Gesamtartikel - Treuhänder
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Gesamtartikel - Treuhänder
AKTUELLES ZUR MWST Axel Scheller Fiskalvertretung und mehrwertsteuerliche Registrierung in der EU Beurteilung von Ausland-Ausland-Geschäften in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten aus Sicht eines schweizerischen Unternehmens* Die mehrwertsteuerliche Beurteilung eines Geschäftsfalls als «Ausland-Ausland» nach Schweizer Mehrwertsteuerrecht [1] führt regelmässig dazu, dass ein schweizerisches Unternehmen irgendwo ausserhalb der Schweiz einen Inland-Umsatz tätigt, der je nach Umsatzart und Land die mehrwertsteuerliche Registrierungspflicht auslösen kann. 1. Einführung Zehn Jahre ist es nun her, dass infolge der Schaffung des Binnenmarktes [2] die Zollgrenzen zwischen den EUMitgliedstaaten aufgehoben wurden. Erklärtes Ziel war es, ein auf den Binnenmarkt abgestimmtes Mehrwertsteuersystem zu schaffen, das EUweit in der gleichen Weise funktioniert wie innerhalb eines einzelnen Mitgliedstaates [3]. Anstelle des «big bang»[4], traten Übergangsregelungen in Kraft [5], deren Komplexität zur mittlerweile unbefristeten Realität geworden ist. Seitdem hat sich auch für die schweizerischen Unternehmen mit Ausland-Ausland-Geschäften in der EU die Welt der Mehrwertsteuer tiefgreifend verändert. Konnte z.B. eine Refakturierungsgesellschaft bis und mit 1992 noch darauf vertrauen, dass die Deklaration ihrer Ausland-Ausland-Lieferungen im EU-Raum mit der Zollabfertigung erledigt war, so führte der Wegfall eben dieser Zollabfertigung zu einer ganzen Flut neuer Obliegenheiten: Um die Abwicklung von Ausland-Ausland-Geschäften mit Warenbewegung zwischen zwei EU-Mitgliedstaaten nicht zu verunmöglichen, sind seitdem Identifikationsnummern zu lösen, lokale Mehrwertsteuerabrechnungen und Meldungen zur Handelsstatistik abzugeben und gegebenenfalls Fiskalvertreter *La traduction en français de cet article paraîtra dans l’un des prochains numéros. Der Schweizer Treuhänder 4/03 zu bestellen. Die Binnenmarktregeln machen aber auch vor den Dienstleistungen nicht halt. So ist es für ein schweizerisches Unternehmen längst unmöglich, ohne eine Mehrwertsteuerregistrierung in der EU innergemeinschaftliche Güterbeförderungen durchzuführen oder zu besorgen und Telekommunikationsleistungen an Private zu erbringen. Beschlossen ist bereits der Registrierungszwang für in der EU bewirkte Reiseleistungen und an private EU-Abnehmer erbrachte Leistungen im Bereich des E-Commerce. Erleichterungen zeichnen sich im Energiehandel ab. «Europa hat nicht das Ziel, nationale Eigenheiten in einem Melting Pot aufzulösen. Das Gegenteil ist der Fall [6].» Von der Mehrwertsteuer in der EU zu sprechen kann nicht nur in Anbetracht der vielfältigen Berührungsmöglichkeiten ein waghalsiges Unterfangen sein. Wenngleich die Grundprinzipien für die EU-Mitgliedstaaten durch die Sechste EG-Richtlinie [7] verbindlich vorgegeben sind, so verbleibt den einzelnen Mitgliedstaaten – und das allen Harmonisierungsbemühungen zum Trotz – in vielen Bereichen immer noch die nationale Regelungskompetenz. Ein und derselbe Geschäftsvorgang kann in den 15 EU-Mitgliedstaaten [8] zu 15 verschiedenen Beurteilungen führen. Die anstehende Erweiterung der EU auf 25 Mitgliedstaaten [9] wird das potentielle Regelungsspektrum auf 25 anwachsen lassen. Einer der national geregelten Bereiche ist die aus Sicht eines schweizerischen Unternehmens grundlegendste Frage überhaupt: die subjektive Steuerpflicht und eine allfällige Fiskalvertretung. Der vorliegende Beitrag erklärt anhand von variierten Fallbeispielen die mehrwertsteuerliche Behandlung von Ausland-Ausland-Geschäften eines schweizerischen Unternehmens aus Sicht der einzelnen EU-Mitgliedstaaten, wobei die zum Jahresende 2002 geltende Praxis zugrunde gelegt wurde. Aufgrund der Vielfalt von länderspezifischen Sonderregelungen kann die Übersicht keinen Anspruch auf Vollständigkeit stellen und die professionelle Einzelfallberatung nicht ersetzen. 2. Begriff der Fiskalvertretung Axel Scheller, Dipl.-Betriebswirt (EBS), Steuerberater (D), Senior Manager, Deloitte & Touche AG, Zürich [email protected] Der Begriff der Fiskalvertretung ist in der EU nicht einheitlich definiert. Unter mehrwertsteuerlicher Fiskalvertretung soll hier die vollständige oder teilweise Erfüllung der lokalen Obliegenheiten eines ausländischen Unternehmens durch einen inländischen Stellvertreter (Fiskalvertreter) im Verhältnis zu den lokalen Steuerbehörden verstanden werden. Für ein schweizeri315 AKTUELLES ZUR MWST Axel Scheller, Fiskalvertretung und mehrwertsteuerliche Registrierung in der EU ternehmen selbständig registrieren lassen bzw. einen Bevollmächtigten oder Fiskalvertreter auf freiwilliger Basis benennen (vgl. Tabelle 1). Tabelle 1 Fiskalvertretung für ein steuerpflichtiges schweizerisches Unternehmen EU-Mitgliedstaat zwingend Belgien (BE) Dänemark (DK) Deutschland (DE) Finnland (FI) Frankreich (FR) Griechenland (GR) Irland (IE) Italien (IT) Luxemburg (LU) Niederlande (NL) Österreich (AT) Portugal (PT) Schweden (SE) Spanien (ES) Vereinigtes Königreich (GB) freiwillig eingeschränkt nicht vorgesehen X X X [12] X [13] X X X X X X [14] X X X X X [15] sches Unternehmen werden mehrwertsteuerliche Deklarations- und gegebenenfalls Ablieferungspflichten in der Regel dann begründet, wenn es im Gebiet eines EU-Mitgliedstaates Umsätze tätigt, die der lokalen Mehrwertsteuer unterliegen. Die vieldiskutierte Abschaffung der EU-Fiskalvertretung zum 1.1.2002 [10] wird für schweizerische Unternehmen solange bedeutungslos bleiben, bis die Bilateralen Verträge um ein Rechtshilfeabkommen für die Steuerbetreibung und den Austausch von Informationen auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer erweitert werden [11]. Besteht im konkreten Fall kein Fiskalvertreterzwang, so kann sich das mehrwertsteuerpflichtige ausländische Un- Tabelle 2 Haftung des Fiskalvertreters für Steuern inkl. Nebenleistungen EU-Mitgliedstaat Belgien Dänemark Deutschland Finnland Frankreich Griechenland Irland Italien Luxemburg Niederlande Österreich Portugal Schweden Spanien Vereinigtes Königreich 316 Steuerschuldner gesamtschuldnerisch keine X X X X X n/a n/a X n/a X n/a 3. Fälle der lokalen Registrierungspflicht und Möglichkeiten zur Vermeidung Von einigen Besonderheiten abgesehen [18], sind die grundsätzlichen Ortsbestimmungsregeln für Lieferungen und Dienstleistungen in der EU [19] mit den Vorschriften von Art. 13 MWSTGCH (Ort der Lieferung) und Art. 14 MWSTG-CH (Ort der Dienstleistung [20]) vergleichbar. In der Folge sollen verschiedene Grundfälle und ihre mehrwertsteuerlichen Auswirkungen auf das beteiligte schweizerische Unternehmen in den einzelnen EUMitgliedstaaten dargestellt werden. n/a n/a X X X X X [17] X Auch der Umfang der Fiskalvertretung ist in der EU einzelstaatlich geregelt [16]. Das Gefälle reicht dabei von verantwortlich für die Erledigung aller Verpflichtungen, die mit der Tätigkeit des ausländischen Steuerpflichtigen zusammenhängen, einschliesslich der Rechnungstellung und -registrierung, Einreichung von Erklärungen und Steuerentrichtung über gesamtschuldnerisch haftend bis gesetzlich überhaupt nicht vorgesehen. Je umfangreicher die Pflichten eines Fiskalvertreters sind, desto höher sind die mit der Fiskalvertretung verbundenen Kosten. Es steht im Ermessen des Fiskalvertreters, zu seiner eigenen Absicherung Bankbürgschaften zu verlangen, selbst wenn die lokalen Steuerbehörden keine Bürgschaften fordern. Im Einzelfall kann die Haftung des Fiskalvertreters gegenüber den lokalen Steuerbehörden betragsmässig beschränkt werden (vgl. Tabelle 2). 3.1 Das CH-Unternehmen ist Zwischenhändler bei einem nicht grenzüberschreitenden Reihengeschäft 3.1.1 Sachverhalt Ein schweizerisches Unternehmen bestellt EU-verzollte Waren bei einem Der Schweizer Treuhänder 4/03 AKTUELLES ZUR MWST Axel Scheller, Fiskalvertretung und mehrwertsteuerliche Registrierung in der EU Bei diesem auf den ersten Blick einfach erscheinenden Grundfall besteht die einzige Gemeinsamkeit der EU-Mitgliedstaaten darin, dass dem CH-Zwischenhändler lokale Mehrwertsteuer auf den Wareneinkauf in Rechnung zu stellen ist. Die mehrwertsteuerliche Registrierung für das schweizerische Unternehmen ist je nach EU-Mitgliedstaat entweder zwingend, freiwillig oder unmöglich. Falls die Registrierung zu Unrecht unterbleibt, sind Vorsteuerrückerstattungen auf jeden Fall ausgeschlossen und strafrechtliche Untersuchungen sowie die Haftungsschuld des Warenempfängers denkbar. Unterbleibt die Registrierung zu Recht, so sind Liquiditätskosten in bezug auf die Rückerstattung der auf den Wareneinkauf bezahlten Vorsteuern zu berücksichtigen [21]. In den Niederlanden und in Spanien können diese Liquiditätskosten wegen obligatorischer Anwendung der nationalen «Reverse Charge»-Regeln[22] grundsätzlich nicht vermieden werden. In Belgien können die Liquiditätskosten durch die freiwillige Registrierung reduziert werden; dem stehen dann die Kosten der Fiskalvertretung gegenüber. Aufgrund der Besonderheiten im nationalen Erhebungssystem generiert das schweizerische Unternehmen auch in Österreich dauerhafte Vorsteuerüberschüsse [23]. Abbildung 1 Lieferanten in einem Mitgliedstaat (MS 1) der EU und weist den Lieferanten an, die Waren an seinen Abnehmer (mehrwertsteuerpflichtiges Unternehmen) in demselben EU-Mitgliedstaat zu befördern oder zu versenden. Dabei wird unterstellt, dass das CHUnternehmen keine übrigen Aktivitäten in dem EU-Mitgliedstaat ausübt und über keine lokale Betriebstätte nach Massgabe des lokalen Mehrwertsteuerrechts verfügt. Allfällige Registrierungsschwellen sind überschritten. Schematisch sieht der Geschäftsverlauf wie in Abbildung 1 dargestellt aus. 3.1.2 Beurteilung Mit der Beförderung oder Versendung der Ware vom ersten Lieferanten an den letzten Abnehmer gelten mehrwertsteuerlich relevante Lieferungen entlang des Rechnungs- bzw. Bestellflusses als ausgeführt. Konkret liegen hier zwei Inlandlieferungen in MS 1 vor: Der erste Lieferant liefert an den CH-Zwischenhändler, und der CHDer Schweizer Treuhänder 4/03 Zwischenhändler liefert seinerseits weiter an den letzten Abnehmer. Tabelle 3 Registrierung eines an einem EU-inländischen Reihengeschäft beteiligten CH-Zwischenhändlers EU-Mitgliedstaat Belgien Dänemark Deutschland Finnland Frankreich Griechenland Irland Italien Luxemburg Niederlande Österreich Portugal Schweden Spanien Vereinigtes Königreich zwingend freiwillig unzulässig X [24] X X X X [25] X X X X [27] X [28] X [29] X [30] X X [31] X Normalsatz (%) 21 25 16 22 19.6 18 21 [26] 20 15 19 20 17 25 16 17.5 317 AKTUELLES ZUR MWST Axel Scheller, Fiskalvertretung und mehrwertsteuerliche Registrierung in der EU gewiesenen Andersbeurteilung im EUAusland unterordnet [34]. Abbildung 2 Da im vorliegenden Fall der Lieferant in MS 1 die Beförderung bzw. Versendung der Waren an den Endabnehmer in MS 2 übernimmt, liegt der Ort der Lieferung des CH-Zwischenhändlers in MS 2 (Bestimmungsland), wohingegen die Lieferung an den CH-Zwischenhändler als in MS 1 (Ursprungsland) ausgeführt gilt. Vorbehältlich der unter 3.3 beschriebenen Vereinfachungsmöglichkeit, wird der CH-Zwischenhändler in MS 2 registrierungspflichtig. Die Registrierungspflicht begründet sich nicht (nur) auf die von dem CH-Zwischenhändler in MS 2 ausgeführte Inlandlieferung. Das CHUnternehmen wird selbst in denjenigen Mitgliedstaaten registrierungspflichtig, in denen gemäss Tabelle 3 keine Steuerpflicht entstehen würde, wenn das CH-Unternehmen nur Inlandlieferungen ausführte (insbesondere Belgien, Niederlande und Spanien). 3.2 Das CH-Unternehmen ist Zwischenhändler bei einem innergemeinschaftlich grenzüberschreitenden VersandReihengeschäft 3.2.1 Sachverhalt Der unter 3.1 beschriebene Ausgangssachverhalt wird insoweit abgewandelt, dass der CH-Zwischenhändler seinen Lieferanten im EU-Mitgliedstaat 1 (MS 1) anweist, die Ware an seinen Abnehmer in einem anderen EU-Mitgliedstaat (MS 2) zu befördern oder zu versenden. Das CH-Unternehmen verfügt auch in MS 2 über keine Betriebstätte nach Massgabe des lokalen Mehrwertsteuerrechts. Das sieht schematisch wie in Abbildung 2 dargestellt aus. 3.2.2 Beurteilung Anders als im schweizerischen Mehrwertsteuerrecht [32], bestimmt sich in 318 den EU-Mitgliedstaaten der Lieferort eines jeden Lieferers entlang der Reihe danach, wem die physische Warenbewegung zuzurechnen ist. Je nach Lieferkondition kann eine Lieferung entweder im Ursprungsland (Beginn Beförderung oder Versendung [33]) oder im Bestimmungsland (vom Endabnehmer genannte Auslieferungsadresse) als ausgeführt gelten. Die der physischen Warenbewegung vorangehenden Lieferungen sowie die Lieferung desjenigen, dem die physische Warenbewegung zuzurechnen ist, gelten regelmässig als im Ursprungsland ausgeführt. Der Ort der darauffolgenden Lieferungen liegt regelmässig im Bestimmungsland. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, wie viele Parteien an einem Reihengeschäft beteiligt sind. Die in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten angewandten Abgrenzungskriterien in bezug auf die Zuordnung der Warenbewegung können voneinander abweichen. Das geht so weit, dass die deutsche Finanzverwaltung ihre Zuordnungspraxis offen in Frage stellt, indem sie sich der nach- Zusätzlich zur Inlandlieferung tätigt der CH-Zwischenhändler in MS 2 einen sogenannten «innergemeinschaftlichen Erwerb». Der innergemeinschaftliche Erwerb hat den Einfuhrtatbestand nach Wegfall der Zollgrenzen im EUBinnenmarkt ersetzt und stellt das Spiegelbild zur innergemeinschaftlichen Lieferung dar. Um eine Lieferung mit Warenbewegung von einem EUMitgliedstaat (MS 1) in einen anderen EU-Mitgliedstaat (MS 2) von der Mehrwertsteuer in MS 1 als innergemeinschaftliche Lieferung befreien zu können, muss nicht nur die Warenbewegung nach MS 2 nachgewiesen werden können, sondern der Abnehmer muss zusätzlich im Wege der Selbstdeklaration die an die Stelle der Einfuhrumsatzsteuer in MS 2 getretene Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb bezahlen [35]. Wie die Einfuhrsteuer auch, ist die deklarierte Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb unter den allgemeinen Voraussetzungen als Vorsteuer abzugsfähig. Im Bereich des operativen Warenhandels führt die «Bezahlung» der Erwerbsteuer regelmässig zu einem CashFlow-neutralen Null-Summenspiel. Trotz Registrierung für den innergemeinschaftlichen Erwerb in MS 2 kann Der Schweizer Treuhänder 4/03 AKTUELLES ZUR MWST Axel Scheller, Fiskalvertretung und mehrwertsteuerliche Registrierung in der EU Niederlanden; Abzugspflicht des Endabnehmers in Österreich). Tabelle 4 CH-Zwischenhändler beteiligt an einem innergemeinschaftlichen Versand-Reihengeschäft EU-Bestimmungsland (MS 2) Belgien Dänemark Deutschland Finnland Frankreich Griechenland Irland Italien Luxemburg Niederlande Österreich Portugal Schweden Spanien Vereinigtes Königreich Registrierungspflicht Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja [38] Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja es im Einzelfall bei der Steuerschuld des Endabnehmers in bezug auf die In- Abbildung 3 Steuer auf Inlandlieferung abzuführen [36] Nein Ja Ja Ja [37] Ja Ja Ja [39] Ja Ja Nein Nein Ja Nein [40] Nein Ja landlieferung bleiben (Vorsicht insbesondere in Spanien, Belgien und in den Kommt der CH-Zwischenhändler seiner Verpflichtung zur mehrwertsteuerlichen Registrierung in MS 2 nicht nach, so setzt er sich nicht nur einem Bussenrisiko in MS 2 aus. Die fehlende Angabe seiner Identifikationsnummer hat zur Folge, dass ihm die MS 1-Steuer in Rechnung gestellt wird. Versucht das CH-Unternehmen, diese Steuer im Wege eines Vergütungsantrags unter der Dreizehnten EG-Richtlinie von den Behörden in MS 1 zurückzufordern, so ist mit Kontrollmitteilungen an die Behörden in MS 2 zu rechnen, und der Vergütungsantrag wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgelehnt [41]. Macht das schweizerische Unternehmen keinen Gebrauch von der unter 3.3 beschriebenen Vereinfachungsmöglichkeit und führt es dieses Geschäft mit Kunden in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten aus, so multipliziert sich der Registrierungsaufwand entsprechend [42]. 3.3 Das CH-Unternehmen ist Zwischenhändler bei einem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft Um die multiple Registrierung des CHZwischenhändlers in allen beteiligten Bestimmungsländern zu vermeiden, kann sich der CH-Zwischenhändler stattdessen in einem dritten EU-Mitgliedstaat mehrwertsteuerlich registrieren lassen. 3.3.1 Sachverhalt Der unter 3.1 beschriebene Ausgangssachverhalt wird weiter abgewandelt, indem der CH-Zwischenhändler nun in einem dritten EU-Mitgliedstaat (MS 3) mehrwertsteuerlich registriert ist und über eine Identifikationsnummer dieses Landes verfügt. Er weist seinen Lieferanten in MS 1 an, die Ware an seinen Abnehmer in MS 2 zu befördern oder zu versenden. Weiterhin wird angenommen, dass der CH-Zwischenhändler weder in MS 1 noch in MS 2 mehrwertsteuerlich registriert ist oder über mehrwertsteuerliche Betriebstätten verfügt. Der Schweizer Treuhänder 4/03 319 AKTUELLES ZUR MWST Axel Scheller, Fiskalvertretung und mehrwertsteuerliche Registrierung in der EU Schematisch sieht das wie in Abbildung 3 dargestellt aus. 3.3.2 Beurteilung Der CH-Zwischenhändler tätigt in MS 2 (Bestimmungsland) sowohl einen innergemeinschaftlichen Erwerb als auch eine Inlandlieferung. Der innergemeinschaftliche Erwerb in MS 2 gilt durch Verwendung der Identifikationsnummer von MS 3 als besteuert (kein innergemeinschaftlicher Erwerb in MS 3). Die Steuer auf die Inlandlieferung in MS 2 wird von dem Abnehmer in MS 2 geschuldet. Diese als «Dreiecksvereinfachung» bezeichnete Ausnahmeregelung ist für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich. Um die Dreiecksvereinfachung anwenden zu können, sind die folgenden Bedingungen einzuhalten: Tabelle 5 Hinweis auf das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft in der Rechnung des CH-Zwischenhändlers Bestimmungsland Hinweis in Landessprache Belgien Exempté de la taxe – article 25quinquies du Code-TVAcocontractant désigné comme redevable de la taxe. Dänemark Trekantshandel, jf. artikel 28c, punkt E, stk. 3, i Rådets direktiv nr. 77/388 / EØF af 17. maj 1977. Deutschland Die Lieferung erfolgt im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Reihengeschäftes. Steuerschuldner ist der Rechnungsempfänger (Art. 28c Teil E Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie). Finnland Kolmikantakauppa, laskunsaaja on velvollinen suorittamaan arvonlisäveron. 28quater, Frankreich Application de l’article titre E paragraphe 3 de la directive 77/388/CEE du 17 mai 1977 modifié. Griechenland Endokinotiki Trigoniki Apostoli, Ipohreos Tou F.P. A. Ine O Paraliptis Tou Timologiou. Irland Customer limited will account for VAT in (Ireland) – Sixth VAT Directive, Art. 28c E (3) applies. Italien Triangolazione intracomunitaria. Il destinatario della fattura è debitore dell’imposta in Italia. Luxemburg Opération triangulaire intracommunautaire – TVA due par le bénéficiaire. Niederlande Intracommunautaire A-B-C levering art. 28quater E3, heffing omzetbelasting wordt verlegd naar ontvanger van de rekening. Österreich Die Lieferung erfolgt im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Reihengeschäftes. Steuerschuldner ist der Rechnungsempfänger (Art. 28c Teil E Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie). Portugal Operação triangular intracomunitária. O destinatario da factura è o sujeito passivo para efeitos de IVA. Schweden Gemenskapsintern trepartshandel, fakturamottagaren är skattskyldig. Spanien Es una operación triangular intracomunitaria regulada en el RDL 7/1993; el destinatario de la factura es el sujeto pasivo a efectos de IVA. Vereinigtes Königreich VAT: EC Article 28 Simplification Invoice. 320 – Reihengeschäft mit genau drei Unternehmern und Identifikationsnummern aus drei verschiedenen EUMitgliedstaaten – Warenbewegung von einem EUMitgliedstaat (MS 1) in einen anderen EU-Mitgliedstaat (MS 2) – Beförderung/Versendung durch den ersten Lieferer oder ersten Abnehmer (nicht: Abholung durch den letzten Abnehmer) – Der erste Abnehmer (CH-Zwischenhändler) ist nicht in dem Mitgliedstaat ansässig, in dem die Warenbewegung endet (MS 2) – Der letzte Abnehmer verwendet die Identifikationsnummer des EU-Mitgliedstaates, in dem die Warenbewegung endet (MS 2) – Der erste Abnehmer (CH-Zwischenhändler) erteilt eine besondere Rechnung mit seiner Identifikationsnummer von MS 3, der Identifikationsnummer seines Abnehmers von MS 2, ohne Steuerausweis und mit Hinweis auf Art. 28c Teil E Abs. 3 Sechste EG-Richtlinie (Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes) Der Hinweis auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts kann in Landessprache wie in Tabelle 5 dargestellt aussehen. Bei der Anwendung der Dreiecksvereinfachung ist wichtig zu berücksichtigen, dass nur diejenigen EU-Mitgliedstaaten Identifikationsnummern für Zwecke der Dreiecksvereinfachung erteilen, die am Warenfluss entweder als Ursprungs- oder als Bestimmungsland beteiligt sind. Sollen die Waren also von Griechenland, Italien, Schweden oder Dänemark nach Finnland, Portugal oder Spanien ausgeliefert werden, so ist es z.B. ausgeschlossen, dass ein Unternehmen aus der Deutschschweiz zur Umgehung von Sprachbarrieren eine österreichische oder deutsche Identifikationsnummer erhält. Das gilt zumindest solange, bis nicht weitere Umsätze in Österreich oder Deutschland hinzukommen. Im Registrierungsland wird es also regelmässig auch weiterhin zu Inlandumsätzen kommen. Bestehen Identifikationsnummern und/oder Fiskalvertretungen zugleich in anderen EU-Mitgliedstaaten, so kann die Anwendung der Der Schweizer Treuhänder 4/03 AKTUELLES ZUR MWST Axel Scheller, Fiskalvertretung und mehrwertsteuerliche Registrierung in der EU meinschaftlichen Erwerb zu deklarieren und lokale Mehrwertsteuer auf die Inlandlieferung an den in der Reihe folgenden CH-Zwischenhändler abzuführen, ohne dass sich der CH-Zwischenhändler zur Minimierung seiner Cash-Flow-Kosten seinerseits registrieren lassen darf. Bei Abholreihengeschäften sind ähnlich absurde Ergebnisse im Ursprungsland denkbar, wenn dem CH-Zwischenhändler nicht zugleich die innergemeinschaftliche Lieferung zugerechnet werden kann. Abbildung 4 Ein Ausweg aus der multiplen Registrierungspflicht und/oder den mit lokalen Vorsteuerüberschüssen verbundenen Cash-Flow-Kosten besteht oftmals darin, durch effiziente Gestaltung der Lieferkonditionen aus dem Mehrecksgeschäft künstliche Dreiecke zu isolieren, auf die die Dreiecksvereinfachung wiederum angewendet werden kann. 3.4 Das CH-Unternehmen ist Zwischenhändler bei einem innergemeinschaftlich grenzüberschreitenden Abhol-Reihengeschäft Dreiecksvereinfachung in einzelnen Mitgliedstaaten wiederum ausscheiden. Durch Isolierung künstlicher Dreiecke bei Mehrecksgeschäften kann die multiple Registrierungspflicht vermieden und die Liquiditätsfalle «Reverse Charge» umgangen werden. Sind mehr als drei Personen an dem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft beteiligt, so bedeutet das für jeden einzelnen Zwischenhändler grundsätzlich die Registrierungspflicht im Ursprungs- oder im Bestimmungsland. Bei Versand-Reihengeschäften, die in einem Bestimmungsmitgliedstaat enden, in dem die Steuerschuld für von ausländischen Unternehmen getätigte Inlandlieferungen obligatorisch auf den inländischen Abnehmer übergeht (wie in Tabelle 3 dargestellt, zählen dazu derzeit grundsätzlich Belgien, Spanien und die Niederlande), sind in der PraDer Schweizer Treuhänder 4/03 xis absurde Ergebnisse anzutreffen, in denen ein vorangehender ausländischer Zwischenhändler sich registrieren lassen muss, um einen innerge- 3.4.1 Sachverhalt Der unter 3.3 beschriebene Sachverhalt wird weiter abgewandelt, indem Tabelle 6 CH-Zwischenhändler beteiligt an einem innergemeinschaftlichen Abhol-Reihengeschäft EU-Ursprungsland (MS 1) Belgien Dänemark Deutschland Finnland Frankreich Griechenland Irland Italien Luxemburg Niederlande Österreich Portugal Schweden Spanien Vereinigtes Königreich Registrierungspflicht Wareneinkauf (Normalsatz %) Warenverkauf (%) Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja 21 25 16 22 19.6 18 21 20 15 19 20 17 25 16 17.5 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 321 AKTUELLES ZUR MWST Axel Scheller, Fiskalvertretung und mehrwertsteuerliche Registrierung in der EU nun der Abnehmer in MS 2 die Waren abholt (vgl. Abbildung 4). gen Zollabfertigung im Wege der Einfuhrumsatzsteuer erhoben. 3.4.2 Beurteilung 3.5.2 Mehrwertsteuerlager Für sämtliche EU-Mitgliedstaaten kann hier festgehalten werden, dass sich der CH-Zwischenhändler im Ursprungsland (MS 1) registrieren lassen muss. Die Lieferung an den Abnehmer in MS 2 ist vorbehältlich des Nachweises der physischen Warenbewegung und des Vorliegens einer bestätigten AbnehmerIdentifikationsnummer aus MS 2[43] in MS 1 als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei. Der Wareneinkauf ist mit der MS 1-Steuer belastet. Diese Steuer ist vorbehältlich der allgemeinen Voraussetzungen als Vorsteuer abzugsfähig und führt zu Netto-Vorsteuerüberschüssen. Je nach Land, kommt der Liquiditätsplanung eine mehr oder weniger grosse Bedeutung zu. Einzelne EU-Mitgliedstaaten [45] sehen sogenannte Mehrwertsteuerlager («VAT warehouses») vor, in denen verzollte aber unversteuerte Waren gelagert und gehandelt werden können, ohne dass die einzelnen Lieferungen der Mehrwertsteuer unterliegen und ohne dass sich ein ausschliesslich an solchen Lieferungen beteiligtes ausländisches Unternehmen registrieren lassen muss. Die lokale Mehrwertsteuer wird erst bei der Lagerentnahme und auf der der Entnahme zugrunde liegenden Handelsstufe erhoben. Die Steuerlagerregelung führt insbesondere dann zu Vereinfachungen, wenn Waren mehrfach hintereinander umgesetzt werden, ohne dabei bewegt zu werden (insbesondere bei Warentermingeschäften). Der begünstigte Warenkreis ist allerdings vor allem auf Rohstoffe beschränkt (sogenannte «Annexe J»Güter). 3.5 Das CH-Unternehmen unterhält Warenbestände in einem EU-Mitgliedstaat Unterhält das schweizerische Unternehmen Warenbestände im EU-Ausland, so ist zunächst zu unterscheiden, ob die Gegenstände in der EU zum sogenannten «freien Verkehr» abgefertigt wurden oder unter Zoll- und/oder Mehrwertsteuerkontrolle stehen. Von einzelnen Ausnahmen abgesehen [44], kann die Registrierungs- oder Fiskalvertreterpflicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, wenn die Lieferkonditionen «unverzollt und unversteuert» lauten. Schwierigkeiten ergeben sich insbesondere dann, wenn EU-verzollte Waren an Lager in verschiedenen EU-Bestimmungsländern ausgeliefert werden. 3.5.1 Zollager Die Lieferung von Gegenständen Schweizer Herkunft (oder aus anderen Nicht-EU-Ländern), die sich im Lieferzeitpunkt nachweislich unter Zollkontrolle (insbesondere Zollager oder Transit) befunden haben, löst in den EU-Mitgliedstaaten regelmässig keine Registrierungs- oder Fiskalvertreterpflicht für ein schweizerisches Unternehmen aus. Der Nachweis ist anhand von Zollagerungsbelegen oder T1-Dokumenten zu erbringen. Die Mehrwertsteuer wird dann bei der endgülti322 3.5.3 Inlandlager Bei den Auslieferungen von EU-verzollten und einfuhrversteuerten Waren aus einem Inlandlager in einem EUMitgliedstaat und den der Einlagerung vorangehenden Warenbewegungen sind unzählige Konstellationen der Warenund Werteflüsse denkbar, auf die die unter 3.1 bis 3.4 dargestellten Grundprinzipien analog anzuwenden sind (insbesondere innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb, gefolgt von einer Anschlusslieferung im Lagerland [46]). Die mehrwertsteuerliche Beurteilung wird dabei schnell unübersichtlich. Bezieht das schweizerische Unternehmen Waren aus einem anderen Mitgliedstaat und sind die Waren zum ungewissen Verkauf bestimmt, so lässt sich die Registrierung im Lagerland regelmässig nicht vermeiden. Für das schweizerische Unternehmen können sich zusätzliche Registrierungspflichten im Ursprungs-Mitgliedstaat dadurch ergeben, dass im Fall von Verbringungen innergemeinschaftliche Lieferungen «an sich selbst» (bzw. an die eigene MWST-Identität im EU-Ausland) fingiert werden [47]. Die aus der Koexistenz von Erwerbsbesteuerung und Inlandlieferung im EU-Bestimmungsland (Lager) erwachsenen Schwierigkeiten können in einzelnen Mitgliedstaaten vermieden werden, wenn und soweit die Waren auf ein Konsignationslager verbracht werden, von dem aus die Waren dann vom Abnehmer nach Bedarf abgeholt oder abgerufen werden («calloff» [48]). In diesen Mitgliedstaaten ist das Gelangen solcher Waren auf das Lager nicht vorderhand der Erwerbsbesteuerung durch das schweizerische Unternehmen im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Verbringungstatbestands zu unterwerfen. Die im Lagerland bestehenden Deklarationspflichten gehen bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen dann auf die Person über, für die die Waren bestimmt sind. Die Inanspruchnahme der Vereinfachung im Lagerland führt immer zur Registrierungspflicht im Ursprungs-Mitgliedstaat. Welche Registrierungspflicht aus Sicht des schweizerischen Unternehmens dann das kleinere Übel ist, hängt unter anderem davon ab, wie viele und auch welche Mitgliedstaaten als Ursprungsländer bzw. Bestimmungsländer am Warenfluss beteiligt sind. Die Konsignationsvereinfachung ist vor allem dann von Interesse, wenn Waren aus einem einzigen EU-Mitgliedstaat bezogen werden (z.B. im Fall der Auftragsfertigung) und an Konsignationslager in einer Vielzahl von anderen EU-Mitgliedstaaten ausgeliefert werden. Die konkrete Inanspruchnahme einer Vereinfachung kann vom Bestimmungs-Mitgliedstaat wiederum davon abhängig gemacht werden, dass der UrsprungsMitgliedstaat die spiegelbildliche Beurteilung vorsieht [49]. Des weiteren kann die zulässige Lagerungsdauer im Lager-Mitgliedstaat zeitlich befristet sein. Bei verspätetem Warenumschlag und ohne rechtzeitige Rücksendung der Ware kann das zum nachträglichen Eintreten der subjektiven Steuerpflicht führen. 3.5.3.1 Sachverhalt Das schweizerische Unternehmen lässt Waren bei einem Produzenten in EUMitgliedstaat 1 ex works fertigen und beauftragt einen Spediteur, diese Waren an ein Konsignationslager in EUDer Schweizer Treuhänder 4/03 AKTUELLES ZUR MWST Axel Scheller, Fiskalvertretung und mehrwertsteuerliche Registrierung in der EU Tabelle 7 Möglichkeit der Vermeidung einer mehrwertsteuerlichen Registrierung bei «Call-off»-Lagern im EU-Ausland und vorangegangener innergemeinschaftlicher Warenbewegung Lager-Mitgliedstaat Vereinfachungs- Lagerkontrolle Maximal möglichkeit durch «Call-off»zulässige Kunden Lagerungsdauer erforderlich (Monate) Belgien Dänemark Deutschland Finnland Frankreich Griechenland Irland Italien Luxemburg Niederlande Österreich Portugal Schweden Spanien Vereinigtes Königreich Ja [50] Nein Nein Ja Ja Nein Ja [51] Ja [52] Ja Ja Ja [53] Nein [54] Nein Nein [55] Ja Mitgliedstaat 2 zu transportieren, auf das ein Kunde in MS 2 Zugriff hat. Die Waren werden später von dem Kunden in MS 2 nach Bedarf abgeholt oder abgerufen. 3.5.3.2 Beurteilung Die in den einzelnen Lager-Mitgliedstaaten bestehenden Vereinfachungsmöglichkeiten lassen sich wie in Tabelle 7 dargestellt zusammenfassen. 3.6 Das CH-Unternehmen erbringt Werklieferungen im EU-Ausland Ganz unübersichtlich wird die mehrwertsteuerliche Beurteilung der Lieferung von Gegenständen, die ein schweizerisches Unternehmen bei einem Kunden im EU-Ausland montiert oder installiert. Die Koexistenz von Einfuhrtatbestand bzw. innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb sowie der sich daran anschliessenden Inlandlieferung führt zu einer Überlagerung der unter 3.1 bis 3.5 dargestellten Grundprinzipien. Erschwerend kommt dabei hinzu, dass es Sache der einzelnen EU-Mitgliedstaaten ist, den Zahlungspflichtigen für die Der Schweizer Treuhänder 4/03 Ja n/a n/a Ja Ja n/a Ja Ja Ja Ja Ja n/a n/a n/a Ja n/a n/a n/a n/a 3 n/a 3 12 n/a n/a 6 n/a n/a n/a n/a Einfuhrsteuer (und damit auch den Vorsteuerabzugs- oder -vergütungsberechtigten) zu bestimmen (ausländischer Werklieferant vs. inländischer Auftraggeber) [56]. Überdies kann die Abgrenzung zwischen Werklieferung und Werkdienstleistung in einzelnen Mitgliedstaaten sehr diffizil sein. Spezifische und auf Vereinfachung gerichtete Werklieferungsregeln in zum Teil sehr unterschiedlichen Ausgestaltungen bestehen in Dänemark [57], Deutschland und dem Vereinigten Königreich. Im Einzelfall kann die Vereinfachung ins genaue Gegenteil umschlagen. So sieht das deutsche Umsatzsteuerrecht verbindlich vor, dass sich ein schweizerischer Werklieferant, der Leistungen ausländischer Subunternehmer bezieht, in Deutschland registrieren lassen muss, um die deutsche Umsatzsteuer auf die Subunternehmerleistungen im Wege der Selbstdeklaration abzuführen [58]. Im Vereinigten Königreich hat der schweizerische Werklieferant für jeden englischen Auftraggeber eine separate Meldung an die lokalen Behörden zu machen. Falls keine spezifischen Werklieferungsvorschriften im Land der Montage bzw. Installation bestehen oder die konkrete Inanspruchnahme von Vereinfachungen aus anderen Gründen ausgeschlossen ist, muss die Anwendung der unter 3.1.2 beschriebenen allgemeinen «Reverse Charge»-Grundsätze zum Übergang der Steuerschuldnerschaft geprüft werden. Die EUeinheitliche Zusammenfassung der länderspezifischen Einzelregelungen wird von der Europäischen Kommission als «mögliche Priorität» bezeichnet [59]. 4. Auswahl branchenspezifischer Besonderheiten 4.1 Gütertransporte Handelt ein schweizerisches Unternehmen mit Waren im EU-Raum, so wird es kaum daran vorbeikommen, innergemeinschaftliche Güterbeförderungen in Auftrag zu geben. Zwar ist es international üblich, grenzüberschreitende Güterbeförderungen von der Mehrwertsteuer zu befreien [60]. Da mit der grundsätzlichen Steuerbefreiung aber lediglich eine Doppelbelastung der Beförderungsleistung mit Einfuhrumsatzsteuer [61] und lokaler Mehrwertsteuer vermieden werden soll, ist seit dem Wegfall der Zollgrenzen im EU-Binnenmarkt für Beförderungen zwischen zwei EU-Mitgliedstaaten die Befreiungsgrundlage entfallen. Innergemeinschaftliche Güterbeförderungen unterliegen daher – anders als Transportleistungen über die Binnenmarktgrenzen hinaus – immer der Mehrwertsteuer. Als Leistungsort gilt entweder der Beginn der Beförderung oder das Land der vom Auftraggeber verwendeten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer [62]. Die streckenanteilige Aufteilung [63] darf insoweit nicht erfolgen. Verfügt ein schweizerisches Unternehmen über keine Identifikationsnummer weil es in der EU nicht mehrwertsteuerlich registriert ist, so ist ihm die MWST zum Normalsatz des Mitgliedstaates in Rechnung zu stellen, in dem die Beförderung beginnt. Ist der Frachtführer im Land des Beförderungsbeginns weder ansässig noch registriert, sind sogar Fälle denkbar, in denen sich das schweizerische Unternehmen als Leistungsempfänger wegen Übergangs der Steuerschuld registrieren lassen muss. Verwendet das schweizerische 323 AKTUELLES ZUR MWST Axel Scheller, Fiskalvertretung und mehrwertsteuerliche Registrierung in der EU Unternehmen hingegen die Identifikationsnummer eines anderen Mitgliedstaates, so wird ihm entweder die Steuer dieses Landes in Rechnung gestellt oder es hat den Bezug von Transportleistungen eines nichtansässigen Spediteurs oder Frachtführers im Wege der Selbstdeklaration zu versteuern. Berechnet das schweizerische Unternehmen Frachtführerleistungen im eigenen Namen weiter, so wird damit immer die eigene Registrierungspflicht in einem EU-Mitgliedstaat ausgelöst. 4.2 Leistungen im E-Commerce Wie zuvor schon im Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen [64], wird nun auch der bisherigen Nichtbesteuerung von aus Nicht-EU-Ländern an Private (und andere Nichtsteuerpflichtige) elektronisch erbrachten Dienstleistungen («B2B») zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen in der EU ein Ende gesetzt. Mit Wirkung vom 1.7. 2003 gelten aus der Schweiz elektronisch erbrachte Dienstleistungen aus Sicht der EU immer als am Domizil des Leistungsempfängers ausgeführt, und zwar unabhängig davon, ob dieser mehrwertsteuerpflichtig oder eine Privatperson ist («B2B» wie «B2C»), und ungeachtet der mehrwertsteuerlichen Beurteilung nach Schweizer Recht [65]. Die Neuregelung ist vor allem auf die Bereitstellung von WebSites (inkl. Hosting und Fernwartung), Software und deren Aktualisierung, Bildern, Texten, Informationen, Datenbanken, Musik, Filmen, Spielen, Sendungen und Veranstaltung sowie auf Fernunterrichtsleistungen anzuwenden [66]. Das «One-Stop-Shop»-Verfahren erspart die multiple Registrierung bei «B2C»Leistungen – erste Form des Clearing-Mechanismus in der EU. Wenn und soweit ein schweizerisches Unternehmen auf elektronischem Wege Dienstleistungen an in der EU domizilierte nichtsteuerpflichtige Personen erbringt, kann es die multiple Registrierung vermeiden, indem es gegenüber einem EU-Mitgliedstaat seiner 324 Wahl («One-Stop-Shop») eine Identifizierungserklärung über die Aufnahme seiner Geschäftstätigkeit abgibt [67]. Daraufhin erhält das schweizerische Unternehmen eine besondere Identifikationsnummer und verpflichtet sich in diesem von ihm gewählten Staat zur quartalsweisen elektronischen Abgabe von Mehrwertsteuerabrechnungen. In der Abrechnung anzugeben sind in bezug auf jeden Verbrauchsmitgliedstaat, für den die Steuer zu entrichten ist, der Netto-Gesamtwert der elektronischen Dienstleistungen für den Erklärungszeitraum sowie der Gesamtbetrag der entsprechenden Steuer, aufgeteilt nach den in den Verbrauchsmitgliedstaaten jeweils geltenden Steuersätzen [68]. Die auf die Verbrauchsmitgliedstaaten entfallende Gesamtsteuer ist an den Identifizierungsmitgliedstaat zu entrichten, der die auf Rechnung anderer Verbrauchsmitgliedstaaten vereinnahmte Steuer als Clearing-Stelle weiterleitet. Lokale Vorsteuern können nur im Wege eines separaten Vergütungsantrags erstattet werden. Werden zugleich Leistungen an Steuerpflichtige («B2B») erbracht, so geht insoweit die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger über. Das Verfahren ist zunächst auf den 30.6.2006 befristet. Die Verlängerungsmöglichkeit ist aber ausdrücklich vorgesehen. 4.3 Reiseleistungen In der Schweiz domizilierte Reiseveranstalter, die Pauschalreisen nach Zielen innerhalb der EU verkaufen, unterliegen nach den derzeit geltenden Vorschriften damit weder in der Schweiz [69] noch in der EU [70] der Mehrwertsteuer. Wird dieselbe Leistung von einem EU-Veranstalter erbracht, so ist die Gewinnspanne durch Anwendung der Differenzbesteuerung im Land des Reiseveranstalters zu versteuern [71]. Die den nicht in der EU ansässigen Reiseveranstaltern (insbesondere mehrwertsteuerlich motivierte Zweigstellen und Internetanbieter) daraus erwachsenen Wettbewerbsvorteile sollen einem Vorschlag der Europäischen Kommission zufolge dadurch geschlossen werden, dass sich Reiseveranstalter mit Domizil ausserhalb der EU für in der EU bewirkte Reiseleistungen inskünftig im Ansässigkeits- staat des Kunden registrieren lassen und dort die Mehrwertsteuer auf ihre Marge entrichten sollen [72]. Das kann für einen schweizerischen Reiseveranstalter nach der EU-Erweiterung in 2004 bis zu 25 Mehrwertsteuerregistrierungen bedeuten. Dabei soll nicht unterschieden werden, ob es sich bei den Kunden um Steuerpflichtige oder Nichtsteuerpflichtige handelt. Ob sich die Mitgliedstaaten zur Reduzierung des Erhebungsaufwands im weiteren Verlauf der Verhandlungen auf das unter 4.2 beschriebene und von der Europäischen Kommission favorisierte «One-Stop-Shop»-Verfahren mit einer einzigen Registrierung nach Wahl des Reiseveranstalters verständigen können, bleibt abzuwarten. 4.4 Energie Die Liberalisierung der Energiemärkte geht mit einer Zunahme des grenzüberschreitenden Strom- und Gashandels einher. Da der Strom- und Gasfluss im physischen Sinne nicht mit dem Vertragsverhältnis zwischen den Handelspartnern identisch ist, ist die Bestimmung des Lieferorts bei grenzüberschreitenden Geschäften anhand der Grundsätze Beginn Beförderung oder Versendung bzw. Verschaffung der Verfügungsmacht naturgemäss mit grossen Schwierigkeiten verbunden. Daneben kann der Lieferant den für die Steuerbefreiung als Export oder innergemeinschaftliche Lieferung erforderlichen Nachweis der physischen Warenbewegung regelmässig nicht erbringen. Daher hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Neubestimmung des Ortes der Lieferung angenommen [73]. Die vorgeschlagene Lösung hätte zur Folge, dass alle Lieferungen für Zwecke des Wiederverkaufs am Domizil des Abnehmers besteuert werden, wobei dann zur Vermeidung von lokalen Registrierungspflichten die Steuerschuldnerschaft auf den Abnehmer umgekehrt wird. Für Übertragungsleistungen bzw. Nutzung von Verteilungsnetzen soll das Empfängerortsprinzip (wiederum in Verbindung mit der Umkehr der Steuerschuldnerschaft) anwendbar werden [74]. Der Entwurf sieht ein ambitioniertes Umsetzungsziel zum 1.1.2004 vor. Ob und gegebenenfalls wann der Der Schweizer Treuhänder 4/03 AKTUELLES ZUR MWST Axel Scheller, Fiskalvertretung und mehrwertsteuerliche Registrierung in der EU Vorschlag tatsächlich umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Die Vereinfachungen würden in der Praxis insbesondere durch die noch nicht harmonisierten Energiesteuern relativiert. 5. Grundsätzliche Überlegungen zur lokalen Registrierung und deren Vermeidung Die bestehenden EU-Regelungen bedeuten Mehrarbeit für alle Wirtschaftsbeteiligte. Zusätzlich zu lokalen Mehrwertsteuerabrechnungen sind die steuerfrei belassenen innergemeinschaftlichen Lieferungen zur Kontrolle der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland unter Angabe der Identifikationsnummer eines jeden Abnehmers zu deklarieren. Weiterhin sind die Meldepflichten zur Handelsstatistik («Intrastat») zu beachten. Dieser Verwaltungsaufwand macht regelmässig die Umstellung der EDV sowie die Reorganisation der Rechnungstellung einschliesslich der Archivierung von Beleg- und Buchnachweisen unumgänglich. Die damit einhergehenden Kosten sind neben den Kosten einer allfälligen Fiskalvertretung oder der Bestellung eines Bevollmächtigten bei der Auftragskalkulation zu berücksichtigen. Diese Mechanismen dürften vor allem für die in der Schweiz stark vertretenen mittelständischen Unternehmen (KMU) sehr schwerfällig erscheinen. Bei geringem Geschäftsvolumen und zu vernachlässigenden Logistikkosten kann es sinnvoll sein, die Warenbewegung über die Schweiz abzuwickeln, um das Aufgleisen einer Mehrwertsteuerregistrierung in der EU zu vermeiden. Zur Vermeidung der Registrierungspflicht können alternativ Agenturmodelle [75] erwogen werden. Die durch das schweizerische Unternehmen dann statt einer Warenlieferung erbrachten Dienstleistungen würden im Wege der Selbstdeklaration auf Ebene des EU-Leistungsempfängers besteuert. Insbesondere wenn hohe Vorsteuerguthaben im Spiel sind, ist es allerdings oft auch vorteilhaft, einen Registrierungstatbestand zur Minimierung der Liquiditätskosten gezielt zu kreieren. Das Erteilen einer lokalen Mehrwertsteuer- und Identifikationsnummer Der Schweizer Treuhänder 4/03 führt – für sich genommen – in keinem der EU-Mitgliedstaaten zu einer ertragsteuerlichen Betriebstätte des schweizerischen Unternehmens. Diese systemgerechte Feststellung mag aus heutiger Sicht selbstverständlich klingen. Zur Zeit der Schaffung des mehrwertsteuerlichen Binnenmarktes in 1993 wurde dies aber noch durch eine Reihe von lokalen Steuerverwaltungen in Frage gestellt, und es bleibt abzuwarten, wie reibungslos sich diese Einsicht in den EU-Beitrittsländern durchsetzen wird. Auch heute noch wird im Zuge der mehrwertsteuerlichen Registrierung eines ausländischen Unternehmens gezielt nach allfälligen ertragsteuerlichen Anknüpfungspunkten nach Massgabe der jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen gesucht. Dies gilt umso mehr, je privilegierter der direktsteuerliche Status im Heimatland im Verhältnis zum jeweiligen EUMitgliedstaat erscheint. Auf jeden Fall ist zu beachten, dass aus den lokalen Abrechnungen und durch die Kontrollrechte der lokalen Mehrwertsteuerbehörden Details auch zu konzerninternen Leistungsverrechnungen offengelegt werden. In einzelnen EU-Mitgliedstaaten bewirkt die lokale Mehrwertsteuerregistrierung, dass auch die aus der Schweiz in dieses Land erbrachten immateriellen Dienstleistungen (z.B. Konzernumlagen) mit lokaler Steuer abzurechnen sind. In allen EU-Mitgliedstaaten gilt es als gesichert, dass diejenigen immateriellen Dienstleistungen, für die das schweizerische Unternehmen einen Bezug von Dienstleistungen aus dem Ausland gemäss Art. 10 lit. a. i.V. m. Art. 14 Abs. 3 MWSTG im Wege der Selbstdeklaration zu versteuern hat[76], nicht aufgrund des blossen Bestehens einer lokalen Mehrwertsteuerregistrierung im Land des Leistungserbringers mit lokaler Steuer zu belasten sind. Doppelbelastungen mit EUSteuer und schweizerischer Steuer auf den Dienstleistungsbezug sind aufgrund von Qualifikationskonflikten [77] weiterhin möglich. Die Arbeitsteiligkeit des heutigen Wirtschaftslebens und die am Bestimmungslandprinzip orientierte Ausgestaltung der übergangsweisen Besteuerungsmechanismen im innergemein- schaftlichen Warenverkehr führen zur oft unbewussten Begründung mehrwertsteuerlicher Obliegenheiten eines schweizerischen Unternehmens im EU-Ausland. Damit einher geht ein signifikanter Anstieg des unternehmerischen Risikos in bezug auf die Mehrwertsteuer. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Streitverhalten der Steuerbehörden im EU-Raum ungleich stärker ausgeprägt ist als in der Schweiz. Das lässt sich nicht zuletzt an der Zahl der zur Mehrwertsteuer ergangenen Urteile des Europäischen Gerichtshofs sowie der hängigen Verfahren ablesen, wobei der Trend klar nach oben gerichtet ist. Ohne professionelle Beratung des Einzelfalls durch ausgewiesene Experten im lokalen Mehrwertsteuerrecht können auch für in der Schweiz domizilierte Unternehmen schnell unkontrollierte Risiken entstehen. 6. Ausblick Über die Dringlichkeit von Vereinfachungen des als «kompliziert», «betrugsanfällig» und «veraltet» empfundenen EU-Mehrwertsteuersystems besteht weitgehende Einigkeit [78]. Innerhalb der EU bereitet aber die konkrete Umsetzung von Vereinfachungen besondere Schwierigkeiten, da Änderungsvorschläge nur einstimmig angenommen werden können. Viele der gegenwärtig bestehenden Ausnahmeregelungen mussten als Preis für die geforderte Einstimmigkeit herhalten. Mit jeder verabschiedeten Richtlinie geht eine weitere Beschneidung der Rechte der einzelnen EU-Mitgliedstaaten einher. Begrüssenswert ist, dass auf EU-Ebene nun zumindest eine harmonisierte Liste der Pflichtangaben für eine konforme Rechnung aufgestellt wurde, die für alle Mitgliedstaaten ab dem Jahr 2004 verbindlich wird [79]. Aber auch die Verabschiedung einer Richtlinie ist kein Garant für harmonisierte Rechtsvorschriften. So beläuft sich die Gesamtzahl aller offenen Vertragsverletzungsverfahren gegen EUMitgliedstaaten nach Angaben der Europäischen Kommission auf 1500 [80]. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Zahl in Anbetracht der anstehenden EU-Erweiterung entwickeln wird. 325 AKTUELLES ZUR MWST Axel Scheller, Fiskalvertretung und mehrwertsteuerliche Registrierung in der EU In Anbetracht dieser Rahmenbedingungen ist auch die Europäische Kommission zu dem Schluss gekommen, dass ein absehbarer Übergang auf das von ihr favorisierte Ursprungslandprinzip mit Clearing-Mechanismus zur Verteilung der Mehrwertsteuereinnahmen auf die Mitgliedstaaten des tatsächlichen Verbrauchs wenig wahrscheinlich ist. Wenngleich an der Schaffung eines «endgültigen» Mehrwertsteuersystems nach Ursprungslandgrundsätzen langfristig festgehalten werden soll, definiert die Kommission aus Gründen der Praktikabilität neue Ziele zur weiteren Vereinfachung und Modernisierung der bestehenden Übergangsregelung [81]. Dem Beobachter drängt sich der Verdacht auf, dass mit dieser Neuausrichtung der Weg zum Ziel erklärt wird. Anmerkungen 1 Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuergesetz, MWSTG) vom 2. 9. 1999, vormals: Verordnung über die Mehrwertsteuer (MWSTV) vom 22.6.1994. 2 Art. 8a des Gründungsvertrags zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25.3.1957 (EWGV) definiert den Binnenmarkt als einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. 3 Erste Richtlinie 67/227/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer sowie Zweite Richtlinie 67/228/EWG (...) Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, jeweils vom 11. 4.1967. 4 Im Jahr 1987 legte die Kommission Richtlinienentwürfe vor, nach denen das Ursprungslandprinzip eingeführt werden sollte. Um weiterhin eine verbrauchsabhängige Verteilung des Mehrwertsteueraufkommens zu gewährleisten, sollte ein Clearing-Mechanismus eingeführt werden. 5 Diese Übergangsregelungen fanden ihre Ausgestaltung in der Richtlinie 91/680/EWG vom 16.12.1991. Wesentliches Merkmal dieser Übergangsregelungen ist die Fortgeltung des bisherigen Bestimmungslandprinzips innerhalb der EU. Der Tatbestand der Einfuhr wurde abgelöst durch den Tatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs. Nur im privaten Reiseverkehr wurde das Ursprungslandprinzip verwirklicht. 6 Helmut Kohl: Herausforderungen und Chancen der deutschen Aussenpolitik, Ansprache in Cambridge (UK) 1985. 7 Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. 5. 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, mit zahlreichen Änderungen. 326 8 Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden und Vereinigtes Königreich. 9 Im Rahmen des EU-Erweiterungsgipfels von Kopenhagen wurde am 13.12.2002 der Beitritt der folgenden Staaten zum 1. 5. 2004 verabschiedet: Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn und Zypern. Erklärtes Ziel ist der weitere Beitritt Bulgariens und Rumäniens für das Jahr 2007. 10 Richtlinie 65/2000/EG vom 17.10.2000. 11 Die von der Schweiz abgeschlossenen Rechtshilfeabkommen (Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20.4.1959; Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe vom 20. 3. 1981; Staatsvertrag zwischen der Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen vom 25. 5. 1973) sind auf solche Steuern beschränkt, die Gegenstand eines Doppelbesteuerungsabkommens sind und auf die Mehrwertsteuer nicht anwendbar. 12 Beschränkt auf Vertretene, die in DE ausschliesslich steuerfreie Umsätze ausführen und keine Vorsteuerbeträge in Abzug bringen (vor allem steuerfreie Einfuhren, an die sich unmittelbar eine innergemeinschaftliche Lieferung anschliesst). 13 Fiskalvertreterzwang in FI dann, wenn zum Vermeiden der Umkehr der Steuerschuldnerschaft zur freiwilligen Steuerpflicht optiert wird. In bestimmten Fällen der obligatorischen Steuerpflicht kann die Bestellung eines Fiskalvertreters unterbleiben. 14 Fiskalvertreterpflicht in NL dann, wenn das CH-Unternehmen mit Gegenständen handelt, die unter die Regelungen für MWSTLager fallen oder das Verlagerungsverfahren bei der Einfuhrsteuer angewendet werden soll. 15 Fiskalvertreterpflicht in GB, wenn die Entrichtung der Steuer durch das CH-Unternehmen in Frage gestellt ist. 16 Art. 28g und 28h i. V. m. Art. 21 Sechste EG-Richtlinie. 17 Verschärfung der Fiskalvertreterhaftung erwartet in ES. 18 Neben der abweichenden Abgrenzung zwischen Lieferung und Dienstleistung zählen zu den Ausnahmen u.a. der ortsbestimmende Einfluss der Verwendung einer UmsatzsteuerIdentifikationsnummer durch den Leistungsempfänger, Leasing, Managementleistungen und der Leistungsaustausch zwischen Stammhaus und Betriebstätte. 19 Art. 8 und 9 Sechste EG-Richtlinie. 20 Zur Besteuerung von Dienstleistungen nach Schweizer Recht vgl. z.B. Philip Robinson, Dienstleistungen im neuen schweizerischen MWST-Gesetz, in: ST 11/99, S. 1015 ff. und Axel Scheller/Manuel Vogel, Steuerbefreiung einer im Ausland genutzten Dienstleistung aufgehoben – Anpassung im Mehrwertsteuer-Gesetz – Neue Systematik der Ortsbestimmung – Fallstricke beachten, in: Finanz und Wirtschaft vom 10.1.2001, S. 29; zur weitgehenden EU-Kompatibilität vgl. auch Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) vom 28.8.1996, S. 27ff. 21 Schweizerischen Unternehmen steht die Vergütung von Vorsteuern in den EU-Mitglied- 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 staaten unter der Dreizehnten EG-Richtlinie (Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige) grundsätzlich offen, falls sie dort nicht registrierungspflichtig werden, keine lokalen Kleinunternehmerregelungen (Registrierungsschwellen) anwenden und solange die Schweiz das Gegenrecht auf Vergütung gewährt. Unter «Reverse Charge» ist der Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger zu verstehen. Der Mechanismus ist dem Bezug von Dienstleistungen aus dem Ausland (Art. 10 MWSTG-CH) vergleichbar. Zu Einzelheiten dazu vgl. Anm. 29. Option in BE nur möglich, wenn anzurechnende Vorsteuern > € 10 000 p. a. Der BEAbnehmer bleibt auch im Fall der Option Steuerschuldner. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Registrierung des CH-Unternehmens in FR vermieden werden, indem der erste FR-Lieferant die FR-Steuer auf den vom CH-Unternehmen an den FR-Abnehmer fakturierten Wert deklariert. Steuerbefreiung in IE, wenn Kunde über VAT 13B Certificate verfügt (≥ 75 % Lieferungen ins Ausland). Bei nicht regelmässig wiederkehrenden Lieferungen kann die Registrierung in LU durch Anwendung des «système de décompte» vermieden werden. Das CH-Unternehmen darf in Ermangelung einer mehrwertsteuerlichen Betriebstätte auch dann keine NL-Steuer an den NL-Abnehmer überwälzen, wenn es aufgrund anderer Aktivitäten in NL registrierungspflichtig wird. Der mehrwertsteuerliche Betriebstättenbegriff orientiert sich in NL weitgehend an Art. 5 OECD-Musterabkommen. Wird in AT nicht zur Steuerpflicht optiert (Nichtanwendung der VO 800), so sind Vorsteuervergütungen unter der 13. EG-Richtlinie ausgeschlossen. Optiert das CH-Unternehmen in AT zur Steuerpflicht, so ist die von dem CH-Unternehmen in der Rechnung ausgewiesene AT-Umsatzsteuer durch den ATAbnehmer einzubehalten und an die lokalen Steuerbehörden abzuführen (Teil des nationalen Erhebungsverfahrens, kein «Reverse Charge»). Das CH-Unternehmen kann also keine Vorabverrechnung zwischen geschuldeter AT-Umsatzsteuer und AT-Vorsteuer vornehmen und generiert so dauerhaft Vorsteuerguthaben. In Ausnahmefällen Vergütung der Vorsteuer unter der 13. EG-Richtlinie ohne Registrierung, wenn der PT-Abnehmer die von dem CH-Unternehmen geschuldete PT-Steuer als Haftungsschuldner entrichtet. Registrierung nur bei Vorliegen einer mehrwertsteuerlichen Betriebstätte in ES, wobei der Betriebstättenbegriff sehr weit gefasst ist (auch Warenlager ohne eigenes Personal sowie Repräsentanzbüros kommen in Betracht). Vom Sonderfall der Unterstellungserklärung für die vereinfachte Einfuhr von beweglichen Gegenständen abgesehen, gilt in CH für alle Lieferungen entlang der Reihe derselbe Lieferort. Das «Kippen» der Lieferkonditionen kann aber dazu führen, dass nach CH-Praxis überhaupt kein Reihengeschäft vorliegt. Der Schweizer Treuhänder 4/03 AKTUELLES ZUR MWST Axel Scheller, Fiskalvertretung und mehrwertsteuerliche Registrierung in der EU 33 Nicht zu verwechseln mit dem zollrechtlichen Ursprungslandbegriff. 34 Abschnitt 31 a. Abs. 11 UStR-DE, sogenannte «Salvatorische Klausel». Das hat dazu geführt, dass die in der deutschsprachigen Literatur anzutreffenden Beiträge zu EUReihengeschäften ein oftmals unzutreffendes Bild zeichnen. 35 Sonderregeln gelten für den Versandhandel mit Privaten, Art. 28b Teil B Absatz 2 Sechste EG-Richtlinie. 36 Unter Einschluss einer allfälligen Abführungspflicht des Fiskalvertreters. 37 Die Steuerschuld kann unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin auf den FI-Abnehmer übergehen (eingeschränkte Registrierung als blosse Deklarationspflicht). 38 Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Erwerbstatbestand in IE vermieden werden. Bei abweichender Beurteilung durch MS 1 hätte dies aber die Belastung mit MS 1-Steuer zur Folge. 39 Vgl. Anm. 26. 40 In SE kann zur Steuerüberwälzung optiert werden. 41 Die Ablehnung des Vergütungsantrags kann sogar die Feststellung der subjektiven Steuerpflicht in MS 1 aufgrund von innergemeinschaftlichen Verbringungstatbeständen zur Folge haben. Selbst bei Feststellung der subjektiven Steuerpflicht können die in die Zeit der Nicht-Registrierung fallenden Vorsteuern vom Abzug ausgeschlossen werden. 42 ∑ MS 2.i, i = 1-15 (einschliesslich allfälliger Inlandreihengschäfte); die anstehende EU-Erweiterung wird zu einem Anstieg auf i = 1-25 führen. 43 Bzw. jedes anderen EU-Mitgliedstaates als MS 1. 44 Doppelbelastungen mit Liefersteuer und Einfuhrsteuer sind z.B. in IE denkbar. 45 In Ausübung der Ermächtigungskompetenz durch die 2. Vereinfachungsrichtlinie vom 10. 4. 1995, 95/7/EG, zählen dazu Belgien, Griechenland und die Niederlande. In anderen Mitgliedstaaten befinden sich die Steuerlagerregelungen im nationalen Gesetzgebungsverfahren. 46 Abweichungen von den unter 3.1–3.4 dargestellten Mechanismen können sich – je nach Ausgestaltung der Lagerpräsenz – ergeben, wenn die mehrwertsteuerliche Behandlung der durch das schweizerische Unternehmen getätigten Inlandlieferungen von der Existenz einer mehrwertsteuerlichen Betriebstätte abhängt (wie in Tabelle 3 dargestellt, zählen dazu derzeit die Niederlande und Spanien). 47 Art. 28a Abs. 5 lit. b) i.V. m. Art. 28a Abs. 1 lit. a) und Abs. 6 Sechste EG-Richtlinie. 48 In Kenntnis der begrifflichen Unschärfe sollen «Konsignation» und «call-off» hier aus Vereinfachungsgründen synonym verwendet werden. Der in Tabelle 7 zugrunde gelegte Lagertyp entspricht dem «Call-off»-Lager im angelsächsischen Rechtsverständnis (insbesondere ein einziger Abnehmer); auf dem europäischen Festland oft auch als «Konsignation» («vente en consignation», «consignatieverkoop») bezeichnet. 49 Zu den potentiellen Schwierigkeiten bei nur einseitiger Vereinfachungsregelung vgl. z.B. Regine Schluckebier, KonsignationslagerGeschäfte und Vereinfachungsregelungen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten, in: Der Schweizer Treuhänder 4/03 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 ST 12/00, S. 1413ff. In der Praxis sind die dort beschriebenen Probleme derzeit wohl nur bei Konsignationslagern in AT denkbar, wobei dann allerdings aufgrund der asymmetrischen Beurteilung durch den anderen Mitgliedstaat das AT-Recht die Anwendung der Vereinfachung ausschliesst (vgl. Anm. 53). Der «Call-off»-Kunde in BE hat dann separate Buchungskreise für das CH-Unternehmen zu führen. Verwaltungspraxis ohne gesetzliche Grundlage in IE. Falls Beurteilung als aufschiebend bedingter Kauf in IT. In AT vorbehältlich der spiegelbildlichen Beurteilung im Ursprungs-Mitgliedstaat. In PT theoretisch denkbare Vereinfachungen finden in der Praxis keine Anwendung. Das Fehlen einer mehrwertsteuerlichen Betriebstätte in ES kann im Einzelfall zu einer de facto inaktiven ES-USt-IdNr. führen. Art. 21 Abs. 4 Sechste EG-Richtlinie (vormals Art. 21 Abs. 2). Die in DK bestehenden Vereinfachungsmöglichkeiten sind EU-ansässigen Unternehmen vorbehalten. § 13b UStG-DE. Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 7. 6.2000, Strategie zur Verbesserung der Funktionsweise des MwSt-Systems im Binnenmarkt, KOM(2000)348 endgültig. Vgl. z.B. Art. 15 Ziffer 13 Sechste EG-Richtlinie sowie Art. 19 Abs. 2 Ziffer 5 und 6. MWSTG-CH. Die bis zum ersten inländischen Bestimmungsort entstandenen Beförderungskosten sind regelmässig Teil der Bemessungsgrundlage für die Einfuhrsteuer – vgl. z.B. Art. 11 Teil B Abs. 3 lit. b) Sechste EG-Richtlinie sowie Art.76 Abs. 3 lit. b. MWSTG-CH. Art. 28b Teil C Sechste EG-Richtlinie. Vgl. z.B. Art. 9 Abs. 2 lit. b) Sechste EG-Richtlinie sowie Art. 14 Abs. 2 lit. b. MWSTG-CH. Richtlinie 1999/59/EG des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf das für Telekommunikationsdienstleistungen anwendbare Mehrwertsteuersystem vom 17. 6. 1999. Richtlinie 2002/38/EG des Rates zur Änderung und vorübergehenden Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der mehrwertsteuerlichen Behandlung der Rundfunkund Fernsehdienstleistungen sowie bestimmter elektronisch erbrachter Dienstleistungen vom 7. 5.2002. Exemplarische Aufzählung von elektronisch erbrachten Dienstleistungen nach Anhang L. Die Angaben des nicht ansässigen Steuerpflichtigen über die Aufnahme seiner steuerpflichtigen Tätigkeiten enthalten zur Identifizierung folgende Einzelheiten: Name, Postanschrift, elektronische Anschriften einschliesslich Websites, nationale Steuernummer, falls vorhanden, und eine Erklärung, wonach die Person nicht für Zwecke der MWST in der EU erfasst ist. Derzeitige Bandbreite von 15%–25%. Art. 19 Abs. 2 Ziffer 9 MWSTG. Der CH-Reiseveranstalter ist allerdings in bezug auf die in der EU in Anspruch genommenen Vorleistungen nicht vorsteuerver- 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 gütungsberechtigt, so dass im Ergebnis nur seine Marge unversteuert bleibt. Art. 26 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Sechste EG-Richtlinie. Ausnahmen aufgrund von nationalen Steuerbefreiungen (gemäss Artikel 28 Absatz 3 lit. b) der 6. EG-Richtlinie und Anhang F Ziffer 27) bestehen derzeit in Dänemark, Irland und den Niederlanden. Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG zur Vereinfachung und Modernisierung der Sonderreglung für Reisebüros sowie zur Harmonisierung ihrer Anwendung vom 8. 2. 2002 – 2001/075 (CNS), KOM(2002)64 endgültig. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG hinsichtlich der Vorschriften über den Ort der Lieferung von Elektrizität und Gas vom 5. 12. 2002 – 2002/0286 (CNS), KOM (2002) 0688 endgültig. Hinsichtlich der Übertragungsleistungen soll also die Schweizer Praxis übernommen werden (vgl. BB Nr. 18, Rz. 34 in Anhang 8 und MB 22 unter 7.). In bezug auf die Besteuerung der Liefergeschäfte geht der EU-Entwurf aber insoweit über die CH-Praxis hinaus, dass der Lieferort ungeachtet von allfälligen Umspannungen an das Domizil des Abnehmers verlegt wird und keine den Etrans-Meldungen oder Meldungen an das Bundesamt für Energie vergleichbaren Nachweise vorgesehen sind. Direkte Stellvertretung i. S. v. Art. 11 Abs. 1 MWSTG-CH oder Ausgestaltung als «Finder’s Fee». Dazu zählen: die Abtretung und Einräumung von Immaterialgüter- und ähnlichen Rechten; Leistungen auf dem Gebiet der Werbung; Leistungen von Beratern, Vermögensverwaltern, Treuhändern, Inkassobüros, Ingenieuren (mit Ausnahmen), Studienbüros, Anwälten, Notaren (mit Ausnahmen), Buchprüfern, Dolmetschern und Übersetzern, Managementdienstleistungen sowie sonstige ähnliche Leistungen; Datenverarbeitung, Überlassung von Informationen und ähnliche Leistungen; Telekommunikationsdienstleistungen; der gänzliche oder teilweise Verzicht, eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben oder ein in Art. 14 Abs. 3 genanntes Recht wahrzunehmen; Personalverleih; nicht als ausgenommen zu qualifizierende Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze, einschliesslich Rückversicherungsumsätze, ohne die Vermietung von Schliessfächern. So wird z.B. der Begriff der Managementdienstleistung in der Schweiz weiter ausgelegt als in vielen EU-Mitgliedstaaten. Das kann in Einzelfällen aber auch zu Besteuerungslücken führen. KOM(2000)348 endgültig, Rz. 10. Richtlinie 2001/115/EG des Rates vom 20. 12. 2001 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG mit dem Ziel der Vereinfachung, Modernisierung und Harmonisierung der mehrwertsteuerlichen Anforderungen an die Rechnungstellung. Binnenmarktanzeiger vom 11.11.2002, IP/02/ 1644. KOM(2000)348 endgültig, Rz. 12 sowie Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschaftsund Sozialausschuss vom 23.5.2001, Steuerpolitik in der Europäischen Union – Prioritäten für die nächsten Jahre, KOM(2001)260 endgültig. 327