Tro§zdem Nr.38 12-2007 - Justizvollzugsanstalt Oldenburg

Transcription

Tro§zdem Nr.38 12-2007 - Justizvollzugsanstalt Oldenburg
Tr§tzdem
Gefangenenzeitung der JVA Oldenburg
Frohe
Weihnachten
und ein
glückliches
Jahr
2008
Nr. 38 Dezember 2007
Ministerieller Segen
All you can run
S. 15
S. 14
S. 17
S. 38
S. 44
S. 27
Top-Thema Wer kommt rein, wer kommt raus?
S. 22
S. 36
S. 56
Gesetze, Urteile
S. 19
S. 18
Humor
S. 42
Inhalt
Inhalt
Seite
JVA intern
In eigener Sache (Redaktionsinfo) 4
Informationen & Veranstaltungen 4
Weihnachtsgruß Anstaltsleiter
6
Weihnachtsgruß Justizministerin 7
Fragebogen für Beamte
8
Fragebogen für Gefangene
9
Rauchverbot
10
Die GIV informiert
10
Aids-Hilfe
10
Der Pendler
11
Gefangenenzeitungen
13
Der Zeitgeist
13
Ministerieller Segen
14
Die etwas andere Rede
14
Bildung — Sport — Gesundheit
Sommerfest in der Gerichtsstraße15
Volleyball: Riesen–Spiel
15
Kleines Zirkeltraining
16
All you can run
17
Recht — Soziales
Zum neuen NJVollzG
Drogen und Recht
Anzahl der Straftäter sinkt
Aus der Rechtsprechung
Zur Erinnerung
Konsequent und liberal
Top-Thema
18
19
19
20
20
20
22
Inhalt
Kultur — Ausland — Medien
Der Hörbuch Club
31
- Hörbücher
Literatur & Co.
- Buchtipps
32
32
36
36
36
Weltpremiere
38
Eine ganz neue Erfahrung
Stacy (Keach) meats Tom
Beiträge auf O1 über…
Zitate aus der Diskussion auf O1
Gedichte
Humor im Knast
Auslandsinfo: Kasachstan
Knast in Kasachstan
Buchtipp
Presseschau
22
26
27
29
29
31
Weihnachtsgeschichte
Nicht nur eine Personalie
Oldenburger Filmfestival
- Wer kommt rein,
wer kommt raus?
Die Oldenburger Verhältnisse
Der Vollstreckungsplan
Anstieg der Gefangenenzahlen
Vorurteil stimmt nicht
Kriminelle Karrieren
Seite
- Holländer holen sich Tipps
- Aus für Gefängnisse
- Gericht bestätigt EU-Haftbefehl
- Täter-Opfer-Ausgleich
- Blick stärker auf Opfer richten
- Bundesrichter denken ...nach
- Ideenschmiede im Gefängnis
- Gewalt in deutschen…
- Experten rügen Haftbedingung.
40
40
40
40
41
42
44
45
46
Inhalt
Seite
- Knast Bücherei...
49
- Ministerin testet neue Uniform... 49
- Experten rügen Pläne ...
49
- Mitarbeit wird zum Leitmotiv... 50
- Anzahl der verurteilten Straftäter50
- Verein holt Täter und Opfer… 50
- Hinter selbst gebauten Gittern… 51
- Aus erster Hand
52
Mixed
Empfindlicher Dämpfer
Ein Leserbrief von Helle
Kniffelig
Backen hinter Gittern
Schachrätsel und Sudoku
Hättest Du es gewusst?
Preisrätsel
Adressen
Leserbeitrag
Superquiz
Vorschau nächste Ausgabe
Impressum
Postkarten
-
53
54
55
56
57
57
58
59
60
61
62
62
63
47
47
47
47
47
48
48
48
49
49
Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe ist der 20. März 2008
Spenden
Auch wir sind auf Spenden angewiesen, um weiterhin das Erscheinen der “Tr§tzdem” in der
gewohnten Qualität gewährleisten zu können.
Wir bitten daher um Ihre Unterstützung und eine Spende auf das Konto der:
JVA Oldenburg
Verwendungszweck: Tr§tzdem
Bank:
BLZ:
Konto-Nr.:
Norddeutsche Landesbank, Hannover
25050000
106024813
ie
für d
e
i
n, d
n!
ene t habe
d
l
l
a
de
ken
pen
dan m ges
r
i
W z de
t
T r§
Auf Wunsch wird gerne eine Spendenquittung übersandt.
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
3
JVA intern
In eigener Sache
Infos aus der Redaktion:
Neu dazu gekommen sind Sven
Stamm und Christian Menig. Nicht
mehr dabei sind Stephan M., Dieter
Schacht (der viele köstliche Beiträge
beigesteuert hat) sowie RM (der uns
so manchen tiefsinnigen Beitrag geliefert hat), die allesamt verlegt worden sind.
Vielleicht ist es nicht jedem aufgefallen! In unserer Ausgabe Nr. 37
vom September 2007 hat sich ein
Fehler eingeschlichen: Die Seite 2
wurde beim Druck mit der Seite 76
vertauscht. Wir glauben dennoch,
die Zeitung konnte sich auch so sehen lassen.
Unser Top-Thema in dieser
Ausgabe:
Wer
kommt
rein,
wer
kommt raus?
- Ein Thema,
das sich als
dem
vielfältiger erTr§tinzformiert
wies, als unsere Seitenplanung zuließ.
Daher
haben wir uns
auf nur einige
(unserer Meinung nach wichtige) Aspekte beschränken müssen.
Nicht realisierte Themen:
Da die Anstaltsleitung nur noch
bereit ist, die Kosten für maximal 60
Seiten zu übernehmen, sind einige
Themen kürzer behandelt worden
und auf manche Berichte wurde
ganz verzichtet. Ein Zuschlag für
das herausragende Ereignis der
Präsentation von Wettbewerbsfilmen
zum Oldenburger Filmfestival in der
JVA wurde jedoch gern genehmigt.
Wir hoffen dennoch, dass wir ausreichend informativ bleiben konnten.
Keinen großen Raum nimmt
vorerst die Berichterstattung zum
neuen Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz ein, da die politischen
Weichen weitgehend gestellt sind
und mit einem Inkrafttreten des Gesetzes Anfang 2008 zu rechnen ist.
Wir wollten auch über weitere
Arbeitsbetriebe berichten, mussten
dies aber aus Platzgründen aufschieben.
4
Schach- und Sudoku- Lösung:
Die Lösungen sind auf Seite 13
zu finden!
Danke:
Unser besonderer Dank gilt den
Autoren unserer Beiträge - den Beamten, die Ihre Freizeit dafür geopfert haben, den externen Autoren für
ihr Interesse an qualitativ guten Gefangenen-Zeitungen und den Gefangenen, die eine ungewohnte Tätigkeit auf sich genommen haben.
An dieser Stelle bedanken wir
uns gerne wieder bei Frau Barkemeyer, die der Tr§tzdem stets verbunden ist und jedes Mal viel Arbeit
beim Korrekturlesen hat. Sie wurde
unterstützt von unserem Redaktionsmitglied Lasse Willms.
Diesmal haben wir wieder Post-
Informationen & Veranstaltungen
Alphabetisierungskurs
Lerngruppe
Herr
Dannebaum
Anmeldung mit
VG 51
Sportlehrer
Dienstags
Freitags
von
16:30
bis
18:15
von
13:15
bis
14:45
Migrationskurs
Gefährdetenhilfe
Für Gefangene mit Migrationshintergrund,
die das Ziel und die Möglichkeit
haben, in Deutschland zu bleiben.
Seelsorgerisches Angebot in ehrenamtlichem Engagement aus christlicher Verantwortung von gläubigen
Christen, die in der Gruppe Bibelarbeit und Gespräche anbieten und
gemeinsam musizieren.
Ziele dieser Maßnahme sind:
Vorbereitung und Motivation für die Teilnahme
an weiterführenden Bildungs– und Ausbildungsmaßnahmen, Verbesserung der Integration in die Gesellschaft der Bundesrepublik
Deutschland und Finden der eigenen Identität
in der neuen gesellschaftlichen Umgebung.
Herr Buß
Auf Antrag bei Vorlie-
Psychologischer Dienst
gen der Voraussetzungen
und max. 10 Teilnehmer
Dienstags
von
bis
Jeweils für 6 Monate
13:30
16:00
karten mit Bildern von einem Mitinhaftierten aus Oldenburg hinein genommen. In den nächsten Folgen
werden sicherlich auch wieder selbst
gemalte Bilder in einer Galerie zu
sehen sein. Den Künstlern danken
wir für ihre Bereitschaft, Ihre Werke
den Lesern der Tr§tzdem vorzustellen.
Große Unterstützung erhielten
wir in Form von Geld– und Sachspendern und von vielen Verlagen,
die uns mit etlichen wertvollen Rezensionsexemplaren versorgt haben. Die Bücher und Hörbücher sind
wie immer auch in der Gefangenenbücherei erhältlich.
UM
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Das Angebot richtet sich in erster Linie an
Gefangene, die aus dem russischen Sprachraum kommen.
Durchgeführt wird es von 8 Ehrenamtlichen in
unterschiedlicher Besetzung.
Frau
Barkemeyer
Anmeldung mit
VG 51
Sozialdienst Team 1
Mittwochs
von
bis
18:00
19:30
ZoG
„Zukunft ohne Gewalt“
Kognitiv-behaviorales Behandlungsprogramm, geschlossene Gruppe mit
8 -10 Gefangenen über 15 Monate
Frau Grenz
Auf Antrag bei
Psychologischer Dienst
Vorliegen der VorHerr Schwindeler
aussetzungen
Sozialer Dienst, Team 2
Donnerstags
i. d. R. 14-tägig
Bei Bedarf
wöchentlich
von
17:15
bis
19:15
Beginn: 30.8.07
JVA intern
Informationen & Veranstaltungen
Gottesdienst
Anonyme Alkoholiker
Kirchengruppe
„AA“
Gottesdienst in der Kapelle unabhängig von der Konfessionszugehörigkeit
Frau Menz
Herr Kisse
Seelsorge
Sonntags
Anmeldung im
Stationsbüro bis
Donnerstag
von
10:45
bis
Gesprächsgruppe
Herr Korn
Sozialdienst Team 1
Montags
11:15
Gesprächsgruppe
Anmeldung mit
VG 51
von
bis
Frau Menz
Seelsorge
Anmeldung mit
VG 51
17:45
1. und 3.
von
16:30
19:15
Montag
bis
18:00
Musikgruppe
Spielegruppe
Literaturgruppe
Gemeinsames Musizieren
Brett-, Karten-, Gesellschaftsspiele und mehr
Gruppe für Literaturinteressierte
Herr Wojtke
Abteilungshelfer
Team 1
Anmeldung mit
VG 51
Frau
Barkemeyer
Anmeldung mit
VG 51
Herr Kisse
von
1. und 3.
Seelsorge
Anmeldung mit
VG 51
Sozialdienst Team 1
Dienstags
von
17:00
bis
Dienstags
19:00
bis
16:45
18:15
Mittwoch
von
16:30
bis
18:00
AnstaltsleiterSprechstunde
Chor
Orientierungsgruppe für
Drogenabhängige
Einzelgespräch
Gospelchor der JVA
Elf Sitzungen im Gruppenraum des Suchtberatungsdienstes (SBD) bei Station D3
mit Herrn Höpken von der Caritas in Sögel
Herr Zech
Vollzugsleitung
Anmeldung mit
VG 51
Frau Menz
Seelsorge
Anmeldung mit
VG 51
Frau
Schürmann
Anmeldung mit
VG 51
Suchberatungsdienst
Mittwochs
von
16:00
bis
17:00
Donnerstags
von
16:30
bis
19:00
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Donnerstags
von
16:30
bis
18:00
5
JVA intern
Grußworte zum Weihnachtsfest und Jahreswechsel
Grußwort des Anstaltleiters
Gerd Koop
zur Weihnachtsausgabe 2007
Sehr geehrte Damen und Herren,
im siebten Betriebsjahr der neuen Anstalt an der Cloppenburger Straße, im
fünften Jahr nach der Fusion
mit der JVA Wilhelmshaven
und im dritten Jahr nach der
Angliederung der Abteilung
Cuxhaven an Oldenburg sind
nunmehr die wesentlichen
baulichen Voraussetzungen für
einen differenzierten Strafvollzug geschaffen worden. In
Oldenburg gibt es 611 Haftplätze, verteilt auf die 6 Standorte Oldenburg, Hauptanstalt
und Gerichtsstraße (geschlossener Vollzug), und Cuxhaven, Delmenhorst, Nordenham und
Wilhelmshaven (offener Vollzug). Alle
Anstalten und Abteilungen sind modernisiert und entsprechen den Anforderungen der menschenwürdigen Unterbringung und des Wohngruppenvollzuges.
Die JVA Oldenburg ist bemüht, jedem einzelnen Gefangenen beim Aufbau
einer Zukunftsperspektive behilflich zu
sein. Leider ist dieser Weg gelegentlich
dornig, wenn aufgrund der Haftlänge die
Entlassung in weite Ferne gerückt ist.
Wir haben aber die Erfahrung gemacht,
dass diejenigen Gefangenen, die mitarbeitsbereit und veränderungswillig sind,
über kurz oder lang ihre Ziele erreichen.
Das wichtigste Ziel kann natürlich nur
darin bestehen, keine Anstalt mehr von
Innen sehen zu wollen, legal zu leben
und sich an die Regeln des Zusammenlebens in einer Gesellschaft zu halten.
Waren die Strafgefangenen in der
Vergangenheit in der JVA Oldenburg
dadurch benachteiligt, dass wir zu wenig
Behandlungsangebote anbieten konnten, so hat sich dieses 2007 geändert.
Besonders freuen wir uns darüber, dass
im Bereich der beruflichen Qualifizierung
der Einstieg in ein Maßnahmenbündel
gelungen ist. Neben dem Computerführerschein bieten wir seit 2007 durch die
Elementarkurse den Einstieg in schulische und berufliche Maßnahmen an.
2008 setzen wir diesen Weg fort. Wir
gründen
zum
01.01.2008
ei n
„pädagogisches Zentrum“ in der Hauptanstalt. Hierfür haben wir einen engagierten und überaus qualifizierten Berufsschullehrer einstellen können. Oberlehrer Andreas Armbrecht hat am 1. November 2007 seinen Dienst aufgenommen und ist zukünftig verantwortlich für
die Aus- und Weiterbildung der Gefangenen.
6
Stolz sind wir über die planmäßige
Fertigstellung der neuen Tischlerei in der
Hauptanstalt. In der rund 900 m² großen
Halle arbeiten bis zu 15 Gefangene und
können dort hoffentlich bald auch ausgebildet werden. In den Räumen der alten
Tischlerei entstand ein weiterer Unternehmerbetrieb. Durch die neue Halle
konnten über 50 neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Zum 01.01.2008 nimmt unsere
neue stationäre Fachabteilung
zur Vorbereitung auf den Freigang und auf die Entlassung in
der Abteilung Gerichtsstraße
ihren Betrieb auf. Bis zu 14
Gefangene können, untergebracht in Einzelhafträumen, die
Chance zur Vorbereitung auf
den offenen Vollzug nutzen.
Auch stehen Plätze für diejenigen bereit, die keine Chance
mehr haben, in den offenen
Vollzug verlegt zu werden, bei denen
aber die Entlassung innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes ansteht. Wir
wollen Hilfen zur Orientierung und zur
Entlassungsvorbereitung geben. Eingebunden sind darin externe Einrichtungen
wie die Agentur für Arbeit, die Bewährungshilfe, die Suchtberatung und natürlich die Anlaufstellen für Straffällige in
unserer Region, um nur einige Partner
zu nennen. Schon in Kürze werden wir
das Behandlungsprogramm vorstellen
und erklären, wie man auf die Station
verlegt werden kann.
In der Abteilung des offenen Vollzuges Wilhelmshaven startet zudem bald
das Modellprojekt „Fit für die Zukunft“
zur durchgängigen Betreuung. Wir wollen mit dem Projekt die Entlassungsvorbereitung noch zielgerichteter gestalten
und dabei natürlich externe Einrichtungen beteiligen. Im Januar beginnt dafür
der Ausbau des Dachgeschosses, den
wir als Freizeit-, Behandlungs- und Ausund Fortbildungszentrum ausbauen wollen. Näheres erfahren Sie demnächst
über Gitternet-TV, in einer der nächsten
Tr§tzdem-Ausgaben sowie durch das
Vollzugspersonal. Nutzen Sie die Chancen, die Ihnen der Vollzug in Oldenburg
bietet. Für spezielle Angebote helfen wir
bei der Verlegung in eine JVA mit einem
solchen.
Natürlich sind alle Angebote, die
Ihnen der Justizvollzug macht, davon
abhängig, ob Sie diese tatsächlich nutzen wollen. Ohne Ihre Mitarbeit und die
vorher bekundete Mitarbeitsbereitschaft
können wir Sie nicht fördern. Verzweifeln
Sie nicht, wenn Ihnen der Weg zu langevorkommt oder zu dornig ist. Sie haben
ohnehin keine Alternative. Wenn Sie sich
nicht verändern, werden Sie zwar spätestens zu Ihrem Strafende entlassen,
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
aber Sie haben dann Zeit verschwendet.
Vielleicht führt die mangelnde Veränderungsbereitschaft zu neuen Straftaten
und zur erneuten Inhaftierung. Das kann
ernsthaft niemand von Ihnen wollen.
Daher möchte ich Sie ermuntern, den
schweren Weg der Veränderung zu gehen.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen und Ihren Angehörigen im Namen
der Justizvollzugsanstalt Oldenburg besinnliche Weihnachten und gute Ziele für
das nächste Jahr.
Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Gerd Koop
Anstaltsleiter
Grußwort von Frau Justizministerin Heister-Neumann
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
in der Weihnachtszeit wird der Kontrast
zwischen dem Leben innerhalb und dem
Leben außerhalb der Gefängnismauern
ohne Zweifel besonders deutlich. Weihnachten ist gerade die Zeit des Jahres,
in der sich das Leben überwiegend innerhalb der Familien abspielt und die
Angehörigen und Freunde näher zusammenrücken.
Manch einer mag deshalb vorschnell urteilen, dass für Adventsstimmung und Weihnachtsfeierlichkeiten
hinter Gittern kein Platz ist. Dies ist zum
Glück nicht so. Jahr um Jahr rufen engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in
den Vollzugsanstalten zu Adventsbasteleien auf, schmücken die Flure und Gemeinschaftsräume und thematisieren
Aus dem Bildband „Innenw
JVA intern
Grußworte zum Weihnachtsfest und Jahreswechsel
Weihnachten in den zahlreichen Gruppen künstlerisch, musikalisch oder im
Wege persönlicher Diskussionen.
Dies ist nicht nur für die landesweit
in den Einrichtungen tätigen Seelsorger
eine arbeitsintensive Zeit.
Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Justizvollzugsanstalten gilt
für ihr Engagement und für die im gesamten letzten Jahr geleistete Arbeit
mein besonderer Dank.
Lassen Sie mich kurz auf ein wichtiges Ereignis in diesem Jahr zurückblicken – die Eröffnung der JVA Rosdorf:
Ich bin erleichtert, dass der Neubau
nach vielen Verzögerungen nun den
Betrieb aufgenommen hat. Denn mit den
318 neuen Haftplätzen wird die jahrelange Überbelegung im niedersächsischen
Justizvollzug weiter abgebaut und eine
menschenwürdige Unterbringung gewährleistet. Dies trägt zu einer entspannteren Atmosphäre im Vollzugsalltag und
damit auch zu besseren Arbeitsbedingungen für die Bediensteten im gesamten Land bei.
Natürlich muss die JVA Rosdorf
noch eine eigene Identität entwickeln.
Manches ist noch im Aufbau und muss
im Vollzugsalltag erst erprobt werden.
Dies erfordert von allen Beteiligten ein
hohes Maß an Idealismus, Einsatzbereitschaft und Geduld. Auch für die vielen
Inhaftierten, die aus gut funktionierenden
Anstalten in das neue Umfeld gekommen sind und sich neu orientieren mussten, ist dies kein leichtes Unterfangen.
Doch ich bin überzeugt – es lohnt
sich!
Auch das Jahr 2008 wird Veränderungen für den Vollzugsalltag bringen:
welten“ von Robert Geipel
An erster Stelle durch das zum
01.01.2008 in Kraft tretende Niedersächsische Justizvollzugsgesetz. Erstmals
werden der Jugendstrafvollzug und die
Untersuchungshaft in der Bundesrepublik Deutschland umfassend auf eine
gesetzliche Grundlage gestellt und mit
den Bestimmungen über den Vollzug der
Freiheitsstrafe und die Unterbringung in
der Sicherungsverwahrung in
einem einheitlichen Werk geregelt.
Die Handhabung des
neuen Gesetzes wird allen,
denen die bisherigen vollzuglichen Regelungen über viele
Jahre vertraut waren, zunächst nicht leicht fallen. Damit die anfänglichen Unsicherheiten nicht lange anhalten,
habe ich dafür Sorge getragen, dass in den nächsten
Monaten umfangreiche Schulungen zur neuen Gesetzesmaterie angeboten werden. Angesichts
ihrer guten Ausbildung und Praxiserfahrung werden sich alle Bediensteten
schnell die nötige Befähigung aneignen.
An dieser Stelle möchte ich den
Befürchtungen deutlich entgegentreten,
mit dem neuen Landesgesetz sei eine
Verschärfung des Justizvollzuges in Niedersachsen bezweckt. Es ist allerdings
richtig, dass die Inhaftierten mehr als
bisher in die Verantwortung genommen
werden, an ihrer persönlichen Entwicklung zu arbeiten und während der Inhaftierung günstige Voraussetzungen für
ein straffreies und sozialadäquates Leben in Freiheit zu schaffen. Dies sind
Sie sich selbst, aber auch der Gesellschaft schuldig. Es ist die vorrangige
Aufgabe des Vollzuges, dabei zu unterstützen, die Möglichkeiten und Wege zu
diesem Ziel aufzuzeigen und die Inhaftierten fortwährend zur ernsthaften Mitarbeit zu motivieren. Letztlich liegt es aber
an dem Gefangenen selbst, die angebotenen Chancen auch zu ergreifen. „Gut
durch den Vollzug kommen“ soll nicht
der angepasste Gefangene, sondern der
aktive, mitarbeitende. Nur dann sind die
erheblichen Aufwendungen für die Behandlung wirtschaftlich und gegenüber
der Öffentlichkeit vertretbar.
Da insbesondere Arbeit und Ausbildung eine positive Auswirkung auf die
soziale Integration der Gefangenen haben, wird die Beschäftigung durch das
neue Gesetz stärker in den Mittelpunkt
gerückt. Wie auch draußen soll sie den
Tagesablauf maßgeblich bestimmen und
gegenüber anderen Aktivitäten vorrangig
sein.
Auch wenn künftig der geschlossene Vollzug die Regelvollzugsform darstellt, werden weiterhin viele Gefangene
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
die Strafe in einer Einrichtung des offenen Vollzuges antreten oder einige Monate vor der Entlassung dorthin verlegt
werden.
Ich bin überzeugt, sehr geehrte Leserinnen und Leser, dass sich das neue
Justizvollzugsgesetz in der Praxis bewähren wird.
Ebenfalls zu Beginn des kommenden Jahres wird in der JVA
Hannover der Startschuss für
den Umbau der dortigen Einweisungsabteilung in ein Prognosezentrum fallen. Psychologen und Psychiater sollen dort
zukünftig Gefangene, die wegen Sexualdelikten oder
schwerer Gewaltstraftaten verurteilt wurden, zu Beginn des
Vollzuges begutachten und
Empfehlungen für die Vollzugsgestaltung aussprechen. Stehen zu einem späteren Zeitpunkt vollzugliche Entscheidungen, z. B. über die Gewährung von Vollzugslockerungen an, erfolgt eine erneute
Eignungsprüfung. Die Prognosesicherheit wird auf diese Weise deutlich erhöht.
Schließlich wird im Herbst 2008
voraussichtlich das Projekt JustuS zum
Abschluss gebracht werden. Am Ende
wird eine optimale Vernetzung des Vollzuges mit den ambulanten sozialen
Diensten
der
Strafrechtspflege
(Bewährungshilfe, Führungsaufsicht,
Gerichtshilfe, Opferhilfe, AussteigerhilfeRechts) im Rahmen der Entlassungsvorbereitung erreicht sein. So kann den
Veränderungen der Gesellschaft in den
letzten 50 Jahren besser Rechnung getragen werden und die ambulanten sozialen Dienste der Strafrechtspflege können ihren wichtigen kriminalpolitischen
Beitrag für die innere Sicherheit durch
Aufsicht, Kontrolle und soziale Integration von Straffälligen auch zukünftig erfolgsversprechend leisten.
Ich freue mich auf die Herausforderungen des kommenden Jahres und
blicke mit Zuversicht nach vorn.
Doch zunächst, sehr geehrte Leserinnen und Leser, genießen Sie die
verbleibenden Tage des Jahres 2007.
Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Adventszeit, ein frohes Weihnachtsfest und
für das Jahr 2008 in allen Lebensbereichen ausreichend Kraft, das nötige
Quentchen Glück und viel Erfolg.
Ihre
(Elisabeth Heister-Neumann)
7
JVA intern
Fragebogen für Beamte
Name:
Andreas Armbrecht
Alter:
33 Jahre
Im Dienst seit: 1. November 2007
Team:
9
Frage 1:
Warum wählten Sie den Beruf des Vollzugsbeamten und wie ist Ihr beruflicher Hintergrund?
Ich bin jetzt zwar in einer JVA tätig, gehöre aber nicht zu den Vollzugsbeamten; ich bin als Leiter des
pädagogischen Dienstes eingestellt worden.
Ich bin gelernter Kaufmann im Groß- und Außenhandel. Nach dem Zivildienst in der Jugendarbeit habe
ich mich schon parallel während der Tätigkeit als Kaufmännischer Angestellter in einem Fernstudium
zum Handelsfachwirt (IHK) weitergebildet.
Anschließend habe ich ein Studium an der Universität Oldenburg mit den Fachrichtungen Wirtschaftswissenschaften und Sonderpädagogik absolviert. Mein Referendariat habe ich an der BBS
(Berufbildende Schule) in Diepholz ableisten können.
Durch eine Stellenausschreibung der JVA Oldenburg wurde ich auf mein jetziges Tätigkeitsfeld aufmerksam. Ich sah darin die spannende Möglichkeit, verschiedene umfassende Aufgaben übernehmen zu
können.
Frage 2:
Wie beurteilen Sie den Vollzug in Oldenburg im Gegensatz zu anderen Anstalten?
Da ich bisher in keiner anderen JVA tätig war, fehlen mit Vergleiche.
Nachdem ich hier für einige Tage in der JVA in Oldenburg hospitieren konnte, habe ich die hiesige Stelle gerne angenommen.
Frage 3:
Falls Sie die Frage beantworten möchten: Haben Sie Familie? Was haben Sie für Hobbys, was
machen Sie in Ihrer Freizeit?
Ich bin ledig und verbringe meine Freizeit gerne mit Sport, Literatur oder auch mal mit einem Kinobesuch.
Frage 4:
Können Sie das Private vom Beruf trennen?
Ja, das habe ich schon während meiner Arbeit im Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) und in diversen Projekten bei verschiedenen Bildungsträgern gelernt. Dabei habe ich mit Jugendlichen aus benachteiligten
Familien, die zum Teil vorbestraft waren oder mit Drogenproblemen zu tun hatten, gearbeitet.
Frage 5:
Wie beurteilt Ihr privates Umfeld (Familie und Freundeskreis) ihre Arbeit in der JVA?
Noch erzeugt es natürlich Verwunderung und es wird viel kritisch nachgefragt. Man muss das Umfeld
noch oft aufklären, denn das in der Öffentlichkeit gezeichnete Bild von einem Gefängnis und seinen Gefangenen entspricht ja leider sehr oft nicht der Realität. Mir wird schon mal die Frage gestellt: „Bist Du
sicher?“. Ich kann dann natürlich beruhigende Antworten geben.
Frage 6:
Wo sehen Sie Kritikpunkte und/oder auch Lob am Verhalten der Inhaftierten hier in der JVA?
Noch ist es zu früh, um sich eine Meinung zu bilden. Bisher bin ich aber von den Mitarbeitern und Inhaftierten sehr freundlich aufgenommen worden.
Frage 7:
Was würden Sie am Strafvollzug ändern, wenn Sie die Möglichkeiten dazu hätten bzw. welche
Möglichkeiten haben Sie, auf den Vollzug einzuwirken?
Noch habe ich dazu keine abschließenden Vorstellungen. Ich muss auch noch herausfinden, welche
Freiräume sich für meine Tätigkeit eröffnen.
Sehr positiv sehe ich, dass jetzt wohl schon in Kürze auch ein Hauptschulabschluss in der JVA Oldenburg durch die Zusammenarbeit mit dem Bildungsträger „Fachwerk“ und der Hauptschule Alexanderstraße möglich wird. Dort werden wir von dem Leiter der Hauptschule und dem Prüfungsvorsitzenden,
Herrn Schulleiter Schläfke, in unserer Arbeit stark unterstützt.
Da nach dem neuen niedersächsischen Justizvollzugsgesetz Arbeit, Bildung und Ausbildung einen zentralen Stellenwert für die Resozialisierung haben sollen, bin ich mir sicher, dass das nicht das einzige
Projekt bleiben wird.
8
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
JVA intern
Fragebogen für Gefangene
Name:
Alter:
In Haft seit:
Station:
Candido A. Bila
37 Jahre
3.3.2007
C3
Frage 1:
Wie kommst Du mit Deiner Situation hier in der Haft zurecht?
Mit meiner Situation in der Haft komme ich einigermaßen klar zurecht. Da ich noch bleiben muss, ist es
nicht einfach, jeden Tag zu meistern und ändern kann ich auch nichts: Ich vermisse sehr meinen Sohn
und meine besten Freunde.
Frage 2:
Wie findest Du den Vollzug hier, auch im Vergleich zu anderen Anstalten?
Ich finde den Vollzug hier in Ordnung - sauber, länger geöffnete Türen. Allerdings kann ich keinen Vergleich mit anderen Anstalten ziehen, da ich bisher in keiner anderen Anstalt war.
Frage 3:
Wie verbringst Du Deine Zeit hier? (Arbeit, Freizeit, Hobbys)
Ich verbringe meine Zeit hier hauptsächlich bei der Arbeit. Nach der Arbeit treibe ich gern Sport, am
liebsten Fußball. Das ist zusammen mit dem Lesen und dem Kartenspielen der beste Platz für mich,
damit der Tag relativ schnell vergeht, denn es lenkt ein bisschen ab von der Situation, in der ich mich
befinde.
Frage 4:
Wie zufrieden bist Du mit Deiner Station?
Mit meiner Station bin ich zufrieden. Die meisten der Beamten sind in Ordnung und hilfsbereit und die
Mitinhaftierten finde ich auch sehr gut.
Frage 5:
Wie ist Dein Verhältnis zu Deinen Mitinhaftierten?
Mein Verhältnis zu den Mitinhaftierten ist sehr gut und wir kommen miteinander gut klar; wir unterhalten
uns viel über unsere Situation, über Familien, Politik, Sport, Musik, Kartenspiel, und ab und zu wird am
Kicker gespielt. Es gibt keine Diskriminierung.
Frage 6:
Bist Du mit den Sport- und Freizeitangeboten zufrieden, hast Du Verbesserungsvorschläge?
Mit dem Sport bin ich zufrieden und die Sportbeamten sind sehr gut. Sie gehen sehr gut mit uns um,
und das Freizeitangebot finde ich auch in Ordnung, ich habe keine Verbesserungsvorschläge.
Frage 7:
Hast Du Anregungen und/oder Kritik hier am Haftalltag?
Mich stört, wenn jemand zum Beispiel die Küche nicht sauber macht und dann die ganze Station durch
Nutzungssperren bestraft wird.
Frage 8:
Hast Du Kontakt nach draußen, bekommst Du Besuch?
Ich habe bis heute noch keinen Kontakt nach draußen und ich bin schon sieben Monate hier. Ich habe
noch keine Genehmigung, privat mit meinem Sohn oder meinen besten Freunden zu telefonieren; bis
heute habe ich noch keine richterliche Genehmigung bekommen. Auch mit dem Besuch meiner zwei
besten Freunde hat es erst nach sechs Monaten geklappt. Ich bin ihnen sehr dankbar, dass sie mich
gerne besuchen wollen. Leider wohnen sie über 300 Kilometer entfernt und haben durch ihre Arbeit nur
eingeschränkte Möglichkeiten, mich zu besuchen.
Frage 9:
Hat Dir die Zeit im Knast bisher etwas gebracht?
Ich denke viel über meine Fehler nach und natürlich über mein Leben, wie ich es nach meiner Entlassung verbessern werde, damit ein ähnlicher Fehler nie wieder passiert. Dafür werde ich sorgen. Der
Knast ist nicht der angenehmste Ort zu leben.
Frage 10:
Was wirst Du nach Deiner Haftentlassung machen?
Nach meiner Haftentlassung möchte ich so schnell wie möglich Arbeit finden und ein normales Leben
weiterführen.
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
9
JVA intern
Rauchst Du etwa noch?
‚Ich tu so gerne rauchen,
lange noch, Gott geb’s,
den Rauch in die Lunge tauchen,
das freut den kleinen Krebs.’
Dieser Spruch fiel mir ein, als ich Ende
August vom ministeriellen Erlass eines
Rauchverbotes in der JVA hörte und ich
mich daran erinnerte, dass nach einigen
Abwehrkämpfen die zuständigen Ministeriumsstellen in den Schulen die Einrichtung von Raucherzimmern genehmigten.
Der Zeitgeist hatte in den 70er Jahren dafür gesorgt, dass das Recht auch
junger Menschen auf das Rauchen zu
den wichtigen persönlichen Freiheiten
zu zählen hatte. Auch das Rauchen in
der Öffentlichkeit war nicht mehr verpönt, wenngleich man immer noch verwundert auf weibliche Raucher schaute.
Dass Rauchen nicht gesund war,
wusste man schon damals; aber die Werbung versprach dem Konsumenten
Glücksgefühle, wie man sie ähnlich bei
den über die Prärie reitenden Cowboys
wähnte, oder der Duft der großen weiten
Welt sollte einem in die Nase ziehen .
Inzwischen ist aus der Glücksverheißung ein Kampf gegen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch das
Rauchen geworden. Die knappen Kassen bei den Krankenversicherungen mö-
gen ihren Beitrag auch dazu geleistet
haben. Jedenfalls hat sich die Politik
dazu durchgerungen, nicht nur mit fiskalischen Sanktionen aufzuwarten, sondern harte Verbote auszusprechen.
Dass davon eine JVA nicht unberührt sein kann, ist selbstverständlich.
Dennoch fällt es den Betroffenen sicherlich schwer, ihre Gewohnheiten aufzugeben. So war es nicht verwunderlich,
dass nicht nur die Bediensteten murrten,
als man sie zum Rauchen vor die Tür
schickte, sondern auch die Gefangenen
reagierten mit Enthaltsamkeit bei der
Arbeitspräsenz und sahen sich zusätzlich
einer ihrer kleinen verbliebenen Freiheiten beraubt. Als sich auch noch nach
dem zweiten Tag des Rauchverbots die
Werkstätten nicht wieder mit den dringend benötigten Facharbeitern füllten,
kam die beruhigende Nachricht aus
Hannover, dass das Rauchen in den
Werkstätten nun doch wieder erlaubt sei.
Es gab ein Aufatmen bei Gefangenen
und Bediensteten.
Wie kam es nur, dass mir wieder
ein Spruch in den Kopf kam: Gott schütze mich vor denen, die mir Gutes tun
wollen!
UM
Die GIV informiert
Moin, moin,
aufgrund dessen, dass wir nächsten
Monat ein evtl. aussagekräftiges
Treffen haben und derzeit keine positiven Meldungen vermitteln können, möchten wir den – hoffentlich –
aussagekräftigen Rechenschaftsbericht in der nächsten Ausgabe der
Tr§tzdem veröffentlichen.
Wir bitten um Verständnis.
Auf bald.
Die GIV
Humor
Die Lehrerin fragt die
Klasse im Biologieunterricht: „Kinder,
wisst ihr, welcher
Vogel keine Nester
baut?“
Sebastian
meldet sich eifrig
und antwortet stolz:
„Der Kuckuck, Frau
Meyer, denn der
wohnt in der Uhr.“
10
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Aids-Hilfe
Bericht über den Besuch der
Aidshilfe Oldenburg in der JVA
Oldenburg, Abt. Gerichtsstraße
Heute (11.10.07) war es wieder mal so
weit; wir hatten Besuch von „draußen“.
Eine Mitarbeiterin der Aidshilfe war bei
uns zu Besuch und sie hatte viel Neues
zu berichten. Ich habe mir gedacht, dass
euch auch Einiges davon interessieren
könnte.
Als Erstes möchte ich euch mitteilen, dass es in diesem Jahr wieder einen
Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher/innen in Oldenburg gab. Am
20.7.2007 war ein Stand in der Innenstadt aufgebaut, an dem es reichlich
Info-Material gab; um 12:00 Uhr gab es
eine Gedenkminute. Im letzten Jahr gab
es in Oldenburg offiziell nur einen Drogentoten. Die Zahl der Drogenkonsumenten sei aber deutlich gestiegen, so
Doris Eggers von der Aids-Hilfe Oldenburg, die diese Info auf Aussagen von
Streetworkern der Diakonie und der Drogenberatung stützte. Die Aids-Hilfe Oldenburg hat im Jahr 2006 fast das Doppelte an sterilen Spritzen an Drogenkonsumenten ausgegeben als im Jahr zuvor.
Als Zweites gibt es etwas Neues
über Cannabis zu berichten. Eine Mitteilung am 21.8.2007 überraschte mich
doch sehr. Darin heißt es vom Leiter der
Bundesopiumstelle, Herrn Lütz, Bonn/
München: Erstmals kann in Deutschland
eine Patientin mit MS (Multiple Sklerose)
legal in der Apotheke Cannabis beziehen.
Die Frau ist seit 14 Jahren krank,
und nun darf sie endlich ihr Cannabis
legal beziehen, da es keine anderen
Mittel gibt, die ihr helfen. Das Programm
ist an Auflagen geknüpft; so muss ein
Arzt sie begleiten. Es handelt sich hierbei um eine Ausnahme und ist auf ein
Jahr beschränkt, kann aber bei positivem Verlauf der Therapie verlängert
werden. Es liegen zurzeit ca. 50 vergleichbare Anträge vor.
Für mich persönlich ist das ein
Schritt in die richtige Richtung, und ich
kann nur hoffen, dass die Politiker, die
darüber entscheiden, endlich einsehen,
dass man Cannabisbenutzer nicht länger
in die kriminelle Ecke stecken darf.
Als Drittes gibt es eine Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 21.9.2007. Ich halte diese
Mitteilung für sehr wichtig und möchte
euch bitten, diese als Ganzes zu veröffentlichen.
Manfred Viebahn
Die Veröffentlichung ist auf Seite 19 zu finden!
JVA intern
Der Pendler
Fortsetzung aus der Ausgabe Nr. 37
September 2007
Erfahrungsbericht von Rainer
Rethmann (JVA Celle)
Besuchsverlegung vom 14. März – 20.
März 2007:
Rainer Rethmann ist am 14. März 2007
in Celle gestartet und über die JVA Salinenmoor in der JVA Hannover angekommen, hat dort genächtigt und ist um
4:30 aufgestanden, um seinen Weg nach
Oldenburg fortzusetzen. Er sitzt im
Transportbus…
Nun setzt sich der Dreamliner
in Bewegung. Die erste Station auf
dem Weg ist die JVA HannoverLangenhagen, wo sich die Abschiebehaft befindet. Rechts der Zufahrtsstraße zum Knast befindet sich
der Beginn einer Startbahn des Langenhagener Flughafens, wo gerade
eine B 737 zum Start ansetzt und
mit hoher Geschwindigkeit im Morgennebel verschwindet. Ein Learjet
steht bereits in Warteposition.
Weite, Freiheit zum Greifen nahe
und doch unerreichbar. Es hat schon
einen perversen Beigeschmack, dass den
Inhaftierten dieses Bild tagtäglich geboten wird.
Der Bus wartet einige Zeit in der
Schleuse, Papiere werden übergeben
und dann fährt er zum Eingang des ersten Hauses. Zwei neue Passagiere steigen ein. Und weiter geht die Fahrt. Es ist
noch dämmrig. Ich versuche, ein wenig
zu schlafen, aber es bleibt beim Versuch.
Ich schaue aus dem schmalen Fenster nach draußen, sehe die Landschaft
vorbeiziehen. Eine visuelle Abwechslung gegenüber dem sonst täglich gleichen Bild in der JVA Celle. Man kann
in die Ferne sehen anstatt in den Freistundenhof.
Als zweite Station steht die JVA
Verden auf dem Programm, ein altes
Gemäuer mitten in der Stadt. Auf dem
Weg dorthin passieren wir u. a. das
Wohnhaus des Scharfrichters von Verden, der dort von 1530 – 1750 seine
Dienstwohnung hatte. Das Gebäude
wird offensichtlich mit viel Liebe und
Hingabe gepflegt.
Es erfordert jedes Mal einiges fahrerisches Können, den langen Bus auf
den Hof der JVA zu manövrieren. Nach
einer Weile werden Pakete ausgeladen,
und für drei Mann ist Verden die vorläu-
fige Endstation. Und schon geht es weiter. Die dritte Station ist die JVA Bremen.
Der Weg dorthin nach dem Verlassen der Autobahn führt durch einen pulsierenden Stadtteil, der mir jedes Mal
aufs Neue lang vermisste Eindrücke
vermittelt. Lebendige Straßen, Ladenzeilen, Straßenbahnen, Menschen, die
ihrem Ziel zueilen, eigentlich alles alltägliche Eindrücke, die aber für mich
einen außergewöhnlichen Charakter
haben und Sehnsüchte wecken nach dem
Leben „draußen“ wie Stunden vorher
das startende Flugzeug.
ERLEBNISREISEN
MIT
HEISTERNEUMANNTRAVEL-TOURS
Über die engen Straßen
eines Wohngebietes bahnt
sich unser Reisebus seinen Weg zur
JVA Bremen, deren zentrales Gebäude
wie eine Kathedrale wirkt und weithin
sichtbar ist. Der Vergleich mag dem
Einen oder Anderen nicht angemessen
erscheinen, doch verfolgen Kirche und
Strafvollzug bei der Bekehrung der Sünder gleiche Ziele, nur die Mittel und
Wege haben sich seit dem Mittelalter in
unterschiedliche Richtungen entwickelt.
Wir fahren auf das Gelände der
JVA Bremen. Rechter Hand befindet
sich ein separates, kleineres Gebäude,
„Revision/Transport“ steht in großen
Lettern an der Wand zu lesen. Der
Transportbus hält vor dem Gebäude.
Nachdem einige Gepäckstücke ausgeladen worden sind, werden die Kabinentüren geöffnet. Wir steigen aus und gehen
über eine metallene Behelfstreppe ins
Transporterhaus, wo man uns den Weg
in eine größere Wartezelle weist. Diese
ist leidlich sauber und hat eine abgetrennte Toilette. Die Frischluftzufuhr ist
eher dürftig geregelt: Es lässt sich lediglich ein Fenster in der Größe eines DINA4-Blattes öffnen. Da sich in diesem
Raum fast immer etwa 15 - 25 Personen
befinden, von denen die meisten rauchen, ist das fast eine Null-Lösung.
Heute ist es kalt. Die Heizung verdient ihren Namen nicht. Ein großer
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Blonder mit Stoppelhaarschnitt, Basecap
und Malerhose – er wurde scheinbar
direkt von der Arbeit weg verhaftet –
sitzt neben mir und bibbert vor sich hin.
„Hast Du einen Wasserkocher?“ fragt er
mich. „Ich brauche etwas Warmes zu
trinken.“ – „Ja, den habe ich wohl.“ Allerdings muss ich sein aufkommendes
Lächeln gleich wieder im Keim ersticken. „Nur eine Steckdose wirst Du hier
vergeblich suchen“, erkläre ich ihm in
Kenntnis der Örtlichkeit. „Waaas?!? Das
glaube ich jetzt doch nicht!“ Die Enttäuschung, die sich in seinem Gesicht widerspiegelt, spricht Bände. Die trotzdem
einsetzende hektische Suche, in der
Hoffnung geboren, ich könne mich
ja doch irren oder ich hätte ihn veralbert, bringt natürlich keinen Erfolg.
Wir werden etwa 3 Stunden warten
müssen, bis es nach Oldenburg weitergeht. Ich beginne also zu meinem
Zeitvertreib in den mitgenommenen
Zeitungen zu lesen. Die Zeit
schleicht vor sich hin. Um mich
herum die Gespräche mit den üblichen Knastthemen, die ich im Laufe
der Zeit in unzähligen Varianten gehört habe und die mir mittlerweile sehr
zum Halse heraushängen. Der eine oder
andere fragt nach Tabak. Da ich Zigarren rauche, werde ich in der Regel nicht
„geschädigt“. Nach einer guten Stunde
bekommen wir Tee und heißes Wasser
für Kaffee angeboten. Es vergeht eine
weitere Stunde, bis wir das Mittagessen
bekommen. Wie immer gibt es Eintopf,
der dieses Mal subjektiv ganz gut geraten ist, und ein Brötchen.
Nach und nach werden ein paar
weitere Reisende hereingeführt. Gegen
12:30 Uhr wird die Tür wieder geöffnet.
„So, meine Herren, es geht los!“ Jeder
greift nach seiner Reisetasche, Rucksack
oder Aldi-Tüte. Alle versammeln sich
draußen vor dem Bus. Der Reiseleiter
aus Oldenburg sagt seinen bekannten
Spruch auf und ruft jeden einzeln auf.
Ich sitze dieses Mal zu dritt in einer 4erKabine. Na ja. Das geht so.
Dann setzt sich der Dreamliner wieder in Bewegung. Oldenburg wird nicht
direkt angefahren; das erste Ziel ist
Vechta. Dort gibt es zwei Stationen:
Das Frauengefängnis und die Jugendstrafanstalt. Der Frauenknast befindet
sich direkt gegenüber vom Marienhospital und erfüllt ähnliche optische Voraussetzungen wie die Bremer JVA. Hier ist
Fortsetzung auf Seite 12
11
JVA intern
Fortsetzung von Seite 11
der Aufenthalt nur kurz. Zwei Frauen
steigen aus. Und schon geht es weiter.
Einige Minuten später erreichen wir
den Jugendknast. Dieser befindet sich in
Sichtweite des großen Gymnasiums
Antonianum. Zufall oder Absicht?
„Honi soit qui mal y pense!“
Hier dauert es etwas länger. 5 oder
6 Mann haben hier ihr Ziel erreicht, drei
neue steigen ein, es sind vermutlich Patienten für den Oldenburger Zahnarzt.
Da es in Vechta offensichtlich keinen
akzeptablen Zahnarzt gibt, der Knackis
behandelt, werden behandlungsbedürftige Gefangene bei Bedarf nach Oldenburg transportiert. Etwa um 14:15 Uhr
setzt sich unser Reisebus wieder in Bewegung Richtung Oldenburg, und wir
erreichen gegen 15:00 Uhr unser Ziel,
die JVA Oldenburg an der Cloppenburger Str. 400. Von der Straße aus ist von
der JVA im Wesentlichen die imposante, rot verklinkerte Mauer zu sehen.
Gute 10 Minuten wartet der Bus in
der Einfahrtsschleuse. Dann fährt er
weiter und gelangt zum Zielpunkt, der
Ausstiegsschleuse, in die der Bus einfährt wie in eine überdimensionale Garage. Das Rolltor schließt sich und nach
kurzem Warten werden die Kabinen
nach und nach geöffnet und alle steigen
aus. Draußen wartet das Empfangskomitee. Es geht in die 1. Etage. Wir stellen
unsere Taschen ab und werden zu einem
Warteraum gewiesen.
Wieder heißt es: warten. Es vergehen etwa 10 bis 15 Minuten und wir
werden in 3er-Gruppen zum Durchsuchungsraum gerufen. Die Kontrolle in
Oldenburg ist immer besonders gründlich. Warum habe ich nur das Gefühl,
dass die eine JVA den Fähigkeiten der
anderen misstraut? Ich nehme es gelassen hin. Ändern kann ich es eh nicht.
Nach erfolgter Durchsuchung geht es in
den Nebenraum, wo wieder gewartet
werden muss, bis alle 14 Gefangenen,
die mit diesem Transport angekommen
sind, die Prozedur durchlaufen haben.
12
Endlich ruft man uns nach und nach
auf und weist uns Hafträume zu. Meine
Frage, ob ich noch duschen könne, wird
von dem Dienst habenden Beamten bejaht. Was natürlich gleich positiv von
mir „vermerkt“ wird. Es gibt eben auch
Beamte, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten nett sind und somit sehr zu einem
entspannten Klima gerade auf einer
Transportstation beitragen können, was
Gott weiß nicht immer leicht ist.
Gegen 17:00 Uhr, nachdem ich
geduscht, das Bett bezogen und mein
Abendbrot gegessen habe, begebe ich
mich erst einmal in die Horizontale. Es
macht sich bemerkbar, dass ich seit 4:30
Uhr auf den Beinen bin.
Somit habe ich dann den ersten Teil
des Weges hinter mich gebracht, und ich
kann in freudiger Erwartung den Besuchen hauptsächlich meiner Eltern sowie
Geschwister und Freunden am nächsten
Tag entgegen sehen.
Auf die Zeit bis Montagmorgen will
ich hier nicht so en détail eingehen, denn
damit würde ich den Rahmen der Transportbeschreibung sicherlich sprengen.
So halte ich es etwas allgemeiner: Die
Unterbringung in Oldenburg ist auf einem für Knastverhältnisse hohen Standard. Es ist ordentlich und sehr sauber,
die Hafträume verfügen über eine abgetrennte Toilette und im Regelfall über einen Fernseher.
Wenn notwendig, wird auch
ein Wasserkocher gestellt.
Ein besonderes Lob möchte
ich bei dieser Gelegenheit der
Küchenmannschaft aussprechen: Die Qualität der Verpflegung, insbesondere des
Mittagessens, ist in den letzten
2 Jahren auf gleich bleibend
hohem Niveau und sucht so
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
seinesgleichen innerhalb der JVAen.
Auch das Abendbrot weicht in mehr
oder weniger regelmäßigen Abständen
von dem üblichen Brot/Wurst/KäseSchema ab. So gibt es immer gute Salate
o. ä.
Einziger Kritikpunkt und Wermutstropfen ist das Frühstück, welches mit
Ausnahme des Sonntags äußerst dürftig
ist und den viel strapazierten hohlen
Zahn kaum zu füllen vermag: 2 Scheiben Weißbrot, ein Klecks Marmelade,
eine Scheibe Wurst oder Käse. Das
Frühstück, welches die Transporter morgens bekommen, ist noch eine Spur karger. Gerade für die Transportstation, wo
der Großteil der Gefangenen keinen
Einkauf hat und sich auch nicht über die
Maßen mit Lebensmittel versorgen
kann, wäre da ein wohlwollendes Überdenken angebracht.
Von den Besuchen am Freitagnachmittag abgesehen, die naturgemäß emotionsgeladen sind und natürlich ebenso
der Psyche gut tun, verlaufen meine
Tage auf der Station A 2 recht unspektakulär. Ich bin immer ganz froh, wenn
sich ein nach meinen Maßstäben vernünftiger Gesprächspartner findet, weil
das ja etwas Abwechslung bringt. Leider
ist das nicht immer der Fall, aber dieses
Mal habe ich Glück. So ist das Wochenende einigermaßen kurzweilig. Auch
befinden sich dieses Mal nicht irgendwelche Vollidioten auf der Station, die
den Irrglauben mitbringen, sich beweisen oder sonst wie profilieren zu müssen. So herrscht insgesamt eine angenehme Ruhe, was oft leider nicht der
Fall ist.
Lediglich ein paar Youngsters bewegen sich, nachdem sie gehört haben,
ich käme aus der Trift, mit einer Mischung aus Ehrfurcht, Respekt und Neugierde auf mich zu. Denn in der Trift
sind ja nur die ganz harten Jungs, die
erst zuschlagen und dann fragen. Ich
versuche dann immer, so gut es geht,
diesen Vorstellungen die Basis zu entziehen, denn die Realität sieht doch erheblich anders aus. Eine Mischung aus
Altenheim und Psychiatrie, das passt
doch etwas besser.
Rainer Rethmann
Fortsetzung in der Ausgabe Nr. 39 Mai 2008
Spruch
Wer sich verschließen gelernt hat, dem
tut es doppelt (so) wohl, wenn er sich
aufschließen kann.
Die Geduld ist der Schlüssel zur Freiheit!
JVA intern
Gefangenenzeitungen
In der Zeitung „der lichtblick“ der JVA
Berlin-Tegel, Ausgabe 4/2007 war Interessantes zu lesen. Die Kollegen aus
Tegel hatten sich der Mühe unterzogen,
die Ihnen zur Verfügung stehenden 44
Gefangenenzeitungen einer Bewertung
zu unterziehen. Zwar sind damit nicht
alle Zeitungen erfasst, denn wenn man
die Titel mit denjenigen der Dokumentenstelle Gefangenenliteratur vergleicht,
wären noch 22 weitere hinzuzunehmen.
Dennoch dürfte es sich um ein repräsentatives Bild der existierenden Zeitungen
handeln.
Redaktionsmitglieder nicht darauf verzichtet hätten, gehört auch die
„Tr§tzdem“ mit ihren 4 Sternen neben 2
weiteren Zeitungen dieser Bewertung zu
der mit „überdurchschnittlich, gut“ bedachten Spitzengruppe der Gefangenenzeitungen.
Bemerkenswert ist auch noch, dass
die Tr§tzdem mit 76 Seiten deutlich
über dem Durchschnitt aller Zeitungen
(51 Seiten) und auch über dem der Spitzengruppe (58 Seiten) liegt. Zur positiven Qualitätsanmutung hat sicherlich
auch die Verwendung von Farbseiten
(zum Teil über das ganze Heft) beigetragen.
tenden Tür entgegen, um den bedrohlichen Rufen der (Zeit-) Räuber zu entkommen. Zudem hat er sich schon eine
kleine Tarnkappe zugelegt: Er hat seine
Silhouette schon so geformt, dass er
kaum noch als gut ernährtes menschliches Wesen zu erkennen ist. Das ist ihm
anscheinend durch ausdauernde selbstkasteiende Leibesübungen sportlicher
Art im Kreise von willigen Jüngern gelungen.
Stolzes Ergebnis: ****!
In einer Tabelle
wurden Name der Gefangenenzeitung, Gefängnisort, Anschrift,
Bundesland, Herausgeber, Zensur, Satz +
Druck, Auflage, Format, Seitenzahl, Cover, Innenseiten, Erscheinungsweise, Qualität – Layout / Bewertung und Besonderheit
angegeben.
Obwohl die einzelnen Bewertungskriterien nicht ausdrück-
Hoffentlich hat die metamorphosisch zu „Keine Zeit“ gewordene Person
noch irgendwo einen Zaubertrunk in
seinem Trainingsanzug verwahrt, der
ihn beizeiten zu jemandem macht, der
wieder Zeit hat.
UM
Witze
Auf die Anerkennung der Arbeit
der Tr§tzdem-Redaktion
darf die JVA
Tr§tzdem
Oldenburg insgesamt stolz sein, denn
zum Gelingen einer Gefangenenzeitung
gehören neben den Redakteuren sicherlich auch die vielen Autoren, die unterstützenden Bediensteten und die Anstaltsleitung.
UM
Fragt der Zöllner an der Grenze:
„Haben Sie was zu verzollen?“ –
Nein.“ – „Und was haben Sie da in
der Flasche unter Ihrem Arm?“ –
„Wunderwasser, wissen Sie, ich
komme gerade aus Lourdes.“ Der
Zöllner entkorkt die Flasche, riecht
daran und meint: „Aber das ist doch
Cognac?!“ – „Das ist ja ein Wunder –
schon wieder ein Wunder!“
_______________________________________
„Warum hat Ihr Sohn die U-BootEinheit wieder verlassen?“ „Ganz
einfach: Er kann nur bei geöffnetem
Fenster schlafen.“
Der Zeitgeist
lich genannt sind, sind die Ergebnisse
der Sternevergabe nachzuempfinden.
Der allgemeine Qualitätseindruck dürfte
ausschlaggebend gewesen sein. Maximal konnten 5 Sterne erreicht werden.
In dem vorliegenden Ranking wurden für die Tr§tzdem 4 Sterne vergeben. Da wir davon ausgehen, dass neben
den von der Lichtblick-Redaktion gekürten Zeitungen „blickpunkt“ der JVA
Fuhlsbüttel und der „Posaune“ der JVA
Geldern auch „der lichtblick“ 5 Sterne
verdient hätte, wenn die bewertenden
Lösungen der Aufgaben von Seite 57
„Keine Zeit“
Habt ihr ihn auch schon über die Flure
huschen sehen? Der, der nicht nur dann,
wenn man ihn anspricht, ausruft: „Keine
Zeit!“, sondern der schon beim Näherkommen einem das „Keine Zeit“ entgegenschleudert. Es muss wohl etwas dran
sein, an diesem „Keine Zeit“, denn die
Person, die den Ausruf wie ein Florett
zu benutzen weiß, strebt beim Gang
über die Flure seit einiger Zeit mit großen Schritten der jeweils nächsten retTr§tzdem 2007 Nr. 38
Sudoku:
13
JVA intern
Ministerieller Segen
Justizministerin Elisabeth HeisterNeumann weiht neue Tischlerei in
der JVA Oldenburg ein.
Zahlreiche Gäste aus Politik, Wirtschaft,
Handwerk, Kunden der Arbeitsbetriebe
und Vertreter von Behörden konnte Anstaltsleiter Gerd Koop am 22. Oktober
2007 bei der Einweihung der neuen
hat die Tischlerei ein Umsatzvolumen
von 750.000 €. Der Leiter der Arbeitsverwaltung, Thomas Eckbauer, geht von
einer Verdoppelung des Umsatzes in
den nächsten 5 Jahren aus.
Justizministerin Elisabeth HeisterNeumann freute sich besonders über
den Abschluss dieses Bauprojekts. Sie
weiß, welche enormen Anstrengungen
zur Bereitstellung von Arbeitsplätzen für
Häftlinge unternommen werden muss-
Feierliche Einweihung durch Ministerin
Tischlerei in der JVA Oldenburg begrüßen. Mit dem Abschluss der jetzigen
Baumaßnahme konnten in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Baumanagement Ems-Weser ca. 50 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Notwendig
wurde das Projekt, nachdem die JVA
Oldenburg aufgrund von Zuständigkeitsveränderungen immer mehr Strafgefangene aufnehmen musste, die zur Arbeit
verpflichtet sind. 450 der insgesamt 611
in Oldenburg und den dazugehörigen
Vollzugsabteilungen in der Gerichtsstraße, Delmenhorst, Nordenham, Cuxhaven und Wilhelmshaven einsitzenden
Gefangenen sind in Strafhaft, davon
mehr als 200 im offenen Vollzug.
Die neue Werkhalle wird als Tischlerei genutzt. 15 bis 20 Gefangene finden hier Arbeit in einem hochtechnologisch ausgestatteten Fachbetrieb. Produziert wird alles zum Thema Holz, vorwiegend Büromöbel für Kunden aus dem
Bereich des Justizvollzuges und der
allgemeinen Justiz. Aber auch als Kooperationspartner für die heimische Wirtschaft gewinnt die Tischlerei, wie auch
die übrigen Betriebe der JVA Oldenburg,
an Bedeutung. Schon fertigt die Tischlerei als Zulieferer für Holzbetriebe aus
dem Umland von Oldenburg Möbel und
Möbelteile und hilft damit den Unternehmen, auch größere Aufträge in Eigenregie abwickeln zu können. Gegenwärtig
14
ten, um den heutigen
die aktuelle Beschäftigungsquote bei gut
Stand zu erreichen.
76 %. Neben der Tischlerei und der
„Aber
schließlich
Schlosserei gibt es mehrere Unterwollen wir die nach
nehmerbetriebe, die nach dem zertifizierdem Strafvollzugsgeten Qualitätsmanagementsystem DIN
setz und auch nach
ISO EN 9000:2002 arbeiten. Insgesamt
dem Entwurf des
sind in der JVA Oldenburg über 420 GeNiedersächsischen
fangene in Arbeit. Diese erwirtschafteten
Justizvollzugsgeset2006 einen Gesamtumsatz von 2,8 Millizes bestehende Pflicht der Gefangenen
onen € (3,1 Millionen € werden für 2007
zur Arbeit auch umsetzen“, so die Justizerwartet). Die Anstalt liegt damit wieder
ministerin in ihrer Ansprache. Ministerin
an der Spitze aller Nds. JustizvollHeister-Neumann weiter: „Wir wollen,
JVA
zugseinrichtungen.
dass 75 % aller Gefangenen eine BeschäftiDie etwas andere Rede
gung haben, sei es
Der Bau ist nun vollendet,
durch Arbeit oder durch viele schöne Worte wurden bei der Einweihungsfeier verwendet.
Maßnahmen der schuliÜber Lob wurde mehr gesprochen als über den Preis,
schen und beruflichen
weil die Kosten mehr wurden, wie jeder weiß.
Aus- und Fortbildung.
Alles ist dann schnell vergessen,
Dabei gehen wir davon
auch die Kröten der Bauzeit hat man ja schnell gegessen.
aus, dass die verbleiNicht alles konnte perfekt gelingen,
benden 25 % der Ge- darüber könnte jeder einzelne Redner sein eigenes Liedchen singen.
fangenen z. B. aufgrund
Meister und Tischler haben frühzeitig den Neubau in Beschlag
von Alter oder Erkrangenommen,
kung nicht arbeitsfähig
und so manche Baumängel wahrgenommen
sind.“ Dieses Ziel ist Der Anstaltsleiter Herr Koop war in seiner Ansprache trotzdem sehr
nun erreicht, was die
stolz
landesweiten Zahlen
und raspelte das entsprechende Süßholz.
eindrucksvoll belegen.
Frau Heister-Neumann hat diese Worte sehr wohl angenommen
Die Beschäftigungsquound war sich sicher,
te von 49 % im Jahr
Herr Koop wird wohl bald mit neuen Objekten zu ihr kommen.
2002 konnte in nur 5
Herr Klotsch dagegen zeigte mit einem Geldbeutel an,
Jahren im September
dass sich Geld nicht so leicht vermehren kann.
2007 auf 74,66 % lanWird ein Projekt in Angriff genommen,
desweit gesteigert werhat man zuvor die Hürde der Finanzierung erklommen.
den.
Ist das Objekt erst mal fertig erstellt,
In der JVA Olden- haben die Mehrkosten oft die Finanzierung in den Schatten gestellt.
burg wurde dieses Ziel
Die Ministerin war dann aber auf das Erreichte stolz.
durch den Abschluss
Ihr Interesse galt abschließend
der jetzigen Baumaß- den hochwertigen Maschinen und den gefertigten Möbeln aus Holz.
nahme bereits leicht
Die Gesprächsrunde zum Schluss war ganz nett,
überschritten. Hier liegt
dazu gab es Getränke und belegte Baguettes. Günter K
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Sport — Bildung — Gesundheit
Sommer, Sonne und super Musik
Als „externer“ Gast war ich von der
reibungslosen und sehr engagierten Zusammenarbeit der „Organisatoren“ sehr
beeindruckt, habe den Tag sehr genossen und kann jedem nur empfehlen, das
hoffentlich im nächsten Jahr wieder
stattfindende Sommerfest der Abteilung
diesen Umständen konnte dann auch
gestartet werden.
Die Auswahl der Beamten konnte
zwar nicht mit ihren besten Spielern
antreten und musste sich durch einen
Ersatzspieler verstärken, das konnte aber
ihrem Spiel nicht ernsthaft schaden. Im
ersten Satz konnten sie sich gleich am
Anfang einen Punktevorsprung erarbeiten, den sie auch bis zum Ende dieses
Satzes sicher verwalteten. Die wenigen
anwesenden Zuschauer und wohl auch
der Schiedsrichter taten ihr Bestes, um
die Gefangenenmannschaft in ihrem
Bemühen zu stärken, den ungleichen
Kampf aufzunehmen. Das hatte zur Folge, dass im zweiten und teilweise auch
im dritten Satz die Inhaftiertenmannschaft durch großen Kampf und Einsatz
dem Beamtenteam doch einiges abverlangen konnte und der Spielstand zu
manchem Zeitpunkt ausgeglichen war.
Dafür, dass an einen Sieg nicht zu denken war, hat die Gefangenenmannschaft
prächtig funktioniert und gezeigt, dass
sie auch in einer Niederlage nicht den
Kopf hängen lässt. Bravo Jungs.
Sommerfest in der Abteilung
Gerichtsstraße
Am 1. September 2007 lud die Abteilung Gerichtsstraße bei Sonnenschein
und angenehm warmen Temperaturen
Joachim G.
Gerichtsstraße im Terminkalender rot
anzukreuzen.
DK
Volleyball am 06.11.07
zum Sommerfest ein.
Durch das volle Engagement aller
Mitarbeiter und die tatkräftige Unterstützung der Gefangenen konnten alle Gäste, das heißt die Gefangenen, die Mitarbeiter, Externe und Ehrenamtliche, ein
reichhaltiges Grillbüfett mit Fleisch,
Bratwurst und leckeren Salaten im blühenden Innenhof der Anstalt genießen.
Nach schweißtreibenden Fußballwettkämpfen sorgte der vielen schon
wohlbekannte Eiswagen für süße Abkühlung und die zum wiederholten Male
engagierte Band „Los Roaring Isettas“
ließ mit Rock und Pop der letzten Jahrzehnte die Stimmung steigen.
Riesen – Spiel
Am Abend des 6. November traten sich
eine Auswahl der besten Volleyballer
der in der Cloppenburger Straße einsitzenden Gefangenen und eine Auswahl
ihrer Bewacher zu einem Kräftemessen
im Volleyball gegenüber.
Dem Beamtenteam ging der Ruf
voraus, in der Vergangenheit schon
recht erfolgreich agiert zu haben und aus
teilweise hochklassigen Einzelspielern
zu bestehen. Dem Gefangenenteam hingegen ging es darum, alles zu geben und
ein gutes Spiel liefern zu wollen. Unter
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Vorankündigung:
Traditionell finden wieder Weihnachtsturniere statt:
• Fußballturnier am 27.12.07
• Volleyballturnier am 28.12.07
• 3 Stunden Spinning am 30.12.07
Anmeldungen bitte bis zum 20.12.07
abgeben.
Am 29.12.07 gibt es Sport nach dem
Samstagsplan.
15
Sport — Bildung — Gesundheit
Kleines Zirkeltraining
Den Gedanken, etwas für die Gesundheit zu tun, hat wohl ein Jeder. Hier nun
stelle ich einen Trainingsplan vor, den
jeder so dreimal wöchentlich im Fitnessraum der Abteilungen alleine durchführen kann. Der Aufwand bemisst sich auf
ca. 30 bis 40 Minuten, und außer einem
Handtuch und etwas Wasser braucht
man nur die nötige Motivation und die
Ausdauer, dieses Programm in seinen
Alltag einzubauen.
Es bietet sich an, 10 bis 15 Minuten
auf dem Spinningfahrrad
zu
beginnen. Wählt
dabei einen Widerstand, den ihr
relativ mühelos
über diesen Zeitraum bewältigen
könnt; als Faustregel gilt, immer nur so
schnell zu fahren, dass ihr noch nebenher ein Gespräch führen könnt, ohne
außer Atem zu geraten.
Für das Zirkeltraining habe ich den
Körper in drei große Muskelgruppen
aufgeteilt. Diese sind: die Beine, der
Rücken, die Brust. Zwischen den Beinen
und dem Rücken wird noch der Bauch
mittrainiert und zwischen dem Rücken
und der Brust sollte noch der untere Rücken eingebaut werden. Das sind dann
fünf verschiedene Übungen, die nacheinander ausgeführt werden sollen. Dabei ist immer darauf zu achten, sich
nicht übermäßig anzustrengen und jede
Bewegung bewusst und kontrolliert auszuführen. Das verhindert Verletzungen
und vor allem erspart es schmerzhaften
Muskelkater. Der ist nämlich nicht Ziel
dieses Trainings, sondern die Ziele sind:
Etwas mehr Lebensqualität durch eine
bessere Kondition und eine bewusste
Wahrnehmung unseres Körpers zu erreichen.
Ja, und nach jedem Durchgang dieser fünf Übungen setzt ihr euch wieder
aufs Spinningrad und radelt gemütlich
ca. drei Minuten. Das Ganze sollte dreimal wiederholt und ca. einen Monat
16
Nur Übung
macht den
Meister!
ausgeführt werden, bevor ein jeder nach
seinen eigenen Möglichkeiten den Trainingsumfang ausdehnen kann. Nun zu
den Übungen:
1. Übung „Beine“: Ausfallschritt
Mit jedem Bein
zwischen 6 und 12
W iederholungen
ausführen. Man
kann das abwechselnd mit dem linken und rechten
Bein machen oder zuerst das rechte
und dann das linke Bein trainieren.
2. Übung „Bauch“: Crunch
Es bietet sich
an, die Beine auf
einem Kasten im
90° Winkel abzulegen, während
man auf einer Matte liegt. Zwischen
10 und 20 Wiederholungen sollten es
beim Bauch schon sein. Der untere
Rücken bleibt immer auf der Matte.
Ziel ist es, mit dem Kinn weit in
Richtung Bauchnabel zu kommen
und am höchsten Punkt die Kontraktion ca. eine Sekunde zu halten, bevor man langsam wieder in die Anfangsposition wechselt.
3. Übung „Brust“: Liegestütz
Beim Liegestütz werden der Trizeps und die Schulter mittrainiert.
Durch weitere oder engere Abstände
der Hände werden verschiedene Bereiche der Brust trainiert. Legt man
die Beine hoch, wird mehr der obere
Teil der Brust trainiert. Vor allem
sollte man
den ganzen
Körper unter
Spannung
halten, das
heißt, nicht
den Rücken
durchzubiegen oder das
Gesäß hochTr§tzdem 2006 Nr. 38
zudrücken, immer jedoch bis zum
Boden oder zur Matte bei jeder Wiederholung ablassen; 6 bis 12 Wiederholungen bieten sich an.
4. Übung „Unterer Rücken“: Brückenstand
H i e rbei wird
die Position zwischen 10
und 20 Sekunden gehalten, wobei
man ruhig und gleichmäßig atmen
sollte. Den Blick in Richtung Boden
halten! Bauch-, Rücken- und Schultermuskeln anspannen, damit der
Körper eine gerade Linie bildet. Man
kann zur Steigerung einen Arm und
das gegenüberliegende Bein anheben
und die Position kurz halten, mit 6
Wiederholungen je Arm.
5. Übung „Rücken“: Klimmzüge T j a ,
die fallen
jedem Anfänger
schwer!
Allerd i n g s
wird vor
allem der
Bizeps mittrainiert und
für den Latissimus gibt
es keine bessere Übung; also Zähne
zusammenbeißen und ganz langsam
anfangen. Am besten einen Kasten
vor die Klimmzugstange stellen, und
wenn es gar nicht hoch geht, erst
einmal langsam ablassen. Ansonsten
bieten sich 6 bis 12 Wiederholungen
an. Alternativ zum weiten Obergriff
kann man auch den engen Untergriff
wählen; das ist nicht ganz so schwer
und trainiert zwar mehr den Bizeps,
aber auch ganz toll den Latissimus.
Solltet ihr das alles so gemacht haben
(was ca. 5 Minuten benötigt), wie beschrieben: Für drei Minuten aufs Spinningrad – und entspannt fahren. Die
ganze Zeit über sollte der Puls zwischen
120 und höchstens 140 Schläge pro Minute bleiben. Da dies nicht so leicht zu
kontrollieren ist, gilt die Faustregel:
Man sollte die ganze Zeit in der Lage
sein, ein Gespräch zu führen, ohne nach
Lust schnappen zu müssen.
Dann viel Spaß und Ausdauer!
JG
Spruch
Liebe mich am meisten, wenn ich es
am wenigsten verdiene,
denn dann brauche ich es am
meisten!
Sport — Bildung — Gesundheit
All you can run!
Eigentlich ist solch eine Atmosphäre nur
bei einem Sport- und Sommerfest zu
erwarten. Der Spätsommer meinte es
aber so gut mit den Teilnehmern der
Sportveranstaltung am Nachmittag des
13.10.2007, die unter dem Motto „All
you can run“ stand, dass eine vergleichbare Stimmung aufkam. Sicherlich fehlte es an der großen Anzahl der Sportler
und es gab auch kein Büfett und keine
Band, die aufspielte, der Stimmung tat
das aber keinen Abbruch.
Über zwanzig Gefangene von Mitte
zwanzig bis gut sechzig fanden sich ab
Noch ist die Welt in Ordnung
Zurück zu den Hafträumen ging es
mit dem Gefühl, dass es gern hätte länger dauern dürfen, den schönen Spätsommertag genießen zu können.
UM
Philosophische Gespräche?
Wer noch Kraft hatte...
Läufer
Von 0 auf 120!
Überrundet?
Abgekämpft!?
12:00 Uhr ein, um bis 15:00 Uhr zwei
Stunden lang ihr Durchhaltevermögen
beim Langlauf und beim Nordic Walking zu testen.
Wohlweislich wurde das Gruppenfoto schon vor dem Start gemacht, sodass die „Stars“ noch alle gut aussahen.
Aufgerufen wurde zum Lauf über 30,
60, 90 und 120 Minuten. Auf Kommando von Herrn Dannebaum ging es dann
im Pulk um 12:40 Uhr los. Schnell
trennten sich die „Runner“ von den
„Walkern“ und das Feld der „Sportplatzumrunder“ zog sich auseinander. Lag es
nun an der „sengenden“ Sonne oder an
der Kondition? Nach 30 Minuten hatten
einige schon ihr „Pensum“ erfüllt und
genossen das gute Wetter, bevor sie sich
zu erneuter sportlicher Aktivität mit
Bällen oder Federbällen hinreißen ließen. Für diejenigen, die sich noch auf
dem „Parcours“ befanden, ging die Zeit
mit manchmal viel Schweiß oder einem
anregenden Gespräch schnell vorbei.
Als dann nach 120 Minuten das
„Countdown“ von Herrn Dannebaum zu
hören war, empfanden es einige sicherlich als Erlösung und andere als unwillkommenen Abbruch des „Spaziergangs“.
Belohnt wurden alle Mühen mit
einer Anstecknadel und einer Bescheinigung über die Leistung von 0 auf 30, 60,
90 oder 120 Minuten.
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Lang
87
Oldenburg
13.10.2007
Walker
Dannebaum
Nordic
47
Oldenburg
13.10.2007
Dannebaum
17
Recht & Soziales
Neues zur Neuregelung des Justizvollzuges in Niedersachsen
Letzte Meldung vom 5.11.07 aus dem Niedersächsischen Justizministerium:
Der Gesetzentwurf wird im Dezember-Plenum
des Landtages (12. bis 14. Dezember 2007) verabschiedet, sodass das Gesetz zum 1. Januar
2008 in Kraft treten kann.
Aus einem Aufruf zur öffentlichen
Diskussion der neuen Strafvollzugsgesetze in den Bundesländern möchten wir
die wesentlichen Aussagen wiedergeben. Dazu folgendes:
• Die meisten Experten äußern die Sorge,
NJVollzG
•
Öffentliche Diskussion der neuen
Strafvollzugsgesetze
•
Mit der Föderalismusreform ist der
Strafvollzug in die Zuständigkeit der
Bundesländer gefallen. Inzwischen liegen Gesetzentwürfe vor und befinden
sich zum Teil in den Abstimmungsverfahren. Im Zuge der Diskussion über
diese Gesetzentwürfe haben sich viele
Experten zu Wort gemeldet und deutlich
ihre Position dargestellt.
Dazu gehört auch der in Münster
ansässige „Arbeitskreis kritischer Strafvollzug e. V.“, der sich insbesondere
auch mit dem Entwurf des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes auseinandergesetzt hat. Dem Arbeitskreis steht
der Hochschullehrer Prof. Dr. H. Koch
vor.
•
•
Demzufolge stellen die Autoren des
Aufrufs in einem OrientierungspunktePapier ihre Positionen unter den folgenden Überschriften dar:
• Ziele des Strafvollzugs
• Der „Offene Vollzug“ als gesetzlicher
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
18
es werde aus populistischen und finanziellen Gründen zu einer Rückentwicklung der Reformansätze der letzten drei
Jahrzehnte kommen: Weg vom Ziel der
Resozialisierung (Behandlungsvollzug)
zurück zu Prinzipien der Härte und Isolation (Verwahrvollzug).
Überall dort, wo der Resozialisierungsgedanke vernachlässigt wird, steigt die
Gewalt (Beispiel Siegburg), ist die öffentliche Sicherheit in Gefahr.
Der Billigknast mit der Reduzierung des
Personals ist in Wahrheit die teurere
Lösung. Bereits jetzt ist der Strafvollzug,
wie die hohen Rückfallquoten (bis zu
80%) zeigen, ganz und gar uneffektiv.
Es ist absurd, eine sachwidrige und unsoziale Tendenz noch zu verstärken, um
mit archaischen Rachegedanken und
einer sie anheizenden Boulevardpresse
Wählerstimmen zu mobilisieren.
Nur die Resozialisierung bringt Sicherheit und Effektivität, sie ist nicht von
ungefähr Verfassungsgebot.
Regelvollzug
Vollzugsplan
Gefangenenmitsprache
Rechtssicherheit
Recht auf Lockerungen
Recht auf Unterbringung in einem Einzelhaftraum
Durchführung der Haft innerhalb von
Wohngruppen
Verbindung zur Welt außerhalb des
Strafvollzugs
Anspruch auf sinnvolle Arbeit und entsprechende Entlohnung
Möglichkeit freier Arztwahl
Recht auf schulische und berufliche Ausund Weiterbildung
Möglichkeit einer gestalteten Freizeit
Inanspruchnahme Sozialer Hilfen
Frauenstrafvollzug mit frauenspezifischem Profil
Respekt vor den kulturellen, sprachlichen
und kommunikativen Lebensweisen der
ausländischen Inhaftierten
Konfliktlösung und Rechtssicherheit
anstelle von Disziplinierung und Willkür
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
• Ausbau der (sozial-) therapeutischen
Angebotsstrukturen
• Notwendigkeit besonderer räumlicher
•
•
•
•
und sozialer Bedingungen in der Sicherungsverwahrung
Vollzugsorganisation: unterschiedliche
Formen von Haftanstalten, hinreichende
Personalausstattung, Mitbestimmung der
Inhaftierten und Transparenz des Strafvollzugs
Unabhängige Strafvollzugsbeauftragte
Intensivere Zusammenarbeit des Strafvollzugs mit Personen, Initiativen und
Behörden
Regelmäßige Evaluation der Wirksamkeit des Strafvollzugs
Die Autoren kommen in ihrer Betrachtung des niedersächsischen Entwurfs
zum NJVollzG zu folgenden Ansichten:
Der niedersächsische Entwurf verlässt
den Boden und die Zielsetzung des bisherigen deutschen Strafvollzugs. Unter
den Vollzugszielen (§ 5) heißt es jetzt,
der Strafvollzug diene neben der Resozialisierung „zugleich“ dem Ziel der Sicherheit. Bisher hieß es stattdessen, er
diene „auch“ der Sicherheit; Eine
scheinbar minimale semantische Veränderung,
g le ichwoh l
bei genauerem Hinsehen
eine
entscheidende. Es hat
sich schlichtweg
eine
Veränderung
in der Hierarchie der
Werte ergeben. Stand
bislang als
oberstes Ziel
die Resozialisierung fest mit der Nachordnung des
Sicherheitsgedankens, zeigt die semantische Veränderung deutlich den Paradigmenwechsel: Weg vom Versuch reformierten modernen Strafvollzugs
(Behandlungsvollzug) und zurück zu
antiquierten Vorstellungen des 19. Jahrhunderts (Verwahrvollzug). Der traditionelle Strafvollzug mit den Prinzipien
Härte, Rache, Disziplinierung und Isolation, der nie ganz überwunden war, erfährt nun eine Wiederbelebung.
Wer mehr dazu wissen möchte,
wende sich an den „Arbeitskreis kritischer Strafvollzug e.V.“, Postfach 1268,
48002 Münster.
UM
Recht & Soziales
Anzahl der Straftäter sinkt
Weniger Kriminalität!
Wodurch?
In den Medien war zu lesen, dass erstmals seit 2001 im vergangenen Jahr
weniger Menschen in der Bundesrepublik Deutschland verurteilt wurden als
im Vorjahr.
Wie das Statistische Bundesamt
mitteilte, wurden rund 875.000 Personen
wegen Verbrechen oder Vergehen
rechtskräftig verurteilt. Das sind fast
sechs Prozent weniger als im Vorjahr,
wenn auch für Sachsen-Anhalt keine
Angaben vorlagen. Unterschiedlich fiel
die Entwicklung in den alten und den
neuen Bundesländern aus; waren es in
den alten Bundesländern ca. 3,7 Prozent
weniger, lagen in den neuen Bundesländern (ohne Sachsen-Anhalt) ca. 7,8 Prozent weniger Verurteilungen vor.
Das Statistische Bundesamt will
daraus noch keinen Trend erkennen können. „Die Zahl der Verurteilten steigt
und sinkt in Wellen“, sagte deren Sprecher dazu.
Der deutlichste Rückgang war in
Mecklenburg-Vorpommern zu verzeichnen; hier sank
die Zahl der
Verurteilten
um
zwölf
Prozent. Danach folgten
Berlin
mit
knapp
elf
Prozent und
Thüringen
mit fast zehn
Prozent. Lediglich rund
zwei Prozent
Rückgang
gab es in
SchleswigHolstein, Niedersachsen und Bremen.
In Niedersachsen war allerdings
schon ab 2004 ein kontinuierliches Sinken der verurteilten Straftäter zu verzeichnen. Kam es noch 2004 zu rund
94.700 Verurteilungen, so wurden im
vergangenen Jahr nach Angaben des
Justizministeriums rund 91.100 Personen rechtskräftig verurteilt (-3,8 %).
Den meisten der Verurteilten im
Bund und in Niedersachsen wurde eine
Geldstrafe auferlegt. In Niedersachsen
waren es 61.549 Personen, d. h. (wie im
Bund) ca. zwei Drittel der Verurteilten.
Die meisten Verurteilten waren
Männer mit deutschem Pass (ca. 80 %).
Am häufigsten standen in Niedersachsen
Menschen vor Gericht, die Straftaten im
Straßenverkehr begangen hatten
minus 6 %
(19.700). Wegen Diebstahls oder Unterschlagung waren es 16.800 und wegen
Betrugs knapp 13.000.
Welches die Gründe für den Rückgang waren, war den Zahleninformationen nicht zu entnehmen. Die Verringerung der mit dem Abebben der Zuwanderung ab Mitte der 90er Jahre einhergehenden sozialen Integrationsprobleme
und die deutliche wirtschaftliche Belebung seit ca. 1 ½ Jahren, verbunden mit
einem starken Abbau der Arbeitslosenzahlen, dürften ihren Beitrag geleistet
haben. Eine Auswirkung der verschärften Sanktionspolitik kann wohl weniger
angenommen werden, da auch die Bundesländer, wie zum Beispiel SchleswigHolstein, die schon traditionell eine liberale Justizpraxis übten, ihre niedrigen
Verurteiltenzahlen weiter verringern
konnten. Es dürfte sich auch aus kriminalpräventiver Sicht lohnen, die strukturellen sozialen Verhältnisse innerhalb
und außerhalb von Justizvollzugsanstalten zu verbessern.
UM
Drogen und Recht
Bundesministerium für Gesundheit
Pressemitteilung
Bundesrat stimmt mit großer
Mehrheit für ein Gesetz zur heroingestützten Behandlung für
schwerkranke Drogenabhängige
„Die überwältigende Mehrheit von 13
Ländern im Bundesrat ist ein klares Signal an den Bundestag, eine gesetzliche
Regelung der heroingestützten Behandlung zu beschließen“, erklärt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzig, anlässlich der heutigen Entscheidung im Bundesrat. „Auch die öffentliche Anhörung im Bundestag am 19.
September hat bestätigt, dass es nicht
um einen Paradigmenwechsel geht, sondern um eine sinnvolle und wirksame
Ergänzung der Substitution mit Methadon für Schwerstabhängige.“
In der Anhörung im Bundestag wurde auch deutlich, dass nicht mit massiven Mehrkosten zu rechnen ist, wenn die
heroingestützte Behandlung gesetzlich
geregelt wird. Sabine Bätzig: „Ein Ansturm von Heroinabhängigen auf die
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Diamorphinbehandlung – wie von manchen befürchtet – wird ausbleiben. Das
Ergebnis einer Studie zur Versorgungslage der schwerkranken Heroinabhängigen hat ergeben, dass bundesweit etwa
3.500 Behandlungsplätze realistisch
sind. Von einem ‚Dammbruch’ kann keine Rede sein. Im Vergleich zur derzeitigen Substitutionsbehandlung entstünden
damit pro Jahr nicht die befürchteten
Mehrkosten in Höhe von 150 Millionen
Euro und mehr, sondern in Höhe von
etwa 22,2 Mio. Euro. Das entspricht etwa 0,15 Promille der jährlichen Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung.“
Auch die Zweifel an der Abstinenzorientierung der heroingestützten Behandlung sind nicht gerechtfertigt. Ein
Ergebnis der Studie war, dass innerhalb
von zwei Jahren 24 % der Patienten
entweder in eine Substitutionstherapie
oder sogar direkt in eine Abstinenztherapie gewechselt sind.
Sabine Bätzig betont: „Ich appelliere
an die Bundestagsfraktion der CDU/
CSU, sich dem Votum des Bundesrats
sowie den überzeugenden Argumenten
für diese Behandlungsmethode anzuschließen und die Abstimmung über das
Gesetz im Bundestag freizugeben. Eine
gesetzlich geregelte heroingestützte
Behandlung trägt dazu bei, dass künftig
noch mehr Leben gerettet werden können.“
Die Patienten des Bundesmodellprojekts werden seit dem 1. Januar 2007
auf Basis einer auf das öffentliche Interesse gestützten Ausnahmeerlaubnis
gemäß § 3 Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes weiter mit Diamorphin behandelt. Das Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger
wurde von einer gemeinsamen Initiative
des Bundesministeriums für Gesundheit,
der Länder Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sowie
der Städte Bonn, Frankfurt, Hannover,
Karlsruhe, Köln und München getragen.
Die Ergebnisse sind im Internet unter
www.herionstudie.de veröffentlicht.
Humor
Der Henker kommt nach Hause und
sagt: „Ich habe meinen Arbeitsplatz
verlassen, denn ich kann keinen
mehr hängen sehen.“ Antwort der
Frau: „Dann kannst du gleich das
Haus verlassen, denn mir geht es
genauso!“
______________________________________
Zwei Blondinen: „Ich glaube, mein
Mann betrügt mich.“ „Ja, ja – so sind
die Kerle. Meinem traue ich auch
nicht. Wer weiß, ob die Kinder von
ihm sind?!“
19
Recht & Soziales
Aufhebung des Haftbefehls wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots
(+ StPO § 120 Abs. 1)
Aus der Rechtsprechung
Interessante Urteile
Zur Verfügung gestellt von der Anwaltskanzlei
Joester pp., Bremen, RA Hübel, Quelle:
„Strafverteidiger“ Nr. 7/2007
Feststellung eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses bei
erledigten hoheitlichen Maßnahmen – Verweigerung der Erlaubnis zum Besuch eines in U-Haft
befindlichen Beschuldigten
(GG Art. 2 Abs. 1 i, V. m. Art. 20
Abs. 3, Art. 19 Abs. 4; StPO § 119)
Kommt eine gerichtliche Entscheidung aufgrund von Verzögerungen,
die der Justiz anzulasten sind, nicht
vor Erledigung des ursprünglichen
Rechtsschutzbegehrens zustande,
so ist zu berücksichtigen, dass das
aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs.
3 GG folgende Prozessgrundrecht
auf ein faires Verfahren es den Gerichten verbietet, aus eigenen Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen Nachteile für die Verfahrensbeteiligten abzuleiten. Erst recht kann
es Gerichten nicht gestattet sein,
Gründe für die Abweisung von Anträgen als unzulässig durch eigene
verfahrensfehlerhafte
Antragsbehandlung selbst herbeizuführen. Mit
diesen Anforderungen eines fairen
Verfahrens sowie der Verpflichtung
zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ist es
daher unvereinbar, wenn Gerichte
dem Betroffenen eine Entscheidung
zur Sache wegen Erledigung des
ursprünglichen Rechtsschutzbegehrens versagen, nachdem sie selbst
durch verfahrensfehlerhafte Behandlung des zugrunde liegenden Antrags verhindert haben, dass eine
gerichtliche Entscheidung vor Erledigung zustande kam (hier: Beschwerde gegen Verweigerung der Erlaubnis
zum
Besuch
eines
UGefangenen).
BVerfG,, Beschl. v. 27.12.2006 – 2
BvR 803/05 (2. Kammer)
20
Eine zur Aufhebung des Haftbefehls
wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemäß §
120 Abs. 1 StPO führende Verletzung des Beschleunigungsgebotes
in Haftsachen (Art. 2 Abs. 2 S. 2
GG) kann auch gegeben sein, wenn
notwendige Ermittlungshandlungen
zur Aufklärung des Sachverhaltes
unterlassen und die Ermittlungsakten über einen Zeitraum von ca. 2
Monaten lediglich der Bearbeitung
von Haftbeschwerden zugeführt werden.
BrandbgOLG, Beschl. v. 27.4.2004 –
1 Ws 89/07
OLG Haftprüfung und Beschleunigungsgebot
(StPO § 121 Abs. 1)
Die Untersuchungshaft darf über
sechs Monate hinaus nicht aufrechterhalten werden, wenn eine Verletzung des Beschleunigungsgebots
infolge Anklageerhebung vor dem
örtlich unzuständigen Gericht und
unzulässiger Verweisung des Verfahrens an das Landgericht vorliegt.
SchlHOLG, Beschl. v. 16.5.2007 – 2
Hes 5/07 (3/07)
Gleichbehandlung mehrerer Mitbeschuldigter in Bezug auf Aufrechterhaltung
der
Untersuchungshaft.
(StPO § 120 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1)
Ist wegen eines identischen Tatvorwurfs der Vollzug eines Haftbefehls
gegen einen Mitbeschuldigten im
Hinblick auf die Verletzung des Beschleunigungsgebots
ausgesetzt
worden, erfordert der auch innerhalb
eines Strafverfahrens im Verhältnis
der Angeschuldigten zueinander zu
beachtende Grundsatz der Gleichbehandlung aus Art. 3 GG die Aufhebung der Untersuchungshaftanordnung gegen einen anderen Mitbeschuldigten, wenn dieser von der
Verletzung des Beschleunigungsgebots in gleicher Weise belastet ist.
OLG Dresden, Beschl. v. 25.5.2007
– 2 Ws 218/07
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Das Oldenburger Verständnis
‚Afglitscht’
(De Ollnborger weet, wat dat heet!)
Afglitscht! – Wem ist das noch nicht
passiert beim Versuch, einen Apfel zu
schälen oder eine Tomate zu teilen? Ein
kleiner Fluch und die Einsicht, das Stück
Blech mit dem Handgriff bei nächster
Gelegenheit wieder anzuschärfen, sodass
es halbwegs als Besteckmesser durchgehen kann, waren
meist die Folgen.
So wird es auch
wohl demjenigen
gegangen sein, der
sich vorgenommen
hatte, eine ‚Tarte de Pomme’ zu backen –
ein Kuchen mit vielen in eine Pfanne zu
stellenden Apfelspalten, deren Standflächen leicht schräg anzuschneiden sind,
damit sie gut zu stehen kommen, bevor
sie sich mit dem Teigboden vereinigen.
Auch hatte er wohl schon so manchem den Mund wässrig gemacht, denen
er schon öfter mit seiner ‚Tarte’ Licht in
den Alltag gebracht hatte. Und nun das:
Das Stück Blech, das statt einer Schneide
nur noch eine Abbruchkante aufwies,
hätte nimmer schöne Apfelspalten hervorgebracht.
Also, nichts wie ran an die Arbeit,
und mit Schmirgelpapier (das Verbotene
aus einem Blatt, nicht das Erlaubte als
Nagelfeile) dem Blech zu etwas Ähnlichem wie einem Besteckmesser verhelfen, wie es so manche machen - wovon
die Küchenleitung im stillen Einvernehmen sicherlich ausgeht -; damit das
Schnitzel oder die Leber verzehrgerecht
teilbar wird.
Nur eines hätte er nicht machen sollen: die Arbeit bei offener Haftraumtür
verrichten! Denn bei näherem Hinsehen
kam jemandem, der es von Amts wegen
wissen muss, der Gedanke: Da baut sich
einer eine Waffe!
Tarte de Pomme hin oder her, ein
Besteckmesser, das nicht mehr
‚afglitscht’, ist nun mal eine Waffe! Konsequenz: Vier Wochen Einschluss und
Abberufung von der Arbeit! – Ok
‚Afglitscht‘?
Wer wagt sich nun noch an eine
Tarte de Pomme? *
UM
Recht & Soziales
Der Stuhl
Geahnt habe ich es ja schon länger. Nur
glauben - glauben wollte ich es nicht!
Dabei fing alles so harmlos an.
Am Freitag sollte Wäsche getauscht
werden, und da ich den Tausch nicht
persönlich ausführen konnte, weil ich
noch arbeitete, habe ich dem von innen
vor die Haftraumtür gestellten Stuhl
meine Wäsche ohne zu zögern anvertraut. Die ersten Male hat es ja auch
geklappt: Statt der schmutzigen Wäsche
lagen geordnet gereinigte Bekleidungsstücke bei meiner Rückkehr auf dem
Stuhl, und ich begann, ohne weiter darüber nachzudenken, mit dem Einräumen
in den Schrank.
Dann muss ich wohl etwas falsch
gemacht haben. Zuerst war es an den
Socken zu merken. Die gereinigten
Strümpfe wiesen mehr Löcher auf als
jene, die ich dem Stuhl anvertraut hatte.
Kann ja mal vorkommen!
Dann gab es jedoch die erste Krise
in unserem Verhältnis.
Ich hatte an dem besagten Tag sogar zwei Jogginganzüge, wovon einer
mir wegen meiner Tätigkeit im UBetrieb gesondert ausgehändigt worden
war, auf den Stuhl gelegt. Mein Stuhl
muss damit aber nicht einverstanden
gewesen sein, denn als ich die duftende
Wäsche in den Schrank legen wollte,
fehlte doch tatsächlich ein Jogger. Nicht
so schlimm, dachte ich mir. Jetzt war es
ohnehin recht spät, und da ich noch einen besaß, schien der Montag noch früh
genug zu sein, um die Kammer zu bitten, mir den zweiten Jogger wieder auszuhändigen oder von meiner Liste zu
streichen.
Leider hatte mir mein Stuhl nicht
gesagt, dass ich mit meinem Begehren
viel zu spät käme und ich im Übrigen
diejenigen Bekleidungsstücke wieder
bekommen hätte, die ich auch auf den
Stuhl gelegt habe.
Dank des guten Rates des Stationsbeamten, der mir sogar bei der Abfassung einer Verlustmeldung behilflich
war und zu der ich auch meine Sicht der
Dinge hinzufügen konnte, schien die
Sache erledigt zu sein – bis ich dann bei
der nächsten Monatsabrechnung bemerkte, dass 8,91 Euro vom Eigengeldkonto zusätzlich gesperrt waren.
Damit schien das Verhältnis zu
meinem Stuhl wieder etwas geordneter
zu sein.
Über so Kleinigkeiten wie ein Paar
Socken zuviel, ein Paar Socken zuwe-
nig, Socken mit mehreren Löchern, Unfällt mir ein: Es könnte ja jemand in
terhose zuwenig, dafür aber Unterhemd
meiner Abwesenheit (von der Mittagszuviel oder Jogger in Kindergröße wurzeit bis zum Arbeitsende) im stillen Einde stillschweigend hinweggegangen,
verständnis mit meinem Stuhl im Haftfand sich doch immer wieder ein netter
raum gewesen sein und einen dringend
Beamter, der alleine oder mit mir im
benötigten Jogger (nämlich gerade meiSchlepptau zur Kammer ging und für
nen; und nicht zu vergessen die zwei
Wohlbefinden sorgte.
Paar Strümpfe) ausgeliehen haben. Man
Das Verhältnis zu meinem Stuhl
hört ja ab und an, dass der geheimnismuss aber wohl doch nicht den gevolle, ominöse U. D.
wünschten Stand erreicht haben. Jetzt
(manche kennen ihn
wollte er mir zeigen,
auch als den „Unbewer hier Beachtung
kannten Dritten“) hererwarten darf.
umgeistern soll. Aber
Dass etwas nicht
sehr erhellend scheint
in Ordnung war, bemir der Gedanke dann
merkte ich schon beim
doch nicht zu sein.
Öffnen der Zelle; diesMein dritter Gedanmal gab es keinen Jogke… Nein, nein! Den
ger und zwei Paar
Gedanken kann ich
Hoffentlich finde ich
Stümpfe fehlten! Angleich verwerfen! Ein
alles wieder?
sonsten lagen aber die
Beamter irrt sich nicht!
zwei Paar Garnituren
Nun stehe ich vor eiUnterwäsche und die Handtücher am
nem Dilemma. Wie bekomme ich einen
richtigen Platz.
Jogger und zwei Paar Socken wieder?
Ohne die geringsten Anzeichen
Es gehört zur Weisheit von Behöreines Bedauerns ließ mich mein Stuhl
den, immer eine Antwort parat zu haben.
zum Stationsbeamten laufen, und auch
Und es gibt gute Geister, die, glaubt
als wir beide im Haftraum nach den fehman den alten Märchenerzählern, in
lenden Bekleidungsstücken suchten, gab
zumeist alten, dicken Gemäuern Wuner kein Zeichen. Nun wusste der Beamte
dersames bewirken. Jedenfalls ist auch
aber Rat: Er brachte das Formblatt VG
in den hiesigen dicken, wenn auch nicht
51 ins Spiel, auf dem ich doch bitte den
ganz so alten Mauern durch gute Geister
Sachverhalt darstellen möge. Danach
ein kleines Wunder geschehen: Ein Jogwürde die Kammer zu dieser ominösen
ger und zwei Paar Strümpfe haben nach
Begebenheit ihre Stellungnahme abgeeinigen ruhigen Tagen den Weg von der
ben, und dann werde man weitersehen.
Kammer zu meinem Domizil gefunden.
Jetzt hab ich den Schlamassel! Wie
Nun hoffe ich, dass mein Stuhl nicht
bekomme ich es hin, das Verhältnis wienachtragend ist und das Mirakel seinen
der zu verbessern (- zu meinem Stuhl)?
Charme behält.*
Denn nun habe ich es schwarz auf weiß:
* Wie konsequent [lat. consequens =
Laut Stellungnahme der Kammer lag
folgerichtig] und liberal [lat. liberalis =
definitiv kein Jogger auf dem Stuhl, als
freiheitlich] sind wir doch in Oldenburg!
der Wäschetausch begann!?
Jetzt aber heißt es erst einmal nach(Jegliche Ähnlichkeiten mit einem derzeit lebenden Menschen sind rein zufällig.)
denken! Was könnte passiert sein mit
dem Jogger und den Strümpfen? Mein
UM
erster Gedanke: Ich habe Erinnerungsprobleme und hab gar
keinen Jogger gehabt! –
Dagegen spräche nur,
dass man mich in all
den Monaten täglich in
einem dieser kleidsamen dunkelblauen,
patchwork-verzierten
Freizeitanzüge hat rumlaufen sehen; außerdem
ist da noch die Karteikarte, die genau weiß,
was ich ausgehändigt
bekommen habe. Dann
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
21
Recht & Soziales
Das Top-Thema….
Betrachtungen zur Gefangenenpopulation oder
„Rein geht‘s immer, raus geht‘s nimmer?“
Oldenburger Verhältnisse
Im Rahmen eines Projektberichtes haben
die Studentinnen Bianca Wilhelm und
Alexandra Kufelt von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg für den
Studiengang Diplom-Wirtschaftswissenschaften im Zeitraum vom 01.01.2007
bis zum 31.03.2007 mit Hilfe eines Fragebogens den Ist-Zustand in Bezug auf
die schulische und berufliche Bildung
der in dem Zeitraum neu aufgenommenen 125 Inhaftierten (nur Strafhäftlinge)
aufzeichnen können. Die Ausarbeitung
hatte zum Ziel, der Anstalt Empfehlungen zum Weiterbildungsbedarf zu geben.
Dieser Betrachtung liegen die dabei
gewonnenen Erhebungsdaten zugrunde.
Interpretationen wurden teilweise übernommen und in den Kontext gestellt,
den der hier vorliegende Bericht mit
seinen Aussagen verfolgt.
Die JVA Oldenburg mit Hauptanstalt und ihren Abteilungen Gerichtstraße, Delmenhorst, Nordenham, Wilhelmshaven und Cuxhaven hält insgesamt 619 Haftplätze vor, von denen 210
für Untersuchungshäftlinge und 409 für
Strafhäftlinge (davon 213 im offenen
Vollzug) vorgesehen sind. Demzufolge
stellen die im 1. Quartal 2007 aufgenommenen 125 Strafgefangenen eine
repräsentative Größe (31 %) für den
durchschnittlichen Bestand der Anstalt
dar. Auf das gesamte Jahr hochgerech22
net wären es 500 Häftlinge (mit Untersuchungsgefangenen sogar ca. 2000).
Bei insgesamt 409 Haftplätzen für Strafgefangene deutet das ebenso auf eine
erhebliche Fluktuation hin wie auf eine
verstärkte Belegung der gesamten Haftplätze durch Strafhäftlinge bis hin zur
Überbelegung.
Es stellt sich nun die Frage, können
die, wie die jetzt hier in Oldenburg eingelieferten Gefangenen, mit den zur
Verfügung stehenden Möglichkeiten der
JVA resozialisiert werden, um eine
nachhaltige Wiedereingliederung in die
Gesellschaft zu erlangen?
Das Niedersächsische Justizministerium sagt dazu allgemein in seinen
Ausführungen zum „Einheitlichen Niedersächsischen Vollzugskonzept vom
Juni 2004“ (ab S. 32, auszugsweise):
„Gefangene gehören zum problematischen Teil unserer Gesellschaft. Sie gelangen meist zu einem Zeitpunkt in den
Justizvollzug, zu dem sich kriminelle
Karrieren bereits gefestigt haben und
das soziale Umfeld häufig desaströs ist.
Der Justizvollzug ist jedoch nicht der
Reparaturbetrieb gesellschaftlicher Versäumnisse; auch bei größter Anstrengung kann nicht jeder Gefangene resozialisiert werden. Letztlich liegt es in der
Eigenverantwortung der Gefangenen,
vollzugliche Behandlungsangebote anzunehmen und aktiv an Veränderungen
des persönlichen Umfelds zu arbeiten.
Hundertprozentige Resozialisierung und
absolute Sicherheit kann der Vollzug
nicht garantieren.“ … „Wir wollen Sicherheit und Resozialisierung im
Gleichgewicht halten. Resozialisierung
heißt für uns,
• durch Behandlungsuntersuchungen
eine fundierte Diagnostik zu
garantieren,
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
• eine qualitativ hochwertige und
landesweit einheitliche Vollzugsplanung sicherzustellen und
• mitarbeitsbereiten und
mitarbeitsfähigen Gefangenen
besondere Behandlungsmaßnahmen
anzubieten und dafür einen
differenzierten und hochwertigen
Behandlungskatalog vorzuhalten,
• durch sinngebende Beschäftigung
den Tag zu strukturieren und
Eigeninitiative zu wecken sowie
insbesondere
• durch regelmäßige Arbeit die
Gefangenen auf ein rechtschaffendes
L e b e n n a ch d e r En tla s s u ng
vorzubereiten.“
Zu den besonderen Behandlungsprogrammen (Chancenvollzug) werden (a.
a. O., ab S. 47) genannt:
a) Verhaltensändernde Angebote
• Gruppentraining / Gruppentherapie
• Einzelbetreuung / Einzeltherapie
• Soziales Training
• Training für Gewaltstraftäter
• Sportangebote zur Steigerung der
sozialen Kompetenz
• Schuldnerberatung
• Entlassungsvorbereitung
b) Sozialtherapie
c) Qualifizierende Angebote
• Vorbereitungskurse für schulische
Ausbildungsgänge
• Sonderschulkurse / Hauptschulkurse / Realschulkurse
• Berufsausbildung verschiedener
Qualifikationsstufen, einschließlich
Teilqualifizierungen
d) Helfende Angebote
• Arbeitstherapie
• Alphabetisierungskurse
• Deutsch für Ausländer und Spätaussiedler
Um nun eine konkrete Abschätzung
dafür abgeben zu können, ob der vom
Recht & Soziales
Bundesverfassungsgericht bestätigte Auftrag (Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist nicht nur Kraft einfachen
Gesetzesrechts (§ 2 Satz 1 StVollzG), sondern von Verfassungs wegen auf das Ziel der Resozialisierung verpflichtet (vgl. BVerfGE 35, 202 <235 f.>; 45, 187 <238 f.>; 74, 102 <122f.>; 98, 169 <200>; Urteil des
Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai 2006 – 2 BvR 1673/04, 2 BvR 2402/04 -, Umdruck, S. 25)) in der JVA Oldenburg mit den dort einsitzenden Gefangenen umgesetzt werden kann, hier nun
einige Zahlen aus dem o. g. Projektbericht mit entsprechender graphischer Darstellung.
Von den 125 befragten Strafgefangenen konnten 124 Fragebögen in die Auswertung einbezogen werden.
Herkunftsaspekte
Es entfielen auf:
Staatsangehörigkeit
deutsch
türkisch
niederländisch
irakisch
jugoslawisch
rumänisch
libanesisch
tschetschenisch
liberianisch
serbien-montenegr.
russisch
schwedisch
kamerunaisch
angolanisch
aserbaidschanisch
palästinensisch
polnisch
vietnamesisch
moldawisch
dänisch
mosambikanisch
ivorisch
algerisch
%
65,0
6,5
4,1
2,4
2,4
2,4
1,6
1,6
1,6
1,6
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
Muttersprache
deutsch
russisch
kurdisch
arabisch
türkisch
niederländisch
englisch
albanisch
rumänisch
französisch
portugiesisch
tschetschenisch
roma
polnisch
schwedisch
vietnamesisch
moldawisch
dänisch
jugoslawisch
%
54,8
8,9
6,5
4,8
3,2
3,2
2,4
2,4
2,4
1,6
1,6
1,6
1,6
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
Fasst man die Staatsangehörigkeiten regional zusammen, so ergibt sich folgendes Bild:
Fasst man die muttersprachliche Herkunft regional zusammen, so ergibt sich folgendes
Bild:
Fortsetzung auf Seite 24
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
23
Recht & Soziales
Fortsetzung von Seite 23
Bildungsaspekte
Es entfielen auf:
Schulische Ausbildung.
Gymnasium
Realschule
Hauptschule
Hauptschule ohne Abschluss
Sonderschule
Sonderschule ohne Abschluss
kein Abschluss
%
4,8
16,9
41,9
10,5
4,8
2,4
18,5
Berufliche Ausbildung
Industrie-Berufe
kaufm. Berufe
sonstige Berufe
Berufe im Nahrungsmittelbereich
handwerkl. Berufe
keine Ausbildung
Kognitive Eigenschaften*
Sehr gut
Gut
Befriedigend
Ausreichend
Mangelhaft
%
7,2
8,0
8,8
12,8
26,4
37,6
%
6,4
32,0
36,0
16,8
0,8
*Kognition: lat. >das Erkennen<, >Kennenlernen<
Soziale Aspekte
Es entfielen auf:
Zuletzt ausgeübte Tätigkeit
keine Beschäftigung
sonstige Berufe
kaufmännische Berufe
handwerkliche Berufe
Arbeiter
Berufe im Nahrungsmittelbereich
Drogenabhängigkeit
keine Angaben
Alkohol
weiche Drogen
harte Drogen
wird substituiert
Politoxikomane
24
%
60,0
7,2
4,0
18,4
9,6
8,0
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
%
73,6
8,0
5,6
4,8
4,8
3,2
Recht & Soziales
Die wesentlichen Ergebnisse des Befundes sind demnach:
• Hoher Ausländeranteil:
35 %
• Sehr hoher Anteil, bei denen Deutsch nicht Muttersprache ist: 45 %
• Hoher Anteil mit unzureichender
schulischer Ausbildung (ab Hauptschule):
36 %
• Hoher Anteil mit keiner beruflichen
Ausbildung:
38 %
• Signifikante Selbstüberschätzung im
kognitiven Bereich (nur 1 % mangelhaft)
35 %
• Überwiegender Anteil ohne derzeitige Berufsausübung:
73 %
• Sehr hoher Anteil mit Drogenabhängigkeit:
40 %
Deutschland hat zurzeit 82,5 Mio. Einwohner, von denen 7,5 Mio. Ausländer
(9 %) sind (Diercke Länderlexikon).
Allerdings haben ca. 15,3 Mio. einen
Migrationshintergrund.
Daher ist von einem überproportionalen Anteil von Ausländern an der Gefangenenpopulation auszugehen. Welche sozialen oder sonstigen Gründe dafür vorliegen, dazu liegen hier keine
Daten vor und könnte daher nur spekulativ eingeschätzt werden.
Für die Frage, ob für eine Resozialisierung dieser Gefangenen von Seiten
der Vollzugsbehörden genug getan wird,
ist es allerdings weniger relevant, denn
Ausländer werden nicht vom Resozialisierungsgebot erfasst, da sie nach einer
Teilverbüßung ihrer Strafe zu einem
Großteil (je nach Haftdauer) in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Tatsächlich steht aber auch ihnen das Behandlungsprogramm weitgehend offen
(abgesehen von bestimmten Bildungsangeboten).
Keine besondere Aufmerksamkeit
soll hier den Gefangenen zukommen,
von denen aufgrund ihrer weniger ausgeprägten Bildungs- und Sozialdefizite
anzunehmen ist, dass weniger Anstrengungen seitens des Justizvollzuges für
ihre Resozialisierung unternommen werden müssen.
Das Hauptaugenmerk ist also auf
diejenigen zu legen, die Indikatoren
aufweisen, die augenscheinlich einer
Förderung bedürfen, auch wenn sie weniger einer Förderung zugänglich sind.
Auf den hiesigen Bestand von Gefangenen mit
• Unzureichender Schulischer Ausbildung
36 %
• Keiner beruflichen Ausbildung 38 %
• Selbstüberschätzung im kognitiven
Bereich
35 %
• Ohne Berufsausübung
73 %
• Drogenabhängigkeit
40 %
Mittelwert
44 %
bedeutet das unter Zugrundelegung des
Mittelwertes, dass ca. 180 Gefangene
einer intensiven Hilfe bei der Resozialisierung bedürfen. Sollen die Gefangenen
mit ausländischer Staatsangehörigkeit
unberücksichtigt bleiben, so sind es immer noch ca. 120 Personen.
Die Autorinnen des o. g. Projektberichts empfahlen (a. a. O., S. 71) der
Verwaltung, in näherer Zukunft unter
Umständen:
• die Möglichkeit zum Bestehen eines
Schulabschlusses anzubieten
• Deutschkurse anzubieten
• die Möglichkeit zur Durchführung
einer beruflichen Ausbildung anzubieten
• zu überlegen, ob ein Führerscheinkurs in Verbindung mit einer Fahrschule angeboten werden kann (um
die Mobilität zu erhöhen).
Eingerichtet sind in der JVA Oldenburg
derzeit ein Deutschkurs (Alphabetisierungskurs) für ca. 10 Gefangene und
ein Elementarkurs Berufliche Grundbildung für 8 Gefangene. Der Vorbereitungskurs zur Erlangung des Europäischen Computerführerscheins für 10
Teilnehmer wendet sich an Gefangene,
die in Kürze zur Entlassung anstehen.
Nicht verschwiegen werden soll,
dass folgende Arbeitsplätze eingerichtet
sind:
• Tischlerei (demnächst 15)
8
• Schlosserei
12
• Unternehmerbetrieb 1
46
• Unternehmerbetrieb 2
46
• Unternehmerbetrieb 3
40
• Küche
10
• Kammer
4
• Hausarbeiter
8
• Bau- und Hofkolonne
8
• Mediengruppe
3
Zu den verhaltensändernden Maßnahmen zählen:
• eine Orientierungsgruppe für Drogenabhängige,
• Soziales Training,
• die Gruppenbehandlung „Meine Zukunft
ohne Gewalt“ und
der Integrationskurs
für Gefangene mit
Migrationshintergrund und Deut-
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
sche mit Imigrationsproblemen sowie eine
• Kriminalpräventive Einzel-Behandlung.
Zudem besteht ein reichhaltiges Sportangebot.
Ob damit im Rah men des
„Chancenvollzuges“ heute das Nötige
getan wird, werden sicherlich in einigen
Jahren dann neuere Studien zeigen. Derzeit ist eine hohe Skepsis angebracht.
Ein Handicap für eine erfolgreiche
Resozialisierung wird sicherlich darin
bestehen, dass nicht jeder die nötige
Motivation aufbringt, sich weiter ausbilden zu lassen. So gaben in der genannten Erhebung von den 38 % derjenigen,
die keine Berufsausbildung nachweisen
konnten, nur etwa 20 % an, zur Durchführung einer Berufsausbildung motiviert zu sein.
Ob dies resignierend hinzunehmen
ist, wie das nach dem „Einheitlichen
Niedersächsischen Vollzugskonzept“ (siehe oben) vom Niedersächsischen Justizministerium getan wird, ist
allerdings höchst problematisch, zeugt
es doch von einer mangelnden Bereitschaft, für die Ziele des sozialen Rechtsstaates die nötigen Bedingungen zu
schaffen. Die mangelnde Bereitschaft,
die Regelungen des bisher gültigen
Strafvollzugsgesetzes in der Praxis auch
umzusetzen und die damit einhergehenden unzureichenden Ergebnisse bei der
Resozialisierung sollten nicht als rechtfertigende Gründe für eine Verschärfung
der gesetzlichen Regeln im neuen Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz
benutzt werden.
So wird Kriminalität nicht bekämpft!
UM
25
Recht & Soziales
ο
Der Vollstreckungsplan
ο
Wer kommt in die Oldenburger
JVA?
Niedersachsen verfügt über 14 Justizvollzugsanstalten mit über 30 Abteilungen (Stand 2006), die über das ganze
Land verteilt sind. In ihnen sind rund
6.800 Personen (Stand 2006) inhaftiert,
von denen rund 59 % eine Freiheits- und
21 % eine Jugendstrafe verbüßen. 15 %
sind Untersuchungsgefangene und 1 %
der Gefangenen befindet sich in Abschiebehaft. Etwa 25 % aller Gefangenen sind Ausländer. Der Anteil der
Frauen liegt bei etwa 5 %.
Niedersachsen hat den Vollzug der
Freiheitsstrafe und der Sicherungsverwahrung an männlichen Verurteilten
(wie auch der anderen Verurteilten) in
einem Vollstreckungsplan festgelegt.
Den Vollzugsanstalten sind je nach ihren vollzuglichen Möglichkeiten und
Ausrichtungen Aufgaben nach dem
Vollstreckungsplan zugewiesen. Die
Zuständigkeiten liegen auf sowohl sachlicher als auch örtlicher (Gerichtsbezirke) Ebene.
In dieser Darstellung soll nur auf
die Zuständigkeiten aus Oldenburger
Sicht eingegangen werden.
Danach sind alle erwachsenen Verurteilten mit lebenslanger Freiheitsstrafe
sowie mit einer Vollzugsdauer von mehr
als 14 Jahren in die JVA Celle einzuweisen. Das bedeutet nicht, dass sie dort
auch über die gesamte Haftdauer
verbleiben.
Die übrigen Verurteilten werden
unterteilt nach Verurteilten, die zum
Zeitpunkt der Einweisung zum Vollzug
der Freiheitsstrafe(n):
• das einundzwanzigste Lebensjahr
noch nicht vollendet haben und einer
Vollzugsdauer
ο
ο
ο
bis zu einem Monat oder
bis zu einem Jahr und
mehr als 1 Jahr.
• das vierundzwanzigste Lebensjahr
noch nicht vollendet haben und einer
Vollzugsdauer
ο
ο
ο
ο
26
bis zu einem Jahr für den Erstvollzug
oder
bis zu einem Jahr bei einer Vorverbüßungszeit bis zu 6 Monaten oder
bis zu einem Jahr bei einer Vorverbüßungszeit von mehr als 6 Monaten bis
zu einem Jahr oder
bis zu einem Jahr bei einer Vorverbüßungszeit von über einem Jahr oder
Osterholz-Scharmbek; offener Vollzug*; **
Syke; offener Vollzug*
• LG Aurich; dort für die Amtsgerichtsbezirke:
ο
ο
ο
ο
ο
ο
ο
ο
von mehr als einem Jahr bis zu 5 Jahren (Erst- und Regelvollzug) oder
von mehr als 5 Jahren, soweit sie dem
Regelvollzug zuzurechnen sind.
Die dann übrigen Verurteilten werden
nach der Zuordnung der sachlichen und
örtlichen Zuständigkeit eingewiesen.
Emden; offener Vollzug*; ** und
geschlossener Vollzug über 5 – 14
Jahre***
Leer; offener Vollzug*; ** und geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre***
Norden; offener Vollzug*; ** und
geschlossener Vollzug über 5 – 14
Jahre***
ο
von mehr als 5 Jahren oder
von mehr als 5 Jahren für den Erstvollzug und
Aurich; offener Vollzug*; ** und
geschlossener Vollzug über 5 – 14
Jahre***
•
Wittmund; offener Vollzug*; ** und
geschlossener Vollzug über 5 – 14
Jahre***
LG Oldenburg; dort für die Amtsgerichtsbezirke:
ο
ο
Brake; offener Vollzug*; ** und geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre***
Cloppenburg; geschlossener Vollzug
über 5 – 14 Jahre***
Sachliche Zuständigkeit für den Vollzug der Freiheitsstrafe (mä
Vollzugsform
Verurteilter in Haft
Vorverbüßungszeit
(Monate)
Vollzugsdauer bis 2
Jahre
Vollzugsdauer über
2 – 4 Jahre
Vollzugsdauer über
4 – 14 Jahre
ERSTVOLLZUG
nein
REGELV
ja
entfällt
Anstalten und Abteilungen des
offenen Vollzuges
Anstalten und
Anstalten des
Abteilungen
geschlossenen
des offenen
Vollzuges bis
Vollzuges
5 Jahre
Anstalten des geschlossenen
Vollzuges bis 5 Jahre bzw. Anstalten des geschlossenen Vollzuges
über 5 – 14 Jahre
Die JVA Oldenburg ist nach dem
Vollstreckungsplan im Wesentlichen für
die Bezirke der Landgerichte
• LG Stade; dort für die Amtsgerichtsbe-
bis 6
Anstalten
Anstalten
und Abteiund Abteilungen des
lungen des
offenen
offenen
Vollzuges
Vollzuges
Anstalten und Abteilungen des
offenen Vollzuges
Bremervörde; offener Vollzug*; **
ο
ο
ο
Cuxhaven; offener Vollzug*; **
Langen; offener Vollzug*; **
Otterndorf; offener Vollzug*; **
ο
Stade; offener Vollzug*; **
Zeven; offener Vollzug*
• LG Verden; dort für die Amtsgerichtsbe-
ο
zirke:
ο
Diepholz; geschlossener Vollzug über
5 – 14 Jahre***
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
über 30
Anstalten
Anstalten des
und Abteigeschlossenen
lungen des
Vollzuges bis
offenen
5 Jahre
Vollzuges
Anstalten des geschlossenen
Vollzuges bis 5 Jahre
Anstalten des geschlossenen Vollzuges bis 5 Jahre bzw.
zirke:
ο
ο
ο
ο
ο
ο
über
6 - 12
nein
über
12 - 30
ο
Delmenhorst; offener Vollzug* und
geschlossener Vollzug über 5 – 14
Jahre***
Jever; offener Vollzug*; ** und geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre***
Nordenham; offener Vollzug*; ** und
geschlossener Vollzug über 5 – 14
Jahre***
Oldenburg; offener Vollzug*; ** und
geschlossener Vollzug über 5 – 14
Jahre***
Varel; offener Vollzug*; ** und geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre***
Westerstede; offener Vollzug* und
geschlossener Vollzug über 5 – 14
Jahre***
Recht & Soziales
ο
Wildeshausen; offener Vollzug* und
geschlossener Vollzug über 5 – 14
Jahre***
ο
•
Wilhelmshaven; offener Vollzug*; **
und geschlossener Vollzug über 5 –
14 Jahre***
LG Osnabrück; dort für die Amtsgerichtsbezirke:
ο
ο
ο
ο
ο
ο
Bersenbrück; geschlossener Vollzug
über 5 – 14 Jahre***
Bad Iburg; geschlossener Vollzug
über 5 – 14 Jahre***
Lingen; geschlossener Vollzug über 5
– 14 Jahre***
Meppen; geschlossener Vollzug über
5 – 14 Jahre***
Nordhorn; geschlossener Vollzug
über 5 – 14 Jahre***
Osnabrück; geschlossener Vollzug
über 5 – 14 Jahre***
ο
Papenburg; geschlossener Vollzug
über 5 – 14 Jahre***
Die mit * versehenen Zuständigkeiten betreffen Verurteilte im Erstvollzug und diejenigen
im Regelvollzug, die bis 6 Monate Vorverbüßungszeit aufweisen (unabhängig davon,
ob sich der Verurteilte in Haft oder nicht in
ännliche Verurteilte)
VOLLZUG
Ja
bis 6
über
6 - 12
über
12 - 30
über 30
Anstalten und
Abteilungen
des offenen
Vollzuges
Anstalten und
Abteilungen
des offenen
Vollzuges
Anstalten und
Abteilungen
des offenen
Vollzuges
Anstalten
des geschlossenen
Vollzuges
bis 5 Jahre
Anstalten des geschlossenen Vollzuges bis 5 Jahre
Anstalten des geschlossenen Vollzuges über 5 – 14 Jahre
Haft befindet); die mit ** versehenen Zuständigkeiten betreffen Verurteilte im Regelvollzug, die über 6 bis 12 Monate und über
12 bis 30 Monate Vorverbüßungszeit aufweisen (unabhängig davon, ob sich der Verurteilte in Haft oder nicht in Haft befindet); bei
den mit *** versehenen Zuständigkeiten für
die JVA Oldenburg wird die JVA für die
EWK (Einweisungskonferenz) West tätig
(unabhängig davon, ob Erstvollzug oder
Regelvollzug vorliegt und sich der Verurteilte in Haft oder nicht in Haft befindet). Die
EWK West umfasst die JVAen Oldenburg,
Lingen, Lingen-Damaschke, Meppen, Aurich, Emden und Vechta.
Neben den Zuständigkeiten für den
Strafvollzug ist die JVA Oldenburg hauptsächlich entsprechend der ursprünglichen
Bestimmung Haftanstalt für Untersuchungshäftlinge.
UM
Anstieg der Gefangenenzahlen
Der Anstieg der Gefangenenzahlen in Niedersachsen, warum?
Kriminalitätsentwicklung oder
Politikveränderung?
Die Autoren Stefan Suhling und Tilmann
Schott haben für das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e. V. (KFN)
den „Anstieg der Gefangenenzahlen in
Deutschland, Folge der Kriminalitätsentwicklung oder wachsender Strafhärte?“ untersucht, veröffentlicht im Forschungsbericht Nr.
84 in 2001.
Aus diesem Forschungsbericht haben
wir einige wesentliche Ergebnisse entnommen und uns insbesondere auf die niedersächsischen Verhältnisse konzentriert. Hierbei haben wir Aspekte herausgestellt, die
Belege für die These sein können, dass die
Gefangenenzahlen nicht hauptsächlich aufgrund veränderter Kriminalitätsverhältnisse
angestiegen sind, sondern aufgrund politisch
motivierter Veränderungen. Zur differenzierteren Betrachtung und zur Vervollständigung
der Informationen empfehlen wir die Lektüre
des Forschungsberichts.
Ebenfalls haben wir Daten aus einem
Aufsatz von Prof. Frieder Dünkel und Bernd
Geng mit dem Titel „Aktuelle Daten zum Strafvollzug in Deutschland“, abgedruckt in der
Zeitschrift „Forum Strafvollzug“ 1/2007, entnommen und im o. g. Sinne verarbeitet.
Zunahme der Haftraumkapazität
Steigende Haftzahlen, Überbelegungen
und Ausbaupläne der Justizvollzugsanstalten waren und sind in Deutschland
zu verzeichnen.
Auf Basis einer Erhebung vom Mai
2000 bestanden in Deutschland 75.847
Haftplätze. Geplant war die Schließung
von 2.999 und der Neubau von 12.025
Haftplätzen, davon in den alten Bundesländern 1.497 bzw. 7.136 Plätze. Davon
wiederum in Niedersachsen 60 bzw.
1.400 Plätze. Das bedeutete eine Nettosteigerung von 15,9 % für Deutschland,
11,1 % für die alten Bundesländer und
22,2 % in Niedersachsen. Niedersachsen
war damit das Bundesland, das, abgesehen von den neuen Bundesländern (die
einen sehr hohen Nachholbedarf hatten),
den höchsten Zuwachs plante. Dafür
waren seinerzeit 214 Mio. Euro Baukosten vorgesehen (Deutschland insgesamt:
1,427 Mrd.).
Warum war nun die Haftraumkapazität erforderlich, soweit sie nicht durch
eine Überbelegung (vornehmlich in den
neuen Bundesländern) angezeigt war?
31.12.2006 in Niedersachsen ein Zuwachs von 15,0 % eingetreten (alte Bundesländer: + 9,8 %; neue BL.: + 63,3 %;
Deutschland insg.: +16,5 %). Damit
liegt Niedersachsen mit einer Rate von
82,8 um 48 % über der von SchleswigHolstein (55,9), das eher skandinavischen Konzepten folgt, und 13,1 %
unter dem Wert für Deutschland insgesamt.
Angesichts einer relativ vergleichbaren Kriminalitätsbelastung z. B. in
Mecklenburg-Vorpommern (Tatverdächtigenbelastungszahl, TVBZ, 2005:
3.160, die zu einer Gefangenenrate von
96 führt) im Vergleich zu SchleswigHolstein (TVBZ: 2.785), die ihrerseits
bedeutend über denjenigen in Bayern
(TVBZ: 2.223; Gefangenenrate: 99)
oder Baden-Württemberg (TVBZ:
2.023; Gefangenenrate: 76) liegen, wird
deutlich, dass Gefangenenraten nicht
Schicksal, sondern in erster Linie Ergebnis kriminalpolitischer Orientierungen
und der justiziellen Entscheidungspraxis
sind.
Der Anstieg der Gefangenenrate
von 63 % in den neuen und knapp 10 %
in den alten Bundesländern seit 1995 hat
also weniger mit der Kriminalitätsentwicklung als mit anderen Faktoren zu
tun, z. B. der Strafrechtsreformgesetze
von 1998 (Gesetze zur Bekämpfung von
Sexualdelikten und anderer gefährlicher
Fortsetzung auf Seite 28
Humor
Ein Angetrunkener lallt an der Theke
zur Bardame: „Ich habe nur Pech in
der Ehe. Zweimal war ich verheiratet
– meine erste Frau starb an einer
Pilzvergiftung und meine zweite an
einem Schädelbruch…“ „Das ist ja
grauenvoll! Wie ist denn das mit ihrer
zweiten Frau passiert?“ – „Sie wollte
die Pilze nicht essen…“
Einflussgrößen:
Kriminalpolitische Orientierung und
justizielle Entscheidungspraxis
Betrachtet man zunächst die Gefangenenraten (Gefangene pro 100.000 der
Bevölkerung), so ist seit 1995 bis zum
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
27
Recht & Soziales
Fortsetzung von Seite 27
Straftaten). So hat sich die Strafzumessungspraxis in Niedersachsen in den
1990er Jahren im Gegensatz zu Schleswig-Holstein gemäß der o. g. Studie von
Suhling/Schott verschärft. Bemerkenswert ist auch, dass sich zwischen 1996
und 2006 der Anteil der Strafgefangenen
im offenen Vollzug in Niedersachsen
von 28,4 % auf 19,1 % zurückentwickelt
hat (Bund: 20,8 % auf 15,9 %), was
ebenfalls auf einen Politikwechsel hindeutet.
Die starke politische Beeinflussung
der Gefangenenzahlen ist für die alten
Bundesländer schon seit längerem zu
beobachten. Gab es 1980 noch eine absolute Gefangenenzahl (Anzahl der Personen, die innerhalb eines Jahres in Haft
sind) von ca. 165.000 Gefangenen, so
schwoll der Wert 1982 auf 180.000 an,
was zu einer starken Überbelegung führte und worauf die Politik mit Stopp des
Vollzugs oder der Zurückstellung der
Vollstreckung reagierte. Bis Ende der
1980er Jahre fiel die Anzahl auf ca.
143.000 zurück und erfuhr dann allerdings Anfang der 1990er Jahre einen
starken Anstieg, der 1998 auf ein Niveau von ca. 200.000 (+36 %) führte.
Die mittlere Belegung wuchs in dem
Zeitraum um 30% von 50.661 auf
65.851.
Dies war nicht durch eine Zunahme
der strafmündigen Bevölkerung in
Deutschland indiziert, die in dem Zeitraum 1990/1998 um 4,5 % wuchs, und
auch nicht durch die Anzahl der Straftaten (ohne Verkehr: + 10,4 %). Lediglich
die Zahl der Angeklagten nahm um
17,7% und die der Verurteilten um
22,1% zu; die Summe der verhängten
Haftjahre stieg um 40,2 %. Es wurde
also mehr und härter verurteilt.
In Niedersachsen fiel die Gefangenenzahl von 1980 bis 1990 um -7,1 %,
um allerdings von 1990 auf 1998 um
55,0% auf 21.864 zu steigen (mittlere
Belegung: 6.514). Dass dies nicht der
allgemeinen Entwicklung in Deutschland geschuldet war, ist wiederum an
den Vergleichszahlen aus SchleswigHolstein zu erkennen. Während in Niedersachsen die Summe der Haftjahre um
42,8 % stieg (bei 5,2 % Zuwachs der
strafmündigen Bevölkerung), lag der
Wert in Schleswig-Holstein bei + 9,7 %
(+ 3,9 %). Deliktsspezifisch waren die
Unterschiede differenzierter, z. B.: Gewaltdelikte: 54,4 % (9,6 %); Diebstahlsund Vermögensdelikte: 24,9 % (0,2 %);
Drogendelikte: 65,0 % (52,5 %). Bei der
28
Gab es im Bezirk Oldenburg nur einen Zuwachs
von 3,6 %, so stieg der
Wert für Osnabrück um 89,6 % und für
Bückeburg um 154,3 %.
Bei der Veränderung der wegen
Gewalttaten angeordneten Haftjahre
liegt der Wert für Oldenburg bei 13,5 %, der für
Hannover bei 124,7 %,
für Verden bei 166% und
für Aurich bei 169,6 %.
Mithin haben die erkennenden Gerichte in den
letztgenannten Bezirken
den erheblichen Spielraum für eine Strafverschärfung extrem ausgenutzt.
Spezifische regionale Gegebenheiten der Kriminalitätsentwicklungen haben
aber ebenfalls eine Rolle
gespielt. So hat sich die
Zahl der Verstöße gegen
das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) im Landgerichtsbezirk Osnabrück mehr als verdoppelt (+106,5%). Eine Erklärung bietet
dafür die inzwischen unkontrollierte
Grenze zu den Niederlanden, über die
erfahrungsgemäß sehr viele Drogen
nach Deutschland eingeführt werden.
Politik füllt Knäste
Strafverfolgung von Raubdelikten z. B.
stieg in Niedersachsen die Summe der
Haftjahre um 42,9 %, in SchleswigHolstein fiel der Wert um -4,1 %.
Regionale Besonderheiten
Waren schon die Unterschiede zwischen den Bundesländern Niedersachsen
und Schleswig-Holstein signifikant, so
sind die Veränderungen der zugemessenen Haftjahre in den Landesgerichtsbezirken in Niedersachsen beträchtlich.
Registrierte Kriminalität und Strafverfolgung von
Deutschen und Nichtdeutschen in Niedersachsen
deutsch
nichtdeutsch
Zuwachs
90/91
97/98
90/91
97/98
deutsch
Tatverdächtige
Angeklagte
Angeklagte pro 100
Tatverdächtige
Freiheitsstrafen
ohne Bew.
Durchschnittliche
Haftjahre
Summe Haftjahre
Haftjahre pro 100
Angeklagte
258.207
111.769
43,3%
289.799
121.429
41,9%
69.545
19.563
28,1%
79.728
30.868
38,7%
11,2%
8,6%
Zuwachs
nichtdeutsch
14,6%
57,8%
5.436
6.363
795
1.997
17,1%
151,2%
1,51
1,57
1,82
2,05
3,5%
12,8%
8.229,2
7,4
9.973,6
8,2
1.447,8
7,4
4.103,0
13,3
21,2%
11,6%
183,4%
79,6%
Die Zunahme der Haftjahre nach Deliktgruppen,
deutsche und nichtdeutsche Niedersachsen im Vergleich
Niedersachsen
Summe der Haftjahre
Anteil
Anteil
90/91
97/98
90/91
97/98
%
%
deutsch
8.735,9
10.417,6
95,6
71,5
nichtdeutsch
1.464,1
4.151,1
14,4
28,5
Delikte
Gesamt
davon:
Gewaltdelikte
Diebstähle/
Vermögensdel.
Drogendelikte
90/91 zu
67/98
%
19,3
183,5
deutsch
nichtdeutsch
deutsch
2.782,4
478,1
3.533,8
3.488,5
1.545,6
3.901,3
85,3
14,7
89,2
69,3
30,7
79,4
25,4
223,3
10,4
nichtdeutsch
deutsch
nichtdeutsch
426,9
1.014,1
453,3
1.009,8
1.203,5
1.217,0
10,8
69,1
30,9
20,6
49,7
50,3
136,5
18,7
168,5
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Recht & Soziales
Unterschiedliche Strafverfolgungspraxis
Ein starker Anstieg der Gefangenenzahlen ist aber wohl auch aus der
unterschiedlichen Strafverfolgungspraxis gegenüber Deutschen und Nichtdeutschen zu erklären. Zwischen 1990 und
1999 hat in den alten Bundesländern die
Zahl der deutschen Strafgefangenen um
8,9 % zugenommen, die der Nichtdeutschen ist dagegen um 161,7 % angewachsen. Der Gesamtanstieg beruht
daher zu 85,5 % auf dem Zuwachs inhaftierter Ausländer oder Staatenloser.
Als Fazit kann festgestellt werden,
dass der Anstieg der Gefangenenzahlen,
insbesondere derjenigen in Niedersachsen, im Wesentlichen hervorgerufen
wurde durch:
• Strafrechtsreformgesetze von 1998
• Wachsende Strafhärte der Strafjustiz.
• Nachhaltiger Kurs einer Strafverschärfung in einigen Landgerichtsbezirken Niedersachsens.
• Wachsende Ungleichbehandlung von
Deutschen und Ausländern.
• Verschärfte Richtlinien der Landesjustizministerien (z. B. Einheitliches
Niedersächsisches Vollzugskonzept,
2004) bzw. der Generalstaatsanwälte
zum Entscheidungsverhalten.
• Personalentscheidungen bei der Auswahl von Behördenleitern und Generalstaatsanwälten.
• Bedrohungsgefühle der Allgemeinheit, besonders beeinflusst durch
Emotionen bei Gewaltdelikten und
Drogentätern.
• Strafmentalität der Bevölkerung
UM
Vorurteil stimmt nicht
Spätaussiedler nicht
gewaltbereiter
Es gehört zu den beliebten Vorurteilen,
dass Spätaussiedler gewaltbereiter sind
als andere Deutsche.
Dazu stellt die Polizei in Leer fest:
Russischstämmige Jugendliche sind
nicht krimineller als andere Gruppen.
Zehntausende Spätaussiedler haben
in den vergangenen Jahren eine neue
Heimat in der Region Leer (wie auch z.
B. in den Landkreisen Cloppenburg und
Vechta) gefunden.
Raub, Körperverletzung, Diebstahl
und Drogenkriminalität sind die Delikte,
die vermehrt von russischen Spätaussiedlern begangen werden. Laut der Polizeiinspektion Leer/Emden gingen jedoch von den 8927 aufgeklärten Fällen
im vergangenen Jahr lediglich 150 Taten
auf das Konto von Spätaussiedlern. Das
sind knapp 1,67 Prozent. Sie sind damit
nicht krimineller, als andere Bevölkerungsgruppen.
Dennoch liegen besondere Probleme vor, wie die Bewährungshilfe zu
berichten weiß: Häufig ist es Frustration,
die sie zu ihren Handlungen treibt. Dazu
gehören Sprachschwierigkeiten und
Probleme, sich in Deutschland zu integrieren. Sie fühlen sich von Deutschen
abgehängt und entwickeln ein negatives
Weltbild. Einige gleiten in die Drogenkriminatität ab oder schließen sich in
Gruppen zusammen und bilden Subkulturen innerhalb der deutschen Gesellschaft. Einige Spätaussiedler haben ein
grundsätzliches Misstrauen gegen staatliche Einrichtungen. Viele kommen aus
Ländern mit zerrütteten politischen und
sozialen Verhältnissen. Statt eines ordentlichen Rechtssystems erlebten sie
eine „Allmacht krimineller Autoritäten
und lernten, sich mit diesen Autoritäten
zu arrangieren“.
Gewalt hat innerhalb dieser Subkultur einen hohen Stellenwert. Vor allem
die jugendlichen Nachkömmlinge, die
hier geboren sind, versuchen, sich durch
ihre körperliche Stärke zu definieren.
Wenn sich die Frustration in Gewalt
entlädt, bekommen die Täter ihrer Ansicht nach das, was ihnen die Gesellschaft verwehrt: Respekt!
Daher sollten die Integrationsprogramme die Erfahrungen und die Lebenswelt der Aussiedler und die Hintergründe, die die Täter zu ihren Handlungen treiben, stärker berücksichtigen.
UM
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Kriminelle Karrieren
Geh in die Politik,
oder Du kommst irgendwann ins
Gefängnis!
(Zitat meines Großvaters)
Das sagte mir mein Großvater anlässlich
eines Spazierganges in Kassel, als ich,
sechzehn Jahre alt, noch ein mehr oder
weniger braver Zögling eines Edelinternats am Bodensee war. Ich komme noch
mal darauf zurück.
Mein Leben, eine Karriere? Kann
ich nicht gerade sagen. Dazu ist das
Wort Karriere
zu positiv besetzt. In der
Zeit zwischen
Mai 1979 und
bis zum Ende
meiner jetzigen Strafe, im
Februar 2008,
werde ich ca.
16 Jahre im
Knast verbracht haben. Gut, andere gehen 12 Jahre freiwillig zum Bund,
schmeißen sich in den Dreck, wenn es
ihnen befohlen wird, kommen womöglich mit einer Säuferleber aus der Kaserne und haben selten ein nennenswertes
Vermögen auf der Seite.
Ich für meinen Teil führte anfangs
auch ein normales Leben, habe Abi gemacht, studiert und als Heimerzieher mit
Jugendlichen aus kaputten Familien
gearbeitet, die auf Weisung verschiedener Sozialämter aus dem gesamten Bundesgebiet in Heime verteilt wurden.
Im April 1977, ich war gerade mal
24 Jahre alt, fing ich an zu junken. Ich
hatte bis dahin nichts mit illegalen Drogen zu tun gehabt, nicht einmal einen
Joint geraucht, und Alkohol war auch
nicht mein Ding. Sofort schmiss ich
meinen Job hin, war dann auch bald
pleite, denn außer drei Magengeschwüren hatte ich keine Rücklagen aus meinem Job. Zum Klauen war ich zu feige,
also musste ich schauen, wie ich an Geld
kam, um meinen Bedarf an Heroin und
Koks decken zu können. Zum Glück
hatte ich in meinem Internat viel Wissen
über die Zusammenhänge von Politik
und Wirtschaft vermittelt bekommen
und habe zudem während meines Studiums bei der Betriebswirtschaft hospitiert, das heißt ich war als Gasthörer
eingeschrieben. Zudem hatte Österreich
1976 sein Bankengesetz geändert und so
genannte „Micky-Maus“-Konten eingeFortsetzung auf Seite 30
29
Recht & Soziales
Fortsetzung von Seite 29
Monate, ich „erlernte“ allerdings in dieser Zeit durch einen Mitgefangenen die
führt. Also ging ich dran, das SchwarzFeinheiten des Subventionsbetruges. Im
geld „braver“ Bürger – Zahnärzte,
Juni `81 ging ich einigermaßen geläutert
Rechtsanwälte usw. – kofferweise ins
Kleine Walsertal zu verfrachten. Von
den Provisionen konnte ich trotz meiner
Sucht sehr gut leben und auch was sparen. Das erste Mal in meinem Leben,
dass ich Rücklagen hatte. 1979, ich war
durch `nen kalten Entzug schon ein Jahr
clean (hatte aber binnen 9 Monaten mein
Gewicht nahezu
und mit dem ververdoppelt, denn
schwommenen Vorich soff nun rund 2
satz: „Das tust du dir
Liter weißen Rum
nicht noch mal an“,
am Tag), wurde ich
raus. Noch hatte ich
das erste Mal in
ein Verfahren laufen,
meinem
Leben
doch ich führte mich
verhaftet.
Zwar
ganz ordentlich und
kam ich nach 77
war für die Behörden
Tagen U-Haft wiesolide geworden.
der raus, war troLetztendlich wurde
cken, aber ich hatte
ich zu einer Gesamtdas erste Mal Haftfreiheitsstrafe von 34
luft geschnuppert.
Monaten verdonnert,
Nicht, dass es
Wie gewonnen mir gefallen hätte,
- so zerronnen?
aber ich war jetzt wenigstens vom Alkohol weg. Dafür fing ich mit dem Kiffen
an – und sorgte natürlich nach wie vor
für meine Klienten, deren Anzahl sich
mittlerweile erheblich vergrößert hatte.
Im November `79, ich war immer noch
26, hatte meine Eigentumswohnung,
genügend Geld in der Tasche und seit
Jahren keine Steuern mehr bezahlt, wurde ich zum zweiten Mal verhaftet. Diesmal dauerte mein Aufenthalt länger, 17
ICH HÄTTE AUF
MEINEN OPA
HÖREN SOLLEN!
allerdings mit durchgehend empfohlener
Haftstrafe, die ich ja schon durch die 17
Monate weg hatte. Nur einer war nicht
der Meinung, der Vorsitzende der Strafvollstreckungsbehörde Kassel, Dr. G.
Der war der Ansicht, ich solle noch ein
wenig büßen, zumindest mal bis zum
2/3-Zeitpunkt. Als ich im November `81
meine Strafe in Kassel antrat, war ich,
gelinde gesagt, stinksauer. Noch vom
Freigang aus leitete ich meinen ersten
Subventionsbetrug ein, kassierte, gerade
entlassen, im Sommer `82 die Früchte
dieser Untat, musste dann allerdings das
Land fluchtartig für zwei Jahre verlassen. `84 aus Irland zurück, meine Anwälte hatten mir den Rücken frei geschaufelt, ging ich dann den einmal eingeschlagenen Weg des leichten Gelderwerbs – Subventionsbetrug etc. – weiter.
Bis `87 überstand ich weitere 5
Haftbefehle nahezu schadlos. Dann kam
30
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
die erste, für mich richtige Kelle: Drei
Jahre plus zweier Bewährungswiderrufe
von insgesamt 20 Monaten. Zudem hatten sich reichlich Staatsschulden – zu
Unrecht kassierte Subventionen + Steuerschulden – angehäuft. Dagegen standen Vermögenswerte, Immobilien und
Bares, die sich im Besitz diverser Firmen befanden, während ich als offiziell
arme Sau eine Eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte.
War ich klüger, als ich im Sommer
`92 raus kam? Kann ich nicht sagen!
Zwar hatte ich alles, von dem es heißt,
dass man es zum Glücklichsein braucht,
aber ich war noch keine 40 und noch
lange nicht satt. Die Folge waren weitere Knastaufenthalte, `96 die „Rache“ des
Staates (durch tätige Mithilfe meiner
Lebensabschnittsgefährtin) in Form einer Beschlagnahmung all dessen, was
ich bis dahin angehäuft hatte durch die
obere Finanzdirektion München. Als ich
im Juni `98, nach 18 Monaten aus der
JVA Bernau (Bayern) entlassen wurde,
hatte ich keinen festen Wohnsitz mehr,
100 Mark cash und eine Bahnfahrkarte
nach München.
Was nun, Herr Sch.? Wem es einmal richtig gut ging, sprich wer alles
hatte, der hat keinen Bock auf einen
normalen Job, kleines Geld, kleines Auto und Schuhkarton als Wohnung. Also
in die Hände gespuckt; ein halbes Jahr
malocht wie ein Irrer, bis zu 18 Stunden
täglich, ohne Wochenende in bis zu drei
Jobs – einen geschmeidigen Anlagebetrug einzufädeln ist nicht billig. Dann
den geplanten Schlemm durchgezogen
und gut so. Die drei Jahre, die ich dafür
kassierte, standen in einem für mich
akzeptablen Verhältnis.
Die zwei Jahre, die ich zurzeit wegen einer vermeintlichen Erpressung
abmachen muss, die standen in keinem
Buch geschrieben. Sie waren das Ergebnis meiner Vorstrafen, denn merke: Wer
so viele Vorstrafen hat, ist von vorne
herein schuldiger als ein Solider. Das
sage ich ohne die geringste Bitterkeit, es
ist ein gerichtsbestätigter Fakt.
Nun, ich werde mich im Februar
2008 aus meinem illegalen Gelderwerb
zurückziehen, nach Frankreich gehen
und meine Hobbys pflegen.
Als Fazit bleibt nur eines anzumerken:
ICH HÄTTE AUF MEINEN OPA
HÖREN SOLLEN!
Name der Redaktion bekannt
Kultur — Ausland — Medien
Literatur & Co. Spezial
Aus der Bücherei:
Der Hörbuch Club
Seit September 2007 besteht die Möglichkeit, aus den rund 200
Titeln an Hörbüchern auszuleihen. Für alle, die es noch nicht
wissen: Nur diejenigen, die dem Hörbuch Club beigetreten sind oder noch beitreten werden, können
in den Hörgenuss kommen. Interessenten müssen dazu einen Antrag stellen. Mitglied können nur Gefangene werden, die über einen CD-Spieler verfügen. Jedes Mitglied verpflichtet sich, die CDs nicht
weiterzuverleihen und erklärt sich damit einverstanden, dass bei Verlust oder Beschädigung der Sicherungskopie € 1,50 von seinem Konto für den Ersatz abgezogen werden.
Eine Liste des Angebots wird an die Mitglieder des Clubs verteilt. Maximal 3 CDs pro Woche werden
im Rahmen der samstäglichen Buchausleihe ausgegeben.
Viel Spaß dabei, es lohnt sich!
Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters
Bernardo Soares (Fernando Pessoa)
Der portugiesische Schriftsteller Fernando
Pessoa hinterließ nach seinem durch eine
Leberzirrhose bedingten frühzeitigem Ableben im Alter von 47 Jahren eine Truhe mit
27 543 Papieren, gefüllt mit handschriftlichen Fragmenten
seines dichterischen Schaffens. Auch das „Buch der Unruhe“ besteht aus ca. 500 Fragmenten, die der Schweizer
Verleger Egon Ammann zu einem Roman zusammengestellt und verdichtet hat. Im Stil zwischen Joyce und Kafka
entsteht ein Konglomerat aus philosophischen, politischen
und soziologischen Reflexionen und Beobachtungen, das
sich zu erarbeiten lohnt. Keine einfache Kost, sondern
gehaltreiche „Food for thoughts“.
Berlin – Moskau, Eine Reise zu Fuß
(Wolfgang Büscher, gelesen von Ulrich
Matthes)
Allein zu Fuß von Berlin nach Moskau? Was
ist das für eine Idee, wer macht denn so
was!? „Berlin – Moskau“ ist ein Reisebericht des Schriftstellers Wolfgang Büscher, der im Sommer 2001 den hier
beschriebenen Weg auf der Suche nach der Geschichte
seiner Vorfahren gegangen ist. Der Hörer wird von einem
hervorragenden Sprecher auf eine Reise geschickt, die
vor geschichtlichen und menschlichen Tragödien aus der
Vergangenheit und Gegenwart strotzt, ohne dabei die Realität aus den Augen zu verlieren, dicht an wahren Begebenheiten entlanglaufend. Fazit: Sprachlich und inhaltlich
äußerst empfehlenswert und auf hohem Niveau.
Der Audio Verlag/RBB, 2006, 4 CDs, 313 Min., ISBN: 3-89813-509-8
Der >Audio< Verlag 2004, ISBN: 3-89813-293-5
Baudolino (Umberto Eco)
Umberto Eco erzählt uns hier die frivolheitere Geschichte von Baudolino, der als
Knabe in den italienischen Wäldern auf Kaiser Friedrich ‚Barbarossa’ trifft. Diesem berichtet er von einer angeblichen Vision, woraufhin der Kaiser ihn mit sich nimmt. Baudolino wird zum Adoptivsohn Friedrichs, studiert in Paris und
lernt dort drei Gefährten kennen, die ihn sein Leben lang
begleiten. Die Suche nach dem heiligen Gral und dem
Königreich des Presbyters Johannes zieht sich wie ein
roter Faden durch die Story. Dabei kann man bald nicht
mehr zwischen Fiktion und historischer Erzählung unterscheiden. Selbst Baudolino verfällt seinen eigenen Halbwahrheiten. Aus einer einfachen Holzschale wird der Gral.
Es tauchen gleich sieben Häupter der heiligen Johanna
auf, das Leichentuch Jesu, die sterblichen Überreste der
‚Heiligen drei Könige’ usw. Alles in allem ein sehr gelungenes Hörspiel, dessen Dialoge nicht langatmig sind. Der
beißende Spott und die Satire werden gut rübergebracht.
Absolut empfehlenswert.
Unter dem Eis (Gisa Klönne)
Ein packender Hörbuchkrimi im Tatortstil um
einen verschwundenen Jungen, eine vermisste Biologin, die in Kanada nach Eistauchern forscht, und ein Ermittlerpaar der Kölner Polizei, das dem Ganzen im Jahrhundertsommer anfänglich eher hilflos gegenüber steht. Spannend und gut
gesprochen von Edda Fischer und Simon Roden. Unterhaltsam und spannend = lohnenswert.
der hörverlag 2002, ISBN: 3-89584-506-X
Steinbach Sprech. Bücher, 2004, 5 CDs, 339 Min., ISBN: 3-88698-702-7
Delta Entertainment, 2006, 3 CDs, 460 Minuten, ISBN: 3-86538-520-6
Veronika beschließt zu sterben
(Paulo Coelho, gelesen von Ursula Illert)
Das erste Buch des mittlerweile zum Weltstar gewordenen Autors erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die nach einem
Selbstmordversuch in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wird. Dort lernt sie unterschiedlichste menschliche
Schicksale kennen und findet die Freude am Leben wieder. Ein stellenweise bewegendes Hörbuch mit unerwarteten Wendungen in der Story.
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
31
Kultur — Ausland — Medien
Literatur & Co.
Das Auge von Tibet (Eliot Pattison)
Durch die Bücher von Eliot Pattison zieht sich wie ein roter Faden das Leben des jungen Mönches Shan.
Er lässt ein Bild von der sanften Zurückhaltung im Buddhismus entstehen, versteht es aber ebenso gut,
mit wenigen Worten eine spannende Atmosphäre zu schaffen. Bei der Verfolgung von Kunsträubern wird
der Leser in die nicht ganz einfache Begriffswelt der Buddhistischen Religion eingeführt. Der Geburtstag
des Dalai Lama ist der Ausgangspunkt, von dem aus ein verworrenes und oft nicht leicht zu durchschauendes Netz gesponnen wird, in dem internationale Namen auftauchen. Durch die fremde Sprache und die
vielen Begriffe, auch wenn man sie am Ende des Buches nachschlagen kann, verliert man auf Teilstücken
fast den Bezug zum Spannungsbogen, den die Geschichte macht.
Grundsätzlich zu empfehlen, aber keine Lektüre für zwischendurch.
Rütten & Loenning 2006, ISBN: 978-3-352-7466-1984-2, € 10,00
Das Ende ist mein Anfang (Tiziano Terzani)
Tiziano Terzani verbringt die letzten Wochen seines Lebens mit seinem Sohn in der malerischen Kulisse
der Toskana. Der Vater entfächert die Stationen seines buchstäblich bewegten Lebens und zieht dessen
Summe. Gestartet ist der talentierte Italiener als engagierter Journalist, der in Vietnam und Kambodscha
die Gräuel des Krieges kennen lernte. Aus dem Berichterstatter wurde der Erzähler, aus dem ruhelos Reisenden ein bewusst Suchender. China, Tibet, Indien bilden die markantesten Zäsuren seiner Lebensreise.
Der alltäglichen, insbesondere politischen und wirtschaftlichen Realität kehrte er immer überzeugter den
Rücken, es mehrten sich die Fragen, die eine nachdenkliche Natur begleiten wie das Hintergrundrauschen die kosmische Nacht. Seine Antworten ribbeln sich aus den besinnlichsten Nähkästchen der Philosophie. Die Welt ist nicht mehr zu retten. Aber das Leben ist wunderschön. Veränderung vermag der Einzelne nur in
sich zu bewirken. Eingedenk dessen, dass der Einzelne nichts ist außerhalb der Umarmung des Ganzen. Und der Tod
gehört zum Leben. Er ist freudig zu begrüßen. Was ein Leichtes ist, hat man erst einmal sämtliche Ängste vor dem Verlieren abgestreift. Beschaulich, weise, abgeklärt, wie sich seit Jahrtausenden die weißbärtige Gururiege immer mal wieder zu Wort meldet. Philosophisch die Morsezeichen einer romantischen Fledermaus, menschlich ein bewegender, beispielhafter Abschied. Tiziano Terzani ist ein selten seltsamer Fremdkörper im Spiegel unserer Zeit.
Deutsche Verlags-Anstalt 2007, ISBN: 978-3-421-04292-7, € 19,95.
God save the Queen (Ute Brammertz)
Wer zwischendurch einmal herzhaft lachen möchte und schon mal mit den Tücken des Internets zu tun hatte, wird das kleine Büchlein begierig durchlesen. Zudem wird die Phantasie angeregt, welche „Irrsinnigen
und absurden Übersetzungen aus dem Internet“ - so lautet auch der Untertitel - noch existieren mögen. Es
bleibt nach dem Lesen ein Schmunzeln übrig.
cadeau Verlag (Hoffmann und Campe) 2006, ISBN-10: 3-455-38003-3; ISBN-13: 978-3-455-38003-1, € 6,99.
Rummelplatz (Werner Bräunig)
Im Roman „Rummelplatz“ blickt Werner Bräunig, Jahrgang 1934, auf die Anfangsjahre der DDR; der erste
Band endet mit dem 17. Juni 1953, dem ersten Arbeiteraufstand in einem sozialistischen Land. Schauplatz ist das Erzgebirge. Der dortige politisch eminent bedeutende Uranbergbau und eine Papierfabrik
sowie ein trostloser Unterkunftsort für die Arbeiter bilden den gesellschaftlichen Rahmen. Schließlich sind
es vier junge Leute, deren Start ins Leben dem Geschehen Gesichter verleiht. Mithin ein Roman über ein
Kapitel der aktuellen deutsch-deutschen Geschichte. So weit, so gut.
Eben nicht. Dieser Roman verkantet praktisch mit all seinen Achsen. Bräunig vermittelt Einblicke in die
Arbeits- und Lebenswirklichkeit der Menschen, die vor keiner noch so bitteren Wahrheit haltmachen. Er
demaskiert politische Ränkespiele, führt die leerspulenden Direktiven von Administration und Partei vor, zerlegt das
Räderwerk der Bürokratie der sozialistischen Planwirtschaft und bügelt nebenbei dem Westen seine schwarze Weste
glatt. All das in sachlich fundierter Form, sprachlich präzise, in einfühlsamer Bildhaftigkeit und unverblümter Drastik.
Und zu keinem Zeitpunkt lässt er einen Zweifel zu: Hier kritisiert einer seine gesellschaftliche und geistige Heimat nur
aus einem Grund: Aus der Hoffnung heraus, diese Chance des Neubeginns nach dem Faschismus nicht zu vermasseln. Für seine Zeit und sein System zu radikal. Der Roman wird verboten. Das sei kein sozialistischer Realismus, das
sei Demagogie, dekadent, Dienst am Kapitalismus. Einem ideologisch verträglichen Umschreiben verweigert sich Bräunig letztlich durch das Fallenlassen des Rummelplatzes. Daran zerbrechend greift er zum Alkohol und lässt diesen bis
zu seinem Tod mit 42 Jahren nicht mehr los.
Dass dieser Roman nicht erscheinen durfte, beschämt den ostdeutschen Gegenentwurf einer sozialistischen Gesellschaft mehr als es jede direkte Kritik gekonnt hätte.
Aufbau Verlag 2007, ISBN: 978-3-351-03210-4, € 24,95.
32
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Kultur — Ausland — Medien
Literatur & Co.
Ist zu exekutieren (Friedrich Karl Kaul)
Das erstmals 1981 in der DDR erschienene Buch „Ist zu exekutieren“ von Prof. Friedrich Karl Kaul trägt
den Untertitel „Ein Steckbrief der deutschen Klassenjustiz“. Am Beispiel der Ermordung von Ernst Thälmann im August 1944 versucht der Autor den Nachweis zu führen, dass die deutsche Justiz sich schon
zum Ende der Weimarer Zeit der „braunen“ Ideologie genähert hatte, willig in der Nazizeit den Herrschenden diente und seine Vertreter sich ohne Brüche in die westdeutsche Gesellschaft der Bundesrepublik
Deutschland integrieren ließen, wo sie schützend die Hand über Nazi-Verbrecher hielt. Es gelingt dem
Autor vordergründig, und im Sinne seines Weltbildes, die Finger auf einige Erscheinungen der deutschen
Justiz zu legen, auf die auch bei allem Wohlwollen „die Justiz“ nicht Stolz sein kann. Leider verliert das Buch beachtlich
seine politisch-moralische Qualität durch die Neigung des Autors, sich nur die Brille seines Staates DDR aufzusetzen.
Dennoch auch heute noch lesenswert.
Neues Leben Verlags GmbH & Co. KG 2006, ISBN: 978-3-355-01724-4.
Leyla (Feridun Zaimoglu)
Die Geschichte der kleinen Leyla, die in ihrer Familie unter der tyrannischen Herrschaft ihres Vaters wie
ihrer Geschwister und ihrer Mutter leidet und einen Ausweg sucht. Feridun Zaimoglu lässt den Leser am
Lebensweg der Hauptfigur eine Weile teilhaben und gibt dabei Einblicke in Traditionen, Sitten und Gebräuche der Gesellschaft der 50er Jahre. An der Sprache, die der Autor verwendet, erkennt man, mit wie
viel Gefühl hier ein Buch geschrieben wurde.
Kiepenheuer & Witsch, 2006, ISBN 3-462-03696-3, € 22,90.
Zombie (Joyce Carol Oates)
Welcome to hell. Anders ist die Begegnung mit dem Roman „Zombie“ von Joyce Carol Oates nicht zu
empfinden. Quentin P. ist ein Psychopath der Extraklasse, dessen persönliche Aufzeichnungen in ihrer
lapidaren und geradezu infantilen Art das Grauen absolut beklemmend heraufbeschwören.
Schon als Kind wird er auffällig. Doch erst als Erwachsener wird er erwischt. Eine Bewährungsstrafe inklusive Therapie. Von da an geht es los. Quentin hat einen Traum: Er möchte einen eigenen Zombie haben, ein vollkommen willenloses Wesen, das ihm als Meister gehorcht und ihn anbetet. Er weiß auch, wie
es geht. Per Lobotomie. Er nimmt also einen Eispickel, stickt diesen über dem Auge ins Gehirn und entfernt Hirnmasse an neuralgischer Stelle. Leider überlebt das kein Opfer. Sämtliche Operationen enden in
einer bestialischen Schlachterei, was seiner exzessiven Lust nicht den geringsten Abbruch tut.
Das ist die eine Seite des Schreckens. Es gibt jedoch noch eine zweite. Dass seine Eltern und seine Großmutter ihn als
lieben Jungen einstufen, liegt in mancher Natur der Sache. Doch dass die Psychologen nur aus der Langeweile ihrer
Routine aufwachen, um von ihm ausgetrickst zu werden, dass er mit Bewährungshelfern ebenso wie Polizei kesse
Spielchen treibt, damit schürt die renommierte Autorin Joyce Carol Oates nicht nur Stammtischvorurteile. Fest steht:
Verglichen mit Quentin P. ist das hiesige Domizil ein Pfadfinderlager.
Deutsche Verlags-Anstalt 2000, ISBN: 3-421-05178-X. Über Zweitausendeins zu beziehen für 12,99 €
Die Gegen-Päpstin (Martina André)
Ein wenig gequält kommt sie daher – die Geschichte. Nicht so sehr die Idee, die hinter dem Plot einer
katholischen Kirche der Gleichberechtigung von Mann und Frau steht, vielmehr mangelt es an einigen
Stellen am konstruktiven Aufbau, an der Logik der Geschichte. Andererseits ist es der Autorin durchaus
gelungen, eine flotte Story (auch wenn sie allzu sehr an Dan Browns „Sakrileg“ erinnert) zu erzählen, die
gewiss ihre Spannungsmomente aufweist. Aber auch da läuft es leider nicht immer ganz rund. Man könnte annehmen, Martina Antré ist von Zeit zu Zeit die Idee gekommen: “Ach, jetzt braucht es mal wieder
eine Leiche“. Passt leider nicht immer. Nichts desto trotz, das Buch ist lesenswert für den, der auf Verschwörung und Amoral der Kirche steht.
Aufbau Verlag 2007, ISBN: 978-3-7466-2323-8, € 9,95.
Tannöd (Andrea Maria Schenkel)
Dieses Buch hat nicht ohne Grund den deutschen Krimipreis 2007 erlangt.
Dieser Krimi ist sehr spannend, sehr gut zu lesen, voller dramatischer Biographien in einer bäuerlichen
Gegend der Nachkriegszeit. Und mittendrin der abstoßende Mord an einer ganzen Familie.
Edition Nautilus, Verlag Lutz Schuleburg 2007, ISBN: 978-3-89401-479-7, € 12,90.
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
33
Kultur — Ausland — Medien
Literatur & Co.
Wer bin ich? 777 indiskrete Fragen (Rolf Dobelli)
Möchten Sie wissen, unter welchen Umständen Sie gezeugt worden sind (in welcher Stellung die Zeugung genau erfolgte; ob es sich um einträchtigen Geschlechtsverkehr gehandelt hat oder nicht; ob Alkohol im Spiel war und, wenn ja, wie viel; welche Gedanken im Moment der Zeugung gedacht wurden)?
Darf man jemanden, der belügt, belügen?
Wen belügen Sie gelassener, die anderen oder sich selbst?
Sammeln Sie das Mundwasser? Spucken Sie es in einen Becher? Betrachten Sie ihre Spucke? Und nun
schlucken Sie sie wieder hinunter. Weshalb zögern Sie?
Ein spannender Weg zur Selbsterkenntnis oder einfach nur ein lustiges, ironisches Gesellschaftsspiel?
Jeder Leser, der sich mit den Fragen von Rolf Dobelli auseinandersetzt, kann dies in verschiedenen Themenbereichen
wie z. B. Leben, Sex, Erfolg, Glauben oder Glück tun.
Eine Lösung gibt es nicht, ebenso wenig eine richtige Antwort. Der Leser entscheidet für sich selbst, wieweit er sich auf
die Fragen einlassen möchte und welche die passende Antwort ist. Es kann sich also sowohl um einen lustigen Zeitvertreib, aber auch um eine ernsthafte Methode handeln, sich einmal mit sich selbst auseinanderzusetzen.
Das muss jeder für sich selbst entscheiden…
Wer also Lust hat, ein wenig mehr über sich zu erfahren, sollte dieses Buch einmal ausleihen.
Diogenes Verlag 2007, ISBN: 978-3-257-06563-3, € 14,90.
Dossier K - Eine Ermittlung (Imre Kertész)
Seinen autobiographischen Rückblick auf sein Leben und seine schriftstellerische Arbeit betitelt der Nobelpreisträger Imre Kertész „Dossier K. – Eine Ermittlung“. Dieser Titel ist eine bewusste Spiegelung der
Tatsache, dass der Autor den größten Teil seines Lebens im Schatten einer rigiden Unfreiheit führen
musste. Als 15-jähriger Junge wurde er nach Buchenwald und Auschwitz deportiert, es folgten Jahrzehnte
einer anonymen Nichtexistenz im Räderwerk des Kommunismus.
Schreiben wurde zur einzig denkbaren Daseins-, sprich Überlebensform. In seinen Büchern markiert K.
Positionen, die ihn zum Außenseiter unter Außenseitern machen. Er, der den jüdischen Glauben weder
praktiziert noch ihn als Atheist teilt, der ein Gegner sowohl der Orthodoxie als auch des Zionismus ist,
wird als KZ-Häftling von der Geschichte zum Judesein verurteilt. Und gerade sein Überleben – von 17 eingefangenen
Schülern überlebt alleine er – empfindet er als unauslöschliches Stigma, dem er sich mit seinem Schreiben entgegenstemmt. Und als alle 1989 der hereinbrechenden Freiheit in die Arme sinken, ist er es, der ihr genau auf die Finger
schaut und all den an ihr klebenden Dreck benennt.
Imre Kertész führt ein Selbstgespräch mit Imre Kertész. Die Frage-und-Antwort-Form ist sicherlich kein Zufall. Verhöre
sind Dialoge unter dem Hoheitszeichen der Macht. Er befragt sich unter dem Verdikt der Wahrhaftigkeit. Und bekennt,
dass sein Leben ein einziges Ringen um Antworten ist, niemals leugnend, dass die entscheidenden Fragen in Antwortlosigkeit münden. Ein lesenswertes Buch.
Rowohlt Verlag 2006, ISBN-13: 978-3-498-03530-3, € 19,90.
Das Tibetische Orakel (Eliot Pattison)
Im Mittelpunkt dieser Mission des Exilchinesen Shan steht eine Expedition: Zusammen mit einer exotisch
gewürfelten Gruppe soll er eine heilige Figur von einem entlegenen Ort Tibets zu einem noch entlegeneren Ort Tibets bringen. Doch wie ist das mysteriöse Interesse des chinesischen Militärs an dem Kultgegenstand zu erklären? Warum müssen Menschen ihr Leben dafür lassen?
Bewegend ist, wie erstaunlich es der Autor Eliot Pattison weiterhin findet, dass der Himalaja so gebirgig
ist. Ein Geisterlama hingegen bringt ihn nicht aus der Bahn. Auch Shans Gruppe vermag beinahe Jenseitiges aufzuweisen: Ein kleines Mädchen mit dem niedlichen Namen Anya, dessen epileptische Anfälle auf
wundersame Weise geheilt werden, indem man sie „Orakel“ nennt, illuminiert die Expedition.
Und wieder verdankt der Rezensent der 650 Seiten langen wiedergefundenen Magie eine fundamentale Erkenntnis.
Bisher glaubte er, ein „Mantra“ sei eine religiös verankerte Konzentrationsübung. Nun weiß er es besser: Das tibetische
Mantra versinnbildlicht exakt das, was im urdeutschen Ruhrpott dem Manta gelingt: Eine vollkommene spirituelle Hingabe – im Moment tiefergelegter Augen.
Hieße das Werk „Ein literarisches Debakel“, wäre das Buch ein Knaller.
Rütten & Loenning 2003, ISBN: 978-3-352-00594-X, € 24,90.
Spruch
„Die angenehmsten Menschen sind
Männer mit Zukunft und Frauen mit
Vergangenheit“
Oscar Wilde
34
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Kultur — Ausland — Medien
Literatur & Co.
Die dritte Jungfrau (Fred Vargas)
Jean-Babtiste Adamsberg, Kommissar, erwirbt ein neues Haus. Schnell stellt er fest, dass es dort nicht
mit rechten Dingen zugeht; treibt dort tatsächlich eine Nonne aus dem 18. Jahrhundert ihr Unwesen?
Ein Doppelmord wird begangen. Zwei Männern wird mit einem Skalpell die Kehle durchgeschnitten. Kommissar Adamsberg macht sich auf die Suche nach einem Mörder, der sich nur als Schatten zeigt. Ein teuflisches Elixier aus einem Reliquienbuch des 17. Jahrhunderts, das zum Mordinstrument wird und die Dämonen einer weit zurückliegenden Vergangenheit mit denen der Kommissar sich plötzlich konfrontiert
sieht; eine einsame Suche beginnt.
Es gelingt Fred Vargas einmal mehr eine Geschichte von großer, tragischer Spannung zu erzählen.
Grandiose Einfälle, literarische Dichte und psychologische Tiefe, gepaart mit jenem sprühenden Funken Humor, der
Vargas’ Romanen so unnachahmlich macht. Wer bereits andere Romane von Fred Vargas gelesen hat, wird diesen
sicherlich schon sehnsüchtig erwartet haben; allen anderen sei gesagt: „Unbedingt lesen!“
Aufbau Verlag 2007, ISBN-13: 978-3-351-03205-0, € 19,95.
Tod in Blau (Susanne Goga)
Berlin 1922. Arnold Wegner malt seine Zeit in starken Kontrasten. Armut und Luxus, Krieg und Vergnügungssucht, Krankheit und Irrsinn. Seine radikalen, provokanten Bilder erregen Bewunderung und Abscheu, lassen aber niemanden kalt. Als der Maler tot in seinem Atelier gefunden wird, führt eine erste
Spur Kommissar Leo Wechsler zur rechtsextremen Asgard-Gesellschaft, in der viele ehemalige Offiziere
verkehren. Gibt es möglicherweise auch eine Verbindung zu dem Toten am Landwehrkanal, bei dem ein
Schriftwechsel mit der Asgard-Gesellschaft gefunden wurde? Die Ermittlungen kommen nicht recht voran,
bis Leo Wechsler einen Hinweis von der avantgardistischen Tänzerin Thea Pabst erhält. Und es stellt sich
heraus, dass es einen Zeugen gibt; der jedoch entzieht sich allen Befragungen durch die Polizei.
Als habe sie Ort und Zeit selbst erlebt, bewegt sich Susanne Goga durch die Szenen ihres Romans. Berliner Lokalitäten, eine packende Handlung, lebhafte Dialogfolgen, sich kreuzende Handlungsstränge: „Tod in Blau“ hat alles, was ein
richtig guter Krimi braucht. Einmal begonnen, wird man nicht mehr mit dem Lesen aufhören.
Deutscher Taschenbuch Verlag 2007, ISBN-13: 978-3-423-24577-7, € 14,50.
Der Berg der toten Tibeter (Eliot Pattison)
Zwei Tibeter werden in recht verstümmeltem Zustand ermordet aufgefunden. Unter sofortigem Verdacht
steht ein von Indizien stark belasteter Fremder, den allerdings vorläufig sein Koma vor Strafe bewahrt.
Statt die offiziellen Stellen zu unterrichten – das wäre die chinesische Besatzungsmacht -, ruft der Dorfvorsteher Herrn Shan herbei, ein Exsträfling und nun annäherungsweise Tibets Derrick. Der stößt auf
Hochgebirgsmachenschaften, auf eine intakte Geisterwelt und auf das strahlendste aller kriminellen Motive: auf Gold, um das sich in bewährter Manier die unterschiedlichsten Interessen ins verbrecherische
Zeug legen.
Doch im Himalaja herrscht noch Gerechtigkeit. Die Unschuld des Fremden – ein Navajo-Indianer, der ethnologische Studien treibt - wird ermittelt. Angesichts der Spiritualität, durch die die Zeilen knöcheltief waten, trumpft der
folkloristische Krimi mit einem Highlight auf, einem bestrickend außergewöhnlichen Wort: Phantomphysiker. Uns Lesern
wird der berühmteste Phantomphysiker vorgestellt. Wenn das nichts ist – in einem Buch, in dem für den Rezensenten
die größte Spannung darin bestand, von der zweiten bis zur letzten Seite dem Phantom nachzujagen, wie das
Geschriebenwordensein dieses Buches hätte verhindert werden können.
Rütten & Loenning 2007, ISBN: 978-3-352-00734-7, € 19,90.
Gesammelte Prosa (Loriot)
Vicco von Bülow, alias Loriot, vielen bekannt durch seine Filme, zeigt durch diese Auswahl mit Werken
aus seinem literarischen Lebenswerk, dass es ihm, egal auf welches Gebiet er sich begibt, stets gelingt,
ein Lachen oder zumindest ein Schmunzeln ins Gesicht des Lesers zu zaubern, indem er ihm/ihr lediglich
einen Spiegel vorhält – oder der Umwelt. Banale alltägliche Situationen dienen ihm für seinen Wortwitz
oder die punktgenauen Pointen.
In diesem Buch kann man die vielen Facetten von Humor bis hin zur Karikatur, die Bülow beherrscht, kennen lernen - besonders, wenn man sonst nur die heutzutage üblichen angeblich „humorigen“ Shows unserer privaten TV-Sender kennt.
Für alle Leser, die gerne lachen und etwas Anspruchsvolleres erwarten, ein Muss.
Diogenes, 2006, ISBN-10: 3-257-06481-0, ISBN-13: 978-3-257-06481-0, € 19,90
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
35
Kultur — Ausland — Medien
Weihnachtsgeschichte
Weihnachten 2007 im Knast:
Zeit des Hörens –
Zeit des Schweigens
Wir wünschen Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie die Vorweihnachtszeit
dazu nutzen können, in sich hinein zu
horchen, sich selbst wieder zu finden.
Um dann vielleicht den Engel zu
erleben, den Jimi Hendrix in einem seiner schönsten Lieder beschreibt:
Der alte Grieche Pythagoras verdonnerte
in der Frühzeit jeden seiner neuen Schüler erst einmal zu fünf(!)-jährigem Well she’s walking through Sie bewegt sich in den
Schweigen. Nur durch Zuhören the clouds
Wolken
kann man lernen; wer selbst redet, With a circus mind running Ihre Gedanken wandern
umher,
kann nicht hören, sagt Pythagoras. ‘round
Butterflies and zebras
Schmetterlinge und ZebNur in schweigendem Zuhören And moonbeams and fairy ras,
kann das Individuum sich von der tales
Mondstrahlen und alte
Wahrheit des Gehörten überzeugen That’s all she ever thinks Sagen
Ist alles, was Sie intereslassen, das Gehörte in die Seele about,
Riding with the wind.
siert
eindringen, sich dort festsetzen und When I’m sad, she comes Dahin treibend im Wind.
letztlich sein Eigen werden.
to me
Wenn ich traurig bin,
Das Ohr ist das passivste und With a thousand smiles, kommt sie zu mir,
gives to me free
Sie schenkt mir ihr Lägleichzeitig aktivste der Sinnesor- she
It’s alright she says, it’s cheln,
gane, der einzige Sinn, den man alright
Alles wird gut, sagt sie,
selber nicht abstellen oder lahm Take anything you want alles wird gut.
Nimm was Du brauchst
legen kann. Denken wir an die Sage from me, anything
von mir, egal was
des Odysseus, der nur durch das Anything
Egal was
Verschließen der Ohren mit dem Fly on little wing,
Flieg weiter kleiner Engel,
Yeah,
yeah,
yeah,
little
Hilfsmittel des Wachses dem GeYeah, yeah, yeah, kleiner
wing.
sang der Sirenen trotzen konnte.
Engel.
Vernunft und Tugend können nur
über das Ohr in die Seele eindringen.
(Jimmi Hendrix—Little Wing)
Anstand ist, beides in Taten umzusetzen.
Frohe, stille Weihnachten wünschen
Hören will gelernt und geübt sein.
euch und euren Angehörigen die AnDabei gilt es nicht nur, Außengeräusche
staltsseelsorger .
und überflüssiges Geschwätz zu meiden,
Angelika Menz, Norbert Kisse, ML
auch das eigene Innere, die eigene Bockigkeit, Hör- und Dialogunwilligkeit,
der Eigenwille verhindern ruhiges und
konzentriertes Zuhören und damit Lernen, inneres Wachstum.
Für Hildegard von Bingen ist Demut die Grundlage der inneren Wandlung und Zufriedenheit, vor allem die
Demut des Schweigens. Der GeschwätNicht nur eine Personalie
zige hört weder das Gesagte noch sich
selbst. In nahezu hochmütiger SelbstverNeue Projekte möglich
ständlichkeit und Selbstsicherheit fließt
Mit der personellen Verstärkung des Bilsein Leben im Gerede dahin. Nichts
dungsbereiches durch Herrn Oberlehrer
kann er sich aneignen, niemals länger in
Andreas Armbrecht seit Anfang Novemeine Richtung horchen. Schon gar nicht
ber ist es der Anstalt möglich, noch mehr
auf seine innere Stimme hören und sich
Projekte durchzuführen. Zusätzlich dürfselbst ge-“horchen“. Nicht grundlos
te aber auch eine positive Wirkung für
heißt eines der meist gespielten Weihden Sportbereich eintreten, da Herr Dannachtslieder „Stille Nacht, Heilige
nebaum in seiner Doppelbelastung für
Nacht“, auch wenn es mittlerweile in
den Sport- und den Bildungsbereich mit
verschiedensten Versionen pervertiert
der Entlastung durch Herrn Armbrecht
wird.
das Sportangebot wieder intensiver gesDie Weihnachtszeit im Knast bietet
talten kann.
zumindest einen Vorteil gegenüber der
Mit dem Personalzugang setzt die
Welt draußen: Hier kann man tatsächJVA
Oldenburg den Weg fort, die Volllich leise sein und werden, hier gibt es
zugsschwerpunkte
noch stärker auf die
weniger hektische Betriebsamkeit, weniresozialisierungsfördernden
Bildungsger aufgepopte Weihnachtslieder, wenimaßnahmen
auszurichten.
ger akustische Umweltverschmutzung.
UM
36
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Filmfestival
Oldenburg in der JVA
Das Ereignis des Haftjahres 2007 wird
sicher das 14. Oldenburger Filmfestival
mit der JVA als regulärem Aufführungsort gewesen sein. Nach dem „Vorspiel“
im letzten Jahr, der Aufführung des Dokumentarfilms „Mein Freund der Mörder“ im Rahmen des 13. Oldenburger
Filmfestivals hier in der JVA, stand die
JVA Oldenburg diesmal für fünf Filme
Gefangenen und Besuchern zur Verfügung. Ein außergewöhnliches Event für
eine JVA, das hohe Anforderungen an
die Bediensteten stellte. Die haben das
komplizierte Prozedere des Rein und
Raus der verschiedenen Besuchergruppen, vom normalen Kinobesucher über
© NWZ vo
die Gefangenen, von den Kamerateams
mehrerer Fernsehsender mit ihren speziellen Drehwünschen bis zum Umgang
mit den Filmfest-VIPs hervorragend
gemeistert.
Warum tut sich eine JVA diesen
über den gewöhnlichen Dienst hinausgehenden Stress überhaupt an? Um Gefangenen einmal im Jahr Gelegenheit zum
„Kinobesuch“ der besonderen Art zu
gewähren? Um mal wieder in der Tagespresse zu erscheinen, einen gewissen
Ruhm und Abglanz des Filmfestes zu
ergattern? So mag es dem misstrauischen und möglicherweise auch böswilligen Beobachter erscheinen, die wahren
Motive sind jedoch völlig andere.
Es geht tatsächlich um die Verbesserung des Verhältnisses von Innen- und
Außenwelt, um die Aufweichung des
Stigmas „Krimineller“ oder
„Vorbestrafter“, die Verbesserung ge-
Kultur — Ausland — Medien
sellschaftlicher Chancen von straffällig
gewordenen Menschen. Ohne einen solchen Anlass würde kaum ein Nichtstraffälliger auf die Idee kommen, ein Gefängnis zu besuchen, sich freiwillig mit
dem Thema Haft auseinandersetzen, das
ihm von der Boulevardpresse beinahe
täglich reißerisch, meistens sachlich
inkompetent und falsch dargestellt wird.
Hier zählt nur der Nervenkitzel der Kriminalität für die Auflagen– und Quotensteigerung; dahinter stehende Menschen
und Schicksale spielen keine Rolle.
Die Einbeziehung der JVA als Austragungsstätte des Filmfests bietet in
diesem Zusammenhang gleich zwei
Chancen. Zum einen können sich Besucher aus erster Hand einen Eindruck von
der Situation in einem modernen Gefängnis machen und
so Ängste und Vorurteile durch eigene
Erfahrungen abbauen. Zum anderen ist
es ein ganz besonderes emotionales Erlebnis, in einem Gefängnis zusammen
mit Inhaftierten Filme zu sehen, die das
Thema Haftalltag,
Straffälligkeit und
m 17.09.07
Resozialisierung berühren.
In diesem Sinn passte die diesjährige Auswahl der Filme wie die Faust aufs
Auge. Angefangen bei „Underdogs“, der
sich thematisch mit einer fiktiven Reso-
Spielverderber
D ´07, R: Henning Drechsler, Georg
Nonnenmacher
Mit Kevin Prösdorf, Herbert Fandel,
Oreste Steiner
zialisierungsmaßnahme für Strafgefangene beschäftigt, bis hin zu „Spielverderber“, einem Dokumentarfilm über die
Ausbildung zum Schiedsrichter und die
damit verbundene Reflexion über das
„Entscheiden und Richten“.
Bei „Underdogs“, der in diesem
Jahr den Publikumspreis gewonnen hat,
Deepfrozen
LU ´06, R: Andy Bausch
mit Peter Lohmeyer, Lale Yavas,
Thierry Van Werveke, Ingrid Caven
Underdogs
D ´07, R: Jan Hinrik Drevs
mit Thomas Sarbacher, Clelia Sarto,
Hark Bohm, Kida Ramadan
(Regie: Jan Hinrik Drevs, mit Thomas
Saarbacher, der laut Premierengast Stacey Keach ein wenig Robert de Niro
ähnelt) spürte das aus Gefangenen und
Besuchern bestehende Premierenpublikum trotz aller Leichtigkeit des Films
die im Thema steckende Ernsthaftigkeit,
beeindruckt auch von prägnanten Bildern der JVA Bützow. Die dargestellte
Öffnung der Gefühlswelten so genannter
„harter“ Männer im Kontakt mit niedlichen, zu Blindenführern auszubildenden
Hunden wurde überzeugend in Bilder
umgesetzt. Das dahinter liegende Problem: Was macht man mit Straftätern?
Lebenslang einsperren, aufs Abstellgleis
schieben oder wieder in die Gesellschaft
eingliedern trotz aller dabei möglicherweise auftretenden Schwierigkeiten und
trotz aller Risiken? Der Film schafft es,
an rührseligem Kitsch vorbeizukommen,
sensibilisiert das Publikum für das
Grundproblem, ohne sich jedoch allzu
tief inhaltlich mit dem Thema Strafvollzug auseinanderzusetzen. Eine gute
Möglichkeit zum Einstieg in das Thema.
So war die Stimmung beim anschließenden gemeinsamen Büfett von Inhaftierten und Besuchern dann auch gut, es
kamen viele Gesprächskontakte zwischen den Welten zustande.
„Deepfrozen“ (Regie: Andy
Bausch, mit Peter Lohmeyer, Lale Yavas, Thiery van Werveke und Ingrid
Caven) beeindruckte durch seinen ausgefeilten schwarzen, geradezu gemeinen
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Humor, der sich allerdings nicht allen
Anwesenden erschloss. So erhielt der
Film ein zweigeteiltes Echo, das von
„hervorragend, zum Totlachen“ bis zu
„langweilig, nichts los“ ging. Hier zeigte
sich, dass nach dem zweiten Anschauen,
der Wiederholung auf Gitternet, die Kritik deutlich besser ausfiel.
„Alte Freunde“, ein deutscher Krimi mit Action und Spannung, gut ge-
Alte Freunde
D ´07, R: Friedemann Fromm
mit Jürgen Vogel, Marie Bäumer, Jürgen Tonkel
spielt von Jürgen Vogel und Marie Bäumer, wurde als gelungenes Unterhaltungskino bewertet. Die psychologisierende Ausarbeitung der Charaktere fiel
den vielen Wendungen des Drehbuchs
ein wenig zum Opfer. Trotzdem ein gelungener Film.
Fortsetzung auf Seite 38
37
Kultur — Ausland — Medien
Oldenburg Filmfestival vom 12. bis 16. September 2007, Spielort JVA
Fortsetzung von Seite 37
Vertraute Angst
D ´07, R: Christiane Balthasar
mit Johanna Gastdorf, Mathias Brandt
Besonders beeindruckend war
„Vertraute Angst“, ein Film von Christiane Balthasar. Nachdem ein Familienvater im Zuge einer kurzzeitigen Angstpsychose sein eigenes Haus angesteckt
und damit seine Familie in Gefahr gebracht hatte, kam er vier Jahre später aus
der Psychiatrie zurück in deren Leben.
Nun entspann sich ein äußerst spannendes Verwirrspiel um das Thema Vertrauen. Den Gästen entging wohl während mancher Filmszenen angesichts des
Aufführungsortes nicht die Ähnlichkeit
zur künftigen realen Situation manches
Haftentlassenen. Sie sahen die Reaktionen der sozialen Umwelt, also im Film,
ihre eigene, auf den durch den Vorfall
Gebrandmarkten und machten sich ihre
Gedanken, wie sie wohl auf solche Begebenheiten reagieren würden. Ebenso
dachten die Inhaftierten an den Moment
des Zurückkommens und die möglicherweise auftretenden Schwierigkeiten. So
wurde durch den Aufführungsort die
Wirkung des Films geradezu kongenial
gestützt, ein echter Glücksgriff.
Kein Wunder also, dass die meisten
Besucher dieses Films sich sowohl für
Führungen durchs Haus als auch für die
Möglichkeit entschieden, den nachfolgenden Film „Spielverderber“ (Regie:
Henning Drechsler und Georg Nonnenmacher) noch zu sehen.
Hier passte die Auswahl des Films
wieder perfekt zum Aufführungsort,
hatte es doch im Frühjahr hier in der
Anstalt einen Schiedsrichterlehrgang
gegeben, der von etlichen Gefangenen
abgeschlossen wurde. Einige Filmszenen erinnerten tatsächlich an diesen
Kurs. Der Film insgesamt war dann allerdings eher etwas spröde, was an den
38
Weltpremiere!
Schwierigkeiten des
Genres
Dokumentarfilm
l i e g e n
mag. Anders als bei
dem
im
letzten Jahr
in der JVA
gezeigten Film über das Leben des
Bernhard Kimmel „Mein Freund der
Mörder“, gelang es nie, das Publikum
ganz in den Bann zu ziehen. Wenn man
dem deutschen Fifa-Schiedsrichter Herbert Fandel, einem engagierten und
durchaus versierten Klavierspieler, bei
den Versuchen der musikalischen Erziehung seines Sohnes zusieht, beschleicht
einen doch eher ein beklemmendes Gefühl. Das „Richten und Entscheiden“
eines Schiedsrichters, die besondere
Underdogs!
(in seiner doppelten Bedeutung)
Auftakt des diesjährigen Oldenburg
Filmfestivals war die Eröffnungsgala am
12. September im Staatstheater in Oldenburg. Mit dem Eröffnungsfilm
„Stellungswechsel“ und einem anschließenden Empfang feierten HollywoodStar Stacy Keach als Jury-Präsident, die
deutschen Stars Herbert Knaup und Florian Lukas, Kulturminister Lutz Stratma n n , Ob er bürg er me is te r G erd
Schwandner und viele prominente Gäste
den Beginn des 14. Filmfestes.
War dies schon ein bemerkenswert
gelungenes Event (wie man der Presse
entnehmen konnte), so stand die Premieren-Aufführung des Wettbewerbfilms
„Underdogs“ in der neuen Spielstätte
JVA Oldenburg beim Aufgebot an Medienvertretern und Prominenz dem Ereignis sicherlich nichts nach, denn mit
der Spielstätte JVA ist Oldenburg das
Stacy Keach,
alias Mike Hammer,
ein Weltstar in der JVA!
Persönlichkeitsausprägung, die dies
Hobby, dieser Beruf erfordert und dann
selber schafft, erhält in einem Gefängnis
eine ganz eigenartige Bedeutung.
Das große Interesse der Besucher
an den im Anschluss an die Filme angebotenen Führungen zeigt die Bereitschaft, sich mit dem Thema Straffälligkeit ein wenig auseinanderzusetzen,
abseits von sensationsheischendem Journalismus. So gelang dem Filmfest genau
das, was als Ziel angestrebt worden war:
Eine Brücke zu schlagen zwischen Innen- und Außenwelt. Der Aufwand hat
sich auf jeden Fall gelohnt, einen Dank
an alle Beteiligten, die das mit ihrer Arbeit und ihrem Einsatz möglich gemacht
haben.
Markus Lanfer
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
erste Festival überhaupt, das sein reguläres Programm in einem Gefängnis zeigt.
Dahinter steht der Gedanke, nicht
nur den Gefängnisinsassen im Zuge
ihrer Resozialisierung ein kulturelles
Angebot zu machen, sondern auch den
normalen Besuchern des Festivals Einblicke in die Gefängniswelt zu geben.
Das Festival möchte eine Brücke zwischen der Innen- und Außenwelt schlagen; und wie hätte das besser geschehen
können als durch den Premieren-Film
„Underdogs“, der von einer mutigen Gefängnisdirektorin handelt, von einem
skeptischen Staatssekretär und von fünf
schweren Jungs, die nicht nur sich
selbst, sondern auch das System retten
müssen, indem sie in einem Versuchsprojekt im Knast Blindenhunde ausbilden.
Kultur — Ausland — Medien
Oldenburg Filmfestival vom 12. bis 16. September 2007, Spielort JVA
Obwohl die Filmpräsentation erst
um 16:00 Uhr beginnen sollte, warf das
Ereignis schon ab der Mittagszeit seine
Schatten voraus: Das erste Fernsehteam
zog über die Flure, fing so manche für
den Knast typischen Szenen ein und
führte Interviews. Zunehmend machte
sich bei der Anstaltsleitung und den
Bediensteten Hektik und Anspannung
breit, denn alles sollte gut vorbereitet
sein.
Ab 15:45 Uhr war es dann auch für
die Gefangenen soweit. Nach einer Sicherheitskontrolle wurden diejenigen,
die Interesse gezeigt hatten und die Voraussetzungen mitbrachten, in den bereits
mit externen Gästen angefüllten und
zum Kinosaal umgestalteten Kapellenraum geführt. Die „besten“ (vorderen)
Plätze waren für die Gefangenen reserviert.
Viel Applaus gab es bei der Begrüßung durch den Anstaltsleiter Gerd
Koop für den Regisseur Jan Drevs, den
Schauspieler Kida Ramadan, einem der
Hauptdarsteller des Films, und dem Produzenten Ralph Schwingel. Mit Hinweis
auf das Gestühl stimmte Herr Koop die
Zuschauer auf das bevorstehende Kinoerlebnis mit den Worten: „Der Knast ist
hart“, ein.
Über 96 Minuten kamen dann alle
ca. 120 Zuschauer in den Genuss eines
Films, der über eine viele Gäste erschreckende Milieustudie der JVA Bützow
(dem Drehort) hinaus tiefe Einblicke in
das Knastleben bot, dazu noch eine anrührende Geschichte von harten Jungs,
die durch die Ausbildungsarbeit mit
Alle Rollen
waren typgerecht
von sehr guten
Schauspielern
besetzt und ließen
durchaus Vergleiche zu manchen
Personen zu, denen man auf den
Fluren einer JVA
(auch Oldenburg)
begegnen kann.
Die Begeisterung über den
Film mündete zum
Schluss in einen
riesigen Applaus
ein, den der Anstaltsleiter Koop
zu nutzen wusste, um auf die auf die
Bühne gebetenen „Macher“ des Films
und den Leiter des Filmfestivals
um die Philosophie: „Wir sind konsequent und liberal“ der von ihm geleiteten JVA allen Zuschauern ausführlich
darzustellen. Humorig endete er mit der
Bemerkung: „Wir geben ihrer Zukunft
ein Zuhause!“
In der anschließenden Diskussion
kam dann ein anregender Meinungsaustausch zwischen
den Zuschauern
und den Filmemachern zustande. Es
wurde über die
(nicht beabsichtigte) Botschaft des
Films debattiert,
und die Akteure
konnten über den
Drehort in Meckl e n b u r g - V o rpommern mit den
dortigen vielfältigen Begegnungen
berichten.
Höhepunkt des Abends war für
viele Zuschauer sicherlich der
(Kurz-) Besuch des inzwischen 66jährigen Weltstars Stacy Keach, der
durch die Figur des Mike Hammer
bekannt geworden ist und der berichtete, dass er selbst auch schon
in jungen Jahren Knasterfahrung
sammeln konnte und daher die hiesigen Verhältnisse als komfortabel
empfand. Sein bescheidenes Auftreten trug ihm viele Sympathien
ein.
Bei kleinen, sehr appetitlich angerichteten Schnittchen und alkoholfreien Getränken aus unserer, von
Herrn Mohrhusen geleiteten Anstaltsküche, konnten viele Zuschauer (Besucher und Gefangene) ihren
Meinungsaustausch fortsetzen.
Der Kinoabend dürfte nicht nur für
die Gefangenen ein großes Erlebnis
gewesen sein.
UM
angehenden Blindenhunden zu einfühlsamen und resozialisierungsfähigen
Inhaftierten wurden, und ein Hauptdarsteller (Thomas Sarbacher), der die in
seiner Person liegenden Konflikte und
die Beziehungskonflikte mit der attraktiven und aufgeschlossenen Gefängnisleiterin (Clelia Sarto) in beeindruckender
Weise darzustellen wusste.
Thorsten Neumann
überzuleiten.
Herr
Koop
nutzte auch die
Gunst der Stunde,
Jens Meggers
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Thomas Klein
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Thorsten Diekmeyer
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Joë Thérond
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
Seminarstr. 13/14 49074 Osnabrück Tel.: 0541/27030 Fax 0541/27128
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
39
Kultur — Ausland — Medien
Oldenburg Filmfestival vom 12. bis 16. September 2007, Spielort JVA
Eine ganz neue Erfahrung
Wie jedes Jahr fand auch in diesem Jahr zum
14. Mal das „Oldenburg Filmfestival“ statt,
doch dieses Jahr gab es eine Weltpremiere.
Zum ersten Mal war auch die JVA Oldenburg offizieller Übertragungsort von fünf
Filmen. Damit konnte an die letztjährige
Fotoausstellung „Innen-Welten“ und die
Sondervorführung des Films „Mein Freund
der Mörder“ angeknüpft werden.
Mit diesen Ausstellungs- und Vorstellungsangeboten möchte die JVA Oldenburg
den Menschen in der „Außenwelt“ näher
bringen, dass die Menschen, die hinter den
hohen Mauern leben und in ihrer Vergangenheit Fehler gemacht haben, wofür sie bestraft
wurden, wieder, sobald sie ihre Strafe verbüßt haben, in der „Außenwelt“ ihre Nachbarn sein werden. Für diese Tatsache steht
auch das Symbol der Brücke am Eingang vor
der JVA.
Derartige Veranstaltungen sollen helfen, die Gefangenen auf die Wiedereingliederung vorzubereiten, und
sie sind somit ein Teil der
Arbeit mit ihnen.
Ich möchte noch erwähnen, da ich in meiner
Vergangenheit wegen meiner Suchterkrankung am
Leben vorbei gelebt habe,
dass es für mich eine ganz
neue Erfahrung ist, an
solchen Veranstaltungen
teilzunehmen. Ehrlich
gesagt, es hat mir sehr
gefallen, und ich hoffe
sehr, dass solche Veranstaltungen auch nächstes Jahr wieder stattfinden werden.
Patrick S.
Stacy (Keach) meats Tom
Das war eine Überraschung!
Wer ist bereit, ein Interview zu geben?
Viel Zeit zu überlegen blieb mir nicht, als
der Anstaltsleiter Herr Koop in Begleitung
des aus vielen Hollywood-Filmen und mit
seiner Detektiv-Rolle in „Mike Hammer“ aus
dem Fernsehen bekannten US-Schauspielers
Stacy Keach mit einem Fernsehteam im
Schlepptau in meinen Haftraum kam.
Gut, dass ein Dolmetscher dabei war.
So konnte ich auf die Frage, wie ich mich
hier in der JVA fühle und welche Regeln
gelten, ohne Verständigungsprobleme antworten, dass ich mich auf meiner Station, auf
der sogenannte „Funktioner“ untergebracht
sind, sehr wohl fühle, und wenn man sich an
die Regeln hält und was leistet, das Leben
erträglich ist. Von Stacy erfuhr ich dann,
dass er vor einiger Zeit auch schon seine
Erfahrungen mit dem Knast gemacht hatte;
zwar nur für ein halbes Jahr, aber immerhin.
So brachte er auch zum Ausdruck, dass die
Hafträume hier sehr gut eingerichtet sind.
40
Einmalig in
Deutschland!
Auf seine Frage, ob ich mir das je vorgestellt
hätte, mal einen bekannten Schauspieler
kennen zu lernen, konnte ich nur antworten,
dass ich mir so etwas nie hätte träumen lassen und dass das wohl nur im Knast möglich
wäre. Meine Begeisterung konnte ich, so
glaube ich, nicht verbergen.
Sehr gefreut habe ich mich über das
Autogramm.
Mein Gast machte auf mich einen
sehr sympathischen Eindruck und die
Verabschiedung verlief dann sehr herzlich. Ich werde meine Begegnung mit
Stacy Keach sicherlich nicht so schnell
vergessen.
Es gab auch noch eine Fortsetzung
der Überraschungen: Das Fernsehteam
kehrte nach dem „Stacy“- Besuch nochmals zurück, um noch einige Szenen zu
drehen, und am nächsten Tag wurde ich
bei der Zugangsschleuse zur Küche unüblicherweise aufgehalten; das gab meinen Kollegen die Möglichkeit, mir, der von „Stars“
besucht wird, einen roten Teppich auszulegen.
So etwas kann man nur im Knast in der
JVA Oldenburg erleben.
Thomas S./UM
Beiträge auf O1 über das Filmfest
„Leute sind im Gefängnis, weil sie etwas
falsch gemacht haben, etwas Böses. Und
doch sind sie menschliche Wesen, und in den
meisten Fällen ist Rehabilitation besser als
reine Bestrafung. Ich hatte die Gelegenheit
das Gefängnis in Oldenburg zu besuchen und
mit dem Gefängnisdirektor zu reden. Es ist
eine sehr beeindruckende Einrichtung. Meine
Figur in der neuen Serie „Prison Break“ ist
an so eine Figur angelehnt. Als ich vor einigen Jahren in England im Gefängnis war,
entsprach der Charakter des damaligen Gefängnisdirektors, ähnlich auch dem von
Herrn Koop, der Rolle, die ich in dieser Serie
spiele und in deren Vordergrund die Resozialisierung der Gefangenen steht.“ (Originalton Stacey Keach auf O1).
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Was für weise Worte aus dem Mund
eines amerikanischen Filmstars.
Markus Lanfer
Zitate aus der Diskussion auf O1
über das Filmfest mit
Naumann, Drevs, Koop
Der Film „Underdogs“ lädt auf niveauvolle
Weise dazu ein, sich mit dem Thema Strafvollzug zu beschäftigen. (Koop)
Es ist uns ein Anliegen, den Festivalalltag, den Kulturalltag in die JVA zu tragen.
Es sollten nicht extra Filme gesucht werden,
die thematisch zu diesem speziellen Spielort
passen. Die diesjährige Auswahl entspricht
dem normalen Angebot des Filmfestivals,
wobei wir natürlich die
Chance genutzt haben, einen
Film zur Uraufführung passend in die JVA zu verlegen.
(Naumann)
Im Gegensatz zum Beispiel
zum Strafvollzug in den
USA vermitteln wir eine
ganz andere Botschaft. Wir
müssen die Bedingungen
dafür schaffen, dass die
menschliche Härte in der
JVA nicht weiter ausgebaut
wird. Dazu gehört auch die
Auseinandersetzung mit der
Öffentlichkeit. Bei dem
Büfett im Anschluss an die
Eröffnung konnte man nicht
unterscheiden, wer Strafgefangener und wer
Besucher ist. Sie wissen nicht, wie vielen
ehemaligen oder nicht verurteilten Straftätern sie in der letzten Woche begegnet sind.
Der Film trägt dazu bei, miteinander zu reden und Vorurteile abzubauen. (Koop)
Der Film drückt vieles aus dem Knastalltag aus. (Koop)
Wir müssen die ehemaligen Straftäter
nach verbüßter Haftzeit wieder in unsere
Gesellschaft hinein lassen. Sonst produzieren
wir Menschen, die schnell zurück ins Gefängnis kommen. (Koop)
Das Vorbild für den Film „Underdogs“
ist ein reales Projekt zur Resozialisierung
von Strafgefangenen in den USA. Theoretisch wäre das auch in Deutschland möglich.
Durch den Umgang mit Tieren und der daraus resultierenden emotionalen Veränderung
der Menschen entsteht eine ganz andere
Stimmung im Gefängnis. (Drevs)
Es war eine sehr interessante Erfahrung,
vier Wochen in einer JVA zu sein. (Drevs)
Die Kooperation zwischen Filmfestival
und JVA soll im nächsten Jahr weiter gehen.
(Naumann und Koop)
Markus Lanfer
Kultur — Ausland — Medien
Gedichte
Gedanken an zu Hause
Der Gedanke
Ich habe nur einen Gedanken,
das ist der Gedanke an Dich.
Ich habe nur einen Kummer,
das Du auch denkst an mich.
Ich habe nur einmal geweint,
das waren Tränen an Dich.
Und die sprachen leise:
Ich liebe nur Dich!
Gefangen!
Ich halte es hier drinnen nicht mehr aus,
ich hoffe, ich kann hier schnell wieder
raus.
Der Knastalltag kotzt mich an,
etwas, an das ich mich wohl nie gewöhnen kann.
Jeden Tag das Gleiche,
ich fühle mich hier wie ein Leiche.
Meine Gefühle sind wie tot,
Seele aufgewühlt mit Schmerz und Not.
Aus der Freiheit ausgewiesen,
hier fühlt man sich oft beschissen.
Jeden Tag der gleiche Mist,
der sich in meine Seele frisst.
Gequält von Gefühlen und Gedanken,
müsste dringend Freiheit tanken.
Langeweile jeden Tag,
ein Gefühl, was hier wohl keiner mag.
Freiheit, der Gedanke daran,
ein Feeling, was ich nicht vergessen
kann.
Hätte nie gedacht, wenn der Mensch
gefangen ist,
dass das Wort ‚Freiheit‘ so unbeschreiblich wichtig ist.
Ich hoffe, irgendwann,
dass ich die Zeit im Knast verarbeiten
kann.
Vergessen, den Knast, nie und nimmer!
Wann kann ich endlich raus,
bin wieder irgendwo zu Haus?
Irgendwann ist jeder wieder frei
und lässt los einen Freudenschrei!
Der Sinn des Lebens
Jeder Mensch hat einen Sinn,
ob er war oder ob ich bin.
Wie lang wir leben und wann wir sterben,
die Weisheit wird jeder noch erwerben.
Vater, Mutter, Tochter, Sohn,
jedermann bekommt seinen Lohn.
Diesen Weg gemeinsam gehen
Und am Ende werden alle sehen,
dass wir nach dem Selben streben.
„Der Sinn des Lebens ist der Sinn fürs
Leben!“
Patrick Schöndorf
Sorry!
Und wir stehen uns gegenüber,
doch wir fühlen uns allein.
Und wir reden noch mal drüber,
doch uns fällt nichts Neues ein.
Und ich kann es nicht mehr ändern,
habe ich Dich so tief berührt?
Das habe ich nicht gewollt,
aber es ist passiert…!
Ich habe Dich oft verlassen,
habe zu wenig nachgefragt.
Wirst Du mich immer hassen?
Du hast mal zu mir gesagt:
Ich will nichts von Dir verpassen.
Ich habe mich hoffnungslos verirrt.
Das habe ich nicht gewollt,
aber es ist passiert…!
Nichts, was ich Dir noch sagen kann,
was Du ohnehin schon weißt.
Nur dass ich es nicht ertragen kann,
wie unsere Welt zerreißt.
Die Scherben liegen vor der Tür,
krieg es nicht repariert.
Das habe ich nicht gewollt,
aber es ist passiert…!
unbekannt
Wie nenn ich Dich?
Sieh, meine Lippen lahmen.
Du bist der Anfang,
der sich groß ergießt,
ich bin das langsame und bange
Amen,
das deine Schönheit scheu beschließt.
Ich sehe aus dem Fenster durch die
Gitter und frage mich,
was Du gerade machst,
hast Du dieselben Gedanken?
Schläfst Du, bist Du wach?
Ich will zu Dir, ich würd am liebsten
schrein,
ich könnt durchdrehen,
denn ich würde jetzt so gerne bei Dir
sein.
Wie ein brennender Schmerz,
der mich zerfrisst,
wenn Du nicht bei mir bist.
Und wenn wir uns sehen und uns
spüren,
dann weiß ich,
ich will Dich niemals verlieren,
sag warum?
Sag mir den Grund,
warum es ohne Dich nicht geht.
Schau mich an und glaube mir,
dass mein Herz nur für Dich schlägt.
Du gibst mir Kraft in dieser Zeit,
ich will nur noch Dich bis in alle
Ewigkeit.
Von Knacki zu Knacki
Meine Vergangenheit ist das,
was man „nicht rosig“ nennt.
Zu viele Dinge sind passiert,
die heute jeder kennt.
Ich kann damit leben,
doch kennst du das auch,
nur eure Lügen sind das,
was ich nicht brauch.
Ich hab nur ein Leben,
nimm es, wie es ist.
Mit allen Ecken und Kanten,
und eins sei dir gewiss,
im Grunde genommen ist mir das
alles scheißegal.
Denkt doch, was ihr wollt,
ich kann euch nicht davor bewahren,
urteilt, hört und seht,
macht euch ein eigenes Bild.
Entscheidet für euch selbst,
das ist das, was ich will.
Hans-Walter Lüke
Rainer Maria Rilke
Die
Redaktion
möchte alle kleinen
oder großen Dichter
ermuntern, uns Gedichte oder Kurzgeschichten zuzusenden.
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
41
Kultur — Ausland — Medien
Tr§tzdem
Advent
Es blaut die Nacht, die Sternlein blinken,
Schneeflöcklein leis herniedersinken.
Auf Edeltännleins grünem Wipfel
häuft sich ein kleiner weißer Zipfel.
Und dort vom Fenster her durchbricht
den dunklen Tann ein warmes Licht.
Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer
die Försterin im Herrenzimmer.
In dieser wunderschönen Nacht
hat sie den Förster umgebracht.
Er war ihr bei des Heimes Pflege
seit langer Zeit schon sehr im Wege.
So kam sie mit sich überein:
am Niklasabend muss es sein.
Und als das Rehlein ging zur Ruh’,
das Häslein tat die Augen zu,
erlegte sie direkt von vorn
den Gatten über Kimm und Korn.
Vom Knall geweckt rümpft nur der Hase
zwei-, drei-, viermal die Schnuppernase
und ruhet weiter süß im Dunkeln,
derweil die Sternlein traurig funkeln.
Und in der guten Stube drinnen,
da läuft des Försters Blut von hinnen.
Nun muss die Försterin sich eilen,
den Gatten sauber zu zerteilen.
Schnell hat sie ihn bis auf die Knochen
nach Waidmanns Sitte aufgebrochen.
Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied
(was der Gemahl bisher vermied)-,
behält ein Teil Filet zurück
als festtägliches Bratenstück
und packt zum Schluss, es geht auf vier,
die Reste in Geschenkpapier.
Da tönt’s von fern wie Silberschellen,
im Dorfe hört man Hunde bellen.
Wer ist’s, der in so tiefer Nacht
im Schnee noch seine Runde macht?
Knecht Ruprecht kommt mit goldnem
Schlitten
auf einem Hirsch herangeritten!
„He, gute Frau, habt ihr noch Sachen,
die armen Menschen Freude machen?“
42
Des Försters Haus ist tief verschneit,
doch seine Frau steht schon bereit:
„Die sechs Pakete, heil’ger Mann,
‚s alles, was ich geben kann.“
Die Silberschellen klingen leise,
Knecht Ruprecht macht sich auf die
Reise.
im Försterhaus die Kerze brennt,
ein Sternlein blinkt – es ist Advent.
Silvester-Aussprache
Also, Hermann, du kannst dich über das
alte Jahr nun wirklich nicht beklagen.
Als die Waschmaschine kaputtging,
waren wir sehr froh, dass wir uns endlich eine neue anschaffen konnten. Und
wenn mir der Fernsehapparat nicht runtergefallen wäre, hätten wir heute noch
kein Farbgerät.
Dann haben wir auch für den Mercedes sehr günstige Abzahlungsbedingungen bekommen, bloß weil ich mit
dem Vertreter die zwei Wochen nach
Paris gefahren bin.
Und es war ja ein Glück, dass dir
der Führerschein für zwei Jahre entzogen worden ist. Jetzt trinkst du wenigstens nicht mehr, und ich brauche den
Wagen sowieso dauernd, wenn ich zum
Reiten muss oder in den Tanzkurs.
Und stell dir bitte vor, ich hätte das
Magengeschwür bekommen und nicht
du! Wer hätte wohl die ganzen Stellungsgesuche schreiben sollen, seit du
Pleite gemacht hast!
Und außerdem hat deine Frau in die
Scheidung eingewilligt, und wir können
jetzt endlich heiraten. Ich weiß wirklich
nicht, was du hast.
Aus: Loriot Gesammelte Prosa
© 2006 by Diogenes Verlag AG Zürich
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Hand aufs Hemd
Neues aus dem Schatz des unfreiwilligen Humors
Herausgegeben von Ernst Heimeran
Goldmann-Taschenbuch
Juristendeutsch
Das sind so die Dinge, die man sich vor
Augen halten muss, wenn man die Sache irgendwie betrachtet.
Katheder-Blüten
Stumme, die am Sprechen verhindert
sind, können ihren Willen nicht mündlich erklären, denn sie können ja nicht
reden.
§
An diesem Morgen geschah nun etwas
gänzlich Unerwartetes, womit er nicht
gerechnet hatte: Sein Wagen kam unterwegs mit einem andern in Kollision und
– was er nicht gedacht hätte – er verunglückte dabei tödlich.
§
Kultur — Ausland — Medien
Wir müssen lernen, die Dinge mit dem
prozessualen Auge zu sehen und zu behandeln.
§
Wenn wir das gewusst hätten, dann hätten wir es ihm in die Bresche schlagen
können.
§
Das Windei, das er zuerst losgelassen
und in die Öffentlichkeit gesetzt hat, hat
er jetzt wieder zurückgepfiffen. Aber
jetzt hat er es dasitzen und die haben
jetzt Wind gerochen.
§
Wir sollten ihm vielleicht wenigstens
diesen Strohhalm geben, damit er sich
daran stärken kann.
§
Man muss das dicke Ei auch von hinten
sehen.
§
Nein danke, ich brauche es nicht mehr;
es ist mir inzwischen wahrscheinlich
eingefallen.
Aus einem juristischen Lehrbuch
Eine täuschende Handlung kann als
strafbare Vermögensbeeinträchtigung
durch Betrug nur dann angesehen werden, wenn sie rechtswidrig ist; rechtswidrig aber ist sie nur, wenn entweder
derjenige, welcher, durch eine solche
Handlung bewogen, etwas weggibt, ein
anderes Interesse dabei habe, dass die
Sache sich so, wie vorgegeben ist, verhalte, oder die Vorspiegelung musste
den Getäuschten, im Falle dass das Vorgeben wahr gewesen, in die rechtliche
Notwendigkeit versetzt haben, etwas
wegzugeben.
Aus einem Strafbefehl
Sie haben zu Göppingen am…als Teilnehmer am öffentlichen Straßenverkehr
sich nicht so verhalten, dass der Verkehr
nicht gefährdet werden konnte und Ihr
Verhalten nicht so eingerichtet, dass
kein anderer geschädigt oder mehr als
nach den Umständen unvermeidbar,
behindert und belästigt wurde, und in
Tateinheit hiermit eine durch ein amtliches Verkehrszeichen getroffene Anordnung nicht befolgt und in Tateinheit
hiermit die höchstzulässige Fahrgeschwindigkeit für Kraftfahrzeuge innerhalb einer geschlossenen Ortschaft überschritten und in Tateinheit hiermit an
einer Straßenmündung das Vorfahrtsrecht des Benutzers der Hauptstraße
nicht beachtet und in Tateinheit hiermit
an einer unübersichtlichen Straßenstelle
ein anderes Fahrzeug überholt und in
Tateinheit hiermit durch Fahrlässigkeit
die Körperverletzung eines anderen verursacht.
Aus polizeilichen Ermittlungsakten
Im Protokoll eines Oberlandesgerichts
mit der Zeugenaussage, dass der Zeuge
in Richtung zu den Siemens-Werken
gegangen sei, stand: Ich ging zu den
Siebenzwergen.
§
Bruder hat Selbstmord begangen, nachdem er zuvor sein Kind erstickt hatte.
Sonst keine Besonderheiten in der Familie.
§
Er lernte dort seine Frau kennen und
heiratete diese auch später.
Herr Herrmann Stephan bestreitet energisch, dass er irgendwelche sittlichen
Berührungen mit Frl. Steinmüller hatte.
Angeblich erwartet in Jena eine Dame
von dem Beschuldigten ein Kind. Beide
stehen seit einiger Zeit im Briefverkehr.
§
An der Hand erlitt ich eine Schnittwunde, in der ich meinen Hut festhielt.
§
Eine Zeugin hatte wegen ihrer Entbindung bei einem Beweisaufnahmetermin
nicht vernommen werden können. Ein
neuer Termin sollte anberaumt werden,
der entsprechende Vermerk in den Akten lautet: Nachdem die Zeugin in der
Zwischenzeit entbunden hat, kann sie
wieder geladen werden.
§
Mit eventuellen früheren Diebstählen
auf der gleichen Basis, die ich mit aller
Entschiedenheit bestreiten muss, hat der
Schlauch nichts zu tun.
Aus Übungsarbeiten
Rattengift ist kein gemeingefährliches
Mittel. Es ist zwar in gewissem Sinn
gemeingefährlich, aber nur für Ratten.
§
Es ist einem Förster erlaubt, auf Wilderer, sofern sie nicht seinem Begehren
Folge zu leisten gewillt sind, zu schießen.
§
Er kann, weil er Förster ist, nicht aus
Bestürzung, Furcht oder Schrecken handeln.
§
§
Nach dem Unfall verspürte ich Kopfschmerzen und solche auch am linken
Bein.
Ein Hund ist eine Sache mit besonderer
Qualifikation.
§
Seine Vorstrafen sprechen für sich und
gegen ihn.
§
Wer vorsätzlich einen Menschen tötet,
ohne Mörder zu sein, wird mit Totschlag
bestraft.
§
Der Kraftfahrer wollte vermutlich noch
nach rechts ausweichen, welches ihm
aber nicht gelang, da der Fußgänger im
Vorderrad des Kraftrades hing.
§
Man nahm mich fest, bei einem Streit,
wo ich die Polizei anrufen ließ, da man
mit einem Bierglas nach mir schmiss
und dieser Herr bereits betrunken war.
§
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
43
Kultur — Ausland — Medien
Auslandsinfo: Kasachstan
Auslandsinfo: Kasachstan
Von den Nachfolgestaaten der UdSSR
ist Kasachstan nach Russland das zweitgrößte Land. Mit einer Fläche von über
2,7 Mio. km² ist es fünfmal so groß wie
Frankreich. Der Landesname bedeutet
so viel wie Land der Kasachen. Das
Wort Kasach kann aus den Turksprachen sowohl mit Steppenreiter wie mit
Unabhängiger übersetzt werden.
Weite, hochliegende Ebenen prägen
große Teile Kasachstans. Mehr als die
Hälfte des Landes nehmen Steppen,
Halbwüsten und Wüsten ein. Die Kaspische Senke liegt im Westen von Kasachstan, das zu den Anrainern des Kaspischen Meeres gehört. Im Norden hat
Kasachstan Anteil am Uralgebirge und
am Westsibirischen Tiefland. Das Zentrum des Landes besteht aus einer von
einzelnen Höhenzügen unterbrochenen
weiten Ebene, die von Westen nach Osten ansteigt. Durch den Altei im Osten
verlaufen die Grenzen von Kasachstan
zu Russland und China. Die Gebirgskette des Tian Shan prägen im Südosten
und Süden die Grenzgebiete zu China,
Kirgisistan und Usbekistan. Durch den
im Süden des Landes liegenden 33.000
km² großen Aralsee verläuft die Grenze
zu Turkmenistan.
Es herrscht kontinentales, trockenes Klima mit
kalten Wintern und heißen
Sommern. Pro Jahr fallen
durchschnittlich nur 115
mm Niederschlag. Die Vegetation wird von Norden
nach Süden spärlicher. Viele Tierarten Kasachstans
sind aufgrund von Bejagung, Umweltverschmutzung und durch ökologische
Folgen der Bewässerungsprojekte extrem gefährdet.
Im 1. Jahrhundert vor
Christus wanderten ostiranische Nomadenstämme in
die Steppengebiete Kasachstans ein. Unter ihnen
waren z. B. die Skythen und
die Saken. Sie wurden ab
dem 1. Jh. v. Chr. von Turkvölkern und mongolischen
Stämmen, die aus Zentralasien kamen, verdrängt. Im
8. Jh. errichtete das Turkvolk der Karluken ein
Reich, aus dem im 10. Jh.
das mächtige Karachaniden44
reich entstand, das weite Teile des heutigen Kasachstans umfasste.
Der Mongolenherrscher DschingisKhan (1205-1227) eroberte zwischen
1219 und 1221 Kasachstan. Nach seinem Tod fiel Kasachstan an die Goldene
Horde. Zwischen 1731 und
1746 unterstellten sich die
Kasachen der russischen
Oberhoheit. 1758 vernichtete das Chinesische Kaiserreich die Westmongolische Föderation. Von 1822
bis 1848 verleibte sich das
Zarenreich die Nachfolgereiche der Goldenen Horde ein. Für Russland besaß
Kasachstan als Siedlungskolonie größte Bedeutung.
Nach der Oktoberrevolution in Russland 1917 war
Kasachstan einer der
Kriegsschauplätze des bis
1920 dauernden russischen
Bürgerkriegs.
Die Sowjets gründeten
1920 die Kirgisische
ASSR. Sie wurde nach
neuen Grenzfestlegungen
1925 in Kasachische ASSR
umbenannt und 1936 zur
Unionsrepublik umgewandelt.
Am 16. Dezember 1991,
kurz vor der Auflösung der
UdSSR, erklärte KasachsTr§tzdem 2007 Nr. 38
tan seine volle Unabhängigkeit. Kasachstan hat sich als Mitglied der GUS
eng an Russland angelehnt, hat aber
auch gute Kontakte zur Türkei aufgebaut.
Die Kasachen gingen aus der Verschmelzung von Mongolen und Turkvölkern hervor, die heute einen Anteil
von 44 % der Gesamtbevölkerung stellen. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung Kasachstans sind Russen. Ukrainer
(5 %), Usbeken (2 %) und Tataren (2 %)
sind weitere Minderheiten. Außerdem
leben noch etwa 650.000 Deutschstämmige (4 %) in Kasachstan; jetzt sind es
ca. 2,7 %, da viele nach Deutschland
ausgesiedelt sind. Sie wurden im Zweiten Weltkrieg, als Stalin die Wolgarepublik auflösen ließ, nach Kasachstan
zwangsumgesiedelt. Etwa 50 % der Kasachen sind sunnitische Moslems, die
andere Hälfte gehört der russischorthodoxen Kirche an.
Die einzige Amtssprache ist das
Kasachische. Es gehört zu den Turksprachen und wurde bis 1928/29 in arabischer Schrift geschrieben. Bis 1941 verwendete man lateinische Schriftzeichen,
die dann durch ein angepasstes kyrillisches Alphabet ersetzt wurden. Die
wichtigste Verkehrssprache ist weiterhin
Russisch.
Kasachstan ist reich an Bodenschätzen. Die Erdölvorkommen am Kaspischen Meer werden seit 1960 ausgebeutet, und weitere Bodenschätze sind u. a.
Kultur — Ausland — Medien
Chrom-, Wolfram-, Kupfer-, Eisen-,
Mangan-, Zinn-, Blei- und Bauxiterze.
Auch Gold und Silber werden abgebaut.
Die Industrialisierung wurde in sowjetischer Zeit vorangetrieben. Für die Landwirtschaft ist etwa ein Fünftel der Landesfläche nutzbar. Der wichtigste Handelspartner ist Russland.
Die Kasachische Küche ist bekannt
für ihre Hammel- und Pferdegerichte.
Das Nationalgericht ist Beschbarmak
und wird mit fettem und gekochtem
Hammel- oder Pferdefleisch (oder beidem) zubereitet und mit Lasagneähnlichen, hauchdünn ausgerollten, gekochten Teigfladen mit der Hand (der Name
bedeutet wörtlich „fünf Finger“) gegessen. Kasy, eine meist gekochte Wurst
aus Pferdefleisch und Fett, wird auch oft
mitgekocht oder dazu serviert. Weitere
Gerichte nach landestypischer Art: Shal
– geräucherter Pferdekamm, Suret-et –
Räucherschinken vom Pferd, Schushuk
– kasachische Pferdewurst, Karta – kasachische Pferdedärme, Aschy-sorpa –
kasachische Suppe aus Hammel- und
Pferdefleisch und Susduk – Soße zum
kasachischen Beschbarmak. Kasachstan
ist für seine Sauermilcherzeugnisse, wie
dem Nationalgetränk Kumis – gegorene
Stutenmilch und Schuwat – gegorene
Kamelmilch, bekannt. In Beibehaltung
eines praktisch gewürzfreien Stils nimmt
die kasachische Küche weiterhin hauptsächlich Einflüsse aus den slawischen
Ländern auf, während u. a. armenische,
uigurische, dunganische und koreanische Küchen in der ganzen Region parallel existieren.
Die Regierung Kasachstans wird
vom autoritär regierenden Präsidenten
Nursultan Nasarbajew geprägt, der
schon zu sowjetischer Zeit Parteichef
war und die Opposition stark einschränkt. Berichte von politischen Morden und Folter sind nicht selten. Die
Presse unterliegt einer Zensur.
Unter diesen und den schon länger
andauernden Verhältnissen ist es nicht
verwunderlich, dass viele Kasachstandeutsche, die als Minderheit unter dem
Regime gelitten haben und seit den
Achtziger Jahren eine Immigrationsmöglichkeit nach Deutschland suchen.
Diese Aussiedler sind die Nachkommen (gesamt ca. 3,5 Millionen) von
Deutschen, die vor mehr als 200 Jahren
nach Osteuropa ausgewandert sind, davon viele ins Wolgagebiet nach Russland, und dort ihre deutsche Kultur und
Sprache bewahrten. Die meisten Angehörigen der Minderheiten wurden zur
Stalinzeit unter Zwang nach Kasachstan
deportiert. Viele wurden in Arbeitslagern interniert. Seit der Unabhängigkeit
gab es Bestrebungen der Regierung die
Kasachische Sprache als vorherrschende
Amtssprache durchzusetzen, was auch
dazu führte, dass einige es vorzogen
auszuwandern.
Unter ihnen war auch unser Berichterstatter zum „Knast in Kasachstan“ ,Alexander Leer. Sein Vater hatte
als 14-jähriger Wolgadeutscher die Umsiedlung unter Stalin nach Kasachstan
mitgemacht. Auch seine Mutter hatte
solch ein Schicksal erlebt. Er selbst wurde 1958 in Karaganda, einer Stadt in
Zentral-Kasachstan mit inzwischen ca.
750.000 Einwohnern, geboren.
Nach Gymnasium, Studium, Direktions-, Behörden- und selbständiger Tätigkeit verließ er mit Frau und Kind
nach typischen Konflikten eines Angehörigen einer Minderheit mit dem Regime 1999 seine Heimat und kam als
deutscher Staatsangehöriger nach
Deutschland, wo Mutter, Schwester und
Bruder bereits seit 1995 wohnten. Ein
zweites Kind wurde in Deutschland geboren.
Als 11-jähriger Junge hatte er Boxen gelernt und war mit 18 Jahren sowjetischer Meister im Mittelgewicht. Von
1982 bis 1986 lernte er wegen einer
Schlägerei kasachische Gefängnisse
kennen. In Deutschland erfolgten eine
Inhaftierung im Dezember 2005 und
eine Verurteilung Mitte 2006. Heute hat
er noch eine längere Haftstrafe vor sich,
die ihn inzwischen nach Lingen führte.
Er hofft, dass es auch weiterhin möglich
sein wird, dass ihn seine Familie regelmäßig besuchen kann und dass er wieder
Fuß fassen kann, wenn er entlassen
wird.
UM/Alexander Leer
Knast in Kasachstan.
In Kasachstan sind die Gefängnisse alle
im Schnitt 80 Jahre alt, denn sie wurden
erst zu sowjetischer Zeit gebaut; zuvor
herrschte das islamische Recht und es
gab keine Gefängnisse.
Das erste Gefängnis, von dem ich
aus eigenem Erleben berichtet werden
kann, befindet sich in Karaganda, ist ein
Gefängnis für Untersuchungshäftlinge
und war damals mit ca. 300 Gefangenen
belegt.
Die Zellen hatten eine Größe wie
hier eine 3-Mann-Zelle und waren mit
20 bis 30 Personen belegt, denen nur 5
Doppelbetten zur Verfügung standen.
Wer durchsetzungsfähig genug war,
erhielt einen der 10 Schlafplätze – alle
anderen mussten mit dem hölzernen
Fußboden vorlieb nehmen. Im Raum
befanden sich ein Tisch und eine fest
eingebaute Bank. Außerdem war der
Raum mit Kakerlaken, Zecken oder
Läusen und Flöhen besiedelt. Ein nicht
zu öffnendes Fenster im oberen Wandbereich brachte etwas Licht in den
Raum, gefiltert durch Gitter und Lochblech. Die offene Toilette (Loch im Boden), darüber ein Wasserhahn, schlossen
die Ausstattung ab.
Der Einschluss dauerte 23 Stunden
täglich und wurde nur durch die Einzelfreistunde unterbrochen, die in einem
Zellen-Raum stattfand, bei dem die Decke durch ein Gitter ersetzt war.
Zur Unterhaltung gab es ein Radio,
auch Zeitungen und Bücher waren zu
haben.
Da Lebensmittelknappheit herrschte, konnten Lebensmittelpakete nach
Wunsch empfangen werden; ebenfalls
gab es Wäschepakete. Wer Geld von
draußen zur Verfügung hatte, konnte
einmal im Monat in der Anstalt einkaufen. Es gab keinen Besuch und auch
kein Telefon - nur drei erlaubte Briefe
im Monat hielten den Kontakt nach
draußen aufrecht.
Zum Frühstück gab es durchgängig
Fischsuppe, Schwarzbrot und schwarzen
Tee, zum Mittag Borschtsch (Suppe),
Kascha (wie Reis) und schwarzen Tee
und zum Abend wieder Fischsuppe oder
andere Suppen mit Schwarzbrot und
schwarzen Tee. Serviert wurde alles in
einem Geschirr aus Alu-Teller und Löffel, die nur zu den Mahlzeiten ausgegeben wurden. Geschirrtücher kannte man
nicht. Zum Selberkochen stand eine
Heizplatte zur Verfügung.
Fortsetzung auf Seite 46
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
45
Kultur — Ausland — Medien
Fortsetzung von Seite 45
Alle 10 Tage konnte geduscht werden. Wer seine Bekleidung waschen
wollte, musste sich das kochende Wasser selber zubereiten und die verfügbare
schwarze Seife benutzen – Waschmaschinen gab es nicht. Immerhin wurde
einmal pro Monat eine chemische Reinigung mit Dampf angeboten, was allerdings nicht allen Bekleidungsstücken
gut bekam.
Ein Zugang zu einem Seelsorger,
einem Sozialpädagogen oder einem Psychologen, wie man das in Oldenburg
kennt, gab es dort im Gefängnis in Kasachstan natürlich nicht.
Die zweite Station, auf der ich Erfahrungen sammeln konnte, war ein
großes Gefängnis unweit von Karaganda
mit ca. 2000 Gefangenen für Strafhäftlinge, wie es diese in allen größeren
Städten Kasachstans gibt.
Die große Anlage teilte sich ein in
eine Arbeits- und Schlafzone, getrennt
durch einen großen Gitterzaun.
Der sogenannte Schlaftrakt wurde
aus 12 „Blöcken“ gebildet. Jeder Block
bestand im Wesentlichen aus einem eingeschossigen Gebäude mit einem hallenartigen Raum, in dem 150 bis 180 Gefangene gemeinsam untergebracht waren. Lediglich die Waschzone mit 10
Waschbecken und ein Gemeinschafts–
und Fernsehbereich, der nur am Wochenende benutzt werden durfte, waren
in separaten Räumen untergebracht. Die
Toilettenanlage für 10 Personen befand
sich außerhalb des Blocks und hatte den
Charakter eines „Donnerbalkens“.
Geweckt wurde um 6:00 Uhr morgens, und die Schlafenszeit begann um
22:00 Uhr.
Die Verpflegung war genauso
„reichhaltig, abwechslungsreich und
schmackhaft“ wie in der U-Haft.
Für alle Gefangenen des Gefängnisses gab es einen Kinoraum, eine große
Kantine mit 200 Plätzen, eine große
Bibliothek und eine Krankenstation, auf
der stationäre Behandlungen bis zu einer
Woche durchgeführt wurden. Den Komfort-Höhepunkt bildeten das
„Badehaus“, in dem es sogar Kalt- und
Warmwasser gab, und der „Frisörsalon“.
Alle Gefangenen hatten Gefängniskleidung zu tragen, an der ein Sichtfenster mit den Personaldaten angebracht
war.
Das Besuchsprogramm bestand aus
vier Kurzbesuchen pro Jahr für jeweils
eine Stunde, bei dem die Besucher durch
eine Trennscheibe vom Gefangenen
46
getrennt waren, sowie einem Langzeitbesuch pro Jahr für zusammenhängend
drei Tage in einer separaten Räumlichkeit.
Wer sich eine Disziplinarstrafe zuzog, was unter den herrschenden Verhältnissen nicht selten war, wurde in
einem „Karzer“ untergebracht, einem
Betonbunker mit einer Holzpritsche, die
um 22:00 Uhr runtergeklappt und um
6:00 Uhr hochgeklappt wurde. Die Strafen wurden jeweils für 15 Tage bis zu
einem Monat verhängt. Allerdings gab
es auch noch weitere Bunker für Strafen
bis zu 6 Monaten.
Im Karzer gab es keine Dusche,
keine Zahnpasta, keine Seife und kein
Handtuch; im Raum befand sich lediglich eine offene Toilette (Loch im Boden) und darüber wieder ein Wasserhahn mit kaltem Wasser. Es gab auch
keine Heizung, was bei Wintertemperaturen bis zu minus 50° C ziemlich unangenehm sein kann. Aber auch im Sommer, wenn die Temperatur auf plus 40°
C stieg, waren die Wände immer nass.
Die Verpflegung im Karzer war
gegenüber der sonst üblichen Kost noch
etwas „abwechslungsreicher“ als im
150 Mann
1 Raum
Block: Am ersten Tag gab es Wasser
und Brot (Schwarzbrot), am zweiten Tag
die übliche Gefängniskost, am dritten
Tag dann wieder Wasser mit Brot und
am vierten wieder die Gefängniskost das setzte sich immer so fort.
Für jemanden, der das selbst nicht
mitgemacht hat und nur die hiesigen
Verhältnisse kennt, ist das Gefängnisleben in Kasachstan unvorstellbar. Nur
wer robust und durchsetzungsfähig ist,
übersteht die Zeit dort einigermaßen
unbeschadet und ohne äußerliche Narben, denn die inneren sind ja nicht sofort
sichtbar.
Alexander Leer/UM
Humor
Ein 16-jähriges Mädchen darf erstmals ausgehen. Am nächsten Morgen fragt die Mutter: „Na, warst Du
auch artig gewesen?“ Die Tochter:
„Auf jeden Fall, die haben alle sogar
gesagt, ich sei großartig gewesen!“
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Buchtipp
Gefangen unter Hitler
(Nikolaus Wachsmann)
Fast so spannend wie
in einem fesselnden Roman
beschreibt der Autor Nikolaus Wachsmann die Geschichte deutscher Gefängnisse zu Zeiten der Weimarer Republik bis zum Ende
des Zweiten Weltkriegs.
Im Mittelpunkt des Buches steht das
nationalsozialistische Straf- und Gefängnissystem, das erheblich von sozialen, wirtschaftlichen und insbesondere politischen
Veränderungen in der Außenwelt beeinflusst
worden ist. Durch die Erzählungen vieler
Gefangener wird deutlich, dass die Justiz bis
in die Kriegszeit versucht hat, auf Basis gesetzlicher Grundlagen zu arbeiten, um den
Abstieg in die Willkür, bedingt durch den
NS-Terror, zu verhindern. Mit dem
„Märchen“, dass im „Dritten Reich“ in den
Vollzugsanstalten Recht und Ordnung geherrscht habe, räumt der Autor gnadenlos
auf. Der Alltag der Insassen war durch den
brutalen Druck der NS-Diktatur geprägt.
Viele Häftlinge wurden Opfer von Zwangsarbeit, Unterernährung und Krankheiten sowie
von deutschen Zivilgerichten, die ihre Todesurteile hinter den Mauern der Strafanstalten
vollziehen ließen. Innerhalb der Strafanstalten kam es in dieser Zeit aber auch zu gewagten Experimenten und daraus resultierenden
Fehleinschätzungen. So versuchte man zum
Beispiel eine biologische Erklärung für den
Typus des „Unverbesserlichen“, also des
Gewohnheitsverbrechers, zu finden. Bestimmte Körpermerkmale wie starker Haarwuchs oder eine breite Nase waren physische
Besonderheiten, an denen man solche
„abnormen Wesen“ erkennen sollte. Auch
wenn die Wissenschaft derartige Thesen vom
geborenen Verbrecher überwiegend zurückwies, ist der Einfluss auf das allgemeine Verständnis des Verbrechens nicht zu unterschätzen. Auch in der heutigen Zeit gibt es noch
genügend Menschen, die Personen mit langen Haaren, einer Glatze, Tattoos und/oder
Piercings in die Schublade mit der Aufschrift
„kriminell“ stecken. Ob und welche Nachwirkungen der nationalsozialistische Strafvollzug im Nachkriegsdeutschland bis in den
heutigen modernen Vollzug hatte, mag jeder
nach dem Lesen dieses hervorragenden Buches für sich selber beurteilen. Es wird aber
deutlich, mit welcher Härte und mit welchen
unmenschlichen Maßnahmen der nationalsozialistische Terror auch gegen die „eigene“
Bevölkerung außerhalb der Konzentrationslager vorgegangen ist.
Insgesamt liest sich dieses Buch wie ein
spannender historischer Roman und ist relativ leicht verständlich.
Siedler Verlag, 2006, ISBN-10: 978-3-88680828-1, € 28,00.
Kultur — Ausland — Medien
Presseschau
© Delmenhorster Kreisblatt vom 26.10.07 (siehe auch Trotzdem
Nr. 37, S. 16)
Humor
Der
angehende
Schwiegersohn zum
angehenden Schwiegervater: „Ich rauche
nicht, ich trinke nicht,
ich rühre keine Spielkarten an und bitte
Sie um die Hand Ihrer
Tochter!“ Der angehende Schwiegervater: „Das schlagen Sie
sich mal aus dem
Kopf! Glauben Sie,
ich will einen Schwiegersohn, der mir immer als Beispiel vorgehalten wird?“
© NWZ vom 17.07.07
© NWZ vom 04.05.07
© NWZ vom 22.08.07
© NWZ vom
28.07.07
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
47
Kultur — Ausland — Medien
Presseschau
© NWZ vom 03.07.07
© NWZ vom 24.08.07 (siehe auch Trotzdem Nr. 37, S. 40)
© NWZ
vom
30.06.07
48
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Kultur — Ausland — Medien
Presseschau
© NWZ vom 18.04.07
© NWZ vom
08.08.07
© NWZ vom 27.07.07
© NWZ vom 14.08.07
© NWZ vom 20.09.07
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
49
Kultur — Ausland — Medien
Presseschau
© NWZ vom 01.11.07
Humor
© Delmenhorster Kreisblatt vom 31.10.07
50
© Hunte Report vom 05.08.07
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Der Arzt nach der Untersuchung: „Lassen sie es mich
ihnen so sagen: Sie brauchen
sich um die steigende Zahl
der Verkehrsunfälle, die zunehmende Kriminalität, die
Umweltverschmutzung,
die
Atombombe und um die Arbeitslosigkeit keine Sorgen
mehr zu machen!“
Kultur — Ausland — Medien
Presseschau
© NWZ vom 23.10.07
© NWZ vom 23.10.07
© NWZ vom 23.10.07
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
51
Kultur — Ausland — Medien
Presseschau
Aus erster Hand
Niedersächsisches Justizministerium
- Referat für Presse und Öffentlichkeitsarbeit -
Justizministerinnen Kuder und
Heister-Neumann besuchen gemeinsam JVA Bützow
Die Justizministerinnen der Länder
Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, Uta-Maria Kuder und
Elisabeth Heister-Neumann (beide
CDU), haben heute gemeinsam die
Justizvollzugsanstalt Bützow besucht. Der Besuch diente den Ministerinnen insbesondere dazu, sich
persönlich einen Eindruck von der
Arbeit des dortigen Diagnosezentrums zu verschaffen.
Das besondere am Diagnosezentrum ist die in dieser Form in
Deutschland einzigartige konsequente Trennung von Diagnostik
und Behandlung verurteilter Straftäter. Täter, die von einem Gericht in
Mecklenburg-Vorpommern wegen
Sexual- oder Tötungsdelikten zu
mehr als vier Jahren Haft verurteilt
wurden, werden zunächst in das
Diagnosezentrum verlegt. Dort
durchlaufen sie umfangreiche psychologische Tests. Erst im Anschluss werden sie in die für eine
Therapie geeignete Anstalt verlegt.
Vor einer Vollzugslockerung oder
Entlassung werden sie erneut in das
Diagnosezentrum verlegt. Dort wird
unabhängig von den Behandlungsmaßnahmen in den einzelnen Anstalten durch Psychologen geprüft,
ob sich Veränderungen ergeben haben, die eine Vollzugslockerung oder Entlassung rechtfertigen. Dies
erhöht die Objektivität bei der Beurteilung der Straftäter und vermeidet
Interessenkonflikte zwischen Therapeuten und Diagnostikern. Therapie,
Diagnose/Prognose und Entscheidung liegen in unterschiedlichen
Händen. Das Ergebnis sind fachlich
besser abgesicherte Entscheidungen.
„Eine erfolgreiche Therapie von
Gewalt- und Sexualverbrechern
setzt frühzeitiges Erkennen geeigneter Therapiemöglichkeiten voraus.
Ebenso setzt eine Vollzugslockerung
oder Entlassung zwingend voraus,
dass qualifizierte Gutachter die Ungefährlichkeit des Täters feststellen.
52
Die Psychodiagnostik ist daher für
eine erfolgreiche Therapie und zur
Vermeidung von Wiederholungstaten durch Rückfalltäter unerlässlich.
Ich freue mich sehr, dass wir auf
diesem Gebiet besonders fortschrittlich sind und andere Bundesländer
unsere Anstrengungen mit großem
Interesse zur Kenntnis genommen
haben“, sagte Kuder heute in Bützow.
Neumann: „Wir bekommen damit in
Niedersachsen ein Prognosezentrum, das zentral für den besonders
gefährlichen Strafgefangenen und
Sicherheitsverwahrten im niedersächsischen Justizvollzug eine umfassende Prognose sicherstellen
wird. Die Gefangenen und Untergebrachten werden nicht nur zu Beginn
des Vollzuges begutachtet werden,
sondern auch dann, wenn Entscheidungen über Vollzugslockerungen
oder die Verlegung in den offenen
Vollzug zu treffen sind. Die über die
gesamte Haft hinweg gewonnenen
Erkenntnisse des Prognosezentrums
werden darüber hinaus die Grundlage bilden, um Aussagen über die
Rückfallgefährdung von Sexualstraftätern zu treffen, die zur Entlassung
anstehen. Diese sollen ab 1.10.2007
in einer Sexualstraftäterdatei aufgenommen und nach ihrer Gefährlichkeit kategorisiert werden. Nach einer
gemeinsam mit dem Innenressort
entwickelten Konzeption werden bei
diesen entlassenen Straftätern die
betreuenden Maßnahmen
der
sozialen
Dienste der Justiz
(Führungsaufsicht, Bewährungshilfe) und die
gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen der
Polizei miteinander verzahnt. Von
dieser Vernetzung erhoffe ich mir
eine deutliche Verringerung der
Rückfallgefahr.“
Umfassende Prognose
wird sichergestellt!
Frau Ministerin HeisterNeumann hat die Arbeit des Diagnostikzentrums mit großem Interesse zur Kenntnis genommen. „Hohe
fachliche Kompetenz gewährleistet
einen modernen Justizvollzug im
Interesse der Bürgerinnen und Bürger“, erklärte Frau Ministerin HeisterNeumann. In Niedersachsen wurde
bereits im Einheitlichen Niedersächsischen Vollzugskonzept (EVP)
2004 die Einrichtung eines Prognosezentrums angekündigt, das für
gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter zuständig sein soll. Bislang
wird die Begutachtung von der zentralen Einweisungsabteilung bei der
JVA Hannover übernommen. Diese
zentrale Einweisungsabteilung wird
spätestens zum 1.1.2008 in das
Prognosezentrum im niedersächsischen Strafvollzug überführt, in dem
über die gesamte Haft hinweg interdisziplinäre Begutachtungen erfolgen, sodass Entwicklungsverläufe
besser sichtbar werden. HeisterTr§tzdem 2007 Nr. 38
Gemeinsame Pressemitteilung vom
18.07.2007
Humor
Sagt der Mann zu seiner Frau am
Frühstückstisch: „Es ist doch immer
wieder erstaunlich, dass die hübschesten Mädchen die größten Idioten heiraten.“ Sagt seine Frau:
„Liebling, das ist das schönste Kompliment seit Jahren von dir.“
____________________________________
In der Bank
Ein Bankräuber stürmt in die Bank
und schreit. „Alle legen sich auf den
Boden!“ Die Bankangestellten legen
sich auf den bauch – nur die Sekretärin auf den Rücken. Zischt der Filialleiter: „Fräulein Maier, das ist ein
Banküberfall, kein Betriebsausflug!“
Mixed
Empfindlicher Dämpfer
Der Weg zur Arbeit
In einer Justizvollzugsanstalt zur Arbeit
zu gehen, ist in den
seltensten Fällen ein
Gang, den man gerne
geht. In Strafhaft hat
man sowieso keine
Wahl, außer zu arbeiten oder die Sanktionen für die Arbeitsverweigerung in Kauf
zu nehmen. Diese
Sanktionen sind mannigfaltig, und eigentlich ist keinem dazu
geraten, die Arbeit zu
verweigern. In der UHaft hat man die
Wahl, und ich würde
es auch jedem empfehlen. Bei der Arbeit
ist schließlich die
Möglichkeit gegeben,
sich auszutauschen
und auch eine gewisse
Ablenkung zu erreichen, um sich nicht
ständig mit den gleichen bohrenden Fragen beschäftigen zu
müssen. Ich selbst
gehe jedenfalls gerne
zur Arbeit und habe
auch noch das Glück, eine interessante
Arbeit zu haben.
Allerdings hat dieser Gang einen
empfindlichen Dämpfer erhalten.
Ehrlich gesagt, habe ich für mich
überlegt, die Arbeit ‚Arbeit’ sein zu lassen und überhaupt nicht mehr hinzugehen. Letztendlich hat meine Vernunft
gesiegt und auch der Gedanke an das
wenige Geld, was ich trotzdem benötige,
sowie ein gewisses Pflichtbewusstsein
gegenüber meinem Chef und den entstehenden Problemen, die sich ergeben
würden, sollte ich einfach so der Arbeit
fernbleiben. Jedenfalls entstand dieser
Dämpfer durch die neue Verfügung, in
der festgelegt ist, was man alles mit zur
Arbeit nehmen darf und wie man sich zu
bekleiden hat.
Ganz klar, wir sind hier in einem
Hochsicherheitsgefängnis und die Sicherheit hat oberste Priorität. Daran habe ich nichts auszusetzen und ich würde
mir auch nicht anmaßen, da mitreden zu
können und schon gar nicht zu wollen.
Trotzdem empfinde ich es als unglaublich, was ich nach Inkrafttreten dieser
Verfügung miterleben musste.
Keine Ahnung, was
auf anderen Stationen
passierte oder wie die
Beamten mit dieser
Verfügung umgegangen sind? Auf der
meinigen Abteilung
herrschte, bedingt
durch die Veränderung, schon so etwas
wie Chaos, und die
Stimmung war so
angespannt, dass es
schon echt guter Nerven bedurfte, um sich
nicht selbst mitreißen
zu lassen!
Was soll man davon
halten? Ich frage mich
die unmöglichsten
Sachen: Wieso
darf ein Häftling
bei so 30° C
nicht ein blaues
Anstalts-T-Shirt
tragen und muss
stattdessen im
Anstaltsjogger
zur Arbeit? Ist
eine Brille, die
man nicht ständig auf der Nase
trägt, wirklich
ein
Problem,
wenn diese im
Kulturbeutel
liegt? Ist es erforderlich,
einem Diabetiker
aufzuerlegen,
erst beim Arzt
eine
entsprechende Genehmigung für die Medikamente oder Obst einholen zu lassen?
Ganz zu schweigen von Menschen, die
sich einfach gesund ernähren wollen,
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Verständnis zu verlangen, dass eine Banane oder ein Ei etwas sind, was die
Sicherheit gefährdet und sie deshalb
darauf verzichten müssen? Ja, alles Fragen, die ich aus Selbstschutz nicht stellen wollte, sondern nur dachte. Ich sah,
hörte und erlebte, was passieren kann,
wenn man anfing zu fragen. Ne, das
wollte ich mir nun nicht antun. Auch
den ausführenden Beamten wollte ich
das nicht antun. Diese hatten nur eine
neue Verfügung umzusetzen. Damit
hatten sie schon genug zu tun. Sinn und
Unsinn dieser Verfügung ist für den
Einzelnen sowieso keine Frage; sie werden ja auch nicht ernsthaft befragt, sondern müssen die Sache umsetzen.
Naja, jetzt läuft die Sache schon
wieder einige Zeit, und der Einzelne hat
inzwischen herausgefunden, bei wem
man sich besser zu 100 % an die Vorschrift hält, und bei wem man davon
ausgehen kann, dass eine gewisse
menschliche Größe vorhanden ist, die es
erlaubt, auch einmal bei 30° C im blauen Anstalts-T-Shirt zur Arbeit zu gehen.
Eigentlich will ich damit nur sagen,
dass diese ganze Situation nicht wirklich
genug vorbereitet wurde und leider auch
nicht transparent genug gemacht wurde,
um dem Einzelnen den wirklichen Gedanken hinter dieser Aktion vor Augen
zu führen und die Chance zu lassen, sich
darauf einzustellen. So wirkte es wie
eine Willkür, die nur Unruhe und Probleme verursacht hat und vor allem das
Verhältnis zwischen Gefangenem und
Bedienstetem unnötig über Gebühr belastet hat. Dieses Verhältnis ist nun
wirklich genug belastet und es bedarf
daher keiner weiteren unnötigen Anstrengung, auch noch diese geringe Basis zu zerstören - finde ich!
In einer Anstalt wie
dieser gibt es nun
wirklich genug Möglichkeiten, in Zukunft
andere Wege zu finden und damit dem
Anspruch gerecht zu
werden, den diese
Anstalt zu Recht an
sich stellt und auch
weitgehend gerecht
wird. Ich denke nur an
das Gitternet-TV und
meine, dass sich genug Freiwillige finden
lassen, die gerne bereit wären, für ein
besseres Klima und Miteinander einige
Anstrengungen zu unternehmen.
Joachim G.
53
Mixed
Ein Leserbrief von Helle
zum ersten Mal nennenswert eingefahren bin, da hat sich meine Alte dermaßen verabschiedet, dass mich eine Woche später mein eigenes Bankkonto
nicht mehr gekannt hat. Also erzähl mir
nix von verabschieden. Doch der Typ
blieb stur. Und tischte mir ne Erklärung
auf, also, alle Achtung, darauf muss man
erstma kommen. Hör zu, Kumpel, sachte
der, eines ist doch klar: Gesetze bedeuten Ärger. Und neue Gesetze neuen Ärger. Das weiß doch jedes Kind. Also
gehen die Schlitzohren von Politiker hin,
Verabschiedung des neuen Strafvollzugsgesetzes
Hi, Leute, ich bin der Helle aus Schalke.
Für euch Nordlichter hier muss ich wohl
ne Erklärung nachschieben. Im Ausweis
steht: geboren in Gelsenkirchen-Buhr.
Aber wer Bescheid weiß, weiß: Gelsenkirchen iss Schalke, und sonst nix. Und
Helle iss die Kumpelform von Helmut.
Noch Fragen?
Jetzt ist es auch schon ein paar Monate her, dass ich hier gelandet bin. Ihr
wisst ja, wie das geht. Ein Missverständnis ergibt das andere, und schon steckt
man bis zum Hals in der Sch…
(schwierigen Situationen der Inhaftierung – Anmerkung der Redaktion). Tja,
und dann noch ausgerechnet in Niedersachsen, wo, also das hat man mir hier
gesagt, die Kühe das Wahlrecht haben,
weil sie wirtschaftlich son wichtiger
Faktor sind. Als wenn bei uns im Ruhrpott die Kohle mitwählen dürfte. Aber
das iss net der Grund, warum ich
schwarzsehe. Alles, was mit „Nieder“
anfängt, hat mir bisher in meinem Leben
nur Ärger eingebracht. Das fing an mit
meiner Frau. Wir zwei kriegen ein Kind,
einen Stammhalter, sind glücklich bis
zum Anschlag, ich sofort auf Schalke,
melde meinen Sohnemann als Mitglied
an, damit der auch seine Saisonkarte
sicher hat, ich nach Hause, will das frohe Ereignis mit meiner Frau feiern, und
wat sacht die? Du, Helle, lass mal, ich
fühl mich noch nicht so, hatte doch gerade erst ne Niederkunft. Was hattest du?,
platzt et aus mir raus. Ne Niederkunft?
Meinen Sohn haste jeboren. Von wegen
Niederkunft. Dat klingt ja, als wäre mein
Sohn der Rest vonner Krankheit. Naja,
in die Röhre geguckt hab ich trotzdem.
Aber das jet ja noch. Ne Niederlage
von Schalke, womöglich zuhause, das
iss nun wirklich ein Weltuntergang. Davon erhol ich mich frühestens nach drei
Tagen, und dann auch nur mit Hilfe von
schwersten Medikamenten. Ein Kasten
Bier, eine Flasche Korn. Pro Schicht,
wohlgemerkt.
Tja, und jetzt das. Ihr müsst wissen,
ich bin import-exportmäßig unterwegs,
so die Branche Stimmungsaufheller –
kleiner Scherz, wa. Also ich natürlich
einen guten Kontakt zu Holland geschoben, ist ja bekanntlich ein prima Pflaster
für liberale Vergnügungen. Alles lief
wie am Schnürchen. Bis urplötzlich
Handschellen klickten. Deutsche auch
54
noch. Mitten in Holland. Und jetzt
kommts. Was muss ich in dem Wisch
lesen, den man mir zum unterschreiben
hinhält? Ich dachte, ich spinne. Auf dem
Papier heißt Holland Niederlande. Also
das hätt ich früher wissen müssen. Und
zwei Tage später gings ab nach Niedersachsen. Also wenn du einmal Pech
gehabt hast, brauchst du auf das zweite
Mal nicht lange warten.
Naja, von nahem besehen isset hier
jar nicht so übel. Ich weiß, wovon ich
rede, mit meinen Erfahrungen könnt ich
nen Buchladen aufmachen. Im U-Knast
offene Türen, also die ersten Wochen
hab ich das glatt für nen Modellversuch
für Fluchtverhalten gehalten. Und duschen kannst du dich hier öfter als du
willst. Also in NRW mussde ne Portion
Jahre verdienstvoll jesessen haben, ehe
du solche Verjünstigungen kriegts. Und
jenau das iss der Grund, warum ich zum
Bleistift greife und mir diesen Leserbrief
abringe. In den letzten Wochen hab ich
andauernd Überschriften lesen müssen
wie: „Niedersächsischer Landtag steht
vor Verabschiedung eines neuen Strafvollzugsgesetzes“. Und dann konnte
man die Punkte kaum zählen, wie man
uns die Hammelbeine lang ziehen will.
Naja, Helle, hab ich zu mir gesacht,
bleib cool, solange die dat Jesetz bloß
verabschieden, iss ja alles in Butter.
Watt weg iss, iss weg. Bis mir ein Schlawiner in der Freistunde steckte, dass ich
mächtig auf dem Holzweg bin. Verabschieden heißt bei Gesetzen genau das
Gegenteil, nämlich dass sie kommen,
aber volles Rohr. Also mir brauchst du
nicht zu erzählen, was verabschieden
heißt, hab ich zurückgedröhnt. Als ich
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
und nennen das Erfinden von neuen
Gesetzen einfach „Verabschieden“. Unsereiner, der ja noch was anderes zu tun
hat, als jedes Kleingedruckte zu lesen,
denkt, alles paletti. Die haben gesehen,
dass der ganze Kram Mist ist und jagen
ihn zum Teufel. Paff ist das Gesetz weg.
Natürlich kriegen die meisten mit der
Zeit mit, dass das Gesetz da ist. Aber
dann hat sich die erste Aufregung schon
gelegt, taufrischer Ärger hat einen am
Wickel, außerdem machen kann man ja
eh nix mehr, tja, und im Unterbewusstsein rumort immer noch das Wort
„verabschieden“ und lullt einen ein.
Also unter uns, Kumpels, von dem Trick
könnten wir uns ruhig ein paar Scheiben
abschneiden.
Apropos Unterbewusstsein? Wusstet ihr wat davon? Das man irgendsowas
mit sich rumschleppt, wo der ganze Gedankenpröll und Gefühlsdusel drinsteckt? Ohne dass man jenau weiß, ob
der nicht eines Tages anfängt zu plappern. Also ich hab davon zum ersten
Mal in der Kiste jehört. Ein Psychogutachter ist ja bei mir zu einem Ergebnis
gekommen, ich sei ein Hangtäter. Also
so ein Blödsinn. Klar hab ich ne Menge
rumgehangen, aber deshalb bin ich doch
nicht auf ein paar krumme Ideen gekommen. Jenau umjekehrt, Freunde, iss das.
Weil ich mir was habe einfallen lassen,
konnte ich die Sache was lockerer angehen. Aber versuch das mal einem Gutachter klarzumachen. Naja, et jibt
Schlimmeres, zum Beispiel, dass ein
Gutachter für seine Schlaumeiereien
bezahlt wird und jeder sich natürlich
hütet, nicht auf seine bezahlte Meinung
zu hören.
Mixed
Dass ich ein Asozialer bin, steht
auch in dem Gutachten. Und dass ich ne
Therapie machen muss, um wieder ein
Resozialer zu werden. Tja, was soll ich
sagen? Angefangen hab ich damit.
Jungs, wir werden alle älter. Zwölf Jahre
haben sie mir aufgebrummt, und meinen
40sten Jeburtstag kann ich fast mit den
Händen fassen. Also ich hab ja mit dem
Osten nie wat am Hut jehabt, aber in
einer Beziehung würde ich ihn mir zu
gerne herbeiwünschen. Wenn du da 12
Jahre eingeschenkt bekommen hast, z.
B. weil du Honecker mit ä ausgesprochen hast, dann wurdest du nach nem
halben Jahr in den Bergbau verfrachtet,
nach Wismut, Uran, oder Bitterfeld,
Kohle. Könnt ihr euch vorstellen, lasst
mal fürne Minute eure Euter los, was
das fürnen echten Ruhrpottkumpel fürne
Perspektive iss? Also in meinem Vereinslokal auf Schalke haben die Wände
jekracht, wenn wir uns unseren Ruhrpott
als Archipel vorjestellt haben. Aber das
iss ja och schon Jeschichte.
Mal ehrlich, ich glaub, ich hab ausnahmsweise mal Glück jehabt. Einmal
die Woche heißt es antanzen. Allein
schon wegen meiner Neugierde bin ich
hinjetrabt. Und was finde ich vor? Ich
hoffe, Kumpels, ihr glaubt mir, Helle hat
et nicht nötig, euch Stories vom Pferd zu
erzählen. Zuerst einmal sitzt mir ne Sie
gegenüber, also ne weibliche Psychologische. Auf den ersten Blick ein richtig
nettes Paket. Die sitzt dir gegenüber,
und nach ein paar Minuten denkst du,
die will sich echt mit dir unterhalten.
Naja, wo jibt et keine Tricks. Aber dann
kommt et. Ihr müsst wissen, ich hab
schon einije Fahrten auf meinem Kilometerzähler, da bleibt et nicht aus, dass
man dazulernt. Also ich spreche z. B.
einen Satz so gut wie nie aus. Spätestens
nach der Hälfte, meistens nach dem ersten Drittel höre ich auf. Kennt ihr vor
Jericht oder im Vollzug ne Stelle, wo ihr
aussprechen dürft? Also ich nicht. Also
hab ich mir anjewöhnt, mittendrin aufzuhören. Dat iss ökonomischer, und mir
schwillt net so der Kamm, wenn ich
andauernd meine Wörter einpacken
muss. Ich also wie jewohnt und bewährt
mal nen halben Satz, dann mal bloß
zwei drei Wörter der Psychologischen
anjeboten. Die hört zu, sacht aber nix.
Naja, denk ich mir, die Nordlichter hier
sind halt was langsamer; meinen Fernseher hab ich Blödkopp am Anfang zur
Reparatur jejeben, weil ich dachte, der
läuft bloß auf Zeitlupe, dabei guckte ich
NDR oder Gitternet. Ne, ne, Kumpels,
die Psychologische iss nich tüddelig.
Erst guckte sie mich an, als wollte se
mich mit de Wimpern anschupsen, dann
sachte sie doch tatsächlich „Sprechen
Sie sich ruhig aus“ – und, jetzt haltet
euch fest, meinte es auch so. Und schon
hatte ich zwei echte Probleme an der
Backe. Erstens, wenn du solange keinen
Satz mehr zu Ende geredet hast, weißt
du gar nicht mehr so genau, wie der hintenrum so aussieht. Also die erste Zeit
hab ich mich verfranst, also ich hätt mir
nicht zujehört. Und zweitens, wenn du
so jeden Satz bis zum Punkt durchziehst,
wer weiß, was dir da alles zwischen die
Lippen gerät? Aber schön iss et doch,
wenn du zu Ende sprechen darfst, und
dir einer zuhört. Der auch noch bis in
die Zehenspitzen studiert iss.
Aber so richtich warm geworden
bin ich mit der Psychologischen, als wir
unsere ersten Missverständnisse hinter
uns hatten – ohne dass einer dem anderen in die Wolle geraten ist. Mein lieber
Jesangverein, hab ich mir jedacht, das
hast du das letzte Mal erlebt, als du
zwölf gewesen bist, also ein Missverständnis, für das du nicht jehängt worden bist. (Ich hatte der Mutter eines
Klassenkumpels einen Besuch abjestattet und mich – so im Rahmen der Kohlesubvention – ein bisschen um ihr Portemonnee jekümmert. Und was macht die
Frau, als sie das Leichtjewicht von Portemonnee in ihrer Handtasche findet?
Sie strahlt mich an und sagt „Helle, woher wusstest du denn, dass ich dich heute zum Eis einladen wollte? Hat es geschmeckt?“ Also Kumpels, für die Mutter wär ich durchs Feuer gegangen.)
Also, die Psychologische und ich
sitzen zusammen, 3. oder 4. Stunde, und
mir passte an dem Tag meine eigene
Kragenweite nicht. Meiner Leber war
einiges in die Quere gekommen, leider
nix Hochprozentiges. Da sacht die Psychologische doch, die mein Dampfen
natürlich bemerkt hatte: „Lassen Sie
ihrem Unmut freien Lauf“. Na. Da hellte
sich meine Laune doch direkt um einige
Grade auf. „Also, Frau PsychoSonstwas, das iss ja nett, dass Sie das
sagen, aber als ich das letzte Mal meinem Unmut freien Lauf gelassen habe,
war ich vier Jahre alt und habe meiner
Mutter die Bauklötze an den Kopf gepfeffert. Zwei von drei haben jetroffen,
nebenbei bemerkt. Mit dem Wörtchen
Unmut kommen Sie bei mir nicht weit.“
Und wisst ihr, was die Psychologische
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
jemacht hat? Nix. Also keinen Zoff,
meine ich. Die hat sich kurz was aufgeschrieben, und mir ein Lächeln jeschenkt, also da hab ich meine miese
Laune auf der Stelle einjepackt. Natürlich kann man hier nicht so ein Mann
sein wie draußen. Aber umso wichtiger
ist es, nicht wie ein Depp oder Kleinkind
behandelt zu werden. Und vor allem,
auch mal wat Kritisches ablassen zu
dürfen, ohne sich gleich nen Blick einzufangen, der mit Eigenblut gedopt ist.
Vielleicht bin ich ja auch nur überempfindlich, aber egal, mir hat das jefallen.
Aber es kommt ja noch besser. Das
heißt, wenn es euch interessiert. Herrje,
bin ich ins Schwatzen gekommen. Den
Papiervorrat der ganzen Station hab ich
volljekritzelt. Nichts für ungut. Glück
auf, Kumpels, lasst euch nicht unterkriegen. Egal wie viele auf euch herumhacken.
Euer Helle
Für Kopfakrobaten
Kniffelig!
Durch Einsetzen der richtigen Vorzeichen ist das Ergebnis immer 6.
0
0
0
=6
1
1
1
=6
2
2
2
=6
3
3
3
=6
4
4
4
=6
5
5
5
=6
6
6
6
=6
7
7
7
=6
8
8
8
=6
9
9
9
=6
Benötigt werden folgende Rechenoperationen:
+ (addieren)
- (subtrahieren)
x (multiplizieren)
: (dividieren)
( ) (Anweisung für vorrangige Operationen)
n
√ (radizieren);
[nicht nur Quadratwurzel!]
! (Fakultät);
[Als mathematische Regel ist festgelegt:
0! = 1; 1! = 1; Rechenbeispiel: 5! = 1 x 2
x 3 x 4 x 5 = 120]
Die Auflösung erscheint in der nächsten
Ausgabe.
Dieter Schacht
55
Mixed
Backen hinter Gittern
Tarte de Pomme
Zutaten:
Für Blätterteig (keinen fertigen Teig kaufen; ist nicht geeignet!):
200 Gramm Butter
250 Gramm Mehl
50 Gramm Zucker
eine kleine Prise Salz
ca. 80 Milliliter Milch
Für Belag:
50 Gramm Butter
150 – 200 Gramm Zucker (hängt von der Süße der Äpfel und den eigenen Vorlieben ab)
1,5 – 2 Kilogramm Äpfel (bei großen eher mehr)
etwas Zitronensaft
20 Gramm Butter zum Zerlassen
Zubereitung: Mehl mit 80 Gramm Butter, Zucker und Salz in eine Rührschüssel geben, dann Milch beigeben, kneten,
bis ein fester Teig entsteht. Für mehrere Stunden in einem Plastikbeutel im Kühlschrank ruhen lassen.
Dann auf gut gemehlter Fläche dünn ausrollen, eine Hälfte mit Butterscheiben (die Butter sollte Zimmertemperatur haben) dicht belegen, einklappen, erneut zur Hälfte mit Butterscheiben belegen, falten. Dünn
ausrollen, und zwar zur offenen Seite hin. Zweimal falten. Bitte darauf achten, dass die Arbeitsfläche
und das Nudelholz immer gut mit Mehl bestäubt sind und die Teiglagen nicht zu stark reißen und die
Butter austritt. Jetzt den Teig zum Auskühlen für zwei Stunden in den Kühlschrank geben. Dann erneut
ausrollen und falten. Diesen Vorgang viermal wiederholen und den Teig wieder in den Kühlschrank legen. Wer jetzt mitgerechnet hat, wird feststellen, dass der Teig schon 128 Lagen hat.
Die Äpfel schälen, achteln und entkernen und mit Zitronensaft begießen. In einer großen (Ø 26 cm)
Pfanne mit planem Boden den 50-Gramm-Butterwürfel in die Mitte stellen, Zucker darüber schütten, bis
sich eine kleiner Kegel bildet. Jetzt wird’s tüftelig. Die Apfelstücke müssen gestellt werden, und zwar von
der Mitte ausgehend, bis die Pfanne ganz dicht gefüllt ist. Wenn die Stücke nicht stehen bleiben wollen,
die Standfläche leicht schräg schneiden. Dann die Pfanne für ca. 10 Minuten und bei voller Leistung auf
die Herdplatte stellen. In dieser Zeit den Teig aus dem Kühlschrank nehmen, ausrollen, zweimal falten
und dabei darauf achten, dass der Teig eine runde Form erhält und so groß wird, dass er die Oberfläche
der Apfelstücke ganz bedeckt, auflegen, mit zerlassener Butter bestreichen und für 45 Minuten in den
auf 170 Grad, bei Ober- und Unterhitze, vorgeheizten Ofen schieben. Dann sollten sich an dem Innenrand der Pfanne braune, zähe Karamelbläschen zeigen. Ist der Obstsaft noch zu blass und zu dünn, die
Pfanne bei voller Unterhitze auf den Boden des Ofens stellen, bis sich der gewünschte Effekt zeigt. Die
Pfanne aus dem Ofen nehmen und den Kuchen sofort auf einen großen, flachen Teller stürzen, ein wenig hin- und herdrehen, dass sich alle Apfelstücke vom Pfannenboden lösen. Eventuell hängen gebliebene Stücke mit einem Löffel lösen und in die entstandenen Lücken legen. Die Äpfel sollen gleichmäßig
braun sein. Den Kuchen auskühlen lassen. Fertig!
Guten Appetit!
Dieter Schacht
56
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Mixed
Schachaufgabe:
Im Unterschied zur dargestellten Variante überwacht der Läufer c4 nun
das Umwandlungsfeld f1 und der
Turm d5 ist noch immer gefesselt.
Wie gelingt es dem Nachziehenden
trotzdem, Kapital aus dieser Situation zu schlagen?
Sudoku:
Humor
Drei Kinder unterhalten sich, jeder
will etwas mehr angeben. Das erste:
„Wir sind zu Hause drei Kinder, und
jedes hat sein eigenes Besteck!“
Darauf das zweite: „Na und? Wir
sind fünf Kinder, und jedes hat sein
eigenes Zimmer!“ Schließlich das
dritte Kind: „Ist doch gar nichts. Wir
sind acht zu Hause, und jeder hat
seinen eigenen Papi!“
_____________________________________
Zwei Nachbarn treffen sich im Baumarkt: „Sag mal, wie viele Rollen
Tapeten hast du eigentlich für deinen
Flur gekauft?“ – „Zehn waren das!“ –
Nach zwei Wochen treffen sich die
beiden wieder: „Du, bei mir sind sieben Rollen übrig geblieben!“ – „Ja,
bei mir damals auch!“
Hättest Du es gewusst?
Die Lösungen für das Schachproblem und Sudoku stehen auf
Seite 13
Was ist Kunst?
Redaktioneller Nachtrag
Liebe Leser, wie gesehen, hat in der
Ausgabe Nr. 36 vom April 2007 ein
Redaktionsmitglied den Versuch unternommen, sich der Frage: Was ist Kunst?
zu nähern (getreu
dem Motto: redlich, aber vergeblich).
Die Redaktion möchte aus
gegebenem Anlass eine Stellungnahme von Prof.
Lindbert
Fiellaicht zu dieser
Frage nachtragen.
Prof. Fiellaicht
gilt als Koryphäe
auf dem Gebiet
der Bildenden Kunst und Literatur; seine
fundierten, ausgewogenen und behutsamen Analysen genießen internationale
Anerkennung.
Aufsehen erregte jüngst seine jeden
Zweifel ausräumende Erklärung – medienwirksam hat er die Feierlichkeiten
zu seinem 88sten Geburtstag als Veröffentlichungszeitpunkt gewählt – dass die
Frage: Was ist Kunst? klar und ohne
Wenn und Aber beantwortet werden
kann. Was er sodann tat.
hauerischen Mitteln verstanden werden,
auf eine Weise, die beim Betrachter zu
einem bewundernden Erstaunen führt.
Ab dem beginnenden 20sten Jahrhundert muss die Fragestellung präzisiert werden, möchte man eine korrekte
Antwort beibehalten. Die modifizierte
Frage muss lauten: Was ist Moderne
Kunst?
Eine Koryphäe!
Bis zum Ende des 19ten Jahrhunderts hin darf unter Kunst die kunstfertige gestalterische Wiedergabe der Wirklichkeit mit bildmalerischen oder bild-
Moderne Kunst liegt vor, wenn sich
angesichts eines Bildwerkes die zweifache Frage stellt: Wo ist oben? Wo ist
unten? Sollten sich im Zuge der Antwortfindung die Argumente für beide
Betrachtungsweisen (also: oben ist unten
oder: unten ist oben) in etwa die Waage
halten und beim Betrachter ein sich
wunderndes Bestaunen einstellen, dann
darf man mit Fug und Recht von Moderner Kunst sprechen.
Bezogen auf die Kunst der letzten
30 bis 50 Jahre, der so genannten
„zeitgenössischen“ Kunst (Prof. Fiellaicht weist mit viel Fingerspitzengefühl
auf den bedenklich kommunistischen
Klang des Wortes hin), rät er zu einer
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
nochmaligen Verfeinerung der Fragestellung, möchte man die Richtigkeit der
Antwort nicht gefährden: Was ist Modernste Kunst? lautet seine Formel.
Seine Antwort besticht durch ihre
Überzeugungskraft: Steht der Museumsbesucher vor einem Kunstwerk und neben ihm schwebt die wiederum zweifache Frage im Raum: Was ist die Vorderseite des Kunstwerkes? Was ist die
Rückseite des Kunstwerkes? – und wenn
sich statt einer Antwort nur ein Betrachter einfindet, der einem sich über nichts
mehr wundernden Staunen verfallen ist,
dann hat man es mutmaßlich mit Modernster Kunst zu tun.
Die Redaktion hofft, mit diesen
Betrachtungen von Prof. Lindbert Fiellaicht der Frage: Was ist Kunst? den
giftigsten Teil ihres Stachels genommen
zu haben.
RM
57
Mixed
Rätselecke
Die Gewinner des Preisrätsels der letzten Ausgabe sind nach Auslosung durch eine Glücksfee:
1. Preis:
2. Preis:
3. Preis:
Christian H.
André K.
Henning S.
B3
D4
B3
Wir bedanken uns für die Teilnahme und wünschen viel Spaß mit den Preisen.
Lesen hilft lösen!
1.
Wo ist in der JVA das Rauchen erlaubt?
c)
unter der Dusche
d)
auf dem Flur
e)
im Haftraum
2.
Wer kann Mitglied im Hörbuch Club werden?
q)
nur Gefangene, die Haftstrafen von über einem Jahr zu verbüßen haben
r)
nur Gefangene, die über einen CD-Spieler verfügen
s)
nur Bedienstete
3.
Aus welchen Anlass wurden 5 Filme in der JVA vorgeführt?
h)
Oldenburg Filmfestival
i)
JVA Kulturwoche
k)
Präsentation der Arbeitsergebnisse einer Therapiegruppe
4.
Auf welchem Kontinent liegt Kasachstan?
b)
Europa
c)
Asien
d)
Amerika
5.
In welcher JVA ist ein Diagnosezentrum für Straftäter von Sexual– und Tötungsdelikten neu
aufgebaut worden?
t)
JVA Bützow
u)
JVA Hannover
v)
JVA Celle
Die Buchstaben der richtigen Antworten ergeben, in die richtige Reihenfolge gebracht, das Lösungswort.
Viel Spaß beim Lesen und Sortieren!
Einsendeschluss ist der 20. März 2008
Teilnahmeberechtigt ist jeder Inhaftierte der JVA Oldenburg und der angegliederten Anstalten!
Lösungswort: _ _ _ _ _ Name: _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ Station: _ _
Die nachfolgenden Preise werden von der Firma Knefelkamp aus Herford gestiftet. Dafür vielen Dank!
Das Lösungswort sendet bitte an die Redaktion Tr§tzdem, JVA Oldenburg.
Die genaue Adresse entnehmt bitte dem Impressum.
1. Preis:
2. Preis:
3. Preis:
58
1 x eine Torte (freie Wahl)
1 x Kaffee (freie Wahl)
1 x Tabak + Blättchen (freie Wahl)
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Mixed
Adressen die man brauchen kann
Adresse Anlaufstelle
Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige
Kirchdorferstraße 43 a
26603 Aurich
CURA e.V. - Verein für Straffälligenhilfe
Münzstraße 5
38100 Braunschweig
Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige
Jägerstraße 25 a
29221 Celle
Gefangenenfürsorgeverein Cuxhaven
Mariestr. 50
27472 Cuxhaven
Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige
Düsternortstraße 51
27755 Delmenhorst
Anlaufstelle für Straffällige
Königsallee 254
37073 Göttingen
Anlaufstelle für Straffällige
Ostertorwall 7
31785 Hameln
Diakonie, Beratungsstelle für Straffällige
Hagenstraße 36
30161 Hannover
Telefon
04941
62828
0531
16166
05141
9461620
04721
38483
04221
962011
0551
632977
05151
43820
0511
9904020
Adresse Anlaufstelle
Straffälligenhilfe e. V.
Roonstraße 10
31141 Hildesheim
Anlaufstelle für Straffällige
Rheiner Str. 32
49809 Lingen
Anlaufstelle für Straffällige
Auf dem Meere 3
21335 Lüneburg
Anlaufstelle für Strafffällige
Dobbenstraße 26
26122 Oldenburg
Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige
Lohstraße 9
49074 Osnabrück
Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige
Am Schwingedeich 4
21680 Stade
Gefangenenfürsorgeverein Vechta
Blumenstr. 8
49377 Vechta
Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige
Weserstraße 192
26382 Wilhelmshaven
Telefon
05121
33348
0591
9124722
04131
244470
0441
9709313/
14
0541
94049300
04141
3013
04441
2503
04421
926528
Wohnmöglichkeiten
Institution
Adresse
Diakonisches Werk der ev.-luth. Kirchenkreise
Delmenhorst und Ganderkesee
Düsternortstr. 51, 27755 Delmenhorst
Übernachtungsstelle für Obdachlose
Kolpingstraße 254, 37079 Göttingen
Göttinger Verein für Sozialberatung Betreutes Wohnen e. V.
Königsallee 254, 37079 Göttingen
Aktiv b+w e. V.
Alte Marktstraße 34, 31785 Hameln
KWABSOS o. V.
Immengarten 49, 31134 Hameln
Kath. Verein für soziale Dienste in Lingen e. V.
Bögenstraße 8, 49808 Lingen
Diakonisches Werk der ev.-luth. Kirche in Oldenburg e. V.
(nur Vermittlung, kein eigenes Wohnangebot)
Dobbenstraße 26, 26122 Oldenburg
Ev.-luth. Gesamtverband Osnabrück
Arndtstraße 19, 49008 Osnabrück
Laurentius - Haus
Berghoffstraße 15, 49090 Osnabrück
Arbeitskreis Schule Rhauderfehn e. V.
Am Heidacker 2, 26817 Rhauderfehn - Burlage
Ev.-luth. Kirchenkreis Stade
Am Schwingedeich 4, 21680 Stade
Oftmals bieten auch die Anlaufstellen für Straffällige, wie z. B. in Oldenburg und Wilhelmshaven,
Wohnmöglichkeiten. Fragt dort einfach mal nach.
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
59
Mixed
Adressen der Agentur für Arbeit
Agentur für Arbeit
Wilhelmstraße 7
26160 Bad Zwischenahn
Agentur für Arbeit
Weserstr. 2
26919 Brake
Agentur für Arbeit
Konrad-Adenauer-Allee 1
27471 Cuxhaven
Agentur für Arbeit
Pingel-Anton-Platz 5
49661 Cloppenburg
Agentur für Arbeit
Friedrich-Ebert-Allee 11
27749 Delmenhorst
Agentur für Arbeit
Thüler Straße 3
26169 Friesoythe
Telefon
04403
9388 0
04401
9387 0
04721
664660
04471
9489 0
04221
9800 0
04491
9241 0
Adressen der Agentur für Arbeit
Agentur für Arbeit
Marktstraße 12c
26954 Nordenham
Agentur für Arbeit
Stau 70
26122 Oldenburg
Agentur für Arbeit
Neuer Markt 30/32
49377 Vechta
Agentur für Arbeit
Mühlendamm 1
27793 Wildeshausen
Agentur für Arbeit
Schillerstr. 43-49
26382 Wilhelmshaven
Telefon
04731
9498 0
0441
228 0
04441
946 0
04431
9371 0
04421
298 0
Leserbeitrag
Gedanken zu Weihnacht
Dem Herzen wird es warm
durch die Weihnachtsgans im Darm.
Gut, eine Weihnachtsgans werden
die wenigsten von uns dieses Jahr
essen. Trotzdem wird es so manchem flau im Magen, wenn er an die
Familie draußen denkt.
Nun frage ich mich allerdings,
was das Gejammer soll. Jeder von
uns wusste vorher, was er anstellt
(abgesehen von denen, die wirklich
unschuldig sind, logisch!). Ansonsten gilt: Jeder ist erwachsen genug,
zentnerschwere Weiber zu stemmen
– was ja auch oft genug kolportiert
wird –, aber kaum sind die Leute
hier, geht das Gegreine los. Wem es
in der Küche zu heiß ist, der darf
kein Koch werden. Also, bitte hört
auf, den anderen die Ohren voll zu
jammern. Jeder hier hat seine Probleme, und die sind nicht nur an die
Weihnachtszeit gebunden. Im Übrigen sollten sich die Weihnachtsheuler mal fragen, warum ausgerechnet
an diesen Tagen die Rührseligkeit
so groß ist; denkt ihr an den anderen
60
Tagen nicht an die Familie, vermisst
ihr sie ansonsten nicht, oder waren
eure Weihnachtstage draußen immer nur Friede, Freude, Eierkuchen? Ich für meinen Teil, ich muss
ganz ehrlich sagen: Genau betrachtet gab es bei uns ausgerechnet zu
Weihnachten so manchen Streit.
Das ging beim Schmücken des Baumes los und endete so einige Male
mit einem langen Gesicht, wenn die
Geschenke unter dem schicken Papier zum Vorschein kamen.
Also, was soll’s. Grinst euch
eins, auch wenn es am Anfang
schwer fällt. Nehmt
euch einen spannenden Roman, eine humorvolle Story oder
sonst was zur Hand.
Stellt euch in die Küche, kocht was leckeres, spielt Karten,
geht sporteln.
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Es gibt genug zu tun; fangt
schon mal an.
Ein halbwegs geruhsames Fest
und ein besseres Jahr, als es das
vergangene war, wünscht euch der
Bücherwart!
Dieter Schacht
Mixed
In unserer Ausgabe Nr. 37 September 2007 hatten wir ein
SUPERQUIZ FÜR GANZ HARTE JUNGS
vorgestellt. Es lautete:
„Ich habe zwölf Kugeln, Oberfläche und Größe sind gleich. Eine dieser Kugeln ist
schwerer
oder
leichter
als die anderen elf. Mit einer Balkenwaage und drei Wiegeversuchen ist zu bestimmen, welche der Kugeln
fehlgewichtig ist, und ob sie schwerer oder leichter ist.“
Mit Verstand oder Ausdauer wurde die Aufgabe gelöst von:
Lasse Willms (leider außer Konkurrenz)
Für diejenigen, die nun Zweifel an der Lösbarkeit hatten: Hier die
Lösung:
Zur Erklärung werden die Kugeln von 1 bis 12 nummeriert. Zuerst teilt man die zwölf Kugeln in drei Vierer-Gruppen. Nur so ist eine Lösung möglich.
Erster Wiegegang:
Es werden die ersten zwei Vierergruppen, also die Kugeln 1 – 4 und 5 – 8, auf die beiden Waagschalen gelegt.
Es gibt drei Möglichkeiten:
I.
Die Waage ist im Gleichgewicht. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, die Kugeln 1 – 8 sind vom Gewicht her gleich, das heißt, es
sind Referenzkugeln, und die fehlerhafte Kugel muss unter den verbliebenen Kugeln der dritten Gruppe sein.
Zweiter Wiegegang:
In die Schale A werden drei Referenzkugeln, 1, 2 und 3 gelegt, in Schale B die Kugeln 9, 10 und 11.
Wieder gibt es drei Möglichkeiten:
a. Es herrscht erneut Gleichgewicht, das heißt, die Kugel 12 muss die Fehlgewichtige sein.
Dritter Wiegegang in diesem Fall:
Es wird eine Referenzkugel, die 1, in Schale A gelegt, Kugel 12 in Schale B. Senkt sich Schale A, so ist die Kugel 12 leichter, senkt
sich Schale B, ist die Kugel 12 schwerer als die anderen.
b. Es hat sich im zweiten Wiegegang die Schale A gesenkt, so heißt das, dass eine der Kugeln 9, 10 oder 11 leichter sein muss.
Dritter Wiegegang:
In diesem Fall wird Kugel 9 in Schale A gelegt, Kugel 10 in Schale B. Senkt sich Schale A, so ist Kugel 10 leichter, senkt sich Schale B, ist Kugel 9 leichter als die anderen. Herrscht erneut Gleichgewicht, lautet die zwingende Schlussfolgerung, dass Kugel 11 die
Leichtere ist.
c. Es hat sich im zweiten Wiegegang Schale B gesenkt, so bedeutet das, dass eine der Kugeln 9, 10 oder 11 schwerer sein muss als die
anderen
Dritter Wiegegang in diesem Fall:
Kugel 9 in Schale A gelegt und Kugel 10 in Schale B. Senkt sich Schale A, so ist Kugel 9 schwerer, senkt sich Schale B, ist Kugel
10 schwerer als die anderen. Herrscht erneut Gleichgewicht, lautet die zwingende Schlussfolgerung, dass Kugel 11 die schwerere
ist.
Das sind alle Möglichkeiten, die sich aus einem Gleichgewicht im 1. Wiegeversuch ergeben.
II.
III.
Im ersten Wiegeversuch senkt sich Schale A, so kann nur von den Kugeln 9 – 12 mit Sicherheit gesagt werden, dass sie Referenzkugeln
darstellen.
Nun werden aus Schale A drei Kugeln (1, 2 und 3) genommen und zur Seite gelegt. Kugel 4 wird aus Schale A in Schale B gelegt, Kugel 5
von Schale B in Schale A. Dazu werden drei Referenzkugeln, 9, 10 und 11, in Schale A gelegt. In beiden Schalen sind wieder vier Kugeln.
Ist in diesem zweiten Wiegegang Gleichgewicht, so heißt das, da sich ja im ersten Wiegegang II Schale A gesenkt hat, dass entweder Kugel 1, 2 oder 3, die auf der Seite liegen, schwerer ist.
Dritter Wiegegang in diesem Fall:
Kugel 1 ist in Schale A, Kugel 2 in Schale B: Senkt sich Schale A, so ist Kugel 1 die Schwerere, senkt sich Schale B, so ist es die Kugel
2. Herrscht Gleichgewicht, ist es die 3.
Senkt sich im zweiten Wiegegang der Möglichkeit II erneut Schale A, so sind die nachstehenden Schlussfolgerungen zwingend: Kugel 4,
die von Schale A in Schale B gelegt wurde, muss eine Referenzkugel sein, da sich im ersten Wiegegang II auch die Schale A gesenkt hatte.
Wäre das geschehen, weil Kugel 4 schwerer gewesen ist, so hätte sich diesmal Schale B senken müssen. Weiter ist zwingend, dass auch
Kugel 5 in Ordnung ist. Da sie in Schale B lag, die im Wiegeversuch II nach oben kam, hätte sie leichter sein müssen; demzufolge hätte
sich im zweiten Wiegeversuch nach II Schale A heben müssen.
Bleibt als zwingende Schlussfolgerung, dass entweder Kugel 6, 7 oder 8 leichter sein muss als die anderen, denn die verbleibenden Kugeln
9, 10 und 11 des zweiten Wiegeversuchs nach II sind Referenzkugeln.
Dritter Wiegegang in II:
Kugel 6 ist in Schale A, Kugel 7 in Schale B: herrscht Gleichgewicht, ist Kugel 8 leichter, senkt sich Schale A, so ist es die 7, senkt sich
Schale B, die 6.
Im ersten Wiegegang senkt sich Schale B.
Auch hier beschränken sich die Referenzkugeln auf die dritte Vierergruppe.
Bei den weiteren Wiegevorgängen geht man genauso vor, wie unter II, nur, dass nach der Entnahme von drei Kugeln, 9, 10 und 11 aus
Schale B, diese mit den drei Referenzkugeln aufgefüllt wird.
Die weiteren Lösungen sind analog zu II.
Dieter Schacht
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
61
Tr§tzdem
Themen der nächsten Ausgabe
(voraussichtlich)
Sportturniere
• Berichte, Informationen
Fotos
und
Fotos
Impressum
Herausgeberin
JVA Oldenburg
Cloppenburger Straße 400
26133 Oldenburg
Tel: 0441-4859 380
Fax:0441-4859 33 380
Redaktionsteam
Udo Müller (UM)
(hauptamtlicher Redakteur)
Top-Thema: Untersuchungshaft
• Untersuchungshaft! Was nun?
• Rechtliche Grundlagen
• Soziale Probleme
Die künstlerische Kreativität
von Menschen hinter Gittern
braucht ihren Raum.
[email protected]
Kontakt
über Wilfried Dannebaum
• Weihnachtsturniere
Kunst hinter Gittern:
Gittern
Gefangene stellen aus
Joachim G. (JG)
DK
Markus Lanfer (ML)
Christian Menig (CM)
(ab November 2007)
RM
(bis September 2007)
Stephan M. (SM)
(bis Oktober 2007)
Dazu hatte die „Tr§tzdem“
alle Gefangenen aufgefordert,
ihre selbst gezeichneten oder
gemalten Bilder, ob farbig
oder schwarz/weiß zur Veröffentlichung einzusenden.
Wir möchten auch zukünftig
in dieser Zeitung viele Bilder
präsentieren, ob nun in der
Galerie oder zwischendurch
mal wieder als Postkarten,
und rufen alle Künstler auf:
Dieter Schacht (DS)
(bis September 2007)
Sven Stamm (SSt)
(ab Oktober 2007)
Neues zur StrafvollzugsGesetzgebung
• Das NJVollzG
Lasse Willms (LW)
Auflage
750 Exemplare,
3 Ausgaben jährlich
Layout
UM
Veranstaltungen in der JVA
• Andreas Veiel: „Der Kick“,
ein Filmprojekt
Mitmachen!
Diesmal zeigen wir Postkarten auf den beiden letzten
Seiten.
Die Vorlagen für die Postkarten überließ uns:
Druck
Medienhaus Rösemeier
Alte Dorfstr. 42
26160 Bad Zwischenahn-Ofen
Jänis Bleiers
Internet
http://www.jva-oldenburg.de
Hinweis
Die “Tr§tzdem” ist vorlagepflichtig.
Und vieles mehr über das, was Leib
und Seele zusammen hält.
Wir sind dankbar über jeden
Artikel, jede Geschichte oder
einen Leserbrief. Namentlich
gekennzeichnete Artikel geben
nicht unbedingt die Meinung
der Redaktion wieder.
Die präsentierten Formate entsprechen nicht
den Originalformaten
62
Tr§tzdem 2007 Nr. 38
Tr§tzdem © 2007
Tr§tzdem © 2007
Tr§tzdem © 2007
Tr§tzdem © 2007