Sichtweisen - Landkreis Esslingen

Transcription

Sichtweisen - Landkreis Esslingen
Sichtweisen
Heft 16 | Die inklusive Kommune
Berichte, Meinungen, Informationen, Themen
aus der Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie
Sichtweisen 16/2015
Sichtweisen
Editorial
Der inklusive Kreis
Liebe Leserinnen
und Leser,
die Sichtweisen befassen sich in ihrem Heft
16 dieses Mal mit dem
Thema „die inklusive
Stadt, der inklusive
Kreis“. Beabsichtigt ist
damit die Vielzahl und Vielfalt der Aktivitäten in
unserem Kreis, den Kommunen, den Behindertenhilfeeinrichtungen und auch aus Sicht vieler
Menschen mit Behinderung darzustellen. Ich
danke vor allem den ehrenamtlich tätigen Redakteurinnen und Redakteuren, die zum Gelingen dieses Heftes beitragen. Die interessanten
Artikel zeigen eine große Bandbreite dessen
auf, was zum Thema Inklusion in unserem
Landkreis geleistet wird. Und sie geben damit
wichtige Impulse für eine inklusive Gesellschaft. Denn die Frage, ob Menschen mit
Behinderung teilhaben können am gesellschaftlichen Leben, ist in erster Linie eine Frage
der Einstellung, der Einstellung eines jeden
Einzelnen von uns.
Inklusion als soziologischer Begriff beschreibt
nichts anderes, als das Konzept einer Gesellschaft, in der jeder Mensch akzeptiert ist,
gleichberechtigt und selbstbestimmt an ihr
teilhaben kann, und zwar unabhängig von
der jeweiligen Behinderung. Deswegen ist
es Aufgabe des Kreises, seiner Kommunen,
der Kirchen und Vereine, solche Strukturen zu
schaffen, die es behinderten Menschen ermöglichen, Normalität und Teilhabe zu erfahren.
Die inklusive Kommune
2
Sichtweisen 16/2015
Es geht also darum, behinderte Menschen in
unsere Mitte zu nehmen, nicht auszugrenzen,
sondern zu akzeptieren. Dort, wo niemand
außerhalb dieser Gesellschaft steht, ist Inklusion Realität, so könnte man es stark vereinfacht ausdrücken.
Die UN-Behindertenrechtskonvention ist
mit der Ratifizierung durch den Deutschen
Bundestag im März 2009 in Kraft getreten.
Darin kommt ein neues gesellschaftliches
Verständnis zum Ausdruck: Respekt, Würde,
Selbstbestimmung, Diskriminierungsfreiheit,
Partizipation, Akzeptanz der Verschiedenheit,
Chancengleichheit und Barrierefreiheit sind
die wesentlichsten Aspekte für eine inklusive
Gesellschaft. Konsequent weiter gedacht
sind wir also alle gefordert, diese Prinzipien
in die Tat umzusetzen.
Bund, Land und Kommunen tragen gleichermaßen dafür Verantwortung. Ein Bundesteilhabegesetz ist eine langjährige Forderung, die wir
auch als Landkreis wieder erhoben haben. Das
Gesetzgebungsverfahren dazu soll im nächsten
Jahr begonnen werden. Allerdings ist es nicht
damit getan, eine Reihe von Maßnahmen zu
benennen. Wir erwarten viel mehr, dass auch
der Bund seinen Finanzierungsbeitrag für ein
modernes Teilhaberecht leistet. Denn die Eingliederungs- und Behindertenhilfe kann nicht
allein Sache des Landkreises und seiner Kommunen sein.
Mit dem Landesbehindertengleichstellungsgesetz ist der Landkreis verpflichtet, einen
Beauftragten für Menschen mit Behinderung
zu bestellen. Wir werden diese Anstellung im
kommenden Jahr auf Kreisebene umsetzen.
Inhalt
Vorwort...........................................................2–5
Es gibt viel zu tun ...............................22–23
Die Redaktion stellt sich vor ............................6–7
Konzert .....................................................23
Die inklusive Kommune......................................
Inklusion aus Sicht der Kirche.............24–25
Inklusion in Ostfildern ............................8–9
Wachsende Akzeptanz an Schulen...........26
Die inklusive Stadt ..............................10–11
Inklusion in der Gemeindepsychiatrie.26–27
Modellprojekt Inklusionskonferenz...........12
Warum Inklusion ......................................28
Ein Jubiläum der Begegnung ...................13
EX-IN Bericht ......................................29–30
Umfrage zu Inklusion ...............................14
Inklusion – was heißt das? .......................30
Tandem Projekt ........................................15
Jeder kann was...................................15–16
Infoteil ..................................................................
Esslingen – auf dem Weg
zu einer inklusiven Stadt .....................17–19
Freizeitgruppe Kirchheim..........................31
Inklusion erleben......................................20
Filmtipp ..............................................32–35
Kunstprojekt .......................................20–21
Impressum .............................................4–5
Sichtweisen 16/2015
3
Sichtweisen
Editorial
Mit Beginn des Schuljahres 2015 / 2016 ist die
Sonderschulpflicht weggefallen. Die Eltern sollen nach einer qualifizierten Beratung entscheiden können, ob ihr Kind eine Sonderschule
oder eine Regelschule besucht. Gleichzeitig
werden die Sonderschulen zu sonderpädagogischen Bildungs und Beratungszentren weiterentwickelt. Wir im Landkreis Esslingen haben
mit der Rohräckerschule, der Verbundschule
Dettingen und der Bodelschwinghschule Nürtingen drei Sonderschulzentren von hoher Qualität, in denen die Kinder bestmögliche Förderung und Erziehung sowie die Eltern eine gute
Begleitung erfahren. Ich meine, dass die
Sonderschulen auch in der Zukunft für die Gewährung der inklusiven Schulbildung an allgemeinen Schulen pädagogisch unverzichtbar
sind. Im Augenblick gehen wir davon aus, dass
ca. 30 % der Schülerinnen und Schüler mit Behinderung, die Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot haben, künftig inklusiv beschult werden. Als Landkreis sind wir in
einen Prozess eingestiegen, der im Rahmen
von Regionalkonferenzen unter Federführung
des Staatlichen Schulamts eine schulische Kreisinklusionsplanung vornimmt. Dabei stehen die
sonderpädagogischen Bildungsangebote an
unterschiedlichen Lernorten genauso im Fokus,
wie die vorhandenen Ressourcen in unseren
Regelschulen. Wir wollen nämlich für unseren
Landkreis eine zukunftsfähige Gesamtkonzeption haben, weil wir wissen, dass Inklusion nur
Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldungen zu
den „Sichtweisen“ Nr.16. Leserbriefe mit Ihren
Meinungen und Rückmeldungen, mit Lob und
Kritik sind uns immer willkommen. Wir freuen
uns weiterhin über Beiträge „externer“ Schreiberinnen und Schreiber, die auch in dieser Ausgabe die „Sichtweisen“ mit interessanten Artikeln bereichert haben. Und sollten Sie sich vorstellen können, regelmäßig bei den „Sichtweisen“ mitzuwirken, möchten wir Sie gerne als
neues Redaktionsmitglied begrüßen.
Das Redaktionsteam
4
dann gelingt, wenn wir den behinderten Kindern ein passgenaues schulisches Angebot machen können.
Die Eingliederungshilfe wird im nächsten Jahr
im Kreishaushalt mit rund 60 Mio. Euro zu
Buche schlagen und damit die größte Position
umfassen. Mit dem Teilhabeplan für Menschen
mit geistiger und / oder mehrfacher Behinderung und dem Psychiatrieplan hat der Landkreis
eine solide Planungsgrundlage. Uns ist es
dabei ein besonderes Anliegen, Menschen mit
Behinderung und deren Angehörige zu beteiligen. Deswegen gibt es im Landkreis zwei engagierte Angehörigenbeiräte und einen Teilhabebeirat. Sowohl auf Kreisebene als auch in
den Städten und Gemeinden laufen aktuell
zahlreiche Inklusionsprojekte, die von den Plänen angestoßen worden sind. Zu nennen sind
in diesem Zusammenhang Projekte des Wohnens, der Freizeit, des Sports, der Bildung oder
der Stadtentwicklung. Aufgabe des Landkreises
ist es, diese vielen Puzzleteile zusammenzusetzen. Mit finanzieller Unterstützung des Sozialministeriums haben wir begonnen an diesem
Prozess intensiv zu arbeiten. Im Sommer ist
das Modellprojekt der „Inklusionskonferenz für
den Landkreis“ gestartet worden. Wir sind
damit landesweit einer von vier Kreisen, der
modellhaft und strukturiert Erfahrungen auf
dem Weg zur Inklusion machen wird. Ein separater Beitrag dazu findet sich in diesem Heft.
Wenn Sie uns schreiben wollen oder wenn
Sie Fragen zu unserem Projekt haben,
wenden Sie sich bitte an die
Redaktion »Sichtweisen«,
Michael Köber
c/o Alisa Nikolic
Landratsamt Esslingen
73726 Esslingen am Neckar
Telefon (0711) 3902-2634
Sekretariat (0711) 3902-2503
E-Mail: [email protected]
[email protected]
Sichtweisen 16/2015
Die demographische Entwicklung, wie z. B. die
erstmalige Verrentung einer vollständigen Generation von Menschen mit Behinderung fordert neue inklusive Angebote. Immer mehr
Menschen in stationären Einrichtungen werden
aufgrund ihres Alters pflegebedürftig und stellen die Träger der Behinderteneinrichtungen vor
neue Herausforderungen. Des Weiteren führen
Veränderungen in den Familienstrukturen dazu,
dass sich Kinder früher vom Elternhaus lösen
und Unterstützung benötigen. Diesen Herausforderungen stellen wir uns. Nicht nur durch finanzielle Hilfen im Einzelfall, sondern auch
durch Beratung, Förderung und Unterstützung
durch das Fallmanagement, die familienentlastenden Dienste, die sozialpsychiatrischen Dienste und vieler institutioneller Hilfen.
Uns ist im Landkreis wichtig, dass Weiterentwicklung und Planung stetig unter der Berücksichtigung der geänderten Lebensverhältnisse
und Bedarfslagen erfolgt. Unsere finanziellen
Ressourcen allerdings dürfen wir dabei auch
nicht aus dem Auge verlieren.
An diesen ausgewählten Beispielen können
Sie sehen, dass der inklusive Kreis kein abstrakter Begriff ist. In unseren Städten und
Gemeinden wird er mit Leben gefüllt.
Viele Beispiele in diesem Heft belegen dies.
Ich habe eingangs formuliert, dass Inklusion
eine Frage der Einstellung ist. Daraus erwächst
das Anliegen, eine weitere Öffnung der Wohn-,
Arbeits- und Betreuungsformen in das Gemeinwesen zu erreichen.
Dazu sind wir auf die Menschen mit und ohne
Behinderungen, die Institutionen, die Betriebe,
die Kirchen, die Vereine und viele mehr angewiesen.
Ich bin davon überzeugt, dass wir die richtige
Richtung eingeschlagen haben und ein Stück
des Weges bereits vorangekommen sind.
Viel Vergnügen beim Lesen
des neuen Heftes „Sichtweisen“!
Sehr intensiv arbeiten wir derzeit an der Realisierung einer stationären Einrichtung mit Kurzzeitunterbringung für Kinder und Jugendliche
mit wesentlicher geistiger oder mehrfacher Behinderung. Hier sind wir auf einem guten Weg
hinsichtlich der Konzeption, der Leistungsbeschreibung und der Standortfrage.
Heinz Eininger
Landrat
Sichtweisen 16/2015 (November 2015)
ein Projekt der Behindertenhilfeund Psychiatrieplanung
des Landkreises Esslingen
Herausgeber:
Landratsamt Esslingen
Redaktion:
Gesamtverantwortlich: Michael Köber
MitarbeiterInnen:
Petra Besemer, Daniela Goth,
Annerose Klingmann, Karsten Lindner,
Willi-Gerhard List, Manfred Tretter
Satz und Gestaltung:
www.logowerbung.de
© Landratsamt Esslingen:
Nachdruck oder Vervielfältigung,
auch auszugsweise,
sind nicht gestattet.
Abbildungsnachweis:
Erich Knoll (8,9) Heike Deigendesch
(10,11) Michael Köber und Sportkreis
(13), Behinderten-Förderung-Linsenhofen (16), Manfred Tretter (14,17),
Verein für Sozialpsychiatrie (1, 21)
Sichtweisen 16/2015
Ihr
5
Sichtweisen
Die Redaktion stellt sich vor
Michael Köber
Annerose Klingmann
Daniela Goth
Die „Sichtweisen“ sind
ein Forum für einen Gedanken- und Erfahrungsaustausch zum Leben mit
Behinderungen, wesentlich getragen von ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürgern
im Landkreis Esslingen.
Über die Sichtweisen
freue ich mich besonders,
weil ich von Anfang an
dabei bin.
Ich arbeite gerne in der Redaktion mit und gehe seit 2004 in
eine Werkstatt in Zell. Grundsätzlich möchte ich auf die Lebenssituationen behinderter
Menschen hinweisen. Es beschäftigt mich besonders, dass
behinderte Menschen so große
Probleme haben, Arbeit zu finden. Über Integration darf nicht
nur gesprochen werden. Handeln ist angesagt!
Kreativität, Ideenvielfalt,
persönliche Verbundenheit
und Begeisterung
zeichnen das kleine
Redaktionsteam aus.
Die gemeinsame Arbeit in
der Redaktion bereitet mir
Freude, sie stellt eine besondere Ebene in den Aufgaben der Behindertenhilfe- und Psychiatrieplanung dar. Die „Sichtweisen“ regen für
Veränderungen an, sie
bilden Erfahrungen aus
dem Alltag und der
Lebenswirklichkeit von
Menschen mit Behinderungen ab. Sie sind auch
ein Medium für einen
fachlichen Austausch.
Ich bin auf die nächsten
Ausgaben gespannt.
6
Ich bin selbst durch
Behinderung betroffen
und engagiere mich bei
den Sichtweisen, weil
mir der Austausch mit anderen Menschen wichtig
ist und ich etwas Positives
für behinderte Menschen
beitragen möchte. Ich
war früher sehr aktiv bei
der „Amsel“ tätig, über
die ich dann zu den Sichtweisen gekommen bin.
Die Arbeit bei den Sichtweisen ist mir sehr wichtig und ich wünsche mir,
dass noch viele Ausgaben
dazu kommen, an denen
ich mitarbeiten kann.
Sichtweisen 16/2015
Manfred Tretter
Willi-Gerhard List
Karsten Lindner
Mit der Literatur bin ich in fremden Ländern und anderen Zeiten
schon ganz schön weit herumgekommen. Von Jugend an begleiten mich Bücher. Im Beruf gab
es viele Gelegenheiten für mich
zum fachbezogenen Schreiben.
Jetzt entdecke ich die vielfältigen
Anregungen aus dem Bereich
des kreativen Schreibens, um zur
eigenen literarischen Produktion
zu gelangen. Für die „Sichtweisen“ fühle ich mich doppelt vorgeprägt: Ich bin blind und kann
mich als behinderter Mensch äußern und ich kann meine beruflichen Erfahrungen aus der Sozialarbeit damit verbinden.
Ich freue ich mich, meine
Erfahrungen und Eindrücke
von meiner Arbeit als „Behinderter mit Behinderten“
einbringen zu dürfen. In der
Tagesstätte für psychisch
kranke Menschen gehören
auch Freizeit- und Wochenendangebote sowie Büroarbeit zu meinen Aufgaben.
Ich bin dankbar, dass es
dieses Forum gibt. Gerne
möchte ich zu der Sichtweise beitragen, dass
Menschen mit Behinderung
ganz normale Bürger sind,
wenn auch mit speziellen
Bedürfnissen.
Ich schreibe gerne Tagebücher,
Aufsätze,
Gedichte, Referate,
Geschichten und halte mich für
lebendig genug, um meine Erfahrungen weitergeben zu können. Mir macht das Schreiben
Spaß. Und ich weiß, dass man
sich dann – besonders als Mitglied einer Redaktion – gut mitteilen kann. Ich bin auch ein
Mensch, der sehr auf Selbsterfahrung aus ist und darauf achtet, sich weiter zu entwickeln.
Denn, „der Mensch lernt nie
aus“, diesen Satz höre ich
immer wieder. Außerdem weiß
ich: „Das Leben hält viele Überraschungen für mich bereit.“
Petra Besemer
Im Bereich der psychischen
Erkrankungen ist es mir ein
persönliches Anliegen, durch
Aufklärungsarbeit der Stigmatisierung und Ausgrenzung entgegenzuwirken.
Seit 2008 existiert die Freizeitund Selbsthilfegruppe für psychisch kranke Menschen. Unsere Trialoge tragen zu dieser
Aufklärungsarbeit einen Teil bei.
Ich arbeite sehr gerne bei Sichtweisen mit.
Sichtweisen 16/2015
7
Sichtweisen
Zukunftsmodell Inklusion
Die sorgende Gemeinschaft, ein
Zukunftsmodell für
Inklusion in Ostfildern?
In was für einer Gesellschaft wollen wir
leben? Mit dieser
Frage startete die Aktion Mensch 2006
das Projekt - die Gesellschafter -. Menschen mit und ohne
Behinderungen wurden angeregt, darüber nachzudenken, wie sie gern zusammenleben wollen.
„…fast eine Million Menschen haben die Internet-Seite -die Gesellschafter.de- besucht. Ihre
Antworten und Diskussionsbeiträge würden ausgedruckt mehr als 10.000 Buchseiten füllen….”*
Dieses Beispiel zeigt, dass es für viele Menschen
wichtig ist, sich Gedanken darüber zu machen,
wie sie zusammenleben wollen.
Durch die UN-Behindertenrechtskonvention aber
auch durch Fragen um die Themen alte Menschen, Migranten und Flüchtlinge usw. wird die
Frage neu angeregt. Wie kann bzw. wie muss
eine Stadt/Gesellschaft aussehen, in der alle gut
miteinander leben können?
Die UN- Behindertenrechtskonvention hat den
Begriff Inklusion in die öffentliche Diskussion eingeführt und meint damit eine Idee für ein gesellschaftliches Zusammenleben aller Menschen.
Für Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen (Menschen mit Behinderungen, alte Menschen etc.) soll nach der Idee Inklusion nicht mehr
die „separierende Institution“ der Maßstab für
eine Hilfeerbringung sein, sondern die Hilfen sollen im normalen Zusammenleben in der Stadt, im
Dorf erbracht werden.
men, dahin wo sie leben.
Diese Idee ist eine große Herausforderung, da
sich 60 Jahre ein anderes Hilfeverständnis und
Hilfesystem in der Bundesrepublik entwickelt hat.
Die neue Form des Zusammenlebens, die sich
aus der Idee ergibt, muss gelernt werden. Wichtigster Lernschritt hierbei ist die Akzeptanz der
Unterschiedlichkeiten. Das ist die Grundvoraussetzung für ein gelingendes Zusammenleben.
Dies geht nur mit der aktiven Mitgestaltung der
beteiligten Menschen.
Politiker und Verantwortliche in Städten und Gemeinden können (und müssen) für solche Entwicklungen zwar die Rahmenbedingungen schaffen und Prozesse anregen, aber an der Suche
nach praktischen Lösungen müssen sich die Menschen beteiligen, um die es geht. Das bedeutet
aber auch, dass wir wieder lernen müssen, uns
mehr füreinander zu interessieren, uns mehr umeinander zu kümmern und verstärkt (füreinander)
Verantwortung zu übernehmen.
In den meisten Städten und Gemeinden wird die
Wichtigkeit der Mitgestaltung der Bürger erkannt,
und viele Bürger erkennen die Chancen die im
bürgerschaftlichen Engagement stecken. So entsteht die vom Ministerpräsidenten Kretschmann
angestrebte Bürgergesellschaft, für die sich ein
Begriff entwickelt hat: - Caring Community
(Sorgende Gemeinschaft) -.
Sorgende Gemeinschaft beschreibt zum einen
die engagierten Bürgerinnen und Bürger, die verbindlich und verantwortlich das Zusammenleben
Die Menschen sollen nicht mehr zu den Orten
gebracht werden, wo Hilfen angeboten werden,
sondern die Hilfen sollen zu den Menschen kom-
8
Sichtweisen 16/2015
mitgestalten (und mittun) wollen, und zum anderen die Unterstützungsstrukturen und Rahmenbedingungen, die von der kommunalen Politik und
Verwaltung für ein Gelingen des Prozesses beigetragen werden können.
Inklusion im Sinne einer sorgenden Gemeinschaft kann deshalb kein (von oben) verordneter
formaler Prozess sein, sondern er muss von allen
Akteuren als ein lernender Gestaltungsprozess
verstanden und gewollt werden.
Drei Notwendigkeiten können in Ostfildern für
einen gelingenden Inklusionsprozess bzw. für
eine sorgende Gemeinschaft beschrieben werden:
1. Ohne die aktive Beteiligung und Mitgestaltung
von BürgerInnen (Betroffene, Angehörige und
Interessierte) gelingt kein gesellschaftlicher
Umgestaltungsprozess (auch nicht der Inklusionsprozess). Ohne engagierte BürgerInnen
sind schon heute bestimmte soziale Aufgaben
nicht mehr denkbar, weil nicht finanzierbar. Im
Bereich der Altenhilfe sind in Ostfildern bereits
mehr als 100 engagierte BürgerInnen tätig z.B.
bei:
• Rat und Tat (praktische Hilfen für ältere
Menschen zu Hause)
• SOFiA** (Besuchsdienste für ältere
Menschen zu Hause)
• Offenes Atelier (Kunstangebote für „Alle“)
• Wohnberatung für barrierefreien Umbau
der Wohnung usw.
2. Die unterschiedlichen sozialen
Themen und die
Angebotsstrukturen müssen da zusammengedacht
werden, wo dies
sinnvoll ist (z.B.
mit Blick auf Teilhabe, Assistenz,
Barrierefreiheit,
Mobilität etc.). So
kann vermieden
werden, dass
unterschiedliche Gruppen an gleichen Themen
arbeiten und dadurch Parallelstrukturen entstehen. Aber dadurch kann zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen auch ein Verständnis
füreinander entstehen.
3. Die öffentliche Verwaltung muss aus diesen
Erkenntnissen sich als eine lernende Organisation verstehen und durchlässige, kooperative
und kreative Unterstützungsstrukturen entwickeln. Zukünftig werden Stadtentwickler
und Planer die sozialen Themen der Kommune
bereits im Vorplanungsprozess mit denken
und die verschiedenen Akteure mit einbeziehen
müssen, will man nicht mit mehr Aufwand
„hinterher nachjustieren“.
Gemeinwesen in diesem Sinne wird zu einer
kreativen Gestaltungsplattform, deren Grundprinzip eine sorgende Gemeinschaft werden könnte.
Ostfildern ist in Bezug auf die beschriebenen
Themen auf einem guten Weg. Es macht Hoffnung wahrzunehmen, dass bei den Verantwortlichen der Verwaltung, bis hin zur Verwaltungsführung eine große Offenheit und Bereitschaft
zur Kooperation und für neue Ideen und Wege
besteht. So wird viel möglich.
Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht,
sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer.
(Lucius Annaeus Seneca, römischer Philosoph)
Beitrag: Erich Knoll (Stadt Ostfildern)
Sichtweisen 16/2015
9
Sichtweisen
Die inklusive Stadt, der inklusive Kreis
Das „Inklusionsforum Olé“ –
Aktivitäten im Lenninger Tal
Initiiert vom Kreisjugendring Esslingen e.V.
(KJR), trifft sich in Lenningen seit nunmehr
zwei Jahren eine engagierte Gruppe aus Familien von Menschen mit Behinderung, betroffenen Experten, Fachkräften aus dem Bereich der
Behindertenhilfe, Vertreter/innen verschiedener
Vereine, der Kommunen und externer Berater,
um ein gemeinsames Ziel zu verwirklichen:
Orte der Begegnung zu schaffen. Freizeit- und
Bildungsangebote sollen für alle Menschen –
auch für solche mit erschwerten Teilhabevoraussetzungen - gleichermaßen zugänglich sein.
Im Lenninger Tal konnte hierzu inzwischen ein
tragfähiges Netzwerk geknüpft und manches
Projekt umgesetzt werden. So fand in der KJRAktionswoche um den 05.05.15 in Kooperation
mit der Lebenshilfe Kirchheim, dem Aktionskreis für Menschen mit und ohne Behinderung
(AKB) und dem Verein „Unser Netz“ eine inklusive Sportveranstaltung statt: Sp.Olé. Sp. steht
hier für Sport, Spaß und Spiel, Olé für die Verbandgemeinden Owen, Lenningen und Erkenbrechtsweiler.
In und um die Lenninger Sporthalle waren
die Besucher/innen eingeladen, etwas andere
Sportarten auszuprobieren und zu erleben,
wieviel Spaß Inklusion machen kann; zum
Beispiel beim Federball über die Schnur, beim
Würfelfußball oder Pezziballtrommeln. Wer
es etwas sportlicher mochte, konnte sich von
Nationalspieler Thomas Schuwje im Rollstuhlrugby anleiten lassen. Nach einem kurzen Fahrtraining in einem Spezialrollstuhl ging es darum,
der anderen Mannschaft den Ball abzujagen und
über die gegnerische Linie zu bringen. Auf dem
Platz vor der Halle war ein Parcours aufgebaut,
der mit einem vor den Rolli gespannten Handbike bewältigt werden sollte. Mutigen bot sich
dort auch die Gelegenheit für eine Tandemfahrt:
als Sozius mit verbundenen Augen. Wohl dem,
der sich schon im Vorfeld unter Anleitung von
Jürgen Wagner, der selbst sehbehindert ist,
im Blindenstocklauf ausprobiert hatte.
Für's Mitmachen bekamen Kinder und Jugendliche an den Stationen einen Stempel. Für drei
Stempel konnte eine Urkunde in Empfang genommen werden – außer mit Schwarzschrift
auch in Brailleschrift bedruckt und unterschrieben von Lenningens Bürgermeister Michael
Schlecht, der die Veranstaltung dankenswerterweise auch in diesem Jahr wieder unterstütze.
Ein besonderer Genuss war es auch, den beiden - eigens für diesen Tag zusammengestellten - Mannschaften beim Rollstuhlbasketball
10
Sichtweisen 16/2015
zuzuschauen. Die Kirchheim Knights um Profi
Radivoj Tomasevic stellten sich einer besonderen Herausforderung und spielten mit Spielern
des Rollstuhlsport- und Kulturvereins Tübingen
(RSKV). Eine Herausforderung wohl vor allem
für die Knights, die sonst ja eher flink auf den
Beinen sind.
In der Spielpause hatten Sportler/innen mit
und ohne Behinderung das Wort: Moderator
Jürgen Hahn vom AKB befragte beim Sport-Talk
Aktive aus Lenningen und Umgebung zu ihrer
Motivation und ihren Erfahrungen im (Vereins-)
Sport. Jüngste Teilnehmerin der Runde war die
achtjährige, stark sehbehinderte Linn Kazmaier
aus Lenningen. „Ohne Sport wäre es langweilig!“, meinte sie und ließ einen immer wieder
staunen darüber, welche sportlichen Erfolge
sie schon für sich verbuchen konnte.
Beim anschließenden Konzert der Soulhossas,
einer inklusiven Band aus der Reutlinger Kulturwerkstatt, konnte wild getanzt und gerockt
werden. Hungrige und Durstige ließen sich
derweil von Schüler/innen und Lehrkräften
der Lenninger Förder- und Realschule verköstigen. Schön, dass auch Jugendliche sich im
Netzwerk engagieren.
Dass der Sport auch für Menschen mit Einschränkung oder Behinderung einen hohen
Stellenwert hat, wurde bereits aus einer Befragungsaktion deutlich, die das InklusionsTeam im Frühjahr durchführte. Über Schulen,
Vereine und persönliche Kontakte wurden
Betroffene und ihre Familien nach ihren Wünschen und Bedarfen für ihren Wohnort befragt.
Heraus kam, dass Mobilität und fehlende
Assistenz häufig ein Problem darstellen,
ebenso wie die Scheu, als Mensch mit Behinderung auf einen „normalen“ Verein zuzugehen.
Hier kann das Inklusionsforum ansetzen. Erste
Kontakte zu Vereinen wurden bereits geknüpft
und Assistenzkräfte vermittelt.
spezieller Stadtführer entstehen, in dem nicht
ausschließlich barrierefreie, sondern besonders
flexible, aufgeschlossene und unkomplizierte
Dienstleister und Institutionen aufgeführt
werden. Auch für die Umsetzung dieser Idee
braucht es engagierte Netzwerker/innen und
Mitstreiter/innen. Wer Lust hat, sich im Lenninger Tal einzubringen oder einfach neugierig
auf laufende Projekte geworden ist, ist bei
den Aktionen und Inklusionsforen herzlich
willkommen. Termine und nähere Informationen
entnehmen Sie bitte der Homepage InklusionLenningen.de.
An dieser Stelle ein sehr herzliches Dankeschön all denen, die die Arbeit des Inklusionsteams bisher ermöglicht und begleitet haben,
allen Netzwerkpartnern, Kollegen/innen, der
Gemeinde Lenningen und dem Kommunalverband für Jugend und Soziales für die
Unterstützung und – last but not least – allen
Besucher/ innen der Veranstaltungen, ohne
die das Leben nicht halb so bunt wäre.
Die Arbeit des Aktionsteams Inklusion wird
gefördert im Rahmen des Programms Impulse
Inklusion des Landes Baden-Württemberg
und des Kommunalverband für Jugend und
Soziales Baden-Württemberg.
Beitrag: Heike Deigendesch
Die Idee für ein nächstes größeres Projekt in
Lenningen ist bereits geboren. Der Arbeitstitel:
„Inklusiv unterwegs in Lenningen.“ Es soll ein
Sichtweisen 16/2015
11
Sichtweisen
Projekt Inklusionskonferenz
Projekt „Inklusionskonferenz
im Landkreis Esslingen“
Im November 2013 wurde im Landkreis Reutlingen das Pilotprojekt „Inklusionskonferenz“ ins
Leben gerufen, um das Thema Inklusion auf Landkreisebene voranzubringen. Dieses Projekt wurde
vom Institut für angewandte Sozialwissenschaft
(IfaS) in Stuttgart wissenschaftlich begleitet. Erste
Erfahrungen zeigen, dass es dort gelingt, das
Thema Inklusion zu verankern und konkrete Projekte umzusetzen, z.B. Inklusion im Sport oder
Qualifizierung in der Kindertagesbetreuung.
Nun wurde das Projekt in Reutlingen verlängert
und um weitere vier Landkreise ergänzt: einer
davon ist der Landkreis Esslingen. Finanziert wird
das Projekt über Mittel des Sozialministeriums
Baden-Württembergs.
Am 1. September 2015 hat Petra Mittmann als
Projektkoordinatorin ihre Arbeit aufgenommen.
Es geht darum, die Erfahrungen der Inklusionskonferenz Reutlingen zu nutzen, aber gleichzeitig herauszufinden, was zu den Menschen und Strukturen im Landkreis Esslingen passt. Der Landkreis
möchte mit seinen Städten und Gemeinden sowie
allen anderen Akteuren Wege beschreiten, um die
UN-Behindertenrechtskonvention vor Ort umzusetzen.
In diesem Heft beschreiben einige Beträge, welche Initiativen zum Thema Inklusion im Landkreis
bereits bestehen. In einigen Städte und Gemeinden im Landkreis wurden Aufgaben neu geordnet
oder Stellenanteile für Inklusions-Beauftragte geschaffen, die an verschiedenen Themen arbeiten,
beispielsweise Barrierefreiheit im öffentlichen
Raum, Wohnen, Zugang zur Gesundheitsversorgung u.a. Auch Träger der Behinderten- und Jugendhilfe beschäftigen sich intensiv mit dem
Thema und haben verschiedene Initiativen ins
Leben gerufen, beispielsweise Freizeit- und Sportangebote für Menschen mit
und ohne Behinderungen.
Eine Aufgabe der Inklusionskonferenz auf Kreisebene wird es sein, die verschiedenen Projekte
und Initiativen, die bisher schon bestehen, zu
vernetzen. Über den Erfahrungsaustausch sollen
Faktoren herausgearbeitet werden, die zum Gelingen von Inklusion in den unterschiedlichen Bereichen beitragen. Die Beteiligung von Menschen
mit Behinderungen und deren Angehörigen ist
ein zentraler Punkt. Eine weitere Aufgabe ist
daher, bestehende Beteiligungsstrukturen weiterzuentwickeln und auszubauen.
Im Rahmen des Projekts soll ein Stadtteil im
Landkreis auf dem Weg zu mehr Inklusion begleitet werden. Mit den Beteiligten vor Ort, die
ihren Sozialraum genau kennen, werden Ideen
entwickelt, wie Inklusion dort umgesetzt werden
kann und welche Schwerpunkte sich für diesen
Sozialraum ergeben. Dabei sollen vorhandene
Potentiale und Ressourcen genutzt werden.
Mit Hilfe der wissenschaftlichen Begleitung und
im Austausch mit den anderen beteiligten Kreisen
lassen sich möglicherweise allgemeine Handlungsrichtlinien für die Entwicklung inklusiver
Strukturen im Sozialraum ableiten. Diese könnten
zukünftig anderen Kommunen und Kreisen bei der
Umsetzung inklusiver Projekte im Sozialraum helfen.
Inklusion ist eine Querschnittsaufgabe. Verwaltungen und Sozialsysteme sind ebenso angesprochen wie bestehende Regelsysteme und Bürgerschaft. Deshalb ist es wichtig, das Thema immer
wieder in die Öffentlichkeit zu bringen und offen
zu sein, für das, was daraus entsteht.
Petra Mittmann ist Heilerziehungspflegerin und Diplom-Pädagogin.
Sie hat viele Jahre in verschiedenen Einrichtungen der Behindertenhilfe gearbeitet. In den letzten Jahren war sie im Kindergarten- und
Grundschulbereich tätig.
12
Sichtweisen 16/2015
Sichtweisen
Ein besonderes Jubiläum der Begegnung
Am 26. September 2015 war es wieder soweit. Rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer tummelten sich auf dem Sportgelände
des TSV Ötlingen.
den Veranstaltern und Gastgebern – besonders
den Verantwortlichen des TSV Ötlingen – für das
unermüdliche Engagement.
Meines Erachtens gelingt Inklusion am leichtesten, wenn Begegnungen stattfinden. Die Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an Freizeit und Sport ist ein Auftrag aus
der UN-Behindertenrechtskonvention. Dieser bezieht sich so umfassend wie möglich auch auf
breitensportliche Aktivitäten. Leider sind bislang
nur wenige Menschen mit Behinderungen Mitglied in den (Sport-)vereinen – vielleicht liegt es
an den nicht immer vorhandenen Angeboten,
vielleicht an den Zugangswegen. Es ist ein Gewinn für die Vereine, mehr Menschen mit Behinderungen zu beteiligen.
Die Sportkreisjugend Esslingen im württembergischen Landessportbund veranstaltete das 25.
Sportfest der Begegnung „im Rübholz“ in Kirchheim-Ötlingen. Sport, Spiel, Spaß und Begegnung zwischen Menschen mit und ohne Behinderung stand und steht seit vielen Jahren im
Mittelpunkt der Veranstaltung. Unter Leitung
des Vorsitzenden Rüdiger Wollenberg und des
Jugendreferenten Roland Mäußnest sowie mit
tatkräftiger Unterstützung durch das Kirchheimer
Pädagogische Fachseminar sowie zahlreicher
ehrenamtlicher Helfer gelang es wieder, ein
tolles Programm auf die Beine zu stellen. Den
Körper in Bewegung zu bringen und sich in
Geschicklichkeit zu erproben, war auch diesmal
das Motto. Ein großes Kompliment gebührt
Sichtweisen 16/2015
Das Sportfest ist ein herausragendes Beispiel
der Begegnung. Die
Bilder sprechen ihre eigene Sprache. Die Begeisterung ist spürbar,
fast greifbar, mehr
davon ist durchaus
wünschenswert.
Zum 25. Jubiläum
herzlichen Glückwunsch und ein
großes Dankeschön
allen Mitwirkenden.
Beitrag:
Michael Köber
13
Sichtweisen
Auf der Straße eingesammelt
Eine Befragung zum Thema Inklusion
Zunächst schien das eine gute Idee zu sein,
für die „Sichtweisen“ eine Straßenumfrage zu
machen. Es zeigte sich aber schon bald, dass
dies gar nicht so einfach zu bewerkstelligen ist.
Wir hatten uns im Esslinger Kaffeehaus „Sonne“,
das von den Werkstätten Esslingen/Kirchheim betrieben wird, getroffen und den Schlachtplan besprochen. Und dann also raus vor die Tür. Da zeigten sich dann auch schon die Schwierigkeiten.
Viele Passanten hatten es offensichtlich sehr
eilig und würdigten uns keines Blickes, wenn
wir uns anschickten, sie mit dem Aufnahmegerät
in der Hand anzusprechen. Dann gab es die direkten Verweigerer, die eine Aussage ablehnten.
Wir hatten uns vorsorglich den Satz bereitgelegt,
keine Werbung zu machen und nichts verkaufen
zu wollen. Aber auch dieser Hinweis half nicht
immer. Den ursprünglichen Gedanken, die Interviewten nach Namen und Wohnort zu fragen,
um gegenüber den Lesern unsere Aktion zu beglaubigen, ließen wir bald fallen, denn das hätte
unser Vorhaben vollends scheitern lassen. Ganz
erfolglos blieben wir schließlich nicht, wie einige
Aussagen zeigen, die wir einsammeln konnten.
Ein älteres Ehepaar, auf dem Weg zum Arzt
„Verkehrsmittel sind so ein Problem, da kommt
man schlecht hinein. Dass Kinder gemeinsam
aufwachsen, finden wir auch wichtig. Dafür sollte
man in der Schule mehr machen. Aber für manche ist vielleicht auch die Spezialschule das Richtige.“ Eine junge Passantin äußert sich: „Ja, von
Inklusion habe ich gehört im Zusammenhang mit
Schulen. Kontakt zu behinderten Menschen habe
14
ich nicht, nein.“ Eine weitere Dame „Mit Behinderten selbst habe ich keinen Umgang, aber ich
habe in der Familie mit schweren Krankheiten zu
tun. Ich glaube, da ist die Situation oft ähnlich.
Man sollte auch den Angehörigen helfen, denn
wenn man mit Behinderten oder Schwerkranken
lebt, muss man auf vieles verzichten.“ Jetzt treffen wir auf eine Frau vom Fach, sie hat in Esslingen soziale Arbeit studiert und ist mit drei kleinen
Kindern unterwegs: „Wenn meine Kinder es so
ganz nebenbei lernen, dass Menschen verschieden sind und wenn sie gemeinsam zurechtkommen, das finde ich gut. Wenn Behinderte erst
einmal getrennt werden, ist es schwieriger,
wieder einen normalen Umgang zu erreichen.“
Einem längeren Gespräch macht der Nachwuchs
ein Ende, denn die Kleinen wollen weiter. Eine
Arzthelferin äußert sich positiv zu den Zielen der
Inklusion. Sie hat viel mit alten Menschen zu tun
und da liegen die Einschränkungen oft ähnlich wie
bei behinderten Menschen. Man ist oft unsicher
und ängstlich, Menschen mit Behinderungen zu
begegnen. Da würde es viel helfen, wenn Menschen mit Behinderung mehr in der Öffentlichkeit
wären. Ein Lehrer berichtet über Erfahrungen
vom gemeinsamen Unterricht: „Als Lehrer
braucht man Unterstützung, damit man den unterschiedlichen Schülern gerecht werden kann. Man
braucht die Erfahrungen der Behindertenpädagogik. Dieses Wissen über die einzelnen Formen
der Behinderung sollte nicht verloren gehen.“
Noch eine Dame mittleren Alters: „Man sollte
auch auf die älteren Behinderten schauen, meist
denkt man beim Thema Inklusion nur an Kinder.
Ältere Behinderte sollten auch noch eine Chance
bekommen, z.B. auf dem Arbeitsmarkt. Dabei
habe ich so meine eigenen Erfahrungen, wie
schwer es ist, wenn man mal herausgefallen ist.“
Den Fotoapparat hatten wir gleich am Anfang
stecken gelassen. Der Wunsch, mit dem eigenen
Bild in den „Sichtweisen“ zu erscheinen, schien
uns nicht allzu groß. Immerhin aber hatten wir
einen kleinen Ausschnitt von Meinungen hören
können.
Die Fragen stellten
Willi-Gerhard List und Manfred Tretter.
Sichtweisen 16/2015
Sichtweisen
Kreisjugendring Esslingen – Tandem Projekt
„ Nicht diskriminieren, sondern handeln “ –
ein Gespräch mit der Inklusionsbeauftragten
des Kreisjugendrings Esslingen.
Am 9. August 2015 bot sich mir die Gelegenheit,
zu einem ausführlichen Gespräch mit Frau Danielle Gehr vom Kreisjugendring Esslingen e.V.
Schnell wurde mir klar, dass mir eine engagierte
Expertin für Inklusion gegenüber saß. Mein Interesse galt vor allem den sogenannten „ TandemProjekten“ des Kreisjugendringes.
Das bedeutet, dass derzeit auf ehrenamtlicher
Basis ein Behinderter und ein Nichtbehinderter
Aufgaben und Arbeiten im Tandem-Team gemeinsam übernehmen. Finanziert werden diese Projekte vom Land und Bund jeweils über Kubus e.V.
Frau Gehr schilderte mir ein Beispiel aus dem Jugendhaus in Esslingen. Dort übernehmen in den
Ferien 2 Frauen, Leonore und Lisa (eine davon
mit Down-Syndrom) gemeinsam hauswirtschaftliche Arbeiten, wie zum Beispiel Einkaufen und
Kochen.
Vergleichbare Projekte laufen bereits, auch in
Kirchheim, Ostfildern, Deizisau oder Lenningen.
Frau Gehr betonte, wie wichtig es ist, solche
Tandemangebote ortsnah zu ermöglichen. Ihre
Erfahrung mit diesen Menschen und
Projekten sei durchweg positiv, betonte Frau
Gehr. Ein langfristiges Ziel sei es, FSJ´ler (Freiwilliges Soziales Jahr) fürs „ Tandem “ zu gewinnen.
Wichtig bei der Inklusion ist Frau Gehr „Nicht diskutieren, sondern handeln und machen“. Ein weiterer, wie ich finde, bemerkenswerter Satz blieb
mir in Erinnerung: Inklusion ist nicht, dass die
Leute einfach mitlaufen. Ein weiteres wichtiges
Ziel ist für Frau Gehr, den Menschen mit Behinderung mehr geeignete Fortbildungsmaßnahmen
zu verschaffen.
Mich stimmte sehr positiv, mit welcher Kompetenz und welch praktischem Engagement diese
Herausforderung im Kreisjugendring Esslingen
e.V. angegangen wird.
Beitrag: Willi-Gerhard List
Sichtweisen
Jeder kann was – gemeinsam für was Großes
Im September bot sich mir die Gelegenheit
zu einem Gespräch über Inklusion bei der
Behindertenförderung Linsenhofen e.V. in
Oberboihingen. In äußerst angenehmer
Atmosphäre saßen mir gleich drei ExpertenInnen sowie acht KlientenInnen und Teilnehmer der Inklusionsprojekte gegenüber.
Förderung wird von
der “Aktion Mensch“
mit 250.00,00 € unterstützt (der Betrag
dient vor allem zur Deckung der zusätzlichen
Personalkosten).
Frau Ramona Koch, die Projektleiterin, sowie
Frau Christin Finkenstein und Herr Adrian Becker
von der Projektstelle erläuterten mir zuerst ausführlich Entstehung und Hintergrund ihres Inklusionsprojektes.
Im Vorfeld wurden die Strukturen und Ziele gemeinsam mit “Aktion Mensch“ erarbeitet. Es
fanden sich sechs Kooperationspartner, für das
bis 2017 geplante Angebot. Die Kooperationspartner, die sich gemeinsam mit der Behindertenförderung e.V. für Inklusion im Landkreis einsetzen sind: die Städte bzw. Gemeinden von
Nürtingen, Wendlingen, Frickenhausen, Oberboihingen, die duale Hochschule in Stuttgart sowie
der Landkreis Esslingen.
In Zusammenarbeit mit “Aktion Mensch“ wurde
das Inklusionsprojekt, für die Bereiche Bildung
und Freizeit vor einem Jahr auf den Weg gebracht. Die auf drei Jahre angelegte inklusive
Sichtweisen 16/2015
15
Sichtweisen
Jeder kann was – gemeinsam für was Großes
Frickenhausen. Hier gab es auch einen Rollstuhlparcour sowie die Gestaltung von Inklusionsbuttons.
Außerdem organisierte die Werkstätte ein integratives Fußballturnier in der Sporthalle in Oberboihingen. Hier spielten Menschen mit und ohne
Behinderung mit und gegeneinander.
Matthias zeigte mir einen bunt gestalteten Hocker, den seine Gruppe zusammen mit Auszubildenden der Firma Heinrich Schmid erstellt hat.
Matthias sagte: ,,Das ist echt gut und macht mir
viel Spaß“.
Frau Koch betonte, wie wichtig es sei “ Experten
in eigener Sache“, sprich die behinderten Menschen in Planung und Gestaltung mit einzubeziehen. So werden Veranstaltungen durchgeführt
und Projekte zusammen erarbeitet.
Auch gibt es, ungefähr jedes halbe Jahr ein Treffen mit den genannten Kooperationspartnern.
Dieses Projekt wird vom Institut für angewandte
Sozialwissenschaften (Ifas) in Person von Studiengangsleiter Professor Meyer begleitet.
Gemeinsam wurde auch ein Fragekatalog erstellt
(etwa, was wollen die Betroffenen, was kann
angeboten werden? etc.)
Schnell brachten sich auch die Klienten mit ihren
Erfahrungen mit ein.
Johanna erzählt mit sichtbarer Freude, dass sie
zusammen mit StudentenInnen der Kunsttherapie, Hände aus Gips bemalt hätte. Ich konnte
das bunte Objekt bestaunen, das alle Kooperationspartner als Geschenk erhielten.
Auch ein überaus schön und originell gestaltetes
Fotobuch machte die Runde. Darin sind bunt bemalte Hände vor wechselnden Schwarz-WeißHintergrund abgebildet.
Michael erwähnte eine von ihm mitgestaltete
Spielstraße bei Stadtfesten in Wendlingen und
16
Überhaupt hatte ich den Eindruck, dass alle mit
viel Freude dabei sind und gerne und begeistert
von ihren Arbeiten erzählen.
Schön finde ich auch, wie von den MitarbeiterInnen beschrieben wurde, dass bei allen Ausführungen Menschen mit Handicap aktiv dabei sind.
Außerdem wurde von den vielen Urlaubsfreizeiten im In- und Ausland erzählt. Die inklusiven
Angebote in den Bereichen Bildung und Freizeit
stehen allen offen, die in der Einrichtung arbeiten oder leben.
Gemeinsam werden auch Altennachmittage oder
Treffen in Jugendhäusern in Frickenhausen und
Oberboihingen organisiert.
Ich finde, auch dies ist ein gutes Beispiel für gelebte Inklusion.
„Jeder kann was“ das ist unser Motto, betonen
die MitarbeiterInnen
Gerne hätte die Behindertenförderung Linsenhofen e.V. noch mehr ehrenamtliche Mitarbeiter
oder auch zusätzliche Kooperationspartner.
Sehr beeindruckt von der Inklusion der Behindertenförderung verlies ich mit einem guten Gefühl
die sympathische Runde.
Beitrag: Willi-Gerhard List
Sichtweisen 16/2015
Sichtweisen
Esslingen – auf dem Weg zu einer inklusiven Stadt
Diana Rüdt im Gespräch mit „Sichtweisen“Redakteur Manfred Tretter. Im Amt für Soziales und Sport der Stadt Esslingen hat Diana
Rüdt die Koordinationsstelle für den umfangreichen Themenbereich Inklusion inne. Was
das im Einzelnen bedeutet, kann man im folgenden Text erfahren.
„Sichtweisen“: Erzählen Sie am Anfang unseren Leserinnen und Lesern doch etwas
Persönliches.
Rüdt:
Ich lebe mit meinem Mann und unserer
Tochter Hanna, die zwei Jahre alt ist, im
Kreis Ludwigsburg. Hier hat auch mein
Lebenslauf begonnen. Zum Studium
war ich in Trier und Tübingen. Einen
Abstecher gab es auch nach Schweden.
Dem Studienabschluss nach bin ich
Politikwissenschaftlerin und Empirische
Kulturwissenschaftlerin. Nach dem
Studium habe ich in einem Forschungsprojekt an der Universität Kassel gearbeitet. Es ging dabei um den demografischen Wandel und wie sich für die
Senioren neue Verbände und Organisationsformen bilden. Mir wurde klar,
dass ich gerne in die Praxis wechseln
und nicht in der Forschung bleiben
wollte. Es hat sich die Möglichkeit geboten, nach Kiel zu gehen und in einem
Sozialverband in der inklusiven Jugendarbeit tätig zu werden. Das war mein
erster beruflicher Kontakt mit Menschen
mit Handicap. Die Initiative, dass wir
uns wieder nach Süddeutschland orientiert haben, ging von meinem Mann
aus, der beruflich wechseln wollte.
Nach einem Jahr Elternzeit habe ich begonnen, mich hier um einen beruflichen
Einstieg zu kümmern. Mit der Stelle in
Esslingen ging es dann ziemlich schnell.
„Sichtweisen“: Wie war dann Ihr Start hier bei
der Arbeit?
Rüdt:
Im April 2014 kam ich in Esslingen an.
Die Stadtverwaltung hat sich das Ziel
Sichtweisen 16/2015
gesetzt, in gut einem Jahr einen Aktionsplan zu erarbeiten, der die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit
Behinderungen in Esslingen verbessern
soll. Meine Aufgabe besteht in der Koordination des Entstehungsprozesses.
Das Projekt „Auf dem Weg zu einem
Inklusiven Esslingen“ wird vom Sozialministerium des Landes Baden-Württemberg gefördert. Der Aktionsplan
sollte nicht vom Schreibtisch aus geschrieben werden, sondern auf der
Grundlage einer fundierten Analyse und
unter breiter Beteiligung von Menschen
mit Behinderung. Es geht in dieser Analyse um Fragen der Lebenssituation von
Menschen mit Handicap in Esslingen:
Welche Angebote gibt es schon, welche
Teilhabewünsche bestehen noch?
Die Stadtverwaltung hat das Stuttgarter
Institut für angewandte Sozialwissenschaften damit beauftragt, die Daten
zu erheben und auszuwerten. Neben
dieser wissenschaftlichen Analyse wollten wir den Prozess dafür nutzen, nachhaltige Beteiligungsstrukturen aufzubauen. Es wurde ein Projektbeirat eingerichtet. Alle Gremien sind mit der
Absicht gebildet worden, dass sie
weiterhin laufen können, um die zukünftige Umsetzung zu begleiten.
17
Sichtweisen
Esslingen – auf dem Weg zu einer inklusiven Stadt
„Sichtweisen“: Wie ist man dann zu Ergebnissen gelangt?
Rüdt:
Zunächst haben wir Organisationen zu
den bereits bestehenden Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderung befragt. Das waren beispielsweise
Ärzte, Apotheken, Schulen, Beratungsstellen, Wohnungsbaugesellschaften,
Freizeiteinrichtungen und Vereine. Dieser Personenkreis erhielt einen Fragebogen. Es wurden auch Experteninterviews mit Einrichtungen der Behindertenhilfe und Interessenverbänden von
Menschen mit Behinderung geführt.
Damit kommen wir auch zu meinen
Aufgaben: Bestandsanalyse, Beteiligungsstrukturen und Aktionsplan zusammen zu bringen.
„Sichtweisen“: Ich konnte selbst an zwei
Besprechungsrunden teilnehmen, bei
denen man sich themenbezogene
Gedanken machte.
Rüdt:
18
tagten die sogenannten Fokusgruppen
zu den fünf Handlungsfeldern. Es gab
dabei eine sehr breite Teilnahme z. B.
Menschen mit Behinderung, Mitglieder
der Bürgerausschüsse, Vertreter unterschiedlicher städtischer Fachämter,
Wohnungsbaugesellschaften, Volkshochschule, Sportvereine, Schulen und Busunternehmen. In den Fokusgruppen
wurden die Ergebnisse der Bestandsanalyse im Hinblick auf Teilhabemöglichkeiten, Teilhabewünsche und Teilhabehindernisse präsentiert und diskutiert.
Die Fokusgruppen setzten Prioritäten
hinsichtlich der Handlungsbedarfe und
erarbeiteten konkrete Handlungsempfehlungen, die in den Aktionsplan einfließen werden.
Ja, der Austausch mit Menschen mit
Behinderung und mit Fachleuten ist uns
sehr wichtig. Wir hatten entschieden,
nicht alle Handlungsfelder zu bearbeiten, die in der UN-Behindertenrechtskonvention behandelt werden. Im
Mittelpunkt sollten Bereiche stehen,
in denen kommunaler Handlungsspielraum besteht. Ausgewählt wurden demnach die Lebensbereiche „Bildung und
Erziehung“, „Barrierefreiheit im öffentlichen Raum“, „Freizeit, Kultur, Sport“,
„Gesundheit und Versorgung“ sowie
„Wohnen“. Die Bestandsanalyse konzentriert sich auf diese Handlungsfelder und
darauf baut der Aktionsplan auf. Es gab
die schriftliche Befragung von relevanten Organisationen zu den bestehenden
Teilhabemöglichkeiten, und die Befragung von Menschen mit Behinderung.
Die im November 2014 durchgeführte
Zukunftswerkstatt brachte schon
Zwischenergebnisse. Im März 2015
„Sichtweisen“: Wenn man auf die Stadt
schaut, sind doch die Stadtteile sehr
verschieden.
Rüdt:
Wir haben Sozialraumerkundungen in
allen zwölf Bürgerausschussbezirken
durchgeführt. In den Bezirken wurden
Treffen abgehalten, zu denen öffentlich
eingeladen wurde. Die Frage war: Wo
gibt es im Bürgerausschussbezirk bereits gute Beispiele für gelebtes Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung, wo fehlt es noch? Wo gibt es
Potentiale, die man einbeziehen kann?
„Sichtweisen“: Wie beurteilen sie die Beteiligung an diesem doch sehr komplexen
Vorgehen?
Rüdt:
Ich bin insgesamt sehr zufrieden. Es
herrschte eine gute Atmosphäre mit
konstruktiven Ideen. Besonders gefreut
hat mich, dass sich beispielsweise in
den Fokusgruppen neue Kontakte zwischen Menschen mit und ohne Behinderung ergeben haben und erste Ideen der
Zusammenarbeit geschmiedet wurden.
In der Innenstadt konnte man erwartungsgemäß mehr Menschen erreichen
Sichtweisen 16/2015
als am Stadtrand.
angeordnet. Wichtig ist uns, dass themenbezogen weiter gearbeitet wird,
wie es während der Bestandsaufnahme
eingeführt wurde. Eine Möglichkeit
dafür wäre, dass die Fokusgruppen in
regelmäßige Arbeitsgruppen entlang der
fünf Handlungsfelder überführt werden.
„Sichtweisen“: Wie ist nun der Stand?
Rüdt:
Ende April war der Abgabetermin für
den Bericht des Forschungsinstitutes.
Aufgrund dieses Berichtes und meiner
eigenen Erfahrungen der letzten Monate
erstelle ich den Aktionsplan. Der Aktionsplan wird dann dem Gemeinderat
vorgelegt. Von selbst wird die Umsetzung des Planes nicht laufen. Das ist
ein fortlaufender Prozess unter Beteiligung von Menschen mit Behinderung
und anderen wichtigen Akteure der
Stadtgesellschaft. Die Stadt Esslingen
kann den Weg hin zu einem inklusiven
Esslingen nicht alleine gehen. Deshalb
bitten wir insbesondere Menschen mit
Behinderung und ihre Interessenvertreter wie auch die Einrichtungen der
Behindertenhilfe darum, sich mit ihren
Ressourcen und Kompetenzen in diesen
Prozess einzubringen. Ganz wichtig ist
es uns, dass Strukturen verankert werden, die helfen diese Maßnahmen gut
umzusetzen und den Prozess unterstützend zu begleiten. Auf der anderen
Seite gibt es auch Begrenzungen, wenn
z. B. verschiedene Baumaßnahmen zum
Abbau von räumlichen Barrieren notwendig sind, die sehr viel Geld kosten.
Hier wird es sorgfältiger Abwägungen
bedürfen.
„Sichtweisen“: Wie könnte diese Organisationsform aussehen?
Rüdt:
Genau kann ich das noch nicht sagen,
wie es kommen wird. Im Zentrum der
Überlegungen steht als Fortführung
des Projektbeirates ein Inklusionsbeirat,
in dem Vertreter der Verwaltung, Fachleute der Behindertenhilfe und Betroffene zusammenarbeiten. Wir brauchen
die Menschen mit Behinderung, die sich
mit ihrem Erfahrungswissen einbringen.
Es wird nicht von oben herab etwas
Sichtweisen 16/2015
„Sichtweisen“: Wie könnte denn unser Thema
noch mehr in die Öffentlichkeit kommen?
Rüdt:
Am 29. September 2015 wird es im
Alten Rathaus eine Auftaktveranstaltung
zur Vorstellung und Umsetzung des
Aktionsplanes geben, etwa nach dem
Motto „Blick zurück nach vorn“. Dort
sollen schon einige Projekte benannt
werden, die man sich für das nächste
Jahr vornehmen will. Dies könnte eine
Schulung für Busfahrer in Bezug auf
Umgang mit Menschen mit Behinderungen sein, eine Checkliste für Veranstaltungen, die Menschen mit Behinderung
ansprechen soll oder eine Assistenzbörse für Begleitung und Unterstützung.
Der Inklusionsprozess ist eine große
Chance für alle, wird doch eine Stadt
lebenswerter für alle. Offenheit und
Bereitschaft zur Begegnung sind Haltungen, die bei unserem Thema wichtig
sind. Bei der erwähnten Veranstaltung
soll es auch kulturelle Beiträge geben
und wir wollen ein bisschen feiern.
Das gibt dann auch Schwung für die
kommende Arbeit im Sinne der UNBehindertenrechtskonvention. Schließlich geht es bei unserem Thema nicht
um eine kleine Randgruppe, sind doch
mehr als 10 % der Bevölkerung von
Behinderung betroffen. Und wie ich
schon sagte, eine inklusive Stadt ist
eine lebenswerte Stadt für alle.
Die „Sichtweisen“ bedanken sich für das
Gespräch und wir hoffen, bald über konkrete
Vorhaben aus Esslingen berichten zu können.
Der Artikel entstand im Mai 2015.
19
Sichtweisen
Inklusionsprojekt e. V.
„ Inklusionsprojekt e.V. – Inklusion erleben “
Inklusion
ist vielmehr als „nur“ Kindern mit und
ohne Behinderung das gemeinsame Lernen
zu ermöglichen.
Inklusion
ist die Forderung und Formulierung
einer Idee nach einem
gesellschaftlichen Paradigmenwechsel.
Inklusion funktioniert nur,
wenn das absolute Leistungsprinzip
überdacht wird,
wenn menschliche Werte vor
machtpolitischen Interessen
wieder mehr in den Vordergrund rücken,
wenn wissenschaftliche Erkenntnisse
vor wirtschaftlichen und
kirchlichen Dogmatismen stehen,
20
wenn mehr miteinander,
nicht übereinander geredet wird,
Machtstrukturen aufgebrochen werden
und eine Öffnung in Richtung neuer
gesellschaftlicher Utopien stattfindet, sprich:
wenn die Gesellschaft sich radikal verändert.
Deshalb ist Inklusion
ein langer, schwieriger
und dynamischer Prozess.
Wir befinden uns am Anfang dieses Weges,
aber wir haben ihn endlich beschritten.
Gegenseitiges Verständnis im Sinne des
Verstehens, nicht des Wegschauens, ist die
Grundlage, um den Weg gemeinsam zu gehen.
Redaktion Sichtweisen, Willi-Gerhard List
Sichtweisen 16/2015
Sichtweisen
Kunstprojekt
Kunstprojekt im Zentrum
für Arbeit und Kommunikation Esslingen
Auf die Idee kommt es an
Klar, das ist doch schon ein Gemeinplatz für soziale Einrichtungen, offene Tür, niedrige Schwelle
usw. Aber wie macht man das, wenn man damit
eine wichtige Botschaft verbinden will.
Zum Beispiel verlief die letzte Weihnachtsfeier
etwas anders. Es gab ein Buffet an dem einige
Nachbarn zur Beteiligung eingeladen waren. Und
jetzt im Sommer sollte daran angeknüpft werden,
man zog die Ergotherapeutin Christine Glotzmann
hinzu, die schon mehrere Projekte im Zentrum für
Arbeit und Kommunikation (ZAK) geleitet hatte.
Geboren wurde schließlich die Idee, Gesichter/
Masken auf Kacheln zu gestalten.
Wer ist wer
Soll das Vorhaben gelingen, braucht man dafür
günstige Voraussetzungen. Der Arbeitsprozess
soll nicht zu lange dauern, wer nicht oft teilnehmen kann, soll auch das Ziel erreichen. Eine besondere Vorbildung soll nicht erforderlich sein. Sodass sich jeder im ZAK angesprochen fühlen
könnte. Anleitung und Hilfe war immer in der
Nähe, dass sich niemand allein gelassen fühlen
musste. Mit dem Thema Gesichter beschäftigen
wir uns das ganze Leben, mit dem eigenen Gesicht im Spiegel, den Gesichtern der Menschen
um uns, mit den Gesichtern und Masken in den
Medien und der Kunst. Es gibt für den Ausdruck
von Gesichtern unendlich viele Möglichkeiten auf
der Skala der Emotionen und in unendlichem Formenreichtum begegnen sie uns ganzkörperlich.
Man wird durch das Projekt angeregt, die eigene
Wahrnehmung gegenüber der so persönlichen
Sichtweisen 16/2015
Welt des Antlitzes zu verfeinern. Die Arbeitsphase lief einmal wöchentlich über zwei Monate im Sommer. Man traf sich
im Innenhof des ZAK. Kolleginnen und Kollegen der Gemeindepsychiatrie waren ebenso
von der Partie wie Besucherinnen und Besucher des ZAK und
weitere Interessierte. In kreativer Atmosphäre entstanden
hunderte Kacheln. Bei künstlerischem Tun können wir unsere gewohnten Rollen
verlassen und neue Seiten der Begegnung kennenlernen, die sonst oft zu kurz kommen.
Was daraus geworden ist
Jeder Beteiligte hat ein Ergebnis erreicht. Jede Kachel hat einen individuellen Ausdruck, der sich
während des Entstehungsprozesses in das Material eingeschrieben hat. Man kann die Einzigartigkeit des eigenen Werkes wiedererkennen, und
man fühlt zugleich die eindrucksvolle Vielfalt des
Ensembles aller Arbeiten. Auf der Metallplatte befestigt, tritt uns ein Panorama von Gesichtern entgegen, sie zeigen die aufgefächerten Möglichkeiten der menschlichen Existenz, die, so vielfältig
anzuschauen, doch nur die Momentaufnahme
eines glücklichen Sommers ist.
In den Räumen des ZAK, Franziskanergasse 7,
Esslingen kann man den Gesichtern gegenüber
treten und sich selbst ein Bild machen.
Beitrag: Manfred Tretter
21
Sichtweisen
Erfahrungen und Meinungen von Betroffenen
Es gibt viel zu tun – Interview zum Thema Inklusion unter Werkstatt-Teilnehmern/-innen
der Tagesstätte für psychisch kranke Menschen der Firma ARBEG g GmbH.
Die Fragen stellte Willi-Gerhard List.
Die anderen Gesprächsteilnehmer/-innen:
Karsten Lindner (Redaktionsmitglied der Sichtweisen), Karin, Ulrike, Sven
Zuerst erklärte ich den Begriff „Inklusion“ und
stellte fest, dass dieser eher unbekannt war
oder es nur vage Vorstellungen von Inklusion
gab.
Danach stellte ich die erste Frage:
„ Wie finden Sie es, wenn Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Handicaps an Schulen
zusammen mit gesunden Kindern unterrichtet
werden?“
Karin und Sven äußerten sich ähnlich und meinen zuerst, dass hierfür die Lehrer speziell und
gut ausgebildet sein müssen.
Ulrike sagte deutlich, sie fühle sich in einer Gemeinschaft mit Menschen mit ähnlichen Handicaps (wie hier in der Tagesstätte) wohler und
steuert beispielhaft eine kleine, fast makabre
Geschichte bei: Als sie beim Zahnarzt war und
nach ihren Medikamenten gefragt wurde, die sie
regelmäßig einnehmen müsse, war natürlich das
Krankheitsbild der Patientin offengelegt und die
Arzthelferin fragte den Arzt, ob sie jetzt Angst
haben müsse?
Karsten hingegen hätte gern mehr Kontakt zu „
normalen “ Leuten, um ein besseres Selbstvertrauen zu entwickeln und auch, um von anderen
lernen zu können.
Sven sagte, er sei gerne hier und komme mit
den meisten hier gut klar.
Karin erzählte: „ In meiner Familie hat es lange
gedauert, bis gegenseitiges Vertrauen entstanden war.“ Karsten findet, viele Menschen gingen
zu sehr auf Distanz gegenüber Menschen mit
psychischem Handicap.
Ulrike meint: „ Es ist wichtig, dass keine Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen
stattfindet.“ Viele hätten jedoch Ängste vor psychisch Kranken, da die meisten diese Krankheiten nicht so gut kennen.
Karin fügte ein: Wenn Menschen sagen, die
„spinnt “, das tue schon weh.
Karsten fügt hinzu, dass in unserer Gesellschaft
eine Sensibilisierung für solche Menschen stattfinden sollte.
Ulrike hat den Eindruck, oft nicht so ernst genommen zu werden und teilweise auch von Ärzten schlechter behandelt zu werden.
Die zweite Frage lautete:
„Sind Sie im privaten Umfeld (bspw. im Freundeskreis) auch mit gesunden Menschen zusammen und fühlen Sie sich dabei angenommen und
verstanden?“
Die dritte und letzte Frage war:
„ Angenommen es gäbe für Sie in einem normalen Betrieb (unter Gesunden) angemessene Arbeit, würden Sie dies einer Einrichtung wie hier
(einer Werkstatt für behinderte Menschen) vorziehen?“
Karin meint dazu: „Gesunde Menschen können
oft mit psychisch Kranken wenig anfangen –
viele tun sich im Umgang mit uns schwer.“
Karsten ist der Meinung, besser nicht gleich zu
sagen, dass man psychisch krank ist.
22
Sven stimmt bei und fügt hinzu: „ Die Menschen
akzeptieren das nicht immer.“
Sven sagte klar: „ Er arbeite gern hier. Früher, als
er „normal“ gearbeitet hat, hätte er viele
schlechte Erfahrungen machen müssen.
Karsten meint: „Ich habe hohe Ansprüche an
mich und würde deshalb normale Arbeit vorzie-
Sichtweisen 16/2015
hen. Das würde mir ein Gefühl der Zugehörigkeit
geben. Die Realität sieht wohl aber anders aus.
Außerdem bin ich auch schon 54 Jahre alt.“
Ulrike sagte: „Ich brauche momentan den geschützten Rahmen hier. Sie sei lange auf dem
freien Arbeitsmarkt gewesen und hätte da auch
schwierige Erfahrungen hinter sich. Generell
müsste mehr Rücksicht auf uns genommen werden. Wenn man so offen über seine Erkrankung
spricht, wird man schnell stigmatisiert und diskriminiert.“
Auch Karin hat es schon oft auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt versucht und meinte: „Da müsste
sich vieles erstmal positiv entwickeln.“
Allgemein besteht in der Gruppe die Auffassung,
dass die Anforderungen in der Arbeitswelt
enorm gestiegen seien und es immer mehr
Druck und mehr Stress gäbe.
stehen, weniger Profit und Wachstum. Eine solche Entwicklung kann ich jedoch nicht erkennen,
wenn wohl auch in Teilen der Bevölkerung ein
Umdenken stattfindet “
Ulrike fügt hinzu, es müsste sich sehr viel ändern, wenn der Mensch mehr zählen würde,
d.h., wenn eine höhere Wertschätzung gegenüber den Teilnehmern/-innen vorhanden wäre. Wir
hätten bessere Chancen, unsere Fähigkeiten einzubringen, vielleicht sind wir ja doch in einem
Umbruch des sozialen Umdenkens hier in
Deutschland.“
Karsten: „Dass Flüchtlinge bei uns von weiten
Teilen der Bevölkerung angenommen und integriert werden, macht mir Hoffnung, dass sich
dies vielleicht auch positiv auf uns psychisch
kranke Menschen auswirken könnte.“
„Ich würde es begrüßen, wenn auch in den Medien mehr über psychische Erkrankungen und Inklusion berichtet wird.“
Unsere Tagesstättenleiterin, die unsere Gespräche aufmerksam verfolgte, stimmte dem zu und
meinte, dass die Anforderungen im Arbeitsleben
gestiegen sind und merkte an, dass auch gesunde Menschen ihre Grenzen und ihre „wunden Punkte “ hätten.
Ich war geradezu begeistert, wie offen und angeregt unsere Gesprächsrunde war und wie
viele interessante Aspekte und Meinungen geäußert wurden.
Ich warf ein: „Es wäre ein Wertewandel in unserer Gesellschaft und in der Wirtschaft notwendig.
Der (arbeitende) Mensch sollte im Mittelpunkt
Herzlichen Dank an meine Kolleginnen und Kollegen für dieses Interview.
Willi-Gerhard List
Es war ein gigantisches Konzert. Seine Stimme
gefällt mir und ich finde, er sieht noch immer
sehr gut aus. Die Halle war brechend voll mit
begeisterten Fans.
richtig krachen lassen. Der Jubel war groß
und die Begeisterung wurde lautstark kundgetan. Im Gegensatz zu früher ist die Bestuhlung für Behinderte in der Schleierhalle besser
gelöst. Die Behinderten sitzen am Rand der
Bestuhlung und eine Rampe wurde gebaut.
Mit der Musikfolge hatte ich meine Schwierigkeiten. Er hatte mir zu wenig alte Hits gespielt
(nur vier). Hauptsächlich hat er aus seinem
neuen Album gespielt.
Das Konzert war sehr lang (3 Stunden) – aber
bestimmt nicht langweilig. Es war für mich
und sicher auch für andere ein „High Light“.
Ich denke heute noch gerne zurück.
Natürlich auch gut und unverkennbar. Er hat es
Beitrag: Annerose Klingmann
Rock-Konzert mit Peter Maffay
Sichtweisen 16/2015
23
Sichtweisen
Inklusion aus Sicht der Kirche
Ich habe Herrn Haußmann, den
Geschäftsführer der Diakonie
im Landkreis Esslingen, befragt. Er gab mir Informationsmaterial zum Thema, in dem
auch Jesus genannt wird, der
Schwache und Ausgegrenzte
an einen Tisch brachte.
In den 10 Thesen des Fachverbandes Behindertenhilfe wird eine volle Teilhabe für Menschen
mit Behinderung gefordert. In den Unterlagen
der Diakonie zur Inklusion wird festgestellt, dass
Inklusion in der Arbeitswelt nur zusammen mit
den Werkstätten für behinderte Menschen gelingen kann. Es wird die Meinung vertreten, dass
sich darin Alternativen zur WfbM eröffnen, wenn
Menschen mit Behinderung ein durchlässiger
und flexibler Zugang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglicht. Es muss möglich sein,
eine dauerhafte Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt zu nutzen, auch wenn dazu persönliche Assistenz nötig ist.
Ein uneingeschränktes Rückkehrrecht in eine
WfbM muss gewährleistet sein.
Sozialversicherungsrechtliche Regelungen, die
bisher an einen Arbeitsplatz in der WfbM gebunden sind, müssen unabhängig vom Beschäftigungs- und Rehabilitationsort gelten. Ein dauerhafter Mindestleistungsausgleich muss als Anreiz
für Arbeitgeber geschaffen werden, Menschen
mit einer Behinderung anzustellen.
Die Diakonie Württemberg versteht
unter Inklusion:
Alle haben das Recht, ihr Leben
gut zu gestalten.
Alle Menschen sind von Gott gewollt, jeder besitzt Menschenwürde und Menschenrechte.
Diakonie ist die soziale Arbeit der Kirche, sie ist
auf dem Weg: Sie verwirklicht Inklusion Stück für
Stück. Sie setzt sich ein: Alle Menschen sollen am
Leben und in der Gesellschaft teilhaben können.
24
Alle sollen:
• gemeinsam aufwachsen
• gemeinsam lernen können
• gemeinsam leben und arbeiten können
• alle müssen überall willkommen sein und die
Hilfe bekommen, die sie brauchen.
Alle sollen sich beteiligen können und Verantwortung übernehmen. Alle sollen mitmachen können. Menschenrechte gelten für alle, es müssen
alle die gleichen Möglichkeiten haben.
Deshalb müssen Hindernisse überwunden werden. Die Diakonie will eine Welt, in der alle so
sein können, wie sie sind. Jeder Mensch ist
gleich viel Wert. Das ist unabhängig davon, wer
er ist und was er kann. Jeder Mensch hat Fähigkeiten.
Aber jeder Mensch hat Einschränkungen.
Das gehört zu seinem Leben. Jeder Mensch
muss und darf so angenommen werden, wie
er ist. Wir sollten so miteinander umgehen,
dass jede und jeder für sich selbst entscheiden
und handeln kann.
Körperliche und seelische Einschränkungen gehören zu jedem Leben dazu. Manchmal empfinden
wir diese besonders belastend. Diese Einschränkungen gehören zum Leben, wie Gott es geschaffen hat.
Die Bibel hilft, mit den eigenen Einschränkungen
umzugehen. Menschen brauchen einander, wir
können nicht ohne Beziehungen und Gemeinschaft leben. Die Diakonie will eine Gesellschaft
in der die Menschen füreinander da sind, sie ist
offen für Fremdes und Neues. Um Inklusion zu
verwirklichen, müssen alle Beteiligten bereit
sein, sich zu verändern.
Es müssen Bildungsangebote, Wohnungsgebiete,
Arbeitsplätze und Hilfsangebote verändert werden. Gleichzeitig soll jede und jeder die passende
Hilfe bekommen. Die Diakonie setzt sich dafür ein,
dass immer die persönlichen Rechte und Bedürfnisse angeschaut werden. Nach diesem Recht
und den Bedürfnissen soll gehandelt werden.
Sichtweisen 16/2015
Wo Menschen wohnen, ist die Wohnung wichtig
und das, was sich um die Wohnung herum befindet.
Und jetzt die Antworten meiner Befragung
an Herrn Haußmann:
Es geht um Möglichkeiten:
1. Die evangelische Kirche gestaltet und veranstaltet die Vesperkirche. Dort treffen sich Menschen auf gleicher Augenhöhe, damit die Menschen, die von der Kirche betreut werden, eine
Stimme bekommen.
• Cafés zu besuchen
• günstig einkaufen zu können
• Geld am Bankautomaten holen
• Freizeitmöglichkeiten nutzen können
und Schulen besuchen können.
Es braucht Orte wo jede und jeder dazugehören
und Freunde finden kann. Unterstützung muss
bezahlt werden können.
1) Planungen müssen zusammen mit den Verantwortlichen der Stadt, Verantwortlichen der Einrichtungen und Bürgerinnen und Bürgern mit
und ohne Behinderung gemacht werden.
2) Es muss alles getan werden, damit das Miteinander am Wohnort gelingt. Das müssen genügend Menschen wollen und dabei mithelfen.
Für das Zusammenleben sind Respekt und Vertrauen sehr wichtig. Es braucht Orte, an den sich
Menschen treffen können. Diese müssen bekannt sein. Inklusion gelingt dann, wenn Menschen erleben, dass sie etwas bewirken, verändern und gestalten können.
Alle Menschen können Verantwortung für sich
selbst und andere übernehmen.
2. Das Weihnachtsfest, plus – Feier im Eckpunkt
(Diakonie Kirchheim/Teck)
Herr Haußmann versteht sich als Anwalt der
Schwachen und der Menschen mit psychischer
Behinderung. Er trägt das Thema Inklusion in die
Öffentlichkeit, denn diese Menschen sind genauso Teil der Gesellschaft wie andere.
3. Die Ex-In- Fachkräfte bei der Inklusion:
Das sind Leute, die sich in ihrer eigenen
psychischen Erkrankung zum Spezialisten
haben ausbilden lassen und können so bei der
Beratung und Hilfeleistung ihre eigenen persönlichen Erfahrungen einbringen. Der Ex-In
Spezialist kann so auch für sich selbst herausfinden, wo er steht.
Herr Haußmann beschreibt seine Diakonie auch
als lernende Einrichtung.
4. Kirchentage gestalten auf deren psychisch
krank sein immer wieder Thema ist.
5. Diakonie als Ort für die Angehörigen.
Alle Menschen haben eine Meinung. Sie können
überlegen, was für sie selber und andere wichtig
ist. Sie können selbst Entscheidungen treffen
und sind für andere wichtig. Sie können die Gesellschaft gestalten. Beteiligung geht nur miteinander.
Kirchengemeinden und Diakonische Einrichtungen beteiligen und stärken Menschen. Dabeisein
und Mitmachen bedeutet nicht, dass es keine
Ungerechtigkeiten mehr gibt. Beteiligt werden
ist aber der Anfang eines inklusiven Miteinanders. Deshalb ist Beteiligung für die Diakonie
so wichtig.
Sichtweisen 16/2015
Sich als Psychisch krank outen?
Ist mutig, aber nicht immer hilfreich.
Als Psychisch Kranker kann man um Verständnis bitten und sich für die Sache einsetzen.
Gemeindenahe Inklusion im Landkreis:
Politik und Verwaltung sind gefordert.
Was Inklusion für Herrn Haußmann bedeutet:
Dass wir aufeinander zuwachsen, dann ist Inklusion eine gute Perspektive für unsere Gesellschaft!
Beitrag: Karsten Lindner
25
Sichtweisen
Wachsende Akzeptanz für Inklusion an Schulen
Eine Umfrage von Infratest im Auftrag
der Bertelsmann-Stiftung*
Vom gemeinsamen Unterricht sollen alle profitieren, Kinder mit und ohne Handicap. Ob das gelingen kann, wird in Politik, Lehrerzimmern, aber
auch bei Eltern kontrovers diskutiert. Dazu hat die
Bertelsmannstiftung in diesem Sommer eine Umfrage veröffentlicht. Aus der Befragung von 4.300
Eltern ergab sich eine gute Bewertung inklusiver
Schulen.
In den Bereichen der Förderung nach individuellen
Stärken sowie der Kompetenz und dem Engagement der Lehrer schneiden in der Beurteilung der
Eltern inklusive Schulen besser ab – und zwar unabhängig davon, ob das eigene Kind Förderbedarf
hat oder nicht. Eltern, die Erfahrung mit inklusivem Lernen haben, sind deutlich weniger skeptisch, als Eltern ohne diese Erfahrung.
So glauben 58 % der Befragten ohne Inklusionserfahrung, Inklusion gehe auf Kosten des fachlichen
Lernens, bei Eltern mit Inklusionserfahrung glauben dies nur zu 44 %. Es zeigt sich deutlich, je
mehr Berührungspunkte Eltern mit inklusiven
Schulen haben, umso höher ist die Offenheit für
verschiedene Gruppen von Förderschülern (etwa
Kindern mit Lern- und Verhaltensstörungen, mit
geistigem oder körperlichem Handicap).
Fragt man dagegen die Eltern ganz allgemein zu
ihrer Einstellung gegenüber inklusivem Lernen,
stufen zwar 70 % Inklusion als gesellschaftlich
wichtig ein, doch sind etwa die Hälfte der Befragten der Meinung, dass Kinder ohne Förderbedarf
auf inklusiven Schulen fachlich gebremst werden.
Interessant scheint mir auch folgender Vergleich: Von den Eltern, deren Kind an einer inklusiven Schule lernt, sind 68 % mit der individuellen
Förderung ihrer Kinder zufrieden – dagegen sind
es nur 58 % der Eltern, deren Kinder auf nichtinklusive Schulen gehen.
Wichtig erscheint mir auch, dass der soziale Zusammenhalt an Schulen mit Inklusion höher eingeschätzt wird als an Schulen ohne. Hoffnungsvoll
stimmt auch, dass das Zeugnis für Pädagogen an
inklusiven Schulen deutlich besser ausfällt als für
Lehrer an nichtinklusiven Schulen. Sie können aus
Sicht der Eltern besser erklären, sind engagierter
und fördern die Stärken der Schüler gezielter. Jörg
Berger, Mitglied des Vorstandes der Bertelsmannstiftung meint: „Lehrer an inklusiven Schulen werden von Eltern besonders geschätzt. Dies ist ein
wichtiges Zeichen für eine gelingende Inklusion in
Deutschland. “
Beitrag: Willi-Gerhard List
*https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/pid/eltern-geben-inklusiven-schulen-gute-noten/
Sichtweisen
Inklusion und Recovery in der Gemeindepsychiatrie
Laut Peter Lehmann stammen die Ursprünge
des Recovery-Begriffs aus dem Jahr 1937, als
Abraham Low vom Psychiatrischen Institut der
University of Illinois in Chicago den gemeinnützigen Verein „Recovery, Inc“ für Menschen mit
diversen psychiatrischen Problemen gründete.
Ziel dieses Vereins waren Selbsthilfemethoden
und Techniken parallel zu den kognitiven Therapien zu praktizieren, wobei das Thema Medikamente keine Rolle spielte.
In den späten 1980er und den frühen 1990er
Jahren wurde der Begriff in der Verbraucher-
26
schutzbewegung der USA und in der Literatur
zur Rehabilitation psychisch kranker Menschen
in Italien, den Niederlanden und Großbritannien
benutzt. Vorschub für diese Entwicklung der Recovery-Bewegung leisteten die Ergebnisse von
WHO-Länderstudien aus den 1970er und
1990er Jahren, sie zeigten unerwartet häufig
vollständige und soziale Gesundung.
Heute wird Recovery unterschiedlich benutzt,
so zielt das klinische Recovery-Modell auf die
Besserung von Symptomen und Funktionen
und das betroffenenorientierte Modell tendiert
Sichtweisen 16/2015
Sichtweisen
Inklusion und Recovery in der Gemeindepsychiatrie
auf die Hilfen in den Netzwerken, auf Empowerment und lebensweltlichen persönlichen Erfahrungen. In der Drogenbehandlung wird z.B.
das Zwölf-Schritte-Programm der Anonymen
Alkoholiker angewandt und in einer Veröffentlichung der US Gesundheitsbehörde bezüglich
Wiedererlangung der geistigen Gesundheit
werden 10 fundamentale Bestandteile von
Recovery genannt.
Andere Modelle basieren auf 6 Phasen (Angst,
Bewusstwerden, Erkenntnis, Aktionsplan,
Entschlossenheit und Wohlbefinden) oder
differenzieren innere und äußere Beeinflussungsfaktoren. In den angelsächsischen
Ländern zielt diese Recovery-Bewegung
auf politische und persönliche Implikationen
mit dem Fokus auf Heilung.
Im deutschsprachigen Raum wird der
Recovery-Begriff in Zusammenhang mit
guter Pflege durch die psychiatrisch Tätigen
benutzt.
Soziale Inklusion hat mit der UN-Behindertenrechtskonvention eine zentrale Bedeutung bekommen und geht über den Begriff der Integration hinaus. Inklusion leitet sich vom lateinischen includere ab und bedeutet: einschließen – im Sinne von umfassen; das Ganze
umfasst einen Teil – somit bezeichnet Exklusion
(Ausschluss) das Gegenteil. (Die Logik der Inklusion beschäftigte schon Aristoteles und bezeichnete den Zusammenhang von Dingen oder
Begriffen, die zwar getrennt bekannt oder gebraucht werden, aber die gleichen Merkmale
aufweisen). So beschreibt Inklusion die Gleichheit der Menschen. Das hat zur Folge: Inkludieren von psychisch kranken Menschen bedeutet,
dass sie vorher nicht exkludiert werden.
Soziale Inklusion ist verwirklicht, wenn der
nicht exkludierte Mensch in seiner Individualität
von der heterogenen Gesellschaft akzeptiert ist.
Der psychisch kranke Mensch ist nicht mehr gezwungen, für ihn nicht erreichbare Normen erfüllen zu müssen, vielmehr schafft die Gesellschaft Strukturen, in denen sich der Psychiatrie
Sichtweisen 16/2015
Erfahrene einbringen und auf seine Art wertvolle gesellschaftliche und volkswirtschaftliche
Leistungen erbringen kann.
Für psychisch kranke Menschen ist die Durchlässigkeit der Angebote dann von Bedeutung,
wenn aus der sozialen Exklusion eine soziale
Inklusion wird. Gemäß § 53 SGB XII sollte das
auch mit der finanzielle Unterstützung aus der
Eingliederungshilfe möglich sein. Bei der Umsetzung der Inklusion spielen Mentoren und
Peers eine wesentliche Rolle. Training von sozialer und emotionaler Kompetenz durch Tagesund Mehrtageswandern, gemeinschaftliches
Reisen, Theaterbesuche, Gottesdienste, Kinobesuche, Besuch von Kursen und Fortbildungen in
der Volkshochschule und anderer Aktivitäten in
der Kommune oder dem Stadtteil fördern nicht
nur den Abbau der Stigmatisierung in der Bevölkerung, sondern steigern auch die Resilienz der
Teilnehmer. Der Einsatz von Psychiatrie Erfahrenen fördert hier nicht nur die Kommunikation in
der Gruppe, sondern der ehemals pathologisch
diagnostizierte Mensch kann auch als Vorbild für
psychisch kranke Menschen dienen.
Recovery ist kein kontinuierlicher, linearer Weg,
es werden Entscheidungen gefällt und verworfen, die gleichen Entscheidungen können unterschiedliche Auswirkungen auf die Psyche, sozialen Beziehungen und den biologischen Körper
haben. Eine Gemeinsamkeit haben all diese Versuche, es ist eine steigende Resilienz, gesteigertes Wohlbefinden, geringere Vulnerabilität,
mehr Selbständigkeit und gesteigerte Sicherheit zu verzeichnen.
Durch eine entgeltliche Beschäftigung von
Peers entstehen hier auch Einnahmen in den
Sozialversicherungen. Mit einer sozialen Inklusion geht auch gleichzeitig die Verbesserung
sozialer, psychischer und physischer Gesundheit von Psychiatrie Erfahrenen einher, das
führt zu geringeren somatischen und psychischen Beschwerden, also weniger Medikamente und Arztbesuche, auch geringere
Zwangsbehandlungen, also weniger Verwaltung
und Kosten der Judikative und Exekutive.
27
Sichtweisen
Inklusion und Recovery in der Gemeindepsychiatrie
Psychoseerlebnisse als bereichernd für die persönliche Entwicklung, autonome Lebensziele
entwickeln, die eigene Verletzlichkeit anerkennen, sich im Kontakt zu Menschen und sein Wirken auf Menschen zu spüren, die innere Wahl
zur Annahme professioneller Hilfe haben, der
Psychose einen Sinn geben, die in zirkulärer
Weise genutzt werden und wirken. Hierbei
spielen Peers in der Gemeindepsychiatrie eine
entscheidende Rolle, mit einer emotional stabilen Beziehung zwischen den psychisch kranken
Menschen und den bezahlt arbeitenden Peers
erfahren die Beteiligten eine psychische, soziale
und biologische Besserstellung.
Bezahlte Arbeit von Psychiatrie-Erfahrenen hat
in Großbritannien und den Niederlanden einen
höheren Stellenwert als in Deutschland. Auch
werden hier die Psychiatrie-Erfahrenen weniger
pathologisch definiert, so dass es auch jüngere
Menschen stärker in die ehrenamtliche Arbeit
zieht.
Beitrag: Petra Besemer
Sichtweisen
Warum Inklusion?
Alle Menschen in unserer Gesellschaft haben dieselben Rechte, weil wir alle Menschen sind. Darüber haben die Vereinten Nationen (Abkürzung: UN)
auch einen Vertrag geschrieben:
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Der Staat Deutschland
hat diesen Vertrag auch unterschrieben und muss
sich an die Vereinbarung halten. Die Vereinbarung
und Inklusion lohnen sich, weil jeder Mensch
seine besonderen Fähigkeiten hat:
Wir können voneinander lernen und Neues entdecken. Wir können Freundschaften schließen und
jede Menge Spaß haben. Uns bieten sich viele
neue Möglichkeiten und tolle Erfahrungen. Inklusion rückt unsere bunte Gesellschaft in den Vordergrund. Jeder Mensch ist individuell und das haben
wir alle gemeinsam.
Menschen sind so verschieden
wie die Kontinente auf denen sie leben
mit ihren eigenen Kulturen
Eigenarten, Wünschen,
Hoffnungen und Zielen
Doch können alle zusammenfinden
voneinander lernen,
reicher werden
wenn sie sich annähern,
das Anderssein akzeptieren,
und als Bereicherung erleben.
Neue, gemeinsame, andere Ziele
können verwirklicht werden,
die man alleine nicht erreichen würde.
Die Gemeinsamkeit macht stark –
widerstandsfähig, mutig, ausdauernd
und spornt an – hilft manchmal
offenbar unmögliches zu realisieren.
Inklusion...
• schreibt allen Menschen dieselben Rechte zu
• unterscheidet nicht
• diskriminiert nicht
• ermöglicht Teilhabe
• ermöglicht Chancengleichheit
• bietet Chancen
• bietet Herausforderungen
• bietet Vielfalt
• erhöht die erlebte Lebensqualität
benachteiligter Menschen
28
Sichtweisen 16/2015
Sichtweisen
EX-IN Genesungsbegleitung
Inklusion in unserer Stadt Kirchheim unter Teck
am Beispiel meines Minijob-Arbeitsverhältnisses
beim Kreisdiakonieverband Esslingen im Sozialpsychiatrischen Dienst Kirchheim unter Teck
von 01.10.2013 – 31.12.2014:
Die EX-IN Genesungsbegleitung basiert nach
der Grundlage von Empowerment und Recovery.
Mit Empowerment (engl. empowerment = Ermächtigung, Übertragung von Verantwortung)
bezeichnet man Strategien und Maßnahmen,
die den Grad an Autonomie und Selbstbestimmung im Leben von Menschen oder Gemeinschaften erhöhen sollen und es ihnen ermöglichen, ihre Interessen (wieder) eigenmächtig,
selbstverantwortlich und selbstbestimmt zu
vertreten. Empowerment bezeichnet dabei
sowohl den Prozess der Selbstbemächtigung
als auch die professionelle Unterstützung der
Menschen, ihr Gefühl der Macht- und Einflusslosigkeit (powerlessness) zu überwinden und
ihre Gestaltungsspielräume und Ressourcen
wahrzunehmen und zu nutzen.
Ich bin Mensch - und du?
[ ein Gedicht von Joseph Beuys ]
Lass dich fallen
Lerne Schlangen zu beobachten
Pflanze unmögliche Gärten
Lade jemanden Gefährlichen zum Tee ein
Mache kleine Gesten
Werde ein Freund von Freiheit und Unsicherheit
Freue dich auf Träume
Weine bei Kinofilmen
Schaukel so hoch, du kannst
Tu Dinge aus Liebe
Mach eine Menge Nickerchen
Gib Geld weiter
Sichtweisen 16/2015
Das Wort Recovery bedeutet Wiedergenesung.
Die Ergebnisse der Verlaufsforschung widerlegen inzwischen das seit über 100 Jahren gültige Gerücht der Unheilbarkeit von psychischen
Erkrankungen. Diese Erkenntnis stellt dann auch
die momentan praktizierte vorwiegend fürsorgliche Behandlung in Frage.
Recovery steht für einen zutiefst persönlichen
und einmaligen Prozess der Veränderung der
eigenen Haltung, Werte, Gefühle, Ziele, Fähigkeiten und Rollen. Die Wiedergenesung führt
zu einem befriedigenden, hoffnungsvollen und
beitragenden Leben innerhalb des Rahmens,
den die Erkrankung vorgibt. Es geht auch darum,
einen neuen Lebenssinn zu entwickeln im
Prozess der Überwindung der fatalen Folgen
einer psychischen Erkrankung.
Die Patienten sind in Bezug auf Recovery nicht
nur Experten ihrer Krankheit, sondern auch ihrer
Gesundheit. Ihre persönlichen Erfahrungen sind
entscheidend geworden für die Entwicklung
neuer Behandlungskonzepte. Bei Recovery geht
es weniger um die Behandlung der Symptome als
um die Schaffung neuer Lebensqualität. Die Genesenden haben die sinnstiftende Hoffnung auf
eine Besserung ihrer Situation nie aufgegeben.
Mach es jetzt
Glaube an Zauberei
Lache eine Menge
Nimm Kinder ernst
Bade im Mondlicht
Lies jeden Tag
Stelle dir vor, du wärst verzaubert
Höre alten Leuten zu
Freue dich
Lass die Angst fallen
Unterhalte das Kind in dir
Umarme Bäume
Schreibe Briefe
Beitrag: Petra Besemer
29
Sichtweisen
EX-IN Genesungsbegleitung
Im Mittelpunkt des Konzepts steht die Botschaft
an die EX-IN Genesungsbegleiter, bei Betroffenen diese Hoffnung auf Besserung und Genesung aufrecht zu erhalten und die psychischen
Widerstandskräfte der Betroffenen zu stärken.
Das Konzept der Recovery gewinnt inzwischen
auch politisch immer mehr an Bedeutung. Für
viele Betroffene hat Recovery nämlich neben
einer persönlichen auch eine politische Bedeutung – dort wo man ist, einen Lebenssinn zu finden, Stigmatisierungen zu überwinden, ein
selbstbestimmtes Leben zu führen und seinen
Platz in der Gesellschaft zurückzufordern und das
Selbst zu beweisen. Recovery kann also eine
Manifestation von Empowerment darstellen.
Um andere gut begleiten zu können, ist es nicht
nur wichtig, die eigene Erfahrung der Bewältigung psychischer Krisen und hilfreicher Beziehungen zu reflektieren, sondern auch neue Sichtweisen und Haltungen aufzuzeigen. Dabei wird
durch die eigene Genesungserfahrung dem Betroffenen eine Unterstützung vermittelt, die ihn
„Inklusion was heißt das überhaupt?“
• wenn jeder offene Türen findet
• keine Angst haben muss
wegen seiner Behinderung
• das man sagen kann wo der „Schuh“ drückt
• das man angenommen wird
• das man sich auf Augenhöhe begegnet
Nur ein Wunschtraum?
Es hat sich schon vieles getan das muss man
sagen!
• Doch -% fehlen trotzdem noch:
z. B. Barrierefreiheit, ein Dauerbrenner!
• Muss man zum Arzt gehen, findet man Stufen vor dem Aufzug oder es gibt gar keinen.
• Will man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln
fahren ist das eine Herausforderung, man
muss sehr flexibel sein, um überhaupt mitgenommen zu werden!
30
befähigt, aus einem anderen Blickwinkel heraus
einen individuellen Weg aus der eigenen psychischen Krise zu finden.
EX-IN Genesungsbegleitung ergänzt das psychiatrische Gesundheitssystem. in dem gemeinsam
mit den Betroffenen auf Augenhöhe und aus eigener Erfahrung durch die eigene Krankheitsbewältigung begleitet wird.
Wir ersetzen jedoch nicht einen Psychiater oder
eine psychotherapeutische Behandlung, was oftmals von Betroffenen verwechselt wird.
Wir unterstützen zudem die Fachkräfte im Arbeitsteam beratend unter anderem auch in fachlichen Fragen, die Entscheidungen werden jedoch in diesen fachlich spezifischen Angelegenheiten nicht von uns vorgenommen.
EX-IN bedeutet grundsätzlich eine Entwicklung
„vom ICH-WISSEN ZUM WIR-WISSEN“
Beitrag: Petra Besemer
• Ist man glücklich hineingekommen, ein
neues Problem tut sich auf, wo kann ich mich
setzen? Oder wo kann ich mich parken?
• als Rollstuhlfahrerin muss man ziemlich
sportlich sein, um den Haltedrücker zu erreichen.
• und dann das Abenteuer des Hinausgehens!
• Ich hab’ immer meine Wechselkleidung im
Rucksack damit ich mich nicht erkälte vor
Schweißlachen!
• Will man jemand besuchen, dann hat man
sowieso die „Ar...karte“ gezogen! Aussichtslos steht (sitzt) man da und ärgert sich.
Meine Zukunftvision ist deshalb:
Dass die Bauherren an uns Betroffene denken
und die Häuser so bauen, dass wir Spaß haben
dort zu verweilen!
Beitrag: Daniela Goth
Sichtweisen 16/2015
Freizeitgruppe / Selbsthilfegruppe
für psychisch kranke Menschen und deren Angehörige / Kirchheim
Wir laden alle Interessierten
und Betroffenen ein, jeden
Donnerstag von 19–21 Uhr
im Mehrgenerationenhauses
Linde, Zentrum für Begegnung, Jugend & Kultur,
Alleenstr. 90, Kirchheim
unter Teck teilzunehmen.
TRIALOG- Veranstaltungen 2016
16. März 2016 – Thema Persönlichkeitsstörungen
1. Juni 2016 – Thema Bipolare Störung
21. September 2016 – Thema Inklusion
und das Bild psychisch Kranker
in der Öffentlichkeit
16. November 2016 – Thema Ängste
Jahres-Programm 2016
Januar
7. Januar – Malen nach Entspannungsmusik
14. Januar – Blitzlicht + Gespräche
21. Januar – Stadt-Land-Fluß + Humorspiel
28. Januar – Blitzlicht + Gespräche
Juli
7. Juli – Minigolf und Biergarten
14. Juli – Blitzlicht + Gespräche
21. Juli – Hohenneuffen
28. Juli – Blitzlicht + Gespräche
Februar
4. Februar – Brot gemeinsam backen
11. Februar – Blitzlicht + Gespräche
18. Februar – Gemeinsam Kochen
25. Februar – Blitzlicht + Gespräche
August
4. August – Themenabend mit Frau Stysch
11. August – Blitzlicht + Gespräche
18. August – Körpergymnastik
25. August – Blitzlicht + Gespräche
März
3. März – Abgrenzungsgruppenmalcollage
10. März – Blitzlicht + Gespräche
16. März – TRIALOG
24: März – Blitzlicht + Gespräche
31. März – Gehirnjogging
September
1. September – Themenabend Positives Denken
8. September – Blitzlicht + Gespräche
15. September – Tanztherapie
21. September – TRIALOG
29. September – Blitzlicht + Gespräche
April
7. April – AOK Fr. Birkmaier Stressbewältigung
14 April – Blitzlicht + Gespräche
21. April – DVD Dokumentarfilm
28. April – Blitzlicht + Gespräche
Oktober
6. Oktober – Themenabend Achtsamkeit
13. Oktober – Blitzlicht + Gespräche
20. Oktober – Entspannung nach Jacobsen
27. Oktober – Blitzlicht + Gespräche
Mai
5. Mai – Christi Himmelfahrt
12. Mai – Ausflug Tachenhäuser Hof
19. Mai – Blitzlicht + Gespräche
27. Mai – Fronleichnam
November
3. November – Stadtführung Kirchheim unter Teck
10. November – Blitzlicht + Gespräche
16. November – TRIALOG
24. November – Blitzlicht + Gespräche
Juni
1. Juni – TRIALOG
9. Juni – Blitzlicht + Gespräche
16. Juni – Themenabend Trauerbewältigung
23. Juni – Blitzlicht + Gespräche
31. Juni – AOK Nordic Walking Bürgerseen
Dezember
1. Dezember – Billiard-Kegeln-Bowling-Pitpat
8. Dezember – Blitzlicht + Gespräche
15. Dezember – Weihnachtsfeier
22. Dezember – Blitzlicht + Gespräche
30. Dezember – Jahresausklang Gespräch
Sichtweisen 16/2015
31
Inklusion – Gemeinsam anders
Fernsehfilm ARD
In Herrn Schwarz' Klasse sitzen Steffi (Paula
Kroh) und Paul (Max von der Groeben). Während
der vom Bildungsministerium versprochene
Schulhelfer nie auftaucht und Steffi mit ihrem
Rollstuhl an jeder Feuerschutztür hängenbleibt,
müht sich Schwarz gegen Vorurteile von Eltern
und Kollegen, die Inklusion zu verwirklichen.
Leicht machen es ihm auch Steffi und Paul
nicht. Sie versteckt sich hinter einem Panzer aus
Zynismus und vergrault alle gut gemeinten Annäherungsversuche, er ist zwar ein netter Kerl,
neigt aber zu gelegentlichen Wutausbrüchen. Es
ist eine langsame Annäherung von allen Seiten,
die der Film beschreibt. Am Ende wird das Versuchsprojekt nicht gänzlich gelingen.
Integration auf die belehrende Tour: Die ARD
will mit dem Drama „Inklusion” zeigen, wie
Behinderte voll in der Gesellschaft aufgehen
können. Ein halbherziger Versuch – denn den
Elan, Behinderte sich selbst spielen zu lassen, hatte das Erste nicht. Da war man schon
mal weiter.
Sie meinen es alle nur gut mit Steffi. Ihre Eltern,
ihr Lehrer, ihre Mitschüler. Aber Steffi hat keinen
Bock darauf, dass es irgendwer gut mit ihr
meint. Mit ihr, dem Krüppel. Steffi sitzt im Rollstuhl, sie hat eine spastische Lähmung und richtig schlechte Laune. Steffi und der lernbehinderte Paul sind Teil eines Pilotprojekts an einer
Gesamtschule, in der behinderte Schüler „inkludiert” werden sollen. „Inklusion – gemeinsam
anders” lautet entsprechend auch der Titel des
ARD-Dramas, das von Steffi und Paul erzählt.
„Inklusion” ist die verfilmte Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention. Sie soll die Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben verbessern und trat im Mai 2008 in
Kraft. Auch Deutschland hat sie ratifiziert, die
Verantwortung liegt bei den Ländern, die nach
und nach eigene Gesetze zur Inklusion verabschieden.
„Inklusion an Schulen ist schon lange ein großes
Thema, allerdings nur in Fachkreisen. Das wollten wir ändern”, sagt Werner Reuß, Chef von
BRalpha, dem Sender, der für den Film verantwortlich ist. BRalpha ist der Bildungskanal des
Bayerischen Rundfunks, ein Nischensender, der
sich, wie Reuß sagt, die „Menschenbildung” zur
Aufgabe gemacht hat. „Dazu gehört auch die
Frage, wie wir als Gesellschaft mit behinderten
Menschen umgehen.”
Ein Fernsehfilm, der ein sozialwissenschaftliches
Konzept als Titel hat, lässt den ganz großen Bildungsauftrag vermuten. Und so ist es auch. „Integration bedeutet, die Behinderten in die bestehende Gesellschaft einzugliedern. Inklusion will
die Veränderung der Gesellschaft, so dass man
nicht mehr unterscheidet zwischen
Behindertsein und nicht Behindertsein”, belehrt
der junge engagierte Lehrer Albert Schwarz (Florian Stetter) seine Vermählte. So, jetzt weiß auch
der Zuschauer Bescheid, der ein bisschen langsamer im Kopf ist.
32
Sichtweisen 16/2015
Neben Informationssendungen und dem „Telekolleg” will BRalpha verstärkt auf eine Vermischung von Bildung und Unterhaltung setzen. Infotainment würde das andernorts heißen. „Dort,
wo wir durch Emotionalisierung und Verdichtung
das Thema näherbringen können, versuchen wir
das”, sagt Reuß.
Die Idee scheint aufzugehen, zumindest auf den
ersten Blick. Mit dem Projekt hat es der kleine
Sender immerhin in die große ARD auf einen
prominenten Sendeplatz geschafft. Ein Dokumentarfilm zu diesem Thema würde, wenn überhaupt, niemals zur besten Sendezeit ab 20.15
Uhr ausgestrahlt. Dass es aus Sicht der Quote
mutig ist, „Inklusion” am Spielfilmmittwoch zu
zeigen, weiß man sicherlich auch in der ARD. Zumindest den sperrigen Titel wollte man dort ändern – BRalpha-Chef Reuß aber hielt daran fest.
Es wäre ihm sonst vorgekommen, als würde er
seinen Bildungsauftrag verleugnen, meint er.
Regisseur Marc-Andreas Bochert und sein Team
haben an einer Berliner Schule recherchiert und
mit Lehrern gesprochen. Warum behinderte
Menschen immer mehr aus der Öffentlichkeit
verschwinden, wie wenig unsere leistungsorientierte Gesellschaft auf Inklusion vorbereitet ist,
Sichtweisen 16/2015
wie gern Politiker zwar von Integration reden,
dafür aber bloß kein Geld ausgeben wollen –
das alles zeigt „Inklusion”.
Und trotzdem bleibt ein bitterer Beigeschmack
bei der ambitionierten Produktion zurück: Die
beiden Darsteller von Steffi und Paul, Paula Kroh
und Max von der Groeben, sind nicht behindert.
Sie hätten ernsthaft überlegt, mit behinderten
Darstellern zu arbeiten, sagen Senderchef Werner Reuß und Regisseur Marc-Andreas Bochert.
Aber das sei weder zeitlich noch finanziell machbar gewesen, das Casting und auch die Dreharbeiten hätten sich zu sehr in die Länge gezogen,
und die Mittel des kleinen Spartensenders seien
schließlich begrenzt. Kroh und von der Groeben
haben sich mit ihren Figuren auseinandergesetzt, beide sind in ihren Rollen glaubwürdig.
Aber eben nicht behindert.
Denn seien wir ehrlich: Erst wenn die Hemmschwellen, Schauspieler mit Behinderung zu engagieren, abgebaut sind, dann kann man wirklich
anfangen, von Inklusion in einer Gesellschaft zu
sprechen.„Inklusion – gemeinsam anders” ,
Mittwochsfilm der ARD
Beitrag: Petra Besemer
33
Infoteil
Filmtipps
Rico, Oskar
und die
Tieferschatten
Zum Thema gemacht:
Vielfalt, Andersartigkeit und Freundschaft
Der Film Rico, Oskar und die Tieferschatten
füllte im Sommer dieses Jahres (2014) die Kinos
und begeisterte kleine und große Zuschauer und
Zuschauerinnen. Er erhielt von der Deutschen
Filmbewertung und Medienbewertung FBW das
Prädikat “besonders wertvoll”.
Rico, Oskar und die Tieferschatten ist ein Film,
der sich ohne moralischen Zeigfinger und humorvoll mit Themen wie Andersartigkeit, Vielfalt
34
und Inklusion beschäftigt. Ein Film, der sich gut
eignet, sich mit Schülern der Thematik Inklusion
zu nähern. Es gibt eine Vielzahl von guten Unterrichtsmaterialien zum Film und seinen Themen.
Andreas Steinhöfel, der Autor des verfilmten
Kinderbuches, sagt zur Idee seines Buchs: „Ich
wollte ursprünglich ein Buch über ein hochbegabtes Kind machen. Und beim Kinderbuch tendiere ich, auch weil ich weiß, dass Kinder das
mögen, zu Gegensatzpaaren. Also musste es
Rico geben. Anfangs war er der kleine Doofe,
über den alle gelacht haben. Der Stichwortgeber
für die Gags. Bis ich merkte, dass ich die Figur
fies runterputzte. Plötzlich tat mir Rico richtig
leid. Autoren/Autorinnen hinterfragen ständig
ihre Figuren. Also fragte ich mich, wie sich eigentlich ein Kind fühlt, das nicht so tickt wie die
anderen. Ich schlüpfte in die Rolle von Rico und
dieser Perspektivenwechsel hat super funktioniert. Ich habe die Figur viel besser verstanden.“
Die Lern-Wirkstatt Inklusion Olpe+ hat den Film
Ende des Jahres 2014 in Kooperation mit der
Ansprechpartnerin für Menschen mit Behinderungen der Stadt Olpe, Tanja Antekeuer-Maiworm und dem Theaterleiter des Olper Cineplex
Kino, Stefan Brögeler, im Olper Kino gezeigt.
Über 1100 Schüler und Schülerinnen aus 15
Klassen von Grundschulen und weiterführenden
Schulen schauten sich den Film an und gaben
sehr positive Rückmeldungen.
Sichtweisen 16/2015
Imagine
Vielen Dank
Seit dem 2014 läuft
der Film „Imagine”
des polnischen Regisseurs Andrzej Jakimowski in unseren
Kinos, der Echoortung als Orientierungsmöglichkeit für
blinde Menschen
zum Thema hat.
für Nichts
Dieser Tage ist
in unseren Kinos
der Film „Vielen
Dank für Nichts”
angelaufen.
Worum gehts?
Darum geht's:
Ian (Edward Hogg) ist blind und verfügt über
eine besondere Fähigkeit: Über viele Jahre
lernte er, seine Umwelt quasi mit den Ohren
zu sehen. Durch genaues Zuhören orientiert
er sich mit Hilfe von Schallwellen. Er wird nach
Lissabon an eine weltbekannte, doch konservative Augenklinik gerufen, wo er verbesserte
Techniken im Alltag von Blinden vermitteln soll.
Valentins Leben gerät aus den Fugen. Nach
einem Snowboardunfall wird er zum Rollstuhlfahrer, befindet sich über Nacht im Heim und
wird von seiner Mutter gezwungen, an einem
Theaterprojekt für Behinderte teilzunehmen.
Das einzig Schöne am Heimleben ist die
Pflegerin Mira, die aber in festen Händen ist.
Doch was Ian seinen jungen Patienten eröffnet,
ist weniger ein Orientierungskurs als eine völlig
neue Art, in der Welt zu sein und das unlösbare
Rätsel unserer Gegenwart durch Imagination
und Neugier mit Sinn zu füllen. Ian verblüfft die
Schüler mit seinen aufregenden und riskanten
Methoden. Sie sollen helfen, die so verbindliche
Grenze zwischen Sehen und Nichtsehen zu
überwinden. Doch das ist mitunter lebensgefährlich.
Im Film spielen blinde Kinder und Jugendliche
mit. Zum Film gibt es eine Audiodeskription.
Diese kann bei Kinos angefragt werden, aber
soll auch über eine App unabhängig nutzbar
sein.
Valentin entscheidet sich, den Kampf mit dem
„gesunden”, erfolgreichen und gut aussehenden
Nebenbuhler Marc aufzunehmen und dessen
Tankstelle zu überfallen.
Voller Begeisterung bieten sich Lukas und Titus
als Komplizen an, und Valentin entdeckt,
dass seine Mitstreiter zwar behindert, aber
keineswegs bescheuert sind. Und echte
Freunde ziehen so ein Ding gemeinsam durch.
Fotos und den Trailer finden Sie unter
http://www.vielendankfuernichts-film.de
Beitrag: Petra Besemer
Fotos und Inhaltsbeschreibung:
http://www.imagine-der-film.de.
Sichtweisen 16/2015
35
Gestaltung und Realisation: www.logowerbung.de
Sichtweisen
Michael Köber
Landratsamt Esslingen
73726 Esslingen am Neckar
Telefon (0711) 3902-2634
E-Mail: [email protected]