Reise einer Delegation des VPKBH nach Haiti vom 25. bis 30
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Reise einer Delegation des VPKBH nach Haiti vom 25. bis 30
Reise einer Delegation des VPKBH nach Haiti vom 25. bis 30. November 2014: Die Delegation bestand aus fünf Personen (Elisabeth Burren (Vorstandsmitglied VPKBH), Hanni Isenschmid und Monique Wegmüller von der Patenschaft Haiti, Lukas Klingler und Jean Klingler (Präsident VPKBH). Sie wurde am Flughafen von Port-au-Prince von Fredy Sidler (Präsident Fondation Suisse-Santé-Haïti) und Norbert Morel (Geschäftsführer in Haiti der Fondation)abgeholt. Ziel der Reise waren die verschiedenen Projekte, welche der VPKBH mitfinanziert. Unsere Eindrücke: Haiti hat uns gleich in Beschlag genommen mit all seinen Farben, seinen Widersprüchen jeglicher Art, besonders von Armut und Lebensfreude: Verkehrschaos, typische kaum fahrtüchtige aber völlig überladene Taptap, tropische Sonne, viele Leute welche irgend einer Tätigkeit nachgehen oder einfach warten, armselige Hüttenstädte, die sich die kahlen Hügel hinauf ziehen ohne Planung von Strassen oder irgendwelcher Infrastruktur wie Kanalisation, Wasser oder Strom, auch ohne schattengebende Bäume. Faszinierendes Chaos. Fahrt der Meeresküste entlang, links das Wasser und eine ferne Insel, rechts die steilen, vorwiegend kahlen Hänge eines Gebirgszugs. Im Meer Reste von Mangrovenwäldern, dem Meer entlang hinter Mauern versteckt die Villen reicher Leute. Farbige Märkte. Bananenbäume, Oelpalmen, Zuckerrohr zum Eigengebrauch. St.Marc, eine Küstenstadt mit Hafen und Geschäften, Bienenschwarm gleich die Motorräder, sie machen den Taxi-Dienst. Dann landeinwärts hinter dem eben erwähnten Küstengebirge ins weite, grüne Artibonite-Tal, in der Talsohle Landwirtschaft, die Hänge kahl. Der von Bäumen gesäumten asphaltierten Strasse entlang Verkaufsstände, viele Leute, manchmal Männer an einem Tisch im Schatten Karten spielend, Schulkinder in Uniformen, magere Pferde und Esel, Hühner. In Deschapelles Unterkunft bei Norbert Morel, der sich als perfekter Gastgeber erweist. Die von einer Mauer umgebene Parzelle enthält das Wohnhaus von Norbert, Räume für die Infrastruktur der Dispensaires, Materiallager und Werkstätte für Unterhaltsarbeiten. Die Gästezimmer sind noch nicht fertig, so rutschen wir behelfsmässig zusammen, was der Stimmung keineswegs Abbruch tut – im Gegenteil. Eine gedeckte Loggia mit langem Tisch für die Mahlzeiten, ein kleiner Pool für die abendliche Abkühlung. Auf dem Flachdach Solarpanel für Strom und Licht. Ein tiefer Brunnenschacht mit Pumpe für das Wasser. Alles ist da. Vom Flachdach sieht man über das Tal bis zum Ort PetitRivière auf dem ersten Hügel der Gegenseite und in die Nachbarparzellen mit den Blechdächern der Hütten, Mango- und Bananenbäumen, Schweinen, Hühnern und spielenden Kinder. Durch das grosse Tor können umgekehrt die Leute auf dem Weg sehen, was drinnen abläuft, man sieht sich und winkt sich zu, man ist Teil des Dorfes. Die Köchin bereitet uns nach Anweisung von Norbert köstliche Mahlzeiten und beim vorzüglichen haitianischen Bier erzählt Norbert von den Menschen, ihren Weltvorstellungen, Gewohnheiten, Nöten und Freuden. Norbert ist Freiburger, schon sehr lange in Haiti, spricht kreolisch und kennt die Leute wie wenige. Die Nächte sind tropisch heiss, man liegt unter dem Ventilator, Mückenschutz gegen Malaria und Dengue, die ganze Nacht krähen draussen reihum die Hähne. Der Tagablauf der Menschen richtet sich nach der Sonne: Um 6 Uhr wird es hell und das Leben erwacht, abends um 6 wird es sehr rasch dunkel, die Leute verschwinden in ihre Hütten – nur ein paar Hunde bellen, die eben erwähnten Hähne markieren ihr Revier und gelegentlich hört man Tamtam. Besuch der Dispensaires von Plassac und Valheureux: Plassac liegt auf der anderen Talseite in den Hügeln auf einem schönen Plateau. Die Strasse dorthin ist nur befahrbar mit guten Geländewagen und gleicht einem Bachbett, von den Tropenregen ausgewaschen. Das weiss-blaue, langgestreckte Gebäude des Dispensaire (Ambulatorium) liegt ziemlich allein. Ein freundlicher Ort: Wartende Patienten auf Bänken unter dem Vordach. Ein hübscher Innenhof, um den sich die Behandlungsräume, Apotheke, Materiallager und das Labor reihen. Ein zweiter, kleiner Innenhof führt zu den Unterkünften der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche die Woche über dort bleiben und nur am Wochenende nach Hause können. Links in einem zweiten Gebäude die neue Maternité, das Gebärhaus, freundlich, funktionell und sauber eingerichtet, Hier findet auch die Schwangerschaftsberatung statt. Wir werden freundlich empfangen von der Leiterin des Dispensaire und von der Aerztin Dr. Kettya Desir. Offensichtlich geht die gute Stimmung auch auf die Patienten über. Das Dispensaire bietet die medizinische Grundversorgung für eine weitläufige Gegend und wird sehr rege benutzt. Die Patienten kommen oft viele Stunden zu Fuss, tragen ihre Kinder, stützen die Kranken – aber immer für den Anlass sonntäglich gekleidet. Trotz der erschreckenden Mütter- und Kindersterblichkeit müssen sich die Frauen noch daran gewöhnen, statt unter schlechten hygienischen Bedingungen in ihren ärmlichen Hütten nun in der neuen Gebärklinik unter Obhut gut ausgebildeter Hebammen zu gebären. Wie überall brauchen Umstellungen Zeit. Zufälligerweise treffen sich die Agents de Santé der Gegend zu einer Sitzung. Diese Leute suchen in weitem Umkreis die Bevölkerung zu Hause auf, impfen die Kinder, verteilen Augentropfen gegen Erblindung und machen erste medizinische Versorgungen. Wir sind beeindruckt von diesem Ort. Nun wechseln wir wieder die Talseite und besuchen das neu gebaute Dispensaire von Valheureux, auch blau-weiss und mit sehr ähnlichem Aufbau, im Innenhof schöne Pflanzen, die Sprechstunde ist vorbei und es wird ruhig. Das Team des Dispensaire, Leiterin, Pflegepersonal für die Sprechstunde, Verantwortliche für Archiv, Apotheke, Material, heisst uns herzlich willkommen, zeigt uns alles inkl. Solaranlage und Wasserreservoir und lädt uns schliesslich zu einer köstlichen Mahlzeit mit vielerlei typisch haitianischem Essen. Für sie wie für uns ein wichtiger Anlass. Auch hier ein sehr angenehmer Ort. Die Bevölkerung nimmt die neue medizinische Dienstleistung gern in Anspruch, denn bis vor kurzem gab es hier keine medizinische Versorgung. Die Konsultation kostet 1 Dollar alles inbegriffen. Das Geld kommt in eine Kasse, um der Dorfgemeinschaft für besondere Projekte wie Brunnen und Wege zu helfen, kommt also wieder der Bevölkerung zu Gute. Besuch der Ecole Béthel: Die Schule liegt wenige Minuten zu Fuss von Norbert Morels Haus entfernt. Sie wird seit den 70er Jahren von der Patenschaft Haiti“ unterstützt. Letztere hat sich 2012 dem VPKBH angegliedert. Die Gründerin Elisabeth Burren ist mit von der Partie; der Besuch der Schule ist somit ein emotional wichtiger Moment. Schulleiter ist Pasteur Augustin, die Begrüssung ist herzlich. Im Hof hängt am Fahnenmast die haitianische Fahne; jeder Tag beginnt mit dem Fahnenaufzug und der Nationalhymne. Die Schulzimmer in den zwei langen, blau gestrichenen Gebäuden steigen treppenförmig den Hang hinauf, rechts Kindergarten und Unterstufe, links die Oberstufe. Die Kindergartenkinder, Mädchen und Knaben, sind in rot karierten Blusen/Hemden und roten Hosen/Röcken. Die Schulkinder entsprechend aber in blau. Die Kinder betrachten uns „Blanc“ neugierig, singen das einstudierte Begrüssungslied. Nach dem Besuch der Schulklassen tauschen wir im Lehrerzimmer Geschenke aus: Schulmaterial gegen Kunsthandwerk. Die Lehrer tragen zum Anlass Krawatten. Sicher ist der Schulunterricht weit vom schweizerischen Standard entfernt aber hier gehen Kinder in eine strukturierte Schule, lernen Rechnen, Schreiben und Lesen in den Landessprachen Kreolisch und Französisch. Das öffentliche Schulwesen steht nur auf dem Papier, Schulunterricht wie Schuluniformen kosten. Dank den Beiträgen der Schweizer Patinnen und Paten kommen auch Kinder mittelloser Eltern hier zu einer angemessenen Bildung. In einer offenen Küche wird das Mittagsmahl für die Schulkinder gekocht. Dies hat einen positiven Einfluss auf die Gesundheit der Kinder und fördert die Schulpräsenz. Zur Schule gehören ein Waisenhaus, von Kanadiern finanziert, und eine Kirche. Am letzten Tag vor der Abreise wohnen wir einem Gottesdienst bei, buntes Volk herausgeputzt in Sonntagskleidern. Das Hôpital Albert Schweitzer (HAS): Das Spital entspricht in seiner Struktur einem schweizerischen Regionalspital und ist für das Artibonite-Tal sehr wichtig – und dabei auch der grösste Arbeitsgeber. Nach einer Führung durch das Spital treffen wir den Spitaldirektor Louis Martin. Leider ist der von uns finanzierte Dr. Toussaint ferienhalber abwesend. Das Spital ist wie immer übervoll, reihenweise stehen die Patientenbetten in den Gängen; man schlängelt sich an Kranken vorbei, die an der Infusion hängen. Im Neugeborenenzimmer viele Brutkästen mit Frühgebürtchen. Handwerker sind eben daran die Blechdächer des Spitals mit Solarpanelen zu überziehen. Mit Sonnenenergie soll Dieselöl für die Stromgeneratoren gespart werden. Es gibt keine verlässliche öffentliche Stromversorgung. Treffen mit Dr. Susanne Amgwerd: Die Schweizer Kinderärztin ist für uns 6 Monate in Haiti, zuerst hat sie 3 Monate auf der Kinderabteilung des HAS gearbeitet und anschliessend in den Dispensaires der Gegend jeweils wochenweise Fortbildungskurse in Pädiatrie für das Personal gegeben. Wir treffen uns bei Norbert Morel und haben uns viel zu erzählen. Ende Dezember kehrt sie wieder in die Schweiz zurück. Land und Volk: Wir geniessen es, durch den weitläufigen Ort Deschapelles zu wandern und Ort und Leute zu beobachten, im Nachbarort Verrettes den grossen Markt zu besuchen und die kleine recht hübsche Stadt Petit-Rivière auf einem Hügel mit ein paar historisch interessanten aber kaum unterhaltenen Gebäuden. Ein grosser Leichenzug mit Musik, Schulkindern in Uniform, Notabeln und viel Volk führt zum Nachbargarten, wo die Bestattung stattfindet und die Gäste verköstigt werden. Haiti ist nicht nur Erdbeben, Cholera, nicht funktionierende Regierung, sondern trotz grösster Armut, Bildungsnotstand und dem Fatalismus ehemaliger Sklaven ein pulsierend lebhaftes Land mit lachend lebensbejahenden – vor allem sehr jungen – Menschen. Wir konnten uns überzeugen, dass das Geld unserer Spender gut angelegt ist. Ein ganz besonderes Lob gilt der Fondation Suisse-Santé-Haïti und ihren Dispensaires. Jean Klingler VPKBH, Dez. 2014