Schifffahrt 2010-2 - Fachbereich Verkehr
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Schifffahrt 2010-2 - Fachbereich Verkehr
www.verdi.de der report E 11130 Fachbereich Verkehr 2/2010 Titelgeschichte auf der Seite 16 Laschen ist Hafenarbeit ver.di re p o r t | NACHRICHTEN Zeichnung: AFP MELDUNGEN AUS ALLER WELT Somalische Piraten in den Niederlanden verurteilt In Rotterdam standen zum ersten Mal somalische Piraten vor einem europäischen Gericht. Die fünf Piraten hatten versucht, das unter der Flagge der niederländischen Antillen fahrende Schiff „Samanyolu“ zu entern. Ihr Schnellboot wurde jedoch im Golf von Aden von einer dänischen Fregatte aufgebracht, die Piraten wurden gefangen genommen und an die Niederlande ausgeliefert. Die fünf Seeräuber erklärten vor Gericht, dass sie unschuldig seien. Sie hätten sich le- diglich auf einer Fischfangreise befunden. Gefangen genommen wurden sie im Januar 2009, als sie ihre Vorbereitungen zum Entern der „Samanyolu“ beendet hatten. Die „Samanyolu“ war mit türkischen Seeleuten besetzt. Das Gericht berücksichtigte bei seinem Urteil die schwierige Situation in Somalia, die dazu beigetragen hat, dass die Fischer Piraten wurden. Es sei ein glücklicher Umstand, dass kein Mensch bei dem Angriff verwundet Fachgruppe Schifffahrt Bremerhaven Jeden 2. Donnerstag im Monat trifft sich die Fachgruppe SCHIFFFAHRT der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Bremerhaven. Aktuelle Themen wie Heuer- und Tarifpolitik, Kampf gegen Billigflaggen und Ausflaggung, Schiffssicherheit, und Internationale Zusammenarbeit stehen immer auf der Tagesordnung. Unsere nächsten Versammlungen im 2. Halbjahr 2010 sind am: Donnerstag, den Donnerstag, den Donnerstag, den Donnerstag, den Donnerstag, den Donnerstag, den 08. Juli 2010 12. August 2010 09. September 2010 14. Oktober 2010 11. November 2010 09. Dezember 2010 Jeweils um 18.00 Uhr in der Gaststätte „MARKT-TREFF“, Neumarktstrasse 12, 27570 Bremerhaven. Gäste sind uns herzlich willkommen. 2 2/2010 | SCHIFFFAHRT oder getötet wurde, sagte der Richter. Das niederländische Gericht verurteilte die somalischen Piraten wegen des Angriffs auf ein Frachtschiff im Golf von Aden zu fünf Jahren Gefängnis. Port Package III Ein neuer Entwurf einer Hafenrichtlinie der Europäischen Kommission sorgt für Unruhe in den europäischen Häfen. Mit einer neuen Hafenrichtlinie Port Package III droht die europäische Kommission, den Konkurrenzkampf zwischen den Hafenstädten der EU und auch in den einzelnen Häfen anzustacheln. „Ich bin für eine Liberalisierung der Hafendienste“, stellte der EU-Kommissar für Verkehr, der ehemalige estnische Regierungschef Siim Kallas, jetzt vor dem Transportausschuss des Europaparlaments klar. „Das macht deutlich, dass die Gefahr noch nicht gebannt ist“, zeigt sich der Hamburger Europaabgeordnete Knut Fleckenstein (SPD) alarmiert. Erst vor vier Jahren war die EUKommission mit einem ähnlichen Versuch gescheitert. Nach monatelangen heftigen Protesten von Gewerkschaften und Hafenbetrieben war die Richtlinie Port Package II im EU-Parlament niedergestimmt worden. Aber nach der Europawahl vor einem Jahr hat sich die Zusammensetzung von Parlament und Kommission geändert – und der neue Kommissar Kallas will einen dritten Anlauf wagen. Sven-Michael Veit ver.di re p o r t | KOMMENTAR INHALT Wir sind Lena Nachrichten 2 Meldungen aus aller Welt Kommentar nien des Maritimen Bündnisses sehen eine Stärkung der deutschen Werften vor. Wie weit ist es mit dem Wir-Gefühl beim Rückflaggen der Schiffe? Wir erinnern uns, im Maritimen Bündnis gaben die Reeder das Versprechen, Schiffe wieder unter deutsche Flagge zu holen. Ende 2009 waren von den 3.547 Schiffen, die deutsche Besitzer hatten, 624 unter deutscher Flagge. Wir Deutschen geben zwar den Löwenanteil der Schiffsneubauten in Auftrag, bei den führenden Flaggenstatten fungieren wir aber hinter Panama, Liberia und Bahamas auf Platz 12 mit einem Anteil von 1,9 %. Dieses „Wir“ ist natürlich ein anderes „Wir“. Wir 1 ist der Deutsche Staat und die deutsche Flagge, das zweite Wir lässt sich vom deutschen Staat helfen, wendet sich ab, nimmt die Schiffe unter den Arm und erfreut sich an den bunten Flaggen von Panama, Liberia oder Bahamas, die ansonsten nicht berühmt als Seefahrernation sind. Die Anzahl der deutschen Berufsanfänger geht kontinuierlich nach unten. Auch hier sehen sich die Reeder nicht in der Pflicht. Nur, wenn es um die Piratenangriffe geht, dann erinnern sie sich ihres Heimatstaates und rufen laut nach Hilfe und Unterstützung der deutschen Marine. Stellen wir uns das vor: Lena wird hier fit gemacht, unterstützt, tritt aber dann für Molwanien beim Song Contest an, gewinnt und schwenkt die Fahne von Molwanien. Selbstverständlich kommt sie zurück, um von uns weiter Hilfe zu bekommen, sich sponsern zu lassen. Sie könnte dann beim nächsten Mal wieder für Molwanien antreten. Passt das ins Wir-Gefühl? Barbara Ruthmann Foto: privat L ena hat uns geholfen. Nicht nur in Europa, unser Wir-Gefühl ist geweckt und gestärkt. Nach der Verletzung von Ballack tat das auch not. In diesem Jahr haben wir eine weitere Chance auf noch mehr Wir-Gefühl: Fußballweltmeisterschaft. Wer denkt nicht gerne an die Schmetterlinge im Bauch von 2006. Wir-Gefühl tut gut, schweißt zusammen und macht stark. Die Bundesregierung hat viel um die Ohren, es muss gespart werden. Wir alle müssen sparen, Einschnitte akzeptieren und unseren Betrag leisten, damit es wieder bergauf geht. Sicher könnten die Einsparmaßnahmen anders verteilt sein. Ganz sicher könnte die Bundesregierung die Kassen mehr von denen füllen lassen, die mehr haben. Trotz aller Finanznot: Die Tonnagesteuer, die Reedern hilft, ist nicht angetastet worden, zumindest nicht bisher. „Steuern Sie Ihre Steuern mit den Vorteilen der Tonnagesteuer…“ raten Finanzplaner. Gut, einer muss dem anderen helfen. Es ist ein Geben und Nehmen. 83% aller Schiffbauaufträge im letzten Jahr kamen von deutschen Auftraggebern. Deutsche Werften? Weit gefehlt. Lediglich 2% der 1.095 Aufträge blieben in Deutschland. Sicher, alle schauen nach dem günstigsten Angebot, auch wir Verbraucher. Viele Reeder haben aber sehr fette Jahre hinter sich. Wir-Gefühl wäre doch aber, der Gemeinschaft, den Steuerzahlern und dem Staat auch Treue und Verbundenheit zu zollen. Die deutschen Werften stecken in einer tiefen Krise. Menschen an der Küste brauchen dringend Arbeit. Wer Steuererleichterungen annimmt, muss auch Verpflichtung spüren. Die Leitli- 3 Wir sind Lena Schifffahrtspolitik 4 Wie kann das maritimeKnowhow in Europa erhalten werden? 6 Der Krieg gegen die Piraterie muss an Land gewonnen werden 7 Somalische Piraten in Hamburg vor Gericht Piraterie 8 e-Petition ETF-Projekt 9 DasmaritimeImage 10 Der Geist von St. Petersburg befruchtete die Diskussionen im Baltic Committee 12 Eröffnung der Seafarer’s Lounge in Hamburg 12 ITF spendet zwei Kleinbusse für den Duckdalban 13 ITF-Inspektorin kontrolliert ägyptischen Tanker in Bremen 15 Seminar für die europäische Binnenschifffahrt BalticCommittee Seemannsmission Auslaufverbot Seminare Hafenarbeit 16 Laschen ist Hafenarbeit Arbeitsund Lebensbedingungen 17 Wohlbefinden an Bord 18–19 ver.di-Beitrittserklärung GUV/FAKULTA 20 FieteFestmacher: Geschichte wiederholt sich Mitgliederwerbung Glosse IMPRESSUM Der ver.di-Report Schifffahrt Nr. 2, Juni 2010 Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Fachgruppe Schifffahrt, Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin v.i.S.d.P.: Frank Bsirske, Erhard Ott, Bearbeitung: Dieter Benze Telefon: (0 30) 69 56 26 32 Fax: (0 30) 69 56 38 20 Internet: www.verdi.de Herstellung und Druck: alpha print medien AG, Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadt www.alpha-print-medien.de Layout: alpha print medien AG Titel: Rainer Hofmann Battiston (Karikatur) SCHIFFFAHRT | 2/2010 3 | SCHIFFFAHRTSPOLITIK Foto: Dieter Benze ver.di re p o r t Qualifizierte Ausbildung an der Drehbank in Manila Wie kann das maritime Knowhow in Europa erhalten werden? D ie Arbeitsplätze für europäische Seeleute sind in Gefahr. Europa muss sich deshalb anstrengen, damit die Beschäftigungsmöglichkeiten seiner Seeleute nicht auf Null zurückgefahren werden. Der Beweis für diese Aussage lässt sich am Beispiel Deutschland leicht erbringen. In der EU verstoßen Subventionen gegen die Wettbewerbsregeln. In der europäischen Schifffahrt sind sie nur deshalb zulässig, weil die EU-Kommission „Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen im Seeverkehr“ verabschiedet hat. Die EU-Kommission sah sich dazu gezwungen, weil immer mehr Schiffe der Mitgliedsstaaten ausgeflaggt wurden. Wichtiges Einzelziel in den Leitlinien von 2004 ist: „das maritime Know4 2/2010 | SCHIFFFAHRT how zu erhalten und zu verbessern sowie die Beschäftigung europäischer Seeleute zu schützen und zu fördern.“ Darüber hinaus sind die Leitlinien der Gemeinschaft nicht, wie oftmals behauptet wird, flaggenblind. So heißt es beispielsweise in Ziffer 3.1. der Leitlinien: „Das Ziel von staatlichen Beihilfen innerhalb der gemeinsamen Seeverkehrspolitik ist die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinschaftsflotte auf dem Weltmarkt. Daher sollen sämtliche Steuererleichterungen grundsätzlich an das Führen einer Gemeinschaftsflagge geknüpft sein.“ Diese Formulierung in Verbindung mit den Ausnahmebestimmungen besagt, dass nicht alle Schiffe eines Mit- gliedsstaates unter EU-Flagge fahren müssen, aber doch zumindest der überwiegende Teil. Im nächsten Absatz der Leitlinien wird der Gedanke des ersten Absatzes fortgeführt, indem es heißt: „Wie im vorigen Absatz dargelegt, ist daran zu erinnern, dass Steuererleichterungen grundsätzlich an das Führen der Flagge eines der Mitgliedsstaaten geknüpft sind.“ Trotz dieser nicht mehr zu überbietenden Deutlichkeit hat die Bundesregierung bei der Umsetzung dieser Richtlinie in deutsche Gesetze den Grundsatz der Flaggenführung einfach ignoriert und lediglich auf einer Eintragung in ein deutsches Seeschifffahrtsregister bestanden. So fordert der § 5 a des Einkommensteuergesetzes nur: ver.di re p o r t | SCHIFFFAHRTSPOLITIK „dass die im Wirtschaftsjahr überwiegend in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragenen Schiffe die staatlichen Beihilfen erhalten.“ In der ganzen Welt pfeifen es aber inzwischen die Spatzen von den Dächern, dass die Eintragung in ein deutsches Schiffsregister noch lange nicht mit der Führung der deutschen Flagge verbunden ist. Denn nach dem deutschen Flaggenrechtsgesetz können Reeder die im deutschen Schiffsregister eingetragenen Schiffe in bareboat charter ausflaggen. Die Politik hat zugelassen, dass diese Ausnahmebestimmung zur Regel geworden ist. Reeder lassen ihre ausgeflaggten Schiffe im deutschen Register, weil sie dann weiterhin die staatlichen Beihilfen erhalten. So tun sich für Reeder fast paradiesische Zustände auf. Sie lassen ihre Schiffe auf asiatischen Werften bauen, verbringen sie unter billige Flaggen, bemannen sie vollständig mit asiatischen Seeleuten, und kassieren obendrein noch staatliche Beihilfen, die im europäischen Vergleich für die Kapitalseite einmalig sind. Bundeskanzler Schröder hat im Jahre 2000 versucht, die fehlende Flaggenbindung deutscher Schiffe mit Hil- fe von Absprachen im Rahmen von Maritimen Konferenzen zu ersetzen. Politiker, Reeder und Gewerkschaftsvertreter sollten u. a. vereinbaren, dass eine bestimmte Anzahl von Schiffen unter deutscher Flagge verbleibt. Sollte das nicht funktionieren, drohte der damalige Bundeskanzler, die Beihilfen für die Schifffahrt in Frage zu stellen. Die letzte Maritime Konferenz war im März 2009 in Rostock. Angesichts der rasanten Vergrößerung der deutschen Flotte wurde vereinbart, die Anzahl der Tonnagesteuer-Schiffe unter deutscher Flagge von damals 500 bis Ende 2010 auf mindestens 600 zu erhöhen. Eingetreten ist aber genau das Gegenteil: die Anzahl der Tonnagesteuer-Schiffe ist auf 445 abgesunken. Damit hat sich das Verhältnis der deutschen EU-Tonnage zur deutschen Gesamt-Tonnage so weit verschlechtert, dass unter fremder Flagge neu hinzukommende Schiffe nach der EU-Leitlinie nicht mehr gefördert werden dürften. In der „Schifffahrt“ 4/2007 haben wir das Verhalten von Reedern exemplarisch am Beispiel der Rickmers-Linie abgehandelt. Danach hat die Reederei 84 Schiffe, wovon ca. 79 unter den Billigflaggen von insbesondere den Mar- shall Islands, Liberia, Antigua usw. fahren. Mehr und mehr dieser Schiffe sind vom Master bis runter zum Wiper mit Seeleuten aus asiatischen Ländern besetzt, mit der Folge, dass nur noch ein Prozent der Arbeitsplätze von Seeleuten aus Deutschland besetzt ist. In Folge dieses Verhaltens vieler deutscher Reeder werden auf den deutschen ausgeflaggten Schiffen immer mehr deutsche Seeleute durch asiatische ersetzt. Zunächst waren es nur die Mannschaftsdienstgrade, jetzt sind es auch die Ingenieure, Offiziere und Kapitäne. Sie sind kostengünstiger und deshalb investieren europäische Reedereien in modernste seemännische Ausbildungsstätten, insbesondere auf den Philippinen. Das Argument, dass die maritime Ausbildung für Kapitäne und Schiffsoffiziere in Europa einen höheren Standard hat, kann angesichts dieser Entwicklung kaum noch länger aufrecht erhalten werden. Deshalb stellt sich nun die Frage an die Politiker, wie weit sie bereit sind, sich aktiv für den Erhalt der Arbeitsplätze der europäischen Seeleute einzusetzen und damit auch das maritime Know-how in Europa zu erhalten. Dieter Benze SCHIFFFAHRT | 2/2010 5 Foto: Dutch Ministry of Defence/AFP ver.di re p o r t | PIRATERIE Der Krieg gegen die Piraterie muss an Land gewonnen werden Mutiger Einsatz niederländischer Soldaten gegen Piraten an Bord der „Taipan“ W ie ist es möglich, dass Piraten aus dem sehr armen Somalia Handelsschiffe der reichsten Länder der Welt kapern, obwohl in dem Seegebiet starke Marinekräfte zusammengezogen worden sind? Dieses Dilemma wurde auf der kürzlich veranstalteten Konferenz über Somalia in Istanbul diskutiert und steht ganz oben auf den Tagesordnungen der Vereinten Nationen, der NATO und der EU. Die momentane Anti-PiraterieStrategie hat gut gewirkt, schwächt sich jetzt aber ab. Die Marinepatrouillen am Horn von Afrika haben die Erfolgsrate der Angriffe reduziert, denn jetzt gelingt nur noch 1 Angriff von 10 Versuchen, während es früher 1 von 3 war. Trotzdem hat sich aber die Anzahl von Angriffen von 51 im Jahre 2007 auf 111 im Jahre 2008 verdoppelt, und im Jahre 2009 kam es zu einer weiteren Verdopplung auf 217. Und die Anzahl ist im Begriff, weiter zu steigen. Vor 5 Jahren passierten die meisten 6 2/2010 | SCHIFFFAHRT Angriffe vor der somalischen Küste, jetzt geschehen welche 1000 Meilen von der Küste entfernt. Die durchschnittliche Lösegeldforderung belief sich damals auf einige Tausend Dollar, jetzt ist sie auf 2 – 3 Millionen pro Schiff hoch geschossen und steigt weiter an. Die somalische Piraterie wird in diesem Jahr ca. 100 Millionen Dollar einnehmen. Marineeinheiten aus der ganzen Welt beschützen Schiffe vor der somalischen Küste. Klappt das? Bis zu einem gewissen Grad schon, aber zu exorbitanten Kosten. Ein Patrouillenschiff vor der somalischen Küste kostet ca.100 000 Dollar pro Tag. Wenn man bedenkt, dass mehr als 40 Schiffe da draußen kreuzen, liegen die Operationskosten zusammengenommen bei ca. 1,5 Milliarden Dollar jährlich. Die Auswirkung auf die Volkswirtschaften reicher Länder war minimal, da die Versicherungsraten nur ganz wenig gestiegen sind. Aber die Auswirkung der Piraterie auf Ostafrika ist verheerend: sie gefährdet Leben, beschränkt den Handel, tötet den Tourismus, stiehlt Lebensmittelhilfe, finanziert Aufständische und pervertiert die regionale Wirtschaft. Was ist zu tun? Die Piraten laufen zu lassen, hat keinen Sinn. Innerhalb einer Woche sind sie wieder da (bisher sind 600 freigelassen worden, nachdem ihre Waffen beschlagnahmt worden waren). Sie in die Länder zu verbringen, denen die gekaperten Schiffe gehören, ist wegen der Entfernungen und der juristischen Komplexitäten unpraktisch. Was also sonst? Die Patrouillen im Golf von Aden und im Indischen Ozean müssen fortgesetzt werden und verhaftete Piraten müssen innerhalb der Region vor Gericht gestellt werden: In Kenia sitzen 124, auf den Seychellen 31 Piraten ein | PIRATERIE (das sind 10 Prozent aller Inhaftierten der Inseln). Mehr Piraten sollten und können in anderen Ländern Ostafrikas verurteilt werden. Weitere internationale Hilfe ist deshalb nötig, um die Länder der Region politisch zu stabilisieren. Dazu gehört auch die Ausbildung von Staatsanwälten und die Renovierung von Gerichten und Gefängnissen. Dies hätte auch weitere Vorteile: Es würde die Polizei am Horn von Afrika in ihrem Kampf gegen die Verbreitung von Drogen (30 – 35 Tonnen jährlich allein aus Afghanistan), und den Schmuggel von Waffen, Menschen, Ressourcen und Elektronik unterstützen. Vor allem muss das Problem an der Quelle angegangen werden. Somalia ist ein Hoch-Risiko-Land, aber nicht alles ist völlig anarchisch. Einige Provinzen wie Somaliland und Puntland ha- Cartoon: Dirk Meissner ver.di re p o r t Befürchtungen eines Reeders ben die Behörden noch einigermaßen unter Kontrolle. Dort sollte technisch und finanziell geholfen werden, institutionelle und logistische Infrastrukturen aufzubauen – Küstenwachen, Poli- Somalische Piraten in Hamburg vor Gericht Seit Donnerstag, den 10. Juni 2010 sitzen 10 Piraten aus Somalia in Hamburg in Untersuchungshaft. Sie waren am Donnerstag von den Niederlanden nach Deutschland gebracht worden. Soldaten der niederländischen Fregatte „Tromp“ hatten mit einer spektakulären Luft-Enteraktion die 10 Piraten festgenommen, die zuvor das deutsche Containerschiff „Taipan“ der Hamburger Reederei Komrowski gekapert hatten. Am Ostermontag hatten sich die Piraten etwa 1000 km vor der Küste Somalias der „Taipan“ genähert, sie unter Feuer genommen und geentert. Der Kapitän hatte noch einen Hilferuf an die EU-AntiPiratenmission „Atalanta“ abgesetzt und sich dann mit der Besatzung in einem sicheren „Panikraum“ verschanzt. Kaum hatte die 50 Seemeilen von der „Taipan“ entfernte „Tromp“ die Nachricht von der Enterung erhalten, nahm sie mit Höchstgeschwindigkeit Kurs auf die „Taipan“. Da sich die Crew der „Taipan“ in einem Sicherheitsraum befand und somit noch nicht den Piraten ausgeliefert war, gab die niederländische Regierung nach Konsultation der Bundesregierung grünes Licht für den Zugriff. Holländische Spezialkräfte wurden mit Hilfe des Bordhubschraubers auf der „Taipan“ abge- setzt und nahmen die Piraten gefangen. Die Piraten waren mit 5 Kalaschnikows, 2 Panzerfäusten und 2 Pistolen bewaffnet. Angesichts dieser Bewaffnung kann man von Glück sagen, dass die Kaperung am Horn von Afrika glimpflich ausgegangen ist. Sie macht aber auch deutlich, mit welchen zunehmenden Risiken die Piraterie behaftet ist. Den Piraten wird von der Hamburger Staatsanwaltschaft versuchter erpresserischer Menschenraub und Angriff auf den Seeverkehr vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft ist zuversichtlich, dass die Anklage noch im Sommer eingereicht wird, und die Gerichtsverhandlung im Frühherbst beginnt. Den Piraten drohen Höchststrafen von bis zu 15 Jahren Gefängnis. Im Mai 2010 veröffentlichte die ITF in Zusammenarbeit mit der Schifffahrtsindustrie eine elektronische Petition mit der Aufforderung, mehr zu tun, um Seeleute vor Piraterie und bewaffnetem Raub zu schützen. Die Kampagne hat eine bisher noch nie da gewesene Unterstützung aus allen Teilen der maritimen Industrie erfahren. Die ITF fordert darin die ihr angeschlossenen Gewerkschaften auf, sich an der Kampagne zu beteiligen. (Siehe S. 8) zei, Gerichte – um Gesetze gegen die Piraterie an Land durchzusetzen. Diesen Provinzen müsste auch mit Sozial- und Wirtschaftsprogrammen geholfen werden, um das Land wieder aufzubauen und besonders jungen Männern Arbeitsplätze zu bieten, die sonst Gefahr laufen würden, in die Kriminalität abzurutschen. Angefangen werden müsste – und das ist der einfache Teil – mit der Renovierung der somalischen Gefängnisse, damit die somalischen Piraten ihre Strafen auf heimischem Boden absitzen könnten – auch Strafen, die im Ausland verhängt wurden. Als nächstes müsste das Gerichtssystem in den Provinzen, in denen die Sicherheit sich verbessert hat, so weit gestärkt werden, dass es seine Piraten selbst verurteilen kann. Vor allem sind strenge Maßnahmen gegen Geldwäsche nötig. Jeder Pirat nimmt pro gelungenem Überfall 1015000 US Dollar ein. Ihre Skiffs befördern in Angriffsformation 20 – 24 Piraten, das bedeutet zusammengenommen 300 000 – 500 000 US Dollar pro Angriff. Da die Lösegelder einige Millionen Dollar pro Schiff betragen, ist Piraterie ein zunehmend profitables Geschäft geworden – Versicherungen zahlen gern einige Millionen Dollar Lösegeld für einen Tanker, dessen zeitweiliges Festhalten durch die Piraten ebenso viel pro Woche kosten würde. Es ist Zeit, die internationale Strategie in Somalia auf neue Bedingungen einzustellen – also das Problem an Land und nicht auf See zu bekämpfen. Bis in Somalia eine Lösung gefunden ist, werden die Piraten weitermachen. SCHIFFFAHRT | 2/2010 7 ver.di re p o r t | PIRATERIE Governments must act now to fight piracy End piracy now: sign the petition HERE >> Almost every day seafarers are being kidnapped and exposed to an increasing risk of injury or even death. Every day seafarers transport the world’s goods through areas where the risk of pirate attack is increasing. Every day seafarers’ families are suffering worry and uncertainty. Every day the chances of attracting people to jobs at sea – on which all our economies rely – are shrinking. Every day shipping companies and their insurers have to pay for increasing anti-piracy measures, extra fuel and ransoms – costs that are eventually passed on to the consumer. Every day the risk of a major ecological disaster due to an oil spill caused by piracy increases. Every day the chances of a recovery in the world economy are being jeopardised by this threat to world trade. End piracy now: sign the petition HERE >> We, the undersigned, urgently call on Governments to do everything possible to protect the thousands of seafarers and the hundreds of ships at risk of attack by pirates by: dedicating significant resources and concerted efforts to find real solutions to the growing piracy problem; taking immediate steps to secure the release and safe return of kidnapped seafarers to their families; working within the international community to secure a stable and peaceful future for Somalia and its people. Need a print -out of the petition ? Download it below, get crew or colleagues to sign it and don't forget to send it back to us in the post. End piracy now: download the petition HERE >> Complete online form: End Piracy Now B 8 2/2010 | SCHIFFFAHRT ver.di re p o r t | ETF-PROJEKT Das maritime Image ETF-Projekt will Seeleuten helfen Fotos: Dieter Benze D as Durchschnittsalter der EUSeeleute erhöht sich und der Anteil an ausländischen Seeleuten auf EU-Schiffen nimmt ständig zu. Grund genug für die Europäische Transportarbeiterföderation (ETF), die Ursachen für diese Entwicklung mit Hilfe eines Projekts zu analysieren. Das Projekt läuft unter der Überschrift „Verbesserung von Anwerbung und Ausbildung in der europäischen Schifffahrtsindustrie“. Es wird von der EUKommission in Brüssel finanziert und konzentriert sich auf fünf ausgewählte europäische Länder, und zwar Frankreich, Deutschland, Griechenland, Portugal und Großbritannien. Das Projekt besteht aus einer aktiven Partnerschaft zwischen Experten aus den europäischen Gewerkschaften und der maritimen Industrie und wird von einem Netzwerk von Akademikern aus Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden unterstützt. Die erste Präsentation des Projektes fand bereits am 27.4.2010 in Nantes statt, die zweite am 15.6.2010 in Berlin und die dritte wird am 30.9.2010 in London stattfinden. Das Ergebnis des Projektes soll dann am 18.11.2010 in Rom präsentiert werden. Die bisherige Analyse zeigt, dass die in Europa eingerichtete Tonnage- Einige der Referenten beim EU-Workshop in Berlin waren Anne Devouche von der EUKommission in Brüssel (li.) und Rosa Mary de la Campa Portela von der Universität in La Coruna (re.) . . . steuer unzweifelhaft eine Zunahme sowohl der Tonnage als auch der Anzahl der Schiffe bewirkt hat. Die Anzahl europäischer Seeleute dagegen ist weiter abgesunken. Der Workshop in Berlin fand in der ver.di-Bundesverwaltung zu dem Unterthema „Verbesserung des maritimen Image und der Arbeits- und Lebensbedingungen an Bord“ statt. Die . . . sowie Brandt Wagner von der IAO in Genf (li.) und Philippe Alfonso von der ETF in Brüssel (re.) Referenten kamen aus den europäischen Gewerkschaften, aus den Reederverbänden, aus der akademischen Wissenschaft, von der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) in Genf und von der EU-Kommission in Brüssel. Karl-Heinz Biesold und Dieter Benze von ver.di wiesen im Zusammenhang mit diesem Unterthema besonders darauf hin, dass es angesichts des anhaltenden Ausflaggens von Schiffen nicht einfach ist, Verbesserungen zu diesem Unterthema durchzusetzen. Auch die Vorschläge einiger europäischer Staaten, die Höchstarbeitszeit der Seeleute auf durchschnittlich über 13 Stunden auszudehnen, seien eher kontraproduktiv. Die Diskussion in Berlin ergab unter anderem, dass es nötig ist, das Image der Schifffahrt zu verbessern und junge Menschen für die Schifffahrtsberufe zu gewinnen, sie gut auszubilden und ihr Wissen der gesamten maritimen Industrie in Europa zugute kommen zu lassen. Es wurde auch die Frage gestellt, ob nicht eine Verbindung zwischen Gewährung der Tonnagesteuer und Beschäftigung und Ausbildung von europäischen Seeleuten erforderlich sei, um dieses Ziel zu erreichen. SCHIFFFAHRT | 2/2010 9 ver.di re p o r t | BALTIC COMMITTEE Der Geist von St. Petersburg befruchtete die Diskussionen im Baltic Committee Foto: Sanaa Lamminsivu 3. Abgrenzung der Arbeiten zwischen Seeleuten und Hafenarbeitern 4. Seminar für osteuropäische Hafenarbeiter Anschließend wurden vier Arbeitsgruppen gebildet, die diese Tagesordnungspunkte vertieften. A m 26.und 27.Mai 2010 tagte das Baltic Committee in St. Petersburg. Im Baltic Committee haben sich die Seeleute- und Hafenarbeitergewerkschaften rund um die Ostsee zusammengeschlossen, um gemeinsame Positionen zu den maritimen Fragen zu entwickeln. In St. Petersburg waren 50 Gewerkschaftsvertreter anwesend. 10 2/2010 | SCHIFFFAHRT Eröffnet wurde die Sitzung mit einer Ansprache des Vorsitzenden der gastgebenden russischen Seeleutegewerkschaft, Igor Pavlow. Danach wurden im Plenum die vier Punkte auf der Tagesordnung erörtert. Dies waren: 1. Bewertung der letztjährigen Aktionswoche in der Ostsee 2. Die Deklaration von Tallinn Foto: Dieter Benze Der Vorstandstisch mit Yury Sukhorukov, Jacek Cegielski, Dieter Benze, Philippe Alfonso Aufteilung der Teilnehmer in Arbeitsgruppen | BALTIC COMMITTEE Abschlussplenum des Baltic Committee Foto: Natalia Sokolova ver.di re p o r t TOP 1: Die Aktionswoche 2009 war erfolgreich. Sie fand unter dem Slogan „United we stand“ statt. Der Austausch von Gewerkschaftsvertretern zwischen den Teilnehmerländern hat sich bewährt und soll fortgesetzt werden. Es soll versucht werden, die Aktionswoche auch über die Ostseehäfen hinaus auszudehnen. Die Aktionswoche 2010 soll vom 27.9. – 1.10.2010 stattfinden. Das zentrale Büro für die nächste Aktionswoche soll diesmal in Polen sein. TOP 2: Die Tallinn-Deklaration soll die ITF-Gewerkschaften verpflichten, keine Tarifverträge mit diskriminierenden Heuern Foto: Sanaa Lamminsivu Am nächsten Tag wurden die Ergebnisse der Arbeitsgruppen vorgetragen und mit Hilfe einer Plenumsdiskussion zusammengefasst. Hier das Ergebnis: Lockere Stimmung in der Arbeitsgruppe 2 mit Kaia aus Estland, Igor und Vadim aus Russland sowie Marcel aus Schweden abzuschließen, denn es wurde in der letzten Aktionswoche festgestellt, dass auf Schiffen unter nationaler Flagge teilweise niedrigere Heuern bezahlt wurden als auf Schiffen unter billiger Flagge. TOP 3: Es wurde festgestellt, dass weltweit immer mehr Seeleute zu Hafenarbeiten herangezogen werden. Dies gilt insbesondere für das Laschen der Ladung. DER GEIST VON ST. PETERSBURG 5. Verstärkung der nationalen und internationalen Gewerkschaftsaktivitäten 6. Gemeinsames Handeln 7. Ständige Überprüfung des Kurses 8. Blick nach vorn Auch, wenn diese Erkenntnis nicht neu ist, besteht doch die permanente Notwendigkeit, die Kolleginnen und Kollegen daran zu erinnern, dass dies die Voraussetzung für eine erfolgreiche Gewerkschaftsarbeit ist. Obwohl es in den meisten Tarifverträgen eine Klausel gibt, nach der Seeleute nicht mit Hafenarbeiten beauftragt werden dürfen, schließen Reeder oft Charterverträge ab, die Seeleute zum Laschen verpflichten. Es muss deshalb in die ITF-Verträge eine SanktionsKlausel aufgenommen werden, die Reeder angemessen bestraft, die abgeschlossene Tarifverträge nicht einhalten. TOP 4: Das Baltic Committee wiederholt seinen Vorschlag, Seminare für osteuropäische Hafenarbeiter durchzuführen, um die gewerkschaftlichen Handlungsmöglichkeiten in den osteuropäischen Häfen zu verbessern. Die Entscheidung darüber muss allerdings von der Hafenarbeitersektion der ETF getroffen werden. db SCHIFFFAHRT | 2/2010 11 ver.di re p o r t | BETRIEBSRATSWAHLEN A m 7. Mai 2010 wurde im Kreuzfahrtterminal der Hamburger Hafencity die Seafarers‘ Lounge eröffnet. Es ist eine neue Einrichtung der drei Hamburger Seemannsmissionen. Die Seafarers’ Lounge soll eine Anlaufstelle für Seeleute auf den Kreuzfahrtschiffen sein. Bislang hat es eine solche Anlaufstelle in Hamburg für Seeleute auf den Kreuzfahrtschiffen nicht gegeben. Die Seeleute haben nur einen kurzen Weg vom Schiff zur Seafarers’ Lounge. In dem ausgebauten Container am Kreuzfahrtterminal haben Seeleute jetzt in einem Internetshop u. a. die Möglichkeit, kostenkünstig zu telefonieren, e-mails zu versenden und im In- ternet zu surfen. Außerdem kann man in einem kleinen Kiosk verschiedene Dinge für den täglichen Bedarf kaufen. Schon in den ersten Wochen des Bestehens ist die Seafarers‘ Lounge von vielen Besatzungsmitgliedern der Kreuzfahrtschiffe aufgesucht worden. Im Jahre 2010 rechnet man mit ca. Fotografin: Simone Viere Eröffnung der Seafarers’ Lounge in Hamburg Unser Foto zeigt v.li.n.re.: Seemannspastorin Heike Spiegelberg, Bischöfin Maria Jepsen und den Geschäftsführer der Hafencity, Giselher Schultz-Bernd 80 Anläufen von Kreuzfahrtschiffen in Hamburg und mit über 30.000 Seeleuten auf diesen Schiffen. ITF spendet zwei Kleinbusse für den Duckdalben Foto: Jan Oltmanns LESERBRIEF Peter Geitmann zum Artikel „Die See-BG existiert nicht mehr“ aus ver.di Report-Schifffahrt 1/2010, S. 16 Da ich erst seit der deutschen Einheit in der Selbstverwaltung mitarbeite, kann ich auch nur für diese Zeit sprechen. Alle Versichertenvertreter haben sich immer für die Interessen der Versicherten eingesetzt. Insbesondere aber will ich hier die Kollegen Eike Eulen, Jürgen Söncksen, Werner Huth, Hark-Ocke Diederichs, Klaus Meyer, Eckhard Ferger und Gert Hüfner erwähnen. Aus dem Osten ist seit 1990 der Kollege Rainer Neuwardt dabei und er hat mit dafür gesorgt, dass die Interessen West/Ost zusammenlaufen. Die Versichertenvertreter nehmen nun bzw. werden die weitere Vertretung der Versicherten in den neuen, fusionierten Gremien bis 2011 weiter wahrnehmen. Für die neue Wahlperiode von 2011 bis 2017 werden die Selbst- verwaltungen verkleinert. Auch die SeeVertreter werden dabei „Federn“ lassen – finden sich aber im Vorstand und in der Vertreterversammlung wieder. 12 2/2010 | SCHIFFFAHRT Am „Duckdalben“ im Hamburger Hafen machen nicht nur die Schiffe fest, sondern seit neuestem auch die von der ITF in London gesponserten Minibusse. Unser Foto zeigt die Busübergabe am 27. April 2010. Zu sehen sind v.li.n.re.: Ulf Christiansen, ITF-Inspektor, Anke Wibel, Duckdalben, Probst Bollmann, Vorsitzender des Vereins „Deutsche Seemannsmission Hamburg-Harburg“, und Barbara Ruthmann, ver.di A m 27. April 2010 wurden dem Hamburger Seemannsclub „Duckdalben“ zwei von der ITF gespendete neue Busse übergeben. Die beiden nun ausrangierten Busse waren altersschwach geworden, nachdem sie in den letzten dreieinhalb Jahren zusammen fast 450.000 km im Hamburger Hafen zurückgelegt hatten. Es sind damit insgesamt 10 Busse aus dem ITF Wohlfahrtsfond im Laufe der vergangenen Jahre dem „Duckdalben“ übergeben worden. Die beiden Busse erhielten die Namen „Tiffi“ und „Ducky“ und können jeweils bis zu acht Fahrgäste befördern. Dank dieser Kleinbusse kann der „Duckdalben“ weiterhin seinen kostenlosen Shuttle-Service anbieten. Allein im Jahre 2009 haben etwa 49.000 Seeleute aus aller Welt diesen Fahrdienst von den Terminals im Hamburger Hafen zum Club und wieder zurück zum Schiff genutzt. Nur mit diesem Angebot ist es für die meisten Schiffsbesatzungen überhaupt möglich, in ihrer knappen Freizeit während der oft kurzen Liegezeiten im Hamburger Hafen von ihrem Schiff herunter zu kommen. Ein Aufenthalt im Seemannsclub „Duckdalben“ ist häufig der erste „Tapetenwechsel“ für die Schiffsbesatzungen seit Monaten. ver.di re p o r t | AUSLAUFVERBOT ITF-Inspektorin kontrolliert ägyptischen Tanker in Bremen A ls ich am Samstag den Hilferuf dreier Seefahrer des Tankers „NORLAKE“ durch die Seemannsmission Bremen erhielt, war mir noch nicht klar, was alles auf mich einprasseln würde. Als ich wie vereinbart am Montag gegen 9:00 Uhr das Terminal der „NORLAKE“ erreichte, wurde ich schon winkend von den Seefahrern empfangen und dann: Zutritt verboten. Das unter Panama-Flagge fahrende Schiff war nicht richtig am Anleger positioniert, was die Wasserschutzpolizei und die Hafenbehörde zum Anlass nahmen, das Betreten des Schiffes als gefährlich einzustufen. Was passiert jetzt? Warten. Das Schiff musste vier bis fünf Meter verholen, so dass die Gangway sicher auf dem Anlieger auflag … Sowas kostet Zeit, Zeit die keiner vorher richtig eingeplant hat. Aber auf „dem kurzen Dienstweg“, war das AnBord-Gelangen doch zügig möglich. Nun hieß es Routine abspulen lassen. Eintragung in das Besucherverzeichnis; währenddessen Small Talk mit dem Wachhabenden, Umschauen: „Wie sieht es denn hier aus, was geht denn hier ab?“, viel Zeit blieb nicht, weil die Crew angehalten war, die Besucher so schnell wie möglich dem Kapitän bzw. der aufzusuchenden Person zu übergeben . . . Im Schiffsinneren angekommen, wurde sofort der desolate Zustand sichtbar. Auf den Fluren sammelte sich der Schmutz der letzten Wochen. Ein erstes Anzeichen dafür, dass hier etwas nicht stimmte! Als ich im Cargo Office angekommen war, erklärte ich dem Kapitän, dass es sich um eine ITF Routineinspektion handele. Dann habe ich ihm die Visitenkarte überreicht, er sollte ja wissen, mit wem er es denn zu tun hatte. Eine Tür weiter traf ich dann auch prompt die Wasserschutzpolizisten, mit denen ich mich kurz über den Stand der Dinge unterhielt. Bis zu dem Anruf meines ägyptischen ITF-Kollegen war meine Arbeit von der üblichen Routine begleitet. Mein Kol- lege sagte mir, dass ich das Schiff verlassen könnte, da dort alles in Ordnung sei und die ausstehenden Heuern unverzüglich gezahlt werden würden. Hm, sollte ich nicht selber nachschauen, ob wirklich alles in Ordnung war? Schließlich sagt man doch: „Doppelt hält besser.“ Es dauerte nicht sehr lange, bis ich feststellte, dass so einiges im Argen lag. Schnell traf ich dann auch denjenigen, der am Wochenende den SOS-Ruf über die Seemannsmission abgesetzt hatte. Drei Seefahrer sollten abgemustert werden, die Nasen schienen der Reederei nicht zu passen, denn es gab keinen Anlass und nichts Dokumentiertes, was darauf hinwies, dass sie hätten das Schiff verlassen müssen. Durch Zufall erfuhr ich, dass einer der drei Betroffenen einen Unfall an Bord hatte, jedoch lagen dazu weder der Unfallbericht noch irgendeine Eintragung im Logbuch des Schiffes vor. Hier müssten alle relevanten Daten eingetragen sein, wie z. B. • der gesteuerte MagnetkompassKurs. • der tatsächliche Kurs über Grund. Dieser wird häufig über das GPS oder durch Peilen ermittelt. • die Geschwindigkeit der Wasserströmung. Dies ist die Differenz von der Fahrt durch das Wasser und der Fahrt über Grund. • die Abdrift, die durch die Richtung der Strömung verursacht wird. • je nach Seegebiet Angaben über Ebbe und Flut. • die Zeiten des Aus- und Einlaufens in einen Hafen. • die Namen der an Bord befindlichen Personen und jedwede Veränderung dazu. Diese Angaben sind besonders für den Ernstfall erforderlich, damit das Seefahrzeug ordnungsgemäß evakuiert werden kann. • alle Unfälle, die dem Fahrzeug und/oder den an Bord befindlichen Personen zustoßen. • und so weiter und so fort . . . Foto: Susan Linderkamp Samstag, 8. Mai 2010, der Beginn einer scheinbar unendlichen Geschichte . . . Missstände auf TMS „Norlake“ (PanamaFlagge) aufgedeckt Nach kurzem Hin und Her wurde klar, dass der Maschinenschlosser schwere Verbrennungen erlitten hatte und seit nunmehr 14 Tagen keinem Arzt mehr vorstellig gewesen war, da ihm dieser notwendige Besuch verwehrt worden war. An Bord wurde es stetig geschäftiger . . . Mittlerweile traf auch das Hafengesundheitsamt ein. Das Urteil der Inspektion fiel vernichtend aus. Die Unterkünfte waren eine Zumutung. Die Duschen bestanden zum Teil aus löchrigen Schläuchen, aus denen ab und an doch mal ein kalter Wassertropfen entwich. Duschköpfe waren hier Fehlanzeige. Das Krankenzimmer glich einer reinen Müllhalde, die Küche befand sich ebenfalls in einem desolaten Zustand und die einzigen, die sich an Bord hocherfreut zeigten, waren anscheinend die Kakerlaken. Für sie stellte die „NORLAKE“ ein wahres Schlaraffenland dar. Nach zähen Verhandlungen mit der Reederei wurden die drei betroffenen Seefahrer nach Hause entlassen, allerdings nicht ohne ihre Restheuern sowie die ihnen zustehende Entschädigung in Höhe von zwei Monatsheuern, die entstehenden Heimschaffungskosten und für den Schlosser noch Krankengeld. Alles wurde an Bord in bar ausgezahlt. Am zweiten Tag gab es schon wieder einen Verletzten. Dieser erlitt auch Verbrennungen. Schnell stellte ich mir SCHIFFFAHRT | 2/2010 13 ver.di re p o r t | AUSLAUFVERBOT die Frage, was mich hier denn noch alles erwarten würde. Wie erwartet musste auch er einen Arzt aufsuchen, was ihm bis dato nicht gestattet worden war. Weiter trieb es mich durch den Papierdschungel. Schnell war klar, dass die Bezahlung der Seeleute nichts mit den Ansprüchen aus dem Tarifvertrag zu tun hatte. Scheinbar vereinbarte der Reeder mit sich selbst seine eigene Lohntabelle. Dies bedeutete, dass ich ab sofort sehr viel zu rechnen hatte . . . Und wieder geschäftiges Treiben an Bord, da neben Lloyds nun auch die Foto: Susan Linderkamp bar: Der Betroffene wurde mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gefahren. Da sein Englisch nicht wirklich gut war, wurde er von einem der Offiziere begleitet – zu Übersetzungszwecken versteht sich – doch dann wurde er schnell wieder auf das Schiff zurückgebracht, denn schließlich könne man ihn ja auch dort gesund pflegen. Auf seiner Kajüte angekommen, bekam er nicht einmal Essen, Trinken oder Medikamente. Zum Glück konnte er nach drei Tagen, unter großen Schmerzen und gestützt durch zwei Krücken, nach Hause geflogen werden, wo er sich jetzt von den Folgen des Unfalls erholt. Später erreichte mich die Mitteilung, dass nun ein Bootsmann ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Warum das? Ein erneuter Unfall? Ja, aber schon vor Wochen. Er war, trotz Sicherheitsschuhen, in einen Nagel getreten. Besatzungsmitglieder freuen sich auf die Heimreise Dazu muss man wissen, dass seiPort State Control (Hafenstaatenkon- ne Sicherheitsschuhe mehr als abgetrolle) an Bord war. Nach ihrer Inspekti- laufen waren und deshalb keine Sion war klar, dass dieses Schiff noch lan- cherheit mehr boten. ge nicht auslaufen würde. Bis dato gab Aber das war noch nicht das letzte es 39 bekannte Mängel. Davon reich- Mal, dass ich einem Kranken an Bord ten allein 17 für eine Arretierung aus. begegnete. Mit einem ständigen Lä(Näheres unter: http://www.parismou cheln auf den Lippen lernte ich den .org / ParisMOU / Inspection+Database/ Elektriker kennen. Selbst, als er kaum Basic+Search/default.aspx Vessels na- noch in der Lage war, nachdem er sich me: NORLAKE) das Knie verdreht hatte, durch die Gänge zu humpeln, grinste er mir freundDie Stimmung an Bord wurde im- lich entgegen. Auf meine Frage, ob er mer trüber. 34 Seefahrer – ein Mix aus denn einen Arzt aufgesucht hätte, verÄgyptern und Indern – das war ein kul- wunderte mich die Antwort: „Ja“ doch turelles „no go“. Die folgenden Tage sehr. Die Sache hatte einen kleinen Hawaren gefüllt mit immer neuen Pro- ken. Der Patient wurde krankgeschrieblemfällen. Dienstag gab es bereits ben und trotz allem gezwungen weiden nächsten Unfall, bei dem jemand terzuarbeiten, denn die 39 bekannten aus circa fünf Metern Höhe ungesi- Mängel sollten schnellstmöglich behochert in die Tiefe fiel. Dies bemerkte ben werden. Die Misere an Bord der zunächst niemand, doch aufgrund der „NORLAKE“ schien kein schnelles EnTatsache, dass der Seemann längere de zu nehmen . . . Dann war da noch der Anruf am Zeit nicht gesehen und anschließend nur zufällig der Helm am Boden gesich- folgenden Sonntag: ein Matrose hatte, tet wurde, wurde er endlich gefunden. ohne mein Wissen, schon etliche Male darum gebeten, einen Arzt aufsuchen Was dann geschah, war kaum vorstell14 2/2010 | SCHIFFFAHRT zu dürfen. Erfolglos. Am Sonntag wurden die Schmerzen für ihn unerträglich. Er schlich trotz seines Wachdienstes von Bord, hielt ein zufällig vorbeifahrendes Taxi an, und rief mich an mit der Frage, was er tun solle. Ich bat den Taxifahrer darum, den völlig aufgelösten Seefahrer zum Krankenhaus zu fahren. Dort wurde er erst einmal beruhigt und später mit der Diagnose „Bandscheibenvorfall“ entlassen. Das bedeute auch für ihn die lang ersehnte Heimkehr in die Heimat, die sein Desaster beendete. Kurz vor der Aufhebung des Arrests erschien dann der Eigner persönlich. Somit standen Verhandlungen über ausstehende Heuern an und das Ausstellen der korrekten Arbeitsverträge wurde durchgeführt. Natürlich erklärte ich ihm den Tarifvertrag noch einmal ausführlich, um Missverständnisse zu vermeiden. Am letzten Tag war ich froh, um fünf Uhr am Nachmittag zu Hause zu sein, und ich freute mich bereits auf einen entspannten Abend, bis mich ein Anruf erreichte . . . Ein Mitarbeiter der „NORLAKE“ rief an. „Können Sie bitte kommen? Einige Kollegen wollen weder weiter mit diesem Schiff noch unter dieser Reederei fahren.“ Was war nun passiert? Endlich an Bord angekommen, wurde ich von einer aufgeheizten Stimmung in Empfang genommen. Der Kapitän und der Eigner entgegneten mir mit dem Wortlaut: „Kleinen Moment mal, ja!“ Was war hier passiert? Anfangs wollten nur vier gehen, dann sechs, plötzlich dreizehn, zwischendurch sechzehn und schlussendlich verließen elf Seefahrer das Schiff. Ich bat um die Aushändigung der aktuellen Crewliste, um diese mit dem Mindestbesatzungszeugnis zu vergleichen, aber leider waren weder der Kapitän noch der Eigner gewillt, die notwendigen Unterlagen auszuhändigen. Nach Stunden und unter Zeitdruck, das Schiff sollte morgens um 5 Uhr Richtung Werft in Riga auslaufen, blieb mir nur die Hilfe der Wasserschutzpolizei. Mit ihrer Unterstützung gelang es uns erstens, die geforderten Unterlagen zu bekommen, zweitens, die persönlichen Dokumente der Abmusterer in Empfang nehmen zu können, und ganz wichtig, die Verzögerung der Abfahrt um vier weitere Stunden Liegezeit zu erhalten. Nach unzähligen Telefonaten zwi- | AUSLAUFVERBOT / SEMINARE schen der ITF London und mir, zwischen der ITF und dem Eigner und nach stundenlangem Herumgezerre war klar, die ausstehenden Heuern nebst Entschädigungen werden ausgezahlt. Der Eigner hatte in der Nacht noch seine Buchhaltung angewiesen, den von uns geforderten Betrag umgehend anzuweisen, um keine weitere Verzögerung mehr zu riskieren, immerhin waren für die Reederei schon teure 26 Tage verstrichen. Nach wenig Schlaf um 7:30 Uhr der erlösende Anruf des Agenten „Das Geld ist da.“ Vor dem Gebäude der Wasserschutzpolizei, welches bereits von den abmusternden Seeleuten in Beschlag genommen wurde, empfingen mich strahlende Gesichter. Um 13:30 Uhr war es dann soweit, alle hielten das entsprechende Visum und die Heuern in den Händen und konnten pünktlich das Flugzeug gen Ägypten erreichen. Insgesamt wurden 18 Seeleute auf Kosten der Reederei von Bremen nach Hause geschafft und ausstehende Heuern, Entschädigungen, Krankengeld von 250.000 US Dollar gezahlt. Bleibt zu hoffen, dass dieser Reeder zukünftig die Tarifverträge einhält und die menschenunwürdige Behandlung der Seeleute unterlässt. Susan Linderkamp Fotos: Susan Linderkamp ver.di re p o r t Dank der ITF-Inspektorin durfte er zum Arzt und bekam sein Krankengeld Seminar für die europäische Binnenschifffahrt D ie Sektion Binnenschifffahrt der Europäischen Transportarbeiterföderation (ETF) führte am 27./28.4.2010 ihr 2. Europa-Seminar in den Räumen der Zentral Kommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) in Strassburg durch. Diese Veranstaltung brachte über 40 Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Rumänien, Schweiz und Tschechien zusammen. Die gastgebende französische Gewerkschaft CGTE-CFDT spielte eine wichtige und wertvolle Rolle in der Organisation und Durchführung dieses Seminars. Das Hauptthema war „Europäische soziale Rahmenbedingungen – internationale Einflüsse und künftige Strategien“. Es gab viele Diskussionen über den Nutzen von internationalen Normen und die Notwendigkeit von Kontrollmechanismen, denn Normen ohne effektive Kontrolle sind wertlos. Als gutes Beispiel eines existierenden Modells wurde das Seearbeitsübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) in Genf erwähnt, denn die Arbeitswelten Seeschifffahrt und Fischerei unterscheiden sich nicht gravierend, und die negativen Auswirkungen der Arbeitsbedingungen auf hoher See machen sich inzwischen auch auf den Flüssen und Kanälen bemerkbar. Die Seminarteilnehmerinnen und – teilnehmer profitierten vom Input hochkarätiger Referenten wie Gunther Jaegers, Präsident des BDB, Joachim Grimsmann, Leiter der Maritimen Abteilung der IAO, Hubert Griepe von der Bayrischen Polizei und Cécile Tournaye von der ZKR. Der ZKR-Ökonom Norbert Kriedel referierte zur neuesten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und Albert Bour, Sekretär des administrativen Zentrums für Soziale Sicherheit der Rheinschiffer (CASS), berichtete von den Debatten über die Zukunft dieses internationalen Abkommens nach dem Inkrafttreten der neuen EU-Sozialversicherungsrichtlinien. Zentrale Themen waren: G Diskussionen über eine internationale Mindestregelung der Arbeitsbedingungen für eine Branche, in der nationale Normen mehr und mehr durch dubiose Anstellungspraktiken unterlaufen werden. Paradebeispiel ist eine deutsche Firma, deren Schiffe auf Rhein und Donau unter maltesischer Flagge (einem Land ohne Binnengewässer) fahren, und für deren Besatzungen zypriotische Arbeitsverträge zur Anwendung kommen. Welche Gesetze gelten an Bord dieser Schiffe, welche Behörden kontrollieren, welche Gewerkschaft ist zuständig? Der Vorschlag zur Einführung eines internationalen Schiffsausweises als Hilfsmittel gegen die Umgehung von Kontrollen und Vorschriften sowie als Maßnahme zur Zertifizierung von Qualifikationen und zur Mobilität auf dem Arbeitsmarkt. Bei der ZKR sind diese Diskussionen fortgeschritten. Die Frage, wie Normen wirksam kontrolliert werden können. Schon heute sind Behörden, Arbeitnehmer und Gewerkschaften mit enormen Herausforderungen konfrontiert. Eine effektive Kontrolle erfordert die Zusammenarbeit von Polizei, Wasserschutzpolizei, Steuerämtern, Gewerbepolizei, Berufsgenossenschaften, Versicherungsinspektoren, Einwanderungsbehörden usw. Daraus ergibt sich, dass einheitliche und überschaubare Regelungen geschaffen werden müssen. In der Diskussion über die Referate in den Arbeitsgruppen kam es zu intensivem Gedankenaustausch. Das Ergebnis dieses Seminars wird Grundlage eines Positionspapiers mit konkreten Empfehlungen für sozialen Fortschritt im Sektor Binnenschifffahrt sein. Es wird an die europäischen Politiker adressiert, um die Entwicklung legislativen Rahmenwerkes für die Binnenschifffahrt einzufordern. Weitere Seminare sollen folgen. Nick Bramley SCHIFFFAHRT | 2/2010 15 ver.di re p o r t | HAFENARBEIT Laschen ist Hafenarbeit Foto: Fred Dott I Nach der Aktion in Lübeck ist hoffentlich klar, wo die Grenze zwischen der Arbeit von Seeleuten und Hafenarbeitern verläuft 16 2/2010 | SCHIFFFAHRT n einer ITF-Aktionswoche in Lübeck wurde festgestellt, dass auch die Besatzungsmitglieder der unter finnischer Flagge fahrenden „Global Carrier“ die Ladungssicherungsarbeiten an Bord selbst durchführten. Nach dem Verständnis der maritimen Gewerkschaften der ITF ist dies aber eine Tätigkeit, die unstrittig den Hafenarbeitern vorbehalten ist. Da die „Global Carrier“ unter finnischer Flagge fährt, gab es kurzfristig keine Möglichkeit, die Abfertigung des Schiffes zu verhindern. Konsultationen mit den finnischen Seeleutegewerkschaften ergaben, dass es auch nach dem nationalen finnischen Tarifvertrag Sache der Hafenarbeiter ist, die Ladungssicherungsarbeiten durchzuführen. Es wurde deshalb mit den finnischen Gewerkschaften abgesprochen, dass bei einem der nächsten Anläufe in Lübeck-Travemünde eine Delegation der Hafenarbeiter einen Bordbesuch durchführen sollte. Von der ver.di-Bezirksverwaltung wurde vorgeschlagen, dass die „Global Carrier“ am 9. Mai 2010 aufgesucht werden sollte. Die ver.di-Delegation trug zunächst ihr Anliegen dem Kapitän des Schiffes vor. Die Kollegen machten deutlich, dass die Hafenarbeiter nicht länger bereit seien, hinzunehmen, dass ihnen ihre Arbeit von den Seeleuten aus der Hand genommen wird. Die Delegation setzte sich auch mit den Seeleuten auseinander und besprach mit ihnen die Problematik. Die Besatzungsmitglieder der „Global Carrier“ hatten Verständnis für die Position der Hafenarbeiter in Lübeck und hörten auf, die Laschings von der Ladung zu entfernen, mit der Folge, dass der Löschvorgang eingestellt wurde. Die Lübecker Hafenarbeiter wendeten sich daraufhin einem anderen Schiff zu. Der Kapitän telefonierte unaufhörlich und am Ende seiner Gespräche konnte eine Vereinbarung zwischen dem Charterer des Schiffes und dem Lübecker Hafenbetrieb abgeschlossen werden, die besagt, dass zukünftig das Laschen von den Hafenarbeitern erledigt wird. ver.di re p o r t | ARBEITS- UND LEBENSBEDINGUNGEN Wohlbefinden an Bord Untersuchung über Arbeits-und Lebensbedingungen D Kommunikationsmittel Ganz oben auf der Wunschliste steht der E-Mailzugang an Bord. Junge Menschen, die an Land selbstverständlich per E-Mail kommunizieren, sind schockiert, wenn sie an Bord erfahren, dass diese Möglichkeit nicht oder nur eingeschränkt besteht. Zwar gibt es schon Reedereien, die die Nöte der Seeleute erkannt haben, und ihren Besatzungsmitgliedern Zugang zu modernen Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung stellen, doch leider sind sie in der Minderheit. Eine gute Grundlage für das Recht auf Nutzung Hygienische Bedingungen Foto: Susan Linderkamp eutsche Seeschifffahrtsunternehmen betreiben inzwischen die drittgrößte Handelsflotte der Welt. Sie bestimmen zum Großteil die Arbeits- und Lebensbedingungen für mehr als 50 000 Seeleute. Ihr Verhalten hat wichtige Auswirkungen auf das Image der Seeschifffahrt. Es ist deshalb kein Zufall, dass die Europäische Transportarbeiterföderation (ETF) die Situation der Seeleute in der deutschen Seeschifffahrt untersucht (Siehe dazu den Bericht über das ETF-Projekt auf S. 9). In diesem Projekt werden auch die Arbeits-und Lebensbedingungen an Bord untersucht. Grundsätzlich ist dazu festzustellen, dass vom Wohlbefinden der Seeleute auch die Verweildauer an Bord abhängt. Das Schiff ist zeitweilig ein Heimatersatz. Ob die Seeleute sich an Bord wohlfühlen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein wichtiger Punkt ist das Verhältnis der Besatzungsmitglieder untereinander. Hier gibt es nur wenige Einflussmöglichkeiten. Andere Faktoren dagegen können beeinflusst werden. Abschreckendes Beispiel für eine Behelfsdusche für den Schiffskoch der „Norlake“ Gesundheitsvorsorge der E-Mail-Anlage befindet sich im MTV-See. Darüber hinaus besteht das Bedürfnis, hin und wieder auch telefonisch zu kommunizieren. Hier kann ohne große Investitionen seitens der Reeder mehr getan werden, um den Wünschen der Seeleute zu entsprechen. Auch Seeleute werden hin und wieder krank oder haben Arbeitsunfälle. Deshalb muss die Schiffsapotheke immer auf dem neuesten Stand gehalten werden, das Hospital entsprechend ausgestattet sein und die Schiffsoffiziere die notwendige medizinische Ausbildung erhalten haben. Urlaub Gewährung von Landgang Obwohl noch nicht in allen Tarifverträgen das 1/1-Urlaubssystem enthalten ist, hat es sich mehr und mehr durchgesetzt. Nach langer Fahrzeit ist es Seeleuten ein Bedürfnis, im Hafen an Land zu gehen. Dies wird erschwert durch die immer kürzeren Liegezeiten und neuerdings auch strengere Sicherheitskontrollen der Behörden. Insbesondere mit den Behörden in den Hafenstädten müssen Verhandlungen geführt werden, die sicher stellen, dass Seeleute schnell nach dem Einlaufen des Schiffes die Genehmigung zum Landgang erhalten. Die o.g. Themen können ohne große finanzielle Aufwendungen befriedigend umgesetzt werden. Sie sind wichtige Voraussetzung dafür, dass die Seeleute sich an Bord wie zu Hause fühlen können. Die laufende Ratifizierung des Seearbeitsübereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) ist ein wichtiger Schritt, zu einheitlichen weltweiten sozialen Mindeststandards an Bord aller Schiffe zu kommen. Der Charme des Seearbeitsübereinkommens liegt auch darin, dass nach Inkrafttreten beispielsweise in deutschen Häfen die Einhaltung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Inspektoren auch an Bord von Schiffen unter billigen Flaggen kontrolliert werden dürfen. Karl-Heinz Biesold Länge des Bordeinsatzes Vor dem Hintergrund der o. g. Urlaubsregelung sind die Seeleute an kürzeren Einsatzzeiten interessiert. Eine Einsatzzeit von 6 Monaten Bordzeit und 6 Monaten Landzeit ist nicht im Interesse der meisten Seeleute. Hier geht es darum, wesentlich kürzere Ablöserhythmen zu vereinbaren. Soziale Bedingungen an Bord Um sich an Bord wohl zu fühlen, ist eine angemessene Ausstattung der Kammern und Messen erforderlich. Physikalische Belastungen durch Lärm, Vibrationen oder Klima müssen so gering wie möglich gehalten werden. Verpflegung Unhaltbarer Zustand des Bordhospitals auf der „Norlake“ Sauberkeit in Kammern, Freizeiträumen und am Arbeitsplatz ist an Bord unerlässlich. Leider gibt es viele negative Beispiele – besonders auf den Schiffen unter billigen Flaggen – wo Schiffsinspektoren völlig unzureichende hygienische Zustände angetroffen haben. Das geht bis hin zu menschenunwürdigen Sanitäreinrichtungen. Traditionell gibt es gutes Essen an Bord, weil dies auch für gute Stimmung sorgt. Vor dem Hintergrund der abnehmenden körperlichen Arbeit ist es die Kunst des Kochs überlassen, schmackhaftes kalorienarmes Essen zuzubereiten. SCHIFFFAHRT | 2/2010 17 V O R N E U N D A C H T ver.di: Dein sicherer Hafen Denn ver.di bietet ihren Mitgliedern Schutz, Sicherheit und Unterstützung am Arbeitsplatz und im Arbeitsleben Mit ver.di: Beim Einkommen dranbleiben Wir haben 2002 die Festheuer für alle Seeleute durchgesetzt, vorteilhafte Urlaubsregelungen bis hin zum 1:1 System geschaffen, und stellen mit jährlichen Heuerrunden sicher, dass die Seeleute beim Einkommen dranbleiben. Mit ver.di: Sicherheit im Alter Durch ver.di ist Sicherheit im Alter kein Fremdwort mehr, denn wir haben die Seemannskasse durchgesetzt, so dass Seeleute schon mit 56 Jahren ein Übergangsgeld – die Seemannsrente – beziehen können. Mit ver.di: Mehr Schiffe unter deutscher Flagge Wir haben durch permanente politische Einflussnahme erreicht, dass eine Schifffahrt unter deutscher Flagge möglich ist. Junge Menschen haben dadurch wieder gute berufliche Perspektiven. Mit ver.di: Gegen Billigflaggen Gemeinsam mit unserem internationalen Zusammenschluss – der ITF – kämpfen wir weltweit gegen Ausflaggen und für internationale Tarifverträge. Mit ver.di: Sicherheit vor Regressansprüchen Für nur 1,75 € im Monat können ver.di-Mitglieder sich bei der GUV/Fakulkta – siehe nächste Seite – gegen Regressansprüche des Reeders absichern. Ja, ich bin dabei – Ich möchte Mitglied werden ab: Monat/Jahr Arbeiter/in Angestellte/r Beamt/in DO-Angestellte/r Selbstständige/r freie/r Mitarbeiter/in Vollzeit Anzahl Wochenstd. Teilzeit Erwerbslos Wehr-/Zivildienst bis Azubi-Volontär/in-Referendar/in bis Persönliche Daten: Beitrittserklärung Einzugsermächtigung: Monatsbeitrag: # Ich bevollmächtige die ver.di, den satzungsgemäßen Beitrag bis auf Widerruf im Lastschrifteinzugsverfahren zur Monatsmitte zum Monatsende monatlich halbjährlich vierteljährlich jährlich oder im Lohn-/Gehaltsabzugsverfahren* monatlich bei meinem Arbeitgeber einzuziehen. * (nur möglich in ausgewählten Unternehmen) Datenschutz Ich erkläre mich gemäß § 4a Abs. 1 und 3 BDSG einverstanden, dass meine mein Beschäftigungs- und Mitgliedsverhältnis betreffenden Daten, deren Änderungen und Ergänzungen im Rahmen meiner Gewerkschaftsmitgliedschaft und der Wahrnehmung gewerkschaftspolitischer Aufgaben elektronisch verarbeitet und genutzt werden. Ergänzend gelten die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes in der jeweiligen Fassung. Schüler/in-Student/in (ohne Arbeitseinkommen) bis Praktikant/in bis Name Name des Geldinstituts/Filiale (Ort) Altersteilzeit bis Sonstige Bankleitzahl Vorname/Titel Der Mitgliedsbeitrag beträgt nach §14 der ver.di-Satzung pro Monat 1% des regelmäßigen monatlichen Bruttoverdienstes. Für Rentner/innen, Pensionär/ innen, Vorruheständler/innen, Krankengeldbezieher/innen und Erwerbslose beträgt der Monatsbeitrag 0,5% des regelmäßigen Bruttoeinkommens. Der Mindestbeitrag beträgt # 2,50 monatlich. Für Hausfrauen/Hausmänner, Schüler/innen, Studierende, Wehr-, Zivildienstleistende, Erziehungsgeldempfänger/innen und Sozialhilfeempfänger/innen beträgt der Beitrag # 2,50 monatlich. Jedem Mitglied steht es frei, höhere Beiträge zu zahlen. Kontonummer Datum/Unterschrift Name Kontoinhaber/in Straße/Hausnummer Bin/war beschäftigt bei PLZ/Wohnort Straße/Hausnummer im Betrieb Datum/Unterschrift Kontoinhaberin Name Geburtsdatum PLZ/Wohnort Tarifvertrag Vorname Telefon Personalnummer im Betrieb Tarifl. Lohn- o. Gehaltsgruppe / Besoldungsgruppe Telefon E-Mail Branche Tätigkeits-/Berufsjahr, Lebensaltersstufe Mitgliedsnummer Staatsangehörigkeit ausgeübte Tätigkeit Regelmäßiger monatlicher Bruttoverdienst (Betrieb/Dienststelle, Firma, Filiale) (Bitte in Druckbuchstaben) Werber/in: " Geschlecht weiblich Ich war Mitglied der Gewerkschaft männlich ich bin Meister/in-Techniker/in-Ingenieur/in von bis E R N F E S T GUV/Fakulta: Deine zusätzliche Sicherheit Denn die GUV/Fakulta sichert ver.di Mitglieder für 21 € im Jahr gegen Regressansprüche des Reeders ab Mit GUV/Fakulta: Absichern gegen berufliche Risiken Niemand ist dagegen gefeit, bei der Ausübung des Berufes einen Schaden zu verursachen, für den er oder sie dann vom Reeder in Regress genommen werden kann. Aber jede und jeder ist in der Lage, sich dagegen richtig abzusichern. Mit GUV/Fakulta: Günstige Selbsthilfe statt teurer Versicherung Da wir keine Versicherung sind, sondern eine gewerkschaftliche Unterstützungseinrichtung, geht es uns nicht um Gewinne, sondern um umfassenden und preisgünstigen Schutz für unsere Mitglieder. Den garantieren wir für 1,75 € im Monat bzw. 21 € im Jahr. • Der Verband Deutscher Reeder (VDR) und ver.di haben in der Heuertarifrunde 2008 vereinbart, dass die 21 € den Seeleuten erstattet werden, wenn sie nachweisen, dass sie in der GUV/Fakulta sind. Dies gilt für alle tarifgebundenen Seeschifffahrtsunternehmen. Mit GUV/Fakulta: Rundum Sicherheit gegen Regressansprüche Wir bieten: Schadensersatzbeihilfe bei arbeitsrechtlich begründeter Regressnahme | Unterstützung bei wirtschaftlicher Notlage durch einen Schadensfall | Rechtsschutz zur Durchsetzung von Schmerzensgeld und Schadensersatz | Rechtsschutz in Strafverfahren | Unterstützung bei Berufs- und Erwerbsunfähigkeit | Haftunterstützung | Hinterbliebenenunterstützung | Beratung, Information und Schulung zum Thema Arbeitnehmerhaftung. Mit GUV/Fakulta: Sparangebot für Studenten in der Schifffahrtsbranche. Jetzt eintreten, erst ab 2010 Beitrag bezahlen. Bei vollem Schutz. Weitere Infos: 0180-1 22 44 22 | www.guv-fakulta.de Beitrittserklärung Ich möchte Mitglied werden ab: Ich bin Mitglied der Gewerkschaft: Monat/Jahr Ich bevollmächtige die GUV/FAKULTA, Ich habe das neue Mitglied geworben: meinen Beitrag jeweils bei Fälligkeit bis zu meinem schriftlichen Widerruf von meinem Konto abzubuchen. Name/Vorname Straße/Hausnummer Meine persönliche Daten: Betrieb/Dienststelle: Bankverbindung: Name Name Kontonummer Vorname Straße/Hausnummer BLZ PLZ/Ort Mitgliedsnummer Straße/Hausnummer PLZ/Wohnort Bank/Sparkasse/Postbank PLZ/Wohnort Telefonisch erreichbar? PLZ Ich willige ein, dass meine persönlichen Daten im Rahmen der Zweckbestimmung des Mitgliedsverhältnisses und der Wahrnehmung gewerkschaftlicher Aufgaben elektronisch verarbeitet und genutzt werden. Ergänzend gelten die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes in der jeweils gültigen Fassung. Datum/Unterschrift Geburtsdatum Ort Das trägt die GUV/Fakulta ein: Telefon Datum/Unterschrift Kontoinhaberin Media Code 07/161 H ID-Nr. PVST DEUTSCHE POST AG, E11130 E N T G E LT B E Z A H LT VER.DI-BEZIRK ver.di re p o r t | GLOSSE Fiete Festmacher Geschichte wiederholt sich E Karikatur: Rainer Hofmann Battiston s ist später Nachmittag, also eher kurz vor Dunkelwerden. Hannes und Fiete sind mit ihrem Wagen auf dem Terminal unterwegs in Richtung Gate. Langsam kommt es wieder in Gänge wie Fiete immer so sagt. Es sind mehr und häufiger Schiffe da, die zwar weniger laden und löschen als noch vor 2 Jahren, aber das ist für die beiden erstmal nachrangig. Manches Mal müssen sie sogar noch wesentlich schneller wieder raus, weil die Liegezeiten noch kürzer geworden sind durch den geringeren Umschlag. Elegant biegt Hannes von der vorgeschriebenen Route auf dem Terminal ab zum Gate. Kurzer Stopp am Gatehaus zum Schnacken, sozusagen von Fenster zu Fenster. Das erhält die Kollegialität und macht manches einfacher. Auf der Beifahrerseite klopft es ans Fenster. Fiete fährt die Scheibe runter. „Was gibt’s, junger Mann?“ „Fahren Sie in Richtung Stadt und können Sie mich vielleicht mitnehmen?“ kommt es höflich von dem jungen Burschen, der eine große Tennistasche mit sich trägt. „Wo kommst Du denn her?“ will Fiete noch wissen, bevor er antwortet. „Ich war eine Reise auf der CBL Vancouver und eigentlich wollten mich meine Eltern abholen, „Ich bin ein SBTA.“ 20 4/2009 | SCHIFFFAHRT aber ihr Wagen ist auf der Autobahn verreckt. Und jetzt muss ich zum Bahnhof“. „Na gut, steig ein“, fordert ihn Fiete auf. Seeleuten kann man schon mal aus der Patsche helfen. Und der junge Mann sieht nicht so aus, als hätte er die große Heuer abgesahnt. Hannes beendet seine Kontaktpflege, legt den Gang ein und los geht’s. Los geht es auch sofort mit der Fragerei. Fiete: „Als was hast du denn gefahren“? „Ich bin SBTA“, kommt es prompt zurück. „Was ist denn das, hab ich noch nie gehört?“ „Das bedeutet Schiffsbetriebstechnischer Assistent“, erläutert der junge Mann. „Ach so, ’nen Assi, willst mal Ingenieur werden?“, fragt Fiete nach. „Nee, nee ich will Kapitän werden und hab jetzt ein bisschen praktische Fahrzeit auf meinem Plan gehabt“. „Versteh ich zwar nicht ganz, aber was hast Du denn an Praxis gelernt?“ will Fiete wissen. „Na, ja“, druckst der junge Mann rum, „etwas mehr hätte ich mir schon versprochen, aber da war nur der Kapitän, der deutsch sprach. Alle anderen waren Russen und Ukrainer. Aber ich hatte ja meine Aufgaben von der Schule mitgekriegt. Ich musste so Beschreibungen anfertigen von den Rettungsmitteln, vom Anker und wie man Konservierungsarbeiten durchführt.“ „Und das hat dir der Kapitän gezeigt und erklärt?“, hakt Fiete nach. „Nee, der hatte nicht soviel Zeit. Die meiste Zeit hat der Revier gefahren, weil wir keine Lotsen nehmen mussten und den Rest hat der dann meistens geschlafen. Aber er hat mir Handbücher und Pläne gezeigt, in denen ich nachlesen konnte, was ich brauchte. Und mit dem Steuermann konnte man ein bisschen Englisch sprechen.“ „Hast du auch was mit den Händen gemacht?“ will Hannes wissen. „Ja, Luken gefegt, Backschaft, Entrosten und so was. Das haben mir die Russen gezeigt.“ „Dann warst Du Russen-Assi, ein SBRA“, stellt Hannes fest. Der junge Mann guckt etwas pikiert, widerspricht aber nicht. „Aber du hast ordentlich Kohle gemacht, oder?“ „Nee, Geld gibt es nicht, ich bin ja quasi Schüler und ich hab ja auch keinen Arbeitsvertrag.“ „Also“, sagt Hannes, „ das erinnert mich verdammt an meine Eltern und mich vor 50 Jahren. Mein Vater hat wegen Schichtarbeit die meiste Zeit zu Hause gepennt und keine Zeit gehabt, sich um mich zu kümmern. Meine Mutter und ich mussten die Drecksarbeit zuhause machen, Lohn gab es auch nicht und für die Schule musste ich alleine lernen“. „Ja, ja“, kommt es staatsmännisch von Fiete, „Geschichte wiederholt sich“.