Trutz blanke Hans

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Trutz blanke Hans
AutomatenMARKT | März 2000 | Magazin
Ruhestörende Satire
Trutz blanke Hans
Küstenbewohner nennen das Meer auch den Blanken Hans. Seit wann das so ist,
weiß ich nicht. Aber wenigstens weiß ich warum sie das tun.
Unser Bundesfinanzminister Eichel mit Vornamen Hans ist der Namensgeber. Der ist
bekanntlich permanent blank und wohl deswegen ebenso gefährlich gefräßig wie
eine wild tobende See.
Nun können Sie natürlich daran zweifeln, dass die Leute schon vor Hunderten von
Jahren was von Hans Eichel gewusst haben. Aber da sieht man mal wieder, wie
vorausschauend die Nordlichter sind. Nicht umsonst heißt es schließlich, dass man
im norddeutschen Flachland schon am Mittwoch sehen kann wer am Sonnabend zu
Besuch kommt.
Für das, was ich heute erzählen will, muss man ein wenig über die nordfriesische
Geschichte wissen. Also fange ich erst mal damit an.
Vor vierhundert Jahren hat es eine reiche und vornehme Hafenstadt gegeben:
Rungholt. Gelegen auf der ebenso reichen und vornehmen Insel Strand. Anfang des
siebzehnten Jahrhunderts ist Rungholt bei einer Sturmflut untergegangen. Einige
Jahre später die ganze Insel Strand. Die heutigen Inseln Pellworm und Nordstrand
hat das Meer als klägliche Reste übrig gelassen.
Wo der Bezug zur Automatenbranche und zum Bundesfinanzminister ist? Nur noch
ein wenig Geduld!
Dazu muss man nämlich erst mal wissen, wie es zu den Katastrophen von damals
gekommen ist. Auf Strand herrschten wie gesagt Wohlstand und Reichtum. Anders
als auf dem Festland hatten die Strandinger sogar schon so was wie eine
demokratische Verwaltung. Recht und Gerechtigkeit ebenfalls. Es ging ihnen also
nicht schlecht. Genau genommen ging es ihnen sogar gut, noch besser sehr gut.
Dabei war ihnen nach und nach der Blick für Realitäten verloren gegangen. Sie
versäumten es zu investieren. So wurde der Küstenschutz vernachlässigt. Bei der
nächsten großen Flut brachen die Deiche. Die aufgepeitschten Naturgewalten hatten
leichtes Spiel, den Lebensraum der Strandinger zu vernichten.
Weil sie Investitionen gescheut haben, gibt es die Strandinger heute nicht mehr!
Das Schicksal ist über sie hinweg gespült. Weil es nämlich ohne Investitionen keine
Zukunft gibt. Auch nicht für unsere Branche.
Detlev v. Liliencron hat ein Gedicht darüber geschrieben. Über Rungholt. Zweifellos
hat er mit seinem Appell auch die Unterhaltungsautomatenbranche gemeint, obwohl
es sie zu seiner Zeit noch gar nicht gab. Auch Liliencron war ja bekanntlich ein
Nordlicht mit dem diesen Menschen eigenen besonderen Weitblick. Siehe oben.
„Heute bin ich über Rungholt gefahren“, geht das Gedicht. „Die Stadt ging unter vor
vielen hundert Jahren.“ Und dann schildert der Dichter in mehreren Versen, was wir
aus den Fehlern der Vergangenheit von Insel und Stadt lernen sollen. Jeder Vers
endet mit der Aufforderung: „Trutz blanke Hans!“
Wehrt euch gegen den Blanken Hans, heißt das auf Hochdeutsch. Tote Dichter
können sich nicht dagegen wehren, dass alles Mögliche in ihre Werke hinein
interpretiert wird. So bin ich felsenfest davon überzeugt, dass er damit auch unseren
jetzigen Bundesfinanzminister gemeint hat. So wie der an der Steuerschraube dreht,
ist das ja noch schlimmer als Sturm- oder Springflut.
Sich dagegen zu wehren gibt es kaum Möglichkeiten. Sicher aber ist, dass
versäumte Investitionen die Steuerschuld nach oben treiben. Ebenso beteiligt sich
umgekehrt der Staat an Aufwendungen für die Zukunft von Unternehmen und
Branche. Daran kommt auch ein blitzeblanker Hans wie unser Eichel nicht vorbei.
gallus