Schifffahrt 2016-2 PDF - Fachbereich Verkehr
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Schifffahrt 2016-2 PDF - Fachbereich Verkehr
Fachbereich Verkehr 02 |2 SCHIFFFAHRT d e r v e r.d i - R e p o r t 01 6 Da macht ver.di nicht mehr mit! Beschäftigungsabbau als Ziel von Regierungspolitik: ver.di verlässt das „Maritime Bündnis“ Ausbildung und Beschäftigung deut scher Seeleute nicht mehr im Fokus der Bundesregierung – Der Letzte macht das Licht aus! So könnte die Überschrift lauten, wenn man die Schifffahrtspolitik der Bundesregie rung über die letzten Jahre betrach tet. Während die Reeder mit neuen millionenschweren Subventionen un terstützt werden, wird fast gleich zeitig die Halbierung der Vorschriften der Schiffsbesetzungsverordnung ver kündet. Christine Behle, unser ver.di-Bundes vorstandsmitglied, nimmt im Editorial dieser Ausgabe (Seite 2) dazu Stellung und ordnet den Vorgang ein. „Während unser Augenmerk bei der Mitarbeit im Maritimen Bündnis auf dem Erhalt von Ausbildung und Beschäftigung in der Seeschifffahrt gelegen hat, ging es den Reedern in den letzten Jahren nur um weitere Subventionen ohne verbindliche Beschäftigungswirkung.“ In den Diskussionen zur geplanten Än derung der Schiffsbesetzungsverordnung seit Herbst 2014, aber auch in der offi ziellen Anhörung nahm ver.di eindeutig Stellung und lehnte die Änderung der Besetzungsvorschrift auf Schiffen unter deutscher Flagge nachdrücklich ab. Denn diese Änderung wird den Verlust des maritimen Know-hows für die Seeschifffahrt nach sich ziehen, ist nicht nur die Seefahrergewerkschaft ver.di überzeugt. Die zu erwartende Verringerung von Ausbildung und Beschäftigung in der Seeschifffahrt wird erhebliche Folgewirkungen auf die Schifffahrtsschulen und landseitige Berufe mit SchifffahrtsKnow-how haben. Ein Beleg dafür ist das bereits erarbeitete Konzept der Bun- deslotsenkammer für eine eigenständige Lotsenausbildung. Dafür sollen zusätzliche Millionen beträge zur Verfügung gestellt werden, weil es zu wenig Nautiker zur Sicherung der Wasserstraßen aus der Seeschifffahrt für die einzelnen Lotsenreviere gibt. Und es ist zu erwarten, dass es noch weniger werden! Klaus Schroeter, der Bundesfachgruppenleiter Schifffahrt von ver.di, weist auf die Folgen der Entscheidung zur Schiffs besetzung hin: „Mit dieser Veränderung vermindert Bundesverkehrsminister Dob- ezember 2015 mitgeteilt worden sei, sie D mögen sich darauf einstellen, dass demnächst keine Schiffsmechaniker mehr auf den Schiffen unter deutscher Flagge bei dieser Reederei fahren werden. Wie wir schon seit Monaten angeprangert haben: Die große Koalition ist den Wünschen der Reeder ohne jede Gegen leistung gefolgt. Im Gegenteil: Arbeits platz abbau wird auch vom Ministerium ausdrücklich angekündigt. Das Bundes verkehrsministerium und der VDR haben Anfang Juni nach drei Rückflaggungen Das Maritime Bündnis für Beschäftigung und Ausbildung entwickeln wir weiter. Die Schifffahrtsförderung für Ausbildung und Beschäftigungssicherung führen wir bedarfsgerecht fort. Gemeinsam mit der Maritimen Wirtschaft und den Sozialpartnern entwickeln wir konkrete Maßnahmen zur Sicherung des beruflichen Nachwuchses. Für den Erhalt der Traditionsschifffahrt werden wir dauerhafte Regelungen erarbeiten. Aus: „Deutschlands Zukunft gestalten“, Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD 2013 rindt die Anzahl deutscher Seeleute auf Schiffen unter deutscher Flagge um die Hälfte. Zum ersten Mal sehe ich eine Verordnung, in der die Bundesregierung Beschäftigungsabbau als Ziel der Bundespolitik formuliert hat“, kommentiert er die Vorlage aus dem zuständigen Ministerium. Nach den Ankündigungen von Minister Dobrindt hatten auch die Vertreter der Küstenländer, der Schulen und Fachschulen, Vertreter der Kapitäne, Offiziere und Schiffsingenieure der Änderung der Schiffsbesetzungsverordnung widersprochen und nicht zuletzt auf die Bedrohung des Schiffs mechanikerberufes hingewiesen. Aus einer großen deutschen Reederei haben wir gehört, dass den Kapitänen bereits im u nter die deutsche Flagge behauptet, dass damit die Wende in der Schifffahrtspolitik eingeleitet wurde. Die Rückflaggung eines Autotransporters einer deutschen Reederei unter die deutsche Flagge wird als Beispiel für den Stopp des Abwärtstrends der deutschen Flagge stilisiert. Die betroffene Reederei selbst hat von 2010 – damals beschäftigte sie 437 Seeleute, davon 61 Schiffsmechaniker – bis zum Vorjahr mit 230 Seeleuten, davon 26 Schiffsmechaniker, ihre Seeleuteanzahl fast halbiert. Von weiteren Gesprächen zum Personalabbau wird berichtet. ver.di rechnete nach: Allein diese eine Reederei müsste bei der geänderten Schiffsbesetzungsverordnung 103 Schiffe unter deutsche Flagge bringen, um den Personalabbau der letzten fünf Jahre auch nur auszugleichen. So viele Schiffe hat diese Reederei gar nicht! Weder Ministerium noch der VDR erwähnen, dass zum selben Zeitpunkt drei Schiffe einer anderen VDR-Mitgliedsree derei unter fremder Flagge ausgeflaggt wurden. In deutschen Reedereien werden weiterhin Seeleutearbeitsplätze und nach Kenntnis von ver.di auch Landpersonal abgebaut. So wird das Maritime Bündnis durch die Politik der Bundesregierung zum Debattierclub degradiert. Wenn das zuständige Ministerium gegen die Stimmen fast aller anderen einseitige Politik macht, wird der Grundgedanke eines Bündnisses mit gemeinsamer Meinungsbildung und abgestimmten Entscheidungen verlassen. Deshalb hat der ver.di-Bundesvorstand den Austritt beschlossen, nachdem die Änderung der Schiffsbesetzungsverordnung veröffentlicht worden ist. Im Maritimen Bündnis hat es durch die politischen Vorgaben der Koalition eine Verschiebung der Schwerpunkte gegeben, Ausbildung und Arbeitsplätze für deutsche Seeleute in der Seeschifffahrt sind nicht mehr der Schwerpunkt der Arbeit. Für die Seeleutegewerkschaft ver.di wird es aber weiter das wichtigste Ziel bleiben, Arbeitsplätze für deutsche Seeleute zu erhalten. Das Vorgehen der Bundesregierung ist nicht nachvollziehbar, an den Zahlen der deutschen Seeleute in der „großen Fahrt“ werden die Folgen bald ablesbar sein. Und die Reeder werden von ver.di daran gemessen werden, welche Ausbildungsund Arbeitsplätze für die dreistelligen Millionensubventionen jährlich entstehen oder gesichert bleiben. KLAUS SCHROETER/PETER GEITMANN ver.di wächst – Ressourcen bündeln durch Konzentration Um Ressourcen zu bündeln und die Effizienz zu steigern, wird im ver.di-Bundesfachbereich Verkehr eine Konzentration der jetzt fünf Fachgruppen auf künftig drei stattfinden. Es wird dann eine ver.di-Fachgruppe Luftverkehr, eine Fachgruppe Straßen- und Schienenverkehr sowie eine Maritime Fachgruppe geben. Die Fachgruppen Häfen und Schifffahrt werden zur Maritimen Fachgruppe zusammengelegt. Dabei soll sichergestellt werden, dass die zahlenmäßig kleinere Fachgruppe Schifffahrt personell sowohl im Bundesfachbereichsvorstand als auch in den Fachgruppen in allen Landesbezirken und Bezirken vertreten ist. Gleichzeitig ist vorgesehen, dass die fachlichen und beruflichen Interessen der Mitglieder aus den bisherigen Fachgruppen bei Bedarf über Arbeitskreise berücksichtigt werden. Die Neuaufstellung der Fachgruppen ist bis zur kommenden ver.di-Organisationswahl umzusetzen. Auf Bundesebene ist die Zusammenlegung der Fachgruppen bereits für den 1. Januar 2017 geplant. Die bisheri- gen Mandate bleiben dabei bis zu den kommenden Organisationswahlen bestehen. Die Arbeit in den Häfen und der Schifffahrt sind geprägt von einer harten Aus einandersetzung im globalen Wettbewerb. Die Kräfte zu bündeln, um gemeinsam handlungsfähiger zu werden, ist darauf die P.G. richtige Antwort. MEINUNG Reeder bedienen sich bei Staat und Steuerzahler Die Zeit für den Austritt der Gewerkschaft aus dem Maritimen Bündnis war überreif, meint Thomas Mendrzik im Interview. ver.di sei in dem Bündnis viel zu lange als soziales Feigenblatt missbraucht worden. Die deutschen Reeder würden von der Politik über jedes Maß alimentiert und zeigten keinerlei gesellschaftliche Gesamtverantwortung. Mit einer gemeinsamen Maritimen Fachgruppe solle ver.di künftig noch stärker politisch wirksam werden. Seite 2 AKTUELLES ver.di lehnt Änderung bei Schiffsbesetzung strikt ab Die geplante neuerliche Änderung der Schiffsbesetzungsverordnung würde den Verlust maritimen Know-hows in der Zukunftsbranche Seeschifffahrt bedeuten, davon ist ver.di überzeugt und spricht sich kategorisch dagegen aus. Stattdessen sei der Gesetzgeber gefordert, zunächst objektiv die Folgen abzuschätzen, die die bereits 2013 vorgenommenen Änderungen zugunsten der Reeder bewirkt haben. Seite 3 LOTSEN Lotsversetzer – Shuttle der besonders sicheren Art FOTOS: SPITZ Sie sind an der Aufschrift „PILOT“ weithin zu erkennen und leisten eine sehr verantwortungsvolle Arbeit: Spezielle Lotsenboote bringen Lotsen zu Schiffen oder Stationen und holen sie auch wieder ab. Diese speziellen Dienstleistungen werden über den Lotsbetriebsverein öffentlich oder privat organisiert angeboten. Zwei Betriebsräte des LBV berichten über ihre Arbeit rund um die Uhr und darüber, dass anspruchsvolle Technik und Sicherheit und Verlässlichkeit der Lotsversetzer nicht mit Dumpingpreisen zu haben sind. Seite 4 PANORAMA Sonderpreis und einen Kicker für den Duckdalben FOTOS: NADINE GRENNINGLOH Ein internationales Seefahrer-Netzwerk würdigt die kontinuierliche Arbeit des Hamburger Seemannsclubs Duckdalben für das Wohl der Seeleute. Die Sorge um die Würde der Seeleute, die hier seit 30 Jahren betrieben würde, sei eigentlich ein „Marathonstaffellauf“, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln ihr Angebot ständig weiter. Die Crew der „Saga Sapphire“ sagte auf ihre Weise Dank. Seite 8 2 MEINUNG FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2016 EDITORIAL Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! das ist ein Paukenschlag: ver.di verlässt das Maritime Bündnis! In einem Brief an die Bundeskanzlerin, den Verkehrs- und den Wirtschaftsminister und an die beiden Parlamentarischen Staatssekretäre dieser Ministerien hat die Gewerkschaft am 22. Juni 2016 den Austritt aus dem Maritimen Bündnis erklärt. Für ver.di war Ziel im Maritimen Bündnis, durch gemeinsame Vorschläge die Sicherung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen in der Seeschifffahrt zu organisieren. Deshalb waren wir von Anfang an beim Maritimen Bündnis dabei. In den letzten Jahren haben wir allerdings immer wieder die Ausrichtung des Bündnisses kritisiert und an den Gründungsgedanken erinnert. Nach der 9. Maritimen Konferenz im Oktober 2015 hat die politische Mehrheit entschieden, den Reedern bei Schiffen unter deutscher Flagge die Lohnsteuer der Seeleute vollständig zu schenken. Zudem werden ab dem 1. Januar 2017 den Arbeitgebern nach den Gesetzesvorhaben die kompletten …eine Chance für den Neuanfang unserer gewerkschaftlichen Arbeit Sozialabgaben erlassen. Die Summe dieser Unterstützungen beträgt nach Schätzungen der Bundesregierung rund 130 Millionen Euro jährlich. Gleichzeitig wurde gemäß der Forderung des Verbandes Deutscher Reeder (VDR) die Vorschrift der Schiffsbesetzungsverordnung geändert: Anstelle von vier deutschen oder europäischen Seeleuten – davon ein Schiffsmechaniker – sind ab 1. Juli nur noch ein Kapitän sowie auf größeren Schiffen ein Offizier vorgeschrieben. Auf Schiffen unter deutscher Flagge sind also nur noch zwei Deutsche bzw. Europäer vorgeschrieben. Der Beruf des Schiffsmechanikers ist vom Aussterben bedroht. ver.di hat immer verbindliche Zusagen für die Beschäftigung deutscher Seeleute eingefordert, dazu war der VDR aber zu keiner Zeit bereit. Trotzdem hat die Politik den Forderungen des Verbandes nachgegeben, ohne irgendeine verbindliche Gegen- leistung für die Förderung und Subventionen der Reeder zu bekommen. Es sind ja nicht nur die genannten 130 Millionen Euro, auch die Tonnagesteuer hat in den Jahren 2003 bis 2014 zu einer durchschnittlichen Unterstützung von ca. 250 Millionen Euro im Jahr geführt. Und mit rund 200 Millionen Euro schlägt für die Reeder die Freistellung von der Versicherungssteuer zu Buche. Alles in allem also eine hochsubventionierte Branche, die immer weniger deutsche Seeleute in der internationalen Fahrt beschäftigt. ver.di wird sich für eine solche Politik nicht vor den Karren spannen lassen. Wir werden aber weiter die Interessen der Seeleute vertreten und uns dabei in allen Gremien engagieren, in denen dies möglich ist. Dazu gehören zum Beispiel die Seemannskasse, die Berufsgenossenschaft, die Prüfungsausschüsse und vieles andere mehr. Deshalb ist dieser Austritt zwar einerseits ein Ende, andererseits liegt darin aber auch eine Chance für einen Neuanfang unserer gewerkschaftlichen Arbeit in der Seeschifffahrt. Wir können so viel deutlicher machen, welche verheerenden Folgen die aktuelle Politik für die deutschen Seeleute hat. Deshalb freue ich mich auf die zukünftigen Initiativen und Vorstellungen unserer Kolleginnen und Kollegen aus der Schifffahrt, die die Beschäftigung der Seeleute zu guten Bedingungen als oberstes Ziel haben. CHRISTINE BEHLE, MITGLIED DES ver.diBUNDESVORSTANDES | FOTO: DIE HOFFOTOGRAFEN EURE CHRISTINE BEHLE INTERVIEW Die Reeder missbrauchen den Staat als Selbstbedienungsladen Auch aus Sicht der Bundesfachgruppe Häfen war die Zeit für den Exit reif orfeld der Treffen ausgehandelt und V dabei die Interessen der Reeder bedient. Das lässt sich beim besten Willen nicht als sozialpartnerschaftliches Verhalten bezeichnen. THOMAS MENDRZIK FOTO: CHR. V. POLENTZ Die Fachgruppen Schifffahrt und Häfen des ver.di-Bundesfachbereichs Verkehr fusionieren ab 2017 zur Maritimen Fachgruppe. Schon jetzt arbeiten beide Fachgruppen eng zusammen. Thomas Mendrzik, ehren amtlicher Vorsitzender der Bundes fachgruppe Häfen und stellvertreten der Vorsitzender im Bundesfachbe reichsvorstand Verkehr, bezieht daher Stellung zum Austritt aus dem Mariti men Bündnis. Der Austritt ist beschlossene Sache, ver.di steigt aus. Wie beurteilst Du diesen Schritt? Thomas Mendrzik | Er war richtig und eigentlich überfällig. Die Politik hat die Gewerkschaft schon viel zu lange als soziales Feigenblatt missbraucht. Hätte man den Austritt demnach schon eher betreiben sollen? Thomas Mendrzik | Nein, aber die Zeit war reif, als sich letztes Jahr zur Maritimen Konferenz abzeichnete, dass die Schiffs besetzungsverordnung wieder verändert wird – und zwar nach unten, nicht nach oben. Außerdem hat die Anzahl der Schiffe unter deutscher Flagge trotz gegensätz licher Beteuerungen ständig weiter abgenommen. Was hingegen nicht abgenommen hat, ist die Subventionierung der Reeder. Da wurde ein Weg eingeschlagen, den wir als Gewerkschaft nicht mitgehen können. Welche weiteren Gründe neben der Änderung der Schiffsbesetzungsver ordnung spielten eine Rolle? Wie war beispielsweise der Umgang in nerhalb des Gremiums? Thomas Mendrzik | Genau darauf zielte ich, als ich eben meinte, dass wir als soziales Feigenblatt missbraucht wurden. Der Verband der Reeder (VDR) und die Politik – maßgeblich Uwe Beckmeyer, der als Maritimer Koordinator ein Totalausfall war – haben zusammen vieles schon im Was wirfst Du dem Maritimen Koor dinator vor? Thomas Mendrzik | Uwe Beckmeyer war schwach, was aber eigentlich schon der Konstruktion geschuldet ist. Ein Maritimer Koordinator im Spannungsfeld zwischen dem Wirtschafts- und dem Verkehrsministerium kann nicht viel bewegen: Die Ressorts sind unterschiedlichen Parteien zugeordnet und setzen unterschiedliche Schwerpunkte. Und wenn man sich das SPD-geführte Wirtschaftsministerium ansieht, wird klar, dass die Sozialdemokraten immer noch einem wirtschaftsliberalen Weltbild hinterherlaufen – ein Manko, das der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder ausgelöst hat und das bis heute nicht überwunden wurde! Hin- und hergerissen zwischen den Interessen der beiden Ministerien und Parteien kann ein Maritimer Koordinator wenig bewirken. Wenden wir uns noch einmal der euro päischen Schifffahrtspolitik und den damit verbundenen Fördermöglich keiten bzw. Subventionierungen zu… Thomas Mendrzik | …man sollte wirklich von Subventionen sprechen. Das ist ja das perfide: Eine Kommission, die in aller Regel stark auf Deregulierung und Libera lisierung setzt, die den Markt geradezu heiligspricht, hat hier ein Betätigungsfeld gefunden, wo sie in hohem Maße mit Subventionen arbeitet. Nun ist es ja so, dass die nationale deutsche Politik bisher den Rahmen, den die EU setzt, gar nicht ausge schöpft hat. Ist das gerechtfertigt? Thomas Mendrzik | Selbst wenn die deutsche Politik alles, was in der EU möglich ist, in Anspruch nähme, würde das nicht zu mehr deutschen und europäischen Seeleuten auf deutschen Schiffen führen. Der einzige Effekt wäre mehr Geld in den Taschen der Reeder. Und genau darin liegt der eigentliche Grund für unseren Ausstieg: Dass immer mehr Geld ohne Gegen leistung bzw. zu immer weiter reduzierten Gegenleistungen an die Reeder gezahlt wird. Man könnte auf Seite der Reeder ja auch auf die Idee kommen, dass sie so e twas wie eine gesellschaftliche Gesamtverantwortung haben, dass sie maritimes Know-how erhalten möchten, welches hinterher etwa den Landbetrieben oder den Lotsen zugute kommt. Aber von einem solchen Gedankengut ist bei den Reedern nichts, aber auch gar nichts zu finden. Stattdessen nehmen sie so viel Geld mit, wie sie kriegen können, weil sie ja ach so notleidend sind. Sie führen ihre Lage selbst herbei, indem sie immer mehr Überkapazitäten auf dem Schiffsmarkt schaffen. Gleichzeitig werden sie staatlich subventioniert. Daher bin ich der Meinung, dass ein Mehr an Subventionen nichts bringen würde. Könnte man irgendetwas tun, um wieder eine Annäherung zu errei chen? Thomas Mendrzik | Nach meiner Einschätzung ist das wenig realistisch, weil beim VDR kein Unrechtsbewusstsein vorhanden ist. Wir führen ja derzeit mit den Reedern auch Gespräche zum Thema Ladungsbefestigung. Dabei verstoßen sie gegen ihre eigenen und unterschriebenen Tarifverträge. Warum konnte sich diese Branche denn überhaupt so entwickeln? Thomas Mendrzik | Das war nur möglich, weil unglaublich viel in diesen Bereich investiert wurde. Der Hunger nach Schiffen war riesengroß, er wurde gestillt mit Kapital, das weltweit über den Anreiz von Steuersubventionierungen in die Branche floss. Nicht der Schiffsbau wurde direkt subventioniert, sondern diejenigen, die in Schiffsbeteiligungsfonds investiert haben, erhielten Steuererleichterungen oder konnten besondere Abschreibungsmöglichkeiten wahrnehmen. So etwas gibt es in sonst keiner Industrie, selbst der Ausstieg aus der Steinkohle verlief wesentlich marktkonformer als die Alimentierung der deutschen Reeder. Da hätte die Politik natürlich einen Riegel vorschieben können – wenn sie es denn gewollt hätte. Eigentlich kann ich nicht verstehen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland in der Frage der Subventionierung für Reeder wie eine Bananenrepublik verhält. Wenn so etwas in irgendwelchen korrupten Staaten geschieht, lässt sich das der Staatsform zurechnen. Aber dass in einem hoch ent wickelten Land wie dem unseren eine ganz kleine Gruppe den Staat völlig selbstver- ständlich als Selbstbedienungsladen missbrauchen kann, das macht mich nach wie vor sprachlos. Du bist im Fachbereich Verkehr zu ständig für die Häfen. Inwieweit betrifft der Ausstieg aus dem Mariti men Bündnis auch diesen Bereich? Thomas Mendrzik | Zum 1. Januar 2017 werden die beiden Fachgruppen Schifffahrt und Häfen zusammengelegt zur Maritimen Fachgruppe. Dabei spielte auch das Motiv eine Rolle, im gesamten maritimen Sektor stärker politisch zu wirken. Wir wollen nicht länger separieren nach Häfen einerseits und Schifffahrt andererseits mit den jeweiligen dazugehörigen Interessenlagen. Wir wollen maritim mit einer hohen internationalen Ausrichtung und mit mehr Durchsetzungskraft agieren. Was werden die ersten Schritte sein innerhalb der neuen gemeinsamen Maritime Fachgruppe? Thomas Mendrzik | Wir werden demnächst Handlungsfelder identifizieren. Natürlich wird es unter dem gemeinsamen Dach weiter beide Untergruppen geben, in denen fachlich Spezielles bearbeitet wird – Mantel- und Heuertarifverträge werden weiterhin von der Schifffahrt behandelt, genauso werden wir natürlich die Tarif verträge für die Hafenbeschäftigten weiter verhandeln. Aber wir werden uns breiter aufstellen müssen. Man kann die deutsche Schifffahrt nicht isoliert betrachten. Selbst wenn in Deutschland jetzt alles richtig gemacht würde und eine veränderte Schifffahrtspolitik zum Tragen käme, würde das nur bedeuten, dass wir die Ressourcen der Steuerzahler schonen. Die Karawane zieht weiter. Griechenland beispielsweise ist wieder zu einer aufstrebenden Reedernation avanciert: Die Reeder dort nutzen alles aus, was die EU ermöglicht und übersteigern das noch, indem sie sich um tarifliche und soziale Bedingungen überhaupt nicht kümmern. Wir müssen uns gemeinsam über Dachverbände wie ETF und ITF immer mehr internationalisieren. Schließlich geht es um globale Trends! Du erwähntest den Steuerzahler. Inwieweit ist der Konflikt gesamtge sellschaftlich relevant? Thomas Mendrzik | Die OECD führte 2015 eine Studie zur Schiffsgrößenentwicklung durch. Das Ergebnis: Die Schiffe wachsen weiter! Und weil immer neue, noch größere Schiff gebaut werden, funktioniert die Schiffsfinanzierung immer noch und die Fonds verdienen gutes Geld damit. Zugleich sinken die Frachtraten auf ein Niveau, wo operativ fast nichts mehr verdient wird: Darin besteht das selbstverursachte Leid der deutschen Reeder. Um die armen Reeder zu entlasten, wurden tolle Sachen wie der Lohnsteuereinbehalt oder die Tonnagesteuer erfunden. Die Reeder müssen eigentlich nur ein fiktives Ergebnis versteuern. Wie soll man das dem Bürger vermitteln, von dessen Gehalt die Lohnsteuer direkt an Herrn Schäuble abgeliefert wird? Das wäre genauso, als wenn ich sagen würde: „Sorry Wolfgang, nach Abzug meiner ganzen Kosten und meines ganzen Lebensstils, bin ich eigentlich nur noch für 1.000 Euro Steuern gut. Damit falle ich unter die Existenzsicherung und kann Dir nichts bezahlen.“ Wenn die Bevölkerung erfahren würde, was da jahrelang getrieben wurde, gäbe es einen Riesenskandal. FRAGEN: UTE CHRISTINA BAUER IMPRESSUM Der ver.di-Report Schifffahrt Nr. 2, Juli 2016 Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) Bundesvorstand: V.i.S.d.P.: Frank Bsirske, Christine Behle Koordination: Klaus Schroeter Redaktionelle Bearbeitung: Ute Christina Bauer, Helma Nehrlich (transit berlin.pro media) www.pressebuero-transit.de Redaktionsanschrift: ver.di-Bundesverwaltung Fachbereich Verkehr Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin Layout, Satzerstellung: VH-7 Medienküche GmbH Kreuznacher Straße 62, 70372 Stuttgart www.vh7-m.de Karikatur Seite 1: Rainer Hofmann-Battiston Druck: apm AG Darmstadt, Kleyerstraße 3, 65295 Darmstadt www.alpha-print-medien.de Der ver.di-Fachbereich Verkehr ist auch im Internet zu finden: www.verdi.de/verkehr FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2016 AKTUELLES 3 Schwimmende Briefkästen auf den Weltmeeren Die Geschichte, mit der sich Ulf Christiansen seit drei Jahren intensiv beschäftigt, ist kom plex. Seit 2013 hat der ITF-Inspektor im Ham burger Hafen in verschiedenen Varianten im mer wieder mit den Machenschaften der Reederei Blumenthal zu tun. Die glaubt, ein probates neues Sparmodell für sich entdeckt zu haben. Es setzt ausgerechnet bei den Heu ern der Seeleute an. Erste Versuche startete Blumenthal in den Jahren 2013/2014: Bei drei Seeleuten, die zuvor auf verschiedenen Schiffen der Reederei unterwegs gewesen waren, behielt das Unternehmen jeweils Teile der letzten Monatsheuer oder gleich die ganze letzte Monatsheuer ein. Begründet wurde der Schritt mit weit hergeholten Vorwürfen. So legte man den Seeleuten nicht belegbare Pflichtvernachlässigungen zur Last. Betroffen waren ein ukrainischer Chief Mate und zwei rumänische Schiffsoffiziere. Sie alle hatten einige Wochen, nachdem sie von Bord gegangen waren, beim Blick auf ihre letzte Monatsabrechnung eine böse Überraschung erlebt: Entweder war die ganze letzte Monatsheuer nicht eingegangen oder nur ein kleiner Teil davon gezahlt worden. Nachdem sich die Seeleute von ihrem ersten Schock erholt hatten, wandten sich die drei in ihrer Verzweiflung an Christiansen, baten um Unterstützung. Im Fall des ukrainischen Chief Mates schaltete der ITF-Inspektor nach erfolglosen Verhandlungen mit der Reederei schließlich einen Anwalt ein, der in einem Vergleich die Zahlung von 90 Prozent (6.300 US-Dollar) der ausstehenden Heuer erwirken konnte. Wegen der Forderungen der rumänischen Seeleute kam es zum Prozess. Mit Erfolg: In einem Versäumnisurteil – die Reederei hatte es für nicht nötig befunden, vor Gericht zu erscheinen – verpflichtete die Richterin Blumenthal zur Zahlung der kompletten ausstehenden Heuern in Höhe von insgesamt 3.300 US-Dollar. Die Seeleute erhielten ihr Geld. Ihr Glück bestand darin, dass in den Arbeitsverträgen als Arbeitgeber klar und eindeutig die Reederei Blumenthal benannt war. Im ersten Anlauf scheiterte Blumenthal also mit der firmeneigenen Sparpolitik. Bei den folgenden Fällen sieht die Sache anders aus. Wieder geht es um drei Seeleute: um einen Chief-Inge nieur, der auf dem Blumenthal-Schiff „Carola“ gefahren war und sich im Sommer 2014 bei Christiansen meldete, sowie um den Kapitän und den Chief Mate der „Martha“, die sich im Winter 2014 an den ITF-Inspektor wandten. Auf den ersten Blick ähneln sich die Muster. Die Seeleute waren von Bord gegangen und hatten erst später gemerkt, dass die letzte Monatsheuer nur teilweise überwiesen worden war – insgesamt ging es um 15.000 US-Dollar! Sie wandten sich wegen der ausstehenden Zah lungen an die Reederei. Die rührte sich nicht. „Dann ging der Hilferuf an mich“, erzählt Christiansen, „seit August bzw. November 2014 bin ich an der Sache dran.“ Aufgrund der Erfahrungen mit den ersten Fällen, in denen die Sache glimpflich ausgegangen war, habe man gleich einen Anwalt eingeschaltet. „Um es auf den Punkt zu bringen: Sowohl das Arbeitsgericht als auch Die gesamte Lohnsteuer verbleibt bei den Reedern Zur weiteren Förderung der deut schen Reeder hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates im Februar 2016 eine Änderung des Einkommenssteuergesetzes beschlossen. Danach dürfen die Reeder für die Dauer der kom menden fünf Jahr nicht mehr nur wie bisher 40, sondern 100 Prozent der ab zu fü h ren d en Lohnsteuer einbehalten. Pa r a g r a p h 41, Absatz 4 des Gesetzes bestimmt jetzt: „Arbeitgeber, die eigene oder gechar terte Handels schiffe betreiben, dürfen die gesamte anzumeldende und ab zuführende Lohnsteuer, die auf den Arbeitslohn entfällt, der an die Besatzungsmitglieder für die Beschäftigungszeiten auf diesen Schiffen gezahlt wird, abziehen und einbehalten.“ Nachdem die Europäische Kommission der Änderung zugestimmt hat, ist das Gesetz am 3. Mai in Kraft getreten. Der vollständige Lohnsteuereinbehalt durfte demgemäß im Juni 2016 erstmals angewandt werden. Die EU- Kommission hat noch darauf hinge wiesen, dass die Regelung auf Ro-Ro- Fahrgastschiffen nur für die Seeleute gilt, die EU-Bürger sind. Die Neuregelung gilt außerdem für Baggerschiffe und Schlepper nur dann, wenn sie seetüchtig sind und mindesten die Hälfte ihrer Betriebszeit auf RED See eingesetzt werden. im zweiten Durchgang das Landesarbeitsgericht Hamburg sind unserer Argumentation leider nicht gefolgt und haben die Klage zurückgewiesen“, bedauert Christiansen. Man habe die Prozesse verloren, weil jeweils in den Arbeitsverträgen als Arbeitgeber nicht die Reederei Blumenthal aufgeführt war. Stattdessen waren dort die Briefkastenfirmen „New Success Maritime Company Ltd.“ bzw. „First Class Bulk Shipping Ltd.“ eingetragen, jeweils ansässig in der 80 Broad Street in Mon rovia, Liberia. „Dort haben Tausende von Firmen, eben auch deutsche Reedereien, eine Scheinfirma angemeldet“, erklärt der ITF-Inspektor. Diese Reeder würden so ihre Schiffe zu riesigen schwimmenden Briefkästen umfunktionieren. Belege blieben unberücksichtigt „Der wirtschaftliche Eigentümer ist nach dem Stand aller möglichen Belege weiterhin Blumenthal“, sagt Christiansen. Aber der Reeder nutze in der Auseinandersetzung um die Heuern die Tatsache schamlos aus, dass nicht er in den Arbeitsverträgen auftaucht, sondern eben diese Briefkastenfirmen in Liberia. „Die Reederei gibt vor, mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun zu haben. Dabei laufen eindeutig alle Fäden hier in Hamburg, in der Palmaille 120, zusammen.“ Es gebe viele Beweise: Geldströme und Überweisungen, die nachweisbar aus der Palmaille kommen. Darüber hinaus Seefahrtsbücher, Stempel und E-Mailverkehre mit der Personalabteilung in Hamburg, in denen Order an den Kapitän ergingen. „Wir haben alle Belege vorgelegt, die dafür sprechen, dass die Reederei Blumenthal in Hamburg weiter der wahre Eigentümer der Schiffe ist.“ Dennoch spielten die vorgelegten Unterlagen bei den Arbeitsgerichten keine Rolle, dort wurde einzig der Arbeitsvertrag als ausschlaggebend angesehen. Dass darin nicht die Reederei Blumenthal als Arbeitgeber steht, sondern die aufgeführten Briefkastenfirmen, mache es den Juristen anscheinend unmöglich, anders zu entscheiden, so Christiansen. „Die Gerichte haben dabei große Bauchschmerzen gehabt, sie haben eingeräumt, es sei sehr wahrscheinlich, dass Blumenthal weiter Eigentümer ist.“ Leider bestehe hier offenbar eine Rechtslücke. Inwieweit die Rechtsprechung in solchen Fällen noch zeitgemäß ist, sei sicherlich kritisch zu hinterfragen. Bisher bildet das Vorgehen der Reederei Blumenthal eine extreme Ausnahme. „Dass eine Reederei, die in Hamburg sitzt, mit einem ITF-Inspektor nicht spricht, ja jeglichen Kontakt brüsk ablehnt, kenne ich sonst nicht.“ Das sei außergewöhnlich. In der Regel gebe es Verhandlungen, die sehr häufig auch zu Lösungen führen. Christiansen ist sich sicher: „Die Geschichte ist noch nicht vorbei.“ Man werde an der Reederei Blumenthal dranbleiben. Derzeit werde bei der ITF das weitere Vorgehen geprüft. Möglicherweise könnte Öffentlichkeitsarbeit dabei eine größere Rolle spielen. Und um jeden Preis wolle die ITF verhindern, dass der krasse Fall Schule macht. „Über weitere Schritte denken wir intensiv nach.“ UTE CHRISTINA BAUER Evaluierung jetzt! Vor einer erneuten Änderung der SchBesV sollte die letzte überprüft werden Am 4. Mai 2016 war es soweit: Das Bundesministerium für Verkehr legte die Karten auf den Tisch und übermit telte der Gewerkschaft ver.di offiziell den Entwurf zur Änderung der Schiffs besetzungsverordnung. Intensive Be mühungen seitens der Gewerkschaft, diese Kuh doch noch vom Eis zu holen, waren bei der Politik nicht auf frucht baren Boden gefallen. Nur wenige Tage vor dem Outing des Verkehrs ministeriums hatte schon Bundesar beitsministerin Andrea Nahles, der ja eigentlich vor allem die Interessen der Beschäftigten am Herzen liegen sollten, in e inem Brief an ver.di der Änderung der SchBesV zugestimmt. Unter anderem heißt es im Nahles-Brief: „Ferner ist eine Befristung […] auf fünf Jahre nach Inkrafttreten vorgesehen. Nach Ablauf der Frist gilt die SchBesV automatisch wieder in ihrer derzeitigen Fassung. Eine Beibehaltung der dann geltenden Regelungen müsste das gleiche Verfahren durchlaufen wie die jetzige Änderung. Flankiert werden diese Maßnahmen durch eine Evaluation der Änderungen, die vier Jahre nach Inkrafttreten der angepassten Verordnung anhand der Beschäftigtenzahlen durchzuführen ist. Zuvor sollen die ersten Auswirkungen der Änderungen der SchBesV auf der nächsten Maritimen Konferenz 2017 vorgestellt werden.“ Weiter heißt es, dass das Verhandlungsergebnis zur SchBesV in weiten Teilen einer Einigung zwischen ver.di, dem Verband Deutscher Reeder und den Regierungsfraktionen aus dem Januar 2016 e ntspreche – eine solche Einigung mit ver.di hat es nie gegeben! Ungenaue Überprüfungskriterien In einer ausführlichen Anhörung hat ver.di zum Entwurf des Verkehrsminis teriums Stellung bezogen. Darin geht die Gewerkschaft auch auf die angesprochene Evaluierung ein. ver.di kritisiert daran, dass die geplante Evaluierung, die nach 60 Kalendermonaten erfolgen soll, im Ver ordnungstext ungenau formuliert ist. So sollten nach ver.di-Auffassung bei den Bezugszahlen der Knappschaft-Bahn-See FOTO: ISTOCKPHOTO.COM Hamburger Reederei drückt sich mit üblen Tricksereien um Heuerzahlungen nicht die Beschäftigten in der deutschen Schifffahrt insgesamt gesehen werden. Vielmehr sollte ausschließlich die Beschäftigung deutscher Seeleute auf Schiffen unter deutscher Flagge in der Seeschifffahrt betrachtet werden. Nur durch eine solche Präzisierung kann festgestellt werden, welche konkreten Folgen sich für das maritime Know-how ergeben. Zusammenfassend stellt ver.di fest, dass die Änderung der Schiffsbesetzungsver ordnung den Verlust des maritimen Knowhows für die Zukunftsbranche Seeschifffahrt nach sich ziehen wird. ver.di befürchtet innerhalb kürzester Zeit eine Verminderung der Auszubildendenzahlen mit den ent sprechenden Folgen für die einschlägigen Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Die entsprechenden Qualifikationsmöglichkeiten können kaum vier Jahre vorgehalten werden, um dann möglicherweise als Ergebnis der Evaluation eine Korrektur der geplanten Praxis zu ermöglichen. ver.di lehnt die geplante Änderung der Schiffsbesetzungsverordnung ab. Sie fordert den Gesetzgeber auf: Bevor erneut Veränderungen durchgeführt werden, sollten zunächst die Erfahrungen mit der erst 2013 veränderten Schiffsbesetzungsverordnung evaluiert werden – und zwar im Zusammenhang mit den Folgen des hundertprozentigen Lohnsteuereinbehaltes zu gunsten der Reeder sowie der Freistellung der Arbeitgeber von den Sozialabgaben. UCB 4 LOTSEN FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2016 Gestandene Seeleute auf neuem Posten Vorgestellt: Die wichtige Arbeit der Lotsversetzer Lotsen geleiten Schiffe ab einer ge wissen Größe sicher durch Untiefen, vorbei an Schifffahrtshindernissen und am übrigen Schiffsverkehr. Aber damit sie diese verantwortungsvolle Aufgabe überhaupt wahrnehmen können, müssen sie zunächst zu den jeweiligen Schiffen gelangen. Hier kommen die Lotsenboote des Lots betriebsvereins (LBV) ins Spiel – leicht zu erkennen an der internatio nal geltenden Aufschrift „PILOT“. Mit diesen werden die Lotsen von einem Schiff zum anderen bzw. von der Lotsenstation zum Schiff gebracht. Karl-Heinz Spitz und Daniel Wagner arbeiten für den LBV. Außerdem en gagieren sich beide als Betriebsräte für die Beschäftigten – Daniel Wagner als Vorsitzender des Gesamtbetriebs rats für alle Außenstellen des LBV, Karl-Heinz Spitz als Betriebsratsvor sitzender der Außenstelle Kiel. Im Gespräch mit der ver.di-SCHIFFFAHRT berichten sie von ihrer Arbeit. de der Bundeslotsenkammer gleichzeitig immer Geschäftsführer des LBV. Wie wird man Lotsversetzer? Daniel Wagner | Wir sind größtenteils ehemalige Seeleute, die sich irgendwann etwas geregeltere Arbeitszeiten wünschten. Zum Teil arbeiten bei uns auch frühere Fischer, die den Beruf gewechselt haben. Keiner von uns kommt aus einem Landberuf, allen gemeinsam sind langjährige und ausgeprägte Erfahrungen im maritimen Bereich. Worin besteht Ihre Arbeit? Karl-Heinz Spitz | Wir sind beim Lots betriebsverein (LBV) Hamburg als Schiffsführer beschäftigt und fahren jeweils ein Lotsenboot. Unser Job ist es dabei, die Lotsen zum Schiff zu fahren und dort auch wieder abzuholen. Wir betrachten uns als Dienstleister der Schifffahrt. Selbst nennen wir uns „Lotsversetzer“, aber das ist eigentlich eher unser interner Sprachgebrauch. Mit welchen Fahrzeugen sind Sie un terwegs? Karl-Heinz Spitz | Wir haben einen ziemlich großen Fuhrpark. Er besteht vor allem aus den großen Stationsschiffen und den kleineren Booten, welche die Lotsen von der Station zu den Schiffen mit Lotsenbedarf bringen. Vor der Kieler Förde befindet sich unsere Station draußen am Leuchtturm, hereinkommende Schiffe passieren also unsere Station, bevor sie sie in das Revier einfahren. Auf dieser Station haben Wie ist die Verbandsstruktur zu be schreiben? Und wie ist ihre Verbin dung zur Bundeslotsenkammer? Karl-Heinz Spitz | Der LBV unterhält fünf Außenstellen in den einzelnen Revieren: in Emden, Bremerhaven, Cuxhaven, Bruns büttel und Kiel. Diese Außenstellen haben teilweise noch einmal Unteraußenstellen. Getragen wird der LBV von den einzelnen Lotsen-Brüderschaften – in Deutschland gibt es See- und Hafenlotsen, die sich in neun Lotsenbrüderschaften organisiert haben. Diese stellen die Lotsendienste innerhalb der jeweiligen Reviere für die internationale Seeschifffahrt sicher. Finanziert wird der LBV – seien es die Gehälter oder seien es Mittel, die zur Erhaltung unserer Fahrzeuge benötigt werden – zu 100 Prozent aus dem Haushalt des Bundesverkehrsministers. Umgekehrt bezahlen die Schiffe an das Ministerium eine sogenannte Lotsabgabe dafür, dass der Lotse an Bord kommt. In der Bundeslotsenkammer sind die Lotsen organisiert. Mit dieser Kammer haben wir jedoch nicht viel zu tun, wir sind ja keine Lotsen. Allerdings ist der Vorsitzen- Eine Berufsausbildung zum „Lotsver setzer“ gibt es also nicht? Daniel Wagner | Nein. Wir bilden zwar beim LBV Schiffsmechaniker, also Leute für den Deckdienst, aus. Aber um unsere Fahrzeuge zu führen, braucht man ein entsprechendes Patent, einen Befähigungsnachweis. Darum müssen sich die Interessenten jeweils selbst kümmern. Diejenigen, die unsere Fahrzeuge fahren, sind alles gestandene Seeleute mit entsprechenden Kenntnissen. STATIONSSCHIFF IM ABENDLICHT | FOTO: SPITZ eser und auf Borkum wird die B esatzung W alle zwei Wochen ausgetauscht – die Kollegen haben inklusive einem Ablösetag 15 Tage Dienst und 13 Tage frei. Wie viele Menschen sind in Deutsch land in Ihrer Zunft tätig? Daniel Wagner | Bei uns arbeiten insgesamt 440 Leute, 60 davon in der Verwaltung. Frauen sind in unserer Zunft sehr selten, einige wenige arbeiten bei uns als Nautikerinnen. Haben die Lotsbetriebsvereine mit ihren Leistungen eine Monopolstel lung inne? Daniel Wagner | Nein, wir haben keine Monopolstellung. Vor allem kleinere Reviere werden auch privat bedient. In Mecklenburg-Vorpommern etwa wird die Lots versetzung rein privat betrieben, nach der Wende hat sich das damals über private Ausschreibungen so ergeben. Auch in den alten Bundesländern wird die Lotsversetzung teilweise von privaten Anbietern ausgeführt. Ist Ihre Arbeit gefährlich oder, wie es so schön heißt, „gefahrengeneigt“? Karl-Heinz Spitz | Nicht direkt. Aber als Dienstleister der Schifffahrt arbeiten wir rund um die Uhr im Schichtdienst: 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag. Wir sind bei jedem Wetter draußen. Von daher ist es schon Seefahrt, mit all den dazu gehörigen Spezifika. DANIEL WAGNER | FOTO: PRIVAT die Kollegen 12 Stunden Dienst und 24 Stunden frei. Jeweils ein großes Stationsschiff liegt ständig vor der Elb- und vor der Wesermündung. Und die Außenstelle Emden hat eine feste Station auf Borkum. Auf den Stationsschiffen können sich die Lotsen ausruhen und sich auf die nächste Lotsung vorbereiten. Auf der Elbe, der KARL-HEINZ SPITZ | FOTO: PRIVAT Angenommen, jemand verspürt den Wunsch, Lotsversetzer zu werden: Müsste er dafür Mitglied im LBV wer den? Karl-Heinz Spitz | Nein, er müsste sich ganz normal bewerben. Vereinsmitglieder sind nur die einzelnen Brüderschaften bzw. die Älderleute der Brüderschaften. Worin bestehen die Schwerpunkte der Betriebsratsarbeit? Daniel Wagner | Natürlich wird bei Verhandlungen oder Gesprächen immer wieder mit Privatisierung gedroht. Das ist zwar im Moment nicht akut, aber in gewisser Weise stehen wir doch in Konkurrenz zu Privat firmen, die darauf lauern, bestimmte Reviere zu übernehmen. Die Privaten versuchen natürlich Einfluss zu nehmen auf die Politik, weil sie meinen, sie könnten es besser oder billiger machen. Wenn wir mit irgend welchen Forderungen oder Wünschen kom- men, dann wird gern das Gespenst der Privatisierung an die Wand gemalt. Und wie argumentieren Sie dagegen? Karl-Heinz Spitz | Wir halten mit unserer Verlässlichkeit gegen und damit, dass wir eben auch für Sicherheit stehen. Auch der Lotse hat ein Interesse daran, sicher zum Schiff gebracht zu werden. Das ist eben nur mit gut ausgebildeten Leuten zu machen, die angemessen bezahlt werden müssen. Unsere Fahrzeuge sind mit einer anspruchsvollen Technik ausgestattet, die entsprechend vernünftig gewartet und unterhalten werden muss. Mit Dumpingpreisen ist auch in unserem Bereich keine Qualität zu bieten. Werden die Menschen, die bei Ihnen arbeiten, tariflich bezahlt? Daniel Wagner | Ja, wir haben einen Haustarif, der sich stark am Seeschifffahrtstarif orientiert. Er ist genauso strukturiert, berücksichtigt aber unsere Besonderheiten. Meistens übernehmen wir das Ergebnis der Seeschifffahrt, haben die gleiche Tabelle, nur mit anderen Zahlen. Dennoch haben wir auch eine eigene Tarifkommis sion: S obald es einen Abschluss für die Seeschifffahrt gibt, verhandeln wir darüber, ob und wie dieser für unseren spezifischen Betrieb gelten kann. In letzter Zeit gab es keine größeren Konflikte oder Auseinandersetzungen. Unser Tarif, wie er heute steht, ist zwar durch eine Schlichtung zustande gekommen, aber das liegt schon einige Jahre zurück. Seitdem läuft es eigentlich. FRAGEN: UTE CHRISTINA BAUER Seelotsenausbildung neu erfunden Sonderweg kostet Millionen Der Lotsenjob bringt große Verant wortung mit sich. Qualifizierten Nachwuchs für die Profession der Seelotsen zu gewinnen, war nie ein fach. Bedingt durch die aktuelle Schifffahrtspolitik hat sich die Lage jedoch weiter verschärft. Der traditionelle Weg der Qualifizierung lief folgendermaßen: Kapitäne und Nautiker, die in der internationalen Fahrt ihr Fachwissen erworben hatten, erweiterten dieses mit einer spezifischen Ausbildung vor Ort, um dann in den jeweiligen Revieren eingesetzt zu werden. Jetzt spitzt sich die Lage zu, junge nautische Absolventen der Schifffahrtsschulen erhalten oft keine Möglichkeit, ihr Befähigungszeugnis auszufahren. Bedingt durch den demografischen Wandel, den stetigen Verlust an qualifizierten Seeleuten und damit nautischem Know-How aus der internationalen Fahrt, haben die Lotsen immer mehr Probleme, entsprechenden Nachwuchs zu finden. Ein Gegensteuern der deutschen Reederschaft ist nicht in Sicht, obwohl sie – unabhängig von der Flagge an ihrem Schiff – ein Interesse an sicheren Wasserstraßen haben müssten. Im Gegenteil: Durch die vom Reederverband geforderte Änderung der Schiffsbesetzungsverordnung, in der zukünftig nur noch maximal zwei deutsche bzw. europäische Seeleute vorgeschrieben werden, wird sich die Situation drastisch verschärfen. In dieser Frage besteht auch ein wichtiges volkswirtschaftliches Interesse. Es gilt sicherzustellen, dass der zum überwiegenden Teil mit Schiffen erfolgende Warenverkehr zwischen Deutschland und der Welt weiterhin gewährleistet bleibt. Denn auch wenn es kaum beachtet wird, bildet das Funktionieren dieses Systems eine der tragenden Säulen für den Erfolg der Exportnation Deutschland! Daher entschied man sich, eine eigene Lotsenausbildung zu entwickeln. Gemäß eines Erlasses der ehema- ligen Wasser- und Schifffahrtsdirektionen Nord und Nordwest wurde gemeinsam mit der Bundeslotsenkammer ein Konzept für die zukünftige Lotsenausbildung erarbeitet. Von der neu kreierten Seelotsenausbildung erhofft man sich folgende Vorteile: eine langfristige Sicherung eines ausreichenden Lotsennachwuchses, eine profunde Auswahl geeigneter Kandidaten über nachgewiesene, in Assessments geprüfte Kompetenzen, gehobene Qualitätsstandards in der Lotsenausbildung durch eine strukturierte, angeleitete Ausbildung und eine transparente Bewertung sowie praktische Prüfungen, Perspektiven für Studienanfänger sowie eine Verjüngung der Altersstruktur. Das Konzept wird vom Bundesminis terium für Verkehr und digitale Infrastruktur finanziell jährlich mit einem Millionenbetrag unterstützt. ver.di ist überzeugt, dass eine auf Ausbildung und Beschäftigung orientierte Schifffahrtspolitik in der Seeschifffahrt den qualifizierten Nachwuchs für die Seelotsen sichergestellt hätte. Das ist politisch nicht gewollt. Stattdessen wird nun eine spezielle Sonderausbildung mit Millionenbeträgen installiert, die nur das leistet, was bisher durch die Schiffsbesetzungsverordnung gesichert PG wurde. FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2016 SOZIALES/BINNENSCHIFFFAHRT 5 Aktuelles von Berufsgenossenschaft Verkehr, Knappschaft-Bahn-See und Seemannskasse Mindestlohn wird sich 2017 erhöhen Die zuständige Kommission hat Ende Juni beschlossen, den gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland von gegenwärtig 8,50 im J anuar 2017 auf 8,84 Euro zu erhöhen. Diese Steige rung gilt dann bis Ende Dezember 2018. Die aus drei Arbeitgeber- und drei Arbeitnehmervertretern zusammengesetzte Kommission hat dabei den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst vom April 2016 bereits berücksichtigt. Deshalb fiel die Steigerung etwas deutlicher aus als erwartet. Vollzeitbeschäftigte mit gesetzlichem Mindestlohn können ab kommendem Jahr demnach mit 55 Euro brutto mehr im Monat rechnen. Der DGB begrüßte das Ergebnis. Im Schifffahrtsbereich dürften von dieser Er höhung vor allem Beschäftigte im Cateringbereich profitieren. Das betrifft in der Seeschifffahrt vor allem Cruise-Liner und sogenannte Bäderschiffe im küstennahen Betrieb. In der Binnenschifffahrt sollten vorrangig bisher schlecht bezahlte Cateringbeschäftigte in der Flusskreuzschifffahrt mit mehr Geld rechnen können. ver.di fordert im Übrigen eine zügige Heraufsetzung des gesetz lichen Mindestlohns auf 10 Euro. So hat es auch der letzte Bundeskongress der Gewerkschaft beschlossen. Rausfahren bei wirklich jedem Wetter Die Seenotretter haben eine 150-jährige Tradition, doch auch sie müssen mit der Zeit gehen Die Spardosen in Schiffsform, mit de nen die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) seit 150 Jahren um Spenden wirbt, kennt fast jeder. Doch die Seenotretter, die mit ihrer täglichen Arbeit oder ehrenamtlichem Engagement prak tisch dahinterstehen, und ihren tradi tionsreichen Verein lohnt es, näher kennenzulernen. Wir sprachen mit Siegbert Schuster, als 3. Vormann auf dem Bremerhavener Seenotkreu zer „Hermann Rudolf Meyer“ seit 38 Jahren dabei, aber inzwischen auch als Betriebsrat und in ver.di aktiv. Auf der Webseite der DGzRS werden ständig neue Fälle dokumentiert, wo Seenotretter geholfen haben: medikamentenvergiftete Kinder auf einer Segeljacht kommen da ebenso vor wie in Not geratene Fischer oder das Freischleppen eines Fahrgast schiffs vor Borkum mit 82 Personen an Bord. Es heißt: Rausfahren, wenn andere reinkommen. Mit den Ret tungsmitteln von früher – Raketen apparaten, Hosenbojen und offenen Ruderbooten wäre das nicht mehr zu machen... Siegbert Schuster | Das stimmt. Aber aus dieser Zeit kommt unsere Tradition und daher kommen auch einige Grundsätze, die wir Seenotretter immer noch leben: Die Rettung von Menschenleben an den deutschen Küsten der Nord- und Ostsee ist unsere Aufgabe, die geschieht gemein nützig und ohne die Betroffnen zur Kasse zu bitten – von der Greifswalder Oye bis nach Borkum oder Sylt. Die „Hilfe im Notfall“, die wir davon unterscheiden, schließt auch die Rettung bzw. Bergung von Sachwerten ein. Da betätigen wir uns quasi wie ein Automobilclub auf See – die Nutznießer werden dann auch aufgefordert, sich etwas an den Unkosten zu beteiligen. Unsere hauptsächliche Klientel sind inzwischen Sportschiffer. Darüber hinaus natürlich auch Berufsfischer oder Betreiber von Schul- und Traditionsschiffen. Mitunter werden Seenotkreuzer aber sogar zu Havarien von Container schiffen gerufen? Siegbert Schuster | Ja, der letzte spek takuläre Fall war der Brand auf dem Containerschiff „MS Karachi“ im Mai 2015. Da haben wir aber „nur“ die Feuerwehr unterstützt und Wasser zugeliefert. So etwas machen wir natürlich auch. Wir haben auch ein sehr kooperatives Verhältnis zur Wasserschutzpolizei oder zu den Wasserund Schifffahrtsämtern und helfen uns unbürokratisch. Apropos. Ein wenig sind die Struktu ren der Seenotretter schon mit denen der Feuerwehr vergleichbar? Siegbert Schuster | In gewisser Weise. Auch bei uns gibt es sozusagen, die „Berufsfeuerwehr“, das sind aktuell 180 Festangestellte, die auch die Besatzung der 20 Seenotkreuzer bilden, die rund um die Uhr 365 Tage im Jahr und bei wirklich jedem Wetter einsetzbar sind. Sie sind ständig mit Leuten besetzt, die Besatzungen schlafen zumeist auch an Bord. Der Kapitän und sein Vertreter, aber auch dritte Vormänner können das Schiff führen, sie haben ein nautisches Patent. Darüber hinaus gibt es „Rettungsmänner“, die auch die Technik beherrschen und beispiels weise mit den Arbeitsbooten umgehen können, einem zweiten aussetzbaren Hilfsmittel, was in der Regel „huckepack“ mitgeführt wird. Solche „Tochterboote“ haben meist einen geringen Tiefgang und können in bestimmten Bergungsfällen und bei Niedrigwasser sehr nützlich sein. Darüber hinaus haben wir an die 800 freiwillige Seenotretter, die ansonsten einen anderen Beruf ausüben und in Notfällen alarmiert werden wie Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr. Bei uns besetzen sie zumeist Seenotrettungsboote, sie brauchen dafür zumindest einen Sportbootführerschein. Die traditionelle Vereinsstruktur ma cht die Seenotretter zu etwas Einmaligem? Siegbert Schuster | Richtig. Vieles kommt aus der 150-jährigen Tradition und ist von modernen Strukturen noch immer ziemlich weit weg. Unser Vorstand arbeitet ehrenamtlich, zwei Geschäftsführer sind angestellt. Hinzu kommt: Wir sind ein sehr kleiner „Betrieb“, genaugenommen nicht einmal ein Seefahrtsunternehmen, denn die gibt es nur zum Zwecke des Geld erwerbs. Das trifft auf uns nicht zu. In FOTOS (2): DGzRS zugliedern. Das muss behutsam geschehen und ohne Zeitdruck. Im Interesse unserer Aufgaben, aber auch der Beschäftigten. Wir sind ein Traditionsverein, können aber heutzutage nicht mehr nur in der Tradition leben. Uns modernisieren heißt aber auch, alle mitzunehmen. Ihr habt auch erst vor wenigen Jahren einen Betriebsrat gewählt… Siegbert Schuster | Ja, das hat uns automatisch auch näher an die Gewerkschaft gebracht, denn wir mussten uns auch mit SIEGBERT SCHUSTER AUF DER BRÜCKE DER „HERMANN RUDOLF MEYER“ g ewisser Weise sind wir gar ein Tendenz betrieb – allerdings einer, der Bundesaufgaben erfüllt. Praktisch sind wir am ehesten mit einem Schlepperbetrieb vergleichbar. Dort gibt es für die Festangestellten 14 Tage Dienst an Bord und 14 Tage frei. Kurz: Wir sind ein gewachsenes Unikat. Nicht zuletzt wir als Betriebsräte sehen inzwischen deshalb auch die Notwendigkeit, uns künftig mehr an die Seefahrt an- rechtlichen Grundlagen und tariflichen Fragen beschäftigen. Bei der DGzRS gab es nie einen Haustarifvertrag und auch die Arbeit der Interessenvertretung geschieht im wesentlichen in der Freizeit, wir sind vier Mitglieder aus der Flotte und fünf vom Landbetrieb, damit eine gewisse Konti nuität gesichert werden kann. Aber ganz einfach ist das alles nicht, vieles ist auch für uns neu. Kürzlich haben die deutschen Seenot retter Schlagzeilen in einer Sache ge macht, die eigentlich nicht zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben gehört. Zusammen mit griechischen Kollegen haben sie mehr als 1.100 Bootsflücht linge vor der Insel Lesbos gerettet, darunter über 200 oft sehr kleine Kinder… Siegbert Schuster | Wir sind einer Bitte des internationalen Seenotrettungsdienstes der IMO gefolgt, einer Untergliederung der UNO. Und wir waren auch nicht die Ersten, die geholfen haben. Uns wurde ein bereits außer Dienst gestellter DGzRSKreuzer, die „Minden“, vom jetzigen Be sitzer kostenfrei zur Verfügung gestellt; 53 Seenotretter sowie 23 Rettungsschwimmer der DLRG haben sich freiwillig am Einsatz beteiligt. Er begann im März und e ndete Anfang Juni. Die Aufgabe war es eigentlich, griechische Seenotretter auszubilden und zu unterstützen. Die waren mit der S ituation vor Ort völlig überfordert. Und die Lage in der Ägäis hat es ja auch mit sich gebracht, dass kein „Trocken training“ stattfinden konnte, sondern tatsächlich Hunderte von Flüchtlingen gerettet werden mussten. Unsere Freiwilligen waren mit großem Ent husiasmus dabei, sie hatten voll zu tun und auch eine hohe emotionale Belastung. Wir haben diese Arbeit von Anfang an mit getragen, der E insatz war ein Erfolg, zweifellos. Aber ich bin auch sehr froh, dass er vorbei ist. Abgesehen davon, dass er einiges an Geld gekostet hat, brachte er uns natürlich auch Erfahrungen ein, die wir für unsere künftigen Aufgaben nutzen sollten. Insgesamt haben wir mit unseren Leuten aber Aufgaben übernommen, die eigentlich die EU politisch und praktisch mit Agenturen wie Frontex hätte lösen sollen. Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) wurde am 29. Mai 1865 in Kiel gegründet. Sie ist heute einer der modernsten Seenotrettungsdiens te der Welt. Die Arbeit wird aus schließlich durch Spenden finanziert. 2014 wurden dafür 38,6 Mio. Euro aufgewandt. Die See notretter unterhalten 54 Stationen an den Küsten von Nord- und Ostsee. Zur Crew gehören 180 Festangestellte und rund 800 freiwillige Helfer, die auf 20 Seenotkreuzern und 40 Seenotrettungsbooten Dienst tun. 2015 waren sie bei 2.091 Seenotfällen im Einsatz und retteten dabei 538 Menschen. Siehe: www.seenotretter.de Dann geht es jetzt wieder ums „Kern geschäft“ an den Küsten von Nordund Ostsee… Siegbert Schuster | Auch da stehen genügend Aufgaben vor uns, wenn wir zukunftsfähig bleiben wollen. Die Technik muss ständig auf gutem Stand gehalten werden, nach 30 Jahren wird ein Seenotkreuzer in der Regel ausgemustert. Der Trend geht jetzt zu etwas kleineren Einheiten, die von nur noch drei Leuten beherrscht werden können. Alles Entwicklungen und Aufgaben, die uns auch als Betriebsräte beschäftigen werden. Etwas in die realen oder inzwischen auch virtuellen Seenotretter-Spar dosen zu stecken, ist jedenfalls im mer sinnvoll? Siegbert Schuster | Unbedingt. Wie man auf der Hompage sieht, gibt es viele Möglichkeiten einen Beitrag zu leisten. Egal, ob es eine ungebundene oder eine Spende für Ausrüstung (Rettungsweste usw.) ist. Wir kommen völlig ohne Steuergelder aus, das NEH soll auch so bleiben. 6 ETF/ITF FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2016 Baltic Week 2016 Im September geht‘s wieder los FOTO: MATHIAS THURM Die Kampagne der Seeleute-Gewerk schaften rund um die Ostsee, die für bessere Arbeitsbedingungen auf den Schiffen kämpft, beginnt im Sep tember erneut. Auch ver.di ist dabei und startet die Aktionswoche in den deutschen Häfen. Während der Aktionswoche gehen Trupps von ITF- In spektoren, Hafenarbeitern und Seeleuten als freiwillige Unterstützer an Bord von Schiffen, besonders von solchen, die unter Billigflaggen fah ren. Aber auch Schiffe mit ITF-Ver trägen werden kontrolliert, damit sichergestellt wird, dass der Tarif vertrag auch tatsächlich eingehalten wird. Besonders häufig festzustellen sind fehlerhafte Heuerabrechnungen oder falsche Arbeitsstunden. Wenn das besuchte Schiff keinen Tarifvertrag hat, wird der Eigentümer – ver treten durch den Kapitän – aufgefordert, einen Tarifvertrag abzuschließen. Dazu wird eine Frist gesetzt und eine Boykottwarnung ausgesprochen. Sollte der Eigner auch nach Ablauf der Frist nicht bereit sein, einen Vertrag mit der ITF abzuschließen, muss das weitere Vorgehen konkret geplant werden. Die Idee der Aktionswoche: Aktivitäten in verschiedenen Häfen, die das Schiff anläuft, bündeln, um so Solidarität und gemeinsames Handeln der Hafen arbeiter und Seeleute sicherzustellen. Mehrere Schultern tragen die Aufgabe der gewerkschaftlichen Zusammenarbeit, so ist die Kraftanstrengung leichter zu meistern. Wir erhoffen uns damit, mehr Schiffe unter ITF-Verträge zu bekommen und auf diese Weise gesicherte Arbeitsbedingungen und einklagbare Heuern für die Seeleute zu erreichen. Die Erfahrungen der „Baltic Week“ in den vergangenen Jahren zeigten, dass mehr Aufmerksamkeit für die unsichtbaren Arbeiter im Transportgewerbe gewonnen werden konnte. Bei den vielen großen Containerschiffen, die über unsere Meere fahren, wird meist nur wenig über die vielen Menschen nachgedacht, die unsichtbar in den „Schiffsbäuchen“ ihre Arbeit verrichten und ohne die kein Schiff auch nur den Hafen verlassen könnte. Und auch diejenigen, die in den Häfen auf den Containerbrücken oder Kränen die Ladearbeit machen, werden nicht so wahrgenommen, wie sie es verdienen! 90 Prozent des Gütertransports nach Deutschland kommen per Schiff in unser Land, auch der Export von Gütern geht überwiegend per Schiff in ferne Länder. Für uns ist deshalb die Baltic Week auch eine Gelegenheit, die unbeachteten Seeleute und Hafenarbeiter aus der Nichtbeachtung herauszuholen. So werden ihre Arbeits bedingungen beleuchtet und die weltweite Arbeit unserer ITF herausgestellt! KLAUS SCHROETER LEITER BILLIGFLAGGENKAMPAGNE IN DEUTSCHLAND FOTO: ITF Laschen ist Hafenarbeit: Um diesem Motto Gewicht zu verleihen, trafen sich am 18. Mai in Hamburg im internationalen Seemannsclub Duckdalben ITF-Inspektoren und Vertreter maritimer Gewerkschaften aus etlichen europäischen Staaten. Im Workshop ging es zum einen um die Beschäftigungssicherung in den Häfen – im Zuge fortschreitender Automati- sierung wird das Thema immer brisanter. Zum anderen sollte ein deutliches Zeichen gesetzt werden: gegen das zunehmende Verlangen von Arbeit gebern wie Unifeeder, dass Seeleute Ladungssicherungsarbeiten ausüben sollen. Diese gefahrengeneigten Arbeiten können und sollen nur von geübten Hafenarbeitern ausgeübt werden! (Ein ausführlicher Bericht über den Workshop ist im VerkehrsReport zu lesen). Einig gegen die Kriminalisierung von Seeleuten Europäische Sozialpartner unterstützen Kapitän Mangouras DIE VERANTWORTUNG FÜR KATASTROPHEN WIE DIESER DARF NICHT AN DEN SEELEUTEN HÄNGENBLEIBEN. | FOTO: DPA Vertreter der Europäischen Trans portarbeiter-Föderation (ETF) und des Europäischen Verbands der Reeder (ECSA) gingen am 24. Juni gemeinsam auf Griechenlandreise. Diesmal ging es jedoch nicht um die Schuldenlage des gebeutelten Mit telmeerstaates, stattdessen wollten sich die Sozialpartner mit Apostolos Mangouras, Kapitän der 2002 vor der spanischen Nord-West-Küste havarierten „Prestige“, solidarisch zeigen. Am Vorabend des interna tionalen „Tags des Seefahrers“, der jedes Jahr am 25. Juni begangen wird, wollten ETF und ECSA mit dem Athenbesuch ein Zeichen setzen ge gen die Kriminalisierung von Seeleu ten. Schließlich sollen mit dem Jah restag Männer und Frauen geehrt werden, die hart auf den Schiffen arbeiten, mit denen 90 Prozent der international gehandelten Waren transportiert und mit denen jährlich Millionen von Passagieren befördert werden. Der Reiseanlass war traurig: 14 Jahre nach dem furchtbaren Öl-Unfall hatte der oberste spanische Gerichtshof Mangouras wegen angeblich grob fahrlässigen und rücksichtslosen Verhaltens, das zu katas trophalen Umweltschäden geführt habe, zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht revidierte damit eine Entscheidung des Landgerichts von La Coruña (Galicien), das Mangouras von jeder Verantwortung freigesprochen hatte. Die Delegation zeigte sich besorgt über die anhaltende Kriminalisierung von Seeleuten und kritisierte den Entscheid. „Am Vorabend dieses symbolischen Tags ist es sehr wichtig, Menschen Respekt zu erweisen, die unter schwierigsten Bedingungen an Bord von Schiffen arbeiten. Der Trend, Seeleute zum Sündenbock zu machen und ihnen alle Verantwortung für Unfälle auf See in die Schuhe zu schieben, ist aufs Schärfste zu verurteilen“, so ETFSekretär Philippe Alfonso. Die europäischen Sozialpartner sicherten Kapitän Mangouras ihre Unterstützung zu. Man wolle nicht akzeptieren, dass Seeleute diesen hohen Preis zahlen sollen. Es sei wichtig, sich mit Mangouras zu solidarisieren, um erneut auf eine faire Behandlung von Seeleuten und die Wahrung ihrer Rechte zu pochen. „Kapitän Mangouras Situation liefert ein starkes Argument für die Umsetzung und Einhaltung der gemeinsamen ILO/ IMO-Richtlinien für die faire Behandlung von Seeleuten nach einem Unfall“, ist sich Tim Springett, UK Chamber of Shipping, sicher. Nur so könne ein erhebliches Hindernis für die Rekrutierung zukünftiger Generationen von Seeleuten beseitigt werden. Die Sozialpartner befürchten, dass Entscheidungen wie die gegen Mangouras negativen Einfluss auf die Attraktivität des Berufs haben könnten. In einer Zeit, in der die ETF und die ECSA versuchten, maritime Berufe in Europa zu fördern, sende das Urteil des obersten spanischen Gerichts hofes völlig falsche Signale. Schließlich tue man alles, um die Einstellung und Beschäftigung von Seeleuten zu fördern. Man wolle die Attraktivität der EU-Schifffahrts industrie stärken und werde den Kampf gegen die ungerechtfertigte Kriminalisierung von Seeleuten fortsetzen. ETF und ECSA hoffen, dass die völlig absurde Strafe nicht vollzogen werden wird. Es sei komplett sinnlos, einen über 80-jährigen Mann, der von der Ungerechtigkeit bereits tief getroffen sei, unnötig ins RED/ETF Gefängnis zu schicken. European social partners against criminalisation of seafarers On the eve of the Day of the Sea farer (25 June 2016), the European Social Partners for Maritime Trans port – the European Transport Workers’ Federation (ETF) and the European Community Shipown ers’ Associations (ECSA) – are vis iting in Athens the Captain of the sunken Prestige oil tanker, Apos tolos Mangouras, to express their solidarity and to demonstrate their firm stand against the trend of criminalising seafarers. Fourteen years after the Prestige disaster the Spanish Supreme Court has convicted Captain Mangouras to two years of prison for “recklessness resulting in catastrophic environmental damage”. It thereby overturned a previous judgment by the Provincial Court of La Coruña (Galicia) which had cleared him of any responsibility. The European Social Partners fully support Captain Mangouras and refuse to accept that seafarers have to pay such a heavy price. It is fitting that, as the day on which we honour the men and women working on the ships that transport 90 % of inter nationally-traded goods and millions of passengers each year, social partners join with Captain Mangouras to restate their call for the rights of seafarers to fair treatment to be respected and upheld. The Social Partners fear that such a ruling will have a negative impact on the attractiveness of the profession and consequently on the future recruitment of young and competent European seafarers. At a time when ECSA and ETF – together with the European Commission – seek to promote the European maritime profession, the Supreme Court’s judgement sends entirely the opposite message. ETF and ECSA are doing the u tmost to stimulate seafarers’ recruitment and employment by strengthening the attractiveness of the EU shipping industry and by continuing the fight against unjustified criminalisation of seafarers. ETF and ECSA sincerely hope that this wholly unjustified sentence will not be served, as logic suggests a man who is past 80 and deeply marked by injustice cannot again be pointlessly sent to jail. RED/ETF/ECSA FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2016 Liebe Kolleginnen und Kollegen, SVEN HEMME | FOTO: ITF nun wurde diese Rubrik ins Leben gerufen und ich bin der Glückliche, der den Zuschlag für den ersten Bericht erhalten hat. Von der Arbeit berichten, hmm, die meisten von Euch haben ja sicher eine Vorstellung, was wir im Allgemeinen so machen. Für diejenigen von Euch, denen das nicht so geht, ganz pauschal gesagt: Wir setzen uns für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Seeleute ein. Auch wenn das bei Weitem nicht alles ist, denn ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist auch die U nterstützung und Umsetzung von Kampagnen. Momentan sind wir z. B. weltweit aktiv und kämpfen dafür, dass Laschtätigkeiten wieder ausschließlich durch Hafenarbeiter durchgeführt werden. Denn eines ist klar, ohne die solidarische Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen im Hafen ist auch die Umsetzung der Billigflaggenkampagne schwierig, wenn nicht unmöglich. In der Praxis sieht das Ganze so aus, dass wir uns einen Überblick über die in unseren Häfen erwarteten Schiffe verschaffen und als Erstes prüfen, ob etwa welche dabei sind, die ohne Tarifvertrag unterwegs sind. Wenn das der Fall ist, so bekommen die betreffenden Schiffe zunächst eine freundliche Erinnerung, dass dies nicht akzeptabel ist – verbunden mit der Aufforderung, für Abhilfe zu sorgen. Für das weitere Vorgehen gibt es keine „Textbuch“-Lösung, es wird der jeweiligen Situation angepasst. Aber ich denke, dem einen oder I N T E R N AT I O N A L E S anderen werden noch entsprechende Boykotte in Erinnerung sein. Im SchifffahrtsReport haben wir in Abständen darüber berichtet, etwa über den schnellen Erfolg bei den türkischen Eignern der „Medkon Izmir“, die im Hafen von Bremen vergangenes Jahr nur sieben Stunden boykottiert werden musste (Ausgabe 2/2015, Seite 6). Wenn wir nur Schiffe im Hafen haben, die bereits gecovert sind, das heißt, für die ein Tarifvertrag besteht, so schauen wir uns an, wer der entsprechende Reeder ist. Ist er vielleicht für seine kreative Auslegung von Tarifen bekannt? Dann schauen wir, wann die letzte(n) Inspektion(en) stattgefunden haben, wie die Inspektionen verlaufen sind. Gab es Probleme? Wie ging der Reeder damit um, wiederholten sich die Probleme evtl. von Inspektion zu Inspektion? Je nachdem, was für ein Bild sich zeichnet, beschließen wir dann, welche Schiffe wir besuchen. Täglicher K(r)ampf… Momentan haben wir unser Augenmerk stark auf 7 einen Reeder gerichtet, der mit einer Vielzahl von tarifvertraglich gebundenen Schiffen unterwegs ist. Der Witz an der Geschichte ist, dass wir auf den Schiffen dieses Reeders schon vorher wissen, was uns erwartet. Unter den Inspektoren ist er berüchtigt für Ver stöße gegen die Tarifverträge. Heuern werden zwar pünktlich bezahlt, dafür aber meist in Höhe des letzten Jahres, Heuererhöhungen werden einfach nicht umgesetzt. Die Wochenarbeitszeit wird erhöht. Selbst Offiziersränge werden teils nicht ausreichend bezahlt. Immer das Gleiche. Aber am Ende des Tages und nach unseren Besuchen freut sich die Crew, es gibt regelmäßig Heuer nachzahlungen und man hinterlässt ein paar lächelnde Gesichter, wenn man wieder von Bord geht. Best regards Sven Hemme ITF Inspector, Bremerhaven, Germany Mobil: +49 151 27 037 384 Die portugiesische Karte sticht nicht mehr ITF stuft portugiesische Flagge mit Zweitregister Madeira als Billigflagge ein RUUD TOUWEN | FOTO: MATHIAS THURM Farewell und Danke, Ruud! Im Mai hat das ITF-Sekretariat über die Entscheidung von Ruud Touwen informiert, seine gewerkschaftliche Tätigkeit für die europäische Seefahrt etwas früher zu beenden, als ursprünglich vorgesehen, und in Rente zu gehen. Es sei ihm nicht leichtgefallen, aber nun habe er entschieden, seiner ei genen Familie künftig doch mehr Zeit einzuräumen als der großen ITF-Familie, heißt es in der Mitteilung. Ruud war seit 1981 für das ITF-Inspektorat vor allem in seiner Heimat in den Nieder landen, aber auch in Deutsch land tätig und koordinierte die Arbeit der nationalen Inspek toren. In den 35 Jahren bei der Schifffahrtssektion der ITF bewährte er sich sowohl bei Vorbereitung und Abschluss von ITF-Verträgen für interna tionale Schiffe als auch bei der Ausbildung und der Einar beitung neuer ITF-Inspek toren. Aktiv hat er sich zudem in der ITF-TaskForce für Kreuz fahrtschiffe und im River Cruise-Projekt der ITF einge bracht. Neben einem herz lichen Dank für sein jahrzehn telanges Engagement beglei ten ihn alle guten Wünsche für Gesundheit und einen aktiven Ruhestand! „Die portugiesische Flagge wird für deutsche Reeder immer interes santer“, hieß es noch zu Jahresan fang in der Deutschen SchifffahrtsZeitung. Das dürfte sich wieder ändern: Auf Antrag von ver.di sind die portugiesische Flagge und das dortige Zweitregister Madeira im Mai 2016 von der ITF zur Billig flagge erklärt worden. Die Ver handlungsrechte für alle Schiffe in deutschem Eigentum liegen nun ausschließlich bei ver.di. Schluss mit Sozialdumping über die eifrige in Hamburg ansässige Flaggenver mittlerin, die European MAR GmbH, die beim Ausflaggen kräftig mit verdiente. Mehr als 2.700 deutsche Handelsschiffe fahren bereits unter ausländischem Hoheitszeichen. Während sich die Flotte unter deutscher Flagge weiter verkleinert – für das vergangene Jahr wird ein neuerlicher Rückgang von 368 auf 351 Schiffen vermeldet – stieg 2015 die Zahl der in Portugal registrierten deutschen Schiffe um mehr als die Hälfte, von 118 auf 187. Die Tonnage habe sich dabei sogar verdoppelt, berichtet der „Verkehrsbrief“. Der Anstieg, so vermutet man selbst dort, dürfe vorrangig auf das „ Madeira-Register“ zurückzuführen sein, hinter dem maßgeblich deutsche Kaufleute stünden. Wer hierhin wechselte, tat es aus „Spargründen“. Zwar fordert auch das portugiesische Register, dass 30 Prozent der Besatzung aus Europäern bestehen muss. Einen ausgebildeten Schiffsmechaniker oder einen der Landessprache mächtigen Kapitän, wie in Deutschland, verlangt es nicht. Auch keine Ausbildung an Bord. ver.di hatte im Fair Practices Committee der ITF bereits im vergangenen Jahr darauf hingewiesen, dass deutsche Schiffseigener auf diese Weise ihre Betriebskosten senken, ausländische Seeleute anheuern, ihnen schlechtere Arbeitsbedingungen zumuten, sie mies entlohnen und außerdem Sozialabgaben einsparen, die in Madeira nicht anfallen. Solches Dumping dürfe die ITF nicht dulden. Die zuständigen ITF-Gremien folgten der Argumenta tion nun mit der Billigflaggen-Einstufung. „Die ITF stellt mit dieser Entscheidung sicher, dass die im internationalen Vergleich vorzeigbaren ITF-/ver.di-Tarifverträge nicht durch nationale Vertäge in Portugal unterlaufen werden, die die Seefahrer schlechter stellen“, erklärt dazu Klaus Schroeter als Leiter der ITF-Billigflaggenkampagne in Deutschland. Er hofft auch, dass die deutschen Reeder zügig erkennen, dass ihnen die portugiesische Ausflaggung keinen Dumping-Freibrief mehr bietet, „weil die Seeleute künftig besser bezahlt werden müssen und nun eindeutig klar ist, wo die Flagge Portugals und MadeiNEH ras hingehören“. Im Ernstfall kommen die Leute zu mir ITF-Inspektor Ulf Christiansen erhielt hohe Hamburger Auszeichnung Der 5. Mai 2016 war ein bemerkens werter Tag im Leben des früheren Ka pitäns Ulf Christiansen: Er ging nicht wie sonst mit ITF-Jacke und -Helm an Bord, um Schiffe zu kontrollieren, sondern erhielt zünftig auf der Elbe und zum Hafengeburtstag vom Ham burger Senator für Wirtschaft, Trans port und Verkehr eine der höchsten Auszeichnungen der Hansestadt überreicht. Wir gratulieren Ulf – der beigetragen hat, Seeleuten ihnen vorenthaltene Heuern von über fünf Millionen US-Dollar zu erkämpfen – zum „Admiralitäts-Portugaleser“ in Silber. Und fragten ihn nach seinen Eindrücken: „Ich bin jetzt ITF-Inspektor im 26. Jahr. Als ich die Nachricht erhielt, dass ich mit dem Admiralitäts-Portugaleser ausgezeichnet werden soll, habe ich mich sehr gefreut. Schließlich sind wir hier als ITF-Inspek toren, die sich für die Rechte der Seeleute einsetzen, nicht unbedingt ‚Everybody´s Darling’. Umso bemerkenswerter ist es, wenn die Stadt Hamburg einen Gewerkschaftssekretär auszeichnet. Bestimmt weiß nicht jeder außerhalb von Hamburg, was der Admiralitäts-Portugalerser überhaupt ist. Es handelt sich um eine Münze, ausgeführt in Gold, Silber oder Bronze. Damit ausgezeichnet werden Personen, die sich verdient gemacht haben um den Hafen- und Schifffahrtsstandort Hamburg. In meinem Fall war meine langjährige Tätigkeit als ITF-Inspektor ausschlaggebend. Die Auszeichnung wird eher selten vergeben, das macht sie noch wertvoller. ULF CHRISTIANSEN (LINKS) – HIER NICHT ALLEIN IM HAMBURGER HAFEN | FOTO: ITF Ich habe bei der Verleihung eine kleine Rede gehalten und die gute Zusammen arbeit im Hamburger Hafen gewürdigt. Viele haben mich in meiner Arbeit unterstützt – namentlich genannt habe ich etwa den Hafenkapitän und seinen Vertreter. Aber ich habe in diesem Vierteljahrhundert auch zu anderen Menschen und Institutionen sehr gute Verbindungen aufgebaut. Meine Arbeit in dem großen Hafen Hamburg, in dem ich als ITF-Inspektor allein unterwegs bin, ist nur dann erfolgreich zu schaffen, wenn ich von vielen Seiten unterstützt werde. Dafür habe ich mich bedankt. Im Hamburger Hafen gibt es traditionell eine große Solidarität. Ich erinnere mich an meinen größten Fall eines gestrandeten Schiffs: Die „Verona“ war im Jahr 2000 von ihrem Reeder aufgegeben worden. Fast der ganze Hafen hat damals an einem Strang gezogen und geholfen, die Besatzung von acht oder neun Seeleuten über die Runden zu bringen – das schwierige Verfahren lief insgesamt neun Monate. Letztlich, als das Schiff unter den Hammer kam, haben wir erreicht, dass die Heuerforderungen der Seeleute in Höhe von rund 250.000 DM zu 100 Prozent aus dem Versteigerungserlös erfüllt wurden. Dieses Geld konnten wir nur gemeinschaftlich erstreiten! Solche Erfahrungen ziehen sich wie ein roter Faden durch meine Tätigkeit: Wenn die Menschen hier im Hafen merken, dass Seeleute extrem schlecht und ungerecht behandelt werden, dann passiert etwas, dann wird das nicht einfach so hingenommen. Die Leute kommen in solchen Fällen zu mir – auch wenn sie selbst nicht direkt betroffen sind.“ 8 PA N O R A M A FACHBEREICH VERKEHR 02 | 2016 Eine runde Sache Seemannsmission Krayenkamp feierte 125-jähriges Bestehen Der 15. Juni war ein großer Tag für die „Deutsche Seemannsmission in Hamburg e. V.“: Sie wurde 125 Jahre alt und beging dies mit einem großen Geburtstagsfest. Viele geladene Gäs te fanden – ähnlich wie sonst nur die Seeleute – eine kurze „Heimat auf Zeit“. Auf dem Programm standen Ansprachen etwa von Bischöfin Kirs ten Fehrs und von Politikvertretern sowie eine Andacht des Seemanns pastors Matthias Ristau. Natürlich gab es viel Musik, die lokal ange hauchten Darbietungen reichten von Hamburger Liedern bis zu den „KiezKauboys”. Für das leibliche Wohl sorgten ein Fingerfood-Empfang und ein Grillfest. Das allerwichtigste aber war die Gelegenheit zum gegenseiti gen Austausch und zum gemütlichen Klönen. In der Einladung hatte das Team an die geschichtlichen Umstände erinnert, die schließlich zur Gründung der Seemannsmission führten. So hieß es etwa in den „Fliegenden Blättern“ des diakonischen „Rauhen Hauses“ 1884: „Die deutsche Nation ist zum Bewusstsein einer Verpflichtung für ihre Seeleute noch nicht erwacht.“ Dabei hatte der Hamburger Johann Hinrich Wichern, Begründer der Inneren Mission FOTOS (4): NADINE GRENNINGLOH und des Rauhen Hauses, schon 1849 notiert: „Wir erinnern nun noch an die Fürsorge für die Matrosen, die in den Seestädten der Nord- und Ostsee so notwendig wäre. Die großen Resultate, welche englische und namentlich amerikanische Gesellschaften […] erreicht haben, ermuntern zur unverweilten Nachfolge.“ Am 15. Juni 1891 begründete dann Pastor Julius Jungclaussen die erste institutionalisierte Seemannsmission: In der Hansestadt sei ein „Hülfskommitee“ für Seeleute erforderlich, um die „kirchlichen und sittlichen Not stände“ des Seemannslebens zu schützen. Auch wenn das heute vielleicht nicht mehr zeitgemäß klingt, die Arbeit der Seemannsmission an einem Hafenstandort wie Hamburg ist nach wie vor wichtig. Die Einrichtungen sind für Seeleute aller Nationen, Kulturen und Religionen erste An laufstelle im fremden Hafen. Eine gute Seemannsmission ist Willkommenskultur und auch ein Wettbewerbsvorteil im WettRED bewerb der Häfen Europas. Auszeichnung für 1.000 Euro und ein Kicker für den Seemannsclub Duckdalben Sonderpreis des internationalen maritimen Netzwerks ISWAN Der internationale Seemannsclub Duckdalben in Hamburg erhielt den zum ersten Mal von ISWAN (International Seafarers´ Welfare and Assistance Network) verlie henen Sonderpreis „Judges Spe cial Award“. Die Preisverleihung erfolgte am 24. Juni 2016 im Rahmen einer Feier der Internati onal Maritime Organisation (IMO) in Manila. ISWAN ist ein Netzwerk, das weltweit das Wohl der Seeleute fördert. Die diesjährige ISWAN-Jury b egründete ihre Entscheidung für den Duckdalben damit, dass sie eine wirklich außer gewöhnliche Organisation mit einem Sonderpreis für besondere Verdienste um das Wohl der Seeleute ehren wollte. Seit 30 Jahren entwickele der Internationale Seemannsclub Duckdalben seine Dienste für Seeleute mit hochqualifizierten und engagierten Mitarbeitern. Weiter stellten die Preisrichter die Kontinuität der Leistungen heraus. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hätten „unermüdlich gearbeitet“, das Angebot immer weiter zu verbessern und dies auch noch nach dem Gewinn des Awards als Bester Seemannsclub 2011. Jan Oltmanns vom Duckdalben freute sich: „Es ist toll für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für alle, die uns in unserer Arbeit unterstützen und fördern. Wir alle werden mit diesem Preis geehrt! Schon immer waren wir im Duckdalben sehr innovativ und haben dies immer verbunden mit ‚wellbeing’ und Service für Seeleute. Die Arbeit für die Würde der Seeleute ist eigentlich ein Marathonstaffellauf. Es kommt darauf an, beständig Top-Leistungen zu bringen. Der Sonderpreis ist pünktlich zum 30-jährigen Jubiläum des Clubs im August eine große Ehrung.“ Seinen 30. Geburtstag feiert der Duckdalben mit einer Festwoche vom 28. August bis zum 3. September 2016.RED Die Crew der Saga Sapphire sagt Danke! Mit einer Doppel-Spende bedankte sich die Crew der „Saga Sapphire“ Mitte Juni für die Hilfe, die sie bei ihrem Stopp in Hamburg von der Seafarers´ Lounge und vom Interna tionalen Seemannsclub Duckdalben erhielt: Einerseits ging ein 1.000-Eu ro-Scheck an den Duckdalben. Ande rerseits spendierten die Seeleute dem Club – ganz im Geiste der Euro pameisterschaft – einen Kickertisch. Markus Wichmann, Leiter der Seafa rers´ Lounge, die sich als Dependance an den Kreuzfahrtterminals um die Crews der Kreuzfahrtschiffe küm mert: „Ein Kicker hat wie ein BillardTisch für Seeleute eine besondere Bedeutung. An Bord eines Schiffes kann man vieles spielen – nur nicht Billard oder Kicker. Wenn Seeleute einen Billardtisch oder einen Kicker sehen, wissen sie: Wir sind an Land.“ Die Seeleute der „Saga Sapphire“ die ursprünglich von Hapag-Lloyd Cruises als MS Europa betrieben worden war, waren fast zwei Monate in Hamburg. Die Saga lag 55 Tage bei Blohm & Voss zur Überholung und Aufrischung. Wichmann: „Der längere Aufenthalt führte zu einer inten siveren Beziehung zwischen uns und der Besatzung. Wir von der Lounge machten Krankenhausbesuche und besuchten die Crew auf dem Schiff. Das Team vom Duckdalben fuhr mehrere tausend Kilo meter von Blohm & Voss in den Club und zurück, um die Crew zum FOTOS (2): FERNANDO MAGAYANES Chillen und Kommunizieren in den Club zu holen.“ Die Seafarers´ Lounges an den Kreuzfahrtterminals in Altona, Hamburg-Steinwerder und in der Hafen-City sind Gemeinschaftsprojekte der Seemannsmissionen Hamburg-Altona und Hamburg-Harburg sowie der Deutschen Seemannsmission in Hamburg e. V. Sie wurden gegründet, um auch denen eine Heimat auf Zeit zu bieten, die Kreuzfahrten erst möglich machen: weltweit über 250.000 Servicemitarbeiter, Seeleute und Techniker. 2015 besuchten mehr als 20.000 Seeleute oder Servicemitarbeiter die Lounges. Auf Luxusschiffen kann das Verhältnis Passagier-Crewmitglied bei 1:1 liegen, meist kommen zwei bis drei Passagiere auf ein Crewmitglied. Die „Saga Sapphire“ hat 300 Crew-Mitglieder und Platz für maximal 600 Passagiere. Wichmann erklärt: „Auch die Crews der Cruiseliner brauchen Unterstützung. Wer meint, dass auf diesen Schiffen die Arbeit einfacher ist als auf Frachtschiffen, der irrt.“ Die Lounges sind kleine Oasen, wo die Mannschaften der Luxusliner auftanken, Dinge für den täglichen Bedarf kaufen oder via Skype mit ihren Familien in KonRED takt treten können. FOTO: D.W. KALINA/PIXELIO Funkstille bei URAG Steife Geschäftsführung kündigte Rahmen- und Heuertarifvertrag Brise für Briese Ende Februar erhielt die ver.di- Geschäftsstelle Bremen Post von der Geschäftsführung der Unterweser Reederei GmbH (URAG). Inhalt des Schreibens war die Kündigung des bestehenden Rahmen- und Heuer tarifvertrages. Damit verbunden wa ren drei Forderungen: ein übersichtlicherer Rahmentarifvertrag, eine einheitliche Jahresarbeitszeit für alle Seemitarbeiter, weitere Forderungen werden vorbehalten. Die URAG-Geschäftsführung hatte es eilig mit der Umsetzung und schlug noch für März drei Verhandlungstermine vor. Die ver.di-Tarifkommission der URAG befasste sich daraufhin mit den Anliegen des Unternehmens, sah sich aber nicht in der Lage, eine Position dazu zu finden. Die Forderungen sind zu pauschal, ja es bleibt unklar, was eigentlich gewollt ist. So verlangte ver.di von der URAG-Geschäftsführung, konkreter zu werden. Eine Antwort auf die ver.di-Nachfragen steht bis zum heutigen Tag aus, trotz zweimaligen Nachhakens. Die Tarifkommission benötigt eindeutige Aussagen zu tariflichen Änderungen, um verantwortungsvoll darüber befinden zu können. Nur so kann man wirksam auch die Interessen der KolleginPG nen und Kollegen berücksichtigen. US-Behörde ahndet Umweltverstoß Acht Forschungsschiffe bereedert die Briese Schiffahrts GmbH & Co. KG aus dem ostfriesischen Leer. Besitzer sind der Bund und die Länder. Einige an Bord dieser Schiffe durchgeführte Forschungsvorhaben beschäftigen sich immer wieder auch mit Fragen der Umwelt und des U mweltschutzes. Dennoch beschuldigte die US-Coast Guard die Reederei, am 27. März dieses Jahres veröltes Abwasser vom Frachter „Magellan“ mit einem Schlauch in den Hafen von Pensacola/Florida einge leitet zu haben. Die Crew leugnete zunächst, zeigte sich dann jedoch ge ständig. Die Sache wurde teuer für Briese: Wegen des Verstoßes gegen die Marpol-Umweltauflagen, die in den USA einer strengen Kontrolle unter liegen, wurden der Kapitän und drei weitere Crewmitglieder monatelang in den USA festgehalten, ein Bezirks gericht verhängte eine Strafe von 1.500.000 US-Dollar zuzüglich 600.000 US-Dollar Anwaltskosten. Außerdem darf die „Magellan“ fünf Jahre lang keinen Hafen in den USA anlaufen. Seniorchef Briese spielt die Unschuld vom Lande. Den Chefingenieur, dem die Verschmutzung zur Last gelegt wird, hat er entlassen. Sicher wird man dem Reeder persönlich nichts beweisen können, aber kein vernünftiger Seemann verunreinigt die Umwelt, wenn er dazu nicht animiert wird. Die Entlassung des Seemannes macht das nicht glaubwürdiger. Und auch der VDR, der die Strafen für nicht angemessen hält, zeigt erneut, was er von Gesetzen, Regeln und Verordnungen hält. Wenn es richtig ist, was über die Coast Guard geschrieben wird, dann sollte ver.di alle Seeleute auffordern, zu ihrem eigenen Schutz bei solchen Verstößen selbst die Coast Guard und auch andere Behörden zu informieren, sonst müssen sie als Geringstverdiener am Ende noch für die BußPG gelder herhalten.