Steinen (Gemeinde) - Historisches Lexikon der Schweiz

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Steinen (Gemeinde) - Historisches Lexikon der Schweiz
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07/11/2012 |
Steinen (Gemeinde)
Polit. Gem. SZ, Bez. Schwyz. Haufendorf zwischen Rossberg und
Lauerzersee. 1124 Steina. 1850 1'570 Einw.; 1900 1'420; 1950 1'751;
1980 1'998; 2000 2'775. Angesichts der wenigen Einzelfunde ist eine
dauerhafte Besiedlung des Gebiets von S. vor dem MA
unwahrscheinlich. Die Gf. von Lenzburg verfügten im 11. Jh. über
umfangreichen Grundbesitz in S. Sie traten auch als Stifter der 1124
erstmals erw. Kirche auf. Ihr Besitz ging in der Folge auf die Kyburger
über. Auch das Kloster Einsiedeln verfügte im 13. Jh. über Rechte.
Einige Güter in S., die zum grundherrl. Hof Arth gehörten, waren um
1300 noch im Besitz der Habsburger. Trotzdem ist der Raum S. zu
diesem Zeitpunkt bereits als Teil des Landes Schwyz zu betrachten. Die
in S. ansässige Fam. Stauffacher - sie könnte Besitzerin des Wohnturms
gewesen sein, der heute in das Gasthaus Krone integriert ist - stellte
um 1300 mehrere Landammänner, zudem beteiligten sich Leute aus S.
an den Raubzügen in das Gebiet des Klosters Einsiedeln. Die Kirchhöre
S., die sich nach dem Ende des Marchenstreits 1350 über Steinerberg
und Sattel bis nach Rothenthurm und in die Altmatt erstreckte, bildete
eines der vier bzw. sechs Viertel des Landes Schwyz. Im 14. Jh. führte
ein Fahrweg von Schwyz über S. nach Sattel und an den Zürichsee. Aus
dem 14. Jh. stammt ein Gemeindebackofen, das zweitälteste Exemplar
dieser Art in der Schweiz.
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Gemäss archäolog. Erkenntnissen muss am Standort des Gotteshauses bereits im 9. Jh. ein Vorgängerbau
gestanden haben, der im 12. Jh. erweitert und neu geweiht wurde. Die Errichtung der heutigen got. Kirche
(Jakobuspatrozinium) erfolgte 1318, eine Chorerweiterung 1540. Die Kirche wurde 1660-70 barockisiert und
2003 restauriert. Die Patronatsrechte gelangten von den Lenzburgern über die Kyburger an die Habsburger;
einen Viertel dieser Rechte beanspruchte das Kloster Einsiedeln. 1433 übertrug Kg. Sigismund die habsburg.
Patronatsrechte den Schwyzern; 1465 verzichtete der Abt von Einsiedeln auf seine Ansprüche. Die
Kirchgenossen von S. erhielten das Pfarrwahlrecht aber erst 1636 vom Land Schwyz. Die spätestens ab 1349
als Filiale von S. bestehende Pfarrei im Sattel kurte sich in zwei Schritten 1394 und 1598 ab. Steinerberg, das
ebenfalls zu S. gezählt hatte, wurde 1646 zur Pfarrei erhoben. Zum Kirchenbezirk in S. gehört auch das 1509
geweihte Beinhaus. Am Weg nach Schwyz liegt die spätgot. Stauffacherkapelle (um 1470), an demjenigen
nach Arth die St. Vinzenzkapelle (1618), an der Route zum Frauenkloster, das von der Mitte des 13. bis in die
Mitte des 17. Jh. bestand, die Kapelle zum Grossen Herrgott (1691-93) sowie im Chorbereich des
abgegangenen Klosters die Kapelle der Schmerzhaften Mutter in der Au (1691).
S. kam im ausgehenden MA als Marktplatz regionale Bedeutung zu. 1416 wird der Viehmarkt am St.Mauritius-Tag (22. September) erstmals genannt; zudem fand in S. regelmässig ein Pferdemarkt statt. 1572
ist die noch zu Beginn des 21. Jh. existierende Obermühle in S. belegt. Lange eine Mais- und Futtermühle,
wurden ihr 1932 eine Weizenmühle und 1953 die Kraftfutterproduktion angegliedert. Die Untermühle ist ab
1715 nachgewiesen, dürfte aber älter sein. Als Durchgangsort hatte S. bis ins 19. Jh. einige Bedeutung. Mit
dem Bau der Schlagstrasse 1859-64, die Schwyz direkt mit Sattel verband, wurde S. dann vom Verkehr
zwischen Schwyz und dem Zürichsee abgeschnitten. Trotz des Baus der Gotthardbahn (1882), die neue
wirtschaftl. Impulse brachte, sahen sich viele Bewohner von S. zwischen 1880 und 1930 zum Auswandern
gezwungen. Arbeit boten damals ausser der Landwirtschaft, die sich auf die Viehwirtschaft, die
Käseproduktion und den Obstbau (Kirschen) konzentrierte, die am oberen Laufe der Steineraa gelegenen
Hammerschmieden, die vom 18. bis ins frühe 20. Jh. von einiger Bedeutung waren. Vom späten 19. Jh. an
erlangten die beiden Mühlen als Arbeitgeber ein grösseres Gewicht, wobei die Obermühle ab 1893 das Dorf
mit Elektrizität versorgte. Erst 1912 erfolgte der Anschluss S.s an das zentrale Stromnetz. Für nationale
Schlagzeilen sorgte im Sept. 1942 die Verhaftung eines Müllers aus S. wegen umfangreicher
Schwarzhandelsgeschäfte. Unter der im Unwissen gelassenen Bevölkerung kam es zum Aufstand, wobei
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Beamte, die am 22. Sept. zu Abklärungen angereist waren, festgesetzt wurden. Trotz deren Freilassung am
gleichen Tag und der öffentl. Klärung des Sachverhalts am 23. Sept. blieb die Lage angespannt. Die Schwyzer
Regierung hatte inzwischen Truppen angefordert - aufgeboten wurden 3'700 Mann -, mit deren Hilfe S. am 29.
Sept. umstellt und die zuvor verhinderte Bestandesaufnahme im Betrieb des Müllers durchgeführt wurde. Elf
beschuldigte Aufrührer kamen in Untersuchungshaft. Im Dez. 1944 wurden 18 Steiner zu Haftstrafen
verurteilt. In jüngerer Zeit erlebte S. eine zurückhaltende, aber kontinuierl. Entwicklung. Die seit 1930
bestehende Rohrmöbelfabrik der Horst AG produzierte ab 1968 vorwiegend Polstermöbel. Daneben haben
sich einige Kirschbrennereien und Betriebe der Kunststoff- und Lederwarenverarbeitung in der Gem.
angesiedelt. S. war Standort eines eidg. Zeughauses (2007 Kauf durch die Gem.) und beherbergt eine
Mittelpunktschule. In der Landwirtschaft, die 2005 noch knapp 20% der Arbeitsplätze in der Gem. stellte,
spielt der Obstbau nach wie vor eine wichtige Rolle.
Literatur
– O. Imbach et al., S.: Beitr. zur 650-Jahrfeier der Pfarrkirche St. Jakob 1318-1968, 1968
– U. Affolter et al., S., 1987
– H.R. Fuhrer, F. Vincenz, «Der "Steiner Aufstand" 1942», in ASMZ, 2005, Nr. 171, H. 6, 25-34 (Beil.)
– E. Horat, «Der Steiner Handel», in MHVS 100, 2008, 112-115
– M. Kälin, «Die Stauffacher und die Stauffacherin - oder endlich eine Frau in der Schwyzer Gesch.!», in MHVS
100, 2008, 108-111
Autorin/Autor: Andreas Meyerhans
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