Mein Auslandssemester an der University of Strathclyde
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Mein Auslandssemester an der University of Strathclyde
Mein Auslandssemester an der University of Strathclyde - Ein Erfahrungsbericht aus dem WiSe 13/14 1. Vorbemerkung Als Teil der ersten Erasmusstudenten, die im Rahmen der neuen Partnerschaft zwischen der Juristischen Fakultät und der University of Strathclyde in Glasgow studiert haben, bin ich im WiSe 2013/14 in Glasgow gewesen. Mein Auslandsaufenthalt hat daher „nur“ ein Semester gedauert. Ich habe mich damals vor allem für Glasgow entschieden, weil ich meine Englischkenntnisse auffrischen und eine längere Zeit im Vereinigten Königreich verbringen wollte. 2. Bewerbung Die Bewerbung an der University of Strathclyde hat in der Regel bis Mitte Mai des dem Aufenthalt vorhergehenden akademischen Jahres zu erfolgen. Die Uni hat mir damals mit deutlichem Vorlauf (ca. 7 Wochen) eine Mail mit den entsprechenden Formularen geschickt. An die University of Strathclyde muss dann sowohl das Anmeldeformular der Universität als auch ein vorläufiges Learning Agreement geschickt werden. Das finale Learning Agreement wird dann nach Semesterbeginn (i.d.R. Mitte September) abgeschlossen. 3. Anreise Da sich Glasgow im Norden der britischen Inseln befindet, fliegen die meisten Erasmusstudenten nach Glasgow. Die Stadt hat einen Flughafen, der etwa 15 km südwestlich der Innenstadt liegt. Allerdings ist die Bandbreite der Verbindungen vom Glasgower Flughafen nach Deutschland eher klein und recht teuer. Es bietet sich daher an, zum Flughafen im 40km entfernten Edinburgh zu fliegen. Der Flughafen Edinburgh wird von Bremen (Ryanair, nur von Mai bis Oktober) und Hamburg (Easyjet) aus angeflogen. Vom Flughafen Edinburgh gibt es eine direkte (und recht günstige) Busverbindung zur Buchanan Bus Station in Glasgow (der zentrale Bahnhof in Glasgow, der im Norden der Innenstadt liegt). 4. Finanzen Die Lebenshaltungskosten im Vereinigten Königreich sind deutlich höher als in Deutschland und der Wechselkurs von Euro und GBP ebenfalls ungünstig. Daher werden die höheren Kosten bei den meisten Erasmusstudenten nur zum Teil vom Stipendium gedeckt. Ich würde pro Monat einen Bedarf von ca. 900€ einplanen. Wenn die Unterkunft o.ä. deutlich über den hier genannten Beiträgen liegt, kann der Finanzbedarf auch deutlich höher sein. Verbringt man nur ein Semester in Glasgow, lohnt es sich in der Regel nicht, dort ein Konto zu eröffnen, da dies einige Wochen dauert und nur möglich ist, wenn man bereits einen festen Wohnsitz hat. Wer eine Maestro-Bankkarte hat, kann damit auch in Großbritannien Geld abheben, allerdings können dafür z.T. saftige Gebühren fällig werden. Ich habe mir daher vor dem Auslandsaufenthalt ein Konto bei der Deutschen Bank eingerichtet, da man mit der dazugehörigen Karte an allen Geldautomaten von Barclays Geld abheben kann. Zusätzlich empfiehlt sich die Anschaffung einer Kreditkarte, da diese in Großbritannien gängiges Zahlungsmittel sind und – falls man nicht die Online-Banking-Funktion seines Kontos nutzt – an vielen Stellen als Ersatz von Überweisungen genutzt werden können (zumal der Einsatz einer Kreditkarte günstiger ist als eine Auslandsüberweisung). 5. Unterkunft Wie die meisten Universitäten in Schottland betreibt auch die University of Strathclyde eigene Wohnheime. Die Bewerbung für einen Wohnheimplatz muss, ähnlich wie die Erasmus-Bewerbung, bis Mitte Mai erfolgen. Hat man (wie ich) bei der Verlosung der Wohnheimplätze kein Glück, kann man sich auch auf einen Platz in einem der privaten Wohnheime (Anbieter sind bspw. Victoria Hall und UNITE) bewerben. Die Kosten für ein Zimmer in privaten und universitären Wohnheimen sind nicht sehr unterschiedlich und liegen bei ca. 400 GBP im Monat. Die privaten Anbieter vermieten ihre Zimmer jedoch nur für 9 oder 12 Monate und die Miete ist im Voraus zu zahlen, so dass man gut beraten ist, rechtzeitig einen Nachmieter zu suchen. Grundsätzlich würde ich dennoch dazu raten, sich auf einen solchen Wohnheimplatz zu bewerben, da man sich so eine Menge organisatorische Arbeit erspart (v.a. hat man bereits bei der Ankunft in Glasgow ein Dach über dem Kopf). Ich habe mich damals dazu entschieden, auf dem privaten Wohnungsmarkt nach einem Zimmer zu suchen. Für die Wohnungssuche sollte man in jedem Fall ca.-3 Wochen Zeit einplanen, ggf. sollte man auch schon vorher über Internet erste Besichtigungstermine vereinbaren. Die University of Strathclyde liegt recht zentral in Glasgow, so dass sich als mögliche Wohngegenden die Innenstadt (insb. die Merchant City), das West End (gerade bei einheimischen Studenten sehr beliebt) sowie Teile von Dennistoun( dort habe ich gewohnt) empfehlen. Vom Norden oder Osten der Stadt würde ich jedoch generell abraten (dazu unten mehr). Mietet man selbst eine Wohnung, muss man zuerst damit rechnen, dass viele Vermieter bei Studenten entweder eine Bürgschaft von jemandem, der im UK lebt oder eine Vorauszahlung der Miete verlangen. Die monatliche Miete für eine möblierte 3-Zimmer-Wohung beläuft sich, je nach Lage, auf 500 GBP (z.T. deutlich mehr), wobei die „Qualität“ der Wohnungen häufig unter dem deutschen Standard liegt. Beispielsweise sind viele Wohnungen -unter anderem auch die, in der ich gewohnt habe- auch heute noch mit einfach verglasten Fenstern ausgestattet. Hat man eine Wohnung gefunden, muss man sich um Dinge wie die Council Tax und Internet idR selbst kümmern. Von der Council Tax kann man als Student befreit werden (zumindest wenn man nur mit Studenten zusammen wohnt) und ich rate dazu, eine Befreiung zu beantragen, da die Council Tax pro Wohnung bei mindestens 90-100 GBP/Monat liegt. Für eine Befreiung muss von der Uni Göttingen ein Formular des Glasgow City Councils ausgefüllt werden und zusätzlich bestätigt werden, dass der Erasmusaufenthalt von der Uni Göttingen erlaubt wurde. Wenn man privat auf Wohnungssuche gehen will, würde ich dazu raten, die Formulare schon im Vorfeld im Studienbüro ausfüllen zu lassen. 6. Sicherheit Glasgow ist (zumindest nach den Kennzahlen) die gefährlichste Stadt im Vereinigten Königreich und genießt dort auch einen entsprechenden Ruf. Die Innenstadt und das West End sind allerdings in meinen Augen einigermaßen sichere Gebiete und ich habe während meines Aufenthaltes in diesen Gegenden fast nichts erlebt, was diesen Eindruck erschüttert hat. Die Gebiete nördlich und (süd)östlich der Innenstadt würde ich - insbesondere nachts - meiden. 7. Sprache Auch wenn die meisten Glaswegians Englisch sprechen, sollte man sich darauf gefasst machen, dass die dortige Bevölkerung einen eigenen Dialekt (das Glaswegian) spricht. Man gewöhnt sich zwar mit der Zeit an den Dialekt (und den Slang), sollte aber damit rechnen, dass man zumindest am Anfang nicht jeden Glaswegian – insbesondere Taxi- und Busfahrer! – versteht. Häufig haben sogar ausländische Muttersprachler (v.a. Amerikaner und Kanadier) ähnliche Probleme. An der Universität sprechen die Dozenten jedoch „normales Englisch“ (mit einem gewissen schottischen Einschlag) und es ist nach kurzer Eingewöhnung kein Problem der Vorlesung zu folgen. Die meisten Studenten sprechen ebenfalls normales Englisch, wobei es auch hier Ausnahmen gibt. 8. Das wichtigste: Die Uni Die University of Strathclyde ist eine der drei Universitäten in Glasgow (die anderen sind die Glasgow University und die Glasgow Caledonian University). Die Universität ist eher auf die Ausbildung von Ingenieuren und Betriebswirten ausgerichtet, weshalb die Juristen nur ein Nischendasein fristen. Spürbar ist dies insbesondere am kleinen und unzureichenden Bibliotheksbestand (ca. 10 % des Bestandes der juristischen Bibliotheken in Göttingen). Für Erasmusstudenten ist von der Universität nur eine kleine Auswahl der Kurse freigegeben, im Wintersemester waren dies unter anderem Criminal Law, Competition Law, Housing Law, Law and Society und Legal Methods. Die meisten dieser Kurse sind an Studenten im 1. und 2. Jahr, z.T. aber auch an Studenten im 3. Jahr gerichtet. Ich habe als Kurse Law & Society, Criminal Law, Competition Law belegt. Zusätzliche habe ich noch einen Kurs in Public International Law belegt. Dieser war allerdings ein Honours-Kurs (d.h. ein Kurs, den die Studenten im 4. Jahr ähnlich dem dt. Schwerpunktbereich belegen). Während meines Auslandsaufenthalts sind das erste Mal Erasmusstudenten für diese Kurse zugelassen worden. Die dazugehörigen Prüfungen finden erst im Mai statt, so dass für Studenten, die nur ein Semester in Glasgow sind, keine Möglichkeit besteht, in diesen Kursen eine Prüfung abzulegen. Die Kurse bestehen aus Vorlesungen (zwei Zeitstunden pro Woche) und 3-4 Tutorials pro Semester. Bei drei Kursen kommt man damit auf durchschnittlich 7 Stunden Präsenzzeit im Semester. Neben den Präsenzveranstaltungen soll man allerdings auch eine vorgegebene Liste mit Aufsätzen und Buchkapiteln durcharbeiten, so dass man, wenn man sorgfältig lernt, auf eine ähnliche Gesamtbelastung wie in Göttingen kommt. Die Qualität der Vorlesungen ist sehr unterschiedlich und – wie in Deutschland – stark vom Dozenten abhängig. Für die Tutorials wird wohl erwartet, dass man sich vorbereitet, was die meisten Studenten allerdings (auch abhängig vom jeweiligen Tutor) häufig nicht interessiert hat. Die Anwesenheit in den Tutorials ist verpflichtend, verpasst man einen oder mehrere Termine unentschuldigt, kann man aus dem Kurs geworfen werden. Das Betreuungsverhältnis in den Tutorien ist sehr gut (meist 4-8 Studierende pro Tutor) und die meisten Tutoren stehen per Mail für Nachfragen zu Verfügung. Das Verhältnis zwischen Dozenten und Studenten ist – nicht nur in den Tutorien – im Allgemeinen deutlich persönlicher als in Göttingen. In den Kursen ist in meist ein Assignment, meistens eine Falllösung oder ein Aufsatz, über 1500-2000 Wörter abzufassen. In einigen Kursen ist zudem ein zweites Assignment oder eine Abschlussklausur zu schreiben. Erreicht man in einer der Teilleistungen eines Kurses weniger als 30% oder im Kurs insgesamt keine 40%, fällt man durch. Die meisten dieser Prüfungen sind aber (auch für einen Ausländer) nicht übermäßig schwer, wenn man sich einigermaßen vorbereitet. Wer sich vertieft mit einem Themengebiet, in dem er/sie Vorkenntnisse hat, auseinandersetzen möchte, dem sei der Besuch einer Honours-class empfohlen. Der Kurs in Public International Law, den ich besuchen konnte, war hochinteressant und spannend und die Dozentin hat sich gerade mit der Prüfung Mühe gegeben und eine Art „Mini-Moot-Court“ veranstaltet, d.h. ein simuliertes Gerichtsverfahren vor dem Inernationalen Gerichtshof, für dass der Kurs in Teams eingeteilt wurde. 9. Freizeit Schottland ist landschaftlich extrem schön und hat mit Edinburgh eine schöne Hauptstadt (auch wenn viele Glaswegians dies bestreiten). Daher sollte man möglichst viel im Land umherreisen, entweder auf eigene Faust oder in einer koordinierten Tour. Empfohlen seien an dieser Stelle die Tagestouren der Strathclyde International Society und Student Tours Scotland, die jeweils ca. 10-30 GBP kosten und z.T. hochinteressante Ziele ansteuern. Glasgow bietet zudem viele sehr gute Bars/Pubs, die man entweder im Rahmen der Kneipentouren und –abende der International Society oder auf eigene Faust besuchen sollte. Ich persönlich empfehle den Besuch vom Counting House am George Square und das Waxy O’Connors in der George Street. 10. Fazit Das Auslandssemester an der University of Strathclyde war sehr interessant und ich konnte viele neue Eindrücke sammeln. Gerade die Landschaft Schottlands ist wunderschön. Zudem habe ich während des Semesters – gerade im Kurs in Public International Law – wirklich etwas gelernt (ich habe also nicht nur ein „Partysemester“ in Glasgow verbracht – auch wenn die dortigen Pubs dazu verleiten). Wer sich für ein Erasmussemester in Glasgow entscheidet, sollte und wird von dort mehr mitnehmen als „nur“ verbesserte Englischkenntnisse.