur Ausbildung kleinerer und größerer Strandseen kommen.
Sie können auf unterschiedliche Weise entstanden sein. Zum Teil handelt es sich um durch
Strand- oder Dünenwälle abgeschnürte ehemalige Flussmündungen, das Wasser dieser
(kleineren) Flüsse sickert durch den Sand der Strandwälle und hat damit einen natürlichen
Abfluß. Solche Strandseen werden auch als Limane bezeichnet. Strandseen können sich
aber auch durch Abschnürung von Meeresbuchten durch Haken und Nehrungen bilden.
Hat ein solcher Strandsee noch einen Ausgang zum Meer, wird er als Haff bezeichnet.
Schließlich finden sich kleinere, langgestreckte, oft temporäre Strandseen inmitten
paralleler Dünenwälle. Aus Norddeutschland geläufig, in Lateinamerika jedoch unbekannt
sind die Noore, die im hintersten Teil der Förden durch Strandversatz abgeschnürt werden.
An den lateinamerikanischen Flachküsten finden sich zahlreiche Strandseen. Nahezu die
gesamte mexikanische Küste zum Golf hin wird durch sie charakterisiert. Aber auch an der
zentralamerikanischen Karibikküste und der südbrasilianischen Küsten finden sich
Strandseen und die ihnen zugeordneten Dünen- und Strandwälle. Dort wo Steilküsten
herrschen, können sich naturgemäß keine Strandseen bilden, so dass die südamerikanische
Pazifikküste und die Küste vor der brasilianischen Serra do Mar frei davon sind.
1.2.2.3.2 Natürliche Stauseen
Im vulkanischen Relief sind Aufstauungen durch Lavaströme und Basaltrücken
außerordentlich häufig. Aber auch im Hochgebirge, wo es auf übersteilten Hängen bei
großer Durchfeuchtung jederzeit zu spontanen Massenversätzen kommen kann (Bergsturz,
Hangrutsch), werden dadurch immer wieder Seen aufgestaut. Dabei kann es durchaus zu
Katastrophen kommen, wenn nämlich der frischgebildete Wall dem Wasserdruck des sich
aufstauenden Sees nicht standhalten kann und sich plötzlich gewaltige Wassermassen in die
talwärts gelegenen Regionen ergießen.
1.2.2.3.2.1 Lago San Pablo/Ecuador
19
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Der auf 2.660 m Meereshöhe im nördlichen Ecuador unterhalb des Vulkans Imbabura
(4.100 m) gelegene San Pablo See (1,8 km² Wasserfläche) ist vulkanischer Entstehung.
Nördlich des Sees hat ein Lavastrom die natürliche Entwässerung des Tales nach Norden
versperrt und damit die Hohlform geschaffen, die der See heute nur noch teilweise
einnimmt. Im Laufe der Zeit hat sich der Río Jatunyacu, der ihn entwässert, ein
Überlaufdurchbruchstal (sog. Kluse) geschaffen und mit seiner allmählichen
Tieferschaltung allmählich den Seespiegel auf sein heutiges Niveau gesenkt. Weitläufige,
mit dem Schilfgras Totora bedeckte tischebene Flächen belegen den
Verlandungsvorgang.
1.2.2.3.3 Umlauf- und Várzea-Seen
Fluviatile Akkumulation kann zur Abschnürung von wassergefüllten Hohlformen, also
Seen, führen. So haben sich zwischen den natürlichen Flussdämmen des Amazonas und
dem Steilufer der Terra Firme in der Flussaue (Várzea) die sog. Várzea Seen gebildet.
Wenn derartige Dammuferflüsse mäandrieren und dabei häufiger ihr Bett verlagern, können
durch Einschnürung der Altarme durch neue und alte Uferdämme sogenannte Umlaufseen
entstehen.
1.2.2.3.3.1 Die Umlaufseen am Paraguay und im Pantanal
In Umland von Asunción befinden sich im Talbereich des Río Paraguay und des Río
Tebicuary zahlreiche kleinere und größere Seen, von gleicher Art und Genese, wie sie
auch im Großen Pantanal von Mato Grosso in Brasilien zu finden sind. Einige sind
gerundet, andere langgestreckt oder mäanderförmig gewunden. Es sind Teile alter Läufe
des Río Paraguay, der sich im Laufe der Zeit nach Westen verlagert hat. Vom Flugzeug
aus ist dieses Phänomen besonders gut zu beobachten . In mächtigen Schlingen ziehen
die Hauptströme durch das flache Grasland. Fächerförmige Anwachsstreifen und
miteinander abwechselnde Bänder heller und dunkler Böden zeigen, dass der Fluss
beständig sein Bett verlegt. Auch die kleineren Flüsse suchen sich mäandrierend den
Weg durch das menschenleere Sumpfland. Ihr trübes Wasser hebt sich deutlich von den
klaren Altwässern in den durch Uferdämmer abgeschnürten toten Mäandern ab. Diese
bezeichnet man daher als Dammuferseen oder auch Umlaufseen.
1.3 Unterirdisches Wasser
Mit dem unterirdischen Wasser beschäftigt sich vor allem die Hydrogeologie, aber natürlich
auch die Hydrogeographie. Das unterirdische Wasser kann man zwei Grundtypen zuordnen:
1. Bodenwasser im vadosen Bereich (ungesättigte Zone). In diesem Bereich sind nicht alle
Hohlräume voll mit Wasser gefüllt. Die Wasserbewegung wird neben der
Schwerebeschleunigung auch vom Matrixpotential der Bodenpartikel und vom sog.
osmotischen Potential der Pflanzen bestimmt.
2. Grundwasser im phreatischen Bereich (gesättigte Zone). Dabei sind alle Hohlräume des
Untergrundes wassererfüllt und die Wasserbewegung folgt allein dem Schweregradienten.
Darüberhinaus kann das Wasser im Untergrund auch in gefrorenem Zustand als Bodeneis
vorkommen, und zwar jahreszeitlich wechselnd oder vieljährig im Permafrostbereich.
Permafrostböden sind in Lateinamerika freilich auf höchste Gebirgsregionen beschränkt und
treten nur inselhaft auf.
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1.3.1 Bodenwasserbewegung
Für die agrarische Produktivität ist das Vorhandensein von ausreichend Feuchtigkeit
Grundbedingung. Diese kann durch atmosphärisch in Form von Niederschlägen abgegeben
werden oder auch durch den Boden zur Verfügung gestellt werden. Ausschlaggebend dafür ist
die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens, aber auch seine Fähigkeit zum vertikalen
Wassertransport. Die Wasserspeicherkapazität hängt von der Körnigkeit und dem
Porenvolumen, aber auch vom Bodentyp ab. Die Ausbildung eines abwärts
(Bodenwasserdeszendenz)
oder
aufwärts
(Bodenwasseraszendenz)
gerichteten
Bodenwasserbewegung ist dagegen klimatisch determiniert. In ariden Klimaten kommt es
zum kapillaren Aufstieg des Bodenwassers, das an der Oberfläche verdunstet. Die
mitgeführten, im Wasser gelösten Minerale und Salze fallen dabei aus und bilden im Laufe
der Zeit Krusten. Durch ständiges Eggen kann der kapillare Aufstieg oberflächennah
unterbunden werden und das Bodenwasser im Boden belassen werden. Auf dieser Erkenntnis
beruht die Technik des "dry farming", mit dessen Hilfe das Niederschlagswasser von zwei
oder drei Jahren im Boden gespeichert wird, bis es für eine Vegetationsperiode und Ernte
ausreicht (so etwa jenseits der agraren Trockengrenze im Chaco). Reicht der
Jahresniederschlag aus oder wird bewässert, wird in Feldbau mit dem Hakenpflug betrieben,
der die Ackerkrume lockert, aber nicht wendet. Das mit aufsteigendem Bodenwasser
mitgeführte Salz stellt vor allem für die Bewässerung ein großes Problem dar. Um die
Versalzung (und in weiterer Folge die Versumpfung) zu verhindert, muß das Wasser wieder
abgeführt werden, um das Salz zu entfernen und den Grundwasserhorizont nicht anzuheben.
Deswegen gehört zu einer nachhaltigen Bewässerung auch immer die Entwässerung.
Im vollhumiden Klima herrscht dagegen eine abwärts gerichtete Bodenwasserbewegung. Die
wertvollen Minerale werden
nach unten transportiert
und
können dort
Anreicherungshorizonte (Lessivierung) bilden. Um den ausgespülten Oberboden wieder mit
Mineralen anzureichern, wird hier mit dem Scharpflug die Ackerscholle gewendet.
Für Savannen- und Steppenklimate ist ein Wechsel der Bodenwasserbewegung je nach
hygrischer Saison typisch.
1.3.2 Grundwasser
Das Grundwasser bewegt sich im Grundwasserleiter (Aquifer). Oft ist dies der gesamte
Schotterkörper des Tales, also nicht nur der Flussaue, sondern auch der Schotterterrassen.
Grundwasser erfüllt aber auch die Poren, Klüfte und Bänke von (wasserdurchlässigen oder
wasserlöslichen) Locker- und Festgesteinen. Das Grundwasser garantiert den
Niedrigwasserabfluss der Flüsse, sichert die Versorgung der Vegetation und wird vom
Menschen vielfältig genutzt. Dabei ist die Eigenschaft der nur langsamen Vorratsveränderung
ein unschätzbarer Vorteil. Die Anreicherung von Grundwasser im Untergrund in einer
solchen Menge, die, wenn überhaupt, erst nach jahrzehntelanger Übernutzung an
Kapazitätsprobleme stößt, läßt Grundwasser als wertvolle Ressource, ja in vielen Regionen
als Lebensbasis schlechthin erscheinen.
Grundwasser erneuert sich ständig. Es wird dann als vadoses Wasser bezeichnet. Es gibt aber
auch juveniles Wasser, das erstmals aus der Asthenosphäre in den atmosphärischen Kreislauf
eintritt. Auch heute noch wird solches juveniles Wasser bei vulkanischer Aktivität noch
gefördert. Es ist jedoch kein nennenswerter Faktor für die Erneuerung des Grundwassers.
Das Grundwasser bewegt sich im Grundwasserleiter (Aquifer). Oft ist dies der gesamte
Schotterkörper des Tales, also nicht nur der Flussaue, sondern auch der Schotterterrassen.
Grundwasser erfüllt aber auch die Poren, Klüfte und Bänke von (wasserdurchlässigen oder
wasserlöslichen) Locker- und Festgesteinen. Das Grundwasser garantiert den
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Niedrigwasserabfluss der Flüsse, sichert die Versorgung der Vegetation und wird vom
Menschen vielfältig genutzt. Dabei ist die Eigenschaft der nur langsamen Vorratsveränderung
ein unschätzbarer Vorteil. Die Anreicherung von Grundwasser im Untergrund in einer
solchen Menge, die, wenn überhaupt, erst nach jahrzehntelanger Übernutzung an
Kapazitätsprobleme stößt, läßt Grundwasser als wertvolle Ressource, ja in vielen Regionen
als Lebensbasis schlechthin erscheinen.
Grundwasser erneuert sich ständig. Es wird dann als vadoses Wasser bezeichnet. Es gibt aber
auch juveniles Wasser, das erstmals aus der Asthenosphäre in den atmosphärischen Kreislauf
eintritt. Auch heute noch wird solches juveniles Wasser bei vulkanischer Aktivität noch
gefördert. Es ist jedoch kein nennenswerter Faktor für die Erneuerung des Grundwassers.
1.3.3 Quellen und Brunnen
Quellen sind örtlich begrenzte Austrittstellen von Grundwasser an die Oberfläche. Wird das
unterirdische Wasser durch technische Eingriffe erschlossen, spricht man von Brunnen.
Nach der Art der Wasserbewegung unterscheidet man Auslaufquellen (z. B. Schichtquellen),
bei denen die wasserführende Schicht von der Erdoberfläche geschnitten wird und dadurch
zutage tritt, von Steigquellen. Bei diesen steht das Grundwasser unter Druck und steigt meist
in Spalten oder Schichtfugen auf. Ein Sonderfall sind die artesischen Quellen, bei denen das
Grundwasser durch hydrostatischen Druck über die Erdoberfläche hochgepresst wird. Wenn
das gespannte Grundwasser angebohrt wird, spricht man von artesischen Brunnen.
Nach der Art des Wasseraustritts können drei Typen unterschieden werden: Flächenhafte
Grundwasseraustritte, bei denen das Wasser aus Sand oder Kies sickert. Sie entstehen dort,
wo der durchflossene Querschnitt des Aquifer durch Verengung oder Mächtigkeitsabnahme
(z.B. Schwelle im Untergrund) nicht mehr ausreicht, das ankommende Grundwasser
durchzutransportieren. Rundnischenquellen, die sich durch röhrenförmige Kanäle in
Glazialgeschieben oder in leicht löslichen Gesteinen bilden und Kluftquellen, bei denen das
Wasser entlang von Schichten, Brüchen, Verwerfungen oder Schieferungsflächen austritt.
Von diesen sog. kalten Quellen sind die heißen Quellen zu unterscheiden. Sie können
vulkanischen Ursprungs sein oder bestehen aus Oberflächenwasser, das durch den Kontakt
mit noch nicht abgekühltem Magma im Untergrund aufgeheizt wurde. Hierzu gehören die
Geysire in am Vulkan Tatio in Nordchile und die vielen heißen Bäder, die sich entlang der
Kordilleren befinden.
In vielen ariden Regionen Lateinamerikas ist der Bau von Brunnen oder gar von
Tiefbrunnen, die tiefere Grundwasserkörper anzapfen, eine Voraussetzung für menschliches
Überleben. Neben der Nutzung des Wassers aus Gebirgsfußoasen oder Flussoasen wird heute
in zunehmendem Maße auch Grundwasser für Bewässerungszwecke genutzt. Dies ist, sofern
für entsprechene Entwässerung gesorgt wird, angesichts der Erneuerung des Grundwassers
auch bis zu einem noch lange nicht erreichten Grade unbedenklich.
1.4 Gletscherkunde
Die Glaziologie (Gletscherkunde) kann als Teilgebiet der Hydrologie, Geomorphologie und
Klimatologie zugeordnet worden. Damit sind auch die wichtigsten Perspektiven
angesprochen, unter denen Gletscher als Teil der Natur betrachtet werden können, also unter
hydrologischen, geomorphologischen und klimatologischen Aspekten. Ganz gleich, mit
welchem Schwerpunkt Gletscher untersucht werden, der zeitliche Aspekt spielt immer eine
große Rolle. Wir leben heute in einer Warmzeit, und selbst innerhalb der Warmzeit erleben
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wir seit ca. 1850/70, dem letzten großen Gletschermaximum, eine Wärmeperiode, die
weltweit zu einem rapiden Rückzug der Gletscher führt. Dennoch: Noch sind die
Jahresdurchschnittstemperaturen, die vor ca. 7000 Jahren herrschten, noch nicht wieder
erreicht, so dass - die humane Verursachung der globalen Erwärmung sei dahingestellt - auch
unter rein natürlichen Kausalfaktoren der Höhepunkt der Erderwärmung dieser Periode noch
nicht erreicht ist.
Gletscher enthalten in ihren teilweise sehr alten Eiskernen aber auch wichtige und sehr
detaillierte Informationen über die Klimaentwicklung der letzten Jahrtausende Dichte,
Gasgehalt, Pollen und andere Elemente geben darüber Auskunft.
Auch in heute eisfreien Teilen des Gebirges sind die Formen eindeutig durch Gletscher
modelliert worden. In den Kordilleren Lateinamerikas haben die Eiszeiten jedoch mit anderer
Intensität gewirkt als etwa in den Alpen. Ausschlaggebend dafür ist ihre relativ spätere
Hebung, die im Pleistozän noch unvermindert anhielt und die Lage zumindest des größten
Teils der Kordilleren zwischen den Wendekreisen.
Lateinamerika wird durch sehr unterschiedliche Gletschertypen charakterisiert.
Grundsätzlich unterscheiden sich nämlich tropische, oft warme Gletscher von ektropischen,
oft kalten. Verschieden sind Gletscher in Form und Dynamik auch in Abhängigkeit von
Humidität und Aridität. Darüber hinaus sind im Süden des Kontinents auch noch zwei
Inlandeisfelder erhalten, die die größten zusammenhängenden Eismassen außerhalb von
Arktis und Antarktis beinhalten. Und schließlich beanspruchen Chile und Argentinien jeweils
die antarktische Halbinsel und Teile des antarktischen Festlandes, so dass auch die Gletscher
der Antarktis in die Betrachtung einbezogen werden sollten.
1.4.1 Zur Entstehung von Gletschern
Grundbedingung für die Entstehung von Gletschern ist Schneefall, der im Laufe des Jahres
aber nur zu einem kleinen Teil abschmilzt. Darum entstehen Gletscher nur im Kälteklima der
Hochgebirge bzw. im polaren Klima. Eine weitere Voraussetzung ist der Untergrund, der so
beschaffen sein muss, dass er den Schnee sammeln kann. Dies sind Plateauflächen, Talzüge,
Hangnischen, nicht aber zu steile Hänge weit über den Tälern.
Die Schneegrenze scheidet die dauernd mit Schnee bedeckten von den nach Abschmelzen
schneefrei werdenden Flächen. Sie ist daher eine "Gleichgewichtslinie" und wird zuweilen
auch so bezeichnet. Dabei unterscheidet man die temporäre Schneegrenze von der
stationären (klimatischen), auch Altschneelinie genannt. In den Ektropen (Außertropen), wo
thermische Jahreszeiten den Jahreslauf bestimmen, wandert die im Winter oft die Täler
erreichende temporäre Schneegrenze mit der Schneeschmelze im Frühling nach oben, bis sie
in die stationäre übergeht. In den Tropen dagegen fallen temporäre und stationäre
Schneegrenze nicht weit auseinander, da die Temperaturen ganzjährig sehr stabil bleiben.
Dort sind es hygrische Unterschiede (Regenzeit, Trockenzeit), die während der
Niederschlagsperioden die Schneelinie talwärts verlagern.
Gletscher reichen jedoch über die Schneegrenze hinaus, da sich ihren Loben, der Schwerkraft
folgend, in Bewegung befinden und sie auch unterhalb der klimatischen Schneegrenze
aufgrund ihrer Masse nur langsam schmelzen. Man bezeichnet den oberhalb der klimatischen
Schneegrenze gelegene Gletscherteil als Nährgebiet, den Teil unterhalb dieser Linie als
Zehrgebiet. Meist bedingt der Übergang von Nähr- zum Zehrgebiet einen Wechsel der
Fließgeschwindigkeit, was sich wiederum an der Gletscheroberfläche durch vielfältige
Spaltensysteme kundtut (sog. Serac-Zone).
Die Höhenlage der Schneegrenze ist von der geographischen Breite abhängig. In polaren
Gegenden (Antarktis) erreicht sie das Meeresniveau, steigt dann äquatorwärts bis zu einem
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Maximum an den Wendekreisen an, um am Äquator wieder leicht abzusinken. Es zeigt sich
also, dass der logische thermische N-S-Verlauf der klimatischen Schneegrenze durch die
Niederschlagsverhältnisse modifiziert wird. In den Trockenzonen der Subtropen und der
wendekreisnahen Wüsten fällt auch in großen Höhen nur wenig Niederschlag, den Gletscher
fehlt es also an Nachschub.
1.4.2 Gletschertypen
Gletscher kann man nach Größe, Form, Temperatur/Dynamik und Lage in den Klimazonen
klassifizieren.
Nach der Größe unterscheiden wir das weitflächige Inlandeis (in Lateinamerika haben sich in
den patagonischen Anden zwei Inlandeisfelder von 4.400 bzw. 3.200 km² Größe erhalten. Es
gibt jedoch Glaziologen, die diese Größen für nicht ausreichend für Inlandeis halten und
daher von "intramontaneer Rahmenvereisung" oder "Eiskappen" sprechen), (mittelgroße)
Plateaugletscher (in Lateinamerika nicht bekannt) und (kleinere) Gletscher alpinen Typs.
Während Inlandeisfelder und Plateaugletscher eigentlich unabhängig von Relief sind (eben
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dies ist in Patagonien so nicht der Fall), sind alpine Gletscher in ihrer Morphologie in
unterschiedlicher Stärke und Weise durch das Relief geprägt, also reliefuntergeordnet.
Diese können unterschiedliche Formen aufweisen. Talgletscher haben ein weites,
beckenförmiges Nährgebiet und eine schmalere konvexe Gletscherzunge im Zehrgebiet. Sie
sind vor allem in den südlichen Anden verbreitet. Dort findet man auch Kargletscher, oft
Reste einer früher weiter ausgedehnten Talvergletscherung. Eine eigentümliche Form vieler
Andengipfel, insbesondere natürlich der Vulkane, ist die Gipfelvergletscherung. Bei diesem
Typus ist der Gipfel vollständig von Eis bedeckt "Eishaube"), im Unterschied etwa zu den
Alpen, wo die Gipfel als Nunatakker (eisfreie Grate) ausgebildet sind und die Gletscher erst
unterhalb beginnen. Die Vulkane der chilenisch-argentinischen Hochkordillere, aber auch die
Vulkane der Atacama oder der ecuadorianischen "Straße der Vulkane" (Cotopaxi,
Chimborazo) oder die mexikanischen Vulkane (Popocatepetl, Ixtaccihuatl) sind Beispiele
dieses Glazialtyps.
In den Subtropen und Tropen ist der Hanggletscher die vorherrschende Form. Wegen der
nicht vorhandenen jahreszeitlichen thermischen Amplituden halten sich die Eisloben dort
auch auf steilsten, ja selbst senkrechten Wänden. Die Cordillera Blanca (Weiße Kordillere,
Peru) ist unter extremen Bergsteigern und Eiskletterern für ihre übersteilten Eishänge
berühmt. Hangvereisungen (Hängegletscher, Talflankengletscher) weisen keine ausgeprägte
Vertiefung des Gletscherbetts auf und sind insofern nicht den alpinen Gletschern zuzuordnen.
Ein Faktor für die Bewegungsschwindigkeit ist die Temperatur des Eises. Wir unterscheiden
warme und kalte Gletscher. Warme Gletscher bewegen sich rasch, kalte dagegen langsam.
Bei polaren, kalten Gletschern die gesamte Eismasse des Gletschers unterhalb des
Druckschmelzpunktes. Temperierte (warme) Gletscher besitzen eine Eismasse, die sich
weitestgehend (v.a. an der Gletscherbasis) am Druckschmelzpunkt befindet. Kennzeichen für
temperierte Gletscher ist das Auftreten größerer Schmelzwassermengen und die Möglichkeit
des basalen Gleitens als Form der Gletscherbewegung (durch den an der Basis vorhandenen
Schmelzwasserfilm). An polaren Gletschern ist basales Gleiten per Definition nicht möglich,
der Gletscher ist an seinem Untergrund festgefroren. Schmelzwasser tritt dort nicht auf.
Schließlich sind nach der Lage in Klimagürteln polare, ektropische, sub- und
randtropische sowie tropische Gletscher zu differenzieren. Polare Gletscher sind kalte
Gletscher mit geringer Fließgeschwindigkeit. Die ganzjährig ariden Bedingungen führen den
Nährgebieten nur wenig Niederschlag zu. Ektropische Gletscher entsprechen dem alpinen
Typus. Sie haben ein klar unterscheidbares Nähr- und Zehrgebiet, der winterliche
Massenzuwachs führt zu relativ hohen Geschwindigkeiten. Sub- und randtropische
Gletscher liegen im Trockengürtel der Erde und somit in der Zone höchstgelegener
Schneegrenzen. Sie sind durch hohe Ablationswerte (Ablation: Gesamtheit der Abtragung
durch Schmelze und Verdunstung) gekennzeichnet und haben nur geringe jahreszeitliche
Schwankungen (klimatische und temporäre Schneegrenze liegen - insbesondere auf den
Wendekreisen - dicht beieinander). Tropische Gletscher werden nicht durch thermische, wohl
aber durch hygrische Schwankungen in ihrem Massenhaushalt beeinflusst. Auch hier rücken
klimatische und temporäre Schneegrenze dicht zusammen und das Zehrgebiet ist relativ klein.
1.4.3 Verbreitung von Gletschern in Südamerika
Lateinamerika gehört nicht zu den am stärksten vergletscherten Kontinenten. In Südamerika
bedecken Gletscher etwa 26500 km², dies ist nur ein Fünftel der in Nordamerika erreichten
Fläche, freilich wiederum fünf Mal mehr als in Europa erreicht wird. Zentralamerika weist
überhaupt keine Gletscher auf, und auch die mexikanische Gletscherfläche bleibt auf ganz
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wenige Vulkangipfel der Sierra Volcánica Transversal (Orizaba, Popocatépetl, Ixtaccihuatl)
beschränkt.
Drei Faktoren beeinflussen die Verbreitung von Gletschern: Die Massenerhebung
(Höhenlage und Gebirgskörper), die thermischen Bedingungen (Temperaturen, in
Abhängigkeit von der Breitenlage) und die hygrischen Bedingungen (Niederschlag, Lage in
den Windgürteln bzw. zur ITC). In Lateinamerika erreichen nur die Teile der Kordilleren die
erforderliche Massenerhebung. Aber auch in den Anden, den zentral- und
mittelamerikanischen Kordilleren sind selbst hohe Gipfel (Vier- oder gar Fünftausender!)
nicht vergletschert, weil sie noch unterhalb der breitenspezifischen klimatischen
Schneegrenze liegen.
Ein grobes Schema veranschaulicht die wechselnde Höhenlage der Schneegrenze in
Abhängigkeit von der geographischen Breite auf der Südhalbkugel.
Breitengrade von bis
0-10
10-20
20-30
30-40
40-50
50-60
60-70
Schneegrenze in Meter
5000
5600
5100
3000
1500
800
0
Am Llullaillaco in den nördlichen chilenischen Anden (der Vulkan liegt knapp südlich des
Wendekreises) erreicht die Schneegrenze seine weltweit größte Höhenlage mit 6.700 m. Am
Cotopaxi (d.h. auf dem Äquator) liegt sie bei nur noch 4.700 m, in Südpatagonien und
Feuerland dagegen bei 800-1.000 m. Im Bild der Nevado des Cachi, über 6700 m.
1.4.3.1 Im Pleistozän
In den Eiszeiten (Pleistozän) führte die weltweite Tempreraturabsenkung - sie betrug in
mittleren Breiten, also im südlichen Südamerika, 8-10°C, in der inneren Tropenzone
(beidseits des Äquators) dagegen nur 4°C - in allen Teilen der Kordilleren zu einer im
Vergleich zu heute stärkeren Vergletscherung. Dennoch ist das Ausmaß der glazigenen
Überformung weit geringer als beispielsweise in den Alpen. Die Lage des größten Teils der
Kordilleren in den Tropen und in der Trockenzone - also in Gebieten relativer Höhenlage der
klimatischen Schneegrenze - ist dafür weniger verantwortlich als die Tatsache, dass die
Hebung der Kordilleren weniger rasch erfolgte und später einsetzte als in den Alpen und bis
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heute auch noch unvermindert anhält. Dadurch waren heute imponierende Gipfel der inneren
Tropenzone während des Pleistozäns noch nicht weit genug herausgehoben, um trotz der
eiszeitlichen Schneegrenzdepression in den Innertropen um ca. 400 m gegenüber heute
ganzjährige Schneeakkumulation zu erlauben.
Dies ist auch der Grund, warum in großen Höhenlagen der Nordanden ausgedehnte im
Pleistozän fluviatil gebildete Terrassen ins Auge treten, die bei Füllung der Täler mit
Gletschern natürlich ausgeräumt worden wären. Erst in der Seenregion Südchiles bzw. ihrem
Pendant auf der Andenwestseite, der Argentinischen Schweiz, erreichten die eiszeitlichen
Gletscherloben das Vorland und schufen dort die zahlreichen Zungenbeckenseen. In
Westpatagonien entstand zu dieser Zeit eine großartige Fjord- und Kanallandschaft. Dies war
möglich, weil durch die globale Bindung von Wasser in Form von Eis der Meeresspiegel
während des Pleistozäns tiefer lag und die Talgletscher ihre Trogtäler tief auskolken konnten.
Mit der Erwärmung und dem folgenden eustatischen Meeresspiegelanstieg ertranken die
Unterläufe der Trogtäler und bilden die heutigen Fjorde.
1.4.3.2 Heutige Vergletscherung
Aufgrund der zu den Wendenkreisen ansteigenden Höhenlage der Schneegrenze sind heute
nur die Südanden flächenhaft und ausgedehnt vergletschert. In der chilenisch-argentinischen
Hochkordillere, den Zentral- und Nordanden sind dagegen vor allem inselhafte Gletscher zu
finden. Die Cordillera Blanca ind Peru und die Cordillera Real in Bolivien sind aufgrund ihrer
Exposition zum Amazonastiefland und dem konvektiven und advektiven Aufstieg feuchter
Luftmassen relativ stark vergletschert.
1.4.4 Ausmaß der Vergletscherung der Erde und Lateinamerikas
Innerhalb Lateinamerikas findet man das größte rezent vergletscherte Gebiet innerhalb der
Cordillera Blanca und in der Cordillera de Huayhuash, sowie im sogenannten Patagonischen
Eisfeld.
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Gletscher binden 98,4% der gesamten Süßwassermenge, 2% Wassermenge der Erde
3% der Erdoberfläche sind Eisbedeckt, 10% des Festlandes, 0,14 % Südamerikas, 0,12 %
Lateinamerikas
1.4.4.1 Eiszeiten und Gletscherschwankungen
In allen Teilen der Erde, so auch in Südamerika, war das Pleistozän gekennzeichnet durch
eine Temperaturabsenkung. Diese betrug in den Tropen etwa 4°C, in mittleren Breiten
zwischen 8 und 10°C und führte zu einer wesentlich stärkeren Vergletscherung der Erde, als
man sie heute beobachten kann.
Man spricht von Kaltzeiten (den sog. "Glazialen"), Perioden starker Gletschervorstöße, und
Warmzeiten (Interglazialen), wo entsprechende Gletscherrückgänge folgten. In Warmzeiten
fand man im wesentlichen heutige klimatische und vegetationsgeographische, zeitweise sogar
wärmere, Verhältnisse vor.
In Südamerika, insbesondere in Patagonien, konnte man analog zu Untersuchungen in der
Nordhemisphäre vier Kaltzeiten nachweisen.
Vereisung Patagonien
Villamanca
Colorado
Diamante
Atuel
Vereisung Alpen
Günz
Mindel
Riß
Würm
ungefährer Zeitrahmen vor heute
ab 900.000
500.000
280.000
65.000
Speziell aus Südamerika sind auch Spuren uralter Vereisungen bekannt. Zur Zeit des
Gondwanakontinentes im Präkambrium und Permokarbon lag über den damals vereinten
Kontinenten Afrika, Südamerika und Australien eine mächtige Eisdecke, deren Ablagerungen
man noch heute finden kann.
In den nicht vergletscherten Gebieten herrschte in den mittleren Breiten ein Tundrenklima,
gekennzeichnet durch Dauerfrostböden und Frostschuttbildung. Für Südamerika bedeutend
sind die aus dieser Zeit stammenden, mächtigen Lößablagerungen.
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1.5 Literatur zur Hydrologie
• Dietrich, G.: Ozeanographie. (= Das geographische Seminar). Braunschweig, 3. Aufl.
1970.
• Endlicher, W.: Klima, Wasserhaushalt, Vegetation. Grundlagen der Physischen
Geographie II. Darmstadt 1991.
• Gletscherkommission der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften (Hg.):
Gletscher, Schnee und Eis. Das Lexikon zur Glaziologie, Schnee- und
Lawinenforschung in der Schweiz. Luzern 1993.
• Hempel, L.: Einführung in die Physiogeographie: Hydrogeographie (=
Wissenschaftliche Paperbacks Geographie). Wiesbaden 1974.
• Lliboutry, L.: Nieves y glaciares de Chile. Santiago de Chile 1965.
• Marcinek, J.: Gletscher der Erde. Thun u.a. 1985.
• Röthlisberger, F. und Geyh, M. A.: 10000 Jahre Gletschergeschichte der Erde, 2
Bände. Aarau u.a. 1986.
• Wagner, J.: Wasserhülle, Hydrosphäre (Meereskunde, Hydrographie). In: Wagner, J.:
Physische Geographie (= Harms Erdkunde, Bd. 8). München, Frankfurt, Berlin,
Hamburg 5. Aufl. 1964.
• Wilhelm, F.: Hydrogeographie. (= Das geographische Seminar). Braunschweig 2.
Aufl. 1993.
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