Im Blickpunkt: Internationale Bauverträge
Transcription
Im Blickpunkt: Internationale Bauverträge
buchholz - fachinformationsdienst gmbh April 2005 Im Blickpunkt: Internationale Bauverträge von Dr. Marcus Felsner Außergerichtliche Streitbeilegung in internationalen Bauvorhaben Nicht nur multinationale Großunternehmen, sondern zunehmend auch mittelständisch geprägte Subunternehmen und Zulieferer im Anlagenbau- und Montagegeschäft sehen sich mit der Notwendigkeit konfrontiert, Vertragsforderungen im Zusammenhang mit internationalen Aufträgen im Streitfall abzuwehren oder eigene Forderungen durchzusetzen. des japanischen Ingenieurverbands ENAA und der diversen US-Berufsverbände der Architekten und Ingenieure (u. a. AIA, American Institute of Architects). Die regelmäßig vorgesehenen Mechanismen außergerichtlicher Streitbeilegung können bei entsprechender Vertragsgestaltung und professioneller Vorbereitung ein sehr sinnvolles Mittel der Forderungsdurchsetzung bzw. -abwehr sein, und in vielen Ländern sind dies auch die einzig effektiven Mittel. Andererseits sind gerade mittlere und kleinere Unternehmen ohne professionelles Vertrags- und Forderungsmanagement in ausländischen Projekten besonderen Risiken ausgesetzt. Formularverträge, wie die der FIDIC (Fédération Internationale des Ingénieurs-Conseils), gelten nicht automatisch, sondern nur kraft ausdrücklicher Einbeziehung im Rahmen des Hauptvertrages. Die Verwendung der FIDIC-Bedingungen wird vorgeschrieben u. a. von KfW, Hermes, Coface, IFC (Weltbankgruppe), EIB, EBRD, der Europäischen Kommission, der Asian Development Bank (ADB), Arab Bank usw. Alle größeren Bau- und Anlagenverträge weltweit nehmen heute neben ihren Individualbedingungen Bezug auf Standardklauselwerke führender Brancheninstitutionen. Dies sind heute insbesondere die auf verschiedene Projekttypen zugeschnittenen Vertragswerke der FIDIC (Fédération Internationale des Ingénieurs-Conseils), des Internationalen Verbands der beratenden Ingenieure. Von besonderer praktischer Bedeutung sind dabei die Klauselwerke des so genannten Red Book ( engineer & employerdesigned works), des Yellow Book (engineer & contractor-designed works) und des Silver Book (1999, EPC turnkey contract). Diese Vertragswerke der FIDIC haben zuletzt auch dadurch an Bedeutung gewonnen, dass zahlreiche nationale und internationale Finanzinstitutionen ihre Geltung zwingend vorschreiben, wenn sie für das zu errichtende Projekt die Finanzierung bereitstellen. Dies ist nicht nur bei der Weltbank-Gruppe, der EBRD oder etwa der deutschen KfW ebenso wie bei Hermesgedeckten Bauvorhaben der Fall, sondern auch bei allen Infrastrukturprojekten, die die Europäische Union in Mittel- und Osteuropa finanziert. Alle FIDICVertragswerke sehen heute detaillierte und mehrstufige Regelungen zur Streitschlichtung und Streitbeilegung vor. Gleiches gilt für die neben den FIDICBedingungen besonders wichtigen Musterverträge Streitschlichtung nach internationalen Formularverträgen - FIDIC Orange Book (1995): Turnkey/design-build contract - FIDIC Red Book (1999): Standard form contract, engineer + employer-designed works - FIDIC Yellow Book (1999): Standard form contract, engineer + contractor-designed works - FIDIC Silver Book (1999): Conditions of Contract for EPC/ Turnkey Projects, engineer-procureconstruct style contract - ENAA Contract (Engineering Advancement Association of Japan) Model Form for International Contract for Process Plant Construction (1992): turnkey contract - AIA Contract (American Institute of Architects): Design-build contract (1996) - World Bank Standard Bidding Documents for the Procuration of Works (2000) - EIC Contract (European International Contractors) 1994 - usw. 1 buchholz - fachinformationsdienst gmbh April 2005 Im Blickpunkt: Internationale Bauverträge von Dr. Marcus Felsner Außergerichtliche Streitbeilegung in internationalen Bauvorhaben Die international gängigen Vertragswerke setzen auf Mechanismen der vorläufigen Streitbeilegung, englisch regelmäßig als ADR (alternative dispute resolution) bezeichnet. Dazu zählen insbesondere · Mediation · Schlichtung · Sachverständigenverfahren will diesen Bedenken Rechnung tragen. Allerdings wird auch er nur ad hoc tätig und ist so letztlich oft nur eine Vorstufe zur streitigen Auseinandersetzung. Sinnvoller im Interesse einer einvernehmlichen Streitbeilegung kann da ein permanentes Streitschlichtungsgremium sein, das mit Projektbeginn eingesetzt wird. Auch dies sehen einige Mustervertragswerke vor. Diese Streitbeilegungsformen sind vorläufig, da sie anders als Schiedsgerichte oder staatliche Gerichte keine letztverbindlichen Entscheidungen treffen. Die verschiedenen Formen gehen teilweise ineinander über. Während etwa das ENAA-Vertragswerk auf den Sachverständigen setzt, der allein zur objektiven Beurteilung einer technischen Frage aufgerufen ist und nach der Vorstellung der Verfasser allein dadurch eine kaufmännische Lösung der Streitfrage zwischen den Parteien befördern soll, bevorzugen andere Regelwerke wie das FIDIC Silver Book und das Orange Book die Schlichtung durch einen Schlichtungsausschuss (Dispute Adjudication Board, DAB). Der Schlichtungsausschuss macht dabei einen Vorschlag, dessen Annahme den Parteien letztlich freisteht. Die Grenzen zur Mediation sind fließend. Die beiden Verfahrensarten unterscheiden sich regelmäßig im Grad der Gestaltungsfreiheit der Parteien im Laufe des Verfahrens, auch ist bei der Mediation regelmäßig vorgesehen, dass der Mediator mit den Parteien einzeln Gespräche führt und daraus seinen Vorschlag entwickelt. Schiedsklauseln in internationalen Verträgen Schlichtungsverfahren sorgfältig auswählen · Sachliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts · Anzuwendende Schiedsordnung · Zahl der Schiedsrichter · Schiedsort · Schiedssprache Die sorgfältige Prüfung eines geeigneten Verfahrens kann sich in komplexen Auslandsprojekten lohnen. So wurde der projektleitende Ingenieur als Schlichtungsstelle von vielen Projektbeteiligten insofern kritisch betrachtet, als er zwar seiner Funktion nach neutral, allerdings durch den Auftraggeber zu bezahlen war, andererseits durch seine Schlichterrolle gerade auch der Auftraggeber sich benachteiligt fühlen konnte, hatte doch er im Verfahren nun keinen eigenen Fürsprecher mehr. Der Schlichtungsausschuss der moderneren FIDIC-Verträge Kommt es zu keiner einvernehmlichen Regelung, ist die Durchführung eines Schiedsverfahrens regelmäßig schon deshalb geboten, weil nur eine Entscheidung eines solchen Schiedsgerichts auch im Sitzstaat der anderen Partei vollstreckbar ist. Immer wieder scheitern gewollte Schiedsvereinbarungen aber an Fehlern bei der Formulierung der Schiedsklausel im Vertrag. Das ist umso dramatischer in eben solchen Fällen, in denen keinerlei rechtliche Handhabe besteht, einen Anspruch vor einem staatlichen Gericht gegen einen ausländischen Vertragspartner durchzusetzen (s. dazu auch nachstehenden Beitrag). Fehler bei der Klauselformulierung können hier leicht existenzbedrohende Folgen haben. Zwingende Bestandteile jeder vertraglichen Schiedsklausel sind die Bestimmung der genauen Zuständigkeitüber welche Rechtsfragen darf das Schiedsgericht entscheiden? und der anzuwendenden Schiedsordnung. Insgesamt sinnvoll wird regelmäßig zu regeln sein: Viele Mustervertragswerke verweisen auf die Schiedsordnungen der großen Schiedsinstitutionen der Welt, also in erster Linie der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris, daneben auch häufig des London Court of Arbitration (LCIA) und die UNCITRAL-Schiedsordnung. 2 buchholz - fachinformationsdienst gmbh April 2005 Im Blickpunkt: Internationale Bauverträge von Dr. Marcus Felsner Außergerichtliche Streitbeilegung in internationalen Bauvorhaben Beispiel einer ICC-Schiedsklausel All disputes arising out of or in connection with the present contract shall be finally settled under the Rules of Arbitration of the International Chamber of Commerce by [one or more] arbitrators appointed in accordance with the said Rules. The arbitration shall be conducted in [city] in [language] [the language for communications defined in Sub-Clause [ ] of the present contract]. Verfahren nach der Schiedsordnung der ICC haben den erheblichen Vorteil, dass sie durch ein eigenes, fachlich exzellentes Sekretariat der ICC in Paris vorbereitet und organisatorisch begleitet werden. Dadurch sind Entscheidungen von hoher rechtlicher Qualität und Verlässlichkeit sichergestellt. Nachteil der ICC sind allerdings neben der Verfahrensdauer die im Vergleich mit anderen Verfahrensordnungen hohen Kosten. Die Schiedsrichter werden hier nicht nach Zeitaufwand (so etwa nach der Londoner Schiedsordnung), sondern nach einer streitwertabhängigen Honorartabelle vergütet. Dabei kann bei einem Streitwert von etwa 1 Million US-Dollar das Honorar für ein dreiköpfiges Schiedsgericht ohne weiteres 150.000 US-Dollar erreichen. Dennoch lässt sich ein ICC-Verfahren, das in vielen Mustervertragswerken zwingend vorgeschrieben ist, oft nicht vermeiden. Die vorgenannten Informationen wurden bfd mit freundlicher Unterstützung von Rödl & Partner zur Verfügung gestellt. Der gesamte Inhalt der Newsletter ist geistiges Eigentum der Rödl & Partner GbR und steht unter Urheberschutz. Nutzer dürfen den Inhalt nur für den eigenen Bedarf laden, ausdrucken oder kopieren. Jegliche Änderung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe des Inhalts oder von Teilen hiervon, egal ob on- oder offline, bedarf der vorherigen schriftlichen Genehmigung von Rödl & Partner. Für die vorgenannten Inhalte kann keine Gewähr für die Korrektheit, Vollständigkeit und Aktualität übernommen werden. 3