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BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
Drucksache
21/2965
21. Wahlperiode
02.02.16
Schriftliche Kleine Anfrage
des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 25.01.16
und
Betr.:
Antwort des Senats
Flüchtlinge als potenzielle Zielgruppe von Salafisten
Nach Angaben der von Bundesinnenminister de Maizière am 6.1.2016 vorgelegten Asylstatistik sind im Jahr 2015 insgesamt 1,1 Millionen Menschen als
Flüchtlinge nach Deutschland gekommen.1 Dem Flüchtlingsmonitoring der
CDU-Bürgerschaftsfraktion zufolge hielten sich Ende Oktober 2015 bereits
38.415 Flüchtlinge in Hamburg auf.2 Dass dieser Zustrom nicht etwa abebbt,
sondern stetig kulminiert, belegen die Zahlen für den Folgemonat. Demnach
erreichte im November eine Anzahl von 9.588 Personen die Hansestadt. In
4.065 Fällen war zum Zeitpunkt der Datenabfrage bereits die Entscheidung
über einen dauerhaften Verbleib in Hamburg gefallen.3
In Hinblick auf die Belastung, die mit der Bewältigung dieses Phänomens
einhergeht, ist aber nicht nur dessen quantitative Dimension von Bedeutung.
Denn wie ein Blick auf die aktuellen Daten zeigt, stammten im November
nahezu 100 Prozent der in Hamburg angekommenen Personen aus islamischen geprägten Herkunftsländern.4 Damit geht die Migrationsbewegung, die
die Hansestadt gegenwärtig beschäftigt, unter qualitativen Gesichtspunkten
mit derjenigen Masseneinwanderung konform, die sich seit 2015 verstärkt
auf die Bundesrepublik Deutschland konzentriert.
Die hohe Relevanz, die man aus dieser Tatsache für Hamburg ableiten kann,
besteht unter anderem in der sich stetig intensivierenden Aktivität der salafistischen Szene unserer Stadt. Wie bereits aus zahlreichen Drucksachen
bekannt ist, umfasst das Tätigkeitsfeld von Salafisten die Veranstaltung von
Koranständen ebenso, wie das Verteilen von Flyern (Street-Dawah) und die
Indoktrination junger Menschen in verschiedenen Moscheen durch salafistische Prediger.5 Ebenfalls bekannt sind Fälle, in denen Salafisten versucht
haben, mit Flüchtlingen in Kontakt zu treten, was ihnen auf verschiedene Art
gelungen ist. Da man weiß, dass es dabei zur Übergabe von Sachspenden
und Koranausgaben gekommen ist, darf man annehmen, dass die salafistische Szene mit solchen Aktionen versucht, neue Mitglieder unter den Flücht-
1
„1,1 Millionen Flüchtlinge kamen 2015 nach Deutschland“. „Die Welt“-Online vom 6.1.2016.
Confer Drs. 21/2232. Seite 1.
3
Confer ibidem.
4
Demnach waren mehr als die Hälfte der Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien eingereist.
Confer Ibidem.
5
Confer Drs. 21/1987 und 21/2578.
2
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lingen zu finden. In einem Fall war ein Salafist sogar als Betreuer für Flüchtlinge aktiv.6
Dass dieses Phänomen mittlerweile auch in anderen deutschen Großstädten
zu beobachten ist und die Politik dort bereits zum Handeln bewogen hat,
zeigt das Beispiel Berlins. Im Dezember 2015 hat die Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport über den Verfassungsschutz eine Handreichung7
veröffentlicht, die ehrenamtlichen Helfern dazu dienen soll, die Aktivitäten
von Salafisten frühzeitig zu erkennen, um eine ideologische Beeinflussung
der Flüchtlinge, deren organisatorische Anbindung an die Salafisten-Szene
und damit letztlich auch die Anstiftung zu Straftaten zu verhindern.
Bei der Lektüre wird dem Leser nicht nur eine Einführung in die Ideologie des
Salafismus verschafft, sondern auch anhand verschiedener Fallbeispiele
illustriert, wie das Abdriften junger Menschen in diese Randgruppe konkret
aussehen kann. Gleichzeitig enthält die Handreichung eine Liste verschiedener Organisationen, die zweifelfrei dem salafistischen Spektrum zuzuordnen
sind und neben Wohltätigkeitsfonds auch aus Moscheevereinen bestehen.
Abschließend wird der Leser auf bestehende Aussteigerprogramme verwiesen.
Da die Anzahl der nach Hamburg kommenden Flüchtlinge auch 2016 weiter
ansteigen wird und bereits jetzt klar ist, dass der Großteil von ihnen mittelwie langfristig keine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt und damit auch nicht
die Möglichkeit haben wird, den eigenen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, darf der Senat keine weitere Zeit verlieren. Vielmehr muss er alles dafür
tun, um die Verbreitung von salafistischem Gedankengut unter den Flüchtlingen zu verhindern. Denn gerade Menschen, die sozioökonomisch chancenlos sind, weisen eine besonders große Anfälligkeit für extremistische Ideologien auf. Dies gilt umso mehr, wenn sie entsprechende Sinnangebote aus
den Kontexten ihrer Herkunftsländer bereits kennen.
Die Abfassung einer eigenen, institutionsübergreifenden Handreichung für
Hamburg scheint angesichts der zunehmenden Aktivität der SalafistenSzene sowie der steigenden Flüchtlingsanzahlen daher nicht nur unbedingt
erforderlich, sondern längst überfällig.
Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:
Hinsichtlich der Zuwanderungszahlen und ihrer Entwicklung siehe Pressemitteilung
zur monatlichen Entwicklung vom 7. Januar 2016:
http://www.hamburg.de/basfi/pressemeldungen/nofl/4662502/2016-01-07-zkf-bisbasfi-pm-dezember-bilanz-fluechtlinge/.
Im Übrigen siehe Drs. 21/328.
Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf Grundlage von
Informationen von Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) und der Bundesagentur
für Arbeit (BA) wie folgt.
1.
6
Im Rahmen des Beratungsnetzwerkes Prävention und Deradikalisierung
unterstützt der Senat bereits eine Vielzahl von Aussteigerprogrammen
für Salafisten.8 Sind gegenwärtig kooperationspartnerübergreifende
Informationsbroschüren verfügbar, die man mit der Handreichung der
Berliner Innenbehörde vergleichen kann?
Confer Drs. 21/328 und 21/2578.
„Aktivitäten islamistischer Akteure in Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation“ – eine
Handreichung der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Erschienen im Dezember
2015.
8
Confer Drs. 21/2623.
7
2
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Drucksache 21/2965
Wenn ja, welche sind dies?
Wenn nein, warum nicht?
Die zuständigen Fachbehörden informieren die Öffentlichkeit und Fachkräfte regelmäßig auf verschiedenen zentralen Internetseiten über aktuelle Entwicklungen des
religiös begründeten Extremismus, über Präventionsprojekte sowie über die Arbeit
des Beratungsnetzwerkes „Prävention und Deradikalisierung“ und stellen Hintergrundinformationen zusammen. Siehe hierzu:
http://www.hamburg.de/religioeser-extremismus/,
http://www.hamburg.de/innenbehoerde/islamismus/,
http://www.hamburg.de/infos-fuer-fachkraefte/4464128/salafismus-radikalisierung/.
Eine aktuell veröffentliche Broschüre des Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) ist
zu finden unter:
http://www.hamburg.de/innenbehoerde/schlagzeilen/4855946/salafismuskompaktinformation-verfassungsschutz-hamburg/.
Im Übrigen unterstützt der Senat in erster Linie Präventionsprojekte, ein Angebot für
Distanzierungswillige bietet die Beratungsstelle Legato an.
2.
Was unternimmt der Senat, um in den Hamburger Moscheevereinen für
Aufklärung zu sorgen? Wird er dabei selbst aktiv oder überlässt er diese
Aufgabe den Verantwortlichen vor Ort?
3.
Werden verfügbare Aufklärungs- und Präventionsmaterialen auch in den
Moscheevereinen verteilt?
4.
Stellt der Senat seinen Kooperationspartnern sowie Interessierten
regelmäßig aktuelle Informationen zum Thema „religiöser Extremismus
in Hamburg“ zu Verfügung? Unterhält er zu diesem Zweck womöglich
eine eigene Plattform, wie zum Beispiel eine Internetpräsenz, auf welcher er fortwährend über aktuelle Entwicklungen informiert?
Wenn ja, wie sieht diese aus?
Wenn nein, warum nicht?
5.
Inwieweit sind die Moscheevereine dazu angehalten, dem Senat regelmäßig über Fälle zu berichten, in denen sie von der Aktivität salafistischer Personen beziehungsweise Gemeindemitglieder Kenntnis erhalten? Bestehen dazu konkrete Vereinbarungen?
Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?
Über das Beratungsnetzwerk Prävention und Deradikalisierung sind verlässliche
Informations- und Kooperationsstrukturen mit den islamischen Religionsgemeinschaften und der Alevitischen Gemeinde (und weiteren Kooperationspartnern) aufgebaut
worden. Siehe unter anderem Drs. 21/1987, 21/2469, 21/2483, 21/2578.
Die Arbeit des Beratungsnetzwerkes umfasst insbesondere den Informationsaustausch über die Einschätzung der aktuellen Lage aus der Perspektive der beteiligten
Fachbehörden, die Bewertung von Präventionsansätzen und Handlungsstrategien,
den fachlichen Austausch zu Studien und Veranstaltungshinweisen Dritter (zum Beispiel Haus Rissen, Friedrich-Ebert-Stiftung, Konrad-Adenauer-Stiftung unter anderem). Die Arbeit des Beratungsnetzwerkes wird über eine Intranetseite (Sharepoint)
unterstützt, in der unter anderem auch Flyer, Broschüren und sonstige Infromationsmaterialen sowie Literaturhinweise hinterlegt sind.
Einen guten Kommunikationsfluss zwischen dem Beratungsnetzwerk und den
Moscheevereinen gewährleisten die beiden von der Behörde für Arbeit, Soziales,
Familie und Integration (BASFI) finanzierten „Koordinierungsstellen Prävention und
Lotsenberatung“ bei der SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg
e.V. und bei der Alevitischen Gemeinde e.V. Auch die Türkisch-Islamische Union der
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Anstalt für Religion (DITIB) und der Verband der Islamischen Kulturzentren e.V.
(VIKZ) sichern eine laufende interne Kommunikation zwischen dem Netzwerk und
ihren Gemeinden.
Darüber hinaus hat die Beratungsstelle Legato den Auftrag, die Moscheegemeinden
und die Alevitischen Gemeinden mit aktuellen Informationen über Radikalisierungsprozesse und Beratungsmöglichkeiten zu unterstützen.
Des Weiteren stehen die Präventionsstelle der Abteilung Staatsschutz des Landeskriminalamtes (LKA) und das LfV Hamburg auch unabhängig vom Beratungsnetzwerk
in einem regelmäßigen Kontakt zu Vertretern verschiedener Moscheevereinen und
tauschen sich – auch anlassbezogen – über die aktuelle Situation aus.
Im Übrigen siehe Antwort zu 1.
6.
Die Aktivität von Hamburger Salafisten hat im Zeitraum von 2010 bis
2016 stark zugenommen.9 Nimmt der Senat diese Entwicklung zum
Anlass, um neue Aufklärungs- und Präventionskonzepte zu erarbeiten?
Wenn ja, welche sind dies?
Wenn nein, warum nicht?
Siehe Drs. 21/2578.
Im Übrigen besteht keine Pflicht religiöser Gemeinschaften, über innergemeindliche
Entwicklungen zu berichten.
7.
Wie schätzt der Senat die Gefahr ein, dass junge männliche Flüchtlinge
mit unzureichender beruflicher Qualifikation sich infolge ihrer Perspektivlosigkeit dem Salafismus zuwenden?
Das Senatskonzept „Effektive Maßnahmen gegen gewaltbereiten Salafismus und
religiösen Extremismus ergreifen“ (Drs. 20/13460) vom 28.10.2014 wird laufend weiterentwickelt und mit der Antwort auf das Bürgerschaftliche Ersuchen Drs. 21/2196
den aktuellen Entwicklungen angepasst.
Im Übrigen siehe Drs. 21/1674.
8.
Wie viele der in Hamburg registrierten Flüchtlinge verfügen über eine
Berufsausbildung, mit der sie auf dem hiesigen Arbeitsmarkt Fuß fassen
können?
Der Senat fördert die berufliche Integration von Flüchtlingen insbesondere mit dem
Programm W.I.R – work and integration for refugees (siehe Pressemitteilung vom
04.09.2015:
http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/4595800/2015-09-04-basfiwork-and-integration-for-refugees/). Unabhängig davon ist eine Korrelation zwischen
sozioökonomischer Perspektivlosigkeit und Radikalisierung aufgrund der sehr heterogenen Radikalisierungsverläufe wissenschaftlich nicht nachweisbar.
9.
Wie groß ist die Gruppe solcher Flüchtlinge, die als unterqualifiziert gelten?
Vonseiten des Statistik-Service der BA erfolgt keine Erhebung und Auswertung im
Sinne der Fragestellung.
Hinsichtlich der bundesweiten Erkenntnisse verweist Jobcenter auf die Berichte des
Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB):
http://doku.iab.de/externe/2015/k150922r03.pdf,
http://doku.iab.de/aktuell/2015/aktueller_bericht_1514.pdf.
Der Senat, die Agentur für Arbeit Hamburg, Jobcenter haben unter Einbindung von
verschiedenen Trägern, die Erfahrungen in der Flüchtlingsarbeit und der Anerkennung
von im Ausland erworbenen beruflichen Qualfikationen und Kompetenzen zum 30.
Oktober 2015 das Vorhaben W.I.R – work and integration for refugees gestartet, das
9
4
Confer Drs. 21/2211.
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unter anderem die Feststellung von beruflichen Kompetenzen von Geflüchteten zum
Gegenstand hat (siehe Drs. 21/2680).
Repräsentative Ergebnisse zu den Qualifikationsprofilen liegen derzeit noch nicht vor.
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