El Muisca Rundbrief Nr. 5, August 2011

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El Muisca Rundbrief Nr. 5, August 2011
El Muisca
Rundbrief Nr. 5, August 2011
Rosmarie Schoop, Bogotá, Kolumbien
Wenn nichts anderes steht: Fotos von Rosmarie Schoop
Die Kolumbianer verehren die Jungfrau Maria und El divino niño, das göttliche Kind.
El divino niño ist in Kolumbien ein heiliges Symbol, dem man immer wieder begegnet. Auf Seiten 5 und 6 findet ihr
anderes, was für mich „typisch Kolumbien“ beziehungsweise „typisch Bogotá“ ist.
Liebe Daheimgebliebene:
Bei ILSA stehe ich etwas unter Druck: Bis Ende dieses Jahres müssen
Yolanda und ich als Kommunikationsabteilung vorweisen, was wir
geleistet haben. Im Bereich der organisationellen Kommunikation war
dies bis jetzt nicht ausgesprochen viel. Erstens, weil uns kein Peso zur
Verfügung steht und unser Handlungsspielraum entsprechend
eingeschränkt ist, und zweitens, weil dies nicht mein Spezialgebiet ist. Ich
hoffe, in den nächsten Wochen einen Studenten oder eine Studentin mit
diesem Fachgebiet für ILSA gewinnen zu können. In einem Team arbeitet
es sich einfacher und produktiver.
Ich wünsche euch einen schönen Spätsommer und einen farbigen Herbst.
Die Jahreszeiten in der Schweiz sind schon etwas Besonderes!
Viele herzliche Grüsse
Rosmarie
Inhaltsverzeichnis
Die Arbeit meiner ILSA-Kolleginnen und -Kollegen
Mein Beitrag
Mit Andrea im Abgeordnetenhaus
Eindrücke von „meinem“ typischen Kolumbien
Kontakt / Interteam
Erfahrungen einer Ausländerin
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Die Arbeit meiner ILSA-Kolleginnen und -Kollegen
Ich bemängle noch immer, dass die ILSAMitarbeitenden kein institutionales Bewusstsein haben. Das heisst, sie kümmern sich ausschliesslich um ihre Projekte und nicht um
ILSA. Ihren Lohn beziehen sie denn auch von
den Geldgebern, welche die Projekte finanzieren. Dies sind zum Beispiel die EU, das deutsche Hilfswerk Misereor, die US-amerikanische Stiftung Mott oder die Schwedische Botschaft in Bogotá. Dass sie nicht um die Profilierung ILSA’s besorgt sind, äussert sich unter
anderem darin, dass nur wenige Arbeitskollegen Dokumentation ihrer Projekte an Yolanda
und mich, die Kommunikationsabteilung, weiterleiten. Auch der ILSA-Direktor weiss um
diesen Umstand. Er meinte, wenn Allah nicht
zum Berg kommt, dann muss halt der Berg zu
Allah. Sprich: Yolanda und ich müssten die
Kollegen immer wieder um die gewünschte
Info bitten. Einige Male haben wir dies getan,
der Erfolg war mässig und wir frustriert. Yolanda und ich brauchen viel Eigenmotivation für
unsere Arbeit.
Drei grosse Projekte
Nachfolgend drei grosse Projekte von ILSA,
damit ihr einen Eindruck bekommt, was meine
Arbeitskollegen machen.
Projekt: Verstärkung der Mitbeteiligung der
kolumbianischen Zivilbevölkerung, regionaler
Miteinbezug und Investitionen in die Infrastruktur Kolumbiens.
Dauer: September 2010 bis August 2012
Finanzierer: Stiftung Mott
Ziel: Überwachung und Analyse der Auswirkungen der kolumbianischen Politik, Pläne und
Investitions-Programmen, die in Verbindung
stehen mit dem Wirtschaftsmodell, das auf den
Abbau natürlicher Ressourcen abzielt.
Projekt: Vorantreiben der Prozesse der Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung von
Personen in der Region des kolumbianischen
Pazifiks, deren Menschenrechte verletzt
wurden.
Dauer: Juli 2010 bis Dezember 2011
Finanzierer: Project Counseling Service
Ziel: Beitrag zur Stärkung der Opfer-Bewegung. Diese ist die Schlüsselfigur der Zivilgesellschaft für die Errichtung eines ausgehandelten und nachhaltigen Friedens, die Stärkung der Demokratie und des Sozialstaates.
Projekt: Bauernmärkte Phase IV
Dauer: September 2010 bis Dezember 2011
Finanzierer: The Oxford Committee for
Famine Relief (Oxfam), Secretaria de
Desarrollo Económico, Bogotá
Ziel: Stärkung der Vermarktungs-Strategie der
Produkte der Bauern-Wirtschaft in den Lebensmitteln-Märkten Bogotás und der zentralen Region Kolumbiens durch die so genannten “Neuen Bauernmärkte”.
65 Prozent der Lebensmittel, welche
die Bogotaner verbrauchen, werden
von Bäuerinnen und Bauern geliefert.
Mit dem Projekt “Mercados
Campesinos” trägt ILSA dazu bei,
den Bauernstand in der zentralen
Region Kolumbiens rund um Bogotá
zu stärken. Zweimal im Jahr findet
ein Bauernmarkt auf der grossen
Plaza de Bolívar im historischen
Zentrums Bogotás statt. Jeden
zweiten Samstag bieten Bäuerinnen
und Bauern ihre Produkte in zehn
Parks der Hauptstadt an. Während
2010 konnten diese kleinen
Produzenten ihren Umsatz um 52
Prozent steigern.
Mein Beitrag
Bis jetzt habe ich im 2011 zwei Ausgaben des
elektronischen Magazins Portavoz herausgebracht. Der erste beinhaltete Interviews und
Artikel über das Landproblem in Kolumbien,
der zweite hatte die so genannte consulta previa zum Thema. Dies ist das in der Verfassung von 1991 festgehaltene Recht der indigenen Bevölkerung Kolumbiens, vor einem Bau
eines Projekts auf ihrem Gebiet hinzugezogen
zu werden. Theoretisch gibt es den Indigenen
ein Mitspracherecht, praktisch wird dieses von
den multinationalen Konzernen oft übergan-
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gen. Der dritte und letzte Portavoz dieses Jahres handelt von Megaprojekten in Kolumbien
und deren kulturelle, soziale und Umwelt-zerstörende Folgen für die Bevölkerung.
Seit diesem Jahr versenden Yolanda und ich
die so genannten ILSA-noticias an Botschaften, Konsulate und Medien. Darin veranschaulichen wir die Arbeit von ILSA. Mit den jungen
Menschen des International Peace Observatory, IPO, arbeite ich seit ungefähr einem Jahr
zusammen. IPO macht in etwa dieselbe Arbeit
wie die International Peace Brigades: Sie begleitet Mitglieder von Menschenrechts-Organisationen und Journalisten in konfliktive, gefährliche Gebiete. Zwischen IPO und ILSA besteht
nun eine Vereinbarung, die ich initiiert habe:
IPO liefert ILSA aktuelle Informationen über
konfliktive Gebiete im Land, wenn diese dies
wünschen und ILSA unterrichtet IPO bei Bedarf über neue Gesetze im Land. Ich war
schon dreimal bei IPO, wo ein ILSA-Kollege
zum Beispiel über das neue Landgesetz von
Präsident Juan Manuel Santos referierte. Die
Begleit-Dienste von IPO hat bis jetzt nur ein
ILSA-Kollege beansprucht. An unserer Pinwand hängen seit über einem halben Jahr
Reiseempfehlungen in konfliktive Gebiete.
Diese habe ich unter anderem mit IPO
erarbeitet.
Kreativität ist gefragt
Bis Ende Jahr ist Cindy von der Universität
Santo Tomás bei uns. Mit dieser Universität
haben wir eine entsprechende Vereinbarung,
einen Vertrag, der Rechte und Pflichten sowohl
ILSA’s auch der Studentin beinhaltet. Ich gebe
Cindy Aufträge und Rückmeldungen, und zusammen haben wir schon einige Male grössere Anlässe von ILSA abgedeckt. Auch für die
Zwischenbewertungen von Cindy bin ich zuständig. Nach Abschluss des letzten Semesters sass ich zusätzlich mit der Koordinatorin
der Praktikumseinsätze zusammen. Ich hoffe,
in den nächsten Wochen stösst noch ein Student oder eine Studentin mit dem Fachgebiet
„organisationelle Kommunikation“ zu uns. Es
besteht schon viel Geschriebenes, aber Yolanda und ich können nur umsetzen, was nichts
oder nur wenig kostet. Für die Kommunikationsabteilung ist ja kein Geld vorgesehen.
Yolanda platziert regelmässig Meldungen von
ILSA auf Twitter und bald verteilen wir eine CD
mit dem Portefeuille von ILSA an die Mitarbeitenden, die dies wünschen. Eine Dokumentation über ILSA ist für mögliche Geldgeber unerlässlich. Die englische Übersetzung habe ich
gemacht, Yolanda muss alles nur noch in ein
html-Dokument verwandeln und wir brennen
die CD mit dem Portefeuille in den beiden
Sprachen. Für ein Portefeuille in Papierform,
das schon vor Monaten von unserem Direktor
konzipiert worden war, ist kein Geld vorhanden. Unsere bescheidenen Kosten belasten
wir dann irgendeinem Projekt. Es wäre gut,
wenn jeder ILSA-Kollege von seinem ProjektBudget monatlich etwas abzwacken müsste für
die Kommunikation. Aber freiwillig macht dies
niemand.
Ein Bürojob
Es war nie vorgesehen, dass ich arbeitshalber
aus Bogotá rauskomme. Nach eineinhalb Jahren bin ich nun aber doch etwas müde, immer
nur im Büro zu sein. Gerne würde ich eine andere Realität Kolumbiens kennen lernen, bevor
ich das Land nächstes Jahr verlasse. Eigentlich sollte ich die Projekte der ILSA-Kollegen
veranschaulichen. Aber wie, wenn ich sie nicht
auf ihren Reisen begleiten kann? Wie gesagt
liefern sie kaum Information, auch keine Fotos.
Ich merke, dass die Anforderungen an mich
hoch sind; zugleich habe ich weder finanzielle
noch sonstige Unterstützung.
Schreiben für WinterthurerInnen
Was ich sehr gerne mache, ist das Schreiben
von Artikeln, auch auf Deutsch. Bis jetzt sind
vier Beiträge von mir in der Winterthurer Zeitung erschienen. Diese Zeitung gelangt einmal
pro Woche gratis an alle Haushalte Winterthurs, die keinen entsprechenden Kleber am
Briefkasten haben. So konnte ich schon einige
Sensibilisierungsarbeit leisten. Über Kolumbien
liest man in der Schweiz und anderswo ja
kaum etwas, was über die Drogenproblematik
hinausgeht.
www.winterthurer-zeitung.ch
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Mit Andrea im Abgeordnetenhaus
Andrea ist eine junge Anwältin bei ILSA. Einer
ihrer letzten grossen Erfolge war die Suspendierung des Baus des Hafens Puerto Brisa in der
Gemeinde Dibulla im Departement Guajira im
Nordosten Kolumbiens. Von der kolumbianischen
Regierung wird der Bau des Hafens als wirtschaftliche Entwicklung für das Land angesehen:
Der Export von Gütern wie Erdöl und Kohle
würde den internationalen Handel ankurbeln und
den Lebensstandard der umliegenden Volksgruppen erhöhen. Laut der kolumbianischen Verfassung von 1991 haben die indigenen Völker das
Recht mitzuentscheiden, was wann auf ihrem
Gebiet gebaut wird. Andrea hat nachgewiesen,
dass dies beim Bau von Puerto Brisa nicht der
Fall war. Mehr noch: Der Hügel Jukulwa, einer
der heiligen Orte der dort ansässigen Volksgruppe Kogi, wurde durch die Bautätigkeiten in zwei
Teile gespalten. Am 3. August 2011 fand im Abgeordnetenhaus in Bogotá die nationale öffentliche Anhörung „Die Politik des Bergbau- und
Energiesektors und deren Auswirkungen auf die
Territorien“ statt. Anwesend waren Politiker und
Vertreter von Volksbewegungen und Minenarbeiter. Senator Alexander López des Polo Democrático Alternativo, einer linksgerichteten Partei, hatte die Anhörung einberufen. Sie wurde vom Fernsehsender Canal de congreso landesweit live
übertragen.
Eine kleine Reportage
Mit fast zwei Stunden Verspätung, kurz vor 10
statt um 8 Uhr, beginnt die öffentliche Anhörung
mit der kolumbianischen Landeshymne, zu der
alle aufstehen. Viele singen mit, manche halten
sich die rechte Hand auf die linke Brust. Im Saal
befinden sich viele indigene Kolumbianer. Viele
von ihnen haben sich schon am Samstag auf den
Weg gemacht. Erst heute Mittwoch in der Früh
sind sie in Bogotá eingetroffen. Nach unzähligen
Grussworten und Danksagungen beginnt der
eigentliche Anlass, der aus vier Blöcken besteht.
„Präsident Juan Manuel Santos hat bei seiner
Amtsaufnahme Kolumbien zu einem Bergbauland
erklärt und angekündigt, dass es in den nächsten
Jahren zu einem Wirtschaftswachstum kommen
wird“, sagt Senator López. Von einem Agrarland ist
Kolumbien zu einem Bergbauland katapultiert
worden. Dies habe zu vielen irreversiblen Auswirkungen auf die Umwelt und zu vier Millionen vertriebener Menschen geführt. „Das Land muss das
Ausmass des Problems erkennen“, sagt López.
Das Wasserkraftwerk El Quimbo
Ein Video wird gezeigt, man sieht tote Fische. Der
Ton fehlt. Miller Dussán, ein Ingenieur, der an der
Spitze des Widerstandes gegen die Aktivitäten
des Wasserkraftwerks El Quimbo steht, rügt die
Organisatoren, das Abspielen des Videos nicht
vor dem Anlass geübt zu haben. „Das ist Sabotage; man will nicht, dass wir diesen Film sehen“,
sagen einige. Dann klappt es doch noch. Es geht
um das Megaprojekt El Quimbo des Konzerns
Emgesa im Departement Huila. Das Kapital des
Unternehmens kommt aus Italien und Spanien.
Fischer im Video sagen, dass der Magdalena, der
grösste Fluss Kolumbiens, verseucht ist, und die
Fische darin verenden. Man sieht den Umweltminister, wie er am 11. Juli 2011, mit den Fischern
spricht und sie besänftigt. Er weiss von nichts.
Drei Tage später besuchen junge italienische
Journalisten den Fluss im Gebiet Vereda Domingo
Arias. „Wir sind Zeugen der Verseuchung“, sagt
der Italiener. „Keine Ahnung, was für eine
Flüssigkeit im Fluss ist.“
Forderungen der Betroffenen
Im Saal befinden sich 100 Vertreter der Vereinigung Asoquimbo. Mitglieder sind Betroffene des
Megaprojekts El Quimbo. Trotz diverser aktiver
geologischer Fehler auf dem Gebiet erteilte das
Umweltministerium die so genannte „Umweltgenehmigung“, welche Bautätigkeiten erst ermög-
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licht. „Wir verlangen, dass die Studien aktualisiert
werden“, sagt ein Vertreter von Asoquimbo und
überreicht Minister López eine Dokumentenmappe, welche die Verschmutzung des Río Magdalena veranschaulicht. „Wir fordern die Suspendierung der Arbeiten und die Einleitung einer Untersuchung gegen Emgesa über die Verletzung der
kulturellen, sozialen und Umwelt-Menschenrechten“, sagt der Vertreter. Ausserdem fordert
Asoquimbo eine finanzielle Entschädigung für
die Ansässigen, die entweder keine Arbeit mehr
haben oder in deren Ausübung stark behindert
sind. Ingenieur Dussán erinnert daran, dass durch
Arbeiten von Emgesa rund 500 archäologische
Stücke zerstört wurden und überreicht López ein
entsprechendes Dossier.
eines in einem Fluss stehenden Mannes fliesst
dickflüssiges pechschwarzes Erdöl. „Es geht
nicht, dass sie unser Land weiterhin verkaufen.
Hier können wir gut ohne Smaragade und Uran
sein, nicht aber ohne Wasser“, sagt Osmán. Der
Vertreter der Gruppierung Ríos vivos, lebende
Flüsse, verlangt die Bildung eines nationalen
Komitees, welches aus Vertretern der
Regierung und Geschädigter besteht. Eine
Gruppe aus dem Departement Antioquia fragt
die Politiker, was mit den 1‘400 vertriebenen
Familien geschehen soll, die dem Bau des
Wasserkraftwerks Ituango weichen mussten.
Ein Mann fragt, wieso er als Vertriebener am
neuen Wohnort als Eindringling behandelt wird.
Probleme über Probleme.
Erdöl im Fluss
Rufe nach der Umwelt-Ministerin
Anwesende Vertreter des Kleinbergbaus im
Süden des Departements Bolívar beklagen den
Wettbewerb mit den ortsansässigen transnationalen Konzernen. Die aktuelle Bergbau-Energiepolitik in Kolumbien begünstigt die multinationalen Bergbau-Unternehmen auf Kosten der
Umwelt und der lokalen Gemeinschaften.
Germán Osmán beklagt den Tod von 20 Minenarbeitern, die an der Krankheit Sillicosis litten,
welche die Lungen befällt. Er erinnert daran,
dass die Guajira praktisch in den Händen zweier multinationaler Konzerne ist. Ein weiteres
Video zeigt, wie rücksichtslos die ausländische
Erdölindustrie in Kolumbien vorgeht. Schon
wieder ein verseuchter Fluss: Durch die Hand
Immer wieder kommt es zu Zwischenrufen, die
Anwesenden sind aufgebracht. „Wo ist die Umweltministerin? Wir geben uns nicht zufrieden
mit Delegierten“, wird immer wieder geschrieen.
López besänftigt, sagt, dass er es auch nicht gut
findet, dass sie nicht anwesend ist. Es sei auch
ein Affront ihm gegenüber, der die Anhörung
einberufen habe. Er sagt, dass diese national
und international übertragen wird und die Verantwortlichen reagieren müssten, ob sie nun
hier sind oder nicht. Obwohl die Anhörung noch
gut eine Stunde dauert, verlassen Andrea und
ich den Saal. Andrea hat einen Termin bei ILSA,
vorher gehen wir im historischen Stadtteil
Candelaria zu Mittag essen. Es ist 13 Uhr 30.
Eindrücke von „meinem“ typischen Kolumbien
Libertad y Orden – Freiheit und Ordnung ist der
Leitspruch Kolumbiens. Der Vogel über dem Wappen
stellt den Kondor da, der die Freiheit symbolisieren soll.
Eine Schweizer Freundin von mir sagt, der Leitspruch
Kolumbiens sollte „Freiheit und Unordnung“ heissen.
Freiheit, weil man in Kolumbien angesichts der vorherrschenden Straffreiheit frei ist, das zu tun, was man
möchte; auch Illegales. Und Unordnung, weil hier alles
drunter und drüber geht und vieles undurch-sichtig ist.
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Die Röhrchen fehlen in Kolumbien nirgends. Weder im
Restaurant noch im Ausflugslokal noch bei ILSA. Mit
den Röhrchen rührt man den Kaffee und Tee.
Fruchtsäfte und sonstige Getränke trinken die meisten
Kolumbianer aus Röhrchen.
Im Bild links: Maria Camila, das Hündlein meiner
Freundin Francia. Die Kolumbianer siezen sogar ihre
Haustiere.
TransMilenio: Ein Stadtbus, mit dem man
relativ schnell vorwärts kommt. Das im brasilianischen Curitiba entwickelte Bussystem mit
Haltestellen wie in einem U-Bahn-System,
wurde von Bogotá übernommen. Immer wieder
lustig zu beobachten: die Bogotaner, die einige
Sekunden stehend warten, bis sich der Sitz
vom soeben ausgestiegenen Passagier abgekühlt hat. Weit verbreitet ist der Glaube, dass
sich am Po Furunkel bilden, wenn man sich auf
den noch warmen Sitz setzt.
Briefaufgabe in Kolumbien: eine mühsame
Angelegenheit. Im nebenstehenden Formular
deklariert man unter Angabe der IdentitätskartenNummer und des ganzen Namens, dass man keine
Drogen aus dem Land schmuggelt. Die Postbüros
4-72 sind nicht breit gesät, ich muss den TransMilenio nehmen, um zu einem zu kommen. Das
Verschicken eines Briefes kostet umgerechnet rund
vier Schweizer Franken. Oft ist er während vier
Wochen unterwegs – wenn er denn überhaupt
ankommt. So wundert euch nicht mehr, wenn ihr
immer wieder Post von mir aus Bern, Basel, Brugg,
etc. oder gar Deutschland, Spanien, Italien bekommt: Es ist einfacher, Briefe jemandem mitzugeben, der nach Europa reist, als sie hier aufzugeben.
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Kontakt
Ana Lucía Maya
Adresse / Telefonnummern:
Telefon: +57 1 232 07 80
Handy: +57 315 369 03 32
Postadresse: Rosmarie Schoop, Carrera 19, No. 43-11, La Soledad, Bogotá, Colombia
E-Mail: [email protected]
Skype: rosmarie.schoop
Interteam
Vielen herzlichen Dank für eure Spenden!
Begegnung – Austausch – Entwicklung. Nach diesem Leitmotiv setzt sich INTERTEAM seit 1964 ein
für bessere Lebensbedingungen in armutsbetroffenen Ländern und für mehr Solidarität der Schweiz
mit den Menschen im Süden. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Weitergabe von Wissen, Fertigkeiten
und Erfahrung an Partnerorganisationen. Dazu vermittelt INTERTEAM qualifizierte Schweizer Berufsleute in dreijährige Einsätze nach Afrika und Lateinamerika. Die rund 70 INTERTEAM-Fachleute
engagieren sich in den Bereichen Bildung, Ernährung und Gesundheit. Gemeinsam werden neue
Wege beschritten und solide Grundlagen geschaffen, um die Lebenssituation der lokalen Bevölkerung
nachhaltig zu verbessern. INTERTEAM-Einsätze sind gegenseitiges Lernen. Die Fachleute sensibilisieren aufgrund ihrer Erfahrungen auch die Schweizer Bevölkerung für die Anliegen der Menschen
im Süden. Als ZEWO-zertifizierte Non-Profit-Organisation garantiert INTERTEAM einen verantwortungsvollen Umgang mit Spenden und Mitgliederbeiträgen sowie öffentlichen, privaten und kirchlichen
Geldern.
INTERTEAM, Unter-Geissenstein 10/12, 6005 Luzern
Tel. 041 360 67 22, Fax 041 361 05 80
PC-Konto 60-22054-2
Internet: www.interteam.ch
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EUR : Raiffeisenbank, 6003 Luzern, IBAN : CH63 8120 3000 0074 2397 0, Swift : RAIFCH22
Vielen Dank an jene, die in den letzten Monaten eine Einzahlung geleistet haben. Wer dies noch vorhat, vermerkt bitte auf dem Einzahlungsschein «Rosmarie Schoop in Kolumbien». Diesen Rundbrief
bekommt ihr aber unverbindlich. Bitte meldet euch per Mail bei mir, falls ihr keinen mehr wünscht.
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Von der Erfahrung, Ausländerin zu sein
Es kommt mehr darauf an, wie du kommst, als wohin du reisest;
deshalb sollten wir unser Herz nicht einem bestimmten Ort verschreiben.
Es gilt die Einsicht zum Lebensgrundsatz zu machen,
dass man nicht für einen einzelnen Winkel geboren ist,
sondern dass die ganze Welt unser Vaterland ist.
Seneca (1. Jh. n.Chr.)
Nach meiner Erfahrung hier in Kolumbien, meinem ersten Arbeitseinsatz im Ausland, teile ich
Seneca’s Ansicht nur begrenzt. Wenn man
reist; ja dann hat man oft das Gefühl, überall
zu Hause zu sein. Aber wenn man fest an
einem Ort lebt und arbeitet, sieht es anders
aus. Ich würde sagen, ich habe während meiner Zeit hier eine Ahnung bekommen, was Demut ist und wie (nicht immer einfach) es ist,
mich darin zu üben.
Ich bin die Fremde
Ich würde sagen, ich empfinde Demut, nachdem ich mich über einen Umstand oder eine
Wesensart der Kolumbianer aufgeregt habe,
und dann die Einsicht habe, dass ich die Fremde hier bin und es nicht an mir ist, etwas zu be/verurteilen. Demut ist für mich, auf den Mund
zu sitzen, nicht alles zu sagen, was mir auf der
Zunge liegt. Besonders schwierig wird dies,
wenn mir wieder einmal bewusst wird, was für
eine Macho-Kultur in Kolumbien herrscht. Vor
einigen Wochen hat mir zum Beispiel der Fahrer des Busses, der mich und etwa 30 Personen aus Bogotá rausfuhr zu einer Wanderung,
gesagt, wir – drei Wanderkolleginnen und ich –
hätten halt nicht ohne Mann laufen sollen, deshalb hätten wir uns verirrt. Was soll man da
noch sagen, ausser, dass ein nicht dort ansässiger Mann genauso wenig gewusst hätte, welche Abzweigung zu nehmen? Und dann sind
da noch die vielen Frauen, die sich Augen, Nase, Brüste, Po operieren lassen. Um wem zu
gefallen? In der Region Cali hat es anschei-
nend besonders viele Frauen mit Sillikon-Brüsten. Diese werden von Drogenbossen finanziert. Wie es ein kolumbianischer Filmtitel sagt:
Sin tetas no hay paraíso – ohne Brüste gibt es
kein Paradies.
Sich anpassen, wo man kann
Ich versuche, mich den Gewohnheiten hier anzupassen. So kontaktiere ich jemanden lieber
persönlich oder telefonisch, als dass ich eine
Mail schreibe. Bei ILSA verhalte ich mich auch
nicht immer „richtig“. Manchmal rede ich, statt
besser zu schweigen. Auch in meinem Büro ist
nicht alles rosig: Eine Bürokollegin ist immer
die Erste und Letzte; wenn sie alleine ist,
raucht sie. Bei ILSA sagt niemand etwas; die
Bürokollegin ist schon fast zwei Jahrzehnte bei
ILSA, das gibt ihr gewisse Rechte. Mich stört
der abgestandene Rauch, und es nervt mich,
dass sie tun und lassen kann, was sie will.
Von den Kolumbianerinnen und Kolumbianer
könnte ich mir aber eine Scheibe abschneiden:
Ich bewundere, dass sie in Vielem etwas Positives sehen und sich nicht leicht unterkriegen
lassen. Und wenn ich von einer Reise nach
Bogotá zurückkehre, dann fühle ich, dass dies
mein (momentanes) Zuhause ist. Und wenn es
dann zu einem jener seltenen Glücksmomente
kommt, wo ich spüre, dass die Chemie stimmt
mit jemandem; ja dann wird es sowieso absolut nebensächlich, wo man geboren oder
aufgewachsen ist.
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