Vertreter - agentur

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Vertreter - agentur
„Zu vertrauen ist gut, nicht zu vertrauen ist besser.“
Giuseppe Verdi
2 Vertreter, Drücker und Wegelagerer
Ganz egal, ob jemand Versicherungen, Zeitschriften, einen Telefonanschluss, einen Staubsauger, Reinigungsmittel oder Blindenware verkaufen möchte: Wenn Sie bei dieser Spezies von
Drückern und Wegelagerern die Tür öffnen, ist es meist zu spät.
Denn - rhetorisch gut geschult - werden diese Menschen Sie ganz
schnell überzeugt haben, wieso Sie ausgerechnet dieses Produkt
brauchen.
Sicher ist es schwierig, die Vertreter in diesem Kapitel alle „über
einen Kamm zu scheren“. Der seriös gekleidete Handelsvertreter,
der Ihnen ein 20-bändiges Lexikon oder einen Staubsauger verkaufen möchte, hat nichts gemein mit dem Trickbetrüger oder
dem angeblich vorbestraften und von der Gesellschaft ausgestoßenen Zeitschriften-Werber aus der Drücker-Kolonne. Aber weil
es so schwer ist, die verschiedenen „Klinkenputzer“ zu unterscheiden, sollten Sie sich folgenden Satz gut merken: „Schnäppchen
gibt’s im Kaufhaus, aber nicht an der Haustür und Geschenke
bekommt man von Freunden, aber nicht von Fremden!“
Scherenschleifer und Regenrinnenreiniger
Das gilt für die „hochwertigen“ und supergünstigen Teppiche aus
einer Geschäftsauflösung ebenso wie für „echte“ Lederjacken von
einer Messe zum halben Preis, da deren Ausfuhr wegen der teuren
Verzollung sich angeblich nicht lohne. Fassadenbauer, Regenrinnen-Reiniger und Dachsanierer bieten ihre Leistungen feil. Und
Scherenschleifen oder das Teeren der Hofeinfahrt gibt’s - natürlich
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gegen Vorkasse - deutlich unter den marktüblichen Preisen, da
man keine teuren Betriebsräume unterhalten müsse. Spätestens
jetzt sollten Sie die Tür zuschlagen!
Lassen Sie sich bei unangekündigten Besuchen von angeblichen
Handwerkern nicht unter Druck setzen, auch wenn man Ihnen
einreden möchte, dass zum Beispiel ein Schaden am Dach dringend repariert werden müsse. Erkundigen Sie sich vor einer Auftragserteilung bei der jeweiligen Innung und/oder der Handwerkskammer, ob das Unternehmen überhaupt existiert. Und: Lassen
Sie sich vor Auftragsvergabe Angebote verschiedener Handwerksbetriebe erstellen.
Verlage schauen weg
Leider kommt es immer wieder vor, dass auch renommierte Unternehmen dubiose Unternehmen zur Kundengewinnung engagieren. Diese Drücker-Kolonnen arbeiten juristisch gesehen auf
sehr dünnem Eis. Aussteiger berichten immer wieder über Abhängigkeiten und Gewalt. So werben Drücker-Kolonnen vorwiegend
bindungslose und hoch verschuldete junge Menschen an, die spätestens mit dem Beitritt in die Verkaufsgruppe „geliefert“ sind.
Die Provisionen werden zum Teil für Unterkunft und Verpflegung
angerechnet und einbehalten. Nicht selten werden die Drücker
zudem vor versammelter Mannschaft geschlagen und gedemütigt. Oft bleibt ihnen nur die Flucht. Wer diese Schicksale kennt,
wird zwangsläufig ein gewisses Mitgefühl entwickeln. Trotzdem:
Bleiben Sie hart! Und glauben Sie nicht die abenteuerlichen Märchen von ehemaligen Häftlingen, die nur dann wieder in der Gesellschaft eingegliedert werden und eine Ausbildung absolvieren
können, wenn sie genügend Zeitschriften-Abos verkaufen. Auch
bei dem Begriff „Drogensucht“ sollten bei Ihnen sofort alle Warnlampen aufblinken. Den Drogenentzug, dem sich der Drücker
unterzogen hat, gibt es nicht. Und wissenschaftliche Umfragen
werden in der Regel nicht an der Haustür durchgeführt.
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Natürlich habe ich zwei der führenden deutschen ZeitschriftenVerlagen die Möglichkeit gegeben, Stellung zu diesem Thema zu
beziehen. Doch eine entsprechende Anfrage an die Pressestellen
der Bauer-Verlagsgruppe (u.a. Fernsehwoche, Das Neue, Bravo)
und des Verlags Gruner + Jahr (u.a. Stern, Brigitte, Capital) blieben leider unbeantwortet. Schade.
Ältere Menschen im Visier der Drücker
Das Wochen-Magazin „Stern“ will beobachtet haben: „Die Drücker-Kolonnen scheinen wieder verstärkt auf dem Vormarsch zu
sein - an der Haustür wie auch am Telefon.“ Statt wie früher Zeitschriften-Abonnements sollen jetzt Telefonverträge an den Mann
gebracht werden - vor allem Preselection-Verträge, also die feste
Umstellung auf einen anderen Anbieter. Im Kampf um neue Kunden schrecke so manches Telekommunikationsunternehmen auch
nicht vor fragwürdigen Vertriebsmethoden zurück, warnt Barbara
Steinhöfel von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. „Vorsicht vor dubiosen Werbeaktionen“, mahnt auch Markus Saller,
Jurist und Kollege aus Bayern, zur Zurückhaltung.
Auffallend häufig im Visier der Werbetrupps: ältere Menschen, die
in der Regel keine Ahnung vom deutschen Telefonmarkt haben.
„Die Vertriebs-Profis gehen rein in die Wohnblocks, überrumpeln
gern ältere Leute und geben vor, ihr Telefon umzustellen“, berichtet Saller von gängigen Tricks. Manche erweckten auch den
Eindruck, von der Deutschen Telekom geschickt zu sein - zu Reparaturzwecken, erzählt Steinhöfel. Zur Bestätigung des Termins
oder Gesprächs werde dann noch eine kleine Signatur erbeten „und schon hat wieder ein Bürger einen Vertrag an der Backe“,
warnt Saller. Spielarten solcher Verkaufsmethoden gibt es offenbar
zuhauf. Damit werden 90-jährigen Rentnern selbst ISDN- sowie
hochmoderne DSL-Internet-Anschlüsse verkauft.
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Brauchen wir Feuerlöscher-Prüfer und Schornsteinfeger?
Nervend sind auch die immer wieder auftauchenden Prüfer Ihrer
Feuerlöscher. Im privaten Haushalt sind tragbare Feuerlöscher im
Zusammenhang mit der Brennstofflagerung in einigen Bundesländern vorgeschrieben. Darüber hinaus wird empfohlen, auch in
privaten Haushalten tragbare Feuerlöscher vorzuhalten. Aufladeund Dauerdruck-Feuerlöscher sollen - und das ist die Krux daran - regelmäßig gewartet und mindestens alle zwei Jahre auf ihre
Funktionsfähigkeit geprüft werden, Pulverdruckfeuerlöscher spätestens alle vier Jahre. Ob das wirklich notwendig ist, sei mal dahingestellt. Die Rechnung des Prüfers indes kommt ganz sicher.
Nicht anders verhält es sich bei den Schornsteinfegern, einem altehrwürdigen, aber sicher nicht mehr ganz zeitgemäßen Berufsstand. Nicht umsonst wird derzeit die Neuordnung im Schornsteinfegerwesen gesetzlich festgeschrieben. Die freie Wahl seines
Schornsteinfegers im Bereich bestimmter Tätigkeiten soll damit
ermöglicht werden, es werden „Kehrbereiche“ eingerichtet, in
denen die Überwachungstätigkeiten durch einen Bezirksbevollmächtigten koordiniert werden. Es gibt nicht wenige, die das
1935 entstandene „Geschäftsmodell“ der Bezirksschornsteinfegermeister für fragwürdig halten. Joachim Datko von der Initiative
www.Kontra-Schornsteinfeger.de fragt deshalb: „Wie kann man nur
in einer freien Gesellschaft das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung den Geschäftsinteressen von ungefähr 8.000
Bezirksschornsteinfegermeistern unterordnen?“
Zudem ist natürlich auch zu fragen, ob beim heutigen Stand der
Technik Überprüfungen und Messungen in dem früher üblichen
Umfang überhaupt notwendig sind. Paul Theisen (www.schofeg.de)
fragt: „Warum müssen unsere sauberen Kamine gekehrt werden?
Warum muss unsere Heizung öfter als unser Auto gemessen werden?“ In Deutschland ist die Häufigkeit der Prüfung der Abgasanlagen und Feuerstätten in Abhängigkeit von den verwendeten
Brennstoffen festgelegt. Sie liegt bei ein- bis (in seltenen Fällen)
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sechs Mal pro Jahr. Genaue Daten, welche Anlagen in Deutschland wie oft und wie überprüft werden müssen, legen die Kehrund Überprüfungsordnungen (KÜO) der Bundesländer fest.
Nicht nur das Kehrmonopol ist stark umstritten, auch die Kehrpflicht an sich, sowie das Gebietsmonopol der Bezirksschornsteinfeger und die Gebührenhöhe. Nach Angaben des Bundes
der Energieverbraucher belaufen sich die jährlich in Deutschland
gezahlten Schornsteinfegergebühren auf zwei Milliarden Euro. Es
sei vollkommen ausreichend, wenn die Heizungsanlage bei der
Wartung gemessen und überprüft würde.
Trösten wir uns solange mit einem alten Brauch, der in weiten Teilen der Welt gilt: Wer einen Schornsteinfeger berührt, hat Glück
im neuen Jahr. Die Rechnung muss er aber trotzdem zahlen.
Für den guten Zweck
Kommen wir zu einer ganz anderen Spezies von „Geldeintreibern“: Das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ engagiert sich
seit nunmehr fast 50 Jahren für Not leidende Gleichaltrige in der
ganzen Welt. Im Auftrag der katholischen Kirche haben Anfang
2007 bundesweit rund eine halbe Million „Sternsinger“ rund
38,8 Millionen Euro an Spenden an den Haustüren eingesammelt. Wer spenden möchte, spart sich so den Weg zur Bank, für
andere ist das Auftauchen der Mädchen und Jungen einfach nur
nervend und eine Nötigung des schlechten Gewissens.
 TIPPS:
Kein Händler hat etwas zu verschenken. Kaufen Sie Waren deshalb nie an der Haustür. Diese sind oftmals überteuert, minderwertig oder unecht.
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Verabreden Sie keine Dienstleistungen unter Zeitdruck. Es nimmt
Ihnen die Chance, seriöse Angebote einzuholen.
Zahlen Sie keine Leistungen im Voraus. Dieses Vorrecht genießen
in Deutschland ausschließlich Prostituierte und Beamte.
Beim Gros aller Betrugsfälle an der Haustür handelt es sich um
so genannte Haustürgeschäfte. Zumeist geht es dabei um Ratenkauf- und Ratenlieferungsverträge (Abonnements) oder um Verträge über Dienst- und Werkleistungen. Wenn Sie sich bei einem
derartigen Geschäftsabschluss über den Tisch gezogen fühlen,
bleibt Ihnen in jedem Fall ein Widerspruchsrecht. Das heißt:
Kauferklärungen können innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen widerrufen werden. Dafür bestehen allerdings
Voraussetzungen. Bedingung ist, dass Sie durch einen Vertreter
in der Privatwohnung, am Arbeitsplatz, bei Freizeitveranstaltungen, bei Kaffeefahrten oder auf der Straße angesprochen und zur
„Abgabe einer Erklärung“ veranlasst wurden. Das Widerrufsrecht
gilt nicht, wenn Sie den Vertreter selbst bestellt haben, ein Bagatell-Geschäft (bis 40 Euro) oder eine notarielle Beurkundung
vorliegt. Auch bei der Mitgliederwerbung für Vereine hat dieses
Widerspruchsrecht keine Gültigkeit.
Nachdem die Kundenfänger zwischenzeitlich nicht nur Waren
anbieten, sondern auch Dienstleistungen oder Handwerkerleistungen, hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, die einschlägigen Vorschriften nicht nur für Kaufverträge, sondern für alle
entgeltlichen Vertragsgeschäfte gelten zu lassen. Sie können also
auch widerrufen, wenn ein Handwerker zu Ihnen in die Wohnung kommt und Sie mit ihm den Einbau neuer Fenster vereinbaren (das ist kein Kaufvertrag, sondern ein Werkvertrag). Auch
Maklerverträge (z.B. Partnerschafts-Vermittlungsverträge) lassen
sich binnen einer Woche widerrufen, wenn Sie an der Haustür
zustande kommen.
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Vorsicht! Wenn Sie der Vertreter vorher anruft und fragt, ob er
einmal vorbeikommen und Ihnen sein Sortiment vorstellen darf,
haben Sie kein Recht zum Widerruf. Denn in diesem Falle sind
Sie ja nicht wirklich überrascht bzw. überrumpelt worden. Allerdings gibt es auch hiervon wieder eine verbraucherfreundliche
Ausnahme: Der Bundesgerichtshof hat nämlich inzwischen eine
Entscheidung gefällt, nach der Sie auch dann noch das Geschäft
widerrufen können, wenn Sie das Telefonat, in welchem der Besuchstermin vereinbart wurde, nicht selbst veranlasst haben. Werden Sie also von einem Anruf überrumpelt, dann gilt der Verbraucherschutz für das nachfolgend vereinbarte Gespräch im vollen
Umfang weiter. In so einem Fall sollten Sie aber anwaltlichen Rat
in Anspruch nehmen. Es kommt nämlich hier sehr stark auf den
Einzelfall an.
Auch wenn es Ihnen schwer fallen sollte, den vom Schicksal so
arg gebeutelten Zeitschriften-Werber abzuwimmeln: Bitte nicht
schwach werden! Wenn Sie nicht einfach nur die Tür zuschlagen
wollen, bieten sich bei Zeitschriften-Werbern zwei schlagkräftige
Ausreden an:
1. Ich in Analphabet und kann sowieso nicht lesen.
2. Ich bin Journalist und bekomme von den Verlagen Freiexemplare zugeschickt.
Wollen Sie dem jungen Menschen wirklich helfen, bezahlen Sie
ihm eine Zugfahrkarte, damit er aus dem „Milieu“ fliehen kann.
Sie sollten als Privatmann selbst entscheiden, wann und ob Ihre
Feuerlöscher geprüft werden. Lassen Sie sich deshalb nicht von
den Feuerlöscher-Prüfern aufs Glatteis führen.
 GANZ
FIES ...
Wer gute Nerven hat und schon immer mal einen Vertreter ärgern wollte, sollte es mit dieser Variante versuchen: Sie lassen den
Vertreter eintreten, hören sich seine Argumente eine Zeit lang
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kopfnickend an - und schlagen dann erbarmungslos zu: Sie präsentieren Ihrem Gast einen eigens für diesen Zweck hergestellten
Schlüsselanhänger mit der Aufschrift „Ich bin taubstumm. Mit
dem Kauf eines Schlüsselanhängers würden Sie mich sehr unterstützen“. Für ganz Abgezockte: Sagen Sie Ihrem Besucher einfach,
dass Sie taubstumm seien...
Bitten Sie Staubsauger-Vertreter immer in die Wohnung, wenn
Ihre Putzfrau gerade in Urlaub ist oder Sie keine Lust zum Saubermachen haben. Der Vertreter wird eine wahre Freude daran
haben, Ihnen das neueste Modell mit all seinen Besonderheiten
präsentieren zu können. Sie sollten darauf achten, dass der Staubsauger-Vertreter aber auf keinen Fall ein Zimmer auslässt.
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